Zum Inhalt der Seite

Demon Girls & Boys

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Geschichten und Legenden

   Geschichten und Legenden

 

 

 

„Haaaaalt stop! Laura, wo willst du hin?“, hielt Ariane sie nach dem Abendessen zurück.

„Auf mein Zimmer und ins Bett. Ich bin k.o.“, antwortete diese matt.

Zum Glück gab es bald zwei Wochen Ferien. Laura hielt es nicht mehr aus. Daran war noch nicht einmal der unbekannte Gegner oder ihre Krankheit schuld, die ihr bei jedem Sportunterricht zu schaffen machte. Die Schule, der Unterricht und der knallharte, vollgestopfte Stundenplan waren so kräftezehrend, dass Lauras Leben nur noch aus Schule, Essen und Schlafen bestand. Letzteres von allem am wenigsten. Sie wollte jetzt einfach nur noch ins Bett.

Doch Ariane hatte andere Pläne.

„Zimmer: Ja. Ins Bett: Auf keinen Fall!“, beorderte sie.

Überfordert stöhnte Laura auf. „Wieso nicht? Ich bin müde. Ich will schlafen!“

Doch dafür erntete sie von Ariane eine Kopfnuss. „Schäm dich! Heute hat Susanne Geburtstag und wir feiern in Lissis rein. Die haben extra den Ballturm reserviert und es gibt sogar Kuchen!!!“

„Hä?“, gab Laura nur von sich.

Dieses Mal war es Ariane, die aufstöhnte. „Wusstest du nicht, dass man den Turm für Feiern reservieren kann?“

„Nein, aber wie meinst du das mit dem Reinfeiern?“

„Dass Lissi morgen Geburtstag hat und wir bis nach Mitternacht aufbleiben, um in ihn hinein zu feiern. Was denn sonst?“, erklärte Ariane, doch Laura verstand es immer noch nicht und warf ihr einen entsprechend planlosen Blick zu.

„Lissi wurde ein paar Minuten nach Mitternacht geboren. Ich ein paar davor.“

Laura hatte gar nicht bemerkt, dass nicht nur sie und Ariane auf dem Weg zum Mädchenhaus waren.

„Oh, ach so. Soll ich dir jetzt trotzdem gratulieren? Na egal, alles Gute.“ Verlegen lachte Laura auf.

Susanne warf ihr dieses heilende Lächeln zu, das eine ähnliche Ausstrahlung hatte, wie Arianes strahlendes Grinsen.

Laura musterte Lissis ruhige und schlaue Zwillingsschwester genauer. Sie hatte sich immer noch nicht wirklich an Susannes neue Frisur gewöhnt, auch wenn diese angeblich schon einige Komplimente dafür bekommen hatte.

Sie stand ihr ja auch richtig gut. Es war nur… ungewohnt.

Statt nun wie erhofft ins Bett zu gehen, zog sich Laura also brav etwas Schönes an, wie Ariane es ihr befahl und ging mit ihr und Susanne gegen acht in den Ballturm.

Die gesamte Gruppe war da und einige Freunde von Lissi oder Susanne, die Laura nur zum Teil aus ihrer Klasse kannte. Carsten hatte es sogar geschafft Benni mitzuschleppen.

Besorgt bemerkte Laura, dass dieser tatsächlich krank wirkte, als hätte er seit Tagen schlecht geschlafen. Zwar hatte Carsten gestern nach ihm gesehen, doch Laura wusste immer noch nicht, was nun eigentlich mit ihm los war.

Deprimiert wandte sie sich Susanne zu, um sich abzulenken.

„Habt ihr eigentlich immer so gefeiert?“, erkundigte sich Laura.

Susanne schüttelte den Kopf. „Unsere Mutter hat uns das erst seit letztem Jahr erlaubt. Davor haben wir entweder nur an meinem oder an Lissis Geburtstag groß gefeiert.“

Gut gelaunt gesellte sich Lissi zu den beiden, als sie bemerkte, dass es in dem Gespräch auch um sie ging. „Also genauer gesagt nur an Susis.“

„Hä? Das gibt doch keinen Sinn.“, bemerkte Laura verwirrt.

Wenn, dann sollten sie doch eher an Lissis Geburtstag feiern, da Nachfeiern ja kein Problem darstellte und Susanne vermutlich auch nichts dagegen hätte. Aber da Susanne die Ältere war und immer an ihrem Geburtstag gefeiert wurde… Hieß das, dass Lissi immer vorfeierte?

Lissi zuckte mit den Schultern. „Madre ist halt etwas eigen.“

Bedrückt wandte sich Susanne ab.

Laura wollte Lissi einen fragenden Blick zuwerfen, doch auch diese war schon wieder auf und davon.

Das scheinen ja tolle Familienverhältnisse zu sein…, überlegte Laura ironisch.

Aber einen Vorteil hatte dieser Abend: Benni konnte ihr dieses Mal nicht einfach so aus dem Weg gehen.

Da sie gerade sowieso peinlicher Weise alleine dastand, beschloss sie also, ihren besten Freund über Bennis Lage auszuquetschen. Im Idealfall würde sie sogar nach einer Ewigkeit wieder mit Benni selbst sprechen können.

„Hey Jungs, wie geht’s?“

Benni warf ihr einen kurzen Blick zu und wandte sich sofort wieder ab.

Verdammt, das war wohl keine so geglückte Begrüßung…, ärgerte sich Laura insgeheim.

Ihre und Bennis Beziehung war seit jenem Vorfall mal wieder unter dem Nullpunkt. Noch bevor sie sich aus ihrem Fettnäpfchen rausreden konnte, mischte sich Lissi schon wieder ein.

Heute ist sie irgendwie gesprächiger als sonst… Jedenfalls platzt sie normaler Weise nicht in Gespräche rein.

„Also, ihr ganzen Süßen, die nun hier sind: Was sollen wir machen? Ich hab’s leider nicht geschafft, an Alkohol zu kommen, deswegen müssen wir uns irgendwie anders vergnügen.“, sagte sie singend, an jeden im Saal gerichtet.

„Könnt ihr euch denn nur amüsieren, wenn Alkohol mit im Spiel ist?“, erkundigte sich Ariane kritisch.

Lissi zuckte mit den Schultern. „Man hat weniger Hemmungen.“

„Seit wann hast du Hemmungen?“, bemerkte Anne in ihrem schnippischen Ton.

Auch wenn Laura sie immer noch nicht mochte, musste sie ihr insgeheim Recht geben.

