Zum Inhalt der Seite

Worlds Travel ~ Band Eins: My new Destiny

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Chapter 00 ~ Eine Geschichte wird Erzählt

Ruhe. Dieses eine Wort war es, das die Szenerie, während er durch die Gänge des großen Anwesens schritt, wohl am treffendsten beschreiben würde. Die sonst allgegenwärtigen Bediensteten der Hausherrin Cecilie, bei der er und seine Liebste gnädigerweise seit wenigen Wochen leben durften, schliefen zu solch später Stunde bereits, was wohlmöglich jeder normale Mensch tun würde, doch nicht so er. Er selbst lief mit einer kleineren Laterne, die ihm auf seinem Weg Licht spendete, durch die dunklen Gänge, bis er schlussendlich an einer Tür stockte. Es war die Tür zur hauseigenen Bibliothek, über die diese Villa verfügte. Leise, um keinen allzu großen Lärm zu verursachen, der vermutlich von den steinernen Wänden reflektiert werden könnte, drückte er den Türgriff herunter und trat durch die Tür. Die Kerzen waren schon hell erleuchtet, was ihm mitteilte, dass er nicht alleine war. Und so war es auch, denn nicht unweit von seiner Position entfernt, erblickte er eine junge Frau, die fein säuberlich die verschiedensten Unterlagen zu studieren versuchte. Sie war ein Rotschopf, besaß blaue, aufmerksame Augen und den in seinen Augen schönsten Körper, den er je gesehen hatte. Nun, es war ja auch seine Freundin, Leliana, die er dort erblickte. Und auch wenn er sich sicher war, dass sie stets aufmerksam ihre Umgebung beobachtete, trotz des Scheins der Unachtsamkeit, um Attentaten vorzubeugen, berufsbedingt, wollte er sie bei ihren Nachforschungen nicht stören. Er selbst hatte ja ohnehin ein Ziel, weswegen er an diesen Ort gekommen war. Aufmerksam untersuchte er den Raum. Er war durch und durch mit den verschiedensten Büchern belegt. Von den Namen jeglicher Göttlichen der Kirche, zum Adel von Orlais, bis hin zu den Schlachten zwischen den Qunari und dem Tevinter Imperium, zu wirklich jedem Thema konnte man sich hier weiterbilden. Erneut legte sich sein Blick auf Leliana und ein Lächeln zierte seine Lippen. Kein Wunder, dass sie solch ein helles Köpfchen war, das über jedes Thema Bescheid zu wissen schien, wenn sie hier aufwuchs. Doch er wandte ebenso schnell seinen Blick von ihr ab, wie er ihn auf sie gelegt hatte, auch wenn er sie ungemein gerne in ihrer heimischen Kleidung, die ihr die Bediensteten gebracht hatten, erblickte. Denn ein kleiner aber feiner Schreibtisch in der hintersten Ecke erhielt seine Aufmerksamkeit. Mehrere Stapel leerer Pergamente, wie auch jede Menge Tinte und Federn waren dort vorbereitet worden. Erneut musste er sich bei Lady Cecilie bedanken, die seine Bitte erfüllt hatte.

Seine Schritte trugen ihn an den Platz und die Laterne, die er mitgebracht hatte, stellte er auf eine nahende Fläche ab. Den Stuhl zurückziehend setzte er sich an den Tisch und überlegte für einen Moment. Wie sollte er den richtigen Beginn finden? Dies war für jeden Künstler ein Problem, wenn er etwas aufzuschreiben vermochte. Doch hier ging es nicht nur um irgendeine Arbeit, die er aufschrieb. Nein, es waren seine Memoiren, wenn man so wollte. Seine Abenteuer, die er im letzten Jahr, seit er in diese Welt gelangt war, erlebt hatte. Und diese sollten an niemand Geringeren gelangen als an die zukünftige Göttliche, die noch heute, zu diesem Zeitpunkt, als Ehrwürdige Mutter Dorothea bekannt war. Er schob sich die Papiere zurecht, nahm eine Feder und tunkte diese in das Glas Tinte, das er zuvor geöffnet hatte, ehe er die ersten Zeilen des Pergaments mit Schrift befüllte.
 

Werte Ehrwürdige Mutter Dorothea,

wie von Euch bei unserem letzten Aufeinandertreffen gebeten, sollte ich Euch meine Version von meinem Abenteuer, seit ich in diese Welt gelangte, berichten. Verzeiht, dass ich Eurem Wunsch nicht persönlich entsprechen kann, sondern dies lediglich in Papierform erfülle, doch ich werde Leliana nicht zu Euch begleiten können. In einer Woche wird sie zu Euch reisen, während ich selbst anderorts vom Schicksal erwartet werde, und wie Ihr den Eurigen Weg als Bestimmung des Erbauers erblickt, so sehe ich meinen Weg als das nämliche. Ich hoffe sehr, Ihr versteht dies.

Doch beginnen wir mit dem, worum Ihr mich gebeten habt, und dieser Bitte komme ich nur zu gerne nach. Ich werde nichts beschönigen. Weder die Situationen noch meine Gedanken. Ich erdreiste mich für einen Moment mal dazu, zu behaupten, dass es das ist, was Ihr Euch ohnehin durch meine Erzählung erhofft habt. Ich erbitte mir durch meine Schilderungen lediglich Euer Verständnis für meine Situationen, und dass Ihr Euch diskret an dieses Werk wendet, da es nur für Euch oder Eure engsten Vertrauten bestimmt ist. Doch lasst mich nun anfangen.

Alles begann in meiner Welt. Es war kurz vor meinem ersten Vierteljahrhundert, das ich auf Erden wandelte, sprich meinen 25ten Geburtstag. Ich saß auf meiner Couch und ein paar wenige Freunde von mir waren eingeladen, auf die ich schon ungeduldig wartete. Doch da mich die Langeweile heimsuchte, begann ich damit, ein Videospiel zu spielen. Ein Videospiel ist … nun ja, ein Buch, nur dass Ihr die Personen dieser Handlungen sehen und auch zu einem gewissen Grad in die Handlung eingreifen könnt. Ihr könnt Euch dies vorstellen wie in das Hineinblicken einer Kristallkugel oder eines magischen Spiegels, wenn man so will. Nur eben, dass Ihr diese Personen, die Ihr seht, steuern könnt, zu einem gewissen Grad und die Person eben nicht echt ist. Reiner Fiktion entspringt. Und solch ein Spiel war in meiner Welt, diese Welt hier. Daher kenne ich die Zukunft, so unglaubwürdig dies auch klingen mag. Und ich spielte das Spiel, das über diese Welt handelte. Das Spiel, das über das erneute Auftauchen der Dunklen Brut und dem Beginn der fünften Verderbnis handelte. Ich erstellte mir einen Charakter, was bedeutet, dass ich mir unseren werten Helden von Ferelden, der stets in diesem Spiel die Hauptrolle einnahm und den man steuern konnte. Aus meiner Sicht des Abenteuers eine Ironie des Schicksals, wenn man bedachte, wie unser Abenteuer tatsächlich begann, vom Äußeren her individualisierte. Mir alles von ihm aussuchte, als wäre ich eine Art … „Erbauer“, von Haaren, Nase, selbst die Stimme konnte ich wählen. Und als ich dies erledigt hatte und das Spiel gerade begann, überkam mich eine unsagbare Müdigkeit. So etwas hatte ich wahrlich kaum erlebt in meinem so jungen Leben. Ich vernahm gerade noch, wie mir der Controller, das Zaubergerät, mit dem ich den Helden steuerte, aus den Händen fiel und sich meine Augen schlossen. Das waren meine letzten Augenblicke, die ich seit jeher in meiner Welt verbracht habe. Der Augenblick, bevor mein neues Leben startete. Bevor ich diese Welt kennenlernen durfte, das größte Abenteuer überhaupt erlebte und meine wahre Liebe traf. Der Augenblick, an dem mich der Erbauer selbst in sein Reich, Eure Welt, einlud, sie zu beheimaten. Ich landete in Thedas. Besser gesagt in Ferelden, Highever. Dies war der Tag, an dem ich in einem fremden Körper, in einer fremden Welt, ankam. Erwachte als Aidan Cousland, der zukünftige Held von Ferelden. Ich war ein Cousland.

Chapter 01 ~ Ich bin ein Cousland

Erwacht. Das war es, zumindest zum Teil, was man über den derzeitigen Zustand des jungen Mannes im Bett sagen konnte, der meine Wenigkeit war. Ich kam so langsam wieder zu Bewusstsein. Zumindest wusste ich, dass ich wach war, wenn auch verschlafen, während meine Augen noch immer geschlossen waren. Meine Haut vernahm den weichen Stoff, auf dem ich scheinbar bettete, und sogleich kam mir der Gedanke, ob Morpheus zu Besuch kam und mein Körper vielleicht auf der Couch eingeschlafen war, doch als meine linke Hand vorsichtig meinen derzeitigen Schlafplatz abtastete, hielt ich abrupt inne. Es handelte sich hierbei um feinen Stoff. Ich breitete meinen linken Arm, soweit ich diesen strecken konnte, aus und wiederholte den Vorgang mit dem rechten Arm, während meine Hülle die ganze Zeit auf dem Bauch gelegen war, die bevorzugte Schlafposition meinerseits. Nun wusste ich umso deutlicher, dass ich mich nicht auf meiner Couch befand, denn dafür war das Gebiet, auf dem sich der Körper frei strecken konnte, viel zu groß und weich, wie ich feststellen musste. Selbst mein Bett fühlte sich nicht so an, weshalb auch dies aus dem Rahmen der möglichen Orte, auf denen ich nächtigte, fiel. Mein Gedächtnis konnte sich auch nicht daran erinnern, bei einem Freund übernachtet zu haben, und alkoholisiert mit jemandem mitgegangen sein konnte ich auch nicht, denn zum einen ging es mir zu gut, und zum anderen besaß der Gaumen nicht diesen penetranten Alkoholgeschmack im Mund, der ihn nach jeder durchzechten Nacht heimsuchte.
 

Doch all die Spekulationen halfen nichts, denn ich wollte Antworten. Mir war bewusst, dass ich diese nur erhalten würde, indem sich meine Augen öffneten und kurz bevor die zwei Iriden diesem mentalen Befehl folgten, stockte ich. Erst jetzt vernahm mein Gehör das Atmen, welches nur wenige Meter entfern zu sein schien. Wobei atmen konnte man das schon längst nicht mehr nennen, es war eher ein lautes Schnarchen. Dass dies nicht schon längst wahrgenommen wurde, verwunderte mich dann doch sehr, gerade da ich sonst immer jedes noch so kleine Geräusch wahrnahm. Im Halbschlaf sogar am intensivsten. Einer meiner Flüche, wenn man so wollte, war ich schließlich auch noch mit einem leichten Schlaf gesegnet worden. Bedeutete im Umkehrschluss, dass das Ein- wie auch das Ausschlafen natürliche Feinde meinerseits waren, egal wie herzlich sie von mir begrüßt wurden.

Langsam, als meine Neugierde in mir schlussendlich gewann, öffneten sich meine Augen. Es war zumindest angenehm, so dass sich diese nicht auch sogleich wieder schließen mussten, war es nicht zu hell an diesem Ort. Neben der Helligkeit in diesem Raum nahm das Bewusstsein die Decke des Bettes wahr, in welchem sich der Körper befand. Diese bestand aus braunem Holz und war auf eine seltsame Art und Weise alt wie auch elegant zu gleichen Zügen. Mein Oberkörper richtete sich vorsichtig, ohne zu viel Krach zu verursachen, nach oben und ich ließ meine Augen durch das Zimmer schweifen.
 

Die Wände waren aus altem Stein bezogen, den man von Burgen gewohnt war, nur noch immer in tadellosem Zustand. Es musste also regelmäßig restauriert werden. Doch ich wollte mir keine Gedanken darüber machen, in welchem Zustand die Umgebung war, in der ich mich befand, sondern vielmehr, wie ich an selbigen Ort gelangt war. Meine Blicke richteten sich auf die restliche Einrichtung des doch relativ großen Zimmers, in welchem mein Erwachen stattfand. Sie war fast schon antik, sollte man meinen, so alt, wie die Stühle, der Tisch samt Schrank und Truhen aussahen. Oder die Wandteppiche, alte gewebte Kunst, sofern man es als solche identifizieren wollte, denn meinen Geschmack traf es gewiss nicht. Und doch, egal wie alt dieser Ort zu sein schien, musste man diesen scheinbar regelmäßig säubern, denn nichts hiervon war mit, wie man auf den ersten Blick erkennen konnte, Staub bedeckt, was bei älterem Mobiliar ohnehin noch schwieriger war.

Aus dem Augenwinkel erblickte man Sonnenstrahlen, die sich auf dem steinernem Boden befanden, weshalb meine Augen nun direkt zu der Quelle eben jener blickte. Ein Fenster, welches sich schräg über dem Bett befand, auf welchem ich in diesem Moment noch lag. Das Glas war etwas abgedunkelt, so dass es schon eine gewisse Helligkeit eindringen ließ, doch nicht so penetrant, damit man unwohl aufwachen würde. Schöner Gedanke eigentlich, den ich mir merken würde und hoffte, eine geeignete Baufirma zu finden, die dies vielleicht für mein Schlafzimmer umsetzen konnte.
 

Doch nun hielt mich ein weiterer Gedanke etwas im Griff, denn nicht nur das Erwachen an einem fremden Ort, nein, sondern dass es auch Sonnenstrahlen gab, ließ die Gedanken im Kopf rattern. Als die Müdigkeit hinterrücks zu Besuch kam, war es Abend. Hatte ich meine eigene Feier verschlafen? Oder hatte ich mich so sehr betrunken, abgeschossen sollte man meinen, dass ich mich selbst an den Beginn wie auch an den weiteren Verlauf nicht erinnern konnte? Dies war an sich nicht nur unmöglich aufgrund des fehlenden Katers und da dies an sich gar nicht meine Art war, doch zu meinem Leidwesen war ich meinerseits ja dafür bekannt, ab und an, bei eben meinem Glück, das Unmögliche möglich zu machen, weshalb dann auch nicht in diesem Fall? Mein eigener kleiner Hangover-Moment, der sich über den ganzen Abend streckte. Es sollte ja auch Fälle geben, wo Menschen plötzlich in fremden Ländern aufgewacht waren nach durchzechten Nächten. Laut der Aussage meiner Mutter stammte ich ohnehin von einer Linie ab, die einst in Tschechien, besser gesagt in der Nähe von Prag, in einer Burg lebte. Also befand sich zumindest ritterliches Blut in dieser Blutlinie, falls nicht sogar höher Angesehenes. Wieso sollte ich mir nicht einmal gedacht haben, in meinem jugendlichen Leichtsinn, diesem Familienzweig nachzuforschen? Dies war der einzige Gedanke, der mir, abgesehen von einer Entführung, zumindest ansatzweise realistisch vorkam.
 

Doch all das Mutmaßen half mir nicht weiter und so beschloss ich, dass es an der Zeit war, aufzustehen und mir diesen seltsamen Ort mal etwas genauer anzuschauen. So bekam auch das seltsame schnarchende Geräusch erneut meine Aufmerksamkeit. Und als ich mich langsam erhob, um zu erkennen, von wo dieses herkam, musste ich feststellen, dass dieses von einem Hund verursacht wurde. Meine Liste der Fragen wurde stetig länger, je mehr von mir erblickt wurde.

Ich verließ das Bett behutsam, langsam, um den Hund nicht unnötig zu wecken, da jedes Tier seinen Schlaf verdiente und ich auch nicht wusste, ob der Hund mir freundlich gesinnt war. Da fiel mir das auf, was mich tatsächlich so sehr beunruhigte wie das Aufwachen an diesem Ort ohnehin schon. Ich war, bis auf eine Unterhose, völlig nackt. Und ja, es war eine Unterhose oder wie ich sie seit der fünften Klasse nannte: Eierquetscher. Ich war eher der Boxershorts-Typ. Wer war so krank, dass er mich von Grund auf entkleidete und dann dieses Stück Textil anzog. Der kalte Steinboden unter meinen Fußsohlen gab mir aber zu verstehen, ich solle nicht länger diesen Fragen nachgehen, zumindest in diesem Moment, sondern mich weiterhin meiner jüngst beginnenden Suche nach Kleidung widmen. Und auf dem Boden wurde ich auch recht schnell fündig, wenn sich auch sogleich meine Augenbrauen fragend in die Höhe zogen. So etwas sollte ich anziehen? Dort lagen Kleidungsstücke, vom Oberteil bis hin zu den Schuhen, welche jeglicher Mittelalter-Konvention entsprungen schienen. Eine Burg, mittelalterliche Kleidung … hier erlaubte sich jemand einen schlechten Scherz. Doch lieber lief ich in solch einer Kleidung herum als in gar keiner. Ich hatte ja ohnehin kein Problem mit solch altertümlicher Kleidung, fand ich durch meinen oftmals als seltsam oder komisch betitelten Geschmack so etwas schon schick. Doch wenn ich jetzt so bekleidet durch eine Stadt laufen sollte und mich somit zum Gespött machte, war dies nicht das, was ich mir für den heutigen Tag vorgestellt hatte.
 

Und während ich nun die einzelnen Kleidungsteile überzog, erhob sich der Vierbeiner streckend und setzte sich dann hechelnd vor mich, nachdem er hergetrottet war. Und erst jetzt wurde mir bewusst, wie gigantisch dieser zu sein schien. Er beobachtete mich aus aufmerksamen Augen, während sein Schweif den Boden säuberte. Zumindest schien er in guter Stimmung, konnte das Hinterteil eines Hundes selten lügen. Ich versuchte dies, so gut es ging, erst einmal zu ignorieren. So gut man eben einen riesigen Hund ignorieren konnte, den man nicht kannte und sich fragte, ob dieser einen zerfleischen wollen würde. Immerhin brauchte ich nur noch meine Stiefel anziehen. Doch als auch das getan war, musterte ich den Vierbeiner vor mir etwas genauer, was mir auch sogleich den Atem verschlug. Einen Hund in dieser Art hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen. Der junge Mann, der ich war, hatte zwar schon viele Berichte über große Hunde gesehen, doch solch einen in echt zu erblicken, war mal etwas völlig anderes. Dieser Hund mit dem braunen Fell war groß und stark genug, um sicherlich ohne Probleme ein Pferd zu Fall zu bringen, wenn er sich auf dieses stürzte. Krieger ohnehin. Er sah aus wie eine echte, lebendige Form eines Mabari, eine kluge Hunderasse, welche aus einer meiner Lieblingsspielereihen stammte, aus dem Dragon Age Universum. Angeblich vor Tausenden von Jahren von Magiern gezüchtet und klüger als der durchschnittliche Steuereintreiber, was gelinde gesagt auch nicht allzu schwer ist.

So wie der Hund nun vor mir saß, musste ich irgendetwas tun. So kam es mir zumindest vor, um ihn als Freund zu gewinnen, denn dessen Feind wollte ich nun wirklich nicht sein.

„Hey“, kam es kurz angebunden von dem Brünetten, der mein Selbst verkörperte. Ein anderer Gesprächsanfang kam mir nicht wirklich in den Sinn, was sicherlich an der Nervosität dieser unwirklichen Situation lag und doch sorgte dies dafür, dass der Hund freudig zu bellen begann.
 

„Hast du gut geschlafen, mein Freund?“ Erneut kam ein Bellen, als würde er eine positive Antwort entgegenschleudern wollen. Mein frisch aus dem Schlaf erwachtes Ich wusste, dass an diesem Hund kein Weg vorbeiführte, wenn er dieses Zimmer verlassen wollte, weswegen die direkte Konfrontation gesucht wurde. Daraus resultierte, dass die Hand des Zweibeiners langsam zum Vierbeiner ausgestreckt wurde. Normalerweise wäre ich sicherlich nervös gewesen, doch aus irgendeinem Grund wusste ich, dass dieser Hund mir gegenüber freundlich gesinnt war. Als würde eine Stimme in meinem Hinterkopf diese Mitteilung machen. Oder vielleicht weil er auch bisher solch ein freundliches Verhalten zeigte, ohne mich zu zerfleischen? Vermutlich. Und wie erwartet schnupperte das Tier kurz an der Hand, ehe es seinen Kopf dagegen drückte, wodurch es gekrault wurde. Generell war ich schon immer ein tierliebender Mensch gewesen, doch wenn solch ein Koloss von Hund vor einem saß, da überdachte man tatsächlich jegliches seiner Vorhaben vor lauter Respekt.
 

Langsam, als ich dachte, es wäre genug mit meiner Anfreundung mit diesem Hund, stand ich vorsichtig auf, und schritt an dem Vierbeiner vorbei.

„Dann schauen wir doch mal, wo wir uns befinden“, sprach ich eher zu mir selbst. Doch für einen Moment, so schien es zumindest, blickte mich der Hund verwirrt an, als er seinen Kopf seitwärts legte. Doch mit solch einem absurden Gedanken wollte ich mich nicht länger herumschlagen, denn meine Füße näherten sich bereits der Zimmertür und die ausgestreckten Arme samt Händen öffneten sie. Vor mir erstreckte sich ein großer, flurähnlicher Raum, natürlich ebenfalls im mittelalterlichen Stil. Anscheinend befand sich der Aufwachraum nun an einer kleinen Art von Kreuzung, denn in allen vier Himmelsrichtungen war eine Tür vorhanden. Doch nur von der Tür rechts, welche offen stand, kamen laute Geräusche, als wären viele Menschen dort in der Nähe, weswegen man davon ausgehen konnte, dass dies der Ausgang sein musste. Meine Schritte trugen mich immer weiter in die Richtung genannter Tür, während sich die Iriden weiterhin neugierig umblickten, alles vor der Linse aufsaugten wie ein Schwamm, um bloß keinen versteckten Hinweis zu verpassen, während der Vierbeiner nebenher tapste.
 

