Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 15: In den Drachenbergen --------------------------------   In den Drachenbergen       Eagle stieg von dem silbernen Einhorn und half Öznur herab, die sich mal wieder vollkommen ungeschickt anstellte. Wie unsportlich kann Frau sein?, fragte er sich. Als habe die Prinzessin von Dessert seine Gedanken gelesen, zischte sie ihn schlangenmäßig an. Eagle überhörte ihren eigentümlichen Kommentar und band das Einhorn neben die beiden von Florian und Anne an einen Baum fest. Florian würde sie nachher wieder nach Elfin bringen, wenn sie das komische Blümchen für den Idioten geholt und sich durch Öznurs Magie weg teleportiert hatten. Die große Magierin blickte den Berg rauf. „Und da sollen wir jetzt hochklettern?“, fragte sie kleinlaut. Anne stöhnte genervt auf. „Hast du eine bessere Idee?“ Öznur schüttelte den Kopf. „Und das, obwohl ich noch nicht einmal mit den Treppenstufen in unserer Schule klarkomme.“ Eagle fragte sich, wie viele Stufen das wohl sein mochten, die diese Magierin mit einer so schlechten Ausdauer ärgerten. Ernsthaft, damit konnte sie sogar Laura Konkurrenz machen! Florian zuckte mit den Schultern. „Also, wenn ihr klettern wollt, halte ich euch nicht auf. Aber dann beeilt euch jedenfalls.“ Öznur schnaubte. „Das hat mit wollen nichts zu tun! Wenn es einen anderen Weg gäbe, ich würde ihn mit Freuden gehen.“ Auf dem Gesicht des Elbes zeigte sich ein belustigter Ausdruck. „Na schön, dann der ‚andere Weg’.“ Öznur schien schon zu einem ‚Hä?’ ansetzen zu wollen, doch in genau dem Moment begann der Boden unter den Füßen der Gruppe zu beben und ein riesiges Efeublatt schoss aus der Erde, groß genug, dass sich jeder da drauf stellen konnte. Misstrauisch verschränkte die Prinzessin von Dessert die Arme vor der Brust. „Und das ist sicher?“ Florian nickte. „Klar. Oder denkst du, nur, weil ein Junge das gemacht hat, ist es zu nichts zu gebrauchen?“ Anne nickte, als wäre diese Ansicht eine Selbstverständlichkeit. Und Eagle überlegte in der Zeit, wie sehr Sultana wohl ausrasten würde, wenn er ihre Tochter noch früher unter die Erde gebracht hätte, als den gerade abkratzenden eiskalten Engel. Aber der Elb seufzte nur und stellte sich auf sein Riesenefeublatt. „Wenn du nicht willst, dann klettere ruhig. Der Rest kann mitkommen.“ Eagle und die Mädchen -ja, sogar Anne- stellten sich auf Florians Gewächs. Kaum hatte jeder einen halbwegs festen Stand, schoss dieses Grünzeug auch schon gen Himmel. Nicht so schnell, wie Eagle es sich gewünscht hatte, immer noch so, dass niemand ins Taumeln kam, aber trotzdem schon schnell. Und natürlich passierte kein Unglück, wie Anne es erwartet hatte. Auf einem Vorsprung fast an der Spitze stiegen sie ab. Wieder blickte Öznur auf den Gipfel des Berges. „Fünf Meter höher hätten es doch auch getan, oder?“, fragte sie erschöpft. Als wäre das Erklimmen des Berges anstrengend gewesen. Eagle konnte nur den Kopf schütteln. Er fragte sich, wie dieses Mädchen es schaffte eine so gute Figur zu haben. Florian schüttelte den Kopf und seine schulterlangen blonden Haare glänzten in dem eben erschienenen Sonnenlicht und ließen die hellgrünen Augen des Elbes magisch funkeln. Eagle war immer noch der Ansicht, dass Ivory eindeutig die Schnulz-Region war. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand Benni vergiftet und uns dann so mir nichts dir nichts das Gegenmittel besorgen lässt. Am besten jemand prüft zuerst, ob da oben nicht irgendeine Falle auf uns wartet.“ Eagle hob anerkennend eine Augenbraue. Dass das eine Falle sein könnte, war natürlich logisch, aber er hätte sich wohl einfach so in den Kampf gestürzt. Da zeigte sich dann wohl doch der Hauptmann in diesem Elben. Anne warf der kleinen, unscheinbaren Janine einen kurzen Blick zu. „Du machst das am besten. Du kannst gut klettern und fällst wegen deiner Größe nicht allzu sehr auf.“ Die Wangen des schüchternen Mädchens färbten sich leicht rötlich und sie zwirbelte verlegen eine Strähne. „Ich muss nicht unbedingt hochklettern… Also… Eine Sache kann ich durch die Gelbe Tarantel… Ich meine… habe ich gelernt…“ Anne zuckte mit den Schultern. „Wenn es uns das alles erleichtert, nur zu.“ Sie nickte nur schwach und formte ihre Hände zu einer Schale. Interessiert beobachtete Eagle, wie etwas Gelbes über ihren Händen waberte, mehrmals die Form veränderte und schließlich zu einer winzigen, gelben Tarantel wurde. Öznur war schon kurz davor, erschrocken aufzuschreien, aber Eagle hielt ihr noch im letzten Augenblick den Mund zu. Wirklich, dieses Mädchen war eigentlich nur ein Hindernis in dieser Mission! Öznur entledigte sich unsanft Eagles Griff. Das Spinnchen sprang von Janines Hand und kletterte geschwinde die restlichen Meter auf den Gipfel. Janine schloss die Augen und beschrieb das, was sie durch die Spinne sehen konnte: „In der Mitte ist ein riesiges Loch mit einer Wendeltreppe, die in das Innere des Berges zu führen scheint. Aber vor dem Eingang… da ist jemand. Da steht ein Mann mit blauen, ordentlich gekämmten Haaren und einer Brille. Außerdem grinst der so unheimlich…“ Schaudernd öffnete Janine die Augen wieder und sah den Rest fragend an. „Wer ist das?“ Eagle überlegte. „Das klingt ganz nach Lauras Cousin, Lukas.“ „Stimmt, so hatte Benni ihn nach seinem Ausflug in die Unterwelt auch beschrieben. Durchschnittsgröße, blau gefärbte Haare, eine Brille mit einem Schlag auf der linken Seite, an der linken Schläfe hat er eine Narbe und er hat immer so ein ekelhaftes, gehässiges Grinsen auf den Lippen.“, erinnerte sich Öznur. Anne schnaubte. „Und jetzt? Der Depp hat bestimmt nichts Gutes vor.“ „Uns bleibt keine andere Wahl. Es gibt nur diesen einen Eingang in die Drachenberge und die Feuerbäume wachsen in dem Berg.