Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 58: Ein alter Zauber ----------------------------  Ein alter Zauber       Betreten beobachtete Carsten Ariane, wie sie immer noch auf dem Boden kauerte, sich an Laura klammerte und leise schluchzte. Sie so zu sehen tat im Herzen weh. Derweil strich Laura sanft über Arianes Schulter, in der Hoffnung ihr damit auch nur irgendwie Trost spenden zu können. Doch es war eindeutig, dass Laura mit dieser Situation völlig überfordert war. Immerhin war sonst immer sie es, die getröstet werden musste. Und Ariane war es, die getröstet hatte. Nicht umgekehrt. „Wir können das doch nicht so einfach auf uns sitzen lassen!“, rief Öznur plötzlich aufgebracht. „Ich meine, Nanes kleine Schwester wurde entführt! Meiner Meinung nach ist Mars jetzt endgültig zu weit gegangen!“ Lissi seufzte bedrückt. „Aber was sollen wir denn machen, Özi-dösi? Ich würde auch am liebsten direkt mit Nane-Sahne in die Unterwelt einmarschieren und sie da rausholen, aber wir hätten nicht den leisesten Hauch einer Chance!“ Eagle schaute Carsten fragend an. „Hast du inzwischen eigentlich was von Jacob gehört?“ „Leider nein. Als ich ihn vor einer Woche anrief meinte er nur, er sammelt alle Informationen die er finden kann und gibt uns Bescheid, wenn er alles hat. Ich habe ihm zwar meine Hilfe angeboten, doch anscheinend sind viele der Informationen verschlüsselt, sodass nicht jeder X-beliebige herausfinden kann, wie Mars gebannt wurde. Jacob kennt sich mit den Werken seiner Ahnin am besten aus, also überlassen wir dies lieber komplett ihm.“ Daraufhin nickte Eagle nur. Es dauerte noch einige Zeit, bis sich Ariane nach Jacks Besuch wieder so halbwegs beruhigen konnte. Carstens Gedanken überschlugen sich. Es war nachvollziehbar, warum Mars Johanna hatte entführen lassen. Aber ihm war schleierhaft, warum der Dämon sie ‚nur‘ entführen ließ. Natürlich war Carsten froh darüber, dass Arianes kleiner Schwester nichts Schlimmeres passiert war. Doch wenn er daran dachte, was Mars alles getan hatte um Bennis Psyche zu schwächen… Bedrückt seufzte er. Jacks Aussage am Ende hatte ihn ziemlich stutzig gemacht und zugleich auch besorgt. Anscheinend ging es Benni bei Mars wirklich nicht so gut. Aber es beruhigte ihn, dass er und Jack anscheinend ziemlich gut miteinander klar kamen. Trotz der gegenwärtigen Situation musste Carsten lächeln. Sie waren sich nun mal ziemlich ähnlich. Auch, wenn Jack doch noch mal fieser und sarkastischer war als Benni. Sein klingelndes Handy riss ihn aus seinen Gedanken. Schnell hob Carsten ab, als er erkannte, dass es sich dabei um Jacob handelte. „Hallo?“ „Carsten? Ich bin’s. Ich habe alles was ich finden konnte zusammengeschrieben. Ihr könnt also jederzeit vorbeikommen und es euch anschauen.“, meldete sich Jacob vom anderen Ende der Leitung. Carsten atmete auf. „Das ist sehr gut. Wir müssen so schnell es geht herausfinden, was wir gegen Mars unternehmen können.“ „Definitiv. Könnt ihr heute noch vorbeikommen?“ Carsten warf einen Seitenblick auf Ariane, die immer noch leise schluchzend und zitternd an Laura geklammert auf dem Boden lag. „Ja, jedoch in einer kleineren Gruppe.“ Er wollte Ariane im Moment nicht noch mehr zumuten müssen. Jacob schien zu nicken. „Dann bis später.“ „Bis nachher.“ Carsten legte auf und wandte sich an den Rest. „Das war Jacob, er hat alles zusammengesucht. Nachher schauen Eagle und ich mal bei ihm vorbei.“ „Warum nur ihr zwei?“, fragte Anne kritisch, doch ein Seitenblick auf Ariane ließ sie verstehen. „Sie sollte sich erstmal wieder etwas beruhigen und es ist besser, wenn ihr bei ihr bleibt. Aber wir dürfen trotzdem keine Zeit verlieren.“, erklärte Carsten und atmete bedrückt aus. „Dasselbe scheint sich Jacob auch gedacht zu haben.“, bemerkte Susanne. „Wenn man bedenkt wie viele Bücher das waren, als wir für dich nach dem Gegenmittel gesucht hatten… Und all das hat er alleine innerhalb einer Woche durchgearbeitet?“ Janine lächelte traurig. „Wahrscheinlich möchte er seinem Sohn auch einfach so schnell es geht helfen.“ „Und jetzt werden auch noch unsere Familien mit hineingezogen.“ Geräuschvoll schnaubte Öznur. „Wir dürfen wirklich keine Zeit mehr verlieren.“ Carsten nickte. „Deshalb machen Eagle und ich uns am besten gleich auf den Weg. Ach so… Susanne? Denkst du, du könntest mithilfe der Direktoren Kontakt zu Johannes aufnehmen?“ „Ich vermute das geht. Mars könnte ihn in naher Zukunft wieder entführen wollen, nicht wahr?“ „Er hat sein Ziel den Erben des Yoru-Clans in die Finger zu bekommen erreicht. Allem Anschein nach hat er nun wieder die Dämonenbesitzer im Visier.“ „Na prima.