Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 103: Aufbruch --------------------- Aufbruch       Verwirrt schaute Laura zwischen Florian und dem rothaarigen Mädchen namens Ria hin und her, die sich ganz eindeutig kannten. „Und ähm… wer seid ihr?“, wagte sie schließlich die neuen Bekannten zu fragen. Ria verdrehte die Augen. „Habe ich das nicht gerade gesagt? Oder hast du geschlafen?“ Beschämt senkte Laura den Blick, direkt eingeschüchtert. Belustigt schüttelte Konrad den Kopf. „Die drei sind gekommen, um uns etwas unter die Arme zu greifen.“ „Inwiefern?“ Kritisch hob Anne eine Augenbraue. Dieses Mal meldete sich das blauhaarige Mädchen Tatjana zu Wort. „Na im Kampf gegen den Dämon. Außer ihr wollt das Unterweltschloss auf eigene Faust stürmen, da werden wir euch natürlich nicht aufhalten.“ „Ihr seid also unsere Unterstützung?“, fragte Susanne. Sie schien genauso wenig wie die anderen zu glauben, dass drei Leute mehr etwas an der Situation würden ändern können. Die Verwirrung vieler amüsierte Florian und die Gäste wohl ein bisschen. Doch zumindest war der Elb so freundlich, ihnen die Umstände genauer zu erklären: „Die drei gehören zu einer Art Bürgerwehr des zerstörten Gebiets. Diese Kreaturen, von denen Jack erzählt hat. Solche zu bekämpfen ist für sie in gewisser Hinsicht Alltag.“ Jetzt wurde Laura klar, warum die drei alleine tatsächlich eine Unterstützung waren. Das war ja schon fast eine Drei-Mann-Armee! „Ihr kämpft täglich gegen solche Grusel-Monster?!“, fragte Johannes ungläubig und beeindruckt zugleich. „Eher nächtlich.“, korrigierte Tatjana ihn amüsiert und zwinkerte dem Jungen zu, der ein staunendes „Woooooow!“ von sich gab. Laura beobachtete, wie sich die drei zum Rest an den Tisch setzten, neben Johannes und Kito. Wobei Ria fast schon automatisch wie eine Anführerin Eagle gegenüber am anderen Tischende platznahm. Laura stockte. Moment einmal, diese grünen Augen… Und eine Bürgerwehr im zerstörten Gebiet? Ria wie… wie Maria?! Während die beiden Kinder fragten, ob es tatsächlich stimmte, dass man bei einem Kratzer dieser Monster dem Tode geweiht war, kam Laura nicht drum herum immer mehr Ähnlichkeiten zu erkennen. Doch sie war bereits viel zu eingeschüchtert von diesem Mädchen, um ihre Gedanken aussprechen zu können. Jannik zum Glück eher weniger. „Entschuldige, sag mal Ria… Ist dein vollständiger Name…“ „Ria.“, meinte sie direkt. „Vollständiger geht nicht.“ Florian verstand, worauf Jannik ursprünglich hinauswollte. „Viele im zerstörten Gebiet sind Personen, die ins Exil flüchten mussten. Entsprechend legen die meisten von ihnen ihre alte Identität ab.“ Tatjana nickte und strich sich eine blaue Haarsträhne hinters Ohr. „Bitte versucht gar nicht erst, uns nach unserer Vergangenheit zu fragen. Wir alle haben unsere Gründe, warum wir sie hinter uns gelassen haben. Und auch, warum wir heute gekommen sind um euch zu helfen.“ „Das verstehen wir… Entschuldigt, dass…“ Tatjana winkte bei Susannes versuchter Entschuldigung ab. „Schon gut, ihr konntet es ja nicht wissen.“ Betreten senkte Laura den Kopf. Sie war wirklich neugierig, aber sie verstand auch, warum die drei gar nicht erst darauf angesprochen werden wollten. Und trotzdem… War sie es wirklich? War Ria tatsächlich die ehemalige Besitzerin des Roten Fuchses? Herr und Frau Bôss‘ Tochter?! Und was waren die Gründe von Tatjana und Amarth? Warum wollten sie sie im Kampf gegen Mars unterstützen? Nur, um die Welt vor dem sicheren Untergang zu bewahren? Florian erklärte ihnen derweil die Strategie, woraufhin Ria lächelte. „Wir gehen also einfach durch den Vordereingang rein? Mit dem Kopf durch die Wand? Gefällt mir.“ Der Elb seufzte. „War ja klar, dass du dem direkt zustimmen wirst.“ Er wandte sich an den Rest. „In Ordnung, fassen wir noch einmal alles zusammen. Jack wird uns mithilfe des Portalrings in die Unterwelt bringen. Wir betreten das Schloss durch die Vordertür, wobei wir dabei so wenig wie möglich Aufmerksamkeit auf uns ziehen sollten. Auf dem Weg zu Mars versuchen wir insbesondere größere Kämpfe zu vermeiden und lassen Ria, Tatjana und Amarth den Vortritt. Sollte jemand von uns doch in einen Kampf verwickelt werden, müssen wir darauf achten, dass wir keine Energie einsetzen. Ansonsten würde Mars unser Vorhaben sehr schnell durchschaut haben. Wenn wir ihn gefunden haben, was hoffentlich mithilfe von Jacks Tastsinnfähigkeiten recht schnell geschieht, nutzen wir aus, dass er sich nach wie vor in einem menschlichen Körper befindet und teleportieren uns mit ihm in die tiefste Schlucht der Unterwelt. Haltet euch dabei hauptsächlich an Susanne, Janine und Öznur. Konrad, Kito und ich passen auf, dass niemand zurückbleibt. Für den Notfall stehen auch Ria und Amarth zur Verfügung, wobei sie und Tatjana den Fokus eher auf die Rückendeckung legen sollten.“ „Und was ist mit Carsten?“, fragte Laura verwirrt. „Er ist von den Magiern am besten dazu geeignet, Mars selbst zu teleportieren.“, antwortete Florian. Bedrückt bemerkte Laura, wie Carsten daraufhin den Blick senkte. Doch etwas dagegen sagen konnte er nicht. „Das ist doch lebensmüde!“, rief plötzlich Ariane aus. „Selbst wenn Carsten ein bisschen Kampfsport-Erfahrung hat, ist das immer noch Bennis Körper! Und es ist doch eindeutig, dass Mars seine Kampffähigkeiten übernommen hat!“ „Da hast du recht, aber diese Gefahr besteht für jeden Magier.“, erinnerte Konrad sie an die Schwächen der Magier im Nahkampf. „Florian oder ich stehen nicht besser da und Kito ist als Dryade zwar Magierin und Kampfkünstlerin aber…“ „Ich kann das.“, sagte Kito plötzlich. „Was?“ „Ihr sprecht von dem Jungen mit dem roten Auge, liege ich wahr?“ „Richtig.“, antwortete Eagle, wobei es auch ein Korrektur-Versuch sein könnte. „Ich kann ihn in die Schlucht der Erinnerung teleportieren.“ Überrascht betrachtete Laura das Dryaden-Mädchen. Kito wirkte so süß, klein und hilflos, sodass sie ihr diese Aktion automatisch ausreden wollte. Und doch brachte der entschlossene, zuversichtliche Blick in diesen heterochromen Augen sie ins Wanken. Ebenso den Rest. Florian warf einen prüfenden Blick auf Carsten, dessen Ausdruck das genaue Gegenteil von Kitos war. Schließlich seufzte er. „Dass Carsten derjenige ist, der in Aktion tritt, könnte Mars vermutlich sogar erwarten. Kito hat da wohl eher das Überraschungsmoment auf ihrer Seite… In Ordnung. Wenn du meinst, du schaffst das… Aber wir haben nur den einen Versuch.“ „Wir haben doch immer nur einen einzigen Versuch.“, meinte Laura betrübt. Zumindest Kito schien sich über ihre Aufgabe zu freuen, so begeistert wie sie rief: „Mini-Hulk Angriff!“ Das erheiterte die Stimmung immerhin ein bisschen. Florian ließ jedoch nicht zu, dass sie wieder abschweifen konnten. „Nun gut. Sobald wir es in der tiefsten Schlucht geschafft haben, dass sich Mars etwa in der Mitte des Raumes befindet, sorgen Laura und Ariane dafür, dass er aus dem inneren Ring nicht mehr herauskommt. Am sinnvollsten wäre es, wenn Carsten den finalen Part des Kampfes alleine ausführt, sodass der Rest bereits auf seinem Platz steht und das Ritual direkt begonnen werden kann, wenn Carsten Benni befreit hat. Konrad wird sich also darum kümmern, dass ihr euren Standpunkt findet. Habt ihr das verstanden?