Lissi und Hemmungen? So ein Blödsinn. Wenn die doch nüchtern schon hemmungslos wirkte, wie wäre das dann erst mit Alkohol?

„Wie wär’s mit Wahrheit oder Pflicht?“, schlug ein Mädchen aus Lauras Klasse vor.

Ariane stöhnte auf. „Oh nein, alles, nur nicht das. Ich flehe euch an!“

„Was ist denn daran so schlimm?“, fragte Öznur nach, doch Ariane winkte ab. „Wenn Jungs mitmachen geht es doch immer nur um Liebe und so weiter. Ehrlich, wird euch das nicht irgendwann langweilig? Das macht doch keinen Spaß.“

„Ich bin auch dagegen, dass wir das spielen.“, griff Laura ihrer Zimmergenossin unter die Arme.

„Ach Lauch, Nane-Sahne, ihr seid solche Spaßverderber.“, beschwerte sich Lissi. „Denk mal nach Lauch, wir würden dadurch vielleicht sogar herausfinden können, was Bennlèy von dir hält.“

Laura stolperte einen Schritt zurück. Beschämt und vorwurfsvoll funkelte sie Lissi an.

Wie konnte sie das einfach so ansprechen?!?

Vor lauter fremden Leuten, mit denen Laura noch nicht mal irgendwas zu tun hatte!

Und noch schlimmer: Direkt vor Benni!!!

„Mir reicht’s.“, murmelte Laura verärgert und nicht wissend, wo sie nun hinschauen sollte. Sie entschied sich für den letzten Ort, an dem sie keinen neugierigen Blick erwartete, den goldenen Boden. Doch als Laura ihr Spiegelbild sah, wie es verzweifelt zu ihr hinaufblickte, wandte sie sich kopfschüttelnd wieder ihrem Freundeskreis zu.

„Holt mich, wenn ihr nicht mehr drauf aus seid, mich zu ärgern.“ Energischen Schrittes verließ sie den Saal.

Sie war gerade Mal auf der Höhe der Reitbahn, als Ariane sie bereits eingeholt hatte.

„Laura, jetzt bleib doch mal stehen!“, rief sie und hielt vor Laura an, um zu verhindern, dass diese weiter ging.

„Was?!“, fauchte Laura gereizt, den Tränen nahe. „Sag jetzt nicht, dass du mir nur hinterhergelaufen bist, um mir klar zu machen, wie blöd ich mich eben verhalten hab. Das weiß ich auch selbst!“

Laura wollte an Ariane vorbei gehen, doch diese versperrte ihr weiterhin den Weg. „Das will ich nicht, glaub mir. Ich kann verstehen, warum du das Weite gesucht hast. Das eben war wirklich nicht das taktvollste, das Lissi von sich gegeben hatte.“

Deprimiert ging Laura weiter nach Westen, in Richtung Ställe.

Ariane hielt sie nicht mehr zurück, sondern lief neben Laura her, bis sie schließlich die Ställe betraten. Die Einhörner warfen den beiden Mädchen neugierige Blicke zu, wandten sich allerdings nach und nach wieder leise schnaubend ab, als würden sie wissen, dass Laura gerade ziemlich angefressen war.

„Sooo und was willst du nun hier?“, erkundigte sich Ariane neugierig.

Laura seufzte. „Keine Ahnung, ich wollte nur nicht in der Nähe des Ballturms bleiben.“ Und die Stallungen waren auch gemütlich warm, im Gegensatz zu dem immer noch kalten Wetter außen. Auch, wenn dieses bereits viel besser war, als vor einigen Wochen.

„Warum hat Lissi das sagen müssen? Jetzt weiß jeder, was ich von Benni halte…“, meinte Laura, eher zu sich selbst.

Dennoch antwortete Ariane: „Ich glaube, sie wollte einfach nur deine Stimme für das Spiel gewinnen. Dass sie dich damit bloßstellte, hat sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt.“

„Trotzdem… Was denkt Benni jetzt nur von mir?“ Niedergeschlagen ließ sich Laura auf einen Hocker fallen, Ariane kniete sich vor ihr auf den Boden, um weiterhin im Auge behalten zu können, ob Laura demnächst mal wieder losheulen würde.

„Um ehrlich zu sein glaube ich, dass sich seine Meinung dadurch nicht verändert hat.“, vermutete sie.

Diese Aussage ließ Laura hochschrecken. „Was?!?“, schrie sie auf, einige Einhörner gaben ein beängstigtes Wiehern von sich, durch Lauras schrillen Ton alarmiert.

Ariane blieb jedoch weiterhin ruhig und legte ihre Hände auf Lauras Knie. „Du weißt doch selbst, wie scharfsinnig unser eiskalter Engel ist und dass er deine Gefühle garantiert schon bemerkt hat. Denkst du, er denkt jetzt anders über dich, nur weil Lissis Aussage das bestätigt hat, was er längst wusste?“

„Warum macht er dann nie was?“, wollte Laura verzweifelt wissen. „Bin ich ihm so egal?!?“

Schluchzend ließ sie sich von Ariane in den Arm nehmen, die alle Mühe hatte, Laura wieder zu beruhigen. „So ein Unsinn… Er sieht dich mindestens als eine gute Freundin.“

„Woher willst du das wissen?!?“, schrie Laura verzweifelt.

Sie wollte nicht länger unwissend bleiben. Sie wollte endlich wissen, was Benni nun für sie empfand. Selbst wenn es nicht das wäre, was Laura sich wünschte.

Aber sie wollte es wissen!

Ariane seufzte und schob Laura so weit von sich weg, dass sie einander in die Augen sehen konnten. „Ich glaube, ich muss es dir sagen. Du kommst sowieso nicht dahinter.“

„Hey! Na vielen Dank auch!“ Das war nicht gerade hilfreich, Laura aufzuheitern.

Ariane kicherte jedoch nur. „Es ist halt so. Erinnerst du dich, was Susanne zu dir über die Mütze gesagt hat?“

„Dass die von meinem Schutzengel ist?“, vermutete Laura.

Ariane nickte.