“, widersprach Florian. Eagle zuckte mit den Schultern und konnte ein Grinsen nicht verkneifen. „Dann müssen wir halt mit Gewalt weiterkommen.“ So langsam gefiel ihm dieser Ausflug. Man hatte immerhin nicht jeden Tag die Möglichkeit, denjenigen, der Laura gerne mal das Leben zur Hölle machte, so richtig übers Knie zu legen. Auch Anne schien Gefallen daran zu finden. „Dann mal los.“ „Wir müssen jetzt aber nicht klettern, oder?“, fragte Öznur nicht gerade begeistert. Eagles „Doch.“ nahm ihr jegliche Hoffnungen. Leise und flink kletterten Eagle, Anne, Janine und Florian die restlichen Meter des Berges hinauf. Wie erwartet, fiel Öznur zurück, obwohl sie sich sichtlich beeilte. „Na sieh einer an, ihr wart ja ganz schön schnell hier.“ Kaum war die fast komplette Gruppe oben angekommen, wurden sie schon von Lukas’ fürchterlicher Lache begrüßt. Ernsthaft, Eagle hätte kotzen können. Was für ein blauhaariges Schwein das doch war! Auch wenn Lukas eigentlich eher so schlaksig wie Florian war und keine Mastschweinmaße besaß. „Woher-“, setzte Anne an, brach aber ab. Lukas musterte die Gruppe. „Chiefs Sohn und Sultanas Tochter. Sogar der Herr Hauptmann ist mit von der Partie. Welch eine Ehre! Aber euch beide… nein, noch nie gesehen.“, sagte er, als auch die nach Luft schnappende Öznur sich hoch gemüht hatte. „Sie wissen also von dem, was vor einer Stunde passiert ist.“, bemerkte Anne sachlich. Lukas lachte wieder sein widerliches Lachen. „Ich sage euch nur: Wenn dem nicht so wäre, wäre ich jetzt nicht hier. Sagt mal… Wie lange hält euer stärkster Kämpfer Damons denn noch durch?“ Öznur schnaubte. „Das geht dich rein gar nichts an!“ Sie weiß es doch selbst nicht, bemerkte Eagle nüchtern. Lukas zuckte mit den Schultern. „Na was soll’s. Schnappt sie euch!“ Wie aus dem Nichts schossen Wesen mit knochiger Haut, Fell oder flackernd roten Augen auf die Gruppe zu und umstellten sie. Eagle fluchte. Shit, Unterweltler. Zumindest das Wetter hätte doch auf ihrer Seite sein können aber nein, natürlich bedeckte ausgerechnet jetzt eine fette, dunkle Wolkendecke den Himmel und damit auch automatisch die Sonne. Vor einer Stunde hätten sie sich diesen Scheiß noch sparen können. Florian wandte sich an die Mädchen hinter ihm. „Bleibt zurück, euch fehlt für so etwas noch die Kampferfahrung.“ Zerknirscht trat Anne ein paar Schritte vor, neben ihn. „Sag mir nicht, was ich zu tun oder lassen habe.“ „Wie du magst. Aber wehe ich gerate wegen dir bei deiner Mutter in Erklärungsnot.“, erwiderte der Elb bloß. Mehr Zeit blieb ihnen nicht. Einer der Werwölfe stieß ein schrilles Heulen aus, bei dem sich Janine erschrocken die Hände über die Ohren legte. Das Signal zum Angriff. Florian und Eagle stürzten sich als erstes in den Kampf. Ein Gemetzel entstand, bei dem keine Menschenaugen in der Lage waren den Angriffen und Verteidigungen zu folgen, geschweige denn sie dem richtigen Wesen zuzuordnen. Eagle öffnete die Schnalle des Großschwerts auf seinem Rücken. Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, er hatte es schon ewig nicht mehr verwendet. Er rief den Wind herbei, sandte ihn in die Klinge seiner Waffe. Graue Sicheln loderten um die Klinge als würden Blätter im Sturm tanzen. Eagle schlug zu. Die Luft zerriss. Und mit ihr drei Unterweltler. Ein letzter klagender Schrei drang aus ihren Kehlen, als sie ihr schnelles Ende fanden. „Was zum Teufel-?!“, rief Öznur erschrocken aus. „Bleib einfach hinter uns, dann passiert dir nichts.“, wies Eagle sie ruhig an und trennte einem Vampir den Kopf vom Körper, der diesen Moment versucht hatte für sich zu nutzen. Plötzlich hörte er Öznur allerdings aufschreien. Aus dem Hinterhalt tauchten weitere Unterweltler auf und stürzten sich auf die nicht kämpfenden Magiermädchen. „Fuck!“, fluchte Anne, hatte aber mit ihren eigenen Gegnern mehr als genug zu tun. Florian fing einen der Werwölfe in einer Ranke ab, musste aber kurz darauf einen Angriff auf sich selbst mit seinen Zwillingsschwertern blockieren. Eagle sandte eine weitere Windsichel los, zerriss sowohl den gefangenen Werwolf als auch einen sich dahinter versteckenden Zombie in zwei Hälften. Doch auch er war gezwungen, sich unmittelbar darauf selbst zu verteidigen. „Özi, pass auf!“, brüllte Anne über den Kampflärm hinweg Öznur eine Warnung zu. Das Mädchen war viel zu verängstigt. Ihr Atem ging hektisch, sie schien gar nicht erst dazu in der Lage vor ihrem Gegner zurückzuweichen. Geschweige denn zu kämpfen. Eagle fluchte. Das kam davon, wenn ein bislang behütet aufgewachsenes Mädchen plötzlich vom einen auf dem nächsten Moment in einer Schlacht landete. Es war kein Vorwurf. Sie konnte nichts dafür und eigentlich war es auch schön, dass ihre Augen bisher nie ein solches Massaker zu Gesicht bekommen hatten. Doch hilfreich war es leider trotzdem nicht. Panisch kniff Öznur die Augen zusammen, als sich einer der Vampire auf sie stürzte, einige Tränen der Angst entkamen ihr dabei. „Jetzt wehr dich doch endlich!