“, kommentierte Anne alles andere als begeistert. „Ich will mitkommen…“ Mühsam setzte sich Ariane auf und rieb sich einige Tränen von der Wange. Carsten musste sich ganz schön zusammenreißen, sie nicht sofort in seine Arme zu schließen. Es war schmerzhaft, Ariane so leiden zu sehen. Gerade da sie für gewöhnlich eine immer gut gelaunte, optimistische Person war. Er kniete sich vor Ariane und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du musst dich jetzt nicht zu noch mehr zwingen. Eagle und ich bekommen das schon hin.“ „Aber…“ Ariane schluchzte. „Nane, wir wären Carsten doch sowieso nur im Weg.“ Laura lächelte sie aufmunternd an. „Als würden wir ihm eine Hilfe sein können, wenn es im Prinzip um einen Zauber geht. Da schauen wir lieber, dass Johannes in Sicherheit ist.“ Es war eindeutig, dass Ariane nur widerwillig nachgab. Schließlich hielt Carsten ihrem traurigen Blick nicht mehr stand. Vorsichtig nahm er sie in die Arme. „Das wird schon, wir retten deine Schwester. Versprochen. Und davon abgesehen: Benni ist doch auch noch da. Ich weiß nicht wieviel Freiraum er bei Mars hat, doch ich bin mir sicher, dass er auf Johanna aufpasst.“ Schluchzend vergrub Ariane ihr Gesicht in Carstens Brust. „Und er passt auch ja auf, dass es ihr dort gut geht?“ „Ganz sicher.“ Sanft strich Carsten Ariane übers Haar. Nach einer Weile löste er die Umarmung und wandte sich an den Rest. „Vielleicht wäre es sinnvoll irgendeine Ausrede für Arianes Vater parat zu haben, wenn dieser von der Arbeit kommt. Wir können ihm schlecht sagen, dass seine Tochter entführt wurde.“ „Überlass das uns, Cärstchen. Kümmer du dich einfach um diesen Bann.“ Lissi warf ihm einen Luftkuss zu. Carsten nickte und ging zu Eagle. „Machen wir uns?“ Kurz darauf teleportierte er sich und seinen großen Bruder an die Grenze von Zukiyonaka in die Nähe vom Haus der Yorus. Bei Bennis Eltern angekommen wurde ihnen wie vor einigen Monaten die Hintertür geöffnet, zu der man über den Garten gelangte. Jacob wartete in der Bibliothek auf sie. Auch wenn Carsten ihn beim Eintreten nicht hatte sehen können, sondern erst als Bennis Vater hinter dem mit Büchertürmen vollgestellten Schreibtisch hervortrat. „Das ging fix.“, meinte er zur Begrüßung. „Dasselbe könnten wir auch zu dir sagen.“, erwiderte Eagle. „Hast du die alle ernsthaft durchgelesen?“ „Zum Teil gelesen, zum Teil überflogen.“ Jacobs Lippen formten sich zu einem warmen freundlichen Lächeln und Carsten fragte sich automatisch ob er dieses Lächeln auch an Benni weitervererbt hatte. „Gibt es einen Grund, warum ihr nur zu zweit hier seid?“, erkundigte sich Bennis Vater. Den Scharfsinn hatte Benni eindeutig von ihm. Carsten seufzte. „Die kleine Schwester einer Freundin wurde von Mars entführt. Wir haben erst vor wenigen Stunden davon erfahren.“ Jacob nickte daraufhin lediglich und wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu. „Das hier ist alles, was ich über den Bann herausfinden konnte.“ Er reichte Carsten mehrere mit sauberer Handschrift beschriebene Papierbögen. Interessiert las Carsten sie durch. Jacobs Notizen zufolge war es Leonhard Yoru, der den Bann mithilfe der Magie und dem Wissen der Dryaden entwickelt hatte. Er war es auch, der den Zauber gesprochen hatte. Eagle runzelte die Stirn. „Dieses Monster-Ding soll der Zauberspruch sein? Wer will sich das ganze denn merken können?“ Carsten zuckte mit den Schultern. „Eine Seite? So schwer ist das nicht.“ „Du bist ja auch nicht normal.“ „Dieser Punkt irritiert mich eher.“ Carsten zeigte auf eine bestimmte Zeile. „Was bedeutet das, dass Eufelia-Sensei einen ‚Blutzoll‘ gezahlt hat da sie Kampfkünstlerin ist? Sie war doch sowohl Kampfkünstlerin als auch Magierin.“ „So wie ich das verstanden habe lässt sich der Bann aufteilen in einen Magier der den Zauber spricht und einen Kampfkünstler, der mit ein paar Tropfen von seinem Blut den nötigen Preis für einen so mächtigen Zauber zahlt.“, meinte Jacob. „Jedoch bin ich kein Magier, ich weiß nicht, was genau dieser Blutzoll bei euch bedeutet.“ „Eigentlich fällt das in den Bereich der schwarzen Magie.“ Nachdenklich musterte Carsten die beschriebenen Bögen. „So was gibt es wirklich?“, fragte Eagle irritiert. Carsten nickte. „Schwarze Magie fordert im Gegensatz zu der gängigen Magie immer einen Tribut. Meistens in Form von Blut, manchmal müssen sogar Leben geopfert werden. Deshalb ist solche Magie heutzutage auch verboten.“ Er seufzte. „Das bedeutet aber auch, dass wir diesen Zauber niemals in den geläufigen Büchern gefunden hätten.“ „Kannst du ihn trotzdem anwenden?“ Fragend schaute Jacob Carsten an. Carsten schüttelte den Kopf. „Den Spruch kann ich mir zwar merken und ihn für das Verständnis aus dem Dryadischen zu übersetzen ist auch überhaupt kein Problem. Aber gerade bei so einem machtvollen Zauber muss man genau wissen, wie er zusammengesetzt wurde. Also zum Beispiel warum musste Eufelia diesen Blutzoll zahlen? Ansonsten kann ich ihn nicht entsprechend für uns umändern.