“ Automatisch nickte Laura, kam aber nicht drum herum, sich wie ein dummes, kleines Kind zu fühlen, dem man jeden Schritt bis ins kleinste Detail erklären musste. Sie wusste, dass Florian das nicht so meinte. Immerhin durften sie sich ja wirklich keine Fehler erlauben. Aber so, wie mal wieder alles über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde… Sie kam sich tatsächlich so vor, als würde der Elb ihnen nichts von alldem zutrauen. Entscheidungen treffen am aller wenigsten. „Oh, und noch etwas.“ Florian schaute in die Runde, ein warnender Unterton lag in seiner Stimme, als er sagte: „Eigentlich ist es klar aber ich möchte es trotzdem noch einmal erwähnen. Das wichtigste von allem. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir auf unerwartete Gegner treffen oder uns gar in ungeplanten Situationen wiederfinden. Bleibt zusammen. Egal was passiert.“ Bedrückt kaute Laura auf der Unterlippe herum. Sie verstand, worauf er hinauswollte. Einzeln hätte Mars ein sehr leichtes Spiel mit ihnen und würde aus egal welchem Grund auch nur eine einzige Person für das Ritual fehlen, wäre alles vorbei. Sie hätten direkt verloren. Aber… Irgendwie glaubte Laura nicht, dass es so einfach war diese Anweisung zu befolgen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen versuchte sie sich den Pessimismus aus dem Kopf zu schütteln. Doch ohne Erfolg. Plötzlich richtete sich Eagle auf. „Auf jetzt, wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren.“ Dem stimmten auch Konrad und einige andere zu. Seufzend betrachtete sie den Essensrest auf ihrem Teller. Viel runterbekommen hatte Laura nicht, dafür war die Nervosität zu groß. Auch der Rest hatte nicht so zugeschlagen wie sonst und Carstens Teller schien noch nicht einmal benutzt worden zu sein. Laura schüttelte erneut den Kopf und versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass er die gesamten letzten Wochen extrem wenig gegessen hatte. Oder eher Monate. Genaugenommen, seit Benni sie hatte verlassen müssen… Sie atmete tief durch und richtete den Gürtel ihres Rockes, an dem der Fächer hing. Jene Dämonenwaffe, die sie von Benni zu ihrem Geburtstag bekommen hatte. Ein Tag, der inzwischen so lange her wirkte, fast schon so als wäre er ein Traum. Ein Traum, dessen Erinnerungen allmählich verblassten. Mit einem unwohlen Gefühl im Magen nahm sie Bennis Samuraischwert, welches sie seit dem Kampf gegen Mars mit sich rum trug und folgte dem Rest in den Flur. „Hier, die wirst du vermutlich brauchen.“ Überrascht beobachtete Laura, wie Konrad Jack zurückhielt, um ihm die Armschiene mit den Metallklauen zu reichen. „Und ich dachte schon, ich seh‘ sie nie wieder.“, kommentierte Jack lediglich und schnallte sie sich an den rechten Arm. Offensichtlich hatte der Rest nach wie vor so wenig Vertrauen in ihn, dass man dem Vampir Jacks Hauptwaffe zur Aufbewahrung gegeben hatte. Fast so, als würde ihn noch nicht jeder als Teil ihrer Gruppe anerkennen. Irgendwie war das traurig… Im Flur erregte eine Stimme aus dem Wohnzimmer ihre Aufmerksamkeit. Neugierig linste Laura um die Ecke. Öznur tat es ihr gleich, als Eagle an den Mädchen vorbeiging und den Raum betrat. Sakura saß auf der Couch, ein Kissen an sich gedrückt und schien die Nachrichten oder so etwas ähnliches zu schauen. „Seit wann interessierst du dich denn für sowas?“, fragte Eagle seine kleine Halbschwester. Irgendwie war Laura direkt zu Tränen gerührt, als sie beobachtete wie Eagle Sakura über die Sofalehne von hinten umarmte und ihr einen Kuss auf den Scheitel gab. Sie hatte ihn so gut wie nie mit seiner Schwester interagieren gesehen und diese liebevolle Zuneigung erinnerte sie automatisch an Luciano, was ihr das Herz schwer werden ließ. „Die bezeichnen euch dort als Monster…“, meinte Sakura bedrückt, woraufhin Eagle seinen Griff um ihre Schultern verstärkte. „Wer?“ „Die Menschen.“ In dem Moment wechselte das Bild und Liveaufnahmen eines Protestmarsches wurden gezeigt. Laura schauderte, als sie die Plakate sah, auf denen Sachen wie ‚Tötet die Dämonen‘ oder ‚Zu viele mussten sterben“ standen, während der Nachrichtensprecher berichtete: „Die Polizei versucht weiterhin die Demonstration aufzulösen, doch bislang ohne Erfolg. Aufgrund jüngster Ausschreitungen wurde nun der Einsatz von Wasserwerfern angekündigt. Wir schalten zu unserer Korrespondentin in Kara, wo nach wie vor auch noch Verunglückte des Tsunami geborgen werden. Frau Freijedo, gibt es inzwischen eine Erklärung für dieses gewaltvolle Vorgehen der Polizei?“ Eine schwarzhaarige Dame tauchte auf, die Karas Oberbürgermeister zu interviewen begann. Anne verschränkte die Arme vor der Brust. „Schöne Scheiße. In nicht mal mehr einer Stunde geht die Sonne unter und die Deppen demonstrieren gegen uns. Wenn Mars das nicht für sich ausnutzt fress‘ ich ‘nen Besen.“ „In Kara selbst dürfte zumindest kein Spalt sein.“, meinte Jack. „Aber wenn die Armee der Allianz es nicht schafft die Unterweltler aufzuhalten, gibt’s wohl ein Festmahl.“ Allem Anschein nach gab es auch in den anderen Regionen Proteste, in denen Mars für ‚Naturkatastrophen‘ gesorgt hatte. Je mehr dieser Schilder Laura sah, je mehr hasserfüllte Rufe sie hörte, umso übler wurde ihr. Im Prinzip riefen diese Leute dazu auf, dass man sie umbringen solle, ihre ganze Gruppe. Einfach nur, weil sie die vermeintlichen Schuldigen für diese Unglücke waren… „Es ist alles ihre Schuld! Den Dämonen ist es doch egal, was mit uns passiert! Für die sind wir Menschen nichts weiter als Spielfiguren, die man wegwerfen kann, wenn sie zu langweilig werden!“ Laura blieb der Atem weg. Die junge Frau die nun in Monde interviewt wurde… „Was sagen Sie zu der Meinung, dass man den Dämonenbesitzern nicht schaden sollte, da sie trotz allem noch Menschen sind?“, fragte die Reporterin und hielt ihr das Mikrofon wieder entgegen. „Was soll ich davon halten?!“, erzürnte sie sich. „Die Dämonen haben meinen Vater umgebracht! Sie haben nichts getan, um all das zu verhindern! Wegen ihnen mussten schon so viele Menschen sterben! Warum haben wir sonst die Todesstrafe, wenn nicht gerade für solche Fälle?!“ Laura stand wie angewurzelt da, nur noch ein schwaches Zittern war möglich. Sie konnte nichts gegen die Tränen machen, die ihr in die Augen stiegen. War das wirklich… warum… „Ich weiß, wer diese Leute sind. Ich kenne sie!