„Sir Cousland, Ihr seid wach“, vernahm ich eine Stimme, welche aus der Tür stammte, die ins Freie führte. Dort im Türrahmen stand plötzlich eine schwarzhaarige, junge Frau, welche mich freundlich anlächelte, während ihre braunen Augen sanft auf mir ruhten. Man, hatte die mich erschrocken, so aus heiterem Himmel, doch ich hatte mir nichts anmerken lassen. Der Feind sollte nicht erfahren, wie leicht man selbst zu erschrecken war. Keine Informationen an diesen weitertragen, egal wie unwichtig sie auch sein mochten. Langsam kam sie auf mich zu, ehe sie ein paar Meter vor mir zum Stehen kam und sich vor mir verbeugte. Hatte die ‘ne Macke? Wollte die wirklich solch eine Rolle spielen, dank der Location?

„Euer Vater hat mich zu Euch geschickt, um Euch zu wecken, da das Frühstück angerichtet wurde. Wie ich sehe, ist dies jedoch nicht mehr von Nöten, da Ihr von selbst erwacht seid. Dann lasse ich Euch nun in Ruhe, Mein Lord.“ Sie verneigte sich erneut vor mir, und gerade als sie gehen wollte, hörte ich mich sich selbst ein „Warte!“ rufen und sie stoppte abrupt in ihrer Bewegung, mich mit Verwunderung anblickend. Doch das gleiche Gefühl hatte sich in mir breitgemacht, denn ich war mehr als nur verwirrt. Weshalb sprach sie mit mir so altbacken, verneigte sich sogar, sprach mich mit fremden Namen an und behauptete, mein Dad hätte sie zu mir geschickt. Warte … Cousland? Der Name kam mir doch bekannt vor. Kam der nicht aus dem Dragon Age Universum? Mein Blick wanderte zum Hund. Dieser sah einem Mabari zum Verwechseln ähnlich, doch das konnte doch nur ein enormer Zufall sein. Schließlich kannte ich ja nicht jegliche Hunderasse der Welt und wusste auch nicht, ob sich das Autorenteam von Bioware hat von einer bestimmten Hunderasse inspirieren lassen, auch wenn ich sehr viel über diese Welt recherchiert hatte. Doch noch immer vernahm ich den fragenden Blick, der auf mir ruhte.
 

„Wie habt Ihr mich genannt?“ Ich entschied mich binnen Sekunden dafür, es wäre das Klügste, sie ebenfalls auf diese altmodische Weise anzusprechen, wusste ich ja noch immer nicht, mit welch seltsamen Personen ich es hier zutun besaß. Vielleicht zwangen sie mich ja, an einem Liverollenspiel teilzunehmen, was die ganze Location und die Kleidung wie die Sprache erklären würde. Doch wer war so krank, jemanden für so etwas zu entführen? Und wieso konnte es nicht dieses Liverollenspiel von Harry Potter sein? Dann wäre ich einem Haus zugeteilt worden, am besten ein Ravenclaw, da ich dort am ehesten hingehörte, und hätte auch sogleich mit der Thematik mehr anfangen können als so.

„Sir Cousland. Euer Name lautet doch Aidan Cousland, oder? Falls ich mich geirrt habe, so verzeiht mir bitte vielmals, Eure Lordschaft.“ Beschämt blickte sie zu Boden, während sie sich dieses Mal auf selbigen kniete. Abwehrend, weil mir dieses Szenario äußerst unangenehm war, hob ich die Hände vor mich.

„Nein, es ist meine Schuld. Ich habe mich versehentlich verhört, Euch trifft keinerlei Schuld.“ Ich spielte für den Moment erneut mit und beäugte sie nun etwas genauer.

„So eine hübsche Frau kann mich ohnehin nennen, wie sie will“, hörte ich mich leise schmunzelnd äußern, doch, wie es schien, hatte sie die Worte gehört, weswegen meine Wenigkeit peinlich berührt wegblickte.
 

Also was hatte ich in Erfahrung bringen können bisher? Sie nannte mich Cousland. Dazu Aidan als Vorname, was ironischerweise der vollständige Name des Wächters war, den ich in meinem neu begonnenen Spielstand von Dragon Age Origins erstellt hatte. Konnte es sein, dass ich nun in dieser Welt gelandet war? Nein, völlig unmöglich. Ausgeschlossen. Und doch ließ mich das Äußere des Hundes für einen Moment stutzen. Auch dieser Gang dieses Schlosses sah aus wie in der Origins Vorgeschichte des späteren Grauen Wächters. Meine Iriden verselbständigten sich erneut, während sie durch den Gang schweiften, und erkannten erst jetzt, dass sich links und rechts neben der anderen Tür, wenn man aus dem Zimmer nach links anstelle rechts ging, zwei große Portraits standen. Links ein älterer Mann mit ergrautem Haar und rechts eine ebenso alte Frau auf dem Bild. Beide waren sicherlich erst Anfang bis Mitte fünfzig, doch das Haar ließ sie älter erscheinen. Sie strahlten Anmut aus und eine gewisse Autorität. Würde. Und sie besaßen eine erschreckende Ähnlichkeit mit den beiden Eltern des menschlichen Cousland-Wächters. Entweder waren das verdammt gute Cosplayer und sie lebten diese Liverollenspiele, oder …
 

„Sir, ist alles in Ordnung mit Euch? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?“ Die freundliche und zu gleichen Teilen besorgte Stimme der jungen Frau drang fragend in mein Ohr, weswegen ich aus den Gedanken gerissen wurde und sie nun freundlich lächelnd anblickte.

„Entschuldigt, ich war kurz im Gedanken. Verzeiht meine vielleicht unangemessene Bitte, doch würde es Euch etwas ausmachen, mich auf dem Weg zum Frühstück zu begleiten? Falls dies für Ärger sorgen sollte, bitte leitet die Person an mich weiter, ich würde für Euch bürgen, doch falls Ihr nicht wollt, wäre dies auch kein Problem.“ Ich wusste nicht, wohin ich sollte, um zum Frühstück zu gelangen, und dort würde ich ja auch die beiden Eltern treffen. Wenn diese auch so aussahen wie die Echten, dann … wäre vermutlich das Unmögliche eingetroffen. Doch es bestand noch immer die Hoffnung der Entführung, wobei, war dies den tatsächlich besser? Es besaß beides seine Vor- und Nachteile.

Sie beäugte mich für einen Moment skeptisch, vermutlich war sie über mein Verhalten noch immer besorgt, doch dann erschien auch bei ihr erneut ein Lächeln auf den Lippen.

„Es wäre mir eine Freude, Sir.“ Mit einer Handbewegung deutete ich ihr an, dass wir uns nun in Bewegung setzten und das taten wir beide auch sogleich. Bewusst ließ ich sie ein kleines Stückchen weiter vorauslaufen, damit ich an jeder ihrer Bewegungen erkennen konnte, in welche Richtung wir nun gehen mussten und ich nicht noch seltsamer auf sie wirkte, indem ich eventuelle in eine falsche Richtung ging. In einem Schloss, in dem ich seit immer schon lebte, falls die Dragon Age-Theorie nun tatsächlich der Wahrheit entsprach.
 

„Euer Name lautet?“, kam die Frage über meine Lippen, an die junge Frau gerichtet, um etwas Smalltalk führen zu können. Immerhin wurde es gleich ernst und die Nervosität musste irgendwie verschwinden oder zumindest beruhigt werden. Und um ehrlich zu sein, die junge Frau war über allen Maßen hübsch, da schadete es gewiss nicht, etwas mit ihr ins Gespräch zu gelangen.

„Kathrin. Kathrin Bell, Eure Lordschaft.“ Mir ging diese Titelirrung jetzt schon auf die Eier, um es korrekt auszudrücken, doch das waren eben die Marotten solch eines Zeitalters, weswegen ich mich auf dieses Spielchen weiterhin einließ. Und es hätte mich ja auch schlimmer treffen können, schließlich hätte ich auch als Bauer hier landen können. Und schwerfallen würde mir solch eine blumige Sprache ohnehin nicht, da ich sie aus Spaß ab und an selbst anwandte, in Gesprächen oder in Geschichten, in meiner Position als Hobbyautor mit mäßigem Erfolg.

„Und wie lange seid Ihr schon im Dienst unserer Familie?“

„Mein Leben lang. Und etwas Besseres hätte mir und meiner Familie nicht passieren können, da Ihr uns gerecht behandelt.“ Sie erhielt ein Nicken zur Antwort. Ob sie dies nun ernsthaft so sah oder ob sie mich einfach für einen Bären hielt, dem sie Honig ums Maul schmieren musste, wusste ich natürlich nicht. Doch ich wusste, dass sie weiterhin auf jedes Gesprächsthema so formell antworten würde, als hätte sie einen Stock im Allerwertesten. Zum Glück für mich standen wir nach einem kurzen schweigsamen Weg auch schon vor der Tür, welche zum Frühstück führte.

„Sir Cousland, es war mir eine Freude.“ Sie verneigte sich kurz, was meinerseits ein gespieltes Lächeln entlockte.

„Die Freude war ganz auf meiner Seite, Kathrin Bell. Ich hoffe, wir sehen uns erneut. Und nicht vergessen, wenn es Probleme gibt, ich regel‘ das schon.“ Ich zwinkerte ihr noch spielerisch zu, und ohne auf ihre letzte Reaktion achtend öffnete ich auch schon die Tür und betrat den Raum.
 

Während meine Schritte weiter ins Rauminnere führten, blickte ich mich, wie schon die gesamte Zeit über, neugierig um. Ein riesiger Tisch, wohlmöglich der größte, den meine Augen bisher jemals live erblickten, befand sich in der Mitte des Raums, welcher voll mit den verschiedensten Leckereien angerichtet war. Es war ein faszinierender Anblick, gerade wenn man bedachte, dass dies erst das Frühstück war, wie Kathrin verlauten gelassen hatte, und nichts weiter. Jemand gab sich hier unheimlich viel Mühe.

Mein Blick fiel nun auf die einzelnen Personen, welche bereits am gedeckten Tisch saßen und genau wegen diesen besaß ich keinen Blick mehr für den Rest des Raumes. Dort saßen tatsächlich, eins zu eins, die Personen, wie sie auf den Portraits abgebildet waren. Bryce und Eleanor Cousland, also die beiden Eltern von dem Cousland-Charakter, wie auch dessen Bruder Fergus Cousland samt seiner Frau und dem Sohn. Anscheinend war ich der Letzte, der noch gefehlt hatte. Sie sahen alle so realistisch aus. Und nun war ich mir sicher, dass ich in die Haut meines eigenen Charakters geschlüpft war. Doch … das konnte doch alles nicht wahr sein, oder etwa doch? Und was war mit meinem Körper geschehen? Suchte man mich bereits in meiner Welt?
 

„Guten Morgen“, kam es von mir und ich setzte mich auf den einzigen noch freien Platz, der sich am anderen Ende des Tisches befand. Es hatte sein Gutes, wenn man als letztes kam. Man wusste automatisch, welcher Platz für einen selbst reserviert war.

„Und Aidan, was ist der Grund für deine Verspätung?“, fragte die Mutter mit leichtem Tadel in der Stimme, was mich zu ihr blicken ließ. Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen, Aidan genannt zu werden, wirkte es doch so fremd. Normalerweise, in der richtigen Welt, lautete mein Name schließlich Alexander Meyer, doch hier würde ich wohl mit Aidan Cousland vorliebnehmen müssen. Ohne dass es jemand bemerkte, fing ich an, mich mit aller Kraft in den Arm zu zwicken, doch außer Schmerzen löste dies nichts anderes aus. Hielt ich womöglich mehr Schmerz im Schlaf aus, als mir guttat, oder war ich nun wirklich hier? Nun, solange ich nicht erwachte, musste ich mich diesem Umstand wohl tatsächlich geschlagen geben und nun meine Rolle spielen. Mimen, um nicht verdächtig zu wirken.

„Verzeiht Mutter, Vater, doch ich hatte einen Alptraum und es war etwas … problematischer, mich aus dem Bett zu bekommen.“ Es schien, als hätte meine Ausrede die gewünschte Wirkung erreicht, denn mit einem „Versuche bitte, in Zukunft pünktlich zu sein“ ließ Eleanor von mir ab und wandte sich selbst ihrem Essen zu. Und selbiges tat ich auch, denn mein Magen fing an zu knurren. Und ich musste zugeben, dass alles wundervoll aussah. Schinken, Hähnchenkeulen und Käse. War das der Käse, welcher nach Verzweiflung schmeckte, wie die Orlaisianer stets behaupteten, oder war der ganz normal? Vermutlich Letzteres, wäre der nach Verzweiflung schmeckende wohl in Orlais angerichtet worden und hier dann nur normaler. Mir war dies jedenfalls allerlei, Hauptsache es schmeckte mir, denn auch in dieser Welt musste etwas in den Magen gelangen.
 

„Und Bruder, wollen wir nach dem Frühstück vielleicht etwas trainieren gehen?“, kam es nun von Fergus, der mich erwartungsvoll über den Tisch hinweg anblickte und somit die in dem Raum eingekehrte Stille unterbrach. Dies war ebenfalls einer der Punkte, die auf mich zukamen. Kämpfen. Etwas, das mich doch sehr beunruhigte, und mir so schnell wie möglich aneignen musste, ehe ich in den Kampf gegen die Dunkle Brut zog. Das stand schon einmal fest. Und ich hoffte, dass ich alles, was ich lernen würde, einsaugen konnte wie ein Schwamm. Und desto früher, desto besser. Innerlich erschreckte ich mich, wie schnell sich meine Gedanken mit dieser Tatsache einfach anfreundeten und weiterdachten.

„Gerne. Ich finde, ich bin etwas eingerostet, habe also etwas Nachsicht mit mir.“ Mit einem Zwinkern wandte ich mich von ihm ab und begann, den Schinken vor mir zu bearbeiten. Oh, wie ich mich dafür später verfluchen würde, da war ich mir sicher. Würde ich so viele Fehler machen, dass ich für einen Prügelknaben gehalten werden würde.
 


 

„Ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass es schwierig sein würde, was auf mich zukam. Ich war in einer bekannten und doch zu gleichen Teilen unbekannten Welt. In einem fremden Körper. Einer fremden Identität. Und dann noch mit dem Wissen, über das ich verfügte, was in der Zukunft geschehen würde. Was wäre, wenn ich mich falsch entschied? Wenn ich Entscheidungen traf, aufgrund von Emotionen oder Mitleid, die die Geschichte der Welt von Grund auf veränderten. So sehr, dass noch nicht einmal ich noch wüsste, was geschehen würde? Ich versehentlich dieses Wissen ausnutzte? Es war eine Bürde und, ich bin offen und ehrlich, Ehrwürdige Mutter, dies ist es noch immer.“

Er atmete tief ein und wieder aus. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er sich gefühlt hatte. Die Eingewöhungsphase in dieser Welt. Doch seine neue Familie hatte es ihm leicht gemacht, dies musste er ebenfalls eingestehen.

„Es war schwer. Doch zu meinem Glück in diesem Unglück besaß ich ein Jahr der Vorbereitung. Pläne schmieden war gang und gäbe, mit unzähligen Möglichkeiten, was eintreffen könnte und wie ich zu reagieren hatte. Und jede Menge Zeit zum Trainieren. Aber ich sah auch meine Vorteile darin, Wissen anzuhäufen, das ich noch nicht kannte. Später einmal Personen zu treffen, die ich unbedingt treffen wollte. Besonders … nun, Ihr wisst vermutlich, was ich meine. Jedenfalls verging ein Jahr. An jenem Tag, an dem meine Geschichte weitergeht, begann mein Abenteuer. Die Geschichte des Helden von Ferelden. Unsere Geschichte.“

Chapter 02 ~ Die Ruhe ...

Liebes Tagebuch.

Mittlerweile ist es ein Jahr her, seit ich in diese Welt gekommen bin und noch immer stelle ich mir die Frage, wieso ausgerechnet ich? Wieso wurde ich in diese Welt geschickt und weshalb wurde ich einfach in diesen meinem Originalkörper – abgesehen von der Größe und den Muskeln her – nicht einmal so unähnlichen Körper gesteckt? Fragen über Fragen und doch ist eine Antwort noch in weiter Ferne. Natürlich mache ich mir auch Gedanken, wie es meiner Familie und meinen Freunden geht. Vermutlich haben sie mich schon für tot erklärt und ich will nicht wissen, was für ein Leid sie bis jetzt ertragen mussten. Doch ich kann nichts an der Situation ändern und deshalb nehme ich sie so hin, wie sie eben ist und das schon ein gesamtes Jahr lang. Als Fan dieser Spielereihe ist es natürlich für mich eine riesige Faszination in dieser Welt zu sein, denn somit bekomme ich jede Menge Informationen und kann Personen treffen, die ich so gerne treffen würde. Doch auch Angst macht sich in mir breit, wenn ich daran denke, was auf mich zukommt. Was mir noch für eine Reise bevorsteht. Und dies wird bald sein, denn wie ich in Erfahrung gebracht habe, wurde die Dunkle Brut schon gesichtet und Rendon Howe wird noch heute im Laufe des Morgens bei uns ankommen. Also ist dies auch der letzte Tag, den ich hier in Highever verbringe, ehe alles von diesem widerlichen Bastard übernommen wird, durch seinen Verrat mit Loghain. Wie gut, dass ich meine Emotionen gut zu kontrollieren weiß, denn sonst wäre Howe später tot. Denn die Bewohner dieses Schlosses, allen voran die Couslands selbst, sind mir in diesem Jahr sehr ans Herz gewachsen. Anständige und großartige Leute. Doch wenn ich vorgreifen würde und Howe tötete, wäre die Geschichte verändert. Zwar wären dann die beiden Oberhäupter der Couslands – die Eltern des jungen Mannes, dessen Körper ich besetze – noch am Leben. Doch da ich keinerlei Beweise besitze, würde mir nur der Galgen drohen. Eine Situation, auf die ich gut und gerne verzichten kann. Also kann ich vorerst nichts machen, außer dem normalen Verlauf der Geschichte zu folgen, so ungemein schwer mir dieser Umstand nun einmal auch fällt.

Dieses eine Jahr hat mir viel gebracht. Ich bin zu einem passablen Kämpfer geworden und manchmal habe ich das Gefühl, dass mir der junge Cousland, in dessen Körper ich hause, Tipps gibt. Diese Tipps haben mir schon des Öfteren den Hintern gerettet. Doch wenn ich versuche, mit diesem Kontakt zu knüpfen, dann verschwindet dieses kurze Band wieder. Als würde er nicht wollen, dass ich mit ihm spreche. Und das macht mich traurig, denn ich fühle mich schon ohnehin schlecht dafür, dass ich einfach in diese Welt kam und seinen Körper übernommen habe. Diese Gedanken sind … seltsam und mir würde es auch nicht gefallen, alles aus der zweiten Reihe aus zu sehen, was „ich“ mache, doch ich kann ihm nicht helfen. Noch nicht. Ich finde schon eine Lösung. Irgendwann und irgendwie. Doch wenn ich mir darüber zu viele Gedanken mache, scheint es auch in diesem Fall, als würde er in meinen Kopf blicken. Und ich höre eine Stimme, die mir vertraut vorkommt, die anscheinend die seine ist, welche mir sagt, dass ich mir darüber keine Gedanken machen soll. Ist das alles Tatsache oder … werde ich so langsam verrückt? Ich weiß es nicht. Ich hoffe natürlich nicht.
 

Es klopfte an der Tür.

„Herein“, rief ich und unterbrach das Schreiben in meinem Tagebuch, welches, so verrückt es auch sein mochte, half, meine Sorgen los zu werden, da ich im Moment niemanden besaß, dem ich mich anvertrauen konnte. Denn jeder würde mich für verrückt halten. Ob ich mich eines Tages den anderen Gruppenmitgliedern wie Alistair oder Leliana anvertrauen würde, würde nur die Zeit zeigen, denn im Moment vermochte ich dies noch nicht sagen zu können. Ich hoffte es sehr, dass ich zu ihnen solch ein Vertrauen aufbauen konnte, doch im Moment galt meine alleinige Aufmerksamkeit der Person, die gerade durch die Tür schritt und somit das Gemach betrat. Es war Kathrin. Die schwarzhaarige Bedienstete, welche die erste Person war, die mich in dieser Welt ansprach und somit auch inoffiziell begrüßte. Sie war mittlerweile eine gute Freundin von mir geworden, mit der ich hin und wieder abhing. Zum Glück war die Familie Cousland keine dieser Herrscherfamilien, die alle von oben herab anblickten, sondern freundlich gesinnt und alle, so fair es nun einmal ging, mit der trotz allem nicht fehlender Autorität behandelten. Sonst wäre diese Freundschaft undenkbar gewesen, zumal ich das Getuschel so manch eines Bediensteten mitbekam, dass zwischen ihr und mir doch mehr laufen würde, sie eine Geliebte wäre, was gewiss nicht der Fall war. Auch wenn sie mir nach wie vor sehr gefiel und ich keinen Hehl um diesen Umstand machte, war dies doch einfach meine natürliche Art, hübschen Frauen eben offen zu verstehen zu geben, dass sie gut aussahen. Komplimente zu machen. Einer hübschen Frau ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Doch das wurde schon in meiner Welt oftmals falsch verstanden und zu viel hineininterpretiert. Da war es nur allzu verständlich, dass es hier noch schwieriger für mich war, Gerüchten aus dem Weg zu gehen. Doch ich hatte eben einmal einen kleinen Zevran in mir, der es liebte, Frauen, die es in meinen Augen verdienten, durch Komplimente eine Freude zu machen.
 

„Sir Cousland, Euer Vater möchte Euch sprechen.“ Mit hochgezogenen Brauen musterte ich sie und blickte ihr dabei skeptisch ins Gesicht, welches keinerlei Emotion offenbarte.

„Sir Cousland? Was ist mit dir los? Zu sehr am Kräutertee unseres Mediziners genascht?“ Sie war eine der wenigen Personen, zu denen ich gesagt hatte, dass sie mit mir ruhig vertrauter sprechen konnte und nicht so nervend förmlich bleiben musste, wenn wir unter vier Augen waren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sie es auch gelernt, zumindest dachte ich dies.

Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und sie schloss die Tür, ehe sie vergnüglich zu glucksen begann.

„Ich wollte nur wieder deine Reaktion testen.“ Gespielt streckte sie mir die Zunge heraus, was mich auflachen ließ. Manchmal benahm sich diese junge Dame wirklich albern, jünger als sie war, doch das gefiel mir, denn so war ich oftmals auch. Man konnte nicht stets erwachsen sein, und wenn man sein innerliches Kind verlor, nun … dann war es nur noch ein trauriges und bitterernstes Leben.