“, brüllte Eagle, stieß einen Zombie von sich und musste aber sofort einen Vampir abwehren. Er konnte ihr nicht helfen… Doch da riss der krachende Donner einer magischen Explosion Eagle fast von den Füßen. Er glaubte, sein Trommelfell würde platzen und Tatsache, einige der Unterweltler hielten sich auch schreiend die Ohren zu. Schnell nutzen er, Florian und Anne ihren Moment der Schwäche für sich aus, dezimierten ihre Reihen mit wenigen Angriffen. Erst dann wagten sie einen Blick hinter sich. Von den Unterweltlern aus dem Hinterhalt war kaum einer übrig, der Großteil lag besiegt und häufig nicht mehr ganz vollständig auf dem Gipfel des Berges. Was bei den Dämonen?! Verwundert schaute sich Eagle um, nur um zu sehen, wie Janine schwer atmend ihre Hand wieder sinken ließ. Auch Anne schien wie erstarrt. Hatte dieses kleine Mädchen gerade im ernst ein Drittel der Angreifer im Alleingang pulverisiert?! Nur Florian ließ sich davon nicht ablenken und wehrte die wenigen Übrigen ab, deren Schicksal bereits besiegelt war. Und selbst Janine hatte sich schneller wieder gefangen als Eagle oder Anne, so wie sie zu Öznur eilte und sanft eine Hand auf deren Schulter legte, um sich zu erkundigen, ob es ihr gut ging. Eagle schüttelte den Kopf, um wieder zu sich zu kommen und wandte sich Lukas zu. Dieser hatte der Schlacht nur geistig beigewohnt, doch zur Überraschung der Gewinnergruppe lachte er. „Ihr glaubt wirklich, ihn noch retten zu können, nicht wahr?! Ach wie süß! So naiv!!! Es ist egal, wie sehr ihr euch bemüht, niemals werdet ihr noch rechtzeitig zurückkehren. Das Gift hat der Unzerstörbare höchst persönlich verstärkt. Nur ein kleiner Schluck reicht schon aus, um das Opfer innerhalb ein paar Stunden zu töten.“ „Was?!? Dann haben wir ja so gut wie keine Zeit mehr!“, fiel Öznur schockiert auf. Wieder lachte Lukas. „Rechtzeitig kommt ihr nie an!“ „Das werden wir ja sehen. Geh uns aus dem Weg!“, befahl Anne, die von Lukas sehr schnell provoziert wurde. Dieser schüttelte amüsiert den Kopf. „Tz, tz, tz. Wie unhöflich. Ich bin dreizehn Jahre älter als du, also sei doch bitte etwas respektvoller.“ Eagle richtete sein vom Kampf blutrot glänzendes Schwert auf Lukas. „Wenn du uns nicht durchlässt, bist du gleich einen Kopf kürzer.“, warnte er. Eagle wunderte sich selbst darüber, dass ausgerechnet er Lukas drohte, obwohl er mit Benedicts Tod eigentlich kein Problem haben würde. Irgendwie war in ihm der Drang, seinem Rivalen zu helfen. Und das ärgerte Eagle natürlich. Und diesen Ärger richtete er gegen Lukas, der mal wieder diese komische Lache von sich gab. „Ihr wollt doch nicht etwa tatsächlich in die Höhle der Drachen?! Bei unerwünschten Gästen verstehen die keinen Spaß!“ Eagle ließ seine zweite Stimme, die ihn immer durch ein leises Echo folgte, etwas lauter werden. „Lass uns einfach durch.“, knurrte er. Die machtvolle Stimme ließ Lukas tatsächlich zusammenzucken. Dennoch lachte er erneut „Wenn ihr euren Tod so sehr herbeisehnt...“ Mit einem irren Grinsen ging er einige Schritte zur Seite und gab damit den Weg zu der Wendeltreppe frei, dem Eingang in das Reich der Drachen in den Drachenbergen. Misstrauisch musterten die fünf Lauras Cousin. Gab es noch eine Falle? Dennoch wagten sie sich vorsichtig an ihm vorbei und betraten die Treppe in die Drachenberge. „Ich dachte, er wäre auf der bösen Seite. Warum lässt er uns dann weitergehen?“, fragte Öznur, nachdem sie etwa sieben Meter unter dem Gipfel waren und immer weiter in die Dunkelheit liefen. Florian seufzte. „Ich glaube, er wollte nur Zeit schinden. Wenn das stimmt, was er uns erzählt hat, hat Benni vielleicht nicht einmal mehr eine Stunde. Auch wenn ich glaube, dass er stark genug ist, um noch länger am Leben zu bleiben, reicht das nicht, um rechtzeitig zurückzukommen...“ „Das heißt so viel wie Bennis Schicksal ist eigentlich schon besiegelt...“, stellte Öznur traurig fest und senkte den Kopf. Anne zuckte mit den Schultern. „Warum versuchen wir es dann überhaupt noch?“ „Weil wir ihn nicht im Stich lassen dürfen!“, rief überraschenderweise Janine lautstark aus. „Benni mag vielleicht nicht der geselligste sein und wirkt auf den ersten Blick kalt und abweisend, aber habt ihr euch nie darüber Gedanken gemacht, wieso ausgerechnet er von den Dämonen gesegnet worden ist? Wieso sich Tiere in seiner Gegenwart so wohl fühlen?! Wieso ausgerechnet so ein herzensguter Mensch wie Carsten sein bester Freund ist?! Ich glaube, Benni ist einer der loyalsten, liebevollsten Personen, die Damon je gesehen hat und-“ Eagles Lachen unterbrach Janines ach so rührende Lobeshymne. „Sag mal… hörst du dich eigentlich selbst reden?!“, brachte er zwischen zwei Atemzügen hervor. Tatsächlich sorgte seine Reaktion dafür, dass Janine leicht verunsichert mit einer Haarsträhne zwirbelte. Doch dem stechenden Blick in ihren himmelblauen Augen nach zu urteilen, schien sie sich eher darüber zu ärgern. Ebenso Öznur, die energisch rief: „Jetzt mach mal halblang! Vielleicht hat Ninie ja wirklich recht! Vielleicht ist Benni ja wirklich ein total lieber Typ und braucht nur etwas Zeit, bis er jemandem genug vertraut um diese Seite von sich zeigen zu können. Ich meine… wer weiß, was er schon hat erleben müssen! Vielleicht ist seine abweisende Art nur ein Selbstschutzmechanismus, weil er viel zu häufig schon verletzt worden ist!“ Eagle schnaubte verächtlich. „Und selbst wenn, ist doch egal.“ Öznur warf wütend die Hände nach oben. „Boah, was ist dein Problem?! Du verhältst dich ihm und besonders deinem kleinen Bruder gegenüber wie das letzte Arschloch! Selbst wenn man jemanden nicht ausstehen kann, wünscht man ihm doch nicht direkt den Tod! Oder drückt Zigaretten auf jemandes Handrücken aus!!!“ Ihre Stimme war fast schon hysterisch, so sehr schien sie sich über Eagles Verhalten zu ärgern. „Was ist passiert, dass du dich so asozial einem Familienmitglied gegenüber verhältst?! Deinem kleinen Bruder!!!“ „Das geht dich einen Scheißdreck an!