“ „Du wirst ihn ändern müssen?“ Eagle runzelte die Stirn. „Sieht doch alles okay aus damit.“ „Fast.“ Carsten zeigte auf die dritte Seite. „So wie ich das sehe hat Coeur als Besitzerin des Silbernen Pegasus die Energie ihres Dämons verwendet, um Mars zu bannen. Das hat deshalb funktioniert, da sowohl der Silberne Pegasus als auch der Purpurne Phönix Gottesdämonen sind und ihre Macht deshalb gleichwertig ist. Aber wir haben aller höchstens die Herrscher über die Ursprungskräfte. Ich werde den Bann so umändern müssen, dass die Macht der Dämonen der von Mars gleichkommt.“ „Jetzt ergibt es jedenfalls einen Sinn, warum wir dafür alle Dämonenbesitzer brauchen.“, stellte Eagle fest. Carsten nickte. Sein großer Bruder stöhnte genervt auf und ließ sich auf das Sofa fallen. „Prima, und zwei fehlen uns noch. Der Besitzer des Orangenen Skorpions ist sowieso auf der bösen Seite und würde uns niemals helfen Mars zu bannen. Und wer auch immer Eufelias Nachfolger ist, den müssen wir sogar noch finden.“ „Stimmt schon… Gerade was den aktuellen Besitzer des Farblosen Drachen betrifft haben wir überhaupt keine Anhaltspunkte.“ Bedrückt setzte sich auch Carsten auf das Sofa. „Normalerweise sind die Dämonen immer für eine spezielle Region zuständig, doch die des Farblosen Drachen ist ausgerechnet Obakemori.“ „Aber das ist doch nur ein Wald.“, bemerkte Eagle. „Außer Eufelia und Benedict hat niemand dort gelebt.“ „Der Wald ist sehr groß.“, warf Jacob ein. „Es ist gut möglich, dass irgendwo noch Leute leben. Aber es ist ein Ding der Unmöglichkeit sie zu finden.“ „Einmal drüber fliegen und nachschauen bringt bei einem Wald leider auch nichts…“, überlegte Eagle. „Ansonsten hätte ich das machen können.“ „Jetzt wäre Bennis Fähigkeit mit Tieren zu kommunizieren praktisch…“ Deprimiert senkte Carsten den Kopf. Eagle verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. „Trübsal blasen wird den Besitzer des Farblosen Drachen jedenfalls nicht zu uns bringen. Abgesehen davon haben wir noch andere Probleme. Jack zum Beispiel.“ Freudlos lachte Carsten auf. „Ich glaube, Jack ist noch unser geringstes Problem. Ich frage mich eher, wie ich an Informationen über die schwarze Magie kommen soll, wenn eigentlich nichts mehr darüber existieren dürfte.“ „Hat Eufelia dir das nicht beigebracht? Den Notizen nach klingt es jedenfalls so, als hätte sie schwarze Magie beherrscht.“, fragte Eagle irritiert. „Leider nein. Sie wurde früher von den Dryaden persönlich unterrichtet, da ist es logisch, dass sie schwarze Magie beherrscht. Aber da es verboten ist, hat sie es mir nie beigebracht.“ Carsten seufzte. „Aber Eufelia wusste doch, dass der Bann immer schwächer wurde.“, überlegte Jacob und schien eher mit sich selbst zu sprechen. „Immerhin hat sie Benni ja auch ausgebildet mit dem Hintergedanken, dass er eines Tages auf Mars treffen würde.“ Bedrückt wandte Eagle den Blick ab. „Vielleicht hätte sie es dir sogar noch beigebracht, hätte ich nicht dafür gesorgt, dass du…“ Carsten warf seinem großen Bruder ein aufmunterndes Lächeln zu. „Unsinn. Hätte Eufelia-Sensei mir schwarze Magie beibringen wollen hätte sie damit recht früh angefangen. Da bin ich mir ziemlich sicher.“ „Vielleicht hat sie gedacht du würdest es dir selbst beibringen, wenn die Zeit reif ist.“, meinte Jacob. Carsten nickte. „Das könnte sein. Aber wie soll ich an die nötigen Unterlagen kommen? Eufelia-Sensei hatte garantiert Bücher über schwarze Magie bei sich, aber bei dem Angriff von Mars vor vier Monaten wurde alles zerstört…“ „Und sonst? Der Direktor ist doch auch ein mächtiger Zauberer. An der Coeur-Academy findet sich doch garantiert etwas.“ Carsten lachte auf. „Du meinst in der ‚verbotenen Abteilung‘?“ Eagle zuckte mit den Schultern. „Zum Beispiel?“ „So was gibt es an der Coeur-Academy nicht. Alle Werke sind den Schülern zugänglich.“ „Vielleicht gibt es ja eine ‚geheime Abteilung‘.“, erwiderte Eagle spöttisch. Doch Carsten schüttelte lachend den Kopf. „Meines Wissens existiert bei den Menschen über schwarze Magie seit dem magischen Krieg rein gar nichts mehr.“ Er überlegte für einen Moment. „Vielleicht könnte ich bei den Nachfahren der Dryaden schauen… Elben sind sehr Magie-affin und auch sehr traditionell. Es ist gut möglich, dass sie noch alte Schriften haben.“ „Wenn dem so ist, könntest du dich auch als erstes an Koja wenden.“, schlug Eagle vor. „Sie ist eine ziemlich mächtige Hexe und wir Indigoner stammen immerhin auch von den Dryaden ab.“ Carsten nickte nachdenklich. „Das könnte erfolgsversprechend sein.“ Er überflog die letzte Seite, bei der es um die Schwachstellen von dem Bann ging. Zitternd senkte Carsten das Blatt. „Jacob… Wusstest du über diese Schwäche Bescheid?