Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 34: ...da ist Hoffnung! ------------------------------- Einige gespannte Herzschläge hält der innige Kuss an, dann löst sie sich von ihm. Sesshomaru öffnet die Augen. Ihre Fingerspitzen berühren schwach ihre Lippen. Dann weiten sich ihre Augen langsam und ihre Hand schiebt sich über ihren Mund als wollte sie etwas bewahren. Ein Geräusch, das wie eine Mischung aus Lachen und Schluchzen klingt, entfährt ihr und ohne Fokus geht ihr Blick an ihm vorbei. Mehrmals atmet sie tief ein und aus, während sie um ihre Fassung ringt. Dann schließlich blickt sie doch wieder zu ihm auf. „Du bist hier!“, bringt sie schwach hervor. „Ich bin hier“, bestätigt Sesshomaru verhalten. „Ich habe nicht erwartet, dich noch einmal zu treffen“, kommt die behutsame Erwiderung. Sesshomaru zögert mehrere Herzschläge lang. Dann sagt er leise: „Natürlich musstest du das annehmen.“ Nun wendet sie den Blick ab. „Bitte glaube nicht, ich hätte kein Verständnis dafür. Es gibt keine Entschuldigung dafür, wie sehr ich an dir schuldig geworden bin.“ Nun versteift sich Sesshomaru. Für ein paar Augenblicke verharrt er in dieser Position. Dann richtet er sich auf und so würdevoll wie es ihm möglich ist, kommt er wieder auf die Füße. Mit unergründlicher Miene blickt er auf sie hinunter. Dann plötzlich streckt er die Hand aus und hält sie auffordernd der vor ihm knienden Youkaifrau hin. „Hanaki...“, sagt er leise, „sage mir das nur immer wieder, denn wenn deine ehrliche Reue mich immer wieder aufs Neue zutiefst beschämt, habe ich vielleicht die Möglichkeit auch nur ein bisschen von der Schuld abzutragen, die ich an dir begangen habe als ich dich in all deinem Elend und Leid zurückgelassen habe.“ Unwillkürlich erstarrt die Inuyoukai. Dann hebt sie zerknirscht den Kopf und in ihren Augen liegt bittere Reue. „Nicht doch!“, bricht es aus ihr heraus. „Ich habe dich ohne ein Wort der Erklärung verlassen. Ich habe dich entehrt. Das ist unverzeihlich! Du solltest mich hassen!“ Nun beugt der hochgewachsene Daiyoukai sich zu ihr herab, nimmt ihre Hand in seine und zieht sie nachdrücklich zu sich hoch. Er sieht sehr blass aus und er meidet ihren Blick als er sagt: „Ich würde es wirklich vorziehen keine Schuld gegeneinander aufzurechnen. Ich denke nicht, dass ich dabei sonderlich gut abschneiden würde. Außerdem könnte ich dich nicht annähernd so sehr hassen, wie ich mich selbst dafür verabscheue dir nicht vertraut zu haben. Was immer ich je an Hass für dich empfunden habe, er hat längst seine Schuldigkeit abgegolten. Nun ist es lediglich noch an mir, dich um Verzeihung zu bitten für meine Hartherzigkeit und Unversöhnlichkeit, auch wenn ich weiß, dass es keinen Grund gibt, warum mir diese gewährt werden sollte.“ Mit großen Augen sieht sie ihn an. Für einen langen Moment sagt sie kein Wort. Ihr Gesicht ist einem regen Mienenspiel unterworfen, so unschlüssig ist sie wie sie dieses Geständnis aufnehmen soll. Doch schließlich glätten sich ihre Züge. Dann hebt sie ihre Hand und legt sanft ihre Finger an seine Wange. Ehrliches Mitgefühl liegt in ihrer Stimme als sie sagt: „Ich mag mir gar nicht ausmalen, was es dich gekostet hat zu dieser Einstellung zu kommen.“ Sesshomarus Hand reicht hinauf zu ihrer und seine Finger umfassen die ihren. Müde schließt er die Augen. „Tu es besser nicht, und bitte nötige mich nicht, es auszuführen.“ „Hat... Er dich gefunden?“, kommt die zögerliche Rückfrage. Sesshomaru nickt leicht. „Ja! Und ja! Doch leider kam das zweite Ja etwas zu spät.