“, rief Rebecca aufgebracht. Sie blickte in die Kamera, genauso wie bei Laura rannen auch über ihre Wangen Tränen. Doch es waren Tränen aus Hass. „Ich hatte ihnen vertraut! Ich hatte geglaubt, dass sie es schaffen, dass sie wirklich nicht so sind, wie die Dämonenjäger es uns weismachen wollten. Ich wollte es glauben! Aber es ist falsch. Das sind-“ Mit einem Schlag brach der Ton ab, gleichzeitig wurde der Bildschirm schwarz. Eagle legte die Fernbedienung zur Seite und wandte sich an den Rest, der sich inzwischen komplett im Wohnzimmer versammelt hatte. Als Carsten Laura vorsichtig in den Arm nahm, konnte sie ihre Tränen überhaupt nicht mehr zurückhalten. Warum Rebecca?! Wieso dachte sie auf einmal so schlecht über sie und die anderen?! Sie kannte sie doch! Sie wusste doch, was in Wahrheit vor sich ging!!! „Warum?!?“, schrie Laura schluchzend und vergrub ihr Gesicht in Carstens Brust, der seinen Griff noch mehr verstärkte. Ria seufzte. „So viele Jahre und doch scheint sich nichts verändert zu haben.“ Laura bekam gar nicht mit, wie Tatjana einen Arm um die Taille ihrer Freundin legte. Zu sehr hallten Rebeccas Worte in ihrem Herzen nach. Auch, wenn sie auf dem Papier eigentlich nur Lauras Kindermädchen gewesen ist, für Laura selbst war sie viel mehr. Gerade nach Lucias und Lucianos Tod hatte sie in ihr eine große Schwester gesehen. Jemand, mit dem man über alles reden konnte. Die alle ihre Sorgen und Geheimnisse kannte. War sie das immer noch? War das immer noch die Rebecca von damals?! „Wir müssen uns beeilen, bevor noch mehr Unschuldige ihr Leben lassen.“, meinte Susanne drängend, doch zu viele von ihnen zögerten. „Warum sollten wir für jemanden kämpfen, der uns am liebsten tot sehen will?“, fragte Öznur bedrückt. „Wir dürfen uns davon nicht aufhalten lassen!“, rief Janine, ungewohnt selbstsicher für ihre sonst so schüchterne Art. „Mars will doch, dass wir genau das denken! Dass wir mehr und mehr ins Schwanken geraten, bis es schließlich zu spät ist!“ Lissi biss die Zähne zusammen. „Und leider gelingt ihm das ziemlich gut.“ „Also wenn wir jetzt nicht losgehen, war’s das mit dem Überraschungsangriff für heute.“, sagte Jack trocken und wandte sich vom Fernseher ab. Als er an Laura vorbeikam, die immer noch von Carsten im Arm gehalten wurde, klopfte er ihr auf die Schulter. „Vielleicht sollte euch das Schicksal von Damon und dem Rest dieser beschissenen Welt auch mal egal sein. Es gibt Wichtigeres, für das man kämpfen sollte.“ Ein plötzliches Klingeln ließ Laura aufblicken. Irritiert holte Jack sein Smartphone aus der Hosentasche, sein Blick zeigte absolute Verwirrung als er abhob und sich meldete mit: „What the fuck?“ „Wie weit seid ihr?“, konnte man vom anderen Ende der Leitung hören, als Jack den Anruf auf Lautsprecher stellte. Ungläubig blinzelte Laura noch mehr Tränen weg, als sie meinte die Stimme zu erkennen. „B-Benni?“, fragte sie schwach, fast schon flüsternd. „Wir haben nicht viel Zeit, also wie weit seid ihr mit dem Bann?“, wiederholte der Anrufer seine Frage. Das war Bennis Stimme, ohne Zweifel! Aber wieso? Wie war das möglich?! Carsten klang genauso fassungslos wie Laura. „… Der Bann? Der-“ „Geht dich nichts an.“, unterbrach Anne ihn plötzlich schroff. „Woher wissen wir, dass das nicht schon wieder ein Spiel von Mars ist?“ „Stimmt, das könnte nur ein Trick sein.“, bemerkte Eagle. „Konntest du Mars entkommen? Wie?“, fragte Ariane neugierig und fasziniert zugleich. Benni seufzte. „Das erkläre ich euch später. Mars‘ Armee scheint sich auf einen Angriff vorzubereiten, einen deutlich größeren als jenen auf die Coeur-Academy.“ „Woher willst du das wissen?“ Anne blieb weiterhin kritisch. Am anderen Ende der Leitung meinte Laura einige Leute kichern zu hören. Anscheinend waren auch andere Personen anwesend, die so wie sie das Gespräch mitverfolgten. Was die Verwirrung nicht gerade minderte. Jack seufzte. „Okay, kürzen wir die Sache ab. Woher wissen wir, dass du der echte Benni bist?“ „Du siehst die Nummer. Mars weiß nicht, dass ich ein Handy besitze.“ Laura betrachtete Jacks Smartphone verwirrt. „Du hast ein Handy?“ Das hatte noch nicht einmal sie gewusst. „Mars könnte es gefunden haben.“, erwiderte Jack. Zumindest ließ er sich nicht so leicht überzeugen. „Warum besitzt du überhaupt eins?“, hakte Konrad nach, der genauso irritiert klang wie Laura. „Damit Carsten mich aus dem FESJ direkt erreichen konnte.“, antwortete er. Alle fragenden Augen richteten sich auf Carsten, der neben Jack als einziger nicht überrascht schien, dass Benni sie mit einem Handy anrief. Tatsächlich formten sich seine Lippen zu einem schwachen Lächeln als er nickte. Laura biss sich auf die zitternde Unterlippe, um das Schluchzen zu unterdrücken. Ihr Herz fühlte sich schmerzhaft zusammengequetscht und gleichzeitig federleicht an. Es war also tatsächlich Benni?! Das war keine Einbildung? Kein Traum?! Er war es wirklich?! „Sorry, aber so herzerwärmend das ganze auch klingt, sowas hätte sich Mars auch zurechtraten können.“ Anne war wohl immer noch nicht überzeugt. „Warum kannst du ihm nicht einfach glauben?!“, fragte Laura. Das war Benni, ohne Zweifel! Dafür würde sie ihre Hand ins Feuer legen. Aber auch Florian schien dieser Beweis nicht genug. Er warf einen prüfenden Blick in die Runde als hoffte er, jemand könne Benni tatsächlich etwas fragen, was nur der echte Benni beantworten konnte. Doch Laura regte sich viel zu sehr darüber auf, dass sie ihm nach wie vor nicht glaubten, um sich darüber auch noch Gedanken machen zu können. Carsten schaute kurz zu Eagle, was ihn wohl auf eine Idee brachte. „Wer ist mein Kindheitsheld?“ „Hä?!“ Der Rest gaffte ihn einfach nur fassungslos an, was in Carsten vermutlich direkt das Bedürfnis auslöste, im Boden zu versinken. Aber tatsächlich musste sich Laura eingestehen, dass sie es nicht sicher würde beantworten können. Eagle hatte wohl auch nur Vermutungen. „Saya oder einer der anderen Ärzte aus dem Krankenhaus hätte ich gesagt. Dieser Hotah vielleicht.“ „Sailor Moon.“, schlug Anne spöttisch vor. „Luffy aus One Piece.“, antwortete Benni schließlich und klang so nebensächlich als wäre das doch jedem klar. „Könnt ihr nun meine Fragen beantworten?“ „Echt?!“, rief Laura überrascht aus. „Ich hätte wenn überhaupt Choppa vermutet, da er der Arzt ist!“ „Du magst One Piece?“, fragte Jack belustigt. „Ihr wolltet einen Beweis, da habt ihr ihn.“, meinte Carsten nur. Jack konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, doch schließlich kehrte er zum eigentlichen Thema zurück. „Hey Benni, wie sieht es an sich im Unterweltschloss aus? Ich wollte Papa-Oberbösewicht meine neuen Freunde vorstellen, aber die haben ein bisschen Angst vor den Unterweltlern und dem Kantinenfraß.“ Laura unterdrückte ein Kichern, als Jack auf seine Art mitteilte, dass sie eigentlich vorhatten das Schloss zu stürmen. Auch Benni wirkte leicht amüsiert. „Ob sich etwas gegen die Kantine machen lässt weiß ich nicht, aber ein paar Stimmen haben mir versichert, dass sie die Unterweltler auch nicht leiden können.“ … Wer ist das und was hat er mit Benni gemacht? Direkt zweifelte Laura wieder daran, ob das tatsächlich der ‚echte Benni‘ war. Sie wusste, dass er seine witzige, sarkastische Seite hatte. Aber das kam jetzt doch zu plötzlich. Und was für Stimmen?! Jack lachte auf. „Alles klar, dann treiben deine Stimmen zumindest auch mal jemand anderes in den Wahnsinn. Bis nachher.