“, fragte Carsten mit bedrückter Stimme. Bennis Vater schüttelte den Kopf. „Auch erst seit neustem.“ „Schwäche?“ Kritisch nahm Eagle Carsten das Blatt aus der Hand und las es durch. Anschließend kniff er die Augen zusammen und rieb sich die Schläfen. „Wir haben ein riesen Problem, oder?“ Bedrückt nickte Carsten. „Kein Wunder, dass Mars hinter Benni her war…“ „Aber woher will er wissen, dass er mithilfe von Benni den Bann brechen kann?“ Eagle schaute Jacob fragend an. „Nun ja, ich hatte doch schon erwähnt, dass Mars Leonhard vor Beendigung des Zaubers hatte schnappen können und ihn daraufhin mit sich in die Tiefen gezogen hat. Niemand weiß, was danach mit ihm passiert ist. Es würde mich nicht wundern, wenn Mars ihn so lange gefoltert hätte, bis er schließlich keine Kraft mehr hatte und diese Schwachstelle verriet.“ Eagle schnaubte. „Scheiße. Also haben wir ihm direkt in die Hände gespielt. Nehmt’s mir nicht krumm, aber ich hätte gerade den herzlosen eiskalten Engel lieber, der seine Gefühle nicht versteht und den man deshalb nicht hätte erpressen können.“ „Niemals!“, widersprach Carsten energisch und stand auf. „Wir müssen Mars einfach zuvorkommen! Ich werde den Zauber schon rechtzeitig für uns abgeändert bekommen. “ Er würde nicht zulassen, dass Mars mithilfe von Benni die tiefste Schlucht der Unterwelt würde verlassen können. Amüsiert lächelte Jacob, als es gegen die Tür klopfte und Samira eintrat. „Oh, hallo ihr zwei.“, grüßte sie die Brüder erfreut. Carsten und Eagle erwiderten den Gruß. Jacob warf seiner Frau ein liebevolles aber auch leicht besorgtes Lächeln zu. „Wie geht es dir?“ „Es ist alles in bester Ordnung.“ Auch Samira lächelte und als Carsten bemerkte, wie sie die Hände über ihren Bauch gelegt hatte wusste er, was das bedeutete. „Du bist schwanger?“ Samira nickte lachend. „Im zweiten Monat.“ „Herzlichen Glückwunsch.“ Eagle grinste. „Aber ich dachte, im Yoru-Clan wäre es verboten mehr als ein Kind zu zeugen…“ Jacob winkte ab. „Das war noch damals als meine Familie über Rutoké geherrscht hatte und ein Streit über die Thronfolge vermieden werden sollte. So langsam sollten wir uns von den Dekreten lösen können. Besonders da wir noch nicht mal mehr regieren.“ Samira lachte auf. „Hört, hört, wie überzeugt er es inzwischen wiedergeben kann.“ Herausfordernd schaute sie ihren Mann an und erklärte anschließend: „Ich habe ihm schon seit Jahren damit in den Ohren gelegen, dass dieses Regelwerk längst veraltet ist. Aber ein gewisser jemand hat sich trotzdem nie getraut, sich darüber hinwegzusetzen, obwohl er auch gerne noch ein zweites Kind hätte. Doch als ich ihm nun letztlich gedroht habe, dass meine biologische Uhr so langsam zu ticken beginnt, ist er doch eingeknickt.“ Während Jacob die Augen verdrehte mussten Carsten und Eagle loslachen. Eagle runzelte die Stirn. „Wenn ich fragen darf, wie alt bist du eigentlich?“ „Klar darfst du.“ Samira grinste. „38.“ „Dann bist du aber wirklich früh Mutter geworden.“, bemerkte Carsten beeindruckt. Immerhin war Benni 17. Bei dem Gedanken an Benni musste Carsten lächeln. Wie er wohl damit umgehen würde wenn er erfährt, dass er großer Bruder wird? Carsten ballte die Hand zur Faust. Der Drang Benni vor Mars zu retten wurde umso größer. Er musste diesen Zauber für sie abändern. Er musste! Ihm blieb einfach keine andere Wahl! Nicht nur, um die Welt vor Chaos und Zerstörung zu bewahren. Nicht nur, um seinen besten Freund zu retten. Und auch nicht nur, um Laura ihre große Liebe zurückzubringen. Sondern auch diesem Familienglück zuliebe. Jacob seufze belustigt. „Den Drang zu rebellieren und den Sturkopf hat Benni definitiv von dir.“ „Wie bitte?!“ Samira stemmte die Fäuste in die Hüften. „Meinen Sturkopf?! Nie im Leben, das grenzt schon beinahe an eine Beleidigung! Bei seiner Freundin knickt er trotzdem immer ein. Das würde mir bei dir nie passieren.“ Nun mussten Carsten und Eagle noch mehr loslachen. Besonders, da Samira recht hatte. So stur Benni auch war, Laura war nochmal eine Nummer dickköpfiger. Bei ihr würde er sich nie wirklich durchsetzen können. Jacob verschränkte die Arme vor der Brust. „Irgendwie ist das ein Fluch, der an meiner Familie haftet. Nach außen hin waren die Männer immer die mächtigen Herrscher aber in Wahrheit hatten die Frauen die Hosen an. Und irgendwie ist das in so ziemlich jeder Generation der Fall.“ Dieser Kommentar sorgte dafür, dass Carsten und Eagle nun schon vor Lachen Bauchschmerzen bekamen. Samira betrachtet die beiden amüsiert. „Und ihr habt beide Sisikas Lachen.“ Mit einem Schlag wurde Eagle leicht rötlich im Gesicht. „Unsinn, ich seh meiner Mutter kein bisschen ähnlich.“ „Nicht so extrem wie Carsten, das stimmt. Aber den stürmischen Charakter hast du auf jeden Fall von ihr.