“ Sie zieht ihre Hand zurück. „Was meinst du damit?“, ihre Stimme schwankt besorgt. Nun öffnet Sesshomaru die Augen und echter Schmerz liegt darin. „Ich konnte nicht bewahren, was du mir zur Bewahrung gesandt hast. Ich wollte es nicht. Ich habe ihn meinen Hass auf dich spüren lassen. Und schlussendlich ist dieser Hass mit ihm zusammen gestorben.“ Nun weicht sie erschrocken einen halben Schritt zurück. „Tenmaru... ist tot?“, haucht sie. Noch einmal nickt der Daiyoukai kraftlos und sein Gesicht ist dabei leichenblass. „Er starb um uns beiden... Ehre zu erweisen.“, wispert er. „Aber... wie?“, kommt die ratlose Frage. „Ich habe ihn nie hier getroffen.“ „Er wurde geläutert“, erklärt Sesshomaru. „Ich bin wirklich überrascht, dass Arashitsume das für sich behalten hat. Er nutzt doch sonst jede Gelegenheit um Leid zu verbreiten.“ „Willst du damit sagen, er hat davon gewusst?“, kommt es aufgebracht von der Youkai zurück. „Eigentlich hatte er sogar erheblichen Anteil daran“, antwortet Sesshomaru mit bitterer Miene. „Er beauftragte eine schwarze Miko mich zu töten, jedoch läuterte sie stattdessen Tenmaru.“ Die näheren Umstände behält er lieber erst mal für sich. Nun kann man ein grimmiges Funkeln in Hanakis Augen erkennen als sie die Zähne fletscht. „Den bring ich um!“, verkündet sie unheilvoll. „Dieses Mal bringe ich ihn wahrhaftig um!“ Dies nutzt Sesshomaru als Gelegenheit um ein anderes Thema aufzugreifen. „Ich nahm an, das hättest du bereits. Nachdem ich ihn hier nicht mehr ausmachen konnte, ging ich davon aus, du hättest ihn unschädlich gemacht.“ Es ist ihm sichtlich unangenehm darüber zu sprechen, denn das bedeutet, das Gespräch wieder auf seine unrühmliche Niederlage zu bringen, doch er muss Gewissheit haben. „Oh, vernichtet ist er nicht“, erwidert Hanaki grimmig, „Der Feigling ist geflohen als er merkte, dass er unterlegen war, wie üblich. Ich kann nur für ihn hoffen, er sitzt jetzt irgendwo, leckt seine Wunden, verflucht mich hingebungsvoll und lässt sich eine ganze Weile hier nicht mehr blicken.“ „Du warst damals schon stärker als er“, bemerkt Sesshomaru. „Früher hat er sich nie auf ein direktes Kräftemessen mit dir eingelassen. Die Wege die er wählte waren wesentlich verschlagener und leider auch effektiver. Was hat sich geändert?“ „Er ist gestorben“, fest blickt Hanaki ihn an. „Hier ist die Hölle. Alles ist anders. Hier hat er keine Macht mehr.“ „Er war ein intriganter, machtbesessener Wahnsinniger. Doch er war kein Schwächling“, wendet Sesshomaru ein. „Jemand wie er findet immer eine Machtposition.“ Ernsthaft aber milde blickt Hanaki ihn an. „Sesshomaru“, sagt sie leise, „du bist noch ein Lebender. Du kannst das nicht verstehen. Hier ist alles anders. Auch für ihn. Er wird niemals wieder zu Macht kommen. Das wird ihm nicht gestattet werden.“ Nun zeigt sich Sesshomaru doch interessiert. „Von wem?“ Die Daiyoukai zögert einen Moment. Dann meint sie: „Ich möchte es so ausdrücken. Mein Bruder ist auf alle Zeit in Ungnade gefallen. Gewisse Personen sind über seinen äußerst unrühmlichen Abgang mehr als ungehalten. Besonders deshalb weil er es fertig gebracht hat unsere Blutlinie enden zu lassen.“ Allmählich bekommt Sesshomaru eine Ahnung wovon sie spricht. „Du redest von deinen Eltern?“, mutmaßt er. Nun legt sich ein leicht belustigtes Lächeln um ihre Mundwinkel, doch es verschwindet rasch wieder. „So in etwa“, nickt sie sachlich. „Er wurde dafür bestraft und ist für alle Zeit von unserer Heimstatt hier, dem Revier der Höllenhunde, verbannt worden. “ „Und was sucht er dann hier?