Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 119: Einen Schritt von außen ------------------------------------ Wieder einmal bewundere ich die Orchideen im Wintergarten. Als ich mich einmal mit Seto über diese Blumen unterhalten habe, habe ich erfahren, dass sie ihn an seine Mutter erinnern. Er hat sich also in dieser völlig feindlichen Umgebung einen Ort geschaffen, an dem er seiner verstorbenen Mutter nah sein und sich geborgen fühlen kann. Feindliche Umgebung? Nun gut, die potentielle Bedrohung durch seinen Adoptivvater Gozaburo existiert nicht mehr. Dennoch ist diese Villa angefüllt mit Orten, an denen sich dieser Mann einem hilflosen Jungen bemächtigt hat. Ein hohes Triggerpotential haben. Wie Seto es überhaupt hier aushält, ist für mich ein Rätsel. Doch bislang sind wir noch nicht an dem Punkt, an dem ich mit ihm darüber reden kann. Doch dafür, dass wir uns erst knapp 13 Wochen kennen haben wir schon einiges erreicht. Nach seinem anfänglichen Blocken hat er sich langsam geöffnet. Wir haben als erstes die Umstände aufgearbeitet, die zu seiner Adoption durch Gozaberu geführt haben. Der Tod seiner Eltern. Der Betrug durch seine Verwandten, die ihm und Mokuba ihr Erbe wegnahmen und die Kinder ins Heim abschoben. Die Wette und das Schachspiel. Eines ist mir da klar geworden: Er war schon vor den Untaten des alten Kaibas gezwungen gewesen seine Kindheit aufzugeben. Seit dem Tod seiner Eltern war er für Mokuba da und hat seinen kleinen Bruder geschützt. Sich stets vor ihn gestellt. Evaluierte verschiedene Optionen und legte sich einen Plan zurecht, um seinen Bruder und sich aus dem Heim zu retten. Seto hat schon in jungen Jahren einen ordentlichen Kraftakt geleistet. Und gerade als er dachte, alles würde sich nun zum Besseren wenden wurde ihm bewusst, welchen fatalen Fehler er gemacht hat. Denn als Kind hat ihm die Erfahrung gefehlt, die einem die Einschätzung eines Menschen erlaubt. Ohne es zu ahnen, hat er sich in eine Position manövriert, in der er einem waschechten, sadistischen Psychopath ausgeliefert war. Diesem Mann fehlte es an jeglichem Mitgefühl. Er hat ein Regelwerk aufgestellt, dass er systematisch ausgehöhlt und pervertiert hat, indem er einem Zehnjährigen immer wieder Aufgaben stellte, die dieser unmöglich hätte erfüllen können. Und die Strafen, von denen mir Seto bislang erzählt hat, waren drakonisch, hart und menschenverachtend. Dass der Junge irgendwann an einen Punkt in seinem Leben kam, an dem er sich das Leben nehmen wollte überrascht mich keineswegs. Eher die Tatsache, dass es nur einen Versuch gegeben hat. Für gewöhnlich findet man bei Kindern und Jugendlichen in vergleichbaren Situationen eine ganze Reihe an Versuchen. Doch die meisten versuchen damit Aufmerksamkeit auf sich und ihre Notlage zu ziehen. Nur ganz selten findet man jemand, wie Seto, dessen Ziel tatsächlich die Selbsttötung ist. Von Isono und seinen Sitzungen, die ich mit ihm jeden Mittwoch führe, weiß ich, dass er ihn gefunden und mit Hilfe meines Kollegen Doktor Akari gerettet hat. Das er Seto half einen Plan zu erarbeiten und umzusetzen, der nicht weniger wollte, als den alten Kaiba zu entmachten und aus der Firma zu drängen, um selbst die Kontrolle zu übernehmen. Die Firma, die die zweite ultimative feindliche Umgebung darstellte. In der sich nicht nur Gozaburo, sondern der gesamte ehemalige Firmenvorstand an Seto vergangen hat. Auch hier wundere ich mich immer wieder, dass Seto dieses Gebäude noch betreten kann, dass so viel Schmerz repräsentiert. Die Räumlichkeiten, in denen er seinen Albtraum immer und immer wieder erlebt hat müssen für ihn doch blanker Horror sein. Aber auch darüber konnte ich noch nicht mit ihm reden. Denn Seto ist längst noch nicht soweit, um mit mir darüber zu sprechen, was er dort erlebt hat. Ich habe hier nur das, was ich von Isono erfahren habe. Er hat mehr mitbekommen, als sich Seto ganz offensichtlich bewusst ist oder er hat dieses Wissen bewusst ausgeblendet, damit er in Isono nach der Firmenübernahme eine Vertrauensperson sehen konnte, vor der er sich nicht zu schämen braucht. Ein weiterer Kraftakt, den man einem fünfzehnjährigen nicht zutrauen würde. Ich höre, wie jemand aus dem Wohnzimmer zu mir in den Wintergarten kommt. Als ich mich umdrehe sehe ich Seto und Katsuya. Ich lächle beide an. Sie sind ein schönes Paar, die beiden. Das Seto mit seinen Erfahrungen überhaupt eine Beziehung und die damit verbundene Nähe zulassen kann ist für mich ein Wunder. Kinder mit vergleichbaren Erfahrungswerten scheuen emotionale Nähe, wie die liebe Seele den Teufel. Doch Katsuyas eigene Erfahrungen als Missbrauchsopfer scheinen ihm zu erlauben auf Seto einzugehen. Er weiß erstaunlicherweise ganz genau, wann er wie mit seinem Freund umzugehen hat und was dieser braucht. Wann es notwendig ist, ihn zu pushen und wann er ihn etwas zurück ziehen muss. Und Seto? Er vertraut ihm blind und bedingungslos. Das er dazu fähig ist, ist erstaunlich und zeugt nur von seiner Kraft und seinem Willen, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich das Ganze nicht etwas kritisch sehen würde. Katsuya war bei seinen Erfahrungen jünger und sie haben ein Jahr gedauert. Auch war der Missbrauch, obwohl ein Gewaltakt an sich, nicht von Gewalttätigkeit geprägt, wie bei Seto. Der Mann, der sich wiederholt an Katsuya vergriffen hatte war kein sadistischer Psychopath, sondern ein Pädophiler, der seinen Trieb ausleben wollte ohne dem Opfer weiter körperlich zu schaden. In zwei Jahren Therapie haben wir anfangs täglich, später zwei Mal die Woche, alle Übergriffe ausführlich aufgearbeitet. Natürlich hatte er am Anfang große Scheu darüber zu sprechen, vor allem weil er Angst hatte, dass seine Eltern ihn weggeben könnten. Doch nachdem ich ihm diese Angst genommen hatte und sein Vertrauen gewinnen konnte war er mir gegenüber immer offen und aufgeschlossen. Er hat mir gegenüber immer frei darüber gesprochen und später in der Gruppensitzung hat er das schließlich auch übernommen. Und mit voranschreitender Therapie kam sein altes, freundliches, offenes Wesen wieder zum Vorschein. So haben wir guten Gewissens die Therapie abgeschlossen kurz bevor sein Vater wieder aus dem Gefängnis kam. Ich hab ihm klar gemacht, dass wann immer er etwas braucht oder sich in einer Situation wiederfindet, in der nicht weiter weiß, zu mir kommen kann. Und tatsächlich saß er mit vierzehn auf den Treppen meiner Praxis. Ich bat ihn herein und hab ihm einen Tee aufgebrüht. Anfangs druckste er noch etwas herum, bevor ich ihn direkt fragte, was los sei. Da hat er gefragt, ob ihn der Missbrauch schwul gemacht haben könnte und ob er jetzt abartig sei, wenn er auf Jungs stehen würde. Ich hab ihn sanft angelächelt und mit ihm ein Gespräch über sexuelle Orientierung geführt. Dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat und an Homosexualität nichts Abartiges wäre. Erst knapp zwei Jahre später stand Katsuya wieder vor meiner Tür. Wieder früh morgens. Also bat ich ihn rein, kochte uns ein Tee und wartete darauf, dass er mir erzählte, was ihn zu mir trieb. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und grinste mich an. Dann eröffnete er, dass er einen Freund hat, mit dem er gern intim werden würde. Ich ahnte schon, was sein Problem war. Er erzählte, dass sie bereits ein wenig Petting gemacht haben, aber immer, wenn es weiter gehen sollte, würde er sich unwohl fühlen und sich aus dem Staub machen. Also haben wir mehrere Sitzungen angesetzt und an dem Problem gearbeitet. Schließlich hatte sich auch das gelöst und Katsuya verschwand wieder aus meinem Blickfeld. Bis... er sich vor drei Monaten wieder meldete. Dieses Mal nicht für sich, sondern für Seto. So viel Angst ich um Katsuya habe, dass er möglicherweise böse getriggert werden könnte, umso stolzer bin ich, dass er Seto so gut zur Seite steht und ihm nach seinen Kräften hilft. Dennoch werde ich ein Auge auf den Blonden haben und bei den ersten Anzeichen, dass er selbst ins Straucheln geraten könnte, werde ich in mir greifen und das entstehende Problem aufarbeiten. Was anderes kann ich nicht tun, denn die Alternative wird weder er noch Seto wohlwollend aufnehmen, noch akzeptieren. Aber vielleicht - hoffentlich - mach ich mir auch völlig umsonst gerade Sorgen. Das wird wohl die Zeit zeigen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)