„Das ist doch Schwachsinn, wie gesagt, ich hab keinen Schutzengel! Keine Ahnung, was Susanne damit meinte!“

Auf Arianes Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. „Siehst du? Ich sagte doch, dass du nie dahinter kommen würdest. Also, um erst mal eine Sache ins Licht zu rücken…“ Urplötzlich lachte Ariane drauf los. „Ha, ins Licht rücken! Eindeutig mein Job!“ Als sie sich wieder gefangen hatte meinte sie: „Okay, um dich nun zu erleuchten: Als du damals auf der Wiese zusammengebrochen warst, hatte keiner von uns eine Ahnung, was passiert war. Aber der eiskalte Engel war von der einen auf die andere Sekunde verschwunden. So sehr es mich auch nervt, dass gerade er den Helden spielen durfte, ohne ihn würdest du dir um das in über zwei Monaten keinen Kopf mehr machen müssen, da du gar nicht mehr hier wärst.“

Garantiert sah Laura gerade völlig bedeppert aus, wie sie Ariane anstarrte. „Benni hat mich…“

„Nicht nur das.“, meinte diese.

Als würde es etwas geben, das Laura noch mehr aus der Bahn werfen könnte. Nun gut, Bennis Eingreifen war eigentlich nicht überraschend, da er sie schon immer beschützt hatte.

Immerhin war das sein Job.

Moment… Beschützt…

Ariane wedelte mit der Hand vor Lauras Gesicht. „Hey, hör mir bitte zu, wenn ich mal die Allwissende spielen darf!“

„Äh- ja?“

Ariane stöhnte. „Was ich sagte: Diese Mütze-“

„Ach hier seid ihr.“

„Sehr schlechtes Timing, Carsten.“, wies Ariane ihn gereizt zurecht.

Carsten lachte verlegen auf. „Oh, verzeiht. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass Lissi wegen dir das totale Theater veranstaltet.“

Verwirrt schaute Laura ihn an. „Hä?“

Carsten wollte bereits antworten, doch da kam schon Lissi an ihm vorbeigeschossen.

„Oh Gott Lauch, es tut mir so leid! Bitte sei nicht böse, ich wollte das doch gar nicht!!!“ Lissis Geschwindigkeit und Kraft war so überragend, dass sie Laura bei ihrer Umarmung erst mal vom Stuhl schmiss.

„Aua…“ Mit einer Beule am Hinterkopf mühte sie sich wieder auf, nachdem Lissi von ihr runter geklettert war.

Kaum stand Laura, sorgte Lissi mit ihrer Umarmung dafür, dass Laura noch mehr blaue Flecken bekam. „Es tut mir so leid, es tut mir so leid, es tut mir so leid! Kannst du mir je verzeihen?“

Zum Glück schritt Ariane ein und rettete Laura vor Lissis schmerzhaften Entschuldigungen. „Ich denke Laura könnte das, wenn du sie am Leben lassen würdest.“

Kaum waren diese Worte gesprochen, war Lissi wieder bester Laune. „Oh, supi! Also kommt jetzt endlich zurück zu den anderen! Ihr könnt ja vorschlagen, was wir machen!“

Sie packte Laura mit der einen und Ariane mit der anderen Hand.

Widerstandslos ließen sie sich von Lissi zurück in den Ballturm zerren. Carsten folgte ihnen, sichtlich amüsiert.

Laura warf einen Blick über die Schulter zurück zu den Stallungen. Das was Ariane ihr hatte mitteilen wollen… Hatte sie damit etwa gemeint, dass…

Die Hitze stieg in ihre Wangen, als sich in Lauras Kopf die Puzzleteile zusammensetzten.

 

Im Ballturm stellte Laura verwundert fest, dass nur noch ihre Gruppe und zwei weitere Mädchen da waren.

„Wo sind denn die anderen?“, fragte sie verwirrt.

Öznur zuckte mit den Schultern. „Wir hatten einige Meinungsverschiedenheiten, da sie vorgeschlagen hatten, unseren Schulsprecher loszuschicken und Alkohol zu besorgen.“

Ariane lachte auf. „Gott, ich glaub‘s nicht. Als wäre das das einzig tolle an den Feiern. Und was hat unser Schulsprecher gesagt?“

Als Öznur an Bennis Stelle antworten wollte, befahl Ariane ihr mit eindeutiger Geste, zu schweigen. „Niemand nimmt ihm diese Antwort ab. Ich will es aus seinem Mund hören und zwar mit demselben Ton, den er auch bei denen hatte.“

Mit seinem ruhigen Pokerface erwiderte Benni Arianes bestimmenden Blick. Er ging ihrer Bitte, oder eher ihrem Befehl, tatsächlich nach, als er mit tiefer, ruhiger Stimme sagte: „Die Verkommenheit der Menschen ist immer und wieder frappierend.“

Ariane lachte auf. „Oha, das ist krass. Jetzt hast du vermutlich ein paar Fans weniger.“

Doch Benni zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Also Nane-Sahne? Was machen wir jetzt?“, drängte Lissi.

Ariane grinste schelmisch. „Kennt ihr das Werwolf-Spiel?“

Verwirrt musterte Laura sie. „Hä?“

„Okay, ich erklär’s euch.“, meinte Ariane zufrieden. „Wir setzen uns in einen Kreis, es gibt ein Dorf und den Spielleiter. Jeder Bewohner des Dorfes bekommt eine Rolle, die ihm spezielle Fähigkeiten im Spiel verschafft. Die erste ist der Werwolf, von dem es meistens mehrere gibt. Sie einigen sich auf eine Person, die sie töten wollen.“

„Das ist ja ein ganz schön brutales Spiel…“, kommentierte Susanne erschrocken.

Ariane winkte ab. „Ach Unsinn. Die zweite Rolle ist die Hexe, sie kann einem das Leben retten, wenn er von einem Werwolf getötet werden sollte, wobei das nur einmal geht. Eine weitere Möglichkeit wäre, noch jemanden zu töten, wenn sie was gegen diese Person persönlich hat, oder in ihm einen Werwolf vermutet. Sonst kann sie auch einfach gar nichts tun. Dann gibt es noch Amor, der zu Beginn ein Liebespaar bestimmt und den Rest des Spiels Bauer ist. Das Besondere… oder eher der Nachteil… am Liebespaar ist, wenn einer getötet wird, stirbt auch der andere. Der Bauer ist einfach nur ein stink normaler Dorfbewohner, der zusammen mit den anderen Tagsüber abstimmt, wer vermutlich der Werwolf ist und getötet werden soll. Ach so, dann gibt es noch das blinzelnde Mädchen und die Seherin. Das blinzelnde Mädchen darf, wie der Name schon sagt, als einzige blinzeln, wenn die anderen Rollen ihren Aufgaben nachgehen. Aber es sollte dabei am besten nicht entdeckt werden, da die Werwölfe sicherlich nicht zulassen werden, dass sie bei der Abstimmung für einen von ihnen ist. Die Seherin darf jede Runde die Rolle einer von ihr ausgewählten Person erfahren.“

Öznur schnipste mit den Fingern. „Stimmt, ich kenn das Spiel, das ist cool! Aber gibt es nicht noch den alten Mann und den Jäger?“

Ariane stöhnte auf. „Schon, aber das werden mir sonst zu viele.“

Anne zuckte mit den Schultern. „Klingt gut, aber dann solltest du die Spielleiterin sein.“

„Klar, das soll ich immer.“, meinte Ariane mürrisch. „Aber wenn’s sein muss… Dann bringt mir mal Stift und Papier.“

Mit einer einzigen Handbewegung ließ Susanne die gewünschten Utensilien auftauchen und reichte sie an Ariane weiter.

