Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 46: Verlust ------------------- Verlust Wie erwartet war keiner von ihnen ausgeschlafen, als sie sich zum Frühstück in der Cafeteria des Krankenhauses versammelten. Susanne hatte maximal zwei Stunden schlafen können und ein Blick auf die anderen reichte aus, um zu wissen, dass es ihnen ähnlich erging. Eagle sah sogar so aus, als habe er gar nicht geschlafen. Was besonders für ihn schlecht war, denn die beschleunigte Heilung der Wunden verlief normalerweise im Schlaf am besten. Plötzlich kam Saya zu der schweigsamen Gruppe. „Falls ihr mit Carsten reden wollt, er ist seit einer halben Stunde wach.“ „Echt?!?!?“, rief Laura aufgebracht und sprang auf. Saya nickte lächelnd. „Ja, aber versucht bitte ruhig zu bleiben. Es geht ihm… Na ja…“ Der Rest hatte schon verstanden und nickte betrübt. Es war ein fürchterliches Gefühl das Susanne überkam, als sie Carstens Krankenzimmer betrat. Carsten lag reglos im Bett schaute einfach nur auf die Decke. Sein Blick war leer und trostlos. Aus den Augenwinkeln bemerkte Susanne, wie Laura sofort beim Betreten des Zimmers mit den Tränen zu kämpfen hatte. Und sie konnte es nur zu gut verstehen. Carsten strahlte eigentlich immer so ein Licht aus, ein Licht voller Lebensfreude. Doch nun war noch nicht einmal einen Funken davon zu erkennen. „Wie geht es dir?“, fragte Susanne ihn vorsichtig. Seine matten lila Augen richteten sich nur kurz auf sie, ehe Carsten den Blick senkte. Doch eine Antwort bekam sie nicht auf ihre Frage. Susanne tauschte einen besorgten Blick mit Janine aus, ehe sie es den anderen gleichtaten, die sich bereits um Carstens Bett versammelten. Schweigend beobachtete sie, wie sich Laura auf die Bettkante setzte und Carstens rechte Hand nahm, da diese Seite von Jacks Angriff weitgehend verschont geblieben ist. Allerdings nicht ganz, denn nach und nach würde Carstens gesamter Körper durch Jacks Erd-Energie gelähmt werden… „…Konnte Lissi was herausfinden?“, fragte er plötzlich mit schwacher Stimme. Fragend schaute Susanne ihre jüngere Zwillingsschwester an, sowie weitere ihrer Gruppe. Lissi hatte ihnen immer noch nicht berichtet, was sie nun von Lukas erfahren hatte. „Na ja…“, setzte Lissi zögernd an und schien sich zum ersten Mal unwohl dabei zu fühlen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Schließlich seufzte sie. „Es war kaum auszuhalten. Lukas gehört zu den Leuten, die total jammernd werden, wenn sie betrunken sind. Er hat mir eigentlich die ganze Zeit nur vorgeheult, dass ‚sein Herr‘ ihn gar nicht wirklich zu schätzen weiß aber dafür so viel von Jack hält und ihn bevorzugt und so weiter.“ „Also hast du nichts erfahren?“, fragte Ariane leicht enttäuscht. „Doch, schon…“, erwiderte Lissi. „Aber leider nicht viel. Das war auch ein Punkt auf Lukas‘ Jammer-Liste: Dass ‚sein Herr‘ ihn in kaum was einweiht, weil er ihm nicht vertraut oder warum auch immer. Aber von Mars Plänen wusste er trotzdem ein bisschen was, wenn auch nichts Detailliertes. Zum Beispiel, dass Mars vorerst nicht mehr vorhat, die Dämonenbesitzer zu fangen, da er erkannt hat, dass ihm ständig ein Strich durch die Rechnung gemacht wird.“ Susanne merkte, wie Janine erleichtert aufatmete, doch Anne klang kritisch als sie meinte: „Ich bezweifle, dass uns das freuen sollte…“ Lissi nickte und kringelte sich leicht nervös eine ihrer schwarzen Locken um den Zeigefinger. „Lukas hat gemeint, dass Mars nun jemand anderen ins Visier nehmen möchte: Den ‚Erben des Yoru-Clans‘.