“, der Ärger in Sesshomarus Worten lässt sich nicht völlig verbergen. Unergründlich blickt sie ihn einen Moment an. Dann sagt sie: „Komm, ich werde es dir zeigen.“ Sie winkt ihm, ihr zu folgen und bereitwillig setzt er sich in Bewegung. Nachdem Tenseiga seine heilende Wirkung gezeigt hat, ist ihm Gehen endlich wieder schmerzfrei möglich, wenn jedoch noch immer nicht unbeschwert. Innerlich geht er seine Verletzungen durch und stellt fest, dass die meisten von ihnen zumindest fundamental geheilt sind. Dass er noch nicht ganz gesund ist, ist ihm durchaus bewusst. Seine Bewegungen sind noch recht steif und in seinen Gliedern spürt er dabei ein deutliches Ziehen. Wäre Tenseiga nicht versiegelt, hätte es vermutlich mehr ausrichten können, doch auch so ist es ihm eine große Hilfe gewesen. Jedoch sollte er in nächster Zeit dringend davon Abstand nehmen, seinen Körper mehr als unbedingt nötig zu beanspruchen, sonst könnten viele der Verletzungen wieder aufbrechen, da ist er sich sicher. Ob er sich allerdings die nötige Schonung gönnen kann, wird sich wohl noch zeigen. Immerhin befindet er sich noch immer in der Hölle, wenn jedoch auch zum ersten Mal in angenehmer Gesellschaft. Gemächlich wandern die beiden nebeneinander den staubigen Weg entlang. Zu ihrer linken Seite ragt eine zerklüftete etwa drei Schritt hohe Wand aus rotem Gestein hoch. Sie säumt den leicht ansteigenden Weg noch ein ganzes Stück, dann gibt sie den Weg auf die tieferliegende Ebene frei. Bei der Felsschneise bleibt Hanaki stehen und gewährt Sesshomaru den Blick hinab in einen kleinen Talkessel. Er ist vollständig mit hellem grauen Sand bedeckt und von seiner Mitte aus ziehen sich in konzentrischen Kreisen, kleine Bodenwellen die zum Rand des Kessels ein wenig deutlicher und breiter werden. Sonstige Spuren gibt es dort nicht und in seiner Mitte befindet sich... „Sou'unga!“, wispert Sesshomaru ungläubig. Das magische Schwert, das sein Vater einst trug, steckt nun exakt in der Mitte des Felskraters mit der Spitze voran im Sand und erweckt den Eindruck von gänzlicher Leblosigkeit. Aufgewühlt wendet sich der Daiyoukai zu seiner Begleiterin um. „Was tut dieses verfluchte Schwert hier?“ „Gar nichts!“, kommt die ernsthafte Antwort. „Es befindet sich noch immer unangetastet an der gleichen Stelle wo es vor einer ganzen Weile herabstürzte. Und meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt.“ Entschlossen funkeln ihre Augen bei diesen Worten. Nun hebt Sesshomaru doch ein wenig überrascht seine Brauen. „Du bewachst Sou'unga?“ Hanaki nickt kurz, „Ich habe diese Aufgabe aus freien Stücken übernommen. Im Grunde gibt es nur eine einzige Person hier die machtgierig, verzweifelt und wahnsinnig genug ist, um es immer wieder zu versuchen dieses elende Schwert in seine Gewalt zu bringen. Alle anderen sind überein gekommen, Sou'unga am besten genau dort zu belassen, wo es sich im Augenblick befindet.“ „Arashitsume versucht Sou'unga zu stehlen, um sich seine Machtposition wieder zurückzuholen, ist es nicht so?“ Es ist eine rhetorische Frage. „Ja“, Hanaki nickt. „Er begreift nicht, dass er dieses Schwert niemals völlig beherrschen kann. In seinen Händen würde es nur zahlreiche Katastrophen verursachen und womöglich Schlimmeres. Es war dein Vater der vorschlug es am besten dort zu belassen und niemanden in seine Nähe zu lassen. Da die einzige Gefahr dafür von meinem Zwillingsbruder ausgeht, ist es für mich eine Selbstverständlichkeit ihm Einhalt zu gebieten. Außerdem ist es mir ein persönliches Anliegen, dass er nicht noch mehr... Schaden anrichtet.