„Also… wie viele sind wir? Zehn. Gut, Werwolf… Werwolf… Hexe…“, murmelte Ariane, während sie die Rollen auf das Papier kritzelte.

Als sie schließlich fertig war, riss sie es in Streifen und faltete die Fetzen zusammen.

„Alle Mann einen Kreis bilden!“

Wie schon bei Carstens Teleportationen sah die Kreisbildung bereits richtig professionell aus. Außer Laura, die einen zögernden Versuch startete, sich neben Benni zu setzen. Ihren Blick auf ihm ruhend, ließ sie sich auf dem Boden nieder, doch Benni ignorierte sie gekonnt und massierte sich die Schläfen. „Es necesario?“, fragte er Carsten zugewandt.

Dieser seufzte. „Es cortesía.“

Laura beugte sich zu Benni rüber.

„Was ist denn los?“, erkundigte sie sich besorgt.

Endlich erwiderte Benni ihren Blick, doch er schüttelte lediglich den Kopf, wandte sich wieder ab und nahm einen der Zettelchen aus Arianes Hand. Laura tat es ihm gleich.

„Okay, schaut still und heimlich nach, welche Rolle ihr habt und legt den Zettel dann wieder zusammengefaltet vor euch.“, meinte Ariane.

Laura tat wie geheißen und öffnete das Zettelchen.

Sie hatte das Gefühl, das Blut würde in ihren Adern gefrieren. Eine unsagbare Angst überkam sie.

Werwolf

Sie war ein Werwolf?!

Nein, nein, das kann nicht sein! Ich will kein Werwolf sein! Heißt das… Ich muss jemanden töten? TÖTEN? Aber dann… Dann wäre ich doch ein Mörder… Nein, ich will nicht!

Mit zitternden Fingern faltete Laura den Zettel wieder zusammen und legte ihn vor sich auf den Boden. Den grausamen Zettel, der mit einem Wort seine ganze Brutalität innehatte.

Sie würde jemanden töten müssen… Aber das wollte sie nicht! Wen sollte sie denn von all denen töten wollen???

Laura kam eine Idee. Vielleicht… Anne!

Sie warf Anne einen flüchtigen Blick zu, die ihren Zettel bereits vor sich liegen hatte, ohne eine Gefühlsregung im Gesicht. Auch sie beherrschte das Pokerface. Im Gegensatz zu Laura, die am ganzen Körper zitterte.

Ich werde jemanden töten müssen… Klar, es ist nur ein Spiel, aber…

Ariane stellte sich in die Mitte des Kreises und zeigte auf die beiden Mädchen, die vermutlich zu Susannes Freundeskreis zählten, da sie von der Alkoholdiskussion nicht betroffen schienen. „Damit ich nicht peinlicher Weise dumm rum stottere, sagt ihr mir am besten jetzt eure Namen.“

„Sina.“, stellte sich das Mädchen mit den hellbraunen, gelockten Haaren vor, das neben Susanne saß.

„Und ich bin Sarah.“, meinte das andere Mädchen neben Sina mit langen, dunkelbraunen Locken.

Ariane setzte sich zwischen Lissi und Carsten, da sie offensichtlich keine Lust hatte, die ganze Zeit in der Mitte des Kreises zu stehen. „Okay… Also, es war einmal ein Fischerdorf. Es war zwar klein, aber dafür kannte jeder jeden und alle hatten sich lieb. Doch eines Nachts… Das Dorf schläft bereits friedlich…“

Da alle anderen bei dieser Aufforderung die Augen schlossen, tat Laura es ihnen gleich, während Ariane weiter sprach. „… Da wachte Amor auf, der ein Liebespaar bestimmt.“

Es entstand eine kurze Pause, bis Laura Ariane kichern hörte. „Amor hat durchaus eine… exotische Entscheidung getroffen. Wir haben hier ein wunderschönes Paar.“

Wieder kicherte Ariane.

Laura überlegte. Ob Amor vielleicht… Mich und Benni…? Nein, vermutlich nicht… Aber vielleicht…

Sich Hoffnungen machend, hörte Laura Arianes Worte, die ihr das Blut in den Adern gefroren: „Die Werwölfe wachen auf.“

Laura öffnete ihre Augen und sah sich um, wer der andere Werwolf, der andere Mörder, sein würde. Erschrocken sah sie, dass auch Anne ihre Augen geöffnet hatte, mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht.

Nein!, schrie es in Laura.

„Die Werwölfe wählen ein Opfer aus.“, fuhr Ariane fort, während absolute Stille herrschte. Nur Lissi spielte an ihrem klimpernden Armband herum.

Es war zu erwarten. Laura war noch nicht einmal überrascht, als Anne auf Benni zeigte.

Nein!!!

Wild und wie der letzte Depp um sich fuchtelnd versuchte sie Anne zu erklären, dass Benni nicht getötet werden sollte.

Alles! Jeder! Nur nicht Benni!!!

Doch Anne blieb bei ihrer Meinung.

Ariane kratzte sich am Hinterkopf. „Ähm… Die Werwölfe können sich nicht entscheiden…“

Wieder zeigte Anne auf Benni, mit einem bestimmenden Blick in den Augen. Sie wollte ihn, keinen anderen.

Wieder schüttelte Laura den Kopf. Sie wollte jeden anderen, nur nicht ihn.

Ariane seufzte. „Die Werwölfe diskutieren weiter… Vielleicht sind sie kompromissbereit?“

Und tatsächlich. Zu Lauras Erleichterung gab Anne nach.

Ihr Finger wanderte weiter, entfernte sich von Benni, bis er auf Carsten zeigte.

