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Green Rain

von

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Verbündete

Es war ein Angriff.

Wir hatten lange dabei zugeschaut, wie die Menschen wie Blumen vom Boden gepflückt worden waren. Obwohl sie sahen, was mit den anderen geschah, startete niemand den Versuch zu fliehen. Sie mussten wirklich hypnotisiert worden sein. Doch dabei blieb es nicht. Nachdem noch kaum jemand übrig war, blieben die fliegenden Ovale plötzlich fern. Die wenigen Menschen setzten sich wieder in Bewegung. Mit einem Mal sahen sie vollkommen normal aus und doch wussten wir, dass sie es unmöglich sein konnten. Nach allem, was sie gerade miterlebt hatten, zeigten sie keinerlei Reaktion darauf. Stattdessen näherten sie sich den umliegenden Gebäuden.

„Schnell!“ Bakura sprang plötzlich auf und rannte los. Ich brauchte einen Moment, nach all der Zeit schnell aufzustehen und folgte ihm nur mit Mühe.

„Wo rennen wir hin?“, wollte ich wissen, während ich meinen Kumpel einholte.

„Denkst du ernsthaft die kommen hier rein, um weiter Unterricht zu machen? Alle die draußen waren sind in den Gebäuden verschwunden. Wenn es stattdessen diese fliegenden Dinger wären, bin ich mir sicher, dass sie nach weiteren Menschen suchen würden. Ich glaube, dass sie die Leute kontrollieren und sie womöglich diese Aufgabe erledigen lassen.“ Das klang durchaus logisch und ließ mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Konnten wir tatsächlich jeden Augenblick einen von denen über den Weg laufen? Und was würde dann passieren? Im nächsten Moment rannten wir um eine Ecke und ich erkannte wo wir waren. Ohne zu zögern, verschwanden wir hinter die Tür in den Geräteraum.

„Ist es hier sicher? Wenn sie nach Menschen suchen, dann werden sie sich kaum von einem Schild abhalten lassen“, brachte ich nach Luft schnappend hervor. Nicht nur befand sich die Sporthalle in einem anderen Teil des Gebäudes, so dass wir gerade eine ordentliche Strecke zurückgelegt hatten, auch lag sie im Erdgeschoss. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns hier jemand über den Weg gelaufen wäre war deutlich größer. Obwohl noch nichts passiert war, stand ich bereits unter Adrenalin.

„Das nicht. Aber hier gibt es schwere Geräte, mit denen wir die Tür blockieren können.“ Und genau das taten wir auch.

Lange saßen wir auf dem Boden ohne etwas zu sagen und lauschten nach Geräuschen. Tatsächlich hatten wir hier und da Schritte gehört. Einmal ein Rütteln an der Tür, dass bei mir für Schweißausbrüche gesorgt hatte, letztendlich aber verstummt war. Von draußen jedoch war deutlich mehr zu hören. Selbst in dem Raum konnten wir immer wieder Schreie, Alarme und anderen Lärm vernehmen. Nachdem nach einer Weile endlich Ruhe eingekehrt war, wagte ich es, die Stille mit einem Flüstern zu durchbrechen.

„Ich frag mich, was da draußen vor sich geht. Ob nur unsere Stadt betroffen ist?“ Bakura schaute mich an, entgegnete aber nichts. „Wie es wohl meinen Geschwistern geht?“ Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht nach draußen gegangen waren. Dass sie sich nun ebenfalls versteckten und wohlauf waren. Ich konnte und wollte mir gar nicht erst vorstellen, dass sie von diesen Dingern eingesammelt worden waren.

„Es wird schon dunkel“, merkte Bakura an. „Wir sollten uns überlegen, was wir jetzt machen.“ Die Hoffnung, dass das alles nur ein Missverständnis war, hatte ich längst aufgegeben. Nichts und niemand hätte mir weismachen können, dass diese menscheneinsammelnden Flugobjekte etwas unbedenkliches waren. Mir war längst klar, dass wir hier eingesperrt waren und heute nicht nach Hause gehen würden. Es vielleicht nie mehr tun würden. Kurz kam mir der Gedanke, dass das Leben, wie ich es kannte, wie wir alle es kannten, vorhin ein Ende gefunden hatte.