“ Bei diesen Worten ist sie behutsam an ihn herangetreten und hat sacht seine Hand ergriffen. „Er darf niemals wieder solches Leid verursachen.“ Regungslos steht Sesshomaru da. Seine Bewegungen sind erstarrt und sein Nacken ist angespannt. Es dauert eine ganze Weile ehe er wieder redet. „Du hast... meinen Vater gesprochen?“, die Worte klingen mühsam beherrscht. Langsam lässt sie seine Hand wieder los und schlägt kurz die Augen nieder. „Verzeih! Es war nicht meine Absicht dich mit meiner Bemerkung in Aufregung zu versetzen.“ Langsam atmet Sesshomaru durch. „Das ist es bei dir niemals“, entgegnet er matt. „Ich würde nur gerne erfahren... was du ihm erzählt hast.“ „Ich habe ihm nichts erzählt“, mit aufrichtigem Blick sieht sie ihn an. „Ich hielt es für... unangemessen. Außerdem begegnen wir uns nur selten.“ Bei dem letzten Satz schlägt sie die Augen nieder. „Und Arashitsume?“, kommt die wachsame Rückfrage? Hanaki schnaubt verächtlich aus. „Nicht eine Silbe ist über seine Lippen gekommen, als sie ihn befragt haben. Ich vermute er wollte sich selbst nicht noch mehr Unannehmlichkeiten bescheren.“ Nun wirkt Sesshomaru doch recht verwundert. „Wenn er nichts über die Ereignisse erzählt hat, die zu seinem Ableben führten, woher wisst ihr dann was damals geschehen ist?“ „Raiseimaru hat offenbar ein wenig geplaudert“, gibt sie Antwort. „Von ihm wissen sie, dass man Arashitsume die Fürstenwürde aberkannt hat. Du kannst dir gar nicht vorstellen was danach hier los war.“ Sie schmunzelt kurz als würde sie sich an etwas Amüsantes erinnern. „Raiseimaru also...“,murmelt Sesshomaru leise. Dann fragt er argwöhnisch: „Was... hat er denn sonst noch über diesen Tag erzählt?“ „Das weiß ich nicht“, gibt Hanaki ehrlich Auskunft. „Ich bin nicht dabei gewesen. Ich habe auch nur Gerüchte gehört. Aber er sagte nichts über... Tenmaru.“ Hier unterbricht sie kurz und versucht ihre zitternden Lippen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ein wenig befangen steht der Daiyoukai da während seine Begleiterin die Trauer um ihren verstorbenen Sohn niederkämpft. Sie scheint besser damit umgehen zu können als er, doch das mag täuschen. Die Daiyoukai aus dem Osten hat sich noch nie in die Karten blicken lassen. Aber sie hat einen starken Charakter, daran besteht kein Zweifel. Auch das hat ihn damals so unwiderstehlich an ihr angezogen. Doch zugleich ist da diese andere Seite an ihr, die sinnlich, zart und sehr verletzlich ist und die auch sie niemals zeigen durfte. Ja, sie haben wirklich viel gemeinsam, wie zwei Hälften der selben Seele. Und diesmal wird er sie nicht noch einmal zurücklassen. Das wird er ihr nicht noch einmal antun. Oder sich. „Vielleicht war es richtig von ihm, dass er dazu geschwiegen hat“, ergreift Sesshomaru jetzt behutsam wieder das Wort. „So musst du nun die Trauer über seinen Verlust nur eine kurze Zeit erdulden.“ „Wie meinst du das?“, fragt Hanaki so gefasst wie möglich zurück. Jetzt ergreift Sesshomaru noch einmal sanft ihre Hand. „Der Grund weshalb ich hier bin, ist der, dass ich Tenmaru ins Leben zurückzuholen gedenke“, bestimmt blickt er sie an. „Und dich ebenfalls. Das verspreche ich dir!“ Unwillkürlich schüttelt sie den Kopf und weicht einen Schritt zurück. „Was redest du da?“, stößt sie überrascht hervor. „Das kann nicht dein Ernst sein!“ Reglos steht Sesshomaru da. Schweigend blickt er sie an, aber in seinen Augen liegt nun eine beklemmende Traurigkeit. Schließlich sagt er mit mühsam beherrschter Stimme: „Du reagierst, als hätte ich dich gebeten... meine Frau zu werden.