“, bemerkte Samira belustigt. Jacob verdrehte die Augen. „Oh ja, das stimmt…“ Daraufhin musste nun Carsten wieder loslachen. Er wusste nicht, wie seine leibliche Mutter zu Lebzeiten war. Er hatte sie leider nie kennenlernen können. Aber die Vorstellung, dass Eagle vom Charakter her eher nach ihr als nach seinem Vater kam war einfach zu gut. Eagle warf Carsten einen kritischen Blick zu. „Ich weiß nicht, ob mich das beruhigt.“ Samira lächelte. „Euch so zu sehen wäre das, was sie sich immer gewünscht hätte.“ „Wäre es das?“ Carsten grinste zu Eagle rüber, welcher sich schnaubend und offensichtlich leicht verlegen abwandte. Daraufhin mussten nun Samira und Jacob loslachen. Obwohl sie nur vorbeigekommen waren, um von Jacob die Informationen über den Bannzauber zu erhalten, blieben Eagle und Carsten noch eine Weile bei ihnen. Samira und Jacob erzählten Geschichten über ihre Mutter und es war lustig zu hören, was das Freundinnengespann Samira, Saya und Sisika früher so alles ausgefressen hatte. Carsten war erleichtert, dass es Bennis Eltern offensichtlich doch noch recht gut ging, obwohl sie inzwischen wussten, dass Mars Benni in seiner Gewalt hatte. Anscheinend hatten sie so viel Vertrauen in ihren Sohn, dass sie sich keine allzu großen Sorgen um ihn machen mussten. Und es war auch sehr schön und lustig von ihnen zu erfahren, dass sie Laura als Bennis Freundin vollauf akzeptierten. Genaugenommen akzeptierten sie sie schon so sehr, dass Samira Laura bereits als zukünftige Schwiegertochter bezeichnete. Belustigt stellte sich Carsten vor, wie Laura wohl reagieren würde, wenn sie davon erführe. Erst gegen neun Uhr abends kehrten sie zurück in die Coeur-Academy, wo sich viele der Mädchen anscheinend schon Sorgen um sie gemacht hatten. „Oh Allah, da seid ihr ja endlich!“, rief Öznur, fiel Eagle um den Hals und gab ihm einen ausgiebigen Kuss. „Hast du dir Sorgen gemacht?“, fragte Eagle leicht spöttisch. Janine seufzte. „Nach allem was die letzte Zeit passiert ist… Wie könnten wir uns da keine Sorgen machen?“ „Ihr hättet ja jedenfalls Bescheid sagen können, dass es später wird!“, erzürnte sich Öznur. Amüsiert verdrehte Carsten die Augen, sagte aber nichts zu ihrer Verteidigung. Die Mädchen hatten schon recht, es war in letzter Zeit einfach zu viel passiert. Kritisch verschränkte Anne die Arme vor der Brust. „Warum habt ihr eigentlich so gute Laune?“ „Geht es Bennis Eltern zumindest gut?“, erkundigte sich Laura, ebenfalls besorgt. Carsten nickte grinsend. „Ihnen geht es blendend. Sie sind der Meinung Benni hat schon genug durchstehen müssen. Damit würde er auch schon fertig werden.“ Erleichtert atmete Laura auf. „Es ist schön, dass sie so viel Vertrauen in ihn haben.“ Carsten nickte. Dass sie Laura eigentlich schon als Schwiegertochter betrachteten verschwieg er ihr aber lieber noch. Das würde ihr absolut verschüchtertes Herz nicht verkraften können. Stattdessen… „Übrigens sieht es ganz danach aus, dass Benni großer Bruder wird.“ Lissi quietschte sofort los. „Aaaah, wie süß!!! Samira ist schwanger?!?“ „Wirklich?“ Überrascht schaute Laura auf. Eagle nickte. „Im zweiten Monat.“ Die nächsten Minuten verbrachten Carsten und Eagle damit belustigt zu beobachten, wie sich insbesondere Lissi und Öznur merklich über diese Nachricht freuten, während Janine und Susanne das eher im Stillen taten. Laura kicherte. „Irgendwie glaube ich, Benni wird ein toller großer Bruder.“ „Denkst du nicht, dass er etwas unbeholfen dabei wäre?“ Kritisch hob Anne eine Augenbraue. „Im ersten Moment auf jeden Fall!“ Carsten bemerkte, wie Laura Tränen zu lachen begann. Wahrscheinlich, weil sie sich Benni als leicht überforderten großen Bruder vorstellte. Was er definitiv sein würde. Susanne lächelte zu den Jungs rüber. „Jetzt verstehe ich, warum ihr so lange geblieben seid. Ich glaube, diese Auszeit tat gerade dir gut, Carsten.“ Carsten lachte schwach auf. „Ja, es tat wirklich gut mit ihnen zu reden.“ „Du hast dich jedenfalls gut amüsiert hatte ich den Eindruck.“, bemerkte Eagle nüchtern. „Du doch auch.“ Grinsend betrachtete Öznur die beiden. „Irgendwie mag ich euch so als Brüder-Gespann. So könnt ihr von mir aus gerne bleiben.“ Wie schon zuvor bei Samira und Jacob wandte Eagle schnaubend den Blick ab. Was die Mädchen wieder zum Lachen brachte. „Wie geht es eigentlich Ariane?“, erkundigte sich Carsten besorgt bei Laura. Diese seufzte. „Etwas besser inzwischen. Aber auch leider nur etwas. Sie erzählte mir, dass sie in ihrer Dämonenprüfung eigentlich sogar schon auf sowas vorbereitet wurde. Aber diese Erfahrung real zu erleben…“ Bedrückt senkte Carsten den Blick. Lissi stieß ihm mit den Ellbogen leicht in die Rippen. „Wie wär’s, wenn du dich mal etwas um sie kümmerst, Cärstchen?“ Carsten wurde rot. Natürlich hatte er verstanden, was Lissi damit andeuten wollte. Schließlich seufzte er. „Laura ist wohl eher dazu geeignet für sie da zu sein.