“ „Was?!?“ Panisch schaute Laura zu Benni rüber, der äußerlich von allen noch am wenigsten betroffen wirkte. Was bei seinem Charakter allerdings zu erwarten war. „A-aber… Sie wissen ja nicht, dass es Benni ist, oder? Oder?!?“, fragte sie Lissi verzweifelt. Diese zuckte mit den Schultern. „Also Lukas schien es nicht zu wissen, aber das soll nichts heißen. Denn er hat gemeint, dass Mars mal erwähnt hat, die Yorus hätten seit Generationen ein ganz bestimmtes Erkennungsmerkmal. Aber keine Ahnung, was das sein soll.“ Fragend schaute Öznur in die Runde. „Weiß es jemand von euch?“ Doch anscheinend wusste es keiner, noch nicht mal Carsten, oder gar Benni selbst. Saya überlegte. „Wir könnten Jacob und Samira fragen, sie müssten es noch am ehesten wissen. Oder Nicolaus.“ „Frau Yoru hat doch sowieso vorgeschlagen, dass wir ihn mal fragen können wegen… Wegen der Dämonenwaffe…“, meinte Janine vorsichtig. Dennoch wich Carsten den Blicken der anderen aus. „Es gibt kein Heilmittel…“, sagte er matt. „Vielleicht doch!“, widersprach Laura und versuchte optimistisch zu klingen. „Immerhin hat Herr Yoru gemeint, dass er mal davon gelesen hat, oder so.“ „Wir müssen es wenigstens versuchen.“, gab Ariane ihr Recht. Öznur nickte euphorisch. „Genau, wir lassen dich nicht einfach so sterben!“ Susanne konnte Carstens Reaktion darauf nicht wirklich deuten. Sie wusste nicht, ob er nun gerührt war oder einfach traurig und verzweifelt. Aber seine Angst konnte sie erkennen, seine Angst davor, zu sterben. Sie war deutlich zu sehen, als Carsten zu versuchen schien, seinen linken Arm zu bewegen und dieser Versuch ein Misserfolg blieb. Der Arm war anscheinend bereits vollständig gelähmt. Carsten biss die Zähne zusammen, als wolle er ein Aufschluchzen verhindern. Doch die Angst die er hatte, konnte er vor den anderen nicht verbergen. „Das reicht, wir müssen zu Herr Weihe!“ Hilfesuchend schaute Laura Benni an und richtete sich auf. „Sofort!“ „Nein!“, schrie Carsten plötzlich auf und ließ alle anderen zusammenzucken. „Bleibt hier. Lasst mich nicht alleine…“ Am Ende war seine zitternde Stimme kaum mehr zu hören. Saya legte ihrem Stiefsohn die Hand auf die unverletzte Schulter. „Ganz ruhig, Carsten. Du stehst immer noch unter Schock.“ Sie wandte sich an die anderen. „Vielleicht könntet ihr euch aufteilen.“ Öznur nickte. „Gute Idee. Laura, du bleibst mit Benni, Susi, Nane und Eagle bei Carsten. Ninie, Lissi, Anne und ich gehen zu Bennis Opa und fragen ihn.“ Ariane verdrehte die Augen. „Benni sollte schon mitgehen, wenn ihr seinen Opa besucht, oder?“ „Dann sollte Anne vielleicht bei uns bleiben.“, meinte Susanne. „Ein Angriff ist zwar unwahrscheinlich, aber es sollte doch jedenfalls ein guter Kämpfer da sein und Eagle ist dafür noch zu angeschlagen.“ „Kein Problem.“, meinte Anne nickend. „Okay, dann kommt endlich!“, drängte Öznur sie. „Ich teleportier uns nach Cor.“ „Ähm Özi… Ich würde das lieber machen.“, äußerte sich Janine zögernd. „Wieso denn?“ Verwirrt schaute Öznur sie an. „Kannst du dich denn an den Zauber erinnern?“, fragte Ninie. Öznur wollte schon zu einem ‚Ja, klar!‘ ansetzen, als sie innehielt und verlegen den Kopf schüttelte. Janine kicherte. „Deshalb mache ich das lieber.