“, erwiderte Eagle schroff und deutlich emotionaler als ihm lieb war. Die unangenehme Wahrheit war: So genau wusste er selbst es noch nicht einmal. Als Kind hatte er Carsten die Schuld für den Tod seiner leiblichen Mutter gegeben. Er wusste nicht, wie sich diese Einstellung so sehr in ihm hatte festsetzen können, dass er für Carsten nach wie vor einen solch unbändigen Hass empfand. Aber es war nun mal so. Er konnte in Carsten nichts anderes als den Mörder seiner Mutter sehen. Wenn er ihn anschaute, musste er immerzu an sie denken… Und das tat scheiß weh. Davon abgesehen war Carsten auch noch der Sohn eines Mannes, der seine sterbende Frau betrogen hatte. Auch wenn Eagle es sich nicht anmerken ließ, er hasste seinen Vater immer noch deswegen. Von wegen Vorbild! Eagle hatte selbst inzwischen schon mehr als genug Scheiße gebaut, auch in Beziehungen. Aber niemals würde er seine Partnerin betrügen! Das war das allerletzte! Wenn man die Beziehung als nicht mehr erfüllend wahrnahm, sollte man zumindest genug Eier in der Hose haben das mitzuteilen, statt jemandes Vertrauen zu missbrauchen und sich insgeheim mit jemand anderem zu vergnügen. Eagle merkte gar nicht, wie sich vor Zorn seine Hände zu Fäusten ballten, bis die Knöcheln weiß hervortraten. Dieser sexgeile Arsch hätte ja zumindest noch warten können, bis sie tot war. Aber schon eine zu haben, während Eagles Mutter noch am Leben war und sich sogar eigentlich an noch verhältnismäßig guter Gesundheit erfreute… Öznur schien ihn beobachtet zu haben, während er sich gedanklich über seinen Vater und Carsten aufregte, denn als er geistig wieder auf der endlosen Wendeltreppe war, ging sie vor ihm rückwärts die Stufen runter. Im Gegensatz zu seinem eigenen hatte ihr Blick inzwischen eher sanfte Züge angenommen. Es wirkte sogar verständnisvoll, als könnte sie ahnen, dass da tatsächlich was unter der Oberfläche brodelte. Was bei Eagles vermutlich sehr verärgerter Mimik auch nicht sonderlich schwer zu erahnen war. „Das geht dich nichts an.“, meinte Eagle erneut und wich diesem fast schon liebevollen Blick ihrer blauen Augen aus. Er fühlte sich nicht wohl dabei. „Weißt du, was mir aufgefallen ist?“, sagte sie schließlich, „Also, ich hab mich jetzt nicht wirklich getraut, dass vor deinen beziehungsweise Carstens Eltern zu sagen, aber Carsten sieht weder seiner Mutter, noch seinem Vater ähnlich!“ Verwirrt runzelte Eagle die Stirn, doch bei genauerem Nachdenken musste er ihr mehr oder weniger Recht geben. Carsten hatte kaum Ähnlichkeiten mit jemandem aus seiner Familie. Von dem typischen Indigoneraussehen mal abgesehen, weshalb er Saya ironischerweise am wenigsten ähnlich sah, da diese ursprünglich aus Yami stammte. So gesehen sah Carsten Eagle sogar noch am ähnlichsten… was durchaus was heißen wollte, wenn man das über so einen Spargeltarzan sagte. „Und weißt du, was ich noch verwirrender finde?“, schwafelte Öznur weiter. Eagle stöhnte genervt auf. „Was denn?“ Seine desinteressierte Äußerung ignorierend meinte sie: „Na ja, jeder in eurer Familie hat braune Augen. Du und dein Vater hellbraun, fast schon orange, und Saya und Sakura dunkelbraun. Nur Carsten nicht. Seine Augen sind lila. Lila!“ „Na und? Vielleicht hat er das ja von einem entfernten Verwandten.“, vermutete Eagle gereizt. Dieses Verhör oder was auch immer das werden sollte ging ihm tierisch auf die Nerven. Endlich schien Öznur bemerkt zu haben, dass sie Eagle mit ihren Beobachtungen keine Freude machte. Genau in dem Moment, in dem sie sich wieder umdrehen und vorwärtslaufen wollte, übersah sie aber die nächste Stufe. Aus purem Reflex streckte Eagle die Hand nach Öznur aus, um ihren Fall zu verhindern, allerdings verfehlte er ihre Hand und erwischte sie stattdessen am Po. Öznur schien in diesem Moment vergessen zu haben, dass Eagle ihr nur helfen wollte, denn kaum hatte sie wieder festen Halt unter den Füßen, schlug sie Eagles Hand grob weg und warf ihm einen wütenden Blick zu. Ihre dunkle Haut bekam eine leichte Rötung auf den Wangen. Ob vor Verlegenheit oder Zorn konnte man nicht genau sagen. Das einzige, das in dieser unangenehmen Situation zu hören war, war Florians Lachen, an dem dieser Depp gefälligst ersticken sollte. Auch Eagle errötete etwas. Aber eine Sache wusste er jetzt ganz sicher: Diese Frau hatte voll den Knackarsch. Anne schien einen sechsten Sinn für Eagles Gedanken zu haben, denn bevor er überhaupt dazu kam, Öznur ein ‚Sorry’ zuzumurmeln, versetzte sie ihm von hinten einen Tritt in die Kniekehle, der Eagle zusammensacken ließ und ihn dazu veranlasste, ihr einen Teils verwirrten und Teils verärgerten Blick zuzuwerfen. „Sag jetzt bloß nichts Falsches, Indigonerschwachkopf. Sei froh, dass ich nicht woanders hingetreten habe.“, schnauzte Anne und blickte von der oberen Stufe auf Eagle herab. Eagle schnaubte genervt und richtete sich wieder auf. „Wäre es dir lieber, wenn Öznur diese ganzen Stufen runtergefallen wäre? Dann wäre sie immerhin als Erste unten angekommen.“ Öznur gab ein empörtes „Hey!“ von sich und Anne schien schon zum Schlag ausholen zu wollen, doch genau in diesem Moment stieg eine riesige, schwarze Rauchwolke an der Gruppe vorbei und hinaus, bis über die Wolken. Gleichzeitig wurde es in dem endlosen Eingang unnatürlich heiß. Ein tief klingender Windstoß ließ in regelmäßigen Abständen die Wand vibrieren und kleine Steine herunterrieseln. Die Erschütterungen wurden immer lauter, Eagle konnte die Vibrationen selbst durch seine Schuhe unangenehm stark spüren. Und dann tauchte der Verursacher dessen auf. Ein riesiges, echsenartiges Wesen, das sich mit gemächlichen, Staub aufwirbelnden Flügelschlägen in der Luft hielt. „Was wollt ihr Wesen Damons hier?!?“, fragte es mit rauer und schneidender Stimme. Janine wich ängstlich zurück und die Flügelschläge bliesen Eagle einen kochend heißen Wind entgegen. „Wir brauchen eine Feuerblume.“, antwortete Florian so ruhig, dass Eagle vermutet hätte, der Elb würde mit einem Freund und nicht mit einem mordlustigen Tier reden. Der Drache lachte und größere Brocken lösten sich von der Felswand. „Und ihr denkt, dass ihr einfach so in unser Reich spazieren und dann auch noch so einen Lärm veranstalten könnt? Beachtet den Vertrag! Wenn ihr uns nicht in Ruhe lasst, werden wir uns auch nicht mehr an die Vereinbarung halten.