“ Da von Benni nichts mehr kam, legte Jack schließlich auf. Der Rest betrachtete ihn fassungslos. „Du hast dem gerade nicht ernsthaft unseren Plan verraten, oder?“, fragte Anne ungläubig. „Das war nicht Mars. Das war Benni, ganz sicher.“ Anne zeigte ihm den Vogel. „Du telefonierst mit jemandem, der mit Technik nichts anfangen kann und willst uns dann weismachen, dass das tatsächlich dieser jemand ist?!“ „Hey, auch Benni kann ein paar Knöpfchen drücken.“ Jack zwinkerte ihr zu und machte Anstalten das Haus zu verlassen. „Wir sollten uns beeilen, die Stimmen werden vermutlich schon bald für genug Ablenkung und Chaos sorgen.“ „Was sind das für Stimmen?“, fragte Laura neugierig, folgte ihm aber direkt. „Die waren der eigentliche Grund, weshalb wir am Ende in dieser Scheiße gelandet sind. Also haben sie jetzt gefälligst was wieder gut zu machen.“, erklärte er. „Was auch immer das für Leute sind, sie schienen hinter der riesigen Tür gewesen zu sein. Vermutlich hat Benni sie rausgeholt.“ „Dieses gewaltige Tor in der Schlucht?“, hakte Jannik nach. Jack nickte. Auch der Rest verließ das Haus, aus den Augenwinkeln bekam Laura mit, wie Eagle Sakura noch einmal zum Abschied fest an sich drückte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Niemand konnte sagen, ob sie tatsächlich Erfolg haben würden. Und es gab keine Garantie, ob sie es auch wirklich alle überlebten… Auch die anderen schienen etwas Derartiges zu denken. Jeder, wirklich jeder hielt noch einmal inne, um in die Gruppe zu schauen. Sandte ein stilles Gebet aus, dass es nicht der letzte Sonnenuntergang war, den sie gemeinsam betrachten würden. Es wirkte fast schon unwirklich als der Edelstein aufleuchtete und Jack das Portal in die Unterwelt erschuf. Orange und schwarz loderte es vor der untergehenden Sonne wie eine Sonnenfinsternis. Oder mehr noch, wie der Weltuntergang. Ein paar Schritte, mehr brauchte es nicht, um dieses Portal zu passieren. Doch sie wussten, wenn sie einmal durchgehen würden, dann gäbe es keinen Weg zurück mehr. Dann hieß es ganz oder gar nicht. Automatisch wich Laura einen Schritt zurück und wünschte sich, ihren Eltern zumindest noch eine letzte Nachricht hinterlassen zu haben. Ihnen mitgeteilt zu haben, wie lieb sie sie eigentlich hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie in Zukunft noch so eine Gelegenheit bekommen würde. Während sie überlegte, ihnen zumindest eine SMS zu schicken, ging Jack bereits durch das Portal und wurde von der Dunkelheit verschluckt. Florian, Konrad und die drei Gäste folgten ihm, genauso wie Anne und Janine nach einem kurzen Zögern. Johannes und Kito betrachteten das wohl eher als Abenteuerausflug, so wie sie hineinrannten. Aber auch Lissi atmete nur einmal tief durch, ehe sie grinsend die Hand ihrer alles andere als entspannten Zwillingsschwester nahm und gemeinsam mit ihr das Portal durchschritt. Noch während Laura den beiden zögernd mit Jannik folgte, bekam sie mit, wie sich Öznur deutlich verängstigt an Eagle klammerte. Wie jedoch Carsten und Ariane automatisch die Hand des jeweils anderen ergriffen, um sich gegenseitig Mut zuzusprechen, blieb vor aller Augen verborgen.   Laura brauchte einen Moment, um sich daran zu gewöhnen, dass es nicht mehr die Sonne war, die ihnen Licht spendete. Jack seufzte derweil wehmütig und streckte sich. „Home, sweet home.“ „Du hast dort wirklich gewohnt?“, fragte Jannik, leicht von der Rolle. Auch Laura konnte sich so langsam umschauen und staunte nicht schlecht. Obwohl sie nirgendwo eine Lichtquelle entdecken konnte, war die Umgebung deutlich zu erkennen, die genaugenommen nur aus kargem Stein bestand. Spitze Felsen zierten die düstere Landschaft, deren Kanten messerscharf erschienen. Und doch wirkten sie nur wie kleine Stachel im Vergleich zu dem gewaltigen Schloss, was sich vor ihren Augen emporhob. Eine steinerne Brücke führte über eine Schlucht zu dem Gemäuer mit Türmen, was von der sonst so braun-grauen Landschaft mit rötlichen Farbtönen herausstach. Die Wände waren aus dunkelrotem Stein, die atemberaubenden Bogenfenster mit purpurnem Mosaik verziert. Laura musste sich eingestehen, dass Mars schon irgendwie Geschmack hatte. Die Bauten waren edel und elegant, vielleicht auch leicht protzig, aber zugleich genauso einschüchternd und bedrohlich. Nur die ganzen Phönix-artigen Verzierungen ließen ihn ziemlich selbstverliebt erscheinen. Doch zumindest konnte niemand bestreiten, dass es sich hier um das Unterweltschloss des Purpurnen Phönix handelte. Laura blinzelte. Jack hatte dort tatsächlich… gewohnt? „Warum nicht?“, erwiderte dieser und ging auf die Brücke zu, vor der ein Werwolf Wache schob. „Warte Jack, wir müssen mit Bedacht vorgehen.“, erinnerte Konrad ihn an ihre Mission. Doch Jack ließ sich nicht davon beirren. „Jetzt mach mal halblang. Ich wohne schon seit Jahren hier, warum sollte ich da plötzlich einbrechen müssen?“ Sprachlos beobachtete der Rest, wie er einfach so an dem Werwolf vorbeigehen wollte, welcher ihm jedoch wie erwartet den Weg versperrte. „Oh, hey Phil.“, grüßte Jack ihn und ging weiter, woraufhin ‚Phil‘ leicht skeptisch hinterherschaute. Jack wandte sich dem Rest zu, der ihn nur mit aufgeklapptem Kiefer anstarrte. „Kommt ihr jetzt?“ Sie schafften es nur schleppend, sich in Bewegung zu setzen. Laura kam diese ganze Situation viel zu seltsam vor, was das alles nur noch gruseliger machte. Und wie erwartet gab Phil ein bedrohliches Knurren von sich, als sie ihm zu nahe kamen. „Ihr habt hier nichts zu suchen.“ Einige wichen eingeschüchtert zurück, aber Jack klopfte dem Werwolf nach wie vor entspannt mit der linken Hand von hinten auf die Schulter. „Hey Phil, das sind Freunde von mir. Lass sie einfach durch.“ „Sie dürfen nicht hier sein.“ Mit einem tiefen Grollen betrachtete er die Menge. Doch viel unheimlicher war der kalte Blick in Jacks Augen und die tiefe, raue Stimme, als er bestimmt sagte: „Lass sie durch.“ Der Werwolf erwiderte nichts mehr darauf. Seufzend winkte Jack sie zu sich. „Los, kommt endlich.“ Zögernd folgten sie seiner Aufforderung. Als Laura an dem Werwolf vorbeikam, schaute sie vorsichtig zu ihm hoch. Sie bildete sich ein zu sehen wie seine Augen ihr folgten und obwohl er sich keinen Millimeter rührte, beschleunigte Laura ihren Schritt. Erst nach der ersten Hälfte der Brücke erlaubte sich ihr Herzschlag, wieder etwas ruhiger zu werden. „Bist du wahnsinnig? Er wird Alarm schlagen!“, zischte Anne Jack zu. „Wird er nicht.“ Erst als er die Metallklauen in seiner Armschiene verschwinden ließ erkannte Laura, was geschehen war. Verwirrt drehte sie sich um, doch sie konnte keine Spuren einer Verletzung erkennen. Auch der Rest schaute fassungslos zwischen Jack und dem von ihm ermordeten Werwolf hin und her. „Was- Wie-“, stammelte Susanne und hielt sich die Hand vor den Mund, als müsse sie einen Würgereiz unterdrücken. „Erd-Energie. Keine Sorge das war so wenig, dass Mars garantiert nichts gemerkt hat.