“ Nun weiten sich ihre Augen erschrocken und hinter ihrer Stirn scheint es emsig zu arbeiten. Dann plötzlich schlägt sie unwillkürlich die Hand vor den Mund. „Sesshomaru...“, wispert sie kraftlos. „Ich...“, dann weicht ihr alle Farbe aus dem Gesicht und ihre Hände beginnen zu zittern. „Du hast recht! Wie... kann ich das je wieder gutmachen?“ Nun kommt Sesshomaru direkt auf sie zu. Ohne Umschweife fasst er ihre Hände und zieht sie zu sich. Direkt blickt er ihr in die Augen als er ernsthaft sagt: „Indem du dein Leben mit mir teilst.“ Im ersten Moment steht ihr nur tiefe Verunsicherung ins Gesicht geschrieben als sie zu ihm aufblickt. Doch dann urplötzlich bricht der Damm und mit befreiender Erleichterung schmiegt sie sich an seine Brust während ihr die Tränen über das Gesicht laufen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals die Möglichkeit erhalte, meine Antwort von damals zu korrigieren.“ Sanft streichen ihre Finger über seinen Oberarm und dann spürt sie wie auch er behutsam die Arme um sie legt und sie ein wenig dichter zieht. „Würde ich denn diesmal ein Ja von dir erhalten?“, kommt die leise aber beharrliche Frage von ihm. Nun zieht ein leichtes Lächeln über ihre Lippen. „Wären die Umstände anders gewesen, wäre es immer schon ein Ja gewesen.“ „Du bist tot und wir befinden uns in der Hölle. Wie viel anders können die Umstände noch werden?“, kommt es leicht sarkastisch zurück. „Zumindest sind dies Umstände die dem Kern der Frage nicht unbedingt zuträglich sind“, weicht sie erneut neckisch aus. Doch nun umfasst er erneut ihre Handgelenke und bringt sie auf eine Armlänge Abstand zu sich. Bekümmert blickt er sie an. „Hanaki... du musst das nicht länger machen, weißt du?“ Der Blick in seine warmen aber traurigen Augen lässt sie schwer schlucken. Dann schlägt sie den Blick nieder. „Du hast recht“, gibt sie zu. „Ich bin es viel zu lange schon gewöhnt meine Integrität zu bewahren und es ist dir gegenüber nicht fair.“ „Nun?“, leicht berühren seine Fingerspitzen ihr Kinn. „Wie lautet deine Antwort?“ Sie zögert einen langen Moment, als müsse sie einen stillen Kampf mit sich austragen. Dann hebt sie den Kopf. „Ja!“ Sesshomaru kann spüren wie sein Herz einen kurzen Sprung macht und dann mit erheblichem Tempo weiter galoppiert. Ein erleichtertes Lächeln liegt um seine Mundwinkel. Nie wieder möchte er sie sich anders vorstellen, als an seiner Seite. „Und doch“, holt ihn nun ihre Stimme in die Gegenwart zurück, „wie stellst du dir das vor? Eine Seele aus dem Totenreich zurückzufordern ist ein Eingriff in die natürliche Ordnung der Dinge. Wie kannst du erwarten, Erfolg damit zu haben?“ Sesshomarus Miene wird ernst. „Ich habe dies schon öfter getan. Tenseiga ist ein sehr mächtiges Schwert. Nur im Augenblick... kann ich nicht auf seine ganze Macht zugreifen. Doch es vermag tote Körper wiederzubeleben.“ Ein wenig abschätzend betrachtet Hanaki das Schwert, um das noch immer die Schatten der magischen Ketten gewunden sind. „Bist du deshalb hierher gekommen“, fragt sie reserviert, „weil... Tenmaru geläutert wurde und es keinen Körper gab um ihn wiederbeleben?“ „Deine Familie ist sehr scharfsinnig“, bemerkt Sesshomaru mit leichtem Zynismus in der Stimme. „Aber hast du denn nicht bedacht, das geläuterte Youkai...“ „Es ist nicht nötig, dass du mich auch noch einmal darauf aufmerksam machst!