“ Öznur zuckte mit den Schultern. „Na ja, du bist doch in sie verliebt, oder?“ „Bist du?“ Anne warf ihm einen kritischen Blick zu. Anscheinend hatte sie als einzige der Mädchen seine Gefühle für Ariane noch nicht erkennen können. Selbst Laura lächelte ihn mitleidig an. Verbissen richtete Carsten den Blick auf den Boden und versuchte die Hitze auf seinen Wangen zu ignorieren. „Bin ich. Und ihr wisst genauso gut wie ich, dass Ariane meine Gefühle offensichtlich nicht erwidert. Glaubt mir, ich würde ihr gerne irgendwie irgendetwas von dem Leid abnehmen können. Aber ich bin dafür der Falsche.“ Anne runzelte die Stirn. „Wieso solltest du dafür der Falsche sein? Du bist für jeden von uns da, wenn er Kummer hat und schaffst es sogar irgendwie meistens, diesen jemand zu beruhigen. Also warum wäre gerade Ariane eine Ausnahme davon, wenn du sogar in sie verliebt bist?“ „Ooooh Banani, solche lieben Worte hört man selten von dir.“, stachelte Lissi sie an. „Ach, halt die Klappe.“, zischte Anne gereizt und wandte sich wieder Carsten zu, da sie noch eine Antwort erwartete. Bedrückt seufzte Carsten. „Gerade weil ich in sie verliebt bin ist Ariane die Ausnahme. Ich könnte sie nicht trösten ohne ständig im Hinterkopf zu haben, dass…“ „… dass?“ Öznur schaute ihn auffordernd an. „Ich weiß nicht… Ich habe halt die Sorge, dass ich dann im Hinterkopf hätte ihr ‚Retter in der Not‘ zu sein und dadurch Arianes Gefühle für mich gewinnen könnte. Aber über so einen Weg will ich das nicht!“ Lissi seufzte. „Du bist so süß, Cärstchen. Weißt du das?“ „Das hilft leider rein gar nicht.“, erwiderte Carsten verbissen. Sanft nahm Laura seine Hand. „Falls es dich irgendwie tröstet: Nane möchte sowieso von niemandem aufgeheitert werden. Ich habe sie vorhin gefragt, ob sie etwas braucht und sie meinte nur sie wolle erstmal etwas Zeit und Ruhe zum Nachdenken haben. Daraufhin ist sie rausgegangen mit den Worten sie mache einen Spaziergang.“ „Das klingt für mich eher nach Benni und weniger nach Nane.“, bemerkte Janine überrascht. „Aber gut, vielleicht gehen beide ähnlich mit bedrückenden Situationen um.“ „Ach so und was ist mit Johannes?“, erkundigte sich Carsten weiter. Susanne seufzte. „Die Direktoren hatten tatsächlich seine Kontaktdaten vor einer Weile von Benni bekommen, aber wir konnten niemanden aus der Familie erreichen. Vor Ort haben wir dann die Nachbarn gefragt, die meinten sie seien im Urlaub.“ Geräuschvoll atmete Eagle aus. „Mist. Und wahrscheinlich wissen sie auch nicht, wohin.“ „Ich befürchte nicht. Jedoch geht übernächste Woche die Schule wieder los. Es ist also gut möglich, dass sie im Laufe der kommenden Woche wiederkommen.“ Öznur schnaubte. „Wie können wir nach allem jetzt noch an die Schule denken?!?“ „Apropos, hast du inzwischen eigentlich schon dein Mathe-Ergebnis?“, fragte Carsten sie. „Jaaaaa, ich hab vor drei Stunden die Note bekommen! Ich habe bestanden!!!“, rief sie begeistert. Anne verdrehte die Augen. „Und kurz davor hieß es noch ‚Wie können wir nach allem jetzt noch an die Schule denken?!?‘“ „Na und?!? Ich kann mich ja trotzdem darüber freuen Mathe bestanden zu haben!“ Öznur funkelte Anne wütend an. Diese zischte. „Hättest du dich vor der eigentlichen Prüfung nicht so bescheuert benommen, hättest du sie direkt bestehen können.“ „Fängst du ernsthaft schon wieder an?!?“, donnerte Öznur. Eagle stöhnte entnervt auf, packte seine Freundin und schob sie weg von Anne. „Ich hab keine Lust auf schon wieder Zickenkrieg.“ Janine kicherte. „Nachvollziehbar.“ „Wir wünschen euch zwei Hotties viel Spaß!“, trällerte Lissi ihnen hinterher. Eagle hob zum Abschied die Hand. „Werden wir haben.“ Lächelnd betrachtete Janine die beiden und schaute dann zu Laura rüber. „Irgendwie lustig, wie sie so ganz anders mit Lissis Andeutungen umgehen.“ Auf diese Andeutung hin wurde Laura natürlich rot, was den Rest zum Lachen brachte. Susanne wandte sich Anne zu. „Musst du wirklich so nachtragend sein?“ Anne biss die Zähne zusammen und wich ihrem Blick aus. „Ich kann irgendwie nicht anders. So Kommentare rutschen einfach aus mir heraus, ich will das gar nicht. …Jedenfalls nicht direkt.“ Susanne warf ihr ein aufheiterndes Lächeln zu. „Wir wissen, dass dich Öznurs Kommentar damals sehr schwer getroffen hat. Aber bitte, versuche dich zu zurückzuhalten. Gerade jetzt, wo Mars ganz eindeutig gegen uns vorgeht können wir uns solche Streitereien nicht erlauben.“ Anne atmete tief durch. „Ich versuch’s. Wirklich.“ Susanne wandte sich an Carsten. „Was habt ihr von Jacob über den Bann erfahren?“ „Der Zauber wird mithilfe schwarzer Magie ausgeführt.“ Susanne schauderte. „Wirklich?“ „Ich wollte morgen zu meiner Großmutter und sie fragen, ob sie etwas über schwarze Magie weiß.