“ Jack schien die entsetzten Blicke der anderen gar nicht wahrzunehmen. Laura wusste nicht, was ihr mehr Angst machte. Dass er im Prinzip vor ihren Augen jemanden umgebracht hatte oder wie normal und entspannt er direkt danach darüber redete. „U- und… wieso bleibt er einfach stehen?“, fragte sie, wagte es aber nicht sich noch einmal umzudrehen. „Nach dem Zwischenfall mit Carsten solltet ihr eigentlich wissen, wie das funktioniert.“, erwiderte er und öffnete lautlos das blutrote Eingangsportal. Zumindest war Laura durch Jacks Aktion so durcheinander, dass ihre Aufregung keine Chance hatte noch größer zu werden als sie ohnehin schon war, während sie alle gemeinsam in das gewaltige Schloss gingen. Staunend betrachtete Laura den langgezogenen Gang mit mehreren Abzweigungen. Ihr war, als würde sie ein Labyrinth betreten. Ein riesiges Steinlabyrinth, lediglich erhellt von flackernden Kerzen, die mit Halterungen an den Wänden befestigt waren. Trotz allem was vorgefallen war musste sich Laura eingestehen, dass sie durch Jack nun einen riesigen Vorteil hatten. Wenn es niemanden gäbe, der einst zu Mars‘ Gefolge gehört hätte… sie hätten sich hoffnungslos verlaufen. Unruhig schaute sich Laura um, während sie Jack in einen Gang nach dem nächsten folgten. Es war verdächtig still. Sie traute diesem Frieden nicht. Wie konnte es sein, dass sie bisher nur einer einzigen Wache über den Weg gelaufen waren? Wo waren die anderen Unterweltler? Oder liefen sie geradewegs in eine Falle? Andere schienen ähnlich zu denken. „Wo bringst du uns hin?“, fragte Eagle so leise wie nur möglich. „Keine Ahnung, was war nochmal der Plan? Hab nicht zugehört.“, erwiderte Jack spöttisch und ignorierte das Misstrauen in der Stimme des Häuptlings. Nach einigen Metern wies er die Gruppe plötzlich an stehen zu bleiben. Lauras Herz schlug ihr bis zum Hals. War irgendjemand in der Nähe? Oder irgendetwas?! Sie konnte nichts hören doch das war kein Grund, sich in Sicherheit zu wägen. Bei der nächstliegenden Abzweigung meinte sie Schatten zu erkennen. Schwarze Silhouetten, die mit dem Kerzenlicht tanzten. Oder war es nur eine Einbildung? Laura wusste es nicht. Sie rührte sich nicht, wartete zitternd auf irgendwelche Hinweise. Hoffte auf irgendwelche Anweisungen. Hauptsache nicht noch länger dieser Ungewissheit ausgesetzt sein. Sie konnte kaum atmen, so stickig wie die Luft mit einem Schlag wirkte. Und auch vom Rest ging eine Anspannung aus, die beinahe greifbar schien. Ariane rümpfte die Nase, als nahm sie mit ihrem verbesserten Geruchsinn etwas wahr, was dem Großteil von ihnen verborgen blieb. Laura wollte sie fragen, traute sich aber nicht. Sie wagte es nicht auch nur einen Laut von sich zu geben. Als Jack ihnen plötzlich mit einer Geste andeutete weiterzugehen, setzte sich Laura erst in Bewegung als sie Carstens Hand auf ihrem Rücken spürte. Verunsichert schaute sie zu ihm hoch, stolperte dabei über ihre eigenen Füße. Immerhin brachte diese tollpatschige Aktion Carsten zum Schmunzeln, was auch sie zumindest etwas beruhigen konnte. Nun traute sich keiner mehr, den Weg den Jack sie entlangführte infrage zu stellen. Oder zumindest seine Zweifel auszusprechen. Niemand wusste, wer oder was sie würde hören können… Wieder meinte Laura Schemen an der Wand zu erkennen. Erschrocken wich sie zurück, stolperte dabei in Anne. „Kannst du nicht aufpassen?!“, zischte diese ihr verärgert zu. Zitternd zeigte Laura auf die flackernde Dunkelheit einige Meter von ihnen entfernt und wisperte: „D-da- da ist was…“ Anne betrachtete die Stelle ausdruckslos, hob schließlich die Hand und führte eine Bewegung aus, die einem Winken glich. Ein Teil des Schattens reagierte, bewegte sich ebenfalls. Weiter hinten schien Konrad ein Kichern zu unterdrücken, als Anne Laura genervt nach vorne schob. Mit aufgeheizten Wangen stapfte Laura weiter. War ja klar, dass sie sich vor ihren eigenen Schatten fürchten würde. Wieso konnte sie nicht einmal nicht der tollpatschige Angsthase sein?! Plötzlich rannte sie in Janine rein, die abrupt stehen geblieben war. „Da war was…“ Also doch?! Verängstigt schaute sich Laura erneut um, ihr Herzschlag hatte sich kaum beruhigen können. Anne verdrehte die Augen. „Ja, das sind eure Nerven, die den Abgang machen. Und jetzt weiter.“ „Nein, wirklich…“ Da nun auch Konrad und Jack innehielten, wurde Laura noch mulmiger. Wenn ausgerechnet der Vampir und der mit einem Gefühl für die Umgebung etwas wahrzunehmen meinten… Aus den Augenwinkeln glaubte sie einen Schatten vorbeihuschen zu sehen. Lauras Atem wurde flacher. Auch der Rest begab sich in eine lauernde Haltung, als wieder eine schwarze Gestalt kurz in der Finsternis auftauchte. Wer war das? Was war das?! Erneut zischte etwas an ihnen vorbei, dieses Mal ganz dicht. Lauras Griff um das Schwert verspannte sich. So wie ihr Körper zitterte würde sie es niemals rechtzeitig genug ziehen können. Ihre Gedanken kreisten, ein Wirbelsturm der Furcht. Es war unmöglich, sich aus dieser Starre zu lösen, sich gegen diese lähmende Angst zu stellen. Am aller wenigsten als jemand rief: „Weg da!“ Im nächsten Moment tauchte eine schwarze Kugel vor ihren Augen auf. Kurz darauf blitzten die Sternchen, ein explosionsartiges Gefühl, als sie unerwartet gegen die Wand stieß. Benommen hielt sie sich den dröhnenden Kopf und bekam nur halb mit, wie plötzlich eine Flut an Zaubern an ihr vorbeirauschte. Der Schwindel wurde stärker, als jemand sie auf die Beine und aus der Schussbahn zerrte. Erst als sie mitbekam wie sie hinter Carsten gezogen wurde, realisierte Laura, dass diese Kampfkünstlerstärke zusammen mit der gefühlten Lichtgeschwindigkeit charakteristisch für Ariane war. Instinktiv hielt Carsten einen Arm vor die beiden Mädchen und versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, was oder wer das war. Die Angriffe hatten mehrere Kerzen gelöscht und Lauras Kopf pochte noch zu stark, dass sie selbst im Hellen nur verschwommen sah. Öznur schien die Ungewissheit nicht länger auszuhalten. „Wer ist da?!“ „Wer weiß?“, kam eine unverhoffte Antwort. „Wen wünscht ihr euch denn?“ Irritiert blinzelte Laura. Obwohl sich ihre Sicht wieder schärfte, hatte sie wohl nach wie vor irgendwelche Einbildungen. Ein junger Mann trat ins Licht, platinblonde Haare die im Kerzenflackern leicht orange wirkten. Gekleidet war er in schwarzer Jeans und T-Shirt. Das Gesicht, die Figur und auch Gestik und Mimik ließen keine Zweifel. Aber irgendwas… Ihr Gegenüber lächelte sanft. „Vermutlich einen alten Freund?“ Mars?! Sofort begab sich der Rest in Angriffsposition. Ein weiteres Mal würde dieser Trick nicht funktionieren. Dieses Mal waren sie bereit. Der Großteil zumindest. Laura blinzelte erneut, doch es schien tatsächlich keine Einbildung zu sein. Warum war das rechte Auge nicht blutrot? Das linke nicht so schwarz wie die Nacht? Warum waren sie ausgerechnet- „Ein Metamorpher.