“, unterbricht der Daiyoukai sie demonstrativ. „Oh...! Ich verstehe“, lenkt Hanaki ein. „Aber glaube nicht, dass ich mich davon abhalten lasse“, stellt Sesshomaru klar. „Wenn er nicht hier ist, werde ich meine Suche nicht aufgeben, bis ich ihn gefunden habe. Mir bleibt auch keine Wahl“, gibt er nun etwas verhalten zu. „Meine Reise ist nicht rein... persönlicher Natur“, fügt er auf ihren fragenden Blick hin hinzu. „Welchen anderen Grund könnte es geben, deinen Sohn wiederzubeleben?“, die Frage ist diesmal deutlich reservierter. Sesshomaru atmet einmal durch. „Es gibt ein... Problem in meinem Reich. Ich benötige seine Hilfe dabei. Es ist ein wenig kompliziert. Ich kann dir wenig mehr erzählen, da ich auch nicht viel mehr weiß. Wie es aussieht treibt dort ein mächtiger Inuyoukai sein Unwesen und auf Anraten unserer Ältesten ist ihm nur mit Tenmarus Hilfe beizukommen. Das ist alles was sie mir verraten hat, aber ich werde alles in meiner Macht stehende tun um mein Reich zu schützen.“ Mit eigentümlicher Miene hat sie ihn bei dieser Schilderung beobachtet. Schließlich sagt sie mild: „Du hast dich überhaupt nicht verändert, Sesshomaru.“ „Wenn das ein Kompliment sein soll, wäre ich dir dankbar, wenn wir das auf später verschieben könnten“, erwidert er höflich, „Sobald meine Mission erfüllt ist, werden wir ausreichend Zeit für derlei Intimitäten haben, sei versichert.“ Unwillkürlich entfährt ihr ein kurzes Glucksen, dann presst sie rasch die Lippen aufeinander und fängt sich wieder. „Du hast natürlich recht!“, bestätigt sie ernsthaft mit einem kurzen Räuspern. „Wenn die Sachlage so ist wie du sie beschreibst, dann sollte ich dich wohl besser vor den Hohen Rat bringen.“ Sesshomaru verzieht ein wenig das Gesicht. „Der Hohe Rat? Ist das wirklich nötig?“ Seine letzten Erinnerungen an solch ein Treffen sind mit wenig angenehmen Gefühlen verbunden. „Der Hohe Rat von was?“ „Der Höllenhunde natürlich“, erklärt sie geduldig. „Kein Rudel kann ohne Rangordnung existieren, das weißt du doch.“ Sesshomaru wägt ihre Worte kurz ab, dann fügt er sich. „Sicher. Also in Ordnung, bring mich hin!“ Gemeinsam folgen sie eine ganze Weile dem staubigen Felsweg. Das Licht ist noch immer schummrig rot und die Luft schmeckt warm und abgestanden. Schweigend gehen sie nebeneinander her und keiner von beiden empfindet die Notwendigkeit ein Gespräch zu beginnen, obwohl noch immer viele Fragen zwischen ihnen unausgesprochen sind. Innerlich ist Sesshomaru erleichtert darüber. Selten zuvor musste er ein derartiges Wechselbad der Gefühle durchleben wie gerade vorhin. Und die Male wo er es musste, hat er in keiner schönen Erinnerung. Allein ihre Gegenwart genügt ihm im Augenblick und so verbringt er die Wanderung damit sich die Momente des vorangegangenen Gespräches in Erinnerung zu rufen, die sein Herz haben höher schlagen lassen. Sie hat Ja gesagt! Sie hat endlich Ja gesagt! Im Augenblick könnte er gar nicht seliger sein. Wäre da nicht die Bedrohung durch diesen ominösen Katsuken, dann wäre sein Glück vollkommen. „Diese Wiederbelebung durch Tenseiga“, reißt ihn plötzlich ihre Frage aus seinen Gedanke, „wie geht das von Statten?“ Bereitwillig beschließt er zu antworten. „Sein Träger vermag die Diener des Jenseits zu erkennen, die einem getöteten Körper die Seele entreißen. Für gewöhnlich vernichtet Tenseiga diese Wesen und die Seele wird in ihren Körper zurückversetzt. Doch Tenseiga vermag auch zu heilen. Ist der Körper erst mal wieder hergestellt, hat die Seele eine neue Behausung und Tenseigas Macht versiegelt sie wieder an ihrem angestammten Platz.“ „Und du glaubst... das funktioniert auch bei mir?