“ Eagle verdrehte die Augen. „Echt jetzt, irgendwann kannst du den hoffentlich.“ Öznur schnaubte. „Kümmer dich lieber um deine eigenen Sorgen.“ Mit einer Kopfbewegung wies sie auf Carsten, woraufhin Eagle verbissen den Blick senkte. Carsten selbst hatte das allerdings nicht mitbekommen, da er -wenn auch mit schwacher Stimme- mit Benni diskutiert hatte. Anscheinend machte er sich trotz seiner miserablen Lage immer noch Sorgen um seinen besten Freund. Denn Benni erwiderte auf Carstens Bitte nicht mitzugehen, da er sich sonst noch verraten könnte: „Wenn es sich um ein optisches Erkennungsmerkmal handelt, weiß der Purpurne Phönix doch ohnehin schon wer ich bin.“ Carsten schien ihm widersprechen zu wollen, gab die Diskussion allerdings seufzend auf. Benni verließ seinen Platz an der Bettkannte und ging zu Janine rüber. „Ihr müsst Karibera für die Teleportation verlassen.“, bemerkte Saya. „Sisikas Mutter hat eine Magiebarriere um die Stadt errichtet und nur sie könnte sie entschärfen.“ „Sie ist zurzeit daheim, ich kann hingehen und sie darum bitten.“, bot überraschender Weise Eagle sich an. Carsten warf einen verwirrten Blick auf seinen Bruder. Anscheinend wusste er noch gar nicht, dass Eagle inzwischen die Wahrheit über ihn erfahren hatte und sich nun bemühte, seine Taten irgendwie wieder gut zu machen. Saya schüttelte entschieden den Kopf. „Du bist immer noch verwundet und musst dich ausruhen.“ Bevor jemand anderes zu Wort kam meinte Laura plötzlich: „Ich kann das machen!“ Verlegen biss sie sich auf ihre Unterlippe, was wohl ihre Angewohnheit war, wenn sie nervös wurde. „A-also ich meine… Ich kenne den Weg ja und Carstens und Eagles Oma auch… Also… deshalb… ähm…“ „Beeile dich.“, unterbrach Benni sie, bevor ihr mangelndes Selbstvertrauen sie von dieser Idee abbringen konnte. Verwundert schaute Laura ihn an und Susanne war sich ziemlich sicher ein dankbares Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben, als sie meinte: „Mach ich.“ und kurz darauf bereits aus dem Zimmer geeilt war. Anne schnaubte. „Du lässt das ernsthaft Laura machen?“ „Wieso nicht?“, erwiderte Benni daraufhin nur. „Lass sie doch Banani, du hast doch gesehen, wie sehr es sie gefreut hat, mal eine wichtige Aufgabe zu bekommen.“, erwiderte Lissi und musste kichern. „Lauch ist so süß!!!“ Öznur lachte auf. „Oh ja. Und es ist gut, dass Benni sie das hat machen lassen. Etwas mehr Selbstwertgefühl kann Laura nicht schaden.“ „Und außerdem würde es noch länger dauern zu Fuß aus der Stadt zu gehen.“, fügte Eagle hinzu. „Sogar Laura ist da schneller.“ „U-und woran merke ich, dass die Barriere aufgehoben wurde?“, fragte Janine. „Das spürst du.“, antwortete Carsten und klang beängstigend erschöpft. Hoffentlich gab es ein Gegenmittel für ihn… Und hoffentlich fanden sie es auch rechtzeitig. Etwa zwei Minuten später hatte Susanne auf einmal das Gefühl, als würde man ihr eine Last von den Schultern nehmen, die sie zuvor gar nicht bemerkt hatte und sie war sich hundert prozentig sicher, dass es sich dabei um die Magiebarriere handelte, die nun aufgelöst worden war. Auch Janine schien es bemerkt zu haben, denn sie meinte: „Okay, dann sehen wir uns später.“ „Wir haben aber kein Problem damit, wenn du auch ohne uns gesund wirst, Cärstchen.