„Ich hab hunger“, brachte ich schließlich hervor, während ich mein Gesicht an meinen Knien vergrub. Nicht nur hatte ich hunger, auch war ich müde. Obwohl ich heute nicht viel gemacht hatte, war das alles sehr nervenaufreibend und anstrengend gewesen. Mit einer schnellen Bewegung stand Bakura auf und ging zum Fenster. Ich schaute ihm nur hinterher. Hatte er ernsthaft vor nach draußen zu gehen?

„Ist ja seltsam.“

„Was ist los?“, wollte ich sofort wissen und stand nun ebenfalls auf.

„Die stehen alle draußen rum.“

„Wie die stehen alle draußen rum?“

„So wie ich es sage. Schau's dir doch selbst an.“ Bakura trat einen Schritt zur Seite, um mir auf dem Wagen Platz zu machen. Ohne zu zögern kletterte ich neben ihn und warf einen Blick nach draußen. Es war dunkel und doch schien alles in einen grünlichen Schein gehüllt zu sein. Es dauerte einen Augenblick, ehe ich die dunklen Silhouetten ausmachen konnte, die reglos da draußen standen.

„Wie eigenartig“, merkte ich an. Das würde einerseits erklären, warum es seit einer Weile so ruhig war. Andererseits fragte ich mich, was sie da draußen taten. Es waren auch keine Flugobjekte zu sehen, die wieder irgendwelche Menschen einsammelten.

„Vielleicht schlafen sie“, vermutete Bakura. Das klang nicht wirklich sinnig, nach allem, was heute geschehen war. Doch es könnte uns einiges erleichtern.

„Was sollen wir jetzt machen?“ Fragend richtete ich meinen Blick auf Bakura. Dieser schaute zurück und mir wurde klar, wie dankbar ich für seine Anwesenheit war. Alleine könnte ich das alles mit Sicherheit nicht durchstehen. Kurz dachte ich daran, wie mein größtes Problem heute morgen noch gewesen war, diesem Jungen meine Liebe zu gestehen, während es nun um unser Überleben zu gehen schien.

„Vorräte sammeln.“ Entschlossen sprang Bakura zurück auf den Boden und schaute mich dann fragend an. „Kommst du mit?“ Es bereitete mir ein unwohles Gefühl, unsere Barrikade aufzulösen und diese Tür zu öffnen, ohne zu wissen, was uns dahinter erwartete. Trotzdem nickte ich.

Es dauerte nicht lange, ehe Bakura die Tür vorsichtig öffnete. Wir hatten uns jeweils mit einem Hockeyschläger bewaffnet. Möglichst ohne ein Geräusch zu verursachen schlüpften wir nach draußen und fanden uns auf einem dunklen Flur wieder. Ich war noch nie bei Nacht in der Schule gewesen und selbst ohne die gegebenen Umstände würde ich es unheimlich finden.

Ohne zu sprechen schlichen wir durch die düsteren Gänge, auf dem Weg zur Kantine, wo wir hoffentlich etwas essbares finden würden. Dabei achteten wir auf jedes noch so leise Geräusch. Gerade als wir im zweiten Stockwerk ankamen, hörte ich etwas. Augenblicklich ergriff ich Bakuras Arm, um ihn zurückzuhalten. Ich wagte es nicht, auch nur ein Wort über meine Lippen zu bringen und konnte nur hoffen, dass er es ebenfalls hörte. Er blieb neben mir stehen. Für einige Sekunden schien er zu lauschen. Es war eindeutig ein Geräusch, das nicht von dem Gebäude kam. Doch es war so gedämpft, dass ich es nicht so recht zuordnen konnte.

Bakura nahm meine Hand, mit der ich ihn noch immer festgehalten hatte, und zog mich mit sich. Anscheinend hatte er die Quelle des Geräusches ausfindig gemacht, zumindest wurde es immer lauter, je weiter wir gingen. Es machte mich nervös, dass wir es ansteuerten und ihm nicht einfach aus dem Weg gingen. Was sollten wir machen, wenn wir plötzlich einem anderen Menschen gegenüberstanden? Wer wusste schon, was diese manipulierten Leute taten, wenn sie einen in die Finger bekamen. Ich drückte leicht Bakuras Hand, als wir vor den Toiletten stehen blieben. Der schwache Schein der Laternen, der von draußen durch die Fenster fiel, ließ mich das Symbol auf der Tür erkennen. Wir standen vor der Mädchentoilette. Bakura lehnte sich zu mir, sein Mund keinen Zentimeter von meinem Ohr entfernt.