Nein, der auch nicht!!!, versuchte Laura Anne klarzumachen.

Doch von dieser Entscheidung würde sich die nicht abbringen lassen, das wusste Laura genau.

Ebenso Ariane. „Der zweite Werwolf sollte sich vielleicht auch kompromissbereit zeigen.“

Laura kamen die Tränen in die Augen, als sie sich geschlagen gab.

Ariane seufzte erleichtert auf. „Nach dieser schnellen Entscheidung schlafen die Werwölfe wieder ein…“

Laura schloss die Augen wieder. Sie zitterte am ganzen Körper. Carsten würde sterben…

„… und die Hexe wacht auf.“

Nach einer kurzen Pause meinte Ariane ganz mysteriös: „Die Hexe hat sich entschieden. Nun wacht die Seherin auf und wählt die Person, deren Identität sie aufdecken möchte.“

Wieder entstand eine kurze Pause, bis Ariane weiter sprach: „Die Seherin trifft eine überaus durchdachte Entscheidung. Mit wehendem Kleid macht sie sich auf den Weg zum Opfer. Schließlich wird es wieder Tag. Das ganze Dorf wacht auf.“

Nun öffnete jeder seine Augen.

Sich wie vom Teufel verfolgt fühlend, schaute sich Laura in der Runde um. Wer war was? Wusste jemand, dass sie eine Mörderin war?

Ariane erzählte weiter: „Wie jeden frühen Morgen begann die Milchfrau Sina -die Milch war heute besonders gut- ihre Runde bei ihrer Affäre. Langsam öffnete sie die knarzende Tür, doch etwas war anders. Statt mit einem stürmischen Kuss, wurde sie von einem kalten Luftzug aus der offenen Schlafzimmertür empfangen. In freudiger Erwartung ließ sie ihre Jacke fallen.“

Öznur warf Ariane einen kritischen Blick zu. „Wird das jetzt ein Porno?“

Nun ruhte auch Lissis erwartungsvoller Blick auf der Erzählerin, die ihrer Aufgabe unbeirrt folgte: „Doch was war das? Ihr Schatz lag totenbleich auf dem Bett, eine riesige Wunde klaffte in seiner Brust.“

Lauras Zittern verstärkte sich. Sie wusste, von wem Ariane sprach. Nur diese Sache mit Affäre und stürmischer Kuss verwirrte sie…

„Selbst der Dornröschen-Kuss vermochte es nicht, ihn zu wecken, doch er lebte noch.“

Erleichtert atmete Laura auf.

„Schnell rief sie nach dem Arztheiler.“

Öznur schaute sie nun verwirrt an. „Arztheiler? Was ist denn das für ein Beruf?“

Ariane zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Nur mit Mühe konnte sie Benni überreden, seinen größten Frauenkonkurrenten Carsten mit in die Krankenstation zu nehmen.“

Während alle Mädchen loslachten -nur Anne verdrehte verstimmt die Augen- tauschten Carsten und Benni einen kurzen Blick aus.

Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, meinte Ariane: „Doch die Frauen des Dorfes sandten nach Rache, es musste ein Schuldiger gefunden werden. War es vielleicht Lissi, die Affären-Königin?“

Öznur, Anne und Sarah meldeten sich sofort, auch Sina schloss sich ihnen kurz darauf an. Zögernd hob Laura ebenfalls ihre Hand. Für irgendjemanden musste sie immerhin stimmen…

„War es Öznur?“

Bei ihr meldete sich nur Lissi.

„Anne, die Polizeikommissarin des Dorfes?“

„Polizeikommissarin?“, fragte Janine verwirrt, meldete sich aber, als sie sah, dass sich Benni, Carsten und Susanne für diese ‚Polizeikommissarin‘ entschieden hatten.

Ariane zuckte erneut mit den Schultern. „Und da alle Stimme vergeben sind, können sich die restlichen Personen diese Runde in Sicherheit wiegen.

Angeführt von Sina beschließt das Dorf, dass Lissi sterben muss, denn jeder wusste, dass die Affären-Königin selbst mit Carsten eine Beziehung hatte, bevor sie von Sina abgelöst wurde und welch besseren Grund hat man für einen Anschlag als Rache?“

Laura bemerkte belustigt, dass sich Carstens Gesicht durch Arianes Geschichte rötlich gefärbt hatte. Lissi hingegen schluchzte betroffen, doch Ariane blieb ungerührt. „Lissi wird ermordet und das Dorf schläft ein.“

„Ihr seid so gemein.“, kommentierte Lissi gespielt dramatisch ihre Situation, klang aber bei weitem nicht so betroffen, wie Laura sich fühlte, als Ariane sagte: „Die Werwölfe wachen auf.“

Natürlich zeigte Anne wieder auf Benni.

Nein, nein nein!!! Wieder versuchte Laura ihr klarzumachen, dass sie nicht Benni nehmen sollte.

Benni sollte nicht sterben!

„Die Werwölfe können sich erneut nicht entscheiden.“

Wieder verharrte Anne auf ihrer Entscheidung und wieder versuchte Laura, sie davon abzubringen.

Benni soll nicht sterben!!!

„Okay, es scheint eine schwierige Entscheidung zu sein, wäre vielleicht wieder ein Kompromiss möglich?“

Anne deutete Laura an, dass sie entscheiden sollte.

Zitternd schaute sich diese in der Runde um. Wen würde sie töten wollen??? Sie wollte keinen töten, sie wollte keine Mörderin sein!

Schließlich zeigte sie auf die Person, die ihr am ehesten in den Sinn kam.

Auf Anne.

Ariane stöhnte auf. „In diesem Fall muss das Schicksal -also ich- entscheiden und es entscheidet, dass die Person, dessen Schicksal es scheinbar ist zu sterben… Sterben wird.“

Verwirrt schaute Laura sie an.

Warum spricht Ariane immer in Rätseln?

Doch diese meinte bereits: „Erschöpft von dieser schwierigen Entscheidung schlafen die Werwölfe wieder ein, doch die Hexe spürt, dass etwas nicht stimmt und wacht mit mulmigem Gefühl auf.“

Laura lauschte in die Stille, in der sich die Hexe entschied.

„Die Hexe hat ihren Rettungstrank bereits verbraucht… Deshalb handelt sie nicht und schläft wieder ein. Die Seherin wacht auf.“

Nach einer verdächtig kurzen Pause meinte Ariane: „Mit wallendem Rocke -sie hat sich umgezogen- schreitet die Seherin zu der Person, die ihre Glaskugel für sie ausgesucht hat und deckt ihre Identität auf. Alle schlafen wieder ein. Schließlich wacht das ganze Dorf auf.