„Du bist der Einzige, der so … locker, anders kann man es nicht betiteln, mit dieser Vertrautheit umgeht, trotz deines Standes.“ Nun war es an mir, mit dem Lächeln zu beginnen. Es freute mich, wie auch in meiner Welt, dass ich mit meiner andersartigen Art eben zu beeindrucken wusste.

„Einen kurzen Augenblick noch und dann komme ich mit dir mit.“ Ich kam wieder auf das eigentliche Anliegen ihres Besuch zu sprechen und hörte daraufhin, wie sie ein „Wieder dein Tagebuch?“ fragend von sich gab, ehe ich mich auch schon von ihr abwandte und meine Feder in die Tinte tunkte.
 

Natürlich habe ich mittlerweile die wichtigsten Sachen zurechtgelegt, welche ich in einen Rucksack gepackt habe, um heute Nacht sofort aufbruchsbereit zu sein. Das Einzige, was schiefgehen könnte, wäre, dass Duncan gar nicht auftaucht, sondern dass er bei einer der anderen Anfangsgeschichten ist. Wie sollte ich dann ein Grauer Wächter werden? Eine Angst, die mich schon das gesamte Jahr über begleitete, doch ich versuche, in dieser Hinsicht ein Optimist zu sein, und genau deshalb sollte ich mich wie solch einer verhalten. Und nun, liebes Tagebuch, verabschiede ich mich. Wir werden uns erst wieder hören, wenn ich auf meiner Flucht bin, denn der Tag heute wird mehr als nur stressig für mich sein. Doch es gibt eine Sache, eine Eigenschaft von allen, die ich hoffentlich nie verlieren werde. Und zwar meinen Humor. Denn wenn ich den nicht mehr besitze, ist es aus mit mir. Dann habe ich nicht mehr die Kraft, mich all dem zu stellen, das mir bevorsteht. Die wichtigste Eigenschaft. Möge sie stets bei mir sein, oder sich ein würdiger Ausgleich zu diesem finden, der mir den Willen zu Leben nie vermiest.
 

Ich legte die Feder wieder an den Rand des Tisches, so behutsam, dass die noch flüssige Tinte nicht verschmierte, doch … im Endeffekt war auch das egal, denn heute Nacht würde das so oder so niemanden mehr interessieren. Das Tagebuch behielt ich erst einmal offen auf meinem Schreibtisch, so dass die Tinte nicht die anderen Seiten versauen würde, und ich erhob mich. Der neugierige Blick von Kathrin lag auf mir, während ich mich herzhaft streckte.

„Ist etwas, meine Liebe, oder bewunderst du nur die Aussicht?“ Leicht lächelte sie, doch ging sie mit keinerlei Wort auf meine Aussage ein, da sie mittlerweile so etwas von mir gewohnt war.

„Wieso machst du das eigentlich ständig? Ein Tagebuch führen, meine ich.“

„Ein Tagebuch zu führen, beruhigt den Geist. Du kannst bereits erlebte Geschehnisse oder einfach nur deine Gedanken dort festhalten, und somit deinen Kopf frei bekommen. Kann ich dir nur empfehlen.“ Zweifelnd blickte sie auf mich, ehe sie erneut auf die von mir soeben geschriebene Seite blickte.

„Und weshalb immer in dieser fremden Sprache?“ Fragend blickte ich auf die Seite in meinem kleinen Buch, ehe es mir dämmerte, was sie meinte. Ich hatte aus Reflex oder vielmehr aus Macht der Gewohnheit das komplette Buch in der Schrift meiner Welt geschrieben. Doch in dieser Welt besaßen sie ein anderes, primitiveres Alphabet, um zu schreiben und Bücher lesen zu können, das ich mir natürlich auch in diesem einem Jahr hab aneignen können. Wenn es auch schwierig war zu vertuschen, dass ich es gar nicht gekonnt hatte und ich ja angeblich nur noch einmal jegliche Grundlagen lernen gewollt hätte.

„Es verhilft weiterhin einer gewissen Privatsphäre, können nur die wenigsten die Sprache, die ich kann. Zumindest in dieser Gegend und es sorgt ebenfalls dafür, dass meine Feinde es schwieriger haben, meine Geheimnisse zu offenbaren.“

„Feinde?“ Sie erhielt ein Nicken zur Antwort, und ich war bedacht darauf, ernst auszusehen, schließlich musste diese Ausrede glaubwürdig herüberkommen.

„Selbstverständlich. Ich bin zwar nur der jüngere Sohn der Couslands, doch unsere Familie steht nur hinter dem König selbst. Auch meine Geheimnisse sind von großem Wert.“ Verständlich nickte sie. Und da dies nun vorbei war, gab ich ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass es nun genug war und wir beide aus dem Zimmer gehen würden, was wir auch sogleich taten, nachdem ich ein Schwert wie auch einen dazu passenden Schild an meinem Rücken befestigte. Einen Dolch steckte ich, wie es mittlerweile Angewohnheit von mir geworden war und ich es von Isabella aus dem zweiten Teil dieser Spielereihe gelernt hatte, in einen meiner Stiefel, um immer noch eine weitere Waffe parat zu haben. Eine schmutzige Methode, aber ich kämpfte lieber schmutzig, als tot zu sein.
 

Wir liefen gemeinsam bis vor die Tür der Haupthalle, in welcher mein Ziehvater seine Audienzen abhielt und wo er zurzeit auch mit Howe sprach.

Kathrin hatte sich gerade von mir verabschiedet, als ich sie am Handgelenk festhielt und sie mir überrascht in die Augen blickte.

„Da wir uns heute vermutlich nicht mehr sehen, gebe ich dir einen Befehl. Heute Nacht musst du in die Vorratskammer kommen. Das ist wichtig. Auch wenn lange Zeit nichts geschieht, du MUSST heute Nacht dortbleiben und am besten gehst du dorthin mit deinen wichtigsten Besitztümern, die du tragen kannst, auf einer langen Reise. Bereite dich vor.“ Verwirrung lag in ihrem Blick.

„Aidan, ich versteh ni-“, wollte sie gerade anfangen, als ich sie mit einem „Brauchst du auch nicht!“ unterbrach.

„Ich verstehe genug für uns beide. Wenn du leben möchtest, bist du heute Nacht dort. Versprich es mir!“ Die Verwirrung wurde umso größer, doch schlussendlich nickte sie kaum merklich, als sie weiterhin, so schien es zumindest, die Ernsthaftigkeit aus meinen graublauen Augen herauslas.

„Gut. Dann bis heute Nacht.“ Und ehe sie noch etwas sagen konnte, ließ ich sie dort zurück und öffnete die Tür, durch die ich auch sogleich schritt.

Und dort sah ich sie. Zur Linken Bryce Cousland, der Vater meines Körpers, wenn man es so ausdrücken wollte. Und zur Rechten das verräterische und heuchlerische Schwein Rendon Howe, wie ich ihn stets in meinen Gedanken betitelte. Und wenn ich jetzt daran dachte, dass er all diese Menschen, welche ich in diesem einem Jahr so zu schätzen gelernt hatte, heute Nacht umbringen würde… Ich versuchte, mich selbst zu beruhigen, was mir auch überraschend gut gelang und ich nun eines meiner gekünstelten aber äußerst realistisch wirkenden Lächeln auf dem Gesicht trug. Und das war schwierig zu erlernen, solch eine Echtheit. Barden konnten vermutlich ein Lied davon singen. In Gedanken nahm ich mir vor, Leliana mal danach zu fragen, wie überzeugend es war, immerhin konnte sie so etwas sicherlich im Handumdrehen erkennen.
 

Die beiden lachten über einen Witz, bis Bryce mich bemerkte und begann, seinen Sohn anzulächeln, nur mit dem Unterschied, dass das seine nicht aufgesetzt war.

„Tut mir leid, ich habe dich gar nicht bemerkt. Howe, Ihr erinnert Euch an meinen Sohn?“

„Er ist zu einem stattlichen Jüngling herangewachsen. Freut mich, dich wiederzusehen, Junge.“ Ich blieb vor den beiden Männern stehen und nickte Howe zu, ehe ich mich an den Ranghöchsten in diesem Raum wandte.

„Gibt es einen Grund, weshalb ich hier bin, Vater?“, stellte ich auch sogleich meine Frage, wodurch der Vater ernst nickte.

„Da dein Bruder unsere Truppen nach Süden führt und ich den Arl begleiten werde, bist du ab sofort für das Schloss verantwortlich.“ Der Jüngste dieses Trios, meine Wenigkeit, nickte, ehe ich mich kurz umschaute. So oft in diesem Jahr war ich in dieser Halle gewesen. Des Öfteren hatte ich zugehört, während Bryce ein paar Audienzen gewährte und diese oder jene Entscheidung zu treffen hatte und noch immer war diese Halle einfach beeindruckend. Ob es einfach daran lag, dass ich schon immer solch alte Burgen oder eben ältere Gebäude zu schätzen wusste? Vermutlich. Eigentlich wäre es sogar eine interessante Erfahrung, mal die alleinige Kontrolle über solch eine Burg zu haben und auch die Audienzen abzuhalten. Einmal wie ein Inquisitor fühlen, doch ich wusste es ja besser. Es würde soweit gar nicht erst kommen, ob ich wollte oder nicht.

„Das wird bestimmt eine interessante Erfahrung für mich. Ich tue mein Bestes, Vater.“ Erleichtert über meine Antwort konnte Bryce‘ Lächeln auf seinem Gesicht nicht breiter sein.

„Genau das wollte ich hören. Ein paar Wachen werden zurückbleiben und du musst den Frieden in der Region wahren. Du kennst das Sprichwort: Ist die Katze aus dem Sack, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.“ Ein Nicken kam vom jüngsten Couslandspross, Fergus‘ Sohnemann mal beiseitelassend. Und wie ich dieses Sprichwort kannte, immerhin hatte dies meine Lehrerin in der achten Klasse des Öfteren gesagt, als sie Zweifel besaß, die Schüler für einige Momente alleine zu lassen, während sie ein paar Arbeitsblätter kopieren gehen wollte.
 

„Außerdem möchte ich dir jemanden vorstellen. Bitte, schickt Duncan herein.“ Das war genau der Zeitpunkt, in dem all meine Ängste über diesen Moment, die sich über ein Jahr in mir aufgestaut hatten, wie weggewischt wurden. Ein gewaltiger Stein, der von meinem Herzen fiel. Duncan war hier und das bedeutete nur eines. Ich, Aidan Cousland alias Alexander Meyer, war der Gott verdammte Graue Wächter. Während ich in meinen Gedankengängen steckte, kam auch schon Duncan herein und er war beeindruckend. Zu Anfang, bei meinem ersten Dragon Age Durchgang war er ebenfalls beeindruckend für mich gewesen, hatte er doch als der übermächtige Chef eines legendären Ordens gewirkt, zumindest in Ferelden der Chef. Doch von Zeit zu Zeit und durch unzählige Gespräche mit anderen Fans dieser Reihe wurde mein Eindruck von ihm immer mehr geschmälert. Doch ihn nun so vor mir zu sehen, wie er in dieser verdammt beeindruckenden Rüstung dastand und ihn in der Realität zu sehen, war schon etwas Anderes. Man konnte seine jahrelange Erfahrung, die er durch Kämpfe davongetragen hatte, auf den ersten Blick erkennen. Er hatte eine ganz andere Ausstrahlung, als es bei anderen Menschen der Fall war und vermutlich hatte das nicht nur etwas mit dem Blut der Dunklen Brut in seinem Körper zu tun. Und wenn ich ihn so vor mir sah, da war mir eines klar: Bei Kämpfen würde ich nicht gerne sein Gegner sein wollen.

Mein Blick schweifte unweigerlich zu Howe, der das Zeichen auf Duncans Rüstung natürlich sofort erkannt hatte und man konnte selbst als Laie der Gesichtsmimik das Entsetzen aus seinem Gesicht herauslesen.
 

„Es ist mir eine Ehre, in Eurer Halle Gast zu sein, Teyrn Cousland“, begrüßte Duncan Bryce, doch ehe dieser etwas hätte erwidern können, begann Howe schon beinahe zu stottern.

„Äh … Ihr habt nie erwähnt, dass ein Gr-Grauer Wächter hier sein würde, Eure Lordschaft.“ Mit Vergnügen vernahmen meine Iriden die Angst, welche den Arl umgab, doch auch Bryce fiel auf, dass Howe ungewöhnlich nervös zu sein schien, weshalb dieser eine Augenbraue in die Höhe zog.

„Duncan ist erst vor kurzem hier eingetroffen, unangekündigt. Ist das ein Problem?“

„Ich … äh … nein, natürlich nicht, vergebt mir, ich war nur überrascht“, stammelte dieser Verräter, kaum hatte Bryce sein letztes Wort über die Lippen gebracht. Bryce schien das zwar verwundert zu haben, doch durch die Aussage des Arls wurde er anscheinend überzeugt. Und wieso sollte er auch nicht? Schließlich waren sie alte Freunde, die gemeinsam in der Rebellion gegen das orlaisianische Reich, Seite an Seite, gekämpft hatten. Wer würde denn damit rechnen, dass schlussendlich mehr hinter seinem Verhalten steckte, als es zunächst der Schein vermuten ließ, auch wenn ich meinerseits zugeben musste, dass Howe eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Ratte besaß.

Die ruhigen und sanften Augen des Teyrn trafen nun seinen jüngsten Spross.

„Wir haben in der Tat nur selten solch hohen Besuch. Mein Sohn, sag mir, hat Bruder Aldous dir von den Grauen Wächtern erzählt?“

„Natürlich.“ Das braunhaarige Haupt des Wächterkörpers nickte fast schon von selbst.

„Die Grauen Wächter sind ein Legendärer Orden, welcher dafür sorgt, dass diese schrecklichen Kreaturen, bekannt als die Dunkle Brut, nicht in unseren Ländereien finden. Viermal haben sie eine Verderbnis aufgehalten und, so der Erbauer es will, ist keine fünfte in Anmarsch.“ Ich bekräftigte meine Aussage zu bekanntem Wissen über den Orden. Erleichtert darüber, dass ich so viel von den Grauen Wächtern zu wissen schien, nickte Bryce zufrieden, doch nun meldete sich Duncan zu Wort.

„Leider befürchte ich, dass diese besagte fünfte Verderbnis bereits im Anmarsch ist, weswegen es auch umso wichtiger ist, dass wir, die Grauen Wächter, neue Rekruten verpflichten.“

„Und genau deshalb ist er hier, er möchte Ser Gilmore prüfen, ob er bereit ist, ein Grauer Wächter zu werden“, erklärte das Oberhaupt der Couslands.

„Offen gesagt, ich denke, Euer Sohn wäre ebenfalls ein ausgezeichneter Kandidat.“ Kaum hatte Duncan diesen Satz gesagt, da stellte sich Bryce direkt schützend vor sein Fleisch und Blut, als würde von Duncan eine direkte Gefahr ausgehen.

„Ehre hin oder her. Wir reden hier über meinen Sohn!“ Wütend alleine dadurch, dass Duncan diese Behauptung von sich gab, starrte Bryce dem Wächter entgegen.

„Ich habe nicht so viele Kinder, dass ich sie gerne in die Schlacht schicke, oder beruft Ihr Euch etwa auf Euer Konskriptionsrecht?“, legte der Teyrn gleich nach, doch Duncan war noch immer die Ruhe selbst.

„Keine Sorge, wir brauchen zwar möglichst viele gute Rekruten, gerade zu diesen Zeiten, doch ich werde nichts erzwingen, Ihr habt mein Wort“, versprach der einzige Mann mit Vollbart im Raum, was auch nur daran lag, dass sich der Jüngste, also ich, vor wenigen Tagen rasiert hatte. Wusste ich ja immerhin, dass ich längere Zeit nicht mehr dazu kommen würde, und der Teyrn stellte sich wieder an seinen vorherigen Platz, durch die Worte des Wächters offenbar beruhigt.

„Würdest du in meiner Abwesenheit dafür sorgen, dass Duncans Wünschen entsprochen wird?“ Mein brünettes Selbst begann zu nicken, während die ruhigen Augen des Hausherrn auf mir ruhten.

„Natürlich.“

„Gut. Und nun richte Fergus von mir aus, er soll mit den Truppen nach Ostagar vorausreiten.“

„Wird gemacht. Meine Herren.“ Zum Abschied nickte ich unseren Gästen noch einmal zu, ehe mein Körper auch schon eine Kehrtwende machte und durch die Tür ging, durch welche dieser vor ein paar Minuten in diese Halle geschritten war. Da ich ja bereits wusste, dass sich Fergus oben in seinen Gemächern befand, um sich von seiner Frau und seinem Sohn zu verabschieden, konnte ich mir auch jegliche Nachfrage sparen, wo sich mein Bruderherz befand, wie ich ihn des Öfteren betitelte.
 

Nun stand ich hier. Persönlich stellte ich mir die Frage, was ich nun tun sollte. Würde ich direkt alles erledigen oder lohnte es sich für mich noch, vorher die einzelnen Orte abzuklappern, wie zum Beispiel zu Aldous, welcher gerade dabei war, die Kleinen zu unterrichten? Schlussendlich war es die Kapelle, die einen Besuch erhielt, samt Mutter Mallol. Wieso? Nun, man musste im Vorfeld wissen, dass ich in meiner Welt schon an etwas Höheres glaubte. Das Konzept, dass nicht alles per Zufall passierte, sondern dass es aus einem bestimmten Grund von höherer Gewalt, einer höheren Macht wie eben durch einen Gott, geschah, faszinierte mich. Die Notwendigkeit einer Kirche hingegen verstand ich zwar im Großen und Ganzen, befand sie jedoch als unnötig. Wenn man beten wollten, konnte man es von überall aus. Dieses höhere Wesen hatte einen doch geschaffen, also hätte es auch verstanden, wie man dachte, jedenfalls war dies meine Ansicht. Doch seit ich in diese Welt kam … irgendwie musste ich doch in diese Welt gekommen sein. Es konnte doch einfach kein Zufall sein, dass ich als großer Fan dieser Serie in ausgerechnet dieser Welt landete, oder? Und dadurch hatte sich mein Glaube noch einmal zusätzlich manifestiert. Auch hier ging ich jedoch seltener in die Kapelle, vielleicht einmal die Woche mit Glück. Oder wenn dort etwas Größeres abgehalten wurde, wozu man im Übrigen auch verpflichtet war, wenn man darauf aus war, dass einen die eigenen Bediensteten noch mehr respektierten als ohnehin schon. Doch mir reichte diese kleine, überschaubare Anzahl durchaus aus, die hier anzutreffen war.

Doch heute, gerade an diesem Tag, an dem ich es das letzte Mal machen konnte, war ich der Meinung, sollte ich es tun, weswegen mein Körper nun vor der Tür zur Kapelle stand. Vorsichtig öffnete ich diese und blickte in den Raum hinein. Mehrere Leute befanden sich in der recht kleinen Kapelle. Männer, Frauen und selbst Kinder waren dort, um den Segen des Erbauers zu ersuchen. Und in der Mitte all dieser Leute befand sich Mutter Mallol, die das Öffnen der Tür bemerkt hatte und nun freudestrahlend auf mich zugelaufen kam.

„Es freut mich immer, dich hier begrüßen zu dürfen, mein Kind. Sag, bist du hier, um für deinen Bruder und Vater zu beten? Mit Freude werde ich den Segen des Erbauers für sie erbitten.“ Freundlich lächelte ich sie ehrlich an und begann zu nicken. Sie war eine der wenigen, die einfach jeden duzen durfte, was nicht nur an ihrer Stellung, sondern auch an ihrer herzerwärmenden Art lag. Ich mochte diese Frau einfach.

„Das wäre schön, Mallol.“ Es war keine Respektlosigkeit, sie so vertraut anzusprechen, sondern vielmehr der Wunsch der Gläubigen selbst, den sie an mich bei unserem ersten - zumindest meinem ersten Treffen mit ihr - gewandt hatte.

Sie begann sogleich mit dem Rezitieren ein paar weniger Strophen, um den Segen des Erbauers zu erwirken.
 

„Schöpfer des Himmels, der Erde und der See, erhöre dein Volk in den Zeiten der Not.“

„Erbauer, behüte uns“, entkam es meinen Lippen, während die Iriden zu Boden blickten.

„Möge kein Mensch den Schatten fürchten. Mögen ihre Seelen in deinem Schoß Frieden finden. Erhöre uns.“

„Erbauer, vergib uns“, schloss ich mich dem letzten Vers an, welchen sie aussprach, denn anscheinend genügten diese wenigen Worte, um den Segen des Erbauers zu empfangen. Laut der Kirche natürlich. Ich jedenfalls machte wahrlich aus Überzeugung mit, doch betete ich nicht für Bryce oder Fergus Cousland, sondern für mich selbst. Auch wenn dies egoistisch klang, doch ich kannte ja bereits das Schicksal der beiden. Was mein Eigenes betraf, war es noch immer ungewiss. Denn es bedeutete ja nicht, nur weil der Graue Wächter es schaffte, alles zu überleben, dass ich es ebenfalls schaffen würde. Immerhin war ich jemand anderes, der einfach seine Rolle übernommen hatte. Eine billige Kopie, die jemand vorgab zu sein, der ich eben einfach nicht war. Selbst nach diesem einem Jahr und es könnten noch viele weitere vergehen, würde ich mich in dieser Rolle nicht wohlfühlen, in dem Wissen, jemandem seinen Körper entrissen zu haben. Und wenn der Erbauer auch dafür zuständig war, dass ich in diese Welt kam und dies alles geschah, dann sollte er mir auch gefälligst helfen und mich zumindest segnen. Schützenhilfe geben. Das wäre nur fair und das Mindeste, das er tätigen könnte.

„Gut. Heute Nacht werde ich eine Vigil feiern. Du bist herzlichst eingeladen.“

„Ich würde mich freuen, daran teilnehmen zu können. Doch ich muss selbst schauen, ob mir nicht eine andere Aufgabe zu diesem Zeitpunkt auferlegt wurde.“ Wissentlich nickte die Priesterin, wusste sie doch, wie beschäftigt die Familie Cousland war, die stets ihren Verpflichtungen nachging.

„Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deinen Tätigkeiten.“

„Gleichfalls Mallol.“ Und mit diesen Worten verabschiedete ich mich und trat aus der Kapelle. Es war nun an der Zeit, Ser Gilmore zu treffen, weswegen ich nun genau an die Stelle ging, an welcher man den Genannten treffen würde und wie nicht anders erwartet, traf dieser auch sogleich ein.
 

Der Rotschopf schien leicht gestresst zu sein, was sein Gesichtsausdruck und der schnelle Schritt, mit welchem er angekommen war, deutlich verriet.

„Da seid Ihr ja“, begrüßte der junge Mann, der von Duncan geprüft werden würde.

„Ser Gilmore, Ihr wirkt gestresst. Ist alles in Ordnung?“ Dass er mich mal so normal ansprach, war ich zwar nicht gewohnt, doch es sollte mir nur recht sein. Es schien einfach so, dass er es vor lauter Stress in diesem Moment wahrlich vergessen hatte, die passende Anrede aufgrund des Rangunterschieds anzuwenden. Wenn er all die Scheiße, die auf uns zukam, wie durch ein Wunder überleben sollte, sollte er wahrlich versuchen, diesen Fehler nicht mehr zu begehen. Also nicht meinetwegen, würde er mich ja, wenn es nach mir ging, ohnehin duzen oder normal siezen, war ich sowas ja auch schon 24, fast 25 Jahre in meiner Welt gewohnt. Doch zum Beispiel die Orlaisianer konnten davon gekränkt sein, fehlte bei denen ja nicht viel, um sie weinend in ihrem Schnuffeltuch vorzufinden, während sie am Fuße der Kaiserin die Todesstrafe für ihn forderten. Ja, ich hielt diesen Haufen von Franzosenabklatsch wirklich für ein paar Jammerlappen. Zumindest den unteren Adel, der sich viel zu wichtig nahm, aber wie immer sollte man auch dort nicht alle über einen Kamm scheren, geschweige denn niemanden unterschätzen. Es gab auch durchaus gefährliche, aber auch gute unter den Orlaisianern. Und diejenigen, die das Spiel beherrschten, gehörten gewiss zu denen, die man nie unterschätzen sollte.

„Eure Mutter hat mich nach Euch schicken lassen. Ich fürchte, Euer Hund hat mal wieder die Küche in Aufruhr versetzt. Nan droht damit, ihre Koffer zu packen.“ Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Couslands, das nun das meine war. Ja, der Vierbeiner war mir in diesem einem Jahr sehr ans Herz gewachsen und wie ich feststellen durfte, besaß dieser den Namen, welchen ich ihm geben wollte. Skipper. Ein schöner und passender Name, wie ich fand, für einen Hund. Ich schritt an Ser Gilmore vorbei und wies ihm mit einer Kopfbewegung, mir zu folgen, was dieser auch sogleich tat.

„Nan wird uns nicht verlassen und ich kümmere mich um dieses Problem. Es ist sicherlich einfach nur ein Missverständnis.“

„Wie Ihr meint. Ich hoffe nur, dass Ihr recht habt.“ Und nach diesen Worten liefen wir den restlichen Weg schweigsam nebeneinander her. Als wir vor der Küche standen, hörten wir bereits das laute Gemecker der Küchenchefin.
 

„Sie scheint nicht bei bester Laune zu sein“, kam es leicht lachend meinerseits, weswegen Ser Gilmore mit geweiteten Augen dastand.

„Das ist die Untertreibung des Jahres, Herr. So sehr poltern habe ich sie noch nie gesehen.“ Und kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, öffnete ich die Tür und trat hinein, dicht gefolgt von dem Rotschopf. Irgendwann musste man sich ja der Höhle des Löwen stellen.

Man vernahm, wie Nan ihre Wut an den beiden Küchengehilfen ausließ, ehe sie von dem Rotschopf angesprochen wurde und diese sich zu ihren Gästen umdrehte.

„Ihr … und IHR!“ Wütend blickte sie mich an. Die Frau war wirklich auf 180.

„Sorgt dafür, dass Euer Köter aus der Speisekammer verschwindet oder ich schlachte dieses Vieh!“ Wenigstens lag noch die höfliche Anrede in ihren Worten, trotz der Drohung, eine südchinesische Delikatesse aus meinem Hund zu machen. Pardon, Aidans Hund der … nun, solange ich in dessen Haut steckte, wohl auch meiner war.

„Wozu die Mühe? Ich bin mir sicher, das Fleisch würde nicht schmecken und man könnte es höchstens an Orlaisianer verkaufen, aber auch nur dann, wenn man diesen verraten würde, was für ein Fleisch das ist, da ihnen jedes Mittel recht ist, um Ferelden zu demütigen.“ Je länger ich redete, desto mehr fiel die – alles andere als im besten Zustand befindende – Laune der Küchenchefin.

„Kümmert Euch einfach darum!“ Und ohne ein weiteres Wort zu sagen, schritt unser Zweiergespann an Nan vorbei und öffnete die Tür zur Speisekammer. Dort sah man auch schon den Vierbeiner, wie er herumwälzte und als er sein Herrchen sah, begann er glücklich zu bellen.

„Skipper, zeig mir mal, was du jagst, und ich helfe dir.“ Erneut vernahm man ein glückliches Bellen des Mabaris, ehe dieser in die hintere Ecke des Raumes blickte und bedrohlich begann zu knurren.

Ich zog mein Schwert und instinktiv tat es mir der Rotschopf an meiner Seite gleich, wenn auch etwas skeptisch. Und dort waren sie. Riesige, die Vorräte verzehrende Ratten, welche direkt auf uns zukamen, als wäre das Knurren des Hundes ihr Startsignal gewesen. Skipper sprang auf die ersten, welche er vernahm, und mit seinem Maul aus messerscharfen Zähnen waren auch diese schnell Geschichte. Doch das waren eben auch nur die ersten. Noch ein paar kleinere kamen vereinzelt aus den Ecken, doch auch um diese hatten wir uns recht schnell gekümmert. Selbstzufrieden, das hinter sich zu haben, verließ unser Trio den Rattenfriedhof, bekannt als Speisekammer, und kaum befand sich Nan vor uns, begann diese wieder mit ihren Flüchen. Wenn sie so weiter machte, würde ich noch Kopfschmerzen bekommen.

„Nan, er hat sogar Eure Speisekammer verteidigt vor Ratten.“

„Diese Riesenratten?“ Geschockt riss eine der beiden Gehilfen das Wort an sich, weswegen mich Nan tadelnd anblickte.

„Super, jetzt sind auch noch die beiden verstört.“

„Spätestens, wenn sie sauber machen, hätten sie es eh bemerkt, dass die Ratten keine … normale Größe besaßen“, gab ich schulterzuckend zu bedenken, doch dies schien nun uninteressant zu sein, denn der Hund meldete sich zu Wort, wodurch Nans Aufmerksamkeit auf diesem lag. Nach einem kurzen Gespräch zwischen den beiden, was von Seiten des Hundes aus Winseln bestand, bekam dieser was zu Futtern, und Nan begann mein Selbst, das sie nur als Aidan kannte, zu fragen, ob ich mich an eine Geschichte erinnern könnte, die sie dem Besitzer des Körpers als kleines Kind vorgelesen habe.

„Entschuldige, Nan, aber ich muss mich von Fergus verabschieden“, erklang fast schon automatisch die Ausrede aus meinem Mund, wodurch sie verständlich zu nicken begann.

„Natürlich. Stellt nur keinen Unsinn an, immerhin habe ich Euch nicht mehr so im Blick wie früher.“ Sie war eine schlechte Schauspielerin, wie sie in diesem Moment versuchte, ihr Lächeln zu verbergen.

„Ich probiere es. Bis dann, Nan.“ Und mit einem letzten lächelnden Zwinkern, verschwand ich auch schon aus der Küche.
 

„Nun, da Ihr Euren Hund habt, werde ich Euch verlassen, falls Ihr nichts dagegen habt.“

„Nein, keine Sorge, wegen mir braucht Ihr Euch keine Umstände machen. Danke, dass Ihr mich begleitet habt und viel Erfolg beim Überzeugen des Grauen Wächters.“ Er hielt kurz in seiner Bewegung inne und blickte meine Wenigkeit neugierig an.

„Es stimmt, dass sich im Schloss ein Grauer Wächter befindet?“

„In der Tat. Sein Name lautet Duncan und er ist hier, um Euch zu prüfen. Also enttäuscht mich nicht. Aber nun sollte ich wirklich mal zu Fergus gehen. Gehabt Euch Wohl, Ser Gilmore.“ Während sich Genannter verneigte, nickte ich lediglich. Doch ich war nicht lange alleine, abgesehen von dem Vierbeiner, der nun meine Begleitung war. Denn auf meinem Weg zu Fergus begegnete ich Eleanor Cousland, Lady Landra, welche die Frau von Bann Loren, einem sehr freundlichen Mann, ist, Dairren, der gemeinsame Sohn von Lady Landra und Bann Loren, wie auch Lady Landras Kammerzofe, dessen Name mir gänzlich entfallen war. Schließlich hatte ich die Genannten bereits einmal gesehen, doch die Zofe war neu oder mir – leider – nicht über den Weg gelaufen. Sie schienen über etwas zu lachen, doch als ich nähertrat, besaß ich ihre volle Aufmerksamkeit.

„Ah, da ist ja mein jüngster Sohn. Kann ich davon ausgehen, dass der Aufruhr in der Küche beendet ist, nachdem dieser schreckliche Hund bei dir ist?“ Wieso musste sie eigentlich noch einmal besonders erwähnen, dass es sich bei meiner Person um den jüngeren handelte? Lady Landra wie auch ihr Sohn kannten mich bereits. Die einzige Person, die mich noch nicht kannte, war eben die Elfin und ihr war es sicherlich einerlei, ob mein Körper nun als erstes oder zweites aus der Frau des Teyrn auf die Welt losgelassen wurde.

„Ja, Mutter. Nan und die Küchenhilfen arbeiten auch bereits wieder wie fleißige Bienchen, die ihren Honig produzieren.“ Das Gesicht der Mutter erhellte sich.

„Du konntest schon immer gut mit ihr. Schatz, du erinnerst dich an Lady Landra? Die Frau von Bann Loren?“ Ehe ich etwas darauf antworten konnte, hatte schon Lady Landra das Wort an mich gerichtet.
 

„Ich glaube, wir haben uns zuletzt auf dem Frühlingsempfang Eurer Mutter gesehen.“ Nun wurde auch das Lächeln, welches sich auf meinem Gesicht, wie eigentlich schon den gesamten Tag über, befand, umso breiter. Und wie ich mich an diesen besagten Tag erinnern konnte. Ich war gerade meinen zweiten Monat in dieser Welt, da wurde mir gesagt, dass ich bei dieser Feierlichkeit dabei sein musste und das war ich dann eben auch. Es war die erste Festlichkeit, der ich in dieser Welt beiwohnte, und es hatte mir sehr gefallen. Zurechtgefunden hatte ich mich dort auch, was vielleicht auch an dem Heimvorteil lag und der Aufmerksamkeit, die man mir ohnehin auferlegte, als Sohn eines Teyrn, und die Speichellecker, zumindest die unehrlichen, die durch meine Bekanntschaft erhofften, in der Gunst des Teyrn zu steigen. Und an diesem Abend hatte sich Lady Landra so richtig volllaufen lassen und wollte sich an mich ranmachen. Da ich solch Verhalten aus meiner Welt durchaus gewohnt war, gerade wenn andere Leute Alkohol zu sich nahmen, natürlich auch aus eigener Erfahrung, war dies für mich kein weiteres Problem gewesen.

„Natürlich, es ist schön Euch wiederzusehen, Mylady“, entwich es meinen vergnügten Lippen.

„Zu freundlich, junger Mann. Habe ich mich an diesem Abend nicht schamlos an Euch rangemacht?“

„Und wie …“, mischte sich nun Dairren ein, „… und das alles vor den Augen deiner Familie.“ Die Schamesröte nahm sogleich Platz in dem Gesicht von Lady Landra.

„Keine Sorge, Lady Landra, wir haben sicherlich schon alle mal etwas zu viel Wein getrunken und Dinge getan, die wir bereuen. Ich empfand Euer Verhalten mir gegenüber als schmeichelhaft.“

„Zu freundlich“, kam es nun schüchtern von der Frau des Banns, ehe sie sich räusperte und dann auf Dairren deutete.

„Ihr erinnert Euch an meinen Sohn, Dairren? Er wird Euren Vater morgen begleiten.“

Nun blickte mich der Nachfolger des Banns an.

„Ich bin erfreut, Euch wiederzusehen, Herr“, erklang es aus seinem Mund.

„Gleichfalls, Dairren“, erwiderte ich freundlich den Gruß und blickte wieder zu Lady Landra, die mir nun die elfische Schönheit vorstellen wollte.
 

„Und dies ist meine Kammerfrau, Iona. Sag etwas, Liebes!“

„Ich fühle mich sehr geehrt, Herr. Ich habe schon viele wunderbare Dinge über Euch gehört.“

„Wisst Ihr was, Eleanor? Ich glaube, das Mädchen hat ein Auge auf Euren Sohn geworfen.“ Die beiden Frauen kicherten und Iona machte ein gespielt empörtes Gesicht.

„Lady Landra!“, kam es von der Elfin, welche nun doch etwas rot zu werden schien.

„Psst, Landra. Das arme Ding wird ja ganz rot.“ Doch das Gerede der Frauen ignorierte ich in diesem Moment und wandte mich Iona selbst zu, was die Frauen natürlich sofort bemerkten.

„Vielleicht sollten wir uns einmal in Ruhe unterhalten, Iona. Ohne Publikum.“ Freudestrahlend blickte mich die Elfin aus großen Augen heraus an. Nun, ich war zwar in diesem einem Jahr nicht zum Weiberhelden mutiert, da sich dies, wie ich fand, in diesem fremden Körper nicht zierte und ich nicht daran schuld sein wollte, dass Aidan plötzlich Vater wurde, doch dank meines Wissens wusste ich ja, dass diese junge Elfin auf mich stand.

„Das würde mir gefallen, Herr“, erwiderte sie nur. Doch nun schien es, dass die beiden Damen ihren Tratsch beendet hatten, denn Lady Landra blickte nun zu Dairren und Iona.

„Ich denke, ich ziehe mich nun zurück. Dairren, Iona, wir sehen uns dann beim Abendbrot.“

„Wir sollten uns vielleicht ins Studierzimmer zurückziehen“, sprach der Spross von Lady Landra zu Iona, woraufhin beide noch einmal respektvoll vor mir ihr Haupt senkten und dann in besagten Raum gingen.

„Guten Abend, Eure Lordschaft.“ Und mit diesen Worten verschwand auch Lady Landra und ließ Eleanor und mich, also Mutter und nicht so ganz Sohn, zurück.
 

„Du solltest dich von Fergus verabschieden, solange du noch kannst“, gab sie mir den überflüssigen Tipp. Als wäre das nicht ohnehin meine Mission gewesen.

„Das werde ich. Doch vorher möchte ich noch einmal kurz ins Studierzimmer, falls du nichts dagegen hast, Mutter.“ Sie hatte direkt den Braten gerochen und rollte nur mit den Augen.

„Tue, was du nicht lassen kannst, aber lass dir nicht zu viel Zeit. Und im Übrigen, auch ich werde in ein paar Tagen das Schloss verlassen und mit Lady Landra in ihr Anwesen reisen, um ihr etwas Gesellschaft zu leisten. Dein Vater denkt, dass meine Anwesenheit deine Autorität schwächen könnte.“

„Wie du wünschst, Mutter.“

„Gut“, sprach sie in einem sehr überraschten aber zu gleichen Teilen fröhlichen Ton aus.

„Ich war etwas besorgt, dass dir der Gedanke, alleine das Schloss zu verwalten, nicht behagen würde, doch meine Sorgen waren anscheinend unbegründet.“

„Das war es, Mutter. Ich schaffe das schon, bin ja schon groß. Und irgendwann muss ich das ja auch lernen, oder etwa nicht? Doch ich sollte nun gehen.“

„Ich liebe dich, mein kleiner Junge. Das weißt du doch, oder?“ Und wie ich das wusste. In diesem einem Jahr, welches ich hier verbrachte, hatte ich jeden etwas besser kennenlernen können, als es in den Spielen jemals möglich gewesen wäre und Eleanor war wahrlich das, was man als eine fürsorgliche Mutter bezeichnen konnte. Sie versuchte immer, etwas Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und doch diese nicht zu sehr zu verhätscheln. Und wenn ich ehrlich war, konnte ich mir in diesem einem Jahr, wo ich keinen Kontakt mit meiner richtigen Mutter besaß, keine bessere Frau als Ersatz wünschen. Es gab einfach keine.

„Ich liebe dich auch, Mutter.“ Und nach diesen Worten umarmten wir uns. Und kaum hatten wir uns voneinander gelöst, da hielt sie mich an den Schultern fest.

„Dann tu, was du tun musst. Wir sehen uns bald wieder.“ Und nun stand ich hier alleine mit meinem Vierbeiner, da Eleanor einfach an mir vorbeischritt. Ein seltsamer Abschied, den Eleanor da verwendete, doch mich störte es nicht.
 

Doch nun ging ich dorthin, wo ich hinwollte. Meine Schritte führten mich ins Studierzimmer und kaum war ich im genannten, konnte ich auch schon die schöne Elfin mit den blonden Haaren und blauen Augen sofort erblicken, weswegen ich auch direkt zu dieser lief.

Sie selbst, überrascht darüber, mich hier nun anzutreffen, strahlte über das ganze Gesicht.

„Erneut grüße ich Euch, Eure Lordschaft.“

„Bitte, nennt mich Aidan“, meinte ich freundlich gemeint an sie gerichtet, was sie ebenfalls für einen Augenblick überraschte und doch mit einem schönen Lächeln hinnahm.

„Wie Ihr wünscht … Aidan.“ Sie ließ den Namen über ihre Lippen gleiten, als habe sie soeben ein großes Geschenk erhalten, worüber sie sich sehr freute, und erneut nahm ich dieses Funkeln in ihren Augen wahr, als sie diesen aussprach. Und ich musste gestehen, diese Elfin gefiel mir besonders gut. Ich wusste nun, was jeder meinte, wenn man vom Aussehen der elfischen Frauen sprach. Sie hatten etwas Anziehendes. Vermutlich lag es an dem Interesse, das die Menschen an dem Neuen und doch zu gleichen Teilen nicht sonderlich Fremden verspürten. Und natürlich hatte ich in diesem Jahr die eine oder andere Elfin zu Gesicht bekommen, doch ich hatte sie eben nur freundlich behandelt, sie nicht als Beute betrachtet oder gar so etwas gewollt, doch hier bei ihr, wo ich doch wusste, dass ich eben jene Möglichkeit besaß, da war es irgendwie … anders. Und zudem schien sie das schönste Elfenmädchen zu sein, das mir zu Gesicht kam. Auch in meiner Welt war ich kein Schürzenjäger, besaß ich, um ehrlich zu sein, nicht einmal viel Erfahrung, trotz meines Alters, weil ich einfach ein Feigling war. Ich sprach selten fremde Frauen an und wenn ich mal eine kennenlernte und mich mit diesen traf, war ich schnell der Kumpel. Doch hier nun einfach dieses Wissen zu besitzen, dass sie mit mir sicher schlafen würde, wusste ich ja, was für Worte man zu benutzen brauchte ungefähr. Zudem ihre Schönheit und die Erfahrung, die schönste Nebensache der Welt mal mit einer Elfin zu erleben … sorry Aidan, ich war ein verdammtes Jahr mit deinem Körper enthaltsam, in allen Belangen, aber ich bin kein Heiliger, auch nur menschlich. Mehr kann man von mir nicht verlangen. Aber diese Frau ist die goldene Ausnahme.

Ich setzte mein Gespräch mit der jungen Blondine weiter fort und am Ende des Gesprächs einigten wir uns darauf, dass sie um Mitternacht an meiner Tür klopfte. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, darüber dass ich nun meine erste Elfin im Leben erobert hatte, lief ich nun in die Richtung von Fergus‘ Zimmer. Und es dauerte auch hier nicht lange, um dieses zu erreichen.
 

„Und da ist ja mein kleiner Bruder, um mich zu verabschieden“, konnte ich Fergus sagen hören, als er mich durch die Zimmertür treten sah, wodurch sich meine Schwägerin samt Neffen ebenfalls zu mir umdrehten.

„Störe ich? Soll ich nochmal rausgehen, falls ich ungelegen auftauche? Die letzten Momente eines Mannes vor einer langen Reise sollten seinen wichtigsten Menschen gelten.“ Fergus schüttelte sein Haupt.

„Bleib hier. Ich will mich auch von dir verabschieden. Weißt du, Brüderchen, du wirst mir fehlen.“

„Was am meisten? Meine gewinnende Art oder mein schneidender Witz?“ Ein Lacher entwich der Kehle seines neugewordenen Bruders.

„Vermutlich beides. Aber am meisten deine Kampffähigkeiten, wenn ich da unten bin. Die Dunkle Brut alleine zu bekämpfen, könnte anstrengend sein. Deinen Schwertarm zur Unterstützung könnte ich durchaus gebrauchen.“ Ich nickte, verstand, was er meinte. Doch wusste ich auch, dass trotz seines Verlustes, den er besitzen würde, da seine Frau und sein Sohn sterben würden, er in gewisser Weise auch Glück besaß. Immerhin bekam er ziemlich am Anfang dieses Abenteuers eine Wunde, die ihm so stark zusetzte, dass er die ganze Verderbnis verschlafen würde, wenn man es so ausdrücken mochte. Er musste nicht wie der Rest der Welt um sein Leben zittern. So viel Schwein musste man mal haben, doch der Verlust, sobald er aufwachte … enorm.