„Da weint jemand“, hauchte er geradezu, so dass es ganz gewiss niemand neben mir hören konnte. Dass sich darin jemand befinden musste, der gerade weinte war mir längst auch klar geworden. Die Frage war nur, wer es war und ob diese Person harmlos war.

„Und?“, entgegnete ich ebenso leise. Ich spürte, wie mich diese Nähe nervös zu machen begann und versuchte mich augenblicklich wieder zu beruhigen. Gerade hatten wir wirklich ganz andere Probleme, als meine Verknalltheit.

„Du hältst die Tür auf, ich geh rein“, teilte er mir seinen Plan mit. Also wollte er wirklich nachschauen gehen. Ich schüttelte nur den Kopf.

„Ich komm mit.“ Ich konnte ihn unmöglich alleine lassen. Wenn ihm etwas zustieß, dann wäre ich vollkommen alleine. Zu meiner Verwunderung nickte er nur und löste endlich unsere Hände voneinander. Dann öffnete er die Toilettentür möglichst leise.

Im Inneren des Raumes war es stockdunkel. Hier drinnen gab es keine Fenster. Nur Lampen, die wir unmöglich einschalten konnten. Dummerweise verursachte die Tür beim Öffnen ein Quietschen, was das Schluchzen augenblicklich verstummen ließ. Wir erstarrten in unseren Bewegungen. Die nächsten Sekunden war es totenstill. Derart still, dass meine Ohren zu dröhnen begannen. Wir tauschten einen kurzen Blick aus, auch wenn wir diesen in der Dunkelheit nicht deuten konnten.

„Ey!“ Bakuras laute Stimme ließ mich zusammenzucken. Seit Stunden war es das lauteste Geräusch, dass ich gehört hatte, so dass es beinahe schmerzhaft war. Was hatte dieser Wahnsinnige vor? „Wer ist hier?“ Er sprach laut, deutlich und mit einem drohenden Unterton. Ich konnte sehen, wie er seinen Schläger hob, während er auf die Toilettenkabinen zutrat, aus denen das Geräusch gekommen sein musste.

Noch immer stand ich in der Tür und hielt diese offen, damit zumindest etwas Licht in den Raum fiel. Unruhig schaute ich mich um, doch weder konnte ich eine Bewegung noch ein ungewöhnliches Geräusch ausmachen. Wer auch immer hier war, er versteckte sich vor uns. Versteckte sich möglicherweise noch jemand neben uns in der Schule? Kurz kam die Hoffnung in mir auf, dass wir doch nicht die einzigen normal gebliebenen waren. Mit einem gezielten Tritt traf Bakura die erste Kabinentür, die schwungvoll aufflog und dabei ordentlich Krach verursachte. Mehr als nervös schaute ich auf den Flur, da ich befürchtete, dass so welche von diesen manipulierten Leuten zu uns finden würden. Bakura richtete seinen Schläger in die Kabine, doch sie schien leer zu sein. Von meiner Position aus konnte ich nicht wirklich etwas erkennen.

„Verschwinde!“, schrie auf einmal eine Stimme, die eindeutig weiblich war. Sofort wandte sich Bakura der Kabinentür zu, aus der sie gekommen war. Bevor wir noch mehr Lärm verursachten, schloss ich die Tür und betätigte den Lichtschalter. Ob des plötzlichen Lichts, das den Raum flutete, kniff ich meine Augen zusammen. „Was willst du von mir? Ich hab dir nichts getan. Geh einfach weg!“ Das Mädchen war eindeutig hysterisch und klang keineswegs so, als wäre sie eine Gefahr. Mein Kumpel schaute mich kurz an, ehe er erneut sprach.

„Warum soll ich gehen? Was machst du hier?“ Noch immer hielt er den Hockeyschläger bereit.

„Ich fall nicht auf dich rein!“ Sie war derart aufgeregt, dass sie wieder zu schluchzen begann. Irritiert schaute ich Bakura an, ehe ich neben ihn trat. Mit einem Mal war ich mir ziemlich sicher, dass sie sich in einer ähnlichen Lage wie wir befand.

„Hey, bist du auch von dieser Schule?“, versuchte ich es vorsichtig, nachdem sie wieder etwas ruhiger geworden war. Ich bekam keine Antwort, weswegen ich weitersprach. „Warst du heute Mittag bei dem Alarm draußen?“

„Wer seid ihr? Was wollt ihr von mir?“ Noch immer schrie sie, obwohl ihre Stimme eindeutig zitterte. Ich fühlte mich mehr als schlecht, dafür verantwortlich zu sein, aber irgendwie mussten wir ihr doch helfen.

„Ähm, ich heiße Marik und mein Kumpel hier Bakura.“

„Marik“, unterbrach mich Bakura und warf mir einen fragenden Blick zu.

„Was denn? Denkst du sie ist eine Gefahr?“, flüsterte ich ihm zu, auch wenn ich mir sicher war, dass meine Worte deutlich zu hören waren. „Wir hatten den Alarm irgendwie verpasst und auf einmal waren alle weg. Wir haben uns hier in der Schule versteckt und wollten jetzt etwas zu essen suchen, als wir dich gehört haben“, erklärte ich dem Mädchen ruhig, in der Hoffnung, so sein Vertrauen zu erlangen.

„Ihr habt euch versteckt?“ Endlich sprach sie ruhig.

„Irgendwas komisches geht hier vor sich“, erwiderte ich.

„Wie wärs, wenn du rauskommst und wir normal reden?“, mischte sich Bakura ein.

„Woher soll ich wissen, ob ich euch vertrauen kann?“ Das Mädchen war definitiv misstrauisch. Ich fragte mich, was sie erlebt hatte.

„Wenn wir es wollten, dann hätten wir dich längst da rausgeholt.“

„Bakura“, beschwerte ich mich. Mit seinem Verhalten wirkte er mit Sicherheit nicht vertrauenswürdig auf das Mädchen.

„Was denn? Früher oder später muss sie eh rauskommen, außer sie will hier verhungern.“ Während ich ihn tadelnd anschaute, war auf einmal ein Klacken zu hören. Wir beide schauten zur Kabinentür, als diese sich zögerlich öffnete.

Zum Vorschein kam ein Mädchen mit zum Zopf gebundenem, violettem Haar. Ihre blauen Augen sahen verheult aus. Generell wirkte sie sehr verängstigt. Augenblicklich hatte ich Mitleid mit ihr, während ich meine Furcht und Vorsicht längst vergessen hatte. Bakura legte seinen Hockeyschläger über seinen Schultern ab. Anscheinend schätzte er die Situation ähnlich wie ich ein.

„Na geht doch.“ Einen Moment musterten wir uns gegenseitig. Während das Mädchen eine abwehrende Körperhaltung einnahm, dachte ich über angemessene Worte nach.

„Also, wie heißt du?“, fragte ich sie schließlich erst einmal nach ihrem Namen.

„Miho.“ Ich nickte knapp.

„Es ist schön, hier noch jemand normalen zu treffen.“ Das war es wirklich. Auch wenn es letztendlich nichts an der Gesamtsituation änderte. „Kannst du uns sagen, was heute Mittag passiert ist?“

„Bei dem Alarm?“, fragte sie nach, sprach dann aber weiter, ehe ich antworten konnte. „Wir sind alle rausgegangen. Die Lehrer wussten auch von nichts und wir dachten es würde wirklich brennen. Der Himmel war auch so komisch und dann gingen diese Sirenen los. Wir hatten gerade darüber geredet, was es damit auf sich haben könnte, als ich etwas am Himmel sah. Irgendwas großes und ich... ich weiß nicht, ich bin zurück zur Schule gerannt.“ Während sie sprach, wurde ihre Stimme immer ruhiger. Ich dachte sofort an die fliegenden Objekte, die bereits heute Mittag dagewesen sein mussten.