“, warf Kito plötzlich in den Raum. Der Rest schaute sie nur perplex und nicht zuletzt komplett verwirrt an. „Ein Meta-was?“, fragte Eagle. Andere warfen einen Blick auf Jack, der jedoch mit einem Kopfschütteln mitteilte, dass auch er keine Ahnung hatte wovon Kito sprach. Das Wesen, welches weder Benni noch Mars war, unterdrückte ein Lachen. „Wie? Ihr wisst nicht, was das ist?“ Da niemand etwas darauf zu antworten wusste, selbst Florian und Konrad nicht, begann Kito zu erklären: „Metamorpher gehören zur Abstammung von Dryaden und Menschen.“ „… Also Indigoner.“, folgerte Eagle. „Bei den Dämonen…“, murmelte dieser Metamorpher nur und schüttelte den Kopf. Er bedachte die Gruppe mit einem schiefen Lächeln und plötzlich, ohne jegliches Zutun, veränderte er sich. Noch während er auf sie zuging wuchs er um einige Zentimeter, gleichzeitig wurde der athletische Körperbau schmaler. Die Haare färbten sich schwarz, die Haut bekam den typischen Braunton der Indigoner. „Was soll das werden?“ Eagle richtete das Großschwert gegen seine Kehle, als er zu nahe zu kommen drohte. Doch die quer über die Nase verlaufenden Narben brachten auch ihn ins Stocken. „Was denn, willst du wirklich das Schwert gegen deinen eigenen kleinen Bruder erheben?“ Bei dem bekannten, liebevollen Lächeln waren nicht nur Eagle ganz plötzlich die Hände gebunden. Ungläubig schaute Laura zwischen dem Wesen was wie Carsten aussah und dem echten Carsten hin und her. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Und dieses Mal passte auch- Eine Explosion löste erneut ein schmerzhaftes Pochen in Lauras Kopf aus. Obwohl Carsten rechtzeitig reagierte und sie mit einer Magiebarriere schützte, drang ein Teil der Druckwelle zu ihnen hindurch. Erschrocken schaute Laura nach dem Rest. Zeitgleich mit Carsten hatten auch Amarth und Konrad reagiert und doch schienen einige zu Boden gestoßen worden zu sein. Ria startete als erste mit einem Gegenangriff. Noch während sie losrannte, ließ sie rotleuchtende Magieblitze auf ihren Gegner regnen. „Los, weiter!“, wies Florian den Rest an und zog Eagle auf die Beine, welcher nur knapp der vollen Stärke des Angriffs hatte ausweichen können. Laura jedoch hörte diesen Befehl gar nicht. Wie gefangen starrte sie zu diesem seltsamen Wesen, welches Rias Magie mit einer violetten Barriere blockte. Auch von dem Kugelhagel den Tatjana mit je einer Pistole pro Hand abfeuerte, ließ es sich nicht beirren. Ein Ruck fuhr durch ihren Körper, als sie an beiden Armen gepackt wurde. Offensichtlich hatten Carsten und Ariane gleichzeitig gemerkt, dass Laura ansonsten zurückbleiben würde. „Was ist das?!“, rief Eagle zu Kito, der durch den Zauber einige Prellungen abbekommen hatte. Während Jack sie um die nächste Ecke weg von der Schlacht lotste, erklärte das Dryaden-Mädchen ruhig: „Die Geschichte sprach, Metamorpher sind ein Stamm von Indigoner, die eine Einheit mit der Natur sind und ihre Gestalt mit Willensmacht verändern.“ „Gestaltwandler?“, folgerte Konrad erstaunt. „Es gibt sie wirklich?!“ „Hinter euch!“, erklang auf einmal Tatjanas Stimme. Sie feuerte noch einen Schuss ab aber der seltsame schwarze Schatten hatte sie bereits überholt. Ein Vogel, wie Laura nun erkannte. Schlitternd kamen sie zum Stehen als ihr Weg auch schon von einem violetten Magiefeuer versperrt wurde, kaum dass der Vogel wieder Menschengestalt angenommen hatte. Doch dieses Mal war es nicht das Aussehen von Carsten. Auch, wenn Laura es bei der Ähnlichkeit im ersten Moment glatt vermutet hätte. Nur das Geschlecht passte nicht und die Haare, die nun lange schwarze Locken waren. „Was soll der Scheiß?!“, rief Eagle, der seine und Carstens Mutter sofort erkannte. „Warum rennt ihr denn weg von mir?“, fragte dieser Metamorpher, Gestaltwandler oder wie auch immer man sonst solche Wesen nannte. „Ich wollte doch nur ein bisschen reden.“ „Du hast uns doch angegriffen!“, keifte Anne. „Was würdest du denn machen, wenn dir jemand ein Schwert an die Kehle hält?“, konterte sie, er, … es. Jack hatte wohl kein Problem, auf das Redeangebot einzugehen. „Wer bist du? Ich glaub ich hab dich nie zuvor hier gesehen.“ „Ich bin nie lange an einem Ort, im Gegensatz zu meinen armen Brüdern und Schwestern in Indigo.“ Das Lächeln wirkte schon fast traurig, als sie oder er erzählte: „Seit Jahrhunderten waren wir wie alle Indigoner Nomaden. Stolz auf unsere Freiheit. Unseren freien Willen. Dass sich einige unserer Brüder und Schwestern nach dem magischen Krieg in dieser Region haben einsperren lassen ist eine Schande. Wie wilde Tiere im Zoo. Sie verweichlichen, werden träge, schwach, …“ „Hör auf so einen Mist zu reden!“, rief Eagle verärgert. Der Blick des Gestaltwandlers in Form von Sisika wurde ernst. „Und der Häuptling unternimmt nichts dagegen. Er lässt das einfach mit seinem Volk machen, heißt es sogar für gut. Wie tief seid ihr nur gesunken.“ „Ich sagte halt die Fresse! Was weißt du schon?!“ Laura war sich ziemlich sicher, wenn der Gestaltwandler sich nicht ausgerechnet für das Aussehen seiner Mutter entschieden hätte, hätte Eagle ihm schon längst den Kopf abgeschlagen. Doch unter diesen Bedingungen… Der Gestaltwandler ging auf Carsten zu. „Ich weiß offensichtlich mehr als ihr. Viel mehr. Und das ist traurig. Es macht mich unsagbar traurig mit anzusehen, wie euer Volk meine Brüder und Schwestern in Käfige sperrt. Wie ihnen Halsbänder angelegt werden, nur, um aus ihnen gefügige kleine Haustiere zu machen.“ „‘Euer Volk‘? ‚Meine Brüder und Schwestern‘? Wovon redest du?!“ Öznur war ganz offensichtlich genauso verwirrt wie Laura und der gesamte Rest. Amüsiert blickte der Gestaltwandler in die Runde. „Ich rede davon, dass ich ihn befreien werde, meinen lieben Bruder. Er war lange genug euer Schoßhund.“ Laura hielt den Atem an, als ‚Sisika‘ die Hand nach Carsten ausstreckte. Dieser schien so überfordert mit der Situation, dass er gar nicht reagieren konnte. Falls es ihm überhaupt möglich war auch nur einen klaren Gedanken zu fassen… „Carsten!“, rief Laura seinen Namen und hoffte ihn so irgendwie zu erreichen. Aber nichts. „Lass ihn in Ruhe!“ Ohne darüber nachzudenken zog sie das Samuraischwert. Sie nahm wahr, wie Ariane Carsten am Arm packte und aus der Reichweite dieses Wesens zog. Dem es nicht zu gefallen schien, dass sich Laura direkt dazwischen stellte. Sie sah noch wie der Zauber seine Form annahm. Aber bevor ihre Reflexe sie schützen konnten, erinnerte sich Laura daran, dass sie ihre Finsternis-Energie nicht verwenden durfte. Angst breitete sich in ihr aus. Ein kurzes Gefühl, das sich in brennendem Schmerz verlor als der Zauber in Lauras Seite schlug. Die Luft entwich ihren Lungen, sie wurde von den Füßen gerissen. Ein schrilles Pfeifen ließ sie nicht hören wie Ariane und einige andere nach ihr riefen. Den Schmerz vom Aufprall nahm sie kaum wahr, so sehr betäubte der Angriff sie bereits. Laura sah schon eine weitere Magiekugel auf sich zukommen, als eine lila Barriere diese abfing. Gleichzeitig wurde der Gestaltwandler von rotschimmernden Ketten eingefangen, doch bevor Tatjana ihn mit ihren Kugeln durchlöchern konnte, war er bereits verschwunden. Die Ketten lösten sich auf, während sie zu Boden fielen. Nur noch einige schwarze und weiße Federn blieben zurück. Wo war er hin? Benommen versuchte sich Laura aufzurichten, was ihr ohne Arianes Hilfe jedoch nicht gelungen wäre. Taumelnd hielt sie sich an ihr fest und schaute sich um. Der Raum schwankte leicht. „Alles okay?“, hörte sie gedämpft Ariane fragen. Wie automatisiert nickte Laura, womit sich Ariane jedoch nicht zufriedengab. Carsten wohl genauso wenig, der zu den beiden rüber eilte und einen Heilzauber sprach. Für einen Moment wurde Laura noch schwummriger als ihr ohnehin schon war, im nächsten Augenblick ließ der Schmerz aber tatsächlich nach. Sie warf ihrem besten Freund ein schwaches, unbeholfenes Lächeln zu, der es bedrückt erwiderte und Laura an sich drückte. Offensichtlich erleichtert, dass es ihr ansonsten gut ging. „Verdammt, er ist garantiert los, um Mars zu warnen.“, zischte Anne und schaute sich weiter um, jedoch ohne Erfolg. Ebenso Susanne. „Und jetzt?“ „Erstmal weiter. Verhindern können wir es vermutlich ohnehin nicht mehr.“, meinte Konrad, was eine indirekte Aufforderung an Jack war. „Was sollte diese Aktion überhaupt?“, fragte Öznur irritiert. „Was meinte er damit, dass er Carsten befreien will? Ich dachte, er wollte uns einfach nur aufhalten.“ „Nicht zwingend.“, erwiderte Jack als sie sich in Bewegung setzten. „Viele schließen sich Mars an, weil sie eigene Ziele verfolgen und dafür seine Hilfe brauchen. Besonders was diejenigen aus der Oberwelt betrifft. Ich wollte Freiheit und ein möglichst normales Leben. Eure Chemie-Lehrerin Rache. Murs Diktator Macht. Lukas… ist einfach Lukas. Wer weiß, was ihn letztlich dazu geritten hat. Unser pseudo Chamäleon hat sicher auch seine Gründe und die haben allem Anschein nach mit Carsten zu tun.“ Laura warf einen beunruhigten Blick auf ihren besten Freund, ehe sie fragte: „Aber was hat es mit diesen Gestaltwandlern oder Metamorphern überhaupt auf sich?“ „Gestaltwandler können ihr Aussehen mit reiner Willenskraft verändern, im Gegensatz zu normalen Magiern, die dafür einen Zauber benötigen.“, erklärte Konrad und schaute sich erneut kritisch um, als könnte ihr Gegner doch noch in der Nähe sein. „Aber dass es sie wirklich gibt, hätte ich nicht gedacht.“ „Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass sie bisher nur in Legenden vorkamen. Durch ihre Fähigkeiten können sie sich ihrer Umgebung perfekt anpassen.“, sinnierte Florian. „Aber das scheinen ja trotzdem Indigoner zu sein.“, bemerkte Ariane verwirrt und schaute Carsten fragend an. Dieser fuhr sich durch den Ansatz der schwarzen, kinnlangen Haare. „Koja hatte mal erzählt, dass es Metamorph-Magie gibt. Aber das Wissen darüber sei schon lange verloren.“ „Offensichtlich nicht überall, wenn wir an unseren neuen Freund denken.“, stellte Konrad fest. „Es ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass es irgendwo noch Indigonerstämme gibt, wo diese Fähigkeiten nach wie vor gelehrt werden. Die Dryaden halten sich ja auch in Obakemori verborgen, womit niemand gerechnet hat.“ Eagle seufzte. „Stimmt schon, aber dafür hat der Typ ganz schön viel Drama gemacht. Woher nimmt der sich überhaupt das Recht, Carsten als ‚Schoßhund‘ zu bezeichnen?!“ Es war eindeutig, dass ihm dieser Kommentar über seinen kleinen Bruder überhaupt nicht passte. Und die Tatsache, dass der Typ Carsten ‚befreien‘ wollte war besonders unheimlich. „Kann es nicht sein, dass Cärstchen auch ein Gestaltwandler ist?“, warf Lissi überraschend in die Runde. Der Rest starrte sie fassungslos an. Carsten ein Gestaltwandler?! Doch ob sie wollte oder nicht, Laura verstand, wie Lissi auf diese Idee kommen konnte. Es war das Einzige, was in der Gestalt von Benni nicht gepasst hatte, aber bei dem Aussehen von Carsten und Sisika alles andere als fehl am Platz wirkte. „Die Augenfarbe…“ Eagle legte die Stirn in Falten. „Koja meinte zumindest mal, dass diese lilafarbenen Augen charakteristisch für Magier aus einem speziellen Indigonerstamm sind. Aber deswegen direkt auf Gestaltwandler zu schließen ist ziemlich weit hergeholt.“ „Wirklich?“ Herausfordernd schaute Lissi ihn an und versperrte schließlich Carsten den Weg. Irritiert blieb auch der Rest stehen und beobachtete, wie sie die Hände in die Hüften stemmte. „Sag mal Cärstchen, als du die Verbrennungen von dem Ritual vor uns versteckt hattest, was für ein Zauber war das?“ „Ähm…“ Tatsächlich brachte ihre Frage ihn ins Stocken. Was ziemlich verwirrend war, immerhin musste er ja irgendetwas gemacht haben, um sie vor sich selbst und dem Rest zu verbergen. Irgendein Spruch, eine Geste, irgendwas. Laura betrachtete ihn verwirrt. „Als Kind hast du doch häufig bunte Haare gehabt, welcher Zauber war das denn gewesen? Oder wenn wir in Zukiyonaka herumgelaufen sind, da hattest du dich ja immer so unwohl unter den Blicken der Leute gefühlt, dass du dir eine helle Haut gezaubert hast, um nicht so aufzufallen.“ „Ich… ich weiß nicht, was für ein Zauber das ist.“, gestand Carsten schließlich, absolut verunsichert. „Ich hatte es mir einfach vorgestellt.“ „Vorgestellt? Wie meinst du das?“, fragte Konrad irritiert. „Na ja… Ich wünsche mir zum Beispiel blaue Haare zu haben, und dann habe ich sie. Vermutlich so ähnlich, wie ihr auch eure Energie einsetzt.“ Bei den erstaunten Blicken fragte Carsten kleinlaut: „Ist das nicht normal?“ Die anderen Magier schüttelten den Kopf. Janine strich sich eine Strähne hinters Ohr. „Ich hatte mir damals schwarze Haare und braune Augen gezaubert, als ich über Murs Grenze kommen wollte. Sodass man nicht weiß, wer ich wirklich bin, falls irgendetwas schief geht. Aber das war ein Zauberspruch gewesen. Ich habe nie davon gehört, dass so etwas mit Vorstellungskraft alleine gehen könnte.“ Es war nicht zu übersehen, wie diese Erkenntnis Carsten selbst am härtesten traf. Er hatte diese Fähigkeiten als selbstverständlich wahrgenommen. Hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, dass sie etwas Besonderes sein könnten. „Kannst du dein komplettes Aussehen so verändern?“, erkundigte sich Susanne. Mit einem Zögern und immer verunsicherter schüttelte Carsten den Kopf. „Ich… Nur so Sachen wie Haut- und Haarfarbe. Oder Verletzungen… Aber die Narben des Schwarzen Löwen oder das Mal des Schwarzmagiers lassen sich verbergen.“ „Und die Augenfarbe?“, fragte Laura und berührte vorsichtig seinen Arm, da sie bereits ahnte, welche Antwort sie bekommen würde. Somit spürte sie das Zittern unter ihren Fingern, als Carsten schließlich den Kopf schüttelte. „Dann wissen wir jetzt zumindest, warum dieser Typ so versessen von Carsten zu sein scheint.“, meinte Anne nur, als Jack plötzlich einen Fluch ausstieß. „Hinter euch!