Wieder einmal ist es die Milchfrau Sina die als erste auf den Beinen war. Sie wollte ihren Geliebten im Krankenhaus besuchen, doch bereits im Flur fanden sich die ersten Blutspuren. Sie stürzte ins Zimmer, doch Carsten schnurfelte seelenruhig in seinem Bett, es war der Arztheiler Benedict, der tot zu ihren Füßen lag.“

Laura konnte nicht anders, als sie ein betroffenes „Bitte nicht…“ murmelte.

Warum Benni? Warum?!?

Doch besagter ‚Arztheiler‘ blieb ungerührt, obwohl er eben gestorben war.

„Schreiend alarmierte sie die Polizeikommissarin. Diese ahnte bereits, wer das Opfer war, denn das gestrige Opfer, Carsten, war immerhin in den Krankensaal umgezogen. Doch nicht Carsten war tot, sondern Benni, ihre heimliche große Liebe.“

„Wie bitte?!?“, donnerte Anne.

Es missfiel ihr, das war mehr als deutlich.

Anne und Benni? Verwirrt schaute Laura zwischen den beiden her. Sogar sie erkannte, dass Amor damit beabsichtigt hatte, Anne zu ärgern. Bei jedem anderen hätte sie vermutlich vor Eifersucht gekocht, aber nicht bei Anne. Das war zu offensichtlich.

Ariane zuckte grinsend die Schultern. „Ihre Leidenschaft für ihn war grenzenlos, doch bisher hatte sie es hinter einer kalten Fassade verstecken können. Vom tosenden Schmerz übermannt rannte sie hinaus aufs offene Meer und schwamm bis hinter den Horizont und kam nicht mehr zurück. Das Dorf empfand Mitleid und so verbrannten sie Benni und warfen seine Asche ins Meer, sodass sie wenigstens dort vereint werden.“

Anne spielte einen Würgereflex vor. „Ihr habt sie nicht mehr alle.“

„Was sie nicht wussten war, dass soeben ein Werwolf, dessen Existenz nicht einmal bewusst war, gestorben war, ebenso wie die Seherin, der auch ihre Kleider und Röcke nicht geholfen hatten, ihre wahre Identität als Seher-Benedict zu verstecken. Doch dem Dorf war klar, es musste einen Mörder geben, der nun sterben musste. War es Carsten, der ewige Frauenkonkurrent von Benni?“

Carstens Gesicht rötete sich, als Sina und Öznur ihre Hand hoben.

Ariane hob die Augenbrauen, fuhr aber fort: „War es Laura, ohne Identität?“

Laura schnaubte. „Danke…“

Erschrocken schaute sie Carsten an, der sich doch tatsächlich meldete. Ebenso Susanne und Janine.

Wissen sie es? Aber wie haben sie das herausgefunden?!? Das gibt keinen Sinn!!!

Laura bemühte sich, Bennis Pokerface zu imitieren, was vermutlich total in die Hose ging.

„Die liebliche Janine?“, fragte Ariane weiter, doch für Janine meldete sich niemand.

„Sarah, die beste Freundin der Milchfrau Sina, die all ihre Geheimnisse kannte?“ Niemand.

„Oder gar die Intrigenspinnerin Sina selbst?“ Die ‚beste Freundin der Milchfrau‘ meldete sich.

„Vielleicht Susanne, die Arztheilerhelferin, die meinte, dass es an der Zeit für sie sein würde, aufzusteigen?“ Keiner.

„Oder Öznur, die Jungdesignerin? Die ihre Stücke bisher nur der Seherin angedreht hatte und genau wusste, dass, wenn herauskäme, dass Benni der Seher sie trug, ihr Berufswunsch keine Chance hatte?“ Wieder keiner.

„Okay, dann ist die Entscheidung gefallen… Moment, Laura? Was ist mit deiner Stimme?“

Laura kratzte sich am Hinterkopf. „Ich äh… Kann ich mich auch enthalten?“

Sie wollte für keinen stimmen!

Doch zu ihrem Ärgernis schüttelte Ariane den Kopf. „Komm schon, melde dich einfach für einen.“

Laura zeigte auf Anne.

Ariane stöhnte auf. „Die ist tot.“

Sie zeigte auf Lissi.

„Die auch.“

„Ich will für keinen stimmen!“, beschwerte sich Laura, doch Ariane ließ sich nicht abbringen. „Dann nehmen wir halt die Mitte, die zwischen Anne und Lissi sitzt. Keine Sorge, Özi. Laura ist eh überstimmt.“

Ariane wandte sich wieder der gesamten Gruppe zu. „Und so wurde Laura das Opfer des Teufelstrios, die ihre Rolle als unwichtigste im Dorf ansahen. Carsten, der nun einzige Frauenschwarm, Susanne, die aufgestiegene Arztheilerin und Amo-anda. Das Trio, das sich nach oben geschlafen und gemordet hatte, brachte Laura kaltherzig um und übernahm die Kontrolle über das Dorf. Denn die einzige noch existierende Bedrohung, der zweite Werwolf, war nun auch tot.“

Laura kamen die Tränen, sie konnte nicht mehr. „Das ist so gemein von euch.“, schluchzte sie.

Carsten seufzte. „Laura, das ist nur ein Spiel.“

„Aber ihr wolltet mich töten! Ihr habt mich getötet!“, schrie sie das ‚Teufelstrio‘ an.

Das ist so gemein…

Janine lachte auf. „Komm schon, nimm es nicht so ernst. Wie gesagt, es ist nur ein Spiel.“

„Apropos nicht so ernst…“ Bedrohlich funkelte Anne Janine an. „Was hast du dir dabei gedacht, mich und den da zu nehmen?!? Na warte, süß hin oder her, jetzt kannst du was erleben!!!“

Anne sprang auf und wollte auf Janine los, als Öznur sie am Handgelenk packte und warnend anschaute. „Es ist nur ein Spiel. Du und Benni, das ist ja gerade der Witz bei der Sache. Besonders, weil vermutlich du darauf verharrt hast, ihn zu töten. Du musst dir schon eingestehen, dass diese Ironie des Schicksals zum totlachen ist.“

Anne schnaubte. „Find ich nicht.“

Lissi stöhnte auf. „Gott, Anni-Banani, bist du empfindlich. Wie wär’s, wenn wir jetzt etwas Karaoke singen?“

Die Meinung der Gäste teilte sich in ‚super Idee‘ und ‚was für ein Scheiß‘.