“ Lissi warf ihm einen Luftkuss zu und entlockte durch ihre Eigenart tatsächlich ein kleines, wenn auch melancholisches Lachen von Carsten. Susanne beobachtete den kleinen Kreis, der in einem strahlend gelben Licht verschwand, als Janine den Teleportzauber gesprochen hatte. Nachdem sie weg waren, ging Eagle zu dem zweiten Bett in diesem Zimmer und ließ sich erschöpft darauf fallen. „Brauchst du etwas?“, erkundigte sich Saya fürsorglich, doch Eagle schüttelte den Kopf. „Versuch trotzdem etwas zu schlafen.“, riet sie ihrem Stiefsohn. „Und du versuchst das am besten auch.“, meinte sie, nun an Carsten gewandt. „Ich kann euch Tabletten bringen, wenn ihr wollt.“ Etwa im selben Augenblick lehnten Eagle und Carsten ihr Angebot mit einem Kopfschütteln ab. „Okay, dann gehen wir mal und lassen euch etwas Ruhe.“ Ariane warf den beiden Jungs ein kurzes Lächeln zu. „Und falls ihr was braucht, lasst es uns wissen.“, meinte Susanne noch, ehe sie gemeinsam mit dem Rest das Krankenzimmer verließ. Auf dem Gang seufzte Anne schließlich: „Wir haben die beiden jetzt nicht ernsthaft in einen Raum gesteckt, damit sie sich versöhnen können, oder? Oh Mann… Warum mach ich bei so ‘nem Unsinn auch noch mit?“ „Weil du sonst als einziges Mädchen dageblieben wärst?“, stichelte Ariane grinsend. Annes Augenverdreher ignorierte sie und ergänzte stattdessen: „Außerdem hat sich doch schon des Öfteren gezeigt, dass zwei Leute alleine lassen die beste Möglichkeit ist, damit sie sich wieder vertragen. Siehe Laura und Benni.“ Trotz der gegenwärtigen Situation musste Susanne kichern. ~*~ Kaum waren sie in Cor in einer kleinen unscheinbaren Seitengasse angekommen, spürte Öznur schon, dass etwas nicht stimmte. Benni schien es ähnlich zu gehen, denn ganz untypisch für seinen sonstigen Charakter, stieß er einen Fluch in einer anderen Sprache aus und war plötzlich verschwunden. Inzwischen kannte auch Öznur den Grund ihres unguten Gefühls. „Ein Feuer!“ Die Mädchen tauschten einen besorgten Blick aus und verließen die Seitengasse. Sie eilten die Einkaufsstraße entlang und wurden schließlich von einem Knäuel Menschen aufgehalten, das sich vor einem kleinen Laden versammelt hatte, um geschockt das Geschehen zu begaffen. Jedoch wirkten sie bei weitem nicht so geschockt wie die Mädchen, die sofort erkannten, um welchen Laden es sich hier handelte. Die Feuerwehr war zwar bereits eingetroffen, aber auch wenn sich unter den Feuerwehrmännern sogar ein paar Magier befanden, schienen sie Schwierigkeiten zu haben, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen. „Wo ist Benni?!“, rief Janine ihnen in dem Getöse fragend zu. „Ich kann ihn nirgends sehen!“ „Vermutlich drinnen.“, meinte Lissi und wandte sich an Öznur. „Dösi, wir müssen das Feuer löschen!“ „Aber was ist, wenn es genauso ist, wie das Feuer damals, das Eufelia getötet hat?!“, fragte Öznur verzweifelt. „Das hatte nicht auf mich gehört!“ „Bitte versuch es wenigstens!“, flehte Janine sie an. „Benni ist da drinnen und vermutlich auch Herr Weihe!“ Öznur atmete tief durch und gab sich einen Ruck. Janine hatte Recht, sie musste es wenigstens versuchen! Sie konzentrierte sich darauf, die Flammen unter Kontrolle zu bekommen und spürte, dass es sogar funktionierte! „Da ist Bennlèy!