Währenddessen würde ich durch ganz Ferelden schreiten und versuchen, mit meinen treuen Gefährten wie Alistair, Sten, Morrigan oder Leliana die Welt zu retten. Oh, wie ich mich schon darauf freute, diese Persönlichkeiten kennenzulernen. Mich mit Alistair anzufreunden oder Leliana … einfach nur zu sehen. Wie ein kleines Kind freute ich mich schon auf diese Gelegenheiten, doch im Hier und Jetzt schellte ich mich selbst. Daran durfte ich noch gar nicht denken. Zwischen mir und den Begegnungen mit den genannten lagen noch ein ganzes brennendes Schloss, eine Wildnis und ein Turm voller Dunkler Brut. Und das, was am wichtigsten war, vermutlich eine komplette Woche, zumindest würde ich darauf schließen, dass die Reise bis nach Ostagar ein paar Tage dauern würde. Wenn man bedachte, was ich alles innerhalb einer solch kurzen Zeitspanne erleben würde, das war … krass.

„Ich weiß, was du meinst. Ach, und bevor ich es vergesse, ich soll dir von Vater ausrichten, dass du ohne ihn aufbrichst.“

„Was? Sind die Männer des Arls noch immer nicht eingetroffen?“ Fassungslos über diese Neuigkeit schüttelte er sein Haupt.

„Laufen diese Dummköpfe etwa alle rückwärts?“, murmelte er leise vor sich hin, doch alle Beteiligten im Raum hatten ihn vernommen.

„Einen Schritt rückwärts und zwei vorwärts trifft es sicher am besten.“ Dem Älteren entlockte dieser Spruch ein Schmunzeln und auch wenn diese Vorstellung eigentlich recht lustig war, wusste ich es leider besser. Diese, von Fergus so liebevoll als Dummköpfe betitelt, verspäteten sich nicht, sondern es gehörte alles zum perfiden Plan dieser Ratte Howe.

„Ich breche dann mal lieber auf. Immerhin muss ich noch die gesamte Dunkle Brut ausrotten. Nun denn …“ Fergus richtete sich an seine Frau, „… bis bald meine Liebe!“ Und er ging auf sie zu und küsste sich noch einmal. Intensiv. Man spürte förmlich, wie viel Sorge und Liebe in dieser Geste lag. Und dabei stimmte mich der Gedanke traurig, dass sie nicht wussten, dass dies tatsächlich ihr letzter Kuss sein würde, den sie jemals einander gaben.
 

„Ich möchte doch hoffen, mein lieber Junge, dass du auf uns wartest, bevor du dich verabschiedest?“ Die Oberhäupter der Couslands betraten den Raum und direkt richtete sich Eleanor ihrem ältesten Sohn zu.

„Leb wohl, mein Sohn. Ich werde jeden Tag für dich beten.“ Und mit diesen Worten umarmte sie auch sogleich den älteren Erben der Couslands.

„Fergus ist taff, dem passiert schon nichts“, gab ich meinen Senf ab und ruinierte vermutlich diesen Moment zwischen Mutter und Sohn.

„Wie gesagt, die Dunkle Brut hat keine Chance“, stimmte mir Fergus zu, doch dann stimmte Oriana, die Frau von Fergus, ein Gebet an.

„Der Erbauer wache über uns. Möge er unsere Söhne, Männer und Väter beschützen und sie wohlbehaltend zu uns zurückführen.“ Sie beendete ihr Gebet, woraufhin ich nur ein „Amen“ von mir gab. Ja, ich war scheinbar wirklich zu solch einem Gläubigen geworden, hätte ich solch ein Gebet in meiner Welt vermutlich nur schmunzelnd wahrgenommen.

„Und wenn er schon dabei ist, soll er gleich Bier und ein paar Dirnen schicken. Für die Männer natürlich.“ Wenn der junge Mann aus einer Welt, bei dem es sich um mich handelte, in diesem einem Jahr eine Sache gelernt hatte, dann war es, dass ich meinen älteren Bruder absolut mochte. Gerade durch solch dummen Kommentare, die eindeutig von mir hätten kommen können.

„Fergus, nicht vor deiner Mutter!“, kam es mahnend von Oriana, wonach Oren, welcher dem ganzen Gespräch bisher still gelauscht hatte, sich dieses Mal auch zu Wort meldete.

„Wieso soll er in Gegenwart seiner Mutter nicht von Birnen sprechen?“

„Eine Dirne …“, begann Bryce Cousland auszuführen, „… ist eine Frau, die in einer Taverne Bier ausschenkt, Oren. Oder eine Frau, die selbst viel Bier trinkt.“ Damit beendete er die Erklärung für den Jüngsten im Raum. Ich liebte diese Familie einfach. Einfach so schön direkt und ehrlich.

„Bryce! Beim Erbauer! Schlimmer als eine Horde Halbwüchsiger, sage ich dir!“ Eleanor tat es Oriana gleich und blickte Fergus nun auch mahnend an, wodurch dieser begann zu kichern.

„Ich werde dich vermissen, Mutter. Pass auf sie auf, Bruder, hörst du?“

„Sie kann auf sich selbst aufpassen, das war schon immer so, doch ich tue mein Bestes“, versicherte ich meinem Bruder zwinkernd, wodurch dieser zufrieden nickte.

„Genug, genug. Geh heute früh zu Bett! Du hast morgen viel zu erledigen.“ Bryce richtete sich nun an mich und wie recht er mit seinen Worten haben würde, war ihm bis dato noch nicht bewusst. Schließlich war ich morgen schon längst auf der Flucht und auf dem Weg zu der andere Seite des Landes.

„Nun gut. Dann Fergus, pass auf dich auf und viel Glück, du wirst es brauchen. Allen anderen, eine angenehme gute Nacht wünsche ich euch.“ Eine gespielte Verbeugung meinerseits, und schon verschwand ich aus den Räumlichkeiten meines Bruders, dicht gefolgt von meinem vierbeinigen, treuen Begleiter. Ich musste die letzten Vorbereitungen kontrollieren, bevor heute Nacht mein neues Schicksal begann, sich zu erfüllen. Das Einzige, worauf ich mich nun noch freuen konnte, ehe ich viel Trauer erlebte, war mein nächtlicher Besuch der bezaubernden Elfin, die mir Gesellschaft leisten würde.

Das konnte ja alles an sich heiter werden.
 

Und dies war das letzte Mal, dass sich die gesamte Cousland Familie an einem Ort befand. Ein historischer Moment, wenn man genauer darüber nachdenkt, dem ich beiwohnen durfte. Dies war der letzte Alltag, den ich erlebt hatte, ehe die Couslands zunächst einmal zu Geächteten gemacht wurden. Die Ruhe vor dem Sturm, bevor sich mein friedliches Leben in dieser Welt plötzlich wandelte, und ich hoffte nur, dass ich genug Vorbereitungen getroffen hatte und bereit war. Bereit für das, was das Schicksal mit mir geplant hatte.​

Chapter 03 ~ ... vor dem Sturm

Ein Aufschrei hallte durch die Gänge des Schlosses, der mich aus dem Schlaf riss. Augenblicklich realisierte ich, wodurch dieser zustande kam: durch den Verrat des Arl Howe. Zum ersten Mal in meinem so jungen Leben musste ich zugeben, dass es praktisch war, einen leichten Schlaf zu besitzen und zumeist direkt nach dem Aufwachen Herr seiner Sinne zu sein. Alles direkt einordnen zu können. Normalerweise konnte selbst ich am Morgen ein Getränk gebrauchen, das mich etwas mehr in die Welt der Aufmerksamen, der wachen Leute führte, bevorzugt Kaffee. Jedoch wenn es um etwas Bestimmtes ging wie zum Beispiel um einen Termin in der Früh, dann wusste ich sofort, sobald ich erwachte, was getan werden musste, wie auch jetzt. Sofort riss ich meine Bettdecke hoch, sprang aus dem Bett und ging mit schnellem Schritt auf die Kiste zu, in welcher meine Rüstung gelagert wurde, und versuchte, diese mir selbst, so schnell es ging, anzulegen. Sprich ein Kettenhemd samt den schützenden Rüstungsteilen, welche aus einem Harnisch, beiden Armschützern, einem Waffenrock für die untere Hälfte und schlussendlich aus meinen Stiefeln bestanden. Die komplette Rüstung ließ ich mir vor mehreren Monaten, vorsorglich auf diesen Tag bedacht, aus Veridium anfertigen. Und nun würde ich sehen können, ob diese Rüstung auch ihr Geld wert war. Doch nach all dem Lärm, welcher von draußen kam, den sein Mabari verursachte und schlussendlich auch ich, wachte Iona auf und blickte nur zu mir.
 

„Was ist los, ist etwas passiert?“, stellte sie verwirrt ihre Frage, als sie auf mich, bekleidet in voller Montur, blickte.

„Zieh dich schnell an, wir werden angegriffen. Wenn du angezogen bist, stell dich hinter mich, ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ Ich sprach ehrlich zu der Elfin, die mich mit erschrockenen und geweiteten Augen anstarrte und dann doch meinen Anweisungen folgeleistete. Mein Blick richtete sich nun auf meinen Vierbeiner.

„Skipper, du weißt, was zu tun ist?“ Als wollte er es mir bestätigen, bellte er nur kurz und seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder der Tür zu, darauf bedacht, nicht zu verpassen, falls sich jemand mit Gewalt Eintritt verschaffte. Ich nahm noch kurz mein Schwert, dies war kein besonderes, sondern ein normales, welches auch den Wachen zur Verfügung stand, wie auch einen Schild. Mir war bewusst, dass ich einen Schild brauchen würde, falls ich, und das würde ich, gegen Bogenschützen oder Magier in den Kampf zog, was tatsächlich auch schon heute Nacht der Fall war. Doch im Gegensatz zu meinem Schwert, welches keine Besonderheiten aufwies, hob sich mein Schild von dem der Wachen ab, denn vorsorglich hatte ich ein stabileres, um genauer zu sein, ein Turmschild. Diese großen und rechteckigen Schilde bestanden aus mehreren verleimten Holzbrettern, doch zur Erhöhung der Stabilität war der Schild mit einigen metallenen Bolzen verfestigt worden, samt eines metallenen Rahmens. In der Mitte des Schildes befand sich eine rechteckige, bronzene Platte, welche bei direkten Treffern die Stabilität zusätzlich gewährleistete. Als ich nun meinen Schild und das Schwert in den Händen hielt, war ich auch schon bereit loszustürmen, doch nun kam mir ein Moment des Grübelns in den Sinn. Wenn ich nun losstürmte, gerade durch meine schnelle Reaktion auf die aufkommende Bedrohung, könnte ich Oriana und Oren vermutlich noch retten, ehe die Soldaten sie töteten. Dies jedoch würde mir das Überraschungsmoment nehmen, wenn die Männer meine Tür eintraten und mich plötzlich überraschend in voller Rüstung betrachteten und ich sie in diesem Moment der Verwunderung einen nach dem anderen abpflücken würde. Was sollte ich tun? Viel Zeit blieb mir nicht zum Nachdenken, denn sonst würde das Schicksal selbst eine Entscheidung treffen.

Mit meinen blaugrauen Augen blickte ich in das besorgte Gesicht der Elfin, welche mit mir das Nachtlager geteilt hatte.
 

„Verdammt, tragt meine Tasche!“, sprach ich den letzten Teil an die Elfin gewandt, da ich nun kämpfen musste und den unnötigen Ballast meiner Tasche auf dem Rücken nicht gebrauchen konnte, als ich mich in Bewegung setzte und die Tür aufriss. Ich hatte meine Entscheidung gefällt: Ich wollte Oriana und Oren retten. Sie beide waren stets nett zu mir gewesen und ich war es Fergus schuldig, denn auch er war für mich wie eine Art Bruder geworden. Und was noch schlimmer für mich war: Ich war es dem jungen Cousland schuldig, in dessen Körper ich mich befand. Er hatte es verdient, dass nicht nur sein Bruder überlebte, sondern dass er auch einen etwas größeren Teil seiner Familie besaß, wenn eben nicht seine Eltern. Oriana und Oren würden die Geschichte nicht belasten und die Nachfolge von Highever war gesichert. Ob Eleanor diese belasten würde, vermochte ich nicht zu sagen, war diese Welt zwar noch immer mittelalterlich, doch galt hier schon ein gewisser Fortschritt in der Gleichheit der Frauen im Vergleich zu meiner Moderne. Doch um sie brauchte ich mir keine Gedanken machen, denn sie würde ohnehin beim sterbenden Bryce bleiben. Doch eben Genannter, Bryce Cousland, würde mit seinem Überleben die gesamte Geschichte gefährden. Er würde nicht stillsitzen und abwarten können, bis sein Sohn soweit in der Geschichte sein würde, sondern er würde direkt versuchen, die Verräter zur Strecke zu bringen. Sein gutes Recht und als Teyrn sogar möglich, doch dann wüssten Loghain wie auch Howe, dass die Couslands überlebt hatten und dies würde das Überraschungsmoment zunichtemachen. Es wäre schon schlimm genug, als Grauer Wächter geächtet zu sein. Dann noch alle Glaubwürdigkeit als Spross eines Mannes, der laut ihrer Lügenmärchen Hochverrat beging, zu verlieren, wäre nicht gerade profitabel in der Unternehmung, das Land zu einen. Diese Schlüsse bedeuteten nur eines. Jeder in diesem Schloss durfte überleben, nur nicht die Oberhäupter der Couslands, so schwer es mir auch fiel.
 

Mein Blick lag nun auf den drei Soldaten, die versuchten, die Tür zu Fergus‘ Zimmer zu öffnen. Anscheinend hatten sie noch nicht mitbekommen, was auf sie zukommen würde. Zum einen mein Mabari, welcher sie einfach zerfleischen würde, und zum anderen meine Person. Ich hatte dieses gesamte Jahr darauf hingearbeitet wie ein Verrückter, meine Kampffähigkeiten zu verbessern, so dass ich einen würdigen Wächter abgeben konnte und hoffentlich auch würde.

Schnellen Schrittes rannte ich auf einen der beiden Soldaten zu, die sich an der Tür zu schaffen machten. Sie versuchten vermutlich, diese leise zu öffnen, um die beiden Zimmerbewohner still zu töten, so dass sie sich danach schnell um mich kümmern konnten, da sie wussten, dass Aidan Cousland alles andere als unbegabt in der Kunst des Kämpfens war. Doch wie zu erwarten, wenn ein Mann in einer Rüstung auf jemanden zu rannte, machte dies besonders viel Lärm, weswegen ich auch schnell entdeckt wurde. Für den außenstehenden Bogenschützen war dies jedoch zu spät, denn mein Hund war deutlich schneller als meine Beine oder jegliche Reaktion, die von den Soldaten hätte kommen können, und schon wurde dieser umgerissen. Doch länger konnte ich mich darauf nicht konzentrieren, denn mit meinem Schwert ging ich zum Angriff über. Zum Glück des attackierten Soldaten konnte dieser gerade noch zum richtigen Zeitpunkt sein Schwert hochziehen, um meinen Angriff zu parieren. Doch mit meinem Turmschild, welches einiges an Gewicht mit sich brachte, riss ich ihn auch sogleich zu Boden, indem ich ihm selbigen gegen den Kopf schlug. Zeit genug für mich, diesen für kurze Zeit zu ignorieren und mich dem anderen Soldaten zuzuwenden, welcher ebenfalls ein Schild und Schwert in Händen hielt. Panik war in seinen Augen zu erkennen, denn immerhin hörte er wie sein Kamerad nicht unweit von ihm dabei war, zerfleischt zu werden, während der andere noch leicht benommen durch den Treffer des Turmschildes auf dem Boden lag.
 

Mit meinem Schild voraus schritt ich langsam auf ihn zu, wodurch der Feind immer weiter zurückgedrängt wurde. Mit dem Schwert fing ich nun an, schnell auf ihn einzuschlagen, wodurch der Gegner verzweifelt seinen Schild nach oben hob, doch nicht mit mir. Auf diese Verzweiflung hatte ich nämlich spekuliert und war bereit, dies, ohne zu zögern, auszunutzen, indem ich meinen Schild unter seinen klemmte und er dazu gezwungen wurde, seinen Arm weiter in die Höhe zu heben. Dadurch verwirrt, dass er seinen Arm nicht mehr anders anwinkeln konnte und somit nur sein Schwert zum Schutz besaß, war ich in der Poleposition. Mit meinem Schwert fing ich erneut an, ihn zu bearbeiten, und dadurch, dass das Schild des Soldaten eingeklemmt wurde, konnte er auch nicht fliehen, außer er würde diesen fallenlassen. Doch auch das Einschlagen meiner Schläge spielte ihm übel mit, weswegen er nach ein paar Kräftigen hieben dazu gezwungen wurde, sein Schwert fallen zu lassen. Entsetzt weitete der in diesem Kampf unfreiwillig zum Verteidiger Gemachte seine Augen, hatte er seinen groben Fehler doch soeben selbst bemerkt. Doch da war es auch schon zu spät. Dank Aidan Couslands Körpergewicht samt dem Vorteil des Schildes, drückte ich ihn nach hinten, wodurch er somit durch die Überraschung dieser Belastung, welche auf ihn zukam, stolperte und zu Boden fiel, nun auch seinen Schild fallenlassend. Langsam schritt ich auf ihn zu und durchstieß seinen Torso.

Dies war das erste Mal für mich, dass ich jemanden tötete. Und mitbekommen, wie jemand auf diese Weise im Kampf getötet wurde, hatte ich ebenfalls noch nie, weswegen ich ihn nun sehr genau beobachtete. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man dafür verantwortlich war, dass diese Person nie wieder seine Familie oder seine Freunde besuchen konnte. Dass er nun hier lag und sich nie wieder von selbst richtig bewegen würde. Wie seine Augen aufgeregt herumwanderten in der Verzweiflung, dies möge doch alles nur ein böser Traum sein. Dies alles spielte sich in Sekunden ab, doch für mich kam es deutlich länger vor. Er war die erste Person, die von mir getötet wurde, und gewiss nicht die letzte. Doch wie bei so vielen anderen auch wusste ich, dass ich diesen Mann nicht mehr aus dem Kopf bekommen würde. Der erste Tote war die Person, die am prägendsten war. Doch egal, wie sehr ich darüber nachdachte, es befand sich kein Bedauern in mir. Es mochte vielleicht seltsam klingen, doch auf irgendeine seltsame Art gefiel es mir sogar, denn ich wusste, dass diese Person mich, ohne zu zögern, wenn sie gekonnt hätte, ebenfalls getötet hätte. Vermutlich sogar auf grausame, unanschauliche Weise. Ich war mit seinem Durchlöchern des Torsos, wie ich selbst fand, auf gewisse Weise sogar noch recht gnädig gewesen.
 

Ich wendete meinen Blick von dem Kerl ab, der in wenigen Augenblicken ohnehin verblutet sein würde, und meine Iriden blickten auf den letzten der verbliebenen Soldaten. Er zitterte am gesamten Leib, denn er wusste, dass er keinerlei Chance besaß, immerhin würde er vom jüngsten Cousland und dessen Mabari angegriffen werden. Vorsichtig legte er aus diesem Grund, seine Chancenlosigkeit erkennend, sein Schwert und Schild auf den Boden und hob seine Hände in die Luft.

„Ich ergebe mich!“, rief er, vermutlich denkend, dass ich nicht wusste, dass bereits das gesamte Schloss von ihnen angegriffen wird und er nur darauf wartete, einen von ihnen töten zu können. Vielleicht spekulierte er sogar auf das Zeitspiel, dass ich ihn solange ausfragen würde, bis seine Verstärkung kam. Falsch gedacht. Skipper blickte mich, sein Herrchen, an. Anscheinend wartete er auf meinen Befehl, meine Meinung, was mit diesem Kerl geschehen sollte. Mit einem Kopfnicken in die Richtung des Soldaten verstand der Mabari augenblicklich, doch auch der Soldat verstand, dass sein Schicksal soeben entschieden wurde. Zu seinem Pech war der Mabari deutlich schneller bei ihm als er bei seiner Waffe, weswegen es für Skipper ein Leichtes war, den Unbewaffneten zu erledigen. Kurz schaute ich diesem Schauspiel zu, das sich mir darbot, bis ich die Elfin erblickte, die gerade vorsichtig aus meinem Zimmer trat und meinen Rucksack auf dem Rücken trug.

„Bei Euch alles in Ordnung?“, fragte ich sie, während der Schock deutlich die Oberhand in ihrem Gesicht zu gewinnen schien.

„J-ja.“ Iona nickte zaghaft, doch sie behielt respektvollen Abstand zu mir. Vermutlich hatte ich sie durch meinen Kampf, geschweige denn durch meine Reaktion, den Mabari auf den Soldaten zu hetzen, etwas eingeschüchtert. Doch das interessierte mich nicht wirklich. Sie lebte, das war die Hauptsache. Wenn sie nun ein Leben lang Angst vor mir besaß, meinetwegen, Hauptsache ich konnte helfen, dass ein Kind – und in ihrem Fall ihre Tochter – eine Mutter besaß und behielt für die Zukunft.

Meine Schritte trugen mich zu der Tür, welche in Fergus Zimmer führte, und kräftig klopfte ich an dieser an.

„Oriana, Oren, macht die Tür auf, ich bin es, Aidan, hier draußen ist es sicher“, erklang es aus meiner Kehle, als ich mich auch schon wieder von der Tür abwandte und der Tür zuwandte, die in das Schlafzimmer von Eleanor und Bryce Cousland führte und auch an dieser klopfte.

„Mutter, du kannst rauskommen.“ Ich war mir sicher, dass sie die Stimme ihres Jüngsten erkannte, weswegen ich auch nicht begann, meinen Cousland-Namen auszusprechen.

Und sofort öffneten sich beide Türen. Während Eleanor in einer Rüstung vor mir stand und ihren Bogen geschultert hatte, samt dem dazugehörigen Kescher, standen Oriana und Oren in normaler Kleidung in ihrer Tür und schauten uns aus ängstlichen Augen an.
 

„Was ist hier los, Aidan? Ich habe Schreie gehört und …“ Eleanor hielt inne, als sie die drei Leichen der Soldaten erkannte. Ihr Blick fiel auf eines der Schilder, welches das Wappen des Arls von Amaranthine, Howes Wappen, trug.