„Ich will lieber nochmal das Werwolf-Spiel…“, murrte Laura beschämt, obwohl das Werwolf-Spiel ihren Nerven offensichtlich nicht gut tat. „Ich kann nicht singen…“

Ariane zuckte mit den Schultern. „Ich doch auch nicht, dann drücken wir uns halt davor.“

„Oh nein, jeder singt!“, mischte Sarah mit.

„Du kannst uns nicht zwingen.“, zischte Anne drohend.

„Aber es ist doch dämlich, wenn nicht jeder singt.“, diskutierte auch Öznur mit.

Während nahezu jedes Mädchen versuchte, seine Meinung durchzusetzen, bemerkte Laura, wie Benni und Carsten kurz miteinander sprachen und schließlich beide aufstanden.

„Hey, halt! Wo wollt ihr hin?!?“, rief Öznur ihnen zu, als sie bereits bei der Tür waren.

Anne lachte auf. „Geht ihr etwa nur zu zweit aufs Klo?“

Carsten schüttelte den Kopf. „Ich muss was holen gehen und Benni ist nicht davon angetan, beim Karaoke mitmachen zu müssen. Wir kommen später wieder, keine Sorge.“

Ariane schnaubte. „Dich hätte ich schon gerne singen gehört, eiskalter Engel. Dann hätte ich wieder eine Wette gegen Anne gewinnen können.“

Doch Benni schüttelte bestimmt den Kopf und verließ den Ballturm.

Carsten winkte den Mädchen noch kurz zu, ehe er es seinem besten Freund gleich tat und nach außen ging.

Ariane schnaubte. „Feigling.“

„Lass ihn doch, Nane.“, nahm Susanne Benni in Schutz. „Er scheint wirklich ziemlich fertig zu sein. Wir sollten ihm etwas Ruhe lassen…“

Auch Sina mischte mit. „Es ist schon beeindruckend genug, dass er mit euch befreundet ist.“

„Was soll das denn heißen?!?“, rief Laura empört.

„Oh, bist du tatsächlich seine Freundin?“, erkundigte sich Sarah.

Lauras Gesicht wurde tiefrot. „Nein…“

„Nicht offiziell.“, ergänzte Öznur.

Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf würde platzen, so vollgepumpt mit Blut war er. Aber sie wollte darauf nichts erwidern, nicht in der Gegenwart der beiden Mädchen, die sie gar nicht wirklich kannte. Auch, wenn die eine plötzlich Carstens Affäre war…

Deprimiert stellte sich Laura dem nächsten Programmpunkt von Lissis und Susannes Geburtstagsfeier: Dem Karaoke.

Sie wollte nicht singen. Sie konnte nicht singen. Sie war noch nicht einmal in der Stimmung zu singen.

Immerhin ist Benni mir schon wieder aus dem Weg gegangen… Er hasst mich immer noch…

Aber die gute Laune kam so halbwegs zurück, als Laura bemerkte, dass einige der anderen Mädchen auch nicht singen konnten, so wie Ariane, die das bereits vorhergesagt hatte.

Sogar ohne Alkohol konnten sie sich amüsieren und brachten die peinlichsten Gesangseinlagen auf das Parkett.

Die Überraschung des Abends war allerdings Janine. Sie hatte einen wunderschönen Sopran und lieferte eine so eindrucksvolle Darbietung des Liedes einer Symphonic-Metal-Band, dass den Mädchen der Mund offen stehen blieb. Auch Lissi und ebenso ihre Zwillingsschwester konnten verdammt gut singen, aber Janine… Sie war einfach der Hammer.

Trotz dem unschönen Anfang musste sich Laura eingestehen, dass die Feier irgendwie Spaß gemacht hatte.

Gegen eins, nachdem alle Lissi alles Gute gewünscht hatten, die zehn Minuten nach Mitternacht geboren wurde, verabschiedeten sich Sina und Sarah.

Etwa fünf Minuten später kam Carsten tatsächlich zurück. Mit Benni im Schlepptau, der so wirkte, als könne er es bei seiner Übermüdung nicht gebrauchen auf solche Feiern zu gehen.

Öznur schnaubte. „Erfolgreich gedrückt. Und wie habt ihr euch eben amüsiert?“

Carsten zuckte mit den Schultern. „Sei nicht so doppeldeutig.“ Er hielt ein Buch in die Höhe, das Laura sofort wiedererkannte.

-Die Legenden des magischen Krieges- Ihr Geburtstagsgeschenk an ihn.

„Benni hatte eine Vermutung, wie wir mehr über unseren Unzerstörbaren erfahren könnten… Tatsächlich haben wir hier etwas Nützliches entdeckt.“, meinte er.

Öznur stöhnte auf. „Wir sind hier auf einer Feier… Erspart mir euren Geschichtsunterricht.“

Doch Carsten schüttelte grinsend den Kopf. „Kommt mit in den Stall. Ach so und alles Gute, Lissi.“

„Bekomm ich als Geschenk ein Küsschen?“, erkundigte sich das Geburtstagskind erfreut.

Carstens Wangen färbten sich rot. Verlegen lachte er auf. „Lieber nicht.“

Widerwillig folgten die Mädchen ihm und Benni in den Stall.

Carsten nahm ein Stück Kreide und begann, ein sehr großes Pentagramm mit seltsamen Symbolen auf den Steinboden des Gangs zu zeichnen.

„Was machst du da?“, fragte Ariane kritisch.

„Ist das nicht das magische Zeichen, dass verhindert, dass Magie rein oder raus kommt?“, vermutete Susanne.

Carsten nickte. „Das ist notwendig… Kommt alle in den Kreis.“

Die Mädchen taten, was er verlangte, nur Benni ging in eine der Boxen und lehnte sich gegen das schwarze, glänzende Einhorn, das auf dem weichen Stroh lag.

„Hey, komm her!“, befahl Ariane, doch Carsten schüttelte den Kopf. „Lass ihn, Benni weiß bereits von allem.“

„Also, was habt ihr so schlaues herausgefunden?“ Kritischen Blickes musterte Anne erst Carsten und dann Benni, der vermutlich nicht schlief aber die Augen geschlossen hatte.

Carsten öffnete das Buch und Laura war wie gebannt davon, wie perfekt seine schöne Stimme mit den magisch wirkenden Worten harmonierte.