“, rief Lissi plötzlich und packte Öznur und Janine am Arm, um sie mit sich zu Benni zu ziehen und riss Öznurs Aufmerksamkeit dadurch von dem Feuer los. Benni kam gerade aus einer flammenfreien Lücke, wo vermutlich einst die Tür war. Öznur konnte spüren, dass er sich diese Öffnung mit seiner eigenen Feuer-Energie gemacht hatte, weshalb dieser Brand anscheinend wirklich nicht Mars‘ Werk war. Jedenfalls nicht direkt… Erst jetzt konnte Öznur sehen, dass Benni Herr Weihe nach draußen half, den das Feuer und der Rauch anscheinend sehr geschwächt hatte. Gleichzeitig mit Öznur, Lissi und Janine kamen auch einige Sanitäter mit einer Liege bei Benni an, wo er seinem Großvater drauf half. Jedoch lehnte Herr Weihe seltsamer Weise die erste Hilfe von ihnen ab und wandte sich stattdessen seinem Enkel zu. „Was soll das? Lass dich behandeln.“, bat Benni ihn, doch Nicolaus schüttelte den Kopf. „Das wird mich auch nicht mehr retten…“, erwiderte er mit geschwächter, rauer Stimme und obwohl Öznur diesen lieben, älteren Herrn kaum kannte, überkam ihr bei seinen Worten eine unglaubliche Angst. Benni wollte ihm widersprechen, doch Herr Weihe kam ihm zuvor. „Meine Tochter hat mir erzählt, was vorgefallen ist. Carsten kann noch gerettet werden, im Gegensatz zu-“ Er wurde von seinem keuchenden Husten unterbrochen. „Zu mir…“ „Bitte sagen Sie so was nicht!“, flehte Janine ihn an. „Wenn Sie jetzt sofort behandelt werden, dann… vielleicht…“ Doch Nicolaus schüttelte erschöpf aber bestimmt den Kopf. „Ich bin alt… Mein Körper zu schwach…“ Er wandte sich kraftlos wieder Benni zu. „Suche nach ‚Coeurs Vermächtnis‘. Was genau das ist-“ Erneut überkam ihm ein schmerzhafter Husten. „…das weiß ich leider nicht…“ „Jii-chan…“, setzte Benni an, doch anscheinend wusste er nicht, was er sagen sollte. Es brach Öznur das Herz, als sie die Welle von Trauer in Bennis Stimme hörte. Von Laura wusste sie, dass ‚Jii-chan‘ ein liebevoller Ausdruck für Großvater war, was ihr zeigte, dass Benni seinen Opa anscheinend sehr mochte, obwohl er bis vor einigen Wochen noch nicht einmal gewusst hatte, dass sie verwandt waren. Und kaum hatte seine Familie endlich die Möglichkeit, sich wieder zu vereinigen… Mit letzter Kraft wuschelte Nicolaus durch Bennis Haare und lächelte zu seinem Enkel hinauf. „Danke, dass du der letzte bist… den ich sehen darf…“ Benni kniff die Augen zusammen und nahm seinen Großvater in die Arme. Öznurs Herz zog sich bei dem Anblick der zwei schmerzhaft zusammen und sie machte sich gar nicht erst die Mühe, gegen die Tränen anzukämpfen, die ihr kamen. Erst recht nicht, als Nicolaus langsam den Arm sinken ließ und kurz darauf in Bennis Armen starb. Janine wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und ging dann zu Benni rüber, um ihm eine Hand auf seinen zitternden Arm zu legen. Öznur hatte keine Ahnung, was sie nun machen sollte… Sie konnte nur noch da stehen und schweigend beobachten, wie sich Benni an Nicolaus leblosen Körper klammerte. Schließlich war es einer der Sanitäter, der Benni behutsam aufforderte, ihn loszulassen. Widerwillig folgte Benni dieser Bitte, doch trotz seines zitternden Körpers wirkte seine Mimik seltsam emotionslos, schon fast so wie eingefroren, während er beobachtete, wie die Sanitäter mit dem Leichnam seines Großvaters wegfuhren. Auf die Frage, ob er mitkommen wolle hatte Benni nur mit einem schwachen Kopfschütteln geantwortet. Vorsichtig legte Öznur ihm eine Hand auf die Schulter. „Lass uns zurück nach Indigo gehen…“ Denn dort war Laura und auch wenn Benni es sich nur ein bisschen anmerken ließ, er brauchte unbedingt Trost. Und den konnte er nur bei Laura finden. Doch Benni hatte anscheinend ganz andere Gedanken. „…Er weiß es…“ „Was?