„Der Arl hat uns verraten. Seine Männer kamen nicht zu spät. Er hat es so geplant, um Highever zu übernehmen.“ Eleanor analysierte die Gesamtsituation binnen Sekunden und in ihren Augen loderte die Wut.

„Dieser Bastard, ich werde ihm seine verräterische Zunge herausschneiden!“, entwich es ihrer Kehle, sonst so bedacht darauf, keinerlei Schimpfwörter zu sagen und wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich nun vermutlich gelacht.

Ich wandte meinen Blick zu Oriana und Oren.

„Wenn ihr beiden noch etwas mitnehmen möchtet, dann beeilt euch. Mutter, du auch. Iona, hilf ihr. Uns bleibt nicht viel Zeit. In einer Minute gehen wir.“ Erst jetzt bemerkten alle Beteiligten die Anwesenheit von Iona, die mitten im Gang stand und sie konnten alle eins und eins zusammenrechnen. Abgesehen von Oren, der noch viel zu unschuldig war und, so hoffte ich, noch lange darüber nicht Bescheid wissen würde.

„In der Truhe deines Vaters könnten noch ein paar Sachen sein, die wir brauchen“, sprach Eleanor zu mir und zu dritt gingen wir auf die Truhe zu.
 

Als wir einiges fanden wie zum Beispiel Geld für später, was wir alles in meinen Rucksack packten, gingen wir erneut auf den Flur, in welchem auch bereits Oriana und Oren auf uns warteten. Es war für mich etwas seltsam, dass in dieser Situation, in welcher normalerweise nur noch Eleanor und mein Mabari dabei sein sollten laut dem Spiel, nun noch drei weitere Personen dabei waren, doch dies war nun einmal mein verdammter Beschützerinstinkt für Personen, die ich mochte. Ich war ab und an einfach zu gut für diese Welt. Manchmal verfluchte ich mich selbst dafür.

Wortlos liefen wir durch den kurzen Gang, welcher uns näher an die anderen Orte dieses Schlosses führte und als ich die Tür aufstieß und wir nun die Burgmauern erkannten, konnte man das laute Schlagen von Metall auf Metall hören, das von den Wänden stetig widerhallte. Sie kämpften überall. Auch das Knistern von Feuer war zu vernehmen und wenn man etwas genauer auf die Mauer blickte, konnte man auch von diesen das helle Licht des Feuers vernehmen, welches gerade bei uns ums Eck brannte.

„Sie sind überall, wir müssen Bryce finden und dann fliehen!“, vernahm ich Eleanors Worte, welche an mich gerichtet waren.

„Wir sollten zur Haupthalle gehen! Bryce ist mit Howe gemeinsam länger aufgeblieben. Wenn ihm etwas …“

„Mutter!“ Sie schrak zusammen, aufgrund meines lauten Tons, ehe sie mir ins Gesicht blickte.

„Denk erst gar nicht an so etwas! Er lebt! Und genau deshalb sollten wir nun umso schneller nach ihm suchen. Also mir nach!“ Sie nickte. Ich brauchte mich auch nicht umzudrehen, um zu wissen, dass unsere restlichen Begleiter mir ebenfalls folgten. Mir behagte zwar nicht ganz, was ich zu Eleanor gesagt hatte, schließlich lag Bryce schon im Sterben, doch gelogen hatte ich schließlich auch nicht.

Als wir kurz davor waren, um die erste Ecke zu gelangen, kam einer der Bediensteten und blieb im Gang stehen, nur um das Wort an seine Herren zu richten.
 

„Wir werden angegriffen!“, sprach er das Offensichtliche aus.

„Ich … ich fliehe jetzt und Ihr solltet das auch tun!“ In seiner Stimme lag die Verzweiflung und Angst, die er verspürte. Er wollte einfach soweit wie möglich von hier weg und da war er sicherlich nicht der Einzige. Mir tat zwar leid, was ich nun tat, doch ich musste dafür sorgen, dass wir einen weiteren Vorteil besaßen und ein weiteres Leben, das uns schützen konnte, war eben ein weiteres Leben entfernt vom Tod. Vielleicht, wenn er sich nicht zu blöd anstellte, würde er auch überleben.

„Feigling! Dieses Schloss ist auch Euer Zuhause. Bleibt hier und kämpft mit uns!“ Ich schrie ihm entgegen, wodurch der Bedienstete sichtlich am Überlegen war.

„J-Ja Sir, Ihr habt recht.“ Panisch blickte er zu seiner Linken, ehe er anfing, ein „DA SIND SIE!“ zu schreien, und den Feinden mutig entgegentrat, von der Furcht von vor wenigen Augenblicken keine Spur mehr hinterlassend. Nun war keine Zeit zu verlieren. Ich hatte diesen Mann dazu gebracht zu kämpfen, nun würde ich ihn auch unterstützen. Nicht zu sehr als Kanonenfutter dienen lassen.

„Wartet hier!“, befahl ich Iona, Oriana und Oren, die einzigen im Bunde ohne Waffe, während Eleanor und ich selbst samt meines Mabaris um die Ecke rannten. Der Mann, welcher fliehen wollte, konnte einem fast schon leidtun. Er versuchte, die Männer in den Rüstungen mit seinen bloßen Fäusten zu besiegen, weswegen es an der Zeit war, einen dieser Männer so schnell wie möglich zu erledigen, damit dieser Mann auch einmal eine Waffe erhielt, um sich effektiv im Kampf zu beteiligen, auch wenn er vermutlich nicht richtig mit dieser umzugehen wusste. Doch ich besaß lieber einen Verbündeten mit Waffe, der damit nicht umgehen konnte, als einen unbewaffneten, der ohnehin keinerlei Schaden zufügte. Und dass er die Möglichkeit auf eine baldige Waffe erhielt, kam deutlich schneller als erwartet. Denn Eleanor musste erkannt haben, dass einer der Soldaten seinen Schild nicht hochgezogen hatte, geschweige denn auf uns achtete, und deshalb seinen Kopf völlig ungedeckt hielt. Und dies wurde ihm zum Verhängnis, denn nun zierte ein Pfeil sein Gesicht. Die Soldaten, welche durch das Umkippen ihres Kameraden auf die weiteren Verteidiger dieses Schlosses aufmerksam wurden, wurden in der gleichen Sekunde ein weiteres Mal überrascht, denn zu spät hatten sie den Mabari bemerkt, der nun schon bei ihnen angekommen war und einen weiteren Soldaten zu Fall brachte. Der Letzte wusste nicht, wie ihm geschah. Was sollte er tun? Weiterhin auf den Mann achten, der mit Faustschlägen den Kampf gegen ihn wagte, auf die Bogenschützin achten, die kurzen Prozess mit seinem Kameraden gemacht hatte oder nun seine Aufmerksamkeit auf den Schwertkämpfer mit dem Schild richten? Er konnte einem schon fast leidtun, wenn er nicht auf der falschen Seite stehen würde, doch ich machte ihm die Entscheidung nun sogar noch schwieriger. Immerhin war ich schon bei der Leiche des Feindes angekommen und ließ das Schwert des gefallenen Soldaten über den steinernen Boden schlittern, in die greifbare Nähe des Faustkämpfers. Und ehe der Soldat diesen nur daran hätte hindern können, bekam er auch schon einen Schwerthieb von mir zu spüren, der ihn, so unvorsichtig wie er ihm gegenüber zu sein schien, ins Wanken brachte. Und kaum war sein Blick nun auf mein Haupt geheftet, sackte er auch schon leblos zu Boden, während ein Pfeil aus seinem Hals ragte. Mit Anerkennung im Blick schaute ich zu meiner neugewordenen Mutter. Sie hatte soeben zwei von drei Soldaten erledigt. Und wenn sie mir jetzt noch erzählte, dass sie außer Übung wäre nach all den Jahren, würde ich meinen Schild gegen ihren Kopf schlagen, das schwor ich mir im Gedanken.
 

Eleanor ging noch einmal um die Ecke und holte unsere zurückgelassenen Kameraden. Und als sie bei uns waren, gingen wir weiter den Weg, doch als wir bei einer Weggabelung ankamen, blieb ich stehen, was mir der Rest auch sogleich gleichtat. Nun, ich war wohl stumm zum Anführer unserer kleinen Gruppe ernannt worden.

„Mutter, wäre es nicht besser, wenn wir in die Schatzkammer gehen würden?“ Die Augen der Ältesten in der Runde weiteten sich.

„Eher würde ich Howe damit enthaupten, als dass er das Familienschwert in die Finger bekommt. Hier, der Schlüssel.“ Sie drückte mir den Schlüssel in die Hand, mit welchem man Einlass in die private Schatzkammer der Couslands erhielt, und augenblicklich näherten wir uns besagter Kammer. Die beiden Wächter, die diese Kammer bewachen sollten, lagen bereits tot auf dem Boden. Es war heute einfach ein trauriger Tag. Viele gute Männer und Frauen verloren bereits ihre Leben und weitere würden folgen. Und das alles wegen etwas Macht, die ein skrupelloses Arschloch, wie es nun einmal Howe war, besitzen wollte. Ich wandte meinen Blick von den Soldaten ab und machte mich daran, mit dem Schlüssel die Tür aufzuschließen. Und kaum war diese offen, staunte ich nicht schlecht, wie viele Truhen es hier gab. Nur einmal war ich hier an diesem Ort gewesen und selbst da war ich überrascht gewesen, wie es hier aussah.

„Wichtig ist nur die hinterste Truhe, in den vorderen sind nur ein paar Waffen wie Äxte zum Beispiel“, teilte die Mutter des Couslands mit und wir machten uns auf zu besagter Truhe.

Als ich diese öffnete, erkannte ich auch sofort das Familienschwert der Couslands. Es war etwas ganz Besonderes. Es strahlte förmlich. Zum Glück war es ein normaler Einhänder und kein Zweihänder, wie es im Spiel gewöhnlich der Fall war. Oder irrte ich mich und es war tatsächlich schon immer ein Einhänder gewesen? Ich konnte nun einmal auch nicht alles wissen trotz meiner etlichen Durchgänge in dieser Spielereihe.

Sofort schmiss ich mein Schwert, das ich schon die ganze Zeit in den Händen hielt, beiseite, und nahm das Familienschwert in Anspruch. Es würde mir sicherlich bessere und nützlichere Dienste erweisen als das Schwert, das ich schon die ganze Zeit bei mir trug. Doch ebenfalls befand sich in der Truhe noch mehr Geld, auch ein paar Pfeile und Amulette wie Ringe. Während ich meiner Ziehmutter die Pfeile in die Hand drückte, verstaute ich den restlichen Inhalt in den Rucksack, den Iona in meinem Namen mit sich trug. Diese Sachen würde ich Howe nicht überlassen, unter keinen Umständen.
 

Als die Truhe auch schon leer war, lief ich an meinen Begleitern vorbei und durch die Tür hinaus. Es musste sich immer jemand von den Kämpfern vorne befinden, so dass sich jemand an der Front befand, um die Schutzlosen zu beschützen. Und wie es schien, war dies auch notwendig, kamen auch schon die nächsten Angreifer, die uns entdeckt hatten. Doch dieses Mal war zu unserem Bedauern auch ein Mabari dabei. Und als der erste gerade direkt auf mich zu rannte und umschmeißen wollte, wurde dieser von Skipper attackiert und zur Seite gestoßen. Die beiden Kriegshunde lieferten sich einen erbitterten Kampf, doch meinen treuen Begleiter konnte ich leider nicht unterstützen, denn ich war zu sehr mit dem Parieren der Angriffe der bereits herangestürmten Soldaten beschäftigt, die mich gnadenlos mit Schwerthieben bearbeiteten. Sie drängten uns soweit, dass wir wieder in den Raum gelangten, der in die Schatzkammer führte, und ich befand es für taktisch klug, sich im Türrahmen zu positionieren, um ihnen keine Möglichkeit darzubieten, unsere kleine Gruppe zu umzingeln. Ich wusste zum ersten Mal nicht, was wir tun sollten, tun konnten, und wirklich über eine Möglichkeit nachdenken konnte ich auch nicht aufgrund der Konzentration und Belastung, die ich auf die Verteidigung legen musste. Vor uns waren Männer, die uns nach dem Leben trachteten, ich in der Mitte, die Angreifer – mit meinem gehobenem Schild und durch das Befestigen meines Standes – hindernd am Durchbrechen und am Abwehren, während hinter mir Eleanor stand, die irgendwie versuchte, einen geeigneten Punkt zu finden, an dem sie zielen konnte, um die Angreifer zu dezimieren. Am besten noch, ohne mich dabei zu treffen. Doch ich wusste selbst, dass dies nicht ewig so weitergehen konnte, denn auch meine Kraft würde irgendwann nachgeben, denn auch der Schild wog so einiges und die Angriffe, die auf ihn prallten, waren nicht gerade leicht zu verkraften. Das Fipsen eines Hundes ließ mich erschrocken aufhorchen, doch ich konnte nicht ausmachen, ob dies von Skipper kam oder ob es sich um den gegnerischen Vierbeiner handelte, immerhin war das Geschrei der Männer zu laut. Nun war es wirklich mal an der Zeit, dass der Erbauer mir half, wenn er mich schon in diese Welt schickte. Und als wäre das ein Zeichen gewesen, um meinen Glauben zu festigen, hörte ich das Aufschreien der Männer vor mir und der Druck, der sich stetig von mir verringerte, bis dieser gänzlich nachließ. Vorsichtig, sichergehend, dass es eben keine Finte des Feindes war, ließ ich den Schild etwas herabsinken und nahm nun mehrere Männer vor uns war, die das Abzeichen der Couslandfamilie auf ihren Rüstungen trugen.

„Hervorragend, die Kavallerie ist da“, entwich es freudig aus meinem Mund, als ich aus den Raum trat und auch Platz für meine Verbündeten machte, die nun ebenfalls den Raum verließen.
 

„Ist alles in Ordnung, my Lord? My Lady?“ Es war Mutter Mallol, welche ihre Herrscher mit besorgtem Blick anschaute. Wir nickten lediglich. Wir waren froh, die Priesterin samt ihren Truppen zu sehen. Normalerweise, wie mir sogleich auffiel, musste man doch im Spiel selbst in die Kapelle, um den Männern zu helfen, doch hier war es scheinbar zum Glück etwas anders. Suchend ließ ich meinen besorgten Blick von ihr ab und war froh, meinen treuen Mabari gesund und munter neben einem der Soldaten – mich erblickend – sitzen zu sehen. Nun ja, zumindest schien er nicht so sehr verletzt zu sein und man konnte auch nicht ausmachen, ob dies nun sein eigenes oder das Blut seines verstorbenen Gegners war.

„Als wir in der Kapelle angegriffen wurden und die Feinde besiegt hatten, haben wir uns augenblicklich auf die Suche nach Euch gemacht. Mich freut es, Euch alle so wohlauf zu sehen, ich war besorgt.“

„Mich freut es ebenfalls, Euch wohlauf zu sehen, Mallol. Habt Dank für Eure rechtzeitige Hilfe, ohne Euch wären wir vermutlich überrannt worden. Doch es ist zu früh, sich auszuruhen. Wir müssen unbedingt zur Haupthalle! Jeder Augenblick zählt, denn wir müssen Vater finden!“ Ernst nickte die Ehrwürdige Mutter. Sie verstand die Situation. Sofort drehte sie sich um und signalisierte den Männern, in die Richtung zu gehen, in welcher sich die Haupthalle befand. Ironisch, wenn eine Priesterin, die den Frieden verinnerlichte, Soldaten befehligte, um Männer zu töten. Und genau dies spielte sich vor uns ab. Ich liebte Ironie einfach. Doch kaum gingen wir ein paar Schritte, hielt ich den Arm meiner Mutter fest, die sich überrascht zu mir umdrehte.

„Liebling, was ist? Wir müssen uns beeilen!“

„Ich weiß, Mutter“, drang es in ihre Ohren, die scheinbar die Ernsthaftigkeit in meiner Stimme wie auch in meinen Augen erkannte und deshalb schwieg.

„Wir sind bis jetzt nur Schwertkämpfern über den Weg gelaufen, abgesehen von dem einen Bogenschützen, den Skipper zerfleischte. Doch ich bin mir sicher, dass Howe auch den ein oder anderen Magier hier herumlaufen lässt und du weißt, wie mächtig solche als Feinde sein können. Deshalb bitte ich dich, wenn du einen Magier siehst, kümmere du dich um ihn. Am besten wäre noch, wenn du dich heimlich etwas abseits von uns bewegst und erst gar nicht in das Sichtfeld des Magiers gelangst, so dass er auf einen von dir kommenden Pfeil nicht mehr reagieren kann. Die Haupthalle wäre der perfekte Platz für solch einen Magier, um seine Macht zu entfalten, findest du nicht? Kann ich mich auf dich verlassen?“ Sie nickte nur, was mich erleichterte, immerhin wusste ich ja, dass nun in der Haupthalle einer dieser übernatürlichen Menschen warten würde und uns nur zu gerne mit Feuerbällen oder was auch immer diese Künstler des Übernatürlichen sonst noch so beherrschten, das Leben schwermachen würde.
 

Es dauerte nicht lange, da waren wir auch schon in der Haupthalle angekommen. Das Schreien von Befehlen war genauso deutlich zu vernehmen wie das Aufeinanderprallen der Klingen. Ser Gilmore besaß in diesem Moment das Kommando und versuchte den Feind daran zu hindern, den zentralsten Ort des Schlosses, die Haupthalle, unter seine Kontrolle zu bekommen. Es war nur umso praktischer, dass wir als Verstärkung eintrafen, denn immerhin war es keine besonders große Anzahl von Feinden, die in diesem Moment vor Ort waren, doch wie ich es aus dem Spiel bereits kannte, befand sich ganz hinten ein Magier, welcher seine Zauber wirkte. Ich nickte meiner Mutter zu und sie verstand, weswegen sie etwas abseits von uns ging und der Rest der Kavallerie den Soldaten bei der offensichtlichen Verteidigung halfen. Im Normalfall wäre dies sicher eine einfache Aufgabe gewesen, bedachte man in diesem Moment unsere zahlenmäßige Überlegenheit von fast drei Soldaten auf jeden folgenden gegnerischen Soldaten. Doch was uns zunehmend zusetzte, waren die Bogenschützen, die sich neben dem Magier postierten und eben besagter Magier, der mit seinem Hokuspokus durchaus verstand, umzugehen. Des Öfteren musste ich meinen Schild in die Höhe heben, leicht angewinkelt, wie ich es aus dem Gespräch mit dem Eisernen Bullen im dritten Teil des Spiels kannte, was effektiver gegen das Abwehren von magischen Angriffen wäre, damit ich oder mein Nebenmann nicht von der enormen Hitze herabregnender Feuerbälle verbrannt oder von einem verirrten Pfeil aufgespießt wurde. Und dabei sollte man sich auch noch auf die Hiebe der Feldsoldaten konzentrieren, die es ja schließlich auch noch gab? Unvorstellbar, doch in diesem Moment eben bitter nötig. Und das einzige Gute war, dass diese ebenfalls durch die Angriffe des Magiers vorsichtiger agierten. Friendly Fire war im echten Leben eben möglich. Von Sekunde zu Sekunde hoffte ich mehr, dass Eleanor sich bald um diesen Magier kümmern würde. Und während ich dabei war, einem Soldaten mein Schwert mit der Hilfe meines Schildes aus der Hand zu schlagen und meinen Einhänder daraufhin in dessen Magengrube versenkte, vernahm ich mit Freuden das, worauf ich so sehr gehofft hatte. Und wie ich hatten auch die Soldaten an meiner Seite bemerkt, dass ein Pfeil die Stirn des Magiers durchbohrte. Niemand hatte die Mutter des Couslands nur im Entferntesten wahrgenommen und sie hatte dies meisterlich ausgenutzt. Wenn dies in naher Zukunft nur ansatzweise so ähnlich mit Leliana funktionierte, wie mir in den Gedanken kam, dann hatte ich zwar noch immer jede Menge Sorgen, die ich mit mir herumschleppte, doch somit eine weniger, da schwierige Feinde aus dem Weg geräumt wurden. Doch im Hier und Jetzt war es der Fall, dass mit dem für die Feinde überraschenden Ableben des Magiers der Sieg in diesem Raum für die Verteidiger gewiss war. Die Bogenschützen waren so überrascht gewesen, dass sie nicht rechtzeitig reagieren konnten und von den heranstürmenden Soldaten chancenlos überrannt wurden. Für den Moment hatten wir einen Sieg zu vermelden, und einen kurzen Augenblick der Rast.
 

„My Lady, Herr. Euch geht es gut. Dem Erbauer sie Dank!“ Ser Gilmore begrüßte uns, als Eleanor meine Seite trat und der Rotschopf seine Befehle erteilt hatte.

„Ja. Es war zwar schwer, aber wir haben es geschafft. Bisher. Jedoch müssen wir Vater finden. Wir hatten gehofft, dass er hier sein würde.“ Der derzeitige Hauptmann dieser kleinen Truppe schüttelte bedauernd den Kopf.

„Der Teyrn war schwer verletzt, als ich Ihn zuletzt sah. Ich sagte Ihm, er solle sich nicht weiter bewegen, doch er war entschlossen, Euch zu finden. Er ist in die Küche gegangen. Vermutlich dachte er, dass Ihr beim Gesindeeingang auf ihn warten würdet.“

„Gesegnet, Ser Gilmore, möge der Erbauer über Euch wachen“, sprach die Frau des Teyrn aus, während ich nickte und dem Rotschopf die Hand reichte, welche er auch sogleich ergriff.

„Wenn Ihr dies überleben solltet, dann sehen wir uns wieder. Falls nicht, war es mir eine Ehre, Euch gekannt zu haben, mein Freund.“ Er nickte nur. In solch einem Moment bedurfte es keiner weiteren Worte. In seinem Blick konnte man herauslesen, dass er ebenfalls so dachte. Und kaum trennten sich unsere Hände voneinander, da lief er auch schon wieder zu seinen Männern. Ein Mann, der genau wusste, dass auf ihn der Tod wartete und er trat diesem offen entgegen. So etwas respektierte ich. So etwas MUSSTE man einfach respektieren und innerlich hoffte ich sehr, dass dieser junge Mann überleben würde. Genauer gesagt hoffte ich sogar sehr, dass dies dem Ser-Gilmore-Mod von den PC-Spielern glich und ich ihm in Lothering wieder begegnen würde. Vielleicht besaß ich ja solch ein Glück, wer wusste dies schon? Jedenfalls war es nun auch an der Zeit für uns zu gehen, weswegen die kleine Gruppe der Cousland-Familie samt der Elfin nun auf dem Weg zur Speisekammer war. Und überraschend, völlig anders als im Spiel, begegneten wir auf dem Weg zur Küche niemandem. Wir konnten einfach weiterlaufen und den Klängen von Stahl, welcher auf selbigem prallte, lauschen. Besser gesagt, wir mussten diesen Geräuschen lauschen.