“ „Können wir… irgendwie helfen?“, erkundigte sich Laura vorsichtig. Carsten schüttelte den Kopf. „Leider nein, verzeiht. Schwarze Magie wurde ursprünglich von den Dryaden ausgeübt, also müsstet ihr schon einmal die Sprache gut genug beherrschen, sollte ich tatsächlich an alte Bücher darüber kommen. Um ehrlich zu sein wäre es mir lieb, wenn ihr euch gänzlich auf euer Training konzentriert. Ich werde mich an Konrad und Florian wenden, also keine Sorge, ich mache das nicht gänzlich allein. Gerade Florian als Elb könnte noch Zugriff auf Informationen über schwarze Magie haben. Und wer weiß? Vielleicht kennt sich Konrad als über 200 Jahre alter Vampir sogar etwas damit aus?“ Daran, dass Konrad ihm eventuell helfen könnte hatte Carsten noch gar nicht gedacht. Aber jemand, der zur Zeit des Magischen Krieges bereits gelebt hatte -wenn auch in der Unterwelt- dürfte am ehesten noch schwarze Magie beherrschen. Susanne gab ihm mit einem Nicken recht. „Ich bin sicher, Konrad und Florian helfen gerne. Dann überlassen wir das mit dem Zauber euch und wir konzentrieren uns darauf stärker zu werden.“ „Apropos stärker werden…“ Anne deutete auf Laura. „Wann willst du eigentlich nun deine Prüfung machen? Vor einer Woche warst du doch noch so scharf drauf.“ Carsten merkte, wie Laura bei diesen Worten unverzüglich verspannte. Der Vorfall mit Benni beim Schrein des Schwarzen Löwen belastete sie offensichtlich immer noch. Während des Trainings schaffte sie es zwar beeindruckender Weise sich zusammenzureißen, doch Carsten war sich ziemlich sicher, dass sie ansonsten ihren Gefühlen unterlag. Es war einfach zu viel für sie. „Gib ihr noch etwas Zeit das von vor einer Woche zu verkraften.“, nahm Carsten seine beste Freundin in Schutz. „Laura fängt sich schneller, als du erwartest. Ganz sicher.“ Anne zuckte mit den Schultern. „Ich dachte halt die Zeit liefe uns davon.“ Innerlich seufzte Carsten. Wenn sie wüsste… Er wischte den Gedanken an Mars‘ Pläne mit Benni mit einem Kopfschütteln beiseite und holte sein Handy aus der Hosentasche. „Wenn ihr mich entschuldigt, ich werde mich direkt an Konrad wenden und danach mal mit Florian telefonieren. Wie du schon sagtest: Die Zeit läuft uns davon.“ Während er die Nummer des Vampirs eintippte entfernte sich Carsten von der Mädchengruppe. Er war sich noch nicht sicher, ob er ihnen von der Schwachstelle des Bannes erzählen sollte. Gerade Laura wollte er damit nicht beunruhigen. Andererseits könnte es aber auch gerade für sie ein Motivationsschub sein… Ach, Carsten wusste es einfach nicht. Er hoffte einfach, dass sie es noch rechtzeitig schafften, bevor es zu spät war für Benni, für ihre Gruppe, für Damon und für die ganze Welt. Aus dem Telefonat mit Konrad erfuhr Carsten, dass der Vampir tatsächlich etwas schwarze Magie beherrschte. Aber es war nicht direkt die Version der Dryaden, sondern eine besondere schwarze Magie der Vampire, die aber auch mit Opfergaben wie Blut beherrscht wurde. Florian hatte zwar wie Carsten schon von schwarzer Magie gehört, konnte aber sonst nichts damit anfangen. Er versprach Carsten jedoch alte Elben-Zauberer um Hilfe zu bitten.   Am nächsten Tag, während die anderen ihr Training fortsetzten, teleportierte sich Carsten nach Indigo, um seine Großmutter mütterlicherseits zu besuchen und befragen. Trotz ihrer 72 Jahre war sie eigentlich noch sehr fit im Kopf, jedoch machte ihr Herz ihr bereits immense Schwierigkeiten. Als Kind hatte Carsten immer ein bisschen Angst vor dieser Frau gehabt, vergleichbar mit Lauras Angst vor Eufelia-Sensei. Doch inzwischen sah er sie als alte, weise Frau. Sie kannte sich zwar nicht ganz so gut im Bereich der Magie aus wie Eufelia-Sensei einst, aber dennoch sollte man sie nicht unterschätzen. Immerhin war sie es, die die Magiebarriere über Karibera aufrecht erhielt. Und so ein Können war nur den besten Hexen und Zauberern vorbehalten. Carsten fand Koja in ihrem Tipi irgendein altertümliches Ritual mit Räucherstäbchen und einem Samtbeutel durchführend, die sie hin und her wedelte. In dem Beutel klackerte etwas. Eigentlich wollte er warten, bis sie mit ihrem Ritual geendet hatte, doch mit einer Handbewegung wies sie Carsten an, in das stickige Zelt zu kommen. Carsten nahm einen halben Meter vor ihr im Schneidersitz platz und beobachtete durch den Rauch weiterhin, wie sie auf Dryadisch sang und schließlich den Beutel ausleerte. Hühnerknochen. Also wollte sie seine Zukunft vorhersagen. In diesem Bereich kannte sich Carsten von aller Magie am wenigsten aus. Er war nie wirklich daran interessiert gewesen zu sehen, was seine Zukunft brachte. Daher konnte er auch nicht erkennen, was die Lage der Knochen auf dem Seidentuch zwischen ihm und Koja nun zu bedeuten hatte. Kojas Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. „Du bist verliebt?