“, fragte Janine verwirrt. „Mars weiß-“ Der Blick, den Benni Janine kurz darauf zuwarf, war nicht mehr ganz so beherrscht. „Bring mich nach Yami.“ Seine Aufforderung verwirrte Janine allerdings nur noch mehr. „Schnell!“ Nun klang Bennis Stimme tatsächlich drängend und auch leicht besorgt. „Bring mich zu den Yo- zu meinen Eltern!“ Nun hatte auch Janine verstanden, denn sie griff eilig nach Bennis und Öznurs Hand und Öznur schnappte sich schnell noch Lissi, ehe Janine die vier weg teleportierte, ungeachtet der Menschenmasse, die sich um sie befunden hatte. ~*~ Aufgrund der Magiebarriere kamen sie an der Stadtgrenze von Zukiyonaka an, doch das Anwesen der Yorus befand sich glücklicher Weise keine Meile von ihnen entfernt. Mit seiner übermenschlichen Geschwindigkeit war es Benni ein Leichtes, das Haus innerhalb weniger Minuten zu erreichen, was die einzige Möglichkeit für ihn war, nicht zu spät zu kommen. Denn seit ihrer Ankunft in Yami wusste er bereits über Lukas Anwesenheit bei Samira und Jacob Bescheid. Benni brach die Hintertür auf und ließ sich von seinen Sinnen durch die Villa führen, bis er einen Raum betrat, der seiner beträchtlichen Anzahl an Büchern nach die Bibliothek des Hauses war. Ihn überkamen mehrere Eindrücke auf einmal. Das gewaltige Büro mit den vielen dunklen Regalen und Büchern, mit den Gerüchen von Holz und Papier, den Samtsofas und –sesseln auf einem dunkelroten Teppich und der massive Holzschreibtisch vor dem großen Fenster mit Lesecouch. Lukas auf dessen Gesicht sich ein regelrecht psychotischer Ausdruck abzeichnete und der einen Dolch in der geballten Faust hielt, von dem dunkles Blut auf den nahezu gleichfarbigen Teppich tropfte. Und schließlich Samira, die vor ihrem Mann kniete, einerseits um ihn an den Schultern zu rütteln und in zu versuchen, durch ihre Stimme aus der Ohnmacht zu wecken und andererseits, um ihn mit ihrem Körper vor Lukas zu schützen. Unter Jacob wiederum breitete sich eine dunkle Blutlache aus, die von einigen tiefen Stichwunden im Schulterbereich ausgingen. All diese Eindrücke fielen in nicht mal einem Augenschlag auf Benni ein und Lukas hatte seine Ankunft noch gar nicht realisiert, als ein Hieb von Benni in die Magengrube Lukas durch den großen Raum schleuderte und ihn gegen den schweren Schreibtisch krachen ließ, wo er benommen liegen blieb. Benni ging zu den Yorus rüber, wo er mithilfe Jacobs auf dem Sofa liegender Sweatjacke die Blutung an der Schulter seines Vaters zu stoppen zu versuchte. Unmittelbar fühlte sich Benni an den nahezu identischen Moment erinnert, als er in Carstens Blut kniete, in der Hoffnung, das was er tat würde seinem besten Freund irgendwie helfen. „Ruf einen Krankenwagen.“, meinte er, an Samira gewandt, die allerdings erwiderte: „Das hat Jonathan bereits gemacht…“ „Du verdammter…“ Zerknirscht mühte sich Lukas auf die Beine, mit dem Vorhaben, Benni anzugreifen, doch ein Gedanke reichte ihm, um Leon Lenz‘ Neffen mit Dornenranken festzuhalten, die ihn daran hinderten, auch nur eine kleine Bewegung zu tätigen. Zeitgleich mit dem Butler Jonathan nach seinem Telefonat trafen auch Lissi, Öznur und Janine ein, die inzwischen das Anwesen ebenfalls erreicht hatten. „Was ist passiert?!