Für einen Moment war ich sogar glücklich darüber, dass sie in dieser Welt noch so rückständig waren und keine Waffen wie Revolver und Scharfschützengewehre besaßen. Oder um das momentane Problem von Howes Männer zu bereinigen, C4 für das große Tor der Haupthalle, was mit einem Magier auch leicht gelöst wäre, doch scheinbar waren diese Mangelware und der vorhandene wurde falsch eingesetzt. Fehler in der Taktik gab es eben überall und uns schadete dies nicht.
 

Als wir die Speisekammer betrachten, sahen wir ihn. Bryce Cousland, der auf dem Boden lag mit seiner blutigen Wunde, während er versuchte mit einem Stofftuch die Blutung, die aus dieser trat, zu stoppen, doch diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Der Schnitt war einfach zu tief und das erkannte man auch deutlich. Eine weitere Sache, die man nun hier in dieser Welt deutlicher wahrnahm und besser erkannte, als wenn man es nur als bloßes Spiel spielte.

„Dem Erbauer sei Dank!“ Kathrin, welche anscheinend mit gezogenem Schwert hinter der Tür gestanden hatte, um Bryce zu beschützen, wenn Feinde hineinstürmen sollten, begann sofort damit, mich in einer stürmischen Umarmung zu begraben. Ich konnte nur erahnen, wie froh sie war, mich am Leben zu sehen, nach all dem, was hier vorgegangen war. Ich erwiderte die Umarmung, doch schnell ließ sie mich auch wieder los, so dass ich mich meinem Vater nähern konnte.

„Großvater!“, drang die erschrockene Stimme von Oren in meine Ohren, wodurch mir erst jetzt bewusstwurde, dass dieser Bryce ja ebenfalls so sah. Ich wurde mir erst jetzt dessen Anwesenheit wieder bewusst. Verdammt.

„Oriana, halt Oren zurück, sowas ist nichts für ihn!“, sprach ich zu meiner Schwägerin in einem Ton, der keinen Widerstand zuließ, wodurch auch diese aus ihren Gedanken gerissen wurde, die besorgt und erschrocken zum Oberhaupt der Couslands geblickt hatte. Sie begann zu nicken. Sie verstand, was ich meinte. Der Junge sollte mit so etwas noch nicht konfrontiert werden. Es reichte, dass er nun aus seinem natürlichen Umfeld gerissen wurde. Die Blicke von Vater und Sohn trafen sich.

„Ich bin froh, dass es euch allen gut geht“, kam es lächelnd von ihm.

„Es war schwer, aber irgendwie haben wir es hinbekommen. Mutter kann eben doch noch bestens zielen, wie ich bemerken durfte.“ Ich begann nun kurz zu lachen, was auch Bryce auflachen ließ, wenn auch unter Schmerzen, doch Eleanor war alles andere als zu Scherzen zumute.

„Wie ist das passiert?“, wollte sie wissen, weswegen sich das Paar nun in die Augen blickte.

„Howe und ich sind länger wachgeblieben, um seine Männer zu begrüßen und dann griffen diese Schweine an. Hätte Duncan mir nicht das Leben gerettet, dann wäre ich schon längst tot.“

„Doch das bist du nicht!“, schrie Eleanor energisch und stand auf.

„Helft mir, ihn in den Gesindegang zu bringen. Wir müssen fliehen.“ Kathrin und die anderen wollten helfen, doch Bryce schüttelte nur sein Haupt.

„Nein. Geht ohne mich. Wenn ich aufstehe, sterbe ich vermutlich. Jemand muss Fergus erzählen, was hier passiert ist.“ Er erhielt ein Nicken meinerseits zur Antwort.

„Das werde ich Vater. Versprochen.“ Er schenkte seinem Sohn ein erleichtertes Lächeln, da er von meiner Seite auf Verständnis traf, doch auf Eleanors Gesicht war die Verzweiflung deutlich zu erkennen, die sie aufgrund ihres Gatten besaß.

„Bryce, der Gesindegang ist genau hier. Wir schaffen das schon!“ Erneut schüttelte er den Kopf, ehe er seine Gattin anblickte, der man deutlich die Verzweiflung ansah. Es war nur natürlich, liebte sie diesen Mann doch einfach abgöttisch und hatte so viele Ehejahre mit ihm erlebt.

„Schatz, das Schloss ist umstellt. Ich schaffe es nicht. Doch ihr könnt es schaffen. Also nutzt diese Chance und zahlt es Howe heim!“

„Der Teyrn hat leider recht“, drang nun eine tiefere, ältere und erfahrene Stimme in die Ohren aller Anwesenden. Duncan betrat den Raum und steckte gerade sein Schwert weg. Er war über und über mit Blut verschmiert, das offensichtlich nicht von ihm selbst zu stammen schien, und schaute mit ehrlichem Mitleid in den Augen auf Bryce hinab.

„Noch kennen Howes Männer diesen Ausgang nicht, aber sie haben das Schloss umstellt. Es wird schwer, an ihnen vorbeizukommen.“ Eleanor blickte den für sie völlig Fremden genauestens an.

„Dann seid Ihr … Duncan? Der Graue Wächter?“ Angesprochener nickte zur Bestätigung.

„Ja Herrin. Der Teyrn und ich wollten schon früher zu Euch.“

„Mein Sohn half mir, hierherzukommen. Dem Erbauer sei Dank.“ Duncans Blick wanderte zu mir und ich konnte ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht des Älteren erkennen, ehe dieser nur ein „das überrascht mich nicht“ von sich gab. Doch in meinen Augen war dies nicht gerechtfertigt. Natürlich hatte ich etwas geholfen, doch wenn der Zufall nicht auf meiner Seite oder zu Anfang sogar mein Mabari nicht vorhanden gewesen wäre, hätte ich ziemlich schwarz gesehen für mein Überleben. Dies war einfach zu viel der Ehre.
 

„Werdet Ihr uns helfen, Duncan?“, stellte ich, derjenige, der in seinen Augen zu Unrecht gelobt wurde, die Frage, wodurch sich nun Eleanor einmischte.

„Egal, was wir tun, wir müssen uns beeilen. Sie kommen!“ Und tatsächlich. Die Schreie wurden immer lauter, doch zum Glück hielt für den Moment noch das Tor, doch das wäre auch nur noch eine Sache von Sekunden.

„Duncan, ich flehe Euch an! Bringt meine Familie bitte in Sicherheit. Dies ist alles, was im Moment noch für mich zählt.“ Der Angesprochene begann zu nicken.

„Das werde ich Eure Lordschaft. Aber … ich fürchte auch, ich muss Euch um etwas bitten.“ Kaum wurde sein Satz beendet, da kam ein, „was Ihr wollt!“ von den Lippen des Todgeweihten.

„Was hier passiert, ist nichts im Vergleich zu dem Bösen, das diese Welt bedroht. Ich kam auf der Suche nach Rekruten in Euer Schloss. Angesichts der Bedrohung durch die Dunkle Brut kann ich nicht mit leeren Händen abreisen.“

„Ich … ich verstehe.“ Im Gesicht des vermutlich Ältesten in diesem Raum war deutlich das unwohle Gefühl abzulesen. Doch nicht, weil er im Sterben lag, sondern wegen der Bedingung, die Duncan stellte. Er wollte, dass sein jüngster Spross in Sicherheit ist und dass man diesen nun für die Grauen Wächter verpflichten sollte, war eine Entscheidung, die niemandes Vater für sein Kind entscheiden sollte.

„Ich bringe Eure Familie in Sicherheit. Wenn dies getan ist, werden Euer Sohn und ich nach Ostagar reisen. Dort erzählen wir Fergus und dem König, was hier vorgefallen ist. Und dann wird Euer Sohn zu einem Grauen Wächter.“ Die Worte von Alistairs Vaterfigur drangen in die Ohren des im Sterben liegenden Bryce, der widerstrebend nickte.

„Solange Howe bestraft wird … bin ich einverstanden.“ Nun war es an Duncan zu nicken, ehe er sich mit seinem Gesicht an mich, seinen neuesten Rekruten, wandte.

„Dann seid Ihr bei den Grauen Wächtern willkommen. Kämpft an unserer Seite.“

„Ich nehme Euer Angebot an, Duncan.“ Zufrieden stand der Mann, dem man seine rivainische Abstammung ansah, auf.

„Gut. Dann lasst uns rasch aufbrechen.“ Ich tat es dem Schwarzhaarigen gleich, doch Eleanor kniete noch immer neben ihrem Gemahl.

„Bryce, bist du dir sicher?“

„Unser Sohn wird nicht durch Howes Verrat sterben. Er wird leben und die Welt verändern!“ Während er das von sich gab, sah er mich, seinen Zweitgeborenen, mit großen und stolzen Augen an. Er hatte etwas, das jedes Elternteil in den eigenen Kindern sehen sollte. Hoffnung. Und diese Hoffnung würde er nicht umsonst auf mich setzen. Ich würde ihn stolz machen, das wusste ich schon jetzt. Ich war es ihm schuldig wie auch meinem Hauptcharakter, dessen Körper ich bereits seit einem Jahr behauste.

„Geht mit Duncan, ohne mich ist Eure Chance ohnehin größer zu entkommen“, hörten die Anwesenden die Sätze von Eleanor. Dies waren, wie ich leider wusste, die letzten Sätze, die er mit diesen beiden Menschen austauschen würde, die ihm in diesem Jahr so sehr ans Herz gewachsen waren. Jeden Moment brach das Haupttor und sie würden Abschied voneinander nehmen.

„Eleanor …“, drang es von ihrem Liebsten in ihre Ohren, der nicht wollte, dass seine Frau sich opferte, doch als er die Entschlossenheit in ihren Augen erkannte, schwieg er.

„Sag nichts, Bryce. Ich werde jeden töten, der durch diese Tür kommt, um ihnen Zeit zu verschaffen. Aber ich werde dich nicht verlassen!“ Nun war ich es, der sich zu ihnen beiden herunterbeugte und somit ihre Augenpaare auf mir ruhten.

„Ich liebe euch beide. Und niemals werde ich euch vergessen, das schwöre ich.“

„Wir lieben dich auch, mein Schatz.“

„Und wir sind unglaublich stolz auf dich.“ Die beiden Eltern blickten mich voller Liebe an, und ich hoffte, dass Aidan – tief in mir – diese Szenerie wahrnahm. Erkannte, wie sehr ihn seine Eltern liebten, und er, wenn wir uns irgendwann trennen würden, bei seinen Gedanken an den erlittenen Verlust an diese Szenerie zurückdenken würde und dies zumindest etwas seinen Schmerz linderte.
 

BAM
 

Der Knall des durchbrochenen Tores ließ diese traurige Szenerie wie im Keim ersticken. Sofort stand ich kerzengerade da und deutete den anderen, welche diese ganze Szene beobachtet hatten, dass sie zügig in den Gesindegang gehen sollten.

„Großvater, Großmutter!“, hörte man die Rufe Orens, der sich von seinen Großeltern verabschieden wollte, doch es blieb keinerlei Zeit mehr. Wir mussten los. Nur wenige Minuten blieben uns zum Fliehen, ehe Howes Pack Eleanor ausschalten würde und die Verfolgung aufnahm.

Als alle außer Duncan und meine Wenigkeit nun im Gesindegang waren, blickte ich noch ein letztes Mal auf die Oberhäupter der Familie Cousland. Wie sie dort lagen. Aneinander gekuschelt. Sich liebend. Und was am wichtigsten war, dem Tod mit Stolz entgegentretend. Dieses eine Jahr hatte ich mich sehr verändert. Zum Positiven. Und diese beiden Menschen waren maßgeblich daran beteiligt. Sie waren für mich wie meine Eltern geworden und sie nun so dort zu sehen, erfüllte mein Herz mit Trauer. Doch dies war der falsche Zeitpunkt. Für die Trauer hatte ich auch noch genug Zeit, wenn wir uns in Sicherheit befanden.

„Ich werde euch nie vergessen“, flüsterte ich mir selbst zu, ehe auch ich gemeinsam mit Duncan mithilfe des Gesindegang floh.
 


 

Und so hatte ich meine neugewonnene Heimat – nach einem Jahr – verloren. Der Tag, an dem den Couslands Unrecht getan wurde, was leider nicht der Höhepunkt der Schande war, denn wie Ihr wisst, wurden sie nur Tage später zu Verrätern der Krone erklärt, doch ich greife vor. Meine erste Begegnung mit dem Schrecken eines Krieges hatte ich in dieser Nacht erlebt. Doch wie Euch selbst bewusst ist, war dies nun einmal erst die Spitze des Eisbergs. Duncan und ich ließen Iona, Oriana und Oren samt Kathrin zu Bann Loren reisen, die ihm die Geschichte erzählten und bei dem sie zunächst einmal Zuflucht erhalten konnten. Natürlich hatte ich ihnen Geld mitgegeben, nicht zu wenig, und sie darum gebeten, den Bann daran zu hindern, irgendwelche voreiligen Schritte zu tätigen. Dass sie ihn überreden sollten, mindestens ein Jahr zu warten, ehe er etwas unternahm. Was ein schwieriges Unterfangen sein durfte aufgrund seines Verlustes, den er selbst erlitt, und egal, was sie über mich hören würden, ich nicht sterben würde. Es verwirrte sie zwar, was ich von mir gab, doch Kathrin hatte gelernt, meinem seltsamen Geschwätz zu vertrauen, hatte dieses ihr immerhin das Leben gerettet. Auch die Reise nach Ostagar war nicht sonderlich lang und zudem lehrreich. Duncan hatte mir viel beigebracht im Herstellen und Verwenden der verschiedenen Kräutertexturen, wie viel man ungefähr für was ausgeben sollte und ab wann man von Händlern beschissen wurde und allen voran den Schwertkampf, um mich weiterhin zu verbessern. Er war ein guter Lehrer und ich hätte gerne mehr Zeit mit ihm gehabt, da ich noch so vieles hätte lernen können, doch erneut will ich nicht vorweggreifen. Wir kommen nun an den Punkt dieser Geschichte, an dem wir in Ostagar eintrafen, nachdem wir den Kaiserlichen Hochweg nahmen, bevor auch dort der Verrat herrschte.​

Chapter 04 ~ Ostagar und die Hexen der Wildnis

Mein Blick fiel auf die steinernen Überreste des Tevinter-Imperiums, die sich noch immer, zwar ramponiert, aber an diesem Ort zu Haufe erkennen ließen. Ich vermochte es mir nicht einmal vorzustellen, wie mächtig das Imperium zum Höhepunkt seiner Macht sein musste, doch so war es mit allen Reichen. Meine eigene Welt hatte da genug Beispiele. Alexander der Große, dessen Reich so schnell endete wie seine eigene kurze Lebensspanne. Das Römische Reich, das sich zumeist von innen heraus selbst korrumpierte, oder die Byzantiner. Es gab noch unzählige weitere, doch darüber wollte ich mir keine Gedanken machen in diesem Moment, was nicht wirklich an dem Monolog lag, den mir just in diesem Moment Duncan hielt, was ich ohnehin schon längst kannte. Vielmehr wusste ich, welche Szenerie sich nun in Gang setzte, als wir den langhaarigen Blondschopf mit der goldenen Rüstung und seinen zwei Leibwächtern auf uns zulaufen sahen.

„Seid gegrüßt, Duncan!“ Der Rivainer und der König von Ferelden gaben sich zur Begrüßung die Hand. Der Wächter schien überrascht, so begrüßt zu werden, während der mit den Pflaumen, den er Bart nannte, förmlich strahlte, als würde er seinem Superhelden gegenübertreten. Vermutlich tat er dies sogar, hatte er ja sicherlich nur Edles und Gutes von seinem Vater, König Maric, über die Grauen Wächter erfahren, mit denen dieser damals ja selbst mal in den tiefen Wegen war, unter anderem mit Duncan.

„König Cailan? Ich hätte nicht erwartet …“, wollte er gerade anfangen, als der König ihn unterbrach.

„Was? Eine königliche Begrüßung? Ich hatte schon Angst, Ihr verpasst den ganzen Spaß!“ Ich beobachtete den König genauestens. Er sah aus wie eine Frohnatur, doch der Schein trübte, wie ich selbst wusste aus eigener Erfahrung, hatte ich mich ja ebenfalls mit dem König beschäftigt. Mir fiel eine Information ein, die angeblich von einer Leibgarde des Königs stammen würde: „Der König wusste, dass er die Schlacht verlieren würde.“ Was zwar mit seiner fröhlichen Art im Kontrast stand, und doch könnte er diese Fassade aufrechterhalten, um die Moral der Truppen zu steigern. Zudem wusste Cailan von Alistair. Er hatte ihn zwar nur einmal als Kind getroffen und doch war er stets über ihn in Kenntnis geblieben und hatte auch seine Gemahlin Anora über diesen informiert. Er mochte seinen Halbbruder, schätzte ihn und konnte sich vorstellen, dass dieser einst zu einem der stärksten Grauen Wächter werden konnte. Und wenn der König doch so viel von ihm hielt, weshalb setzte er ihn dann nicht in der Truppe ein, sondern würde Alistair mit dem Wächter zum Turm für das Signal schicken? Natürlich um seinen Erben aus der Gefahrenzone zu halten, wusste er ja nicht, wie die Situation im Turm sein würde. Klug gespielt, König, lobte ich in Gedanken den äußerlich wirkenden Narren, der sich König schimpfte.

„Um keinen Preis der Welt, Euer Majestät.“ Der Höhergestellte drehte sich seitwärts zu seinem Gesprächspartner und blickte spielerisch in die Ferne.

„Dann habe ich in der Schlacht doch noch den mächtigen Duncan an meiner Seite! Prächtig! Die anderen Wächter haben berichtet, Ihr hättet einen vielversprechenden Rekruten. Ist er das?“ Sein neugieriger Blick richtete sich auf mich und ich wusste nun, an wen die Nachrichten des Königsschwarms, die er durch Krähen verschickte, gegangen waren und was dort – zumindest zum kleinen Teil – drinnen stand.
 

„Erlaubt mir, Euch einander vorzustellen, Eure Majestät“, sprach der Ältere, als auch er seine Aufmerksamkeit auf den Couslandspross richtete. Doch der König schüttelte nur sein Haupt, was Duncan das Zeichen gab zu schweigen, und sich der König vor den Sohn des – nun verstorbenen – Teyrn stellte.

„Das ist nicht nötig, Duncan. Ihr seid Bryces jüngstes Kind, nicht wahr? Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal persönlich begegnet sind.“

„Es stimmt, beides. Ich bin Bryces jüngstes Kind und auch besaß ich noch nicht die Ehre, Euch kennenzulernen. Doch ich komme mit schrecklicher Kunde.“ Überrascht schaute er auf mich. Er war gespannt, was ich meinte und nun von mir geben würde.

„Meine Familie ist tot. Verraten von Howe, der ein Freund meiner Familie war oder vielmehr vorgab, dies zu sein. Wir konnten nur gerade noch so fliehen.“ Ehrlicher Schock lag für einen Augenblick im Gesicht von Marics Erben, ehe er sich abwandte und zur Seite ging, so dass niemand ihn erblicken konnte.

„Ich … kann es kaum begreifen! Wie konnte er nur glauben, mit einem derartigen Verrat durchzukommen?“

„Howe ist eine Ratte. Ein Überlebenskünstler. Er würde solch ein Manöver nicht planen, wenn er nicht wüsste, dass er ungeschoren davonkommt.“ Der König wandte sich mir wieder zu.

„Was wollt Ihr damit sagen?“

„Er hat einen mächtigen Verbündeten. Einen Gönner. Alleine wäre er dafür zu feige.“ Wir blickten uns in die Augen.

„Habt Ihr den schon jemanden im Verdacht, wenn Ihr solch eine Vermutung aussprecht?“

„Gewiss, doch ohne Beweise oder zumindest angebrachten Vermutungen möchte ich nicht Eure Zeit damit verschwenden. Ich würde mich jedoch sehr über Eure Hilfe freuen, falls ich dürfte.“ Der Blonde nickte.

„Sobald wir hier fertig sind, wende ich meine Truppen nach Norden und ziehe Howe zur Rechenschaft. Ihr habt mein Wort. Das ist zumindest das, was ich machen kann, bis Ihr mir weiteres vorlegt.“ Ich nickte freundlich, im Bewusstsein, dass der König diese Worte niemals erfüllen würde können.

„Habt Dank, Eure Majestät.“

„Ich bin mir sicher, nach Eurem Verlust würdet Ihr gerne Euren Bruder sehen. Leider sind er und seine Männer gerade auf Erkundungsmission in der Wildnis.“ Erneut nickte ich, während sich ein gequältes Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte.

„Ich brenne nicht wirklich darauf, meinem Bruder davon zu berichten.“ Ehrliches Mitgefühl lag in den Augen Alistairs Bruders.

„Das verstehe ich. Verzeiht mir, aber mehr kann ich nicht tun. Ich kann Euch nur raten, Euren Schmerz vorerst gegen die Dunkle Brut zu richten.“

„Das werde ich!“

„Gut. Verzeiht, dass ich Euch jetzt verlassen muss, aber ich sollte zu meinem Zelt zurückkehren. Loghain brennt darauf, mich mit seinen Strategien zu langweilen.“ Genervt rollte er mit seinen Augen, als Duncan das Wort an ihn richtete.