“, stellte sie auf Indigonisch fest. Sie sprach kaum Damisch, sondern nur Indigonisch, Latein und Dryadisch. Carsten seufzte. „Bitte, ich möchte darüber nichts wissen.“ Eigentlich hatte er nur Angst davor, was Koja ihm sagen würde. Denn er machte sich sowieso keine Hoffnungen was eine Beziehung mit Ariane betraf. Koja warf ihm ein wissendes Lächeln zu, was Carstens Unbehagen nur verstärkte. Ihre Haut hatte einen dunklen, ledrigen Ton und ihre Augen ein blasses Lila. Mit diesen blass-lila Augen betrachtete sie die restlichen Knochen. „Ich sehe hier ein Wiedersehen. Du wirst eine besondere Person wiedertreffen dürfen.“, deutete sie weiter. Das machte Carsten immerhin Hoffnung, was Benni betraf. „Doch ich sehe auch viel Dunkelheit und Schmerz, die sich dir und deinen Freunden nähern. Und viel Trauer und Verzweiflung.“ Sie runzelte die Stirn. „Das sieht mir beinahe nach einem Krieg aus.“ Das zerstörte Carstens eben erhaltene Hoffnung wieder. Also würde er es doch nicht rechtzeitig schaffen den Zauber umzuwandeln? Würde er doch zu spät kommen?!? Koja seufzte. „Du wirst einen harten Weg vor dir haben, mein Kind. Doch wenn du es schaffst standhaft zu bleiben und niemals aufzugeben, wirst du zum Licht finden.“ Immerhin machte sie ihm am Ende noch einmal etwas Hoffnung… Auch wenn seine Zukunft nicht gerade berauschend klang. „Weißt du etwas Genaueres über einen Freund?“, erkundigte sich Carsten. „Irgendjemand, der in der Dunkelheit gefangen ist und auch wieder zum Licht findet?“ Koja runzelte die Stirn. „Hier sind viele Seelen in der Dunkelheit gefangen. Einige finden zum Licht, einige irren weiterhin in ihr umher.“ Also konnte sie keine genauere Aussage über Benni machen. Carsten atmete tief durch. „Koja, ich wollte dich um etwas bitten…“ „Du möchtest schwarze Magie erlernen.“, bemerkte seine Großmutter alles andere als überrascht. Carsten nickte. „Ich weiß, dass es eigentlich verboten ist. Jedoch-“ Koja hob die Hand und brachte Carsten dadurch zum Schweigen. „Moralvorstellungen, das was erlaubt und was verboten ist, ist abhängig von der Zeit in der wir leben, Crow. Eben noch sagen die Menschen schwarze Magie gehöre verboten, da sie Blutopfer fordere. Doch im Krieg sagen sie plötzlich das Ausüben schwarzer Magie sei vollkommen legitim, da sie lediglich zur Selbstverteidigung diene. In unserer Welt gibt es zwei Arten von schwarzer Magie, wie es auch zwei Arten von Magie gibt. Zum einen die Zaubersprüche, wie sie die Dryaden immer verwendet haben. Zum anderen die Zeichen, die die Vampire benutzen. Ein guter Magier versteht es, Zaubersprüche und Zeichen zu vereinen und seine Magie dadurch nur noch mächtiger werden zu lassen. Ähnlich ist es bei der schwarzen Magie. Doch das Ausüben ihrer gleicht eher einem Ritual, in welchem bestimmte Regeln befolgt werden müssen.“ Carsten runzelte die Stirn. „Aber bei der normalen Magie gibt es solche Rituale doch auch.“ Koja verwarf diese Aussage mit einer Handbewegung. „Dieses bisschen kannst du nicht als Ritual bezeichnen, Crow.“ Ihre blass-lila Augen musterten Carsten. „Ich werde dich die Grundtechniken der schwarzen Magie lehren. Doch zu mehr bin ich leider auch nicht fähig. An unser Volk wurde weniger die schwarze Magie, sondern mehr die Metamorph Magie weitergegeben.“ Carsten schaute sie irritiert an. „Gestaltwandeln?“ Koja nickte. „Fähigkeiten, die über ein Ritual mithilfe der schwarzen Magie erweckt werden können. Doch leider sind das längst vergessene Bräuche und Sitten und selbst der Stamm der Sae hat dieses Wissen verloren.“ „Der Stamm der Sae?“ „Die Sippe, aus der auch deine selige Mutter einst stammte.“, erklärte Koja. Carsten seufzte. Also war Sae der Mädchenname seiner Mutter? Er wusste wirklich nichts über sie… „Koja… Was denkst du wie lange werde ich brauchen, um die Grundlagen der schwarzen Magie zu beherrschen?“ Seine Großmutter überlegte einen Moment. „Du bist ein sehr intelligenter Junge, Crow. Ich schätze, Ende August wärst du in der Lage sie zu perfektionieren, insofern du dich entsprechend bemühst.“ Bedrückt atmete Carsten aus. Er hatte sich nicht viel erhoffen können. Immerhin musste er die Grundlagen perfektionieren, um den Zauber oder eher dieses Ritual abändern zu können. Aber bis Ende August war immer noch mehr als ein halber Monat. Durfte er sich diese Zeit wirklich nehmen? Oder wäre es schlauer einen erfahrenen Meister zu bitten den Zauber zu sprechen? Koja schaute ihn mit warnenden Augen an. „Ich weiß, was du denkst, Crow. Leider gibt es keinen kürzeren Weg.“ Also hieß das bis Ende August schwarze Magie lernen. Auch wenn sich Carsten fragte, warum seine Großmutter so gut Bescheid zu wissen schien. Hosted by Animexx e.V. 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