“, warnte die zu groß gewordene Echse. Öznur sah das Riesenvieh flehend an. „Können wir nicht eine Ausnahme machen? Es geht um Leben und Tod!“ Wieder lachte der Drache. „Ist das nicht immer der Fall? Glaub mir Kleine, wir haben mit viel Tod für dieses Leben bezahlen müssen.“ Anne zischte mal wieder. „Ihr habt gefälligst der Herrin eures Elements Respekt entgegen zu bringen.“ Die gelben Augen des rubinroten Drachen weiteten sich. „Wer besitzt den Roten Fuchs?“ „Ähm… ich.“, meldete sich Öznur etwas eingeschüchtert zu Wort und hob wie in der Schule die Hand. Dieses Mal konnte sich der Drache vor Lachen nicht mehr einkriegen. Die Brocken die nun an der Gruppe vorbeizischten hatten schon die Größe eines ausgewachsenen Rehs. Eagle fragte sich, wie diese Drachenberge überhaupt noch existieren konnten. Oder war nur dieser Drache ein besonders amüsiertes Exemplar? Schließlich beruhigte das Schuppenvieh sich wieder. „Beweist es mir und ich mache eine Ausnahme.“, sagte er knurrend. Öznur legte den Kopf schief. „Wie soll ich es denn beweisen?“ „Oh mein Gott…“, sagten Eagle, Florian und der Drache zu haargenau derselben Zeit. Das konnte doch nicht wahr sein! „Wie wäre es, wenn du Energie einsetzt?“, schlug Florian geduldigen Lächelns vor. Da war Öznur doch zu etwas zu gebrauchen und dann bekam sie es nicht richtig auf die Reihe! Diese nickte. „Na gut.“ Sie starrte auf einen Punkt in der Luft und schlagartig wurde es noch wärmer, als es ohnehin schon war. Kurz darauf loderten kleine und doch bedrohlich wirkende Flammen auf und schwebten flackernd an dieser einen Stelle. Eagle konnte die Energie spüren, die von diesen Flammen ausging. Das Feuer war schon immer eine mächtige, zerstörerische Kraft. Doch mit der Energie wirkte es nochmal anders. Noch mächtiger. Noch zerstörerischer. Allerdings auch ebenso warm und leidenschaftlich. Feuer hatte auf Eagle schon immer eine gewisse Faszination ausgeübt, auch als kleiner Junge schon. Wie geborgen man sich selbst in einer eisigen Nacht bei einem Lagerfeuer fühlen konnte. Doch wenn man nicht aufpasste, hatte es die Macht einen verhängnisvollen Schaden anzurichten. Eagle betrachtete Öznur und lachte in sich hinein. Sie repräsentierte ihr Element wirklich hervorragend. Diese wandte sich wieder dem Drachen zu. Kaum hatte sie ihre Aufmerksamkeit den Flammen entrissen, verschwanden sie sofort in einer kleinen Rauchwolke. „Da hast du deinen Beweis. Zufrieden? Lässt du uns nun weiter?“ Wie als wäre er in Verlegenheit geraten, kratzte sich der Drache mit einer Kralle an dem rechten Vorderbein. „Nun ja… Das habe ich um ehrlich zu sein nicht erwartet… Die Wahrheit ist, junge Besitzerin des Roten Fuchses, dass ich keine Ausnahme machen darf. Für niemanden. Ich bedaure es sehr, euch nicht helfen zu können.“ Anne stöhnte auf. „Das kann doch nicht wahr sein! Wir verlieren hier nur Zeit! Bis dahin ist der eiskalte Engel schon längst tot.“ Florian schüttelte traurig den Kopf. „Gibt es denn keine andere Möglichkeit?“ Auch der Drache schüttelte sein riesiges Haupt. „Nein, leider nicht. Es wäre etwas Anderes, wenn ihr den Gründer des Vertrags um Einlass gebeten hättet. Sie ist die Herrin unseres Wesens und außerdem parteilos. Sie könnte euch diesen Einlass gewähren.“ Genau in dem Moment ertönte über der Gruppe eine Stimme. Sie war erfüllt von der Macht eines Donners, doch gleichzeitig war sie so ruhig wie ein wolkenloser Himmel. „Ich gewähre euch Einlass, junge Dämonenbesitzer. Euresgleichen wurde in der Abmachung nicht erwähnt, ihr könnt also das Reich der Drachen betreten, ohne jegliche Verträge zu brechen. Und nun spurtet euch.“ Genauso blitzschnell, wie sie gekommen war, war die Stimme auch wieder verschwunden. Respektvoll neigte das riesige Geschöpf das Haupt. „Wie ihr wünscht, Herrin.“ Er flog näher an die Wand des Berges und krallte sich so an den Steinen fest, dass die Gruppe auf den Rücken des mindestens zwanzig Meter hohen Geschöpfs klettern konnte. Kaum waren alle aufgestiegen, flog der Drache auch schon in unmenschlicher Geschwindigkeit dem Abgrund des Eingangs entgegen. Wie im Sturzflug bremste er erst kurz vor dem Boden ab, um mit einem schwindelerregenden Manöver in eine waagerechte Flugrichtung zu kommen. Öznur schrie so, als würde sie sich in einer Achterbahnfahrt befinden, doch Eagle krallte sich keineswegs an die Schuppen des Drachen, sondern hob die Arme über den Kopf und gab ein freudiges Jauchzen von sich. Er liebte es, zu fliegen und diese Freiheit zu fühlen, wenn man nicht gerade im Flugzeug saß. Kaum hatte sich die Fluggeschwindigkeit des Drachen zu Eagles Bedauern wieder gemäßigt, rief Öznur begeistert: „Wie schön es hier ist!!!“ Eagle sah sich um und musste ihr irgendwie Recht geben. Im Gegensatz zu dem Rest der Ivory-Region wirkte dieser Ort keinesfalls kitschig. In der überdimensionalen Höhle, in der eine Hitze gleich eines dampfenden Sprudelbads herrschte, waren egal wo man hinsah Edelsteine. Rubin, Saphir, Topas, Smaragd, Onyx, Bergkristall, Aquamarin und was es sonst noch so von Frauenverführern gab. Auch Diamanten konnte Eagle entdecken. Zwar gab es sie nicht in allzu großen Mengen, verglichen mit den anderen Funkeldingern, aber es gab sie. Wie viel diese Schatzhöhle wohl wert wäre? Damit könnte man ein riesiges, heruntergekommenes Reich wiederaufbauen und es auch noch zu dem reichsten auf dem Planeten machen! Ein Reich, größer als Damon! Selbst Anne nickte anerkennend. „Kein Wunder, dass hier niemand hindarf.“ Der Drache schüttelte den Kopf. „Das ist nicht der Grund. Die Kristalle brauchen wir eigentlich überhaupt nicht, sie sind einfach da. Der Grund für den Vertrag war die Machtgier der Wesen, die in Damon leben. Besonders die der Menschen.“ Schweigend beobachtete die Gruppe ihre Umwelt. Sie war der der Menschen gar nicht so unähnlich, nur bei weitem magischer. ‚Kleine’ Drachenkinder spielten fangen und übten sich am Feuerspeien, allerdings kam lediglich dunkler Rauch aus ihrem Rachen. Ihre Schuppen hatten dieselben Farben, wie die Kristallwiesen um sie herum und gaben diesem tiefen Reich seinen eigenen kleinen Regenbogen. Der rubinfarbene Drache steuerte direkt auf einen riesigen Baum zu, dessen Blumen in voller Blüte standen. Nun verstand Eagle auch, warum diese Blume, die sie suchten, Feuerblume hieß. Die Blütenblätter verdeckten den eigentlichen Baum und ließen es mit ihren Formen und Farben von Flammen so aussehen, als würde der gesamte Baum brennen. Der Drache flog vor dem Baum auf einer Stelle. „Da sind die Feuerblumen, die ihr sucht.“ Öznur streckte den Arm aus und schaffte es gerade so, eine der Blumen zu pflücken, ohne von dem schuppigen Rücken des Drachen zu fallen. „Wie schön sie sind!“, rief sie begeistert. Anne verdrehte die Augen. „Mehr brauchen wir hoffentlich nicht.“ Florian schüttelte den Kopf. „Nö, eine reicht. Aber die Zeit wird knapp…“ Das Riesentier wurde neugierig. „Wenn ich fragen darf, junge Dämonenbesitzer: Wofür braucht ihr diese Blume eigentlich, dass ihr eine solche Gefahr auf euch nehmt?“ Eagle verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte. Er war immer noch unfreiwillig dabei. „Ein Bekannter wurde von einer Eisblume vergiftet.“ „Und deswegen müssen wir uns jetzt auch beeilen.“ Anne wandte sich an Öznur und Janine. „Also los, teleportiert uns weg.“ Öznur blickte nach oben um nachzudenken und kratzte sich schließlich am Hinterkopf. „Tja, ähm… Das geht leider nicht.“ „Wie meinst du das?“, fragte die Prinzessin von Dessert misstrauisch. Die Wangen der Besitzerin des Roten Fuchses färbten sich rot. „Nun ja, was den Zauberspruch betrifft… Ich… ich hab ihn vergessen…“ Anne stöhnte auf. „Das ist jetzt ein Witz, oder? Und Carsten hat dir extra noch gesagt, du sollst ihn aufschreiben!“ „Da wusste ich ihn aber noch!“, verteidigte sich Öznur und holte ihr Smartphone aus der Tasche ihrer Röhrenjeans. Nach einem Blick auf das Display seufzte sie schließlich. „Kein Empfang.“ „Armer Benni. Das Schicksal will wohl nicht, dass wir ihn retten.“, meinte Janine und senkte traurig den Kopf. Der Drache drehte den langen Hals, um die Gruppe ansehen zu können. „Meint ihr etwa Benedict Ryū no chi?“ Anne hob die Arme gen Himmel -oder eher zur Decke des Drachenreiches-. „Ernsthaft, gibt es überhaupt jemanden in Damon, der den eiskalten Engel nicht kennt?“ Der Drache sah so aus, als würde er eine Augenbraue heben, falls Drachen so etwas in der Art haben. „Er ist der Lehrling unserer Herrin, die uns den Frieden gebracht hat. Durch sie kommt er eben viel rum.“ „Kannst du- können Sie uns nicht nach Indigo fliegen?“, fragte Janine zögernd und senkte respektvoll den Kopf. Der Drache schüttelte den Kopf. „Es tut mir sehr leid, aber ich darf den Vertrag nicht brechen. Ihr müsst einen anderen Weg finden.“ Anne warf einen Blick auf den Hauptmann. „Du zauberst doch auch. Kannst du diesen Hühnern mit Amnesie nicht einfach den Spruch sagen?“ „Huhn mit Amnesie?!? Jetzt hör mal Anne-“, setzte Öznur schon an, doch Florians Aufzählungen unterbrachen sie. „Je nachdem, was für einen Zauber ihr braucht. Ist es eine Teleportation in der Luft, unter der Erde oder gar durch sie hindurch? Wie schnell wollt ihr sein oder wollt ihr nur die Blume teleportieren? Außerdem benutzen manche fortgeschrittenere Magier nicht den ganzen Text, sondern nur kürzere Versionen. Das heißt also, ihr müsst seine Gestik und Mimik ganz genau kennen, um die fehlenden Verse ergänzen zu können und-“ Anne hob abwehrend die Hände. „Okay, das können wir jetzt nicht so genau sagen. Das heißt also, wir werden bis zu Lauras Tod ihr Kummerkasten sein. Oh man, dieser Typ macht nichts als Ärger!“ Als Anne Laura erwähnte wurde Eagle aufmerksam. „Wie meinst du das mit Kummerkasten?“ Öznur verdrehte die Augen. „Komm schon, so schwer von Begriff solltest du eigentlich nicht sein. Jeder Blinde sieht, wie viel Laura für Benni empfindet. Das ist nicht nur so ne Schwärmerei, wie bei mir oder Lissi. Na gut, was Lissi betrifft, da weiß niemand so genau, was sie von Benni will…“ Seufzend senkte Eagle den Kopf. Natürlich. Er hätte es eigentlich erkennen sollen, als die Gruppe inklusive Laura und Benedict auf dem Sportplatz aufgetaucht war. Laura war ausgerechnet in den herzlosen Waldläufer verliebt. Vermutlich waren ihr Eagles Gefühle noch nicht einmal aufgefallen… Mal wieder beobachtete Öznur Eagles Gesicht. Verärgert drehte er sich weg. „Na sieh einer an. Du magst sie also wirklich.“, bemerkte sie. „Das geht dich nichts an.“ Unbeabsichtigt wurde Eagles ‚zweite Stimme’ lauter. Florian musterte Eagle. „Du kannst sie doch nach Indigo bringen.“ Eagle verstand sofort, worauf der dreiste Elb hinauswollte. Stur schüttelte er den Kopf. „Vergiss es. Das ist der nicht wert.“ „Was?“, fragte Öznur verwirrt. Florian zuckte mit den Schultern. „Willst du Laura das wirklich antun? Wenn du tatsächlich etwas für sie empfindest, würdest du dir wünschen sie wäre glücklich und nicht so egoistisch handeln.“ „Wie?“, fragte nun auch Anne verwirrt. Eagle schnaubte. „Aber-“ „Kein aber. Wenn du dich beeilst könntest du es schaffen.“ Florian setzte sein dreistes Grinsen auf. „Außerdem verdienst du dir bei ihr so ein paar Pluspunkte.“ „Wovon redet ihr?“, fragte schließlich auch die kleine Janine. Geschlagen senkte Eagle den Kopf. „Na schön. Gebt mir das Ding, ich bring es zu meinem feigen Halbbruder.“ „Okay, erstens: immer noch ‚was?’ und zweitens: wie willst du das denn anstellen?