„Du hattest Schiss“, merkte Bakura wenig taktvoll an.

„Na und?“, ging Miho ihn an und wandte sich dann wieder mir zu. „Anzu ist mir hinterhergelaufen, um mich zurückzuholen. Während sie mich beruhigt hat, hat es angefangen zu regnen. Es war alles so seltsam, dass wir in der Eingangshalle gewartet haben, bis die anderen zurückkamen.“ Miho klang, als wäre es ihr unangenehm darüber zu reden, doch mich interessierte etwas ganz anderes.

„Wo ist diese Anzu jetzt?“ Wenn es wirklich am Regen gelegen hatte, dann musste sie auch noch normal sein. Zumindest wenn unsere Vermutung stimmte. Mihos betroffener Blick sprach Bände. Es war eindeutig, dass etwas geschehen war, was auch den momentanen Zustand des Mädchens erklärte. Sie senkte ihren Blick, während sie mit leiser Stimme weitersprach.

„Als alle wieder rausgegangen sind, wussten wir nicht was los ist und sind mitgegangen. Die anderen haben uns vollkommen ignoriert, als würden sie von jemand Fremden gesteuert werden. Wir sind nicht mit rausgegangen, weil wir ein schlechtes Gefühl hatten. Als dann diese Dinger kamen... Sie hatten einen nach dem anderen geschnappt. Unsere Freunde waren da und Anzu ist... sie ist...“ Miho brach in Tränen aus und ich musste an mich halten, sie nicht zu trösten. Ich war mir unsicher, ob es ihr recht wäre.

„Sie haben sie geschnappt?“, vermutete Bakura, als sie nicht weitersprach. Zu unserer Verwunderung schüttelte sie den Kopf. Kurz wischte sie sich über die Augen, ehe sie mit zitternder Stimme weiter erzählte.

„Anzu hatte einen Freund. Sie wollte ihn und auch die anderen von dort wegzerren, doch sie haben nicht reagiert. Ich... ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber sie hat ihn schließlich geküsst.“ Sie klang eindeutig schuldbewusst. Ich konnte mir denken, dass sie zu große Angst gehabt hatte, als dass sie ihrer Freundin geholfen hätte, sprach es aber nicht an. Glücklicherweise hielt auch Bakura seine Klappe. „Sie ist bei ihm geblieben und er wurde auch... verschont. Es waren nicht viele übrig, doch sie schienen auf einmal aus ihrer Trance erwacht. Sie reagierten auf einen, sprachen auch mit einem, aber es war unheimlich. Selbst Anzu war es zu viel. Wir sind abgehauen und haben uns versteckt.“ Mein fragender Blick bohrte sich geradezu in Miho. Meine Frage nach Anzus Verbleib war noch immer nicht beantwortet. „Wir hatten uns in einem Klassenzimmer eingesperrt, als Anzu... als sie...“ Erneut brach das Mädchen in Tränen aus und ich konnte in Bakuras Gesicht deutlich ablesen, dass er genervt war. Nun trat ich doch an das Mädchen heran und legte ihm eine Hand auf den Kopf. Augenblicklich stoppten ihre Tränen, während sie mich überrascht anschauten.

„Ist okay“, versuchte ich sie zu beruhigen. Sie schüttelte nur knapp den Kopf.

„Sie hat sich plötzlich verändert“, brachte sie schließlich hervor. „Sie wurde so wie die anderen und wollte mich angreifen. Sie hat davon gesprochen, dass sie mir helfen wollte, doch sie klang nicht wie sie selbst. Ich bin weggerannt und habe mich hier versteckt.“ Miho atmete hörbar aus und machte damit deutlich, dass sie fertig war. Fragend schaute ich zu Bakura, der nachdenklich aussah.

„Wie seltsam. Sie war nicht im Regen. Sie hat sich auch erst später verändert“, fasste er mehr an sich gewandt zusammen.

„Sie hatte Kontakt mit ihnen“, merkte ich an, während ich meine Hand wieder zurückzog.

„Was soll das heißen?“, wollte Miho wissen, die sich nur langsam wieder beruhigte.