“, erkundigte sich Öznur aufgebracht, doch ein Blick auf Lukas bot ihr ausreichende Erklärung. „Ich hätte es mir denken können…“ Lukas antwortete auf ihre Feststellung mit einem irren Lachen. „Ja hättest du.“ Sein verrückter Blick richtete sich auf Benni. „Doch ich hätte mir nie gedacht, dass du es bist! Der Erbe des Yoru-Clans!“ Erneut lachte Lukas und klang dabei nahezu hysterisch. „Du!!! Der Waldläufer, der weder eine Identität noch gutes Benehmen besitzt!“ Noch während Lukas sprach, entstand ein orange loderndes Portal und niemand geringerer als Jack passierte es. „Also wenn du ihn schon fertig machen willst, dann jedenfalls mit Sachen die auch stimmen.“, kommentierte er und klang ziemlich querulantisch. „Jetzt mal im Ernst, wie kannst du mit diesem Kater von letzter Nacht auf die Idee kommen Drogen zu nehmen?“ „Oh, Lukas ist high?“, stellte Lissi überrascht fest. Jack seufzte. „Leider. Und ich darf das wieder ausbaden.“ „Ooooh, du Armer.“, kommentierte Öznur mit einer alles anderen als mitleidig klingenden Stimme. Jack verdrehte die Augen und befreite Lukas grob aus den Dornenranken. „Mars ist ziemlich angepisst, dass du auf eigene Faust gehandelt hast…“ Unsanft stieß er ihn durch das Portal. „Warte!“, hielt Öznur ihn zurück, als er ebenfalls das Portal passieren wollte. „Das Feuer in Cor. War das auch Lukas?“ Jack schüttelte den Kopf. Eine kleine Geste und doch verriet sie alles. „Du warst es…“, stellte Janine fest und konnte das Entsetzen nicht verbergen. „Was für ein Feuer?“, fragte Samira besorgt, doch niemand brachte es über das Herz, ihr mitzuteilen, dass ihr Vater vor noch nicht einmal zehn Minuten durch besagtes Feuer ums Leben gekommen war… Jack beachtete sie nicht. Selbst sein Blick blieb abgewandt. „Hast du immer noch die Hoffnung, ich würde euch helfen wollen?“ Während Janine betroffen den Blick senkte, schaute Samira ihren Sohn verzweifelt an. „Was für ein Feuer?!?“ Für gewöhnlich hätte Benni ihre Frage nüchtern beantwortet, doch dieses Mal zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen und er wusste nicht, was er erwidern sollte. „Jii-chan ist…“ Mehr bekam er nicht über die Lippen. Und mehr brauchte Samira auch nicht zu hören, um zu verstehen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Nein, das kann nicht… Das darf nicht…“ Inzwischen war der Krankenwagen den Jonathan gerufen hatte endlich eingetroffen, was für Jack der Anlass war, wieder zu verschwinden.
„Man sieht sich.“ Er winkte ihnen kurz zu. „Du bist ein echtes Arschloch, weißt du das?!?“, brüllte Öznur ihm hinterher, als sich das Portal bereits schloss. Nicht viel später betraten die Sanitäter den Raum und kümmerten sich unverzüglich um Jacob. „Frau Yoru, bitte steigen Sie doch schon mal in den Krankenwagen.“, bat einer der Sanitäter Samira, während die anderen ihren Gatten auf eine Trage legten. Doch Bennis Mutter schien nicht dazu in der Lage, irgendwelche Tätigkeiten vollbringen zu können, sei es auch nur eine Reaktion auf diese Bitte. Jonathan schien dies bemerkt zu haben. „My Lady, wenn Sie erlauben werde ich Herrn Jacob begleiten. So können Sie bei den jungen Herrschaften bleiben.“ Samira nickte langsam. „Das wäre sehr nett… Danke Jonathan.“, brachte sie, wenn auch nur sehr schwer, über die Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)