“ Erschrocken drehte sich Laura um. Sie erhaschte gerade so einen Blick auf etwas, als es auch schon wieder verschwand bevor einer von Arianes Dolchen ihr Ziel erreichen konnte. „Geräusche und Gerüche mit Magie zu manipulieren ist zwar ein Kinderspiel, aber dein Tastsinn ist ausgesprochen lästig.“ Wieder fuhr Laura herum, als sie eine unbekannte, weibliche Stimme hörte. Zeitgleich mit Jack erstarrte sie. Es war eine hübsche Frau mit kupferroten Locken, deren Nase und Wangen von leichten Sommersprossen geziert wurden. Trotz der verräterischen violetten Augenfarbe wusste Laura instinktiv, dass sie eigentlich grasgrün sein müsste. „Arschloch.“ Jack biss die Zähne zusammen. Und schlug wider Erwarten zu. Überraschung zeichnete sich auf ihrer aller Gesichter ab, als der Gestaltwandler sich nicht rechtzeitig schützen konnte und gegen die nächstliegende Wand krachte, die sogar leichte Risse bekam. Laura blinzelte. Hatte er gerade im Ernst… Der Gestaltwandler lachte auf und spuckte etwas Blut aus. „Du greifst deine eigene Mutter an? Der Apfel fällt also doch nicht weit vom Stamm.“ „Jack, ignorier sie!“, rief Lissi ihm zu, doch die Tatsache, dass es ausgerechnet das Aussehen seiner Mutter war, schien Jack nicht einfach ignorieren zu können. Eher das Gegenteil war der Fall. „Meine Mutter ist tot. Und wenn du verdammter Drecksack glaubst dich auch nur annähernd als sie ausgeben zu können, solltest du dir schon einmal überlegen, wie du zumindest den Teufel gnädig stimmen kannst!“ Ungläubig schaute Laura zu, wie er den Gestaltwandler packte und ihm mit dem Unterarm die Kehle abdrückte. Zeitgleich schossen spitze Steine aus der Wand und bohrten sich durch die Handflächen. Der Gestaltwandler rang verzweifelt nach Luft, konnte mit einem Schlag nicht mehr auf seine Magie zurückgreifen. „Verdammt, ich sagte doch, keine Energie!“, rief Florian verärgert. „Mars weiß doch sowieso schon bescheid!“ Als die Metallklauen aus Jacks Lederarmschiene schossen, rechnete Laura bereits damit, dass es vorbei war. Dass Jack ihn von Kopf bis Fuß aufschlitzen würde. Doch der Gestaltwandler lächelte nur. Und veränderte sich. Ein Schaudern fuhr durch ihren gesamten Körper als sie ihn wiedererkannte, diesen Mann. Groß, mächtig, bedrohlich. Ein Mensch, der heute Vormittag erst ein grausiges Entsetzen in ihnen allen ausgelöst hatte. Eine unbeschreibliche Angst, und doch war es noch nicht einmal ein Bruchteil jener Panik, die Jack mit einem Schlag übermannte. Zitternd wich er zurück, kaum in der Lage sich zu bewegen. Der Gestaltwandler formte die Lippen des ehemaligen Direktors des FESJ zu einem schaurigen Lächeln, als er merkte, wie er die Kontrolle zurückgewann. „Es gibt auch noch andere Gefühle, die uns machtlos machen können. Nicht wahr?“ „Jack, geh weg von ihm!“, hörte sie noch Carsten rufen, doch da hatte der Gestaltwandler den Zauberspruch bereits vollendet und löste eine Magieexplosion aus, die Jack gegen die gegenüberliegende Wand schleuderte. Noch während er auf dem Boden aufschlug, hielt sich Laura die Ohren zu als Tatjana weitere Schüsse auf ihren Gegner abfeuerte, die dieser entspannt mit einer Barriere blockte. Carsten hatte sich bereits zu Jack teleportiert, doch bevor er dazu kam nach ihm zu schauen, musste er sich selbst mit einem Magieschild vor messerscharfen Federn schützen. Verbissen konterte er mit einer reißenden Welle, die Ria auch noch mit rot leuchtenden Blitzen auflud. Als der Angriff auf die Feuerfront des Gestaltwandlers traf, ließ eine weitere Explosion ihre Umgebung erschüttern. Ariane wurde fast von den Füßen gerissen und klammerte sich gerade so an Laura, die im letzten Moment realisierte, dass es nun ohnehin egal war, ob sie ihre Energie verwenden würde oder nicht. So konnte sie zumindest sie beide noch vor dem Rest der Druckwelle beschützten. Janine und Lissi kamen derweil anscheinend gleichzeitig auf die Idee, den beiden Jungs zu Hilfe zu eilen, während Eagle die Deckung des Rauches für einen Überraschungsangriff nutzen wollte. Wovon der Gestaltwandler nicht überrascht war. „Runter!“, hörten sie noch Tatjana rufen, die Janine und Lissi zu Boden warf, bevor es zu einer weiteren Explosion kam. Dieses Mal reagierte Laura schneller. Sie streckte die Hand aus und absorbierte einen größeren Bereich mit der Finsternis. Aber nicht genug, sodass Eagle trotzdem zurückschlitterte und nur Carstens Zauber verhinderte, dass er schmerzhaft gegen die Wand stieß. Es war nur ein kurzer Moment der Ruhe, in welchem die weniger kampferprobten von ihnen es wagten durchzuatmen. Doch andere wie die drei Krieger aus dem zerstörten Gebiet wussten, dass es im Kampf keine Pause gab. So nutzten sie diese eine Sekunde, um sich zu formatieren. Nahezu automatisch und ohne sich abzusprechen stellten sie sich so auf, dass sie den Gegner einkesselten. Ria teleportierte sich auf die eine Seite des Ganges, um ihm den Weg zu versperren, Amarth war bei Carsten, Eagle und Jack, Tatjana lud ihre Pistolen auf der anderen Seite des Ganges nach, darauf bedacht Lissi und Janine hinter sich zu haben. Laura und Ariane konnten nur zuschauen, bei diesem einen tiefen Atemzug. Der mit einer Flut von Konrads Magiepfeilen endete. „Verdammt, seid vorsichtig! Das ist ein Schwarzmagier!“, rief der Vampir. Die Warnung hätte nicht später kommen dürfen. Blutrote Stacheln schossen aus der Staubwolke, griffen jeden an, der sich in der Nähe befand. Knapp schaffte es Laura, einige mit der Finsternis-Energie abzubremsen und doch hätte ihr einer vermutlich das Auge ausgestochen, wenn Ariane sie nicht weggezogen hätte. Die beiden Mädchen stolperten zurück, konnten nur atemlos beobachten, wie keine der Magiebarrieren in der Lage war, diesem Angriff standzuhalten. Sie hatten bei Carsten gesehen, wie überlegen ein Schwarzmagier war. Jetzt die Gewissheit zu haben, dass auch der Feind so eine Macht hatte… Erfolglos versuchte Laura Angst und Anspannung herunterzuschlucken. „Carsten, nicht!“, hörte sie Ariane rufen. Vermutlich der einzige Grund, warum Carsten zerknirscht das Taschenmesser wieder sinken ließ, bevor er sich damit in die Handfläche schneiden konnte. Ein Lachen erklang als der Gestaltwandler hervortrat. Er hatte wieder das Aussehen von Carsten angenommen. „Ihr habt euren Schoßhund wirklich gut trainiert, das muss man euch lassen.“ „Halt die Fresse und hör auf dich hinter anderen Gesichtern zu verstecken!“, brüllte Eagle verärgert. Der falsche Carsten lächelte ihn nur spöttisch an. Und schnitt sich in die Handfläche. Was danach passierte, blieb nur noch schemenhaft in Lauras Erinnerungen zurück. Der Gestaltwandler begann irgendeinen Zauberspruch, als Carsten schrie: „Hört auf!“ Wobei Laura nicht verstand, warum das gegen ihre eigenen Freunde gerichtet war. Sie verstand gar nichts mehr. Nur noch, dass absolutes Chaos um sie herum ausbrach. Instinktiv klammerte sie sich an Ariane, kniff die Augen zusammen. Und plötzlich war alles verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)