„Irgendwas muss es ausgelöst haben. Am Himmel fliegen irgendwelche Objekte rum und er ist unnatürlich grün. Der Regen heute Mittag kam so plötzlich, dass es möglicherweise etwas damit zu tun hat. Vielleicht war etwas darin, was dieses Verhalten ausgelöst hat.“ Ich nickte auf Bakuras Worte zustimmend.

„Aber danach war doch ganz normal Unterricht.“

„Vielleicht musste es erst wirken, oder so?“, schlug ich vor.

„Und... Anzu?“

„Wir wissen nicht, was es ist. Wenn sie ihren Freund geküsst hat, hat sie es sich vielleicht auch eingefangen. Wollte deine Freundin dich vielleicht beißen oder so als sie dich angegriffen hat?“, wandte sich Bakura an das Mädchen, welches nach kurzem Überlegen leicht nickte.

„Zombies?“, rutschte es mir heraus, ehe ich darüber nachdenken konnte.

„Aus dem All?“ Bakura schüttelte den Kopf. „Aber vielleicht etwas ähnliches.“

„Also sollten wir vorerst Regen und Bisse vermeiden.“ Meine Worte klangen dämlich, doch ich wollte irgendetwas sagen, um irgendwie mit all dem umgehen zu können. Es war alles so unwirklich.

„Klingt gut.“
 

Nachdem wir noch etwas in der Räumlichkeit geblieben waren, uns gesammelt und unsere natürlichen Bedürfnisse erfüllt hatten, hatten wir uns zusammen mit Miho wieder auf den Weg zu unserem eigentlichen Ziel gemacht. An der Kantine angekommen mussten wir feststellen, dass die Tür sperrangelweit offen stand. Wir schauten uns an, auch wenn wir unsere Blicke in der Dunkelheit nicht deuten konnten. Mit den Hockeyschlägern in der Hand gingen Bakura und ich schließlich vor. Miho schloss die Tür hinter uns, doch hier gab es keinen Lichtschalter, den man einfach betätigen konnte. Durch die großen Fenster fiel zwar etwas Licht von draußen, doch es reichte bei weitem nicht, um sehen zu können, was sich in den Ecken des großen Raumes verbarg. Auch wenn neben unseren Schritten kein Geräusch zu hören war, so war ich doch mehr als angespannt. Bakura ging voran, anscheinend genau wissend, wo er hinwollte. Zu gerne hätte ich ihn gefragt, was er vorhatte.

Die Küchentür stand genauso weit offen. Kaum hatten wir sie betreten, wurden wir plötzlich von gleißendem Licht geblendet.

„Bakura, verdammt!“, fluchte ich, während ich den Arm vor meine Augen hob, um zumindest etwas sehen zu können.

„Das Gebäude ist leer“, merkte er an und steuerte einen großen Kühlschrank an.

„Wie kommst du darauf?“ Wie angewurzelt blieb ich in der Tür stehen, während ich den Schläger noch immer fest umklammerte.

„Wir haben doch gesehen, dass sie alle draußen stehen und nichts tun. Wenn hier drinnen welche wären, hätten wir ihnen längst begegnen müssen.“

„Wieso sollten sie das tun?“, fragte Miho, nachdem sie zu meiner Erleichterung auch die Küchentür hinter uns geschlossen hatte.

„Wieso sollten sie wie Zombies durch die Gegend laufen und Leute angreifen?“, stellte Bakura eine Gegenfrage, um deutlich zu machen, dass nichts davon Sinn machte. „Vielleicht ist es eine Art Ruhezustand oder sowas.“

„Oder es ist schon vorbei“, wagte ich es optimistisch zu sein.

„Das werden wir morgen früh dann sehen.“ Bakura hatte seinen Schläger neben dem Kühlschrank an die Wand gelehnt und damit begonnen, das Gerät zu durchwühlen. Auch ich machte mich sogleich daran, in den Schränke nach was brauchbarem zu suchen.

Wir waren eine Weile zu Gange und sammelten alles Essbare in einem großen Topf. Da wir uns einig waren, dass das Chaos, das wir dabei verursachten niemanden mehr stören würde, gaben wir uns erst gar keine Mühe, die Küche ordentlich zu hinterlassen. Als Miho plötzlich einen Wasserhahn aufdrehte, schauten wir sie beide an.