“, fragte Öznur immer noch verwirrt, gab Eagle aber trotzdem die Feuerblume. Überrascht stellte Eagle fest, dass ihre Blüten so warm waren, wie Metall, wenn es einige Minuten in der Sonne gelegen hatte. Er schloss die Augen und konzentrierte sich nur noch auf seine Energie, den Wind. Er konnte ihn mit allen Sinnen wahrnehmen. Er sah die Böen, wie sie durch den aufgewirbelten Staub sichtbar wurden. Roch die Luft, wie sie die Düfte meilenweit transportieren konnte. Er hörte das Pfeifen des Windes und spürte die sanften Liebkosungen auf seiner Haut und war auch in der Lage, ihn zu schmecken. Der Wind war nicht bloß seine Energie. Er selbst bestand aus Energie. Eagle selbst war der Wind.   ~*~   Staunend beobachtete Öznur, was mit dem zukünftigen Indigonerhäuptling passierte. Ein mächtiger Tornado umspielte seinen muskulösen Körper und mit einem Ratsch zerriss das Hemd an seinem Rücken und zwischen seinen Schulterblättern sprießten graue Federn ins Freie. Aber Eagle schien das keineswegs weh zu tun. Er wirkte ganz entspannt und schien gar nicht zu merken, dass da irgendetwas mit ihm passierte. Als er schließlich die Augen aufschlug, entfaltete er die eleganten Schwingen, die auf seinem breiten Rücken gewachsen waren. Öznur stockte der Atem. Eagle war wirklich verdammt hübsch. Das hatte sie schon gewusst, als es hieß, sie würden Carstens Halbbruder besuchen. Immerhin: der war ja auch nicht ohne, auch wenn er das selbst gar nicht zu wissen schien. Aber Eagle so zu sehen, mit den riesigen, anmutigen Adlerflügeln und dem dämonischen Blick in seinen bernsteinbraunen Augen, deren Augapfel nun nicht mehr weiß, sondern grau war, das war etwas ganz Anderes. Von dem verdammt hübschen jungen Mann, zum gefährlichen Verführer. Öznur musste sich eingestehen, dass dieser Typ genau ihr Typ war. Aber auf Anne schien sein betörender Blick keine Wirkung zu haben. „Was ist das?“, fragte sie misstrauisch und hob eine Augenbraue. Florian prustete sofort los. „Das ist ein Eagle. Genauer gesagt Eagles wahre Gestalt.“ „Kapier ich nicht.“, meinte Öznur planlos. Hatte der gutaussehende, aber leider ziemlich schlaksige Elb da gesagt, Eagle würde eigentlich so aussehen?!? Wenn das ein Traum war, war sie sich nicht mehr sicher, ob sie daraus aufwachen wollte, wenn es dort so sexy Typen gab. Immer noch lachend schüttelte Florian den Kopf. „Das ist doch nicht euer ernst, oder? Ihr seid Dämonenbesitzer und kennt eure stärkste Waffe nicht?“ Die Mädchen schüttelten den Kopf. Sogar der Drache seufzte, als Florian erklärte: „Das nennt man die ‚Dämonenform’. Durch ein Ritual wird dem gebannten Dämon mehr Freiraum gelassen und das Ausmaß der Kraft und der Fähigkeiten wird verstärkt. Aber eigentlich ist sie nur eine andere Bezeichnung für ‚Halbdämon’.“ „Das heißt, Eagle ist kein richtiger Mensch?“, fragte Janine erschrocken und gleichzeitig war auch Bewunderung in ihrer Stimme zu hören. Gemeinter Eagle begann zu lachen. „Das hört man mir doch an.“ Florian schüttelte lächelnd den Kopf. „Die Dämonenbesitzer, die zu Halbdämonen geworden sind müssen sich wegen diesen ängstlichen Menschen immer noch als ‚normale’ Menschen tarnen, aber man erkennt sie immer an ihrer ‚zweiten Stimme’, eine Art ganz leises Echo, die durch die starke Verbindung mit dem Dämon entstanden ist.“ „Das heißt, du bist auch ein Halbdämon.“, bemerkte Öznur, als sie auf diese zweite Stimme aufmerksam wurde, die sowohl bei Florian, als auch bei Eagle zu hören war. Beide Stimmen strotzten nur so vor Macht, doch sie klangen immer noch unterschiedlich. An ihren Dämon angepasst. „Und Eufelia-Sensei auch.“, meinte Anne. Öznur musste Laura schon Recht geben, diese ältere Frau war tatsächlich unheimlich. Immerhin lebte sie alleine mitten in dem größten und unheimlichsten Wald, der je existierte. Der Drache räusperte sich und aus seinem Maul schoss eine Stichflamme. „Ich dachte, ihr müsstet euch beeilen.“ Öznur schlug sich die Hand auf die Stirn. Verdammt waren sie leicht ablenkbar. Am Ende würde Benni nur deswegen sterben! Anne musterte Eagles Flügel. „Bist du damit schnell genug?“ Eagle nickte. „Hoffen wir’s.“ „Aber wehe du stellst irgendwas an!“, warnte Öznur ihn. Seufzend schüttelte Eagle den Kopf. „Werde ich nicht. Wenn der Depp wegen mir unter der Erde landet, dann wäre Laura-“ Abrupt brach Eagle ab. Öznur verkniff sich ein Grinsen. Irgendwie war es schon lustig, dass gerade dieser Typ Laura mochte. Das zierliche Mädchen schien einfach nicht seinen Ansprüchen zu entsprechen, da sie halt so zierlich war. Aber trotzdem mochte Eagle sie so sehr. Anne nickte ihm zu. „Na gut, also du fliegst los und wir versuchen auf dem Gipfel vom Berg Empfang zu bekommen.“ Eagle nickte und stieß sich mit einem mächtigen Flügelschlag vom Rücken des Drachen ab. In der nächsten Sekunde war er auch schon verschwunden. Janine verschränkte ihre Finger. „Hoffentlich schafft er es…“ Florian klopfte ihr aufmunternd auf die Schultern. „Keine Sorge, er muss. Wenn nicht, dann hat er sich mehr Feinde gemacht, als ihr denkt.“ Anne hob mal wieder eine Augenbraue. „Nur, weil er versagt hätte?“ Florian nickte. „Schon alleine deshalb.“ „Falls ihr nichts dagegen habt, begleite ich euch bis kurz vor den Gipfel.“, schlug der Drache vor. Öznur mochte ihn. Schon alleine wegen seinem Humor. „Na gut. Gehen wir auf Netzjagd.“, meinte sie und klang zum Glück motivierter, als sie sich fühlte.   ~*~   Laura registrierte gar nicht, dass sie sich mal wieder eine Träne wegwischte und drauf und dran war, Rotz und Wasser zu heulen, bis Ariane ihr ein Taschentuch hinhielt. Es kam lediglich ein schwaches „Danke.“ über Lauras Lippen. Ariane seufzte. „Hoffentlich kommen sie bald…“ Laura nickte nur. Benni wirkte schon so gut wie tot... Da war es von Vorteil, dass man die Wolken seines eiskalten Atems sehen konnte. Denn noch atmete er, wenn auch sehr schwach und unregelmäßig. „Noch haben wir Zeit.