„Der magische Krieg, eine gewaltige Schlacht, die das Leben vieler forderte. Eine Schlacht, die wie aus heiterem Himmel entstanden schien. Doch dem war nicht so. Ein Wesen, mehr als Tier, Mensch oder Vampir, hatte sie verursacht. Es kontrollierte die Menschen. Wollte, dass sich die Welt durch ihr eigenes Chaos zerstörte.

Chaos und Zerstörung.

Das Wesen liebte dies, mehr als alles andere.

Doch ihm konnte Einhalt geboten werden.

Drei junge, mächtige Krieger wagten sich zu ihm. Die Schlacht war schwer, der Preis zu hoch. Doch sie kämpften und gewannen.

Aber man konnte es nicht töten. Das Monster wurde gebannt, in die tiefsten Tiefen der Unterwelt. Auf das es der Welt nie wieder schaden möge.“

Carsten klappte das Buch wieder zu.

Nachdenklich setzte sich Susanne auf den Boden. „Immerhin stimmt das mit dem überein, was wir bereits wussten…“

Janine schauderte. „Das heißt, dass wir es mit dem Verursacher des magischen Kriegs zu tun haben?“

„Es ist nur eine Vermutung…“, überlegte Carsten, „Aber wie Susanne schon sagte, es passt perfekt zu dem, was wir von Benni und Konrad erfahren haben.“

„Dann sollten wir wirklich das tun, wozu Eufelia uns geraten hat… Die Verbindung zu den anderen Dämonenbesitzern und unseren Dämonen stärken.“, meinte Ariane nachdenklich.

Anne schnaubte. „Ich stelle die Richtigkeit dieser Informationen, die wir bereits haben, immer noch infrage.“

Carsten zuckte mit den Schultern. „Bitte, ich weiß, dass du dich davon nicht abbringen lässt. Aber wir sollten in den Osterferien wirklich los in eure Regionen, damit ihr die Prüfung für eure Dämonenform absolvieren könnt.“

„Aber die fangen doch schon nächste Woche Freitag an!“, stellte Öznur erschrocken fest.

Anne lachte auf. „Prüfungsangst? Ich glaub nicht, dass man für so was lernen muss.“

Laura bemerkte, dass auch Janine nervös war. „Heißt das… wir müssen nach Mur?“

Schaudernd schüttelte sich Laura. Die Region, in der Armut und Kriminalität Alltag war. Jene Region, in der ein Diktator herrschte…

„Wir müssen halt sehr vorsichtig sein, dann geht alles gut.“, meinte Susanne beruhigend. „Allerdings sollten wir uns immer teleportieren, denn durch die Flüge verlieren wir eine Menge Zeit und es würde für jeden von uns zu kostspielig werden.“

Laura schauderte erneut. „Aber ich kann doch nicht-“

Carsten warf einen kurzen Blick auf Benni, der entweder tatsächlich eingeschlafen war, oder einfach nur keine Lust hatte, seine Augen aufzumachen. „Vielleicht hilft er dir ja wieder…“

„Du weißt doch, dass er mich immer noch wegen… na ja, du weißt schon… diesem Vorfall… hasst…“ Laura wischte sich eine Träne weg, die sich aus ihrem Auge gestohlen hatte.

„Wir nehmen immer die am nächsten liegende Region… Das kostet dann weniger Energie.“, meinte Carsten tröstend und wandte sich entschuldigend zu Janine. „Das bedeutet allerdings, dass wir mit Mur anfangen werden…“

Susanne legte der am ganzen Körper zitternden Janine eine Hand auf die Schulter. „Das wird schon…“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Regina_Regenbogen
2020-08-07T22:29:37+00:00 08.08.2020 00:29
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie du die Handlungsstränge und Figuren miteinander verknüpfst! 😃 Echt cool.
Süß, dass Laura Lissi so viel bedeutet. Hätte man gar nicht gedacht. Bin auch gespannt, mehr von Lissis und Susannes Familie zu erfahren. Lissis scheint ja nicht grade der Liebling zu sein.
Das Werwolf Spiel war ja geil. 🤣 Genial.

Antwort von:  RukaHimenoshi
08.08.2020 14:04
Hahaha, freut mich, dass dir das Spiel gefallen hat. X'D
Ich muss gestehen, beim mehrmals lesen fand ich es einfach nur noch nervig, da es die Handlung halt Null voranbringt. Aber andererseits macht es so viel Spaß, die Leute auch mal in so alltäglichen Situationen wie ein Spiel spielend interagieren zu lassen. :D (Wobei ich im Nachhinein gemerkt hatte, dass ich mich nicht ganz an die Regeln gehalten hab. Eigentlich erfährt das Liebespaar, dass es ein Liebespaar ist. Aber ich glaube bei Annes Gezeter hätte man dann das Spiel abbrechen müssen. X'D)
Antwort von:  Regina_Regenbogen
09.08.2020 02:05
Ich kenne es auch so, dass das Liebespaar im Spiel nicht weiß, dass es das Liebespaar ist, bis einer davon stirbt und eben automatisch auch der andere stirbt.
Ich kann deine Zweifel bzgl. dem Nicht-vorantreiben-der-Handlung verstehen. Aber ich mag solche Szenen sehr, weil man in ihnen einfach die verschiedenen Charaktere sehr schön erleben kann. Laura ist einfach zu niedlich, fast noch wie ein Kind, wie ernst sie das Spiel nimmt. Das war echt zum Knuddeln. XD
Antwort von:  RukaHimenoshi
10.08.2020 20:48
Dann gibt's wahrscheinlich tatsächlich verschiedene Regeln dazu. Ich finde die unwissende Version witziger, besonders, da man dann so Mist bauen kann wie Anne+Benni. :'D (Janines Humor und Sarkasmus sollte nicht unterschätzt werden, nur weil sie so eine knuffige Kleine ist. XD)
Das stimmt, bei so unscheinbaren Szenen kommt dann doch viel von anderen Seiten des Charakters durch. Zum Beispiel, dass Laura so ein Spiel doch sehr persönlich nehmen kann. XD Oder Arianes Vorliebe für eigenartige Erzählungen. :D
Antwort von:  Regina_Regenbogen
10.08.2020 22:29
Ja, genau! Durch solche Szenen erfährt man noch mal eine andere Seite der Charaktere. Insofern ist es für den Leser dann auch unterhaltsam. :)


Zurück