“, kommt nun die zögerliche Rückfrage. „Immerhin liegt mein Tod schon einige Jahre zurück.“ „Sei unbesorgt!“, beruhigt Sesshomaru sie. „Sobald ich von Yarinuyuki erfahren habe was sie mit deinem Leichnam angestellt hat, sollte es keine weiteren Probleme diesbezüglich geben.“ Nun zieht sich Hanakis Miene etwas zu. „Ich verstehe. Vermutlich war sie nicht sonderlich erfreut darüber, was ich ihrem Vater angetan habe. Man sollte meinen, sie wäre damit zufrieden gewesen, dass er mich getötet hat.“ Sesshomaru wirft ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Urteile nicht zu vorschnell über sie. Zeitweise hat sie sich recht... anständig verhalten. Zu Beginn war sie natürlich erbost, da hast du recht, doch im Verlauf der weiteren Ereignisse, die zu Arashitsumes Entmachtung geführt haben, war durchaus mit ihr zu reden.“ „Es scheinen damals ja wirklich zahlreiche turbulente Ereignisse stattgefunden haben“, bemerkt sie ein wenig zynisch. „Ich werde dir alles zur gegebenen Zeit erzählen“, verspricht Sesshomaru. „Doch im Augenblick sind andere Dinge wichtiger.“ „Ich bin wirklich gespannt dann davon zu hören“, bemerkt Hanaki leicht amüsiert. „Und ich ebenso!“ Augenblicklich erstarrt Sesshomaru. Die Stimme kommt aus einer kleinen Felsennische ein Stück vor ihnen. Jemand hat dort auf einem flachen Stein gesessen und erhebt sich nun, um auf sie zuzukommen. Sesshomaru spürt wie sich sein Herzschlag beschleunigt und unwillkürlich reckt er sich ein bisschen. „Wenn du wüsstest, was für eine Wohltat es ist, deinen Herzschlag zu hören. Nichts hier hat einen Puls. Es ist eine wahrhaft willkommene Abwechslung.“ Die Gestalt kommt immer näher auf sie zu. Innerlich atmet Sesshomaru einmal tief durch. „Seid gegrüßt, Chichi-ue!“, sagt er respektvoll. „Es ist auch eine Freude dich wiederzusehen, mein Sohn!“, antwortet Inu Taishou. Die beiden Daiyoukai stehen sich nun gegenüber und sehen sich an. Keiner sagt ein Wort. Schließlich bricht Inu Taishou das Schweigen. „Du siehst etwas mitgenommen aus.“ „Es ist nicht so dramatisch wie es erscheint“, wehrt Sesshomaru höflich ab, „Es ist der Preis dafür, wenn man als Lebender die Hölle aufsucht.“ „Du musst einen guten Grund haben, um hierher zu kommen“, redet Inu Taishou weiter. Sesshomaru nickt steif. „Den habe ich“, bestätigt er knapp. Abschätzend mustert sein Vater ihn. Dann fragt er: „Würdest du ihn mir verraten?“ Sesshomaru blickt ein wenig unbehaglich zur Seite. „Wir sind gerade auf dem Weg zum Hohen Rat“, antwortet Hanaki an seiner statt. „Ich bringe ihn hin. Dort werdet Ihr alles erfahren, Inu Taishou-sama.“ „Ist es euch recht, wenn ich euch begleite?“, fragt der ältere Daiyoukai höflich. Sesshomaru vermeidet es Hanakis Blick zu begegnen. „Natürlich, Chichi-ue“, antwortet er besonnen. „Es ist uns eine Ehre.“ Ein leichtes Seufzen entfährt Inu Taishou. „Ich höre noch immer deiner Mutter Erziehung in deinen Worten.“ Dann schließt er sich ihnen an und sie gehen weiter. Doch ganz mag Sesshomaru die Bemerkung nicht auf sich beruhen lassen. „Aus Eurem Mund klingt das, als wäre Etikette etwas Schlechtes.“ „Es ist nicht die Etikette“, erwidert der Daiyoukai. „Es ist die Devotion. Das steht einem Fürsten der Inuyoukai nicht zu Gesicht.“ Nun bleibt Sesshomaru stehen und blickt seinen Vater verstimmt an. „Ihr nennt mich unterwürfig? Weil ich Euch Respekt entgegenbringe?“ „Weil wir nicht als Gleichrangige miteinander reden, Sesshomaru“, kommt die ruhige Antwort. Nun stutzt Sesshomaru doch einen Moment. Erst will er widersprechen, doch dann überlegt er es sich anders und sagte eine Weile gar nichts. Währenddessen setzen sie sich wieder in Bewegung. „Dir scheint Macht und Hierarchie noch immer sehr wichtig zu sein“, greift Inu Taishou das Thema noch einmal auf. „Weshalb auch nicht?“, kommt es knapp zurück. „Wenn dem so ist, ist es womöglich unpassend zu fragen wie es Inu Yasha geht“, lässt der ältere Daiyoukai wie beiläufig verlauten. Nach kurzem Zögern sagt Sesshomaru: „Er ist wohlauf. Er vertritt mich solange ich fort bin.“ Der Daiyoukai neben ihm hebt ein wenig die Brauen. „Ich gebe zu, ich bin überrascht das zu hören. Euer Verhältnis scheint sich inzwischen deutlich gebessert zu haben.“ Sesshomaru zieht es vor den Blick seines Vaters zu meiden. „Die Umstände verschiedener Begegnungen haben dazu geführt, dass seine Qualitäten besser zur Geltung gekommen sind als zuvor.“ Ein leichtes Schmunzeln liegt um Inu Taishous Mundwinkel. „Es freut mich das zu hören“, bemerkt er betont höflich. Dann geht sein Blick an Sesshomarus Hüfte. „Du hast nun ein eigenes Schwert, wie ich sehe.“ „Bakusaiga, leistet mir gute Dienste“, erwidert Sesshomaru sachlich. „Bakusaiga, hmm?“, wiederholt der andere Daiyoukai anerkennend. „Bedeutet das, du hast die Jagd nach Tessaiga aufgegeben, und Inu Yasha freiwillig sein Erbteil überlassen?“ „Ich sagte doch bereits“, wiederholt Sesshomaru leicht gereizt, „Bakusaiga leistet mir gute Dienste!“ „Ich bin überzeugt davon“, nickt Inu Taishou ernsthaft. „Kein Schwert harmoniert so sehr mit seinem Träger, wie eines das aus ihm selbst erwächst.“ Nun blickt Sesshomaru doch überrascht drein. „Woher...?“ Doch sein Vater unterbricht ihn. „Eure Verbindung ist spürbar. Du besitzt nun eine Waffe die deinem Gemüt entspricht. Du darfst dich glücklich schätzen. Ich habe niemals so eine Waffe besessen.“ „Ihr hattet niemals solch eine Waffe nötig, Chichi-ue“, erwidert Sesshomaru diesmal mit deutlicher Höflichkeit. „Eure Macht war außergewöhnlich. Ihr selbst seid diese Waffe gewesen.“ Nachdenklich blickt Inu Taishou seinen Sohn an. „Denkst du das könnte der Grund sein? Wer weiß. Vielleicht war es auch noch nicht an der Zeit. Nun werden wir es nie erfahren. Doch ich glaube nicht, dass es eine Frage der Macht ist. Jeder Youkai hat die Fähigkeit stärker zu werden im Laufe seines Lebens. Auch du, mein Sohn. Du könntest sogar einmal so stark werden wie ich. Du hast schließlich sogar die Meido gemeistert.“ Nun verzieht Sesshomaru doch etwas unwillig das Gesicht. „Ich empfand es als nicht besonders schmeichelhaft zu erfahren, dass ich niemals dazu bestimmt war, sie auch zu benutzen, nur dass Ihr es wisst.“ „Dafür habe ich Verständnis, mein Sohn“, nickt Inu Taishou leicht. „Doch wem sonst hätte ich diese schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe anvertrauen können? Es zeugt von wahrer Größe deinerseits, deinem Bruder dieses Geschenk zu machen. Die Anerkennung einer Person kann nicht erzwungen werden, es muss eine freiwillige Entscheidung sein und ich hatte keine Möglichkeit mehr in direkter Form diesbezüglich darauf einzuwirken. Dennoch war es mir ein ernstes Anliegen, dass ihr beide miteinander auskommt. Irgendwann wirst du das vielleicht verstehen können.“ Sesshomarus meidet Hanakis Blick der nun recht eindringlich auf ihm ruht. „Ich denke... ich verstehe es bereits jetzt nur zu gut“, sagt er. „Ist das so?“, der Blick seines Vater bekommt nun etwas Abschätzendes. Doch noch ehe er weiter fragen kann, fällt ihm Hanaki erneut ins Wort: „Wir sind angekommen. Dort ist es.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)