“, meinte Carsten ruhig. „Benni lässt sich nicht so leicht töten, selbst wenn jemand das Gift sogar verstärkt haben sollte.“ Ariane schnaubte. „Ja, noch hat er Zeit. Fragt sich nur, wie lange er noch Zeit hat.“ Lauras Schluchzer brachte Ariane zum Glück zum Schweigen. Sie vergrub ihr Gesicht in dem Taschentuch, das sie bekommen hatte und wünschte, dass sie nicht nur im Weg herumstehen könnte. Als Carsten auch noch so tollpatschig wie er war über ihren Fuß stolperte, stand sie auf und wollte das Zimmer nur noch verlassen. „Wo willst du denn hin, Laura?!?“, rief Ariane ihr hinterher. „Euch nicht im Weg stehen.“, nuschelte Laura als Antwort und hoffte, nicht allzu verheult auszusehen. Carsten betrachtete sie besorgt und verwirrt zugleich. „Wie kommst du denn da drauf?“ „Na ja… Du hattest doch gesagt, ich würde nur ein Hindernis sein und dann bist du eben auch noch über mich gestolpert…“, meinte Laura und senkte deprimiert den Kopf. Susanne schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie lachen oder ihr einen mitleidigen Blick zuwerfen sollte. „Jetzt komm schon, Laura. Du weißt genau, dass Carsten zwei linke Füße hat.“ Dieser wurde rot und senkte den Kopf. „Tut mir ja leid, dass ich in Gedanken bei dem Gegengift und den anderen Zutaten bin.“, verteidigte er sich und warf Laura seinen halb freundlichen, halb traurigen Blick zu, der einen dazu veranlassen konnte, Carsten einfach nur knuddeln zu wollen. „Und ich habe außerdem gesagt, dass du dort ein Hindernis bist.“ Susanne konnte ein amüsiertes Kichern nicht unterdrücken. „Wo er Recht hat, hat er Recht. Dass du hier im Weg sein würdest, hat Carsten nicht erwähnt.“ Laura fasste jedenfalls was das betraf etwas Hoffnung. „Das heißt, ich bin für euch kein Hindernis?“ Carsten verdrehte lächelnd die Augen. „Du hattest Benni doch gehört, wir beide sollten hierbleiben. Er macht sich sowieso andauernd Sorgen um dich, auch wenn er das niemals zugeben würde. Da wäre es keine so gute Idee, dich auf eine halsbrecherische Mission zu schicken.“ Laura schüttelte seufzend den Kopf und musterte Bennis Gesicht, so weit sie imstande war unter ihren Tränen etwas zu erkennen. Denn in ihrem Kopf hatte sie den Benni vor etwa einer Woche, der behauptet hatte sich Sorgen zu machen wäre eine Schwäche. Ob Carsten Recht hatte? Eigentlich schon, Carsten hatte immerhin immer Recht. Immer noch weinend setzte sich Laura an die Bettkante. „Sie kommen nicht mehr rechtzeitig.“, murmelte sie. Ariane stand auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Du sollst doch nicht so pessimistisch sein! Sie könnten jede Sekunde hier auftauchen!“ Kaum war Arianes letztes Wort verklungen, wurde die Tür aufgerissen und Eagle trat nach Luft schnappend ein, beziehungsweise stolperte über die Türschwelle. „Wo kommst du denn her?“, fragte Carsten verwundert seinen Halbbruder, der sich kraftlos gegen die weiße Tapete lehnte und Carsten eine Hand entgegenhielt. „Frag nicht, Idiot. Nimm einfach.“ Als Eagle seine Hand öffnete, kam Laura trotz ihres verheulten Gesichts aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Feuerblume machte ihrem Namen alle Ehre, mit den flammenförmigen, tiefroten Blütenblättern. Carsten sah ihn erstaunt an, nahm aber ohne zu zögern die Blume und machte sich sofort an die Arbeit. Laura musterte Eagle genauer. Auch wenn sie ihn nicht ausstehen konnte, Eagle schien noch rechtzeitig gekommen zu sein und wirkte auch noch so, als wäre er den Weg von Ivory nach Indigo gerannt, oder wie auch immer er das angestellt hatte. Kurz erwiderte er ihren Blick, allerdings wandte sich Laura schnell ab. Hatte er sie da tatsächlich angelächelt? Nein, ganz sicher nicht. „Warum misst du das alles überhaupt ab?“, fragte Ariane neugierig, die Carsten bei seiner Arbeit beobachtete. Hatte Laura durch ihre Heulerei in letzter Zeit Sehstörungen bekommen, oder warum schien Carsten irgendwie nervös? Oh Gott, werd' ich langsam verrückt?!? Aber Carsten schien sich tatsächlich krampfhaft auf seine Mixtur zu konzentrieren, als er antwortete: „Weil auch die Feuerblume giftig ist. Bei der richtigen Menge hebt sie das Eisblumengift auf, aber wenn es zu viel ist, vergiftet sie den Körper auf ihre Art.“ Nein, Laura bildete sich das nicht ein. Er wirkte irgendwie nervös. Trotzdem bekam er das Gegengift nach wenigen Minuten fertig. „Jetzt muss Benni es nur noch trinken!“, rief Laura begeistert. Benni war gerettet! „Wenn wir es ihm direkt ins Blut spritzen wirkt es aber schneller.“, meinte Carsten nur und nahm eine dieser Arztspritzen, vor denen Laura am liebsten immer Reißaus nehmen würde. Waren so lange Nadeln wirklich notwendig?!? „Uff, na toll.“, meinte Ariane, mit derselben ironischen Begeisterung, die Laura verspürte. Doch im Gegensatz zu Ariane sah Laura zu, als ihr bester Freund seinem besten Freund das Gegengift direkt in eine Ader spritzte. Schaudernd wandte sie sich schließlich doch ab. „Und?“, fragte sie erwartungsvoll und musterte Benni erst dann wieder, als sie sich ganz sicher war, dass Carsten sein Piekswerkzeug Saya gab, die eben in das Zimmer gekommen war. Saya trug ihren weißen Kittel, sie schien also direkt von dem Krankenhaus der Indigoner gekommen zu sein, das sie leitete. Aufmunternd lächelte sie Laura an. „Lass das Gegengift doch erst einmal wirken.“ Laura konnte nur hoffen, dass Carstens Finger nicht allzu sehr gezittert hatten und er deshalb zu viel oder zu wenig von der Feuerblume benutzt hatte. Sie fragte sich immer noch, warum er so nervös war. Garantiert nicht wegen des Gifts der Feuerblume. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)