„Was hast du vor?“ Bakuras Frage ließ das Mädchen innehalten und fragend aufschauen.

„Ich hab Durst“, erklärte sie. Nachdem sie es sagte, spürte auch ich, wie trocken mein Mund bereits war. Den halben Tag hatten wir in dem Geräteraum gesessen, ohne eine Möglichkeit zu haben, etwas zu trinken.

„Und du denkst, das ist eine gute Idee?“ Nun schaute auch ich fragend zu meinem Kumpel.

„Sollen wir verdursten, oder was?“

„Weißt du, wo das Wasser herkommt?“, wandte er sich nun an mich. Doch ich konnte nur mit den Schultern zucken. Seit wann hatte Bakura Probleme damit, Leitungswasser zu trinken? „Ich auch nicht. Ich weiß aber sehr wohl, dass Regen in die Erde einsickert und letztendlich auch in den Wasserkreislauf kommt. Vermutlich wird nichts passieren, aber ich würde es an deiner Stelle nicht trinken.“ Er schaute wieder Miho an, die den Hahn augenblicklich abdrehte.

„Dann hoffen wir mal, dass die hier irgendwo noch Getränke rumstehen haben.“ Seine Worte hatten genügt, dass auch ich es nicht mehr trinken wollte. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit gegen null ging, so würde ich dieses Risiko gewiss nicht eingehen.

„Wenn nicht plündern wir die Getränkeautomaten.“
 

Mit unserer reichen Beute hatten wir uns auf de Rückweg gemacht. Miho und ich trugen einen der großen Töpfe gefüllt mit Lebensmitteln, während Bakura einen Kasten mit Getränken schleppten. Unsere Schläger hatten wir unter die Arme geklemmt und ich konnte nur hoffen, dass Bakuras Annahme stimmte und sich in der Schule wirklich niemand befand. Nach wie vor versuchten wir jegliche Geräusche zu vermeiden, dennoch waren wir nicht ansatzweise so leise unterwegs, wie vorhin. Mit jedem Meter wurde ich nervöser, während sich der Weg wie Kaugummi zu ziehen schien. Wäre ich nicht schon so oft durch diese Gänge gelaufen, dass ich sie bereits blind kannte, hätte ich gedacht, dass wir uns verlaufen hatten.

Gerade als wir in den Gang zur Turnhalle einbogen, fiel plötzlich irgendwo im Gebäude eine Tür zu. Sofort erstarrten wir und lauschten in die folgende Stille.

„Meintest du nicht, die Schule wäre leer?“, wagte ich zu hauchen, um so das Dröhnen in meinen Ohren zu lindern. Was auch immer das Geräusch verursacht hatte, es folgten keine Schritte. Zumindest nicht in unserer Nähe.

„Bestimmt nur der Wind.“ Ich war mir nicht sicher, ob Bakuras Antwort ernst gemeint war, doch er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen. „Lasst uns schnell von hier verschwinden. Wir sind gleich da.“

Ohne uns weiterhin Mühe zu geben, möglichst leise zu sein, rannten wir die letzten Meter. In unserem Versteck angekommen verbarrikadierten wir die Tür wieder hinter uns, während ich mit dem Gedanken spielte, das Licht einzuschalten. Dank der kleinen Fenster war es hier drinnen noch dunkler, als im restlichen Gebäude. Ein große Unruhe machte sich in mir breit bei dem Gedanken, dass das Geräusch von eben von dieser Tür gekommen war und sich noch jemand hier drinnen befand.

„Sollen wir das Licht anmachen“, fragte ich schließlich flüsternd.

„Nein“, entgegnete Bakura entschieden, während er sich eine der Flaschen aufmachte und trank.

„Dann wissen sie, dass wir hier sind.“ Mihos Worte mochten stimmen, doch ich fragte mich, ob das noch einen großen Unterschied machte.

„Hast du plötzlich Angst im Dunkeln?“, zog mich Bakura auf, während er mir die Flasche entgegenstreckte. Ich nahm sie an und fragte mich, wie er nach allem noch so gelassen sein konnte.

„Ich würde mich einfach wohler fühlen“, entgegnete ich, ehe ich ebenfalls trank.



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