„Euer Onkel schickt Euch seine Grüße und erinnert daran, dass die Truppen aus Redcliffe in weniger als einer Woche hier sein könnten.“

„Ha!“ Spottend drehte sich der König zu seinen Leibwächtern um. „Eamon will auch sein Stück vom Ruhm. Wir haben schon drei Schlachten gegen diese Bestien gewonnen und morgen wird es nicht anders sein.“

„Man sollte den Feind trotz allem nie unterschätzen.“

„Ihr solltet Loghain kennenlernen, falls Ihr dies noch nicht tatet, Ihr würdet Euch sicher mit ihm verstehen. Apropos Loghain, ich muss gehen, bevor er einen Suchtrupp losschickt. Lebt wohl, Graue Wächter!“ Und schon verschwand er und ließ uns beide Vertreter des legendären Ordens alleine zurück.
 

„Was der König gesagt hat, ist wahr. Sie haben hier einige Schlachten gegen die Dunkle Brut gewonnen.“

„Und trotzdem bleibe ich bei meiner Meinung.“ Mit einer Handbewegung deutete er mir an, in die Richtung zu gehen, in die der König verschwand.

„Sie ist auch richtig und wenn du sie stets beherzigst, könnte sie für ein langes Leben sorgen, gemessen in Wächtermaßstäben versteht sich.“ Die letzten Worte sprach er freudlos lachend aus.

„Trotz der bisherigen Siege wird die Horde von Tag zu Tag größer. Mittlerweile scheinen sie sogar in der Überzahl zu sein. Ich weiß, dass ein Erzdämon hinter all dem steckt. Aber ich kann den König schlecht bitten, nur meinem Gefühl zu vertrauen.“

„Ich verstehe, was du meinst. Wir sollten auf Verstärkung warten. Ritter und weitere Wächter, die ihr sicherlich schon angefordert habt. Der König scheint diese Kreaturen allzu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Desto mehr Graue Wächter wir hier haben, desto besser. Es muss ja wohl einen Grund geben, weswegen wir so effektiv sind gegen sie.“ Duncan lächelte.

„Und deshalb sollten wir jetzt ohne weitere Verzögerung das Ritual des Beitritts fortsetzen.“

Fortsetzen? Wir haben doch nicht einmal angefangen, drang der Gedanke in meinen Kopf, als ich mit einem Nicken stumm zustimmte.

„Wenn du möchtest, kannst du dich ein bisschen im Lager umsehen, ich bitte dich nur darum, es im Moment nicht zu verlassen.“ Erneut stimmte ich stumm zu.

„Hier im Lager ist ein weiterer Grauer Wächter. Sein Name lautet Alistair. Geh zu ihm, wenn du bereit bist, und sag ihm, dass es Zeit ist, die anderen Rekruten zusammenzurufen. Derweil nehme ich deinen Skipper mit zu unserem Lager.“
 

„Verstanden, wir sehen uns dann später“, verabschiedete ich mich vom älteren Wächter und blieb am Anfang der Brücke stehen, die es zu überqueren galt, bevor man im Lager landete, während sich Duncan von mir mit einem letzten Lächeln abwandte und dann selbst seines Weges ging. Auch Skipper bellte mir zum kurzen Abschied zu, ehe er freudig neben seinem neuen Kumpel herlief, hatte er schließlich vom Wächter viel Fleisch erhalten. Meine Augen überblickten nun ohne jeglichen Stress die Ortschaft. Wilde, ungezähmte Natur, die sicher schon seit etlichen Jahren nicht mehr solch ein aktives Treiben in ihrer Nähe erdulden musste, hielt Ostagar im eisernen Griff dieses – was ich zumindest erkennen konnte – provisorisch zurechtgeschusterten Lagers eingeschlossen. Efeu beheimatete einzelne Steinwände und lugte auch an den undichten Teilen der Brücke hervor, die zu alter Zeit beschädigt wurde. Es war ein wundervoller wie auch zu gleichen Teilen erschreckender Anblick, erkannte man doch schließlich daran, wie vergänglich das Leben an sich war. Ich wusste nicht, wie lange ich schließlich dort stand und meine Augen diesen Ort bewunderten, doch Duncan hatte die Brücke schon längst überquert und als ich es ihm gleichtat, begrüßte mich auch schon ein einfacher Soldat.

„Ihr müsst der Rekrut sein, von dem Duncan berichtet hat.“ Ein Grinsen glitt auf mein Gesicht.

„Haben eigentlich schon alle von mir gehört?“ Der Soldat lachte.

„Nun, wenn man alleine mit dem Kommandanten der Grauen Wächter reist, ist es nicht unüblich, dass man in allerlei Munde ist.“ Nun, seine Logik war ohne Frage stimmig.

„Wenn ich mit meinem Wächtergefährten Alistair in Kontakt treten wollen würde, wo würdet Ihr ihn derzeit vermuten?“

„Versucht es weiter nördlich, ich glaube, er sollte den Magiern eine Nachricht überbringen.“

„Habt Dank. Ich empfehle mich.“ Verständnis machte sich in seinem Gesicht breit.

„Natürlich. Passt auf Euch auf.“

„Ihr auch auf Euch.“ Eine nette kleine Unterhaltung und obwohl ich wusste, wo sich Alistair befinden sollte, war es schön, es noch einmal bestätigt zu bekommen und ich machte mich auf den Weg in die ungefähre Richtung. Soldaten, Priester, Magier, auch normale Bedienstete, ob menschlich oder elfischer Abstammung, traten mir entgegen, die sich ihren Weg durch das Lager durchwuselten, vermutlich auf Anweisung ihrer Vorgesetzten. Sie trugen allerlei Sachen mit sich herum und waren zielorientiert, in ihrem Tempo kaum zu stoppen.
 

„Ihr seid neu hier, oder?“, erklang eine Frauenstimme älteren Alters und meine Augen erblickten eine Magierin, erkennbar an der offensichtlichen Robe, die sich mit verschränkten Armen an einer hochgewachsenen Eiche abstützte. Ihr Haar war aschgrau und doch schien sie vom Gesicht her noch etwas jünger zu wirken, trotz der tiefen Falten im Gesicht, die sie ihr Eigen nannte. Wynne, drang mir wissentlich der Name der Frau durch den Kopf, während sie mich freundlich anblickte.

„Seid gegrüßt, junger Mann. Ihr seid Duncans neuester Rekrut, nicht wahr?“ Ein herzliches, fast schon großmütterliches Lächeln drang mir entgegen. Auch wenn ich wusste, dass man diese Frau nicht nach dem Äußeren bewerten sollte, denn sie hatte es noch faustdick hinter den Ohren, im positiven Sinne. Doch ehe ich etwas hätte sagen können, schob sie weitere Worte hinterher.

„Er ist kein Mann, der leicht zu beeindrucken ist. Ihr solltet stolz auf Euch sein. Erlaubt mir, mich vorzustellen. Ich bin Wynne, eine der Magierinnen, die der König hierhergerufen hat.“ Sie beendete ihren jüngsten Redefluss.

„Ich bin erfreut, Euch kennenzulernen, mein Name lautet Aidan und Eure Annahmen stimmen vollkommen“, bestätigte ich ihre beiden Fragen, ob ich neu sei und dass ich nun eben besagter Rekrut bin.

„Es ist mir eine Freude und ich wünsche Euch viel Glück auf dem Schlachtfeld. Genaugenommen wünsche ich das uns allen.“ Wie so oft am heutigen Tage und vermutlich würde es heute noch viel öfter geschehen, nickte ich.

„Ich verstehe, was Ihr meint und hege den gleichen Wunsch. Krieg ist grausam und bleibt stehts immer gleich.“ Für einen kurzen Moment schwiegen wir.

„Erlaubt mir die Frage, aber habt Ihr schon einmal gegen die Dunkle Brut gekämpft?“, beendete ich die kurze Stille, die zwischen uns herrschte.

„Ja, aber das nur gegen Nachzügler, nicht gegen die riesige Horde, von denen die Späher berichten. Ich frage mich, wie viel wisst ihr von der Verbindung zwischen der Dunklen Brut und dem Nichts.“ Oh, wollte sie fachsimpeln?
 

„Genug, um mir eine eigene Meinung zu bilden, zu wenig, um ein Meister des Faches zu sein. Jedes Mal, wenn wir schlafen, träumen wir und gelangen somit ins Nichts, dem Land, in dem die Geister und Dämonen hausen. Im Herzen des Nichts liegt die schwarze Stadt, der einstige Sitz des Erbauers, der jedoch durch tevinteranische Magier korrumpiert wurde. Sie selbst wurden durch ihre Sünden verdorben und erbost durch ihren Frevel schleuderte der Erbauer sie zurück auf die Erde, wo sie als die ersten der Dunklen Brut bekannt wurden.“ Zufrieden über mein Wissen lächelte sie.

„Ihr kennt die Ausführungen des Gesangs des Lichts, das ist gut. Vielleicht soll es als Sinnbild dienen, dass die Fehler in uns menschliches Leid verursachen, vielleicht ist es aber auch die Wahrheit. Für den Moment ist diese Erklärung für mich so gut wie jede andere.“

„Und es ist gut, über solche Sachen zumindest einmal nachgedacht zu haben.“ Sie lachte kurz leise auf.

„Ja, manchmal ist es weise, die eigenen Handlungen zu überdenken, aber ich bin mir sicher, dass Duncan mehr für Euch zu tun hat, als Euch mit mir zu unterhalten.“ War es nicht sie, die mich aufgehalten hatte?

„Ihr habt vermutlich recht. Ich werde dann mal weiter meine Pflichten erfüllen. Gehabt Euch wohl und bis zum nächsten Mal, Wynne.“
 

„Möge der Erbauer Euch auf Eurem Weg begleiten, Wächter Aidan.“ Und mit diesen abschließenden Worten entfernte ich mich von der Magierin. Nun, zumindest hatte ich schon einmal ein Gespräch mit ihr gehabt, so dass sie mich im Turm sogleich erkennen würde.

Aus dem Spiel erkannte ich noch den ungefähren Weg, den ich dann schließlich ging, auch wenn er weiter entfernt war als in selbigen. Doch recht schnell fand ich Alistair, der mir den Rücken zugedreht hatte und in einen Disput mit einem Magier verzettelt wurde.

„Was wollt Ihr, Wächter?“, fragte der Magier mürrisch. „Hat Euer Orden noch nicht genug vom Orden verlangt?“, zischte er auch sogleich hinterher. Der Wächter ließ seine Schultern hängen und seiner Kehle entwich ein leichtes Seufzen, hatte er vermutlich seine letzte Hoffnung, nicht in einen Streit gezogen zu werden, anhand der Laune des Magiers, verworfen.

„Um ehrlich zu sein …“, begann er nun, während mich die helle Stimme von ihm etwas überraschte, „… schickt mich die Ehrwürdige Mutter. Sie will mit Euch reden.“

„Ihre Heiligkeit sollte uns das selbst mitteilen und damit aufhören, uns zu beleidigen!“, wurde die Stimme des Magiers immer wütender.

„Stimmt, es ist ja so beleidigend, dass ich es bin, der Euch diese Nachricht überbringt.“ Zornig flackerten die Augen des Zirkelmitgliedes, ehe er mit mahnendem Finger auf seinen unfreiwilligen Gesprächspartner deutete.

„Solch Vorwitzigkeit steht Euch nicht zu!“ Alistair zuckte mit den Schultern.

„Nun gut, dann ersuche ich Sie eben um Schriftform, ehe ich Euch erneut aufsuche, um Höflichkeiten auszutauschen“, witzelte er nur, während ein genervtes Aufstöhnen aus der Kehle des Magiebegabten drang.

„Schon gut, ich begebe mich ja zu Ihrer Heiligkeit, doch lasst mich endlich in Ruhe!“, ein gespieltes Seufzen entwich Alistairs Kehle.

„Wir werden also keine Freunde mehr? Dabei dachte ich, wir verstehen uns so gut. Ich wollte sogar eines meiner Kinder nach Euch benennen. Das Übellaunige!“ Er schrie ihm fast schon hinterher, denn sein Gesprächspartner, der die eine oder andere Verwünschung vor sich her murmelte, war bereits auf halbem Wege, den Ort zu verlassen.
 

Und erst jetzt nahmen die aufmerksamen braunen Augen des Dunkelblonden meine Wenigkeit wahr und er trat auf mich zu. Er war ein kleines Stückchen kleiner als mein neuer Körper, dafür deutlich größer als mein vorheriger. Auf jeden Fall waren beides große Personen. Sein Körper war recht muskulös, bedeckt mit einer dicken Bänderrüstung aus Stahl. Ein großer Schild hing auf seinem Rücken, während sein Langschwert samt ein aus Nieten besetzter Lederhelm von seinem Gürtel her herumbaumelten.

„Das Schöne an der Verderbnis ist ja, dass sie die Leute zusammenbringt“, kam es erheiternd von ihm.

„Ich versteh, was Ihr meint. Man könnte sich fast schon heimisch fühlen, wenn da nicht die schlechte Stimmung und die drohende todbringende Gefahr wären.“ Alistair lachte.

„Sagt mir bitte, dass Ihr nicht auch ein Magier seid.“ Ungläubig hob ich meine Brauen in die Höhe und deutete auf meine Rüstung.

„Nun, mit meiner Rüstung wäre ich sicherlich der am besten geschützte Magier, aber nein, keine Sorge. Weder bin ich ein Magier, noch müsst Ihr befürchten angeschrien zu werden, heute steht mir nicht der Sinn danach, Leute grundlos anzuschreien.“ Noch immer war sein Gesicht erfreut, als ich das Aufblitzen in seinen Augen realisierte. Der Funke war übergelaufen.

„Wartet, jetzt weiß ich, wer Ihr seid!“, verkündete er das, was ich bereits erkannte. „Duncans neuer Rekrut aus Highever. Er hat Euch genau beschrieben. Freut mich, Euch kennenzulernen. Ich bin Alistair, erst seit sechs Monaten vollwertiger Grauer Wächter.“ Er reichte mir die Hand und ich ergriff sie sogleich, um sie zu schütteln.

„Es ist mir eine Freude, zukünftiger Kollege. Aidan mein Name.“ Alistair nickte.

„Richtig, das war der Name. Ich schätze mal, Ihr sollt mich zu Duncan bringen, um mit dem Ritual zu beginnen. Dann mal los, lassen wir ihn nicht zu lange warten.“
 

Und so war es dann auch. Wir liefen durch das Lager und unterhielten uns etwas. Als ich ihn fragte, was es mit der Situation mit dem Magier auf sich hatte, erzählte er mir, dass die Kirche keine Gelegenheit unversucht lässt, den Magiern zu zeigen, wie ungerne sie diese im Lager hatten und daher Boten schickten und er als ehemaliger Templer somit in eine besonders heikle Situation geriet. Auch sprachen wir noch im Lager mit so mancherlei Person: Zum einen war da eine Wache, die einen Deserteur bewachte, die ich überreden konnte, diesem etwas von seinem Essen abzugeben. Zum anderen ein Zwingermeister, dem ich half, einem Mabari einen Maulkorb anzulegen und der mich im Nachhinein darum bat, eine Blume aus der Korcari-Wildnis zu beschaffen, mit der er eine Heilsalbe für den Vierbeiner anfertigen konnte. Und als dies alles erledigt war, machten wir uns schlussendlich auch auf den Weg zu Duncan.
 

Als wir dann an Duncans Zelt angelangt waren, erkannten wir auch schon, wie selbiger uns zu erwarten schien. Mittlerweile waren die beiden anderen Rekruten, Daveth und Ser Jory, auch bei Duncan angekommen und erwarteten, dass sie so bald wie möglich zu neuen Wächtern ernannt werden würden, doch so einfach war es nicht. Wenn sie ahnen würden, was ihnen bevorstand, wären sie entweder schon längst geflohen oder es würde ihnen ergehen wie dem Desarteuer, den Alistair und ich getroffen hatten.

„Gut, nun da ihr alle seid, können wir ja beginnen.“ Der Älteste im Bunde nickte. „Vorausgesetzt natürlich“, fügte er mit einem missbilligendem Seitenblick auf Alistair gerichtet hinzu, „du musst keine weiteren Magier mehr verärgern.“ Alistair blickte seiner Vaterfigur entgegen.

„Was soll ich sagen? Die Ehrwürdige Mutter hat mich quasi gezwungen, mit ihnen zu reden. Sie weiß schließlich, dass ich ein Templer war, also war ich ihr Werkzeug, um die Magier zu beleidigen.“

„Hat sie dich auch dazu gezwungen, dich über ihn lustig zu machen, wir können uns keinerlei Uneinigkeit leisten“, mahnte der Ältere Wächter und blickte sowohl Alistair strafend an, wie auch jeden von uns für den Bruchteil einer Sekunde, als wäre dies eine Lehre, die uns allen galt und wir vertiefen sollten.

„Ihr habt ja Recht, Duncan, es tut mir leid“, antwortete der – nach seinem Gesprächspartner – Dienstälteste schuldbewusst, was Duncans finsteren Gesichtszüge versöhnlicher werden ließen.

„Wie auch immer, nun zu euren Aufgaben. Ihr werdet zuerst in die Korcari-Wildnis gehen und dort auf einige Kreaturen der Dunklen Brut treffen. Erschlagt sie und füllt drei Fläschchen mit dem Blut der Kreaturen. Das Blut benötigt ihr für den eigentlichen Beitritt und es ist Tradition, dass die Rekruten es sich selbst holen. Eure zweite Aufgabe wird es sein, in der Wildnis eine Turmruine zu finden, das einstige Archiv der Grauen Wächter, das seit der Schlacht von Ayesleigh, die die vierte Verderbnis beendete, verlassen steht. Dort werdet ihr eine Truhe vorfinden, deren Dokumente, die sie beinhaltet, hierherzubringen sind.“ Er erklärte in allen Ausführungen, als er fragend durch die Runde blickte, falls jemand noch eine eigene besaß.

„Was sind dies für Dokumente?“, wandte sich der Dieb an Duncan.

„Es sind Verträge, die gewisse Gruppierungen innerhalb Fereldens dazu verpflichten, den Grauen Wächtern während einer Verderbnis beizustehen. Sie wurden einst für reine Formalitäten betrachtet, aber nun brauchen wir sie vielleicht für den Fall, dass wir es nicht schaffen, die Dunkle Brut hier zu besiegen. Denn dann brauchen wir ein größeres Bündnis, um diese Kreaturen zu vernichten. Wenn ihr die Verträge und das Blut besitzt, kommt hierher zurück. Alistair wird euch begleiten, er weiß, wo sich das Archiv befindet. Und jetzt los, beeilt euch. Der Tag wird nicht mehr lange andauern und nachts beginnt die Schlacht.“ Wir alle nickten. Mein Blick richtete sich auf den Himmel. Nicht mehr lang? Innerhalb der Zeit in dieser Welt hatte ich mir auch angeeignet, die ungefähre Tageszeit einordnen zu können, was helfen würde, für unsere Reise. Es wäre sicherlich drei bis vier Stunden noch hell. Zeit genug, um die Aufgabe zu absolvieren.

Die beiden Rekruten, die gesessen hatten, standen nun auf und Alistair machte sich auf, uns die Richtung zu deuten. Und so begann unsere Aufgabe.
 

Wir, als Vierergespann, waren lange unterwegs. Die erste Zeit ging es noch, doch besonders das ständige Wehklagen der beiden Mitrekruten nervte auf Dauer, die sich darüber beschwerten, in einem Sumpf herumwateten zu müssen. Nicht gerade zur Verbesserung unserer Launen trugen die Leichen einiger Späher bei, die gegen die Dunkle Brut antraten und chancenlos unterlagen, wie man an den Leichen des großen Trupps und den wenigen Verlusten der verdorbenen Wesen deutlich erkannte. Wir drei Rekruten blickten die Leichen der Dunklen Brut genauestens an. Die Verformungen ihres Körpers, die Verderbtheit deutlich erkennend. Monstrositäten, die nur noch töten wollten. Es war das erste Mal, dass ich diese Wesen zu Gesicht bekam und es war ein leichtes Entsetzen in mir vorhanden, wenn ich bedachte, gegen solche in den Kampf treten zu müssen, doch es nutzte nichts. Es war eben meine Aufgabe. Doch was mich beruhigte war eben, dass sie sterben und bluten konnten. Auch wenn ihr Äußeres demoralisierend wirkte, machte der Gedanke an ihre Sterblichkeit wieder Hoffnung auf den Sieg, abseits meines Wissens. Auch war es spannend gewesen, als uns Alistair über die verschiedenen Arten der Dunklen Brut im Allgemeinen aufklärte, und uns verriet, weshalb er und Duncan dies für den Beginn einer Verderbnis hielten, da die Dunkle Brut taktischer vorging, wie man an den toten Spähern deutlich erkennen konnte.

Unser Taschendieb schlug vor, wir könnten doch das Blut von den Leichen abzapfen, doch an dieser Stelle war es an der Zeit für mich, zu handeln.
 

„Nein“, erklang meine Stimme in unserer kleinen Gruppe, weswegen mich meine drei Begleiter anblickten.

„Weshalb nicht? Sie sind hier, tot und bluten. Wenn wir es eh brauchen, weshalb nicht gleich direkt hier, wo wir die Möglichkeit haben.“

„Wenn wir, sobald wir die Verträge haben, auf unserem Weg keine der verderbten Kreaturen finden, meinetwegen, doch bevor wir dies wissen, das Blut von ihnen nehmen, ohne selbst etwas dafür getan zu haben? Wir sind zukünftige Graue Wächter, es ist unsere Aufgabe, uns diesen Monstern zu stellen. Wollt Ihr Euer neues Leben mit einer Lüge beginnen?“ Daveth musterte mich skeptisch, ehe er genervt seufzte.

„Nun gut, meinetwegen, machen wir es kompliziert. Aber ich merk mir diese Stelle, falls wir nicht auf diese verderbten Kreaturen stoßen sollten.“

„Darüber würde mich mir keinerlei Gedanken machen“, sprach nun Alistair, der sein Schwert zog und seinen Schild vom Rücken nahm. Ich tat es ihm nach, gefolgt von den anderen beiden, die auch zu begriffen schienen. Daveth hielt recht schnell einen Bogen samt Pfeil in den Händen, während unser Ritter natürlich ebenfalls ein Schwert und Schild in Händen hielt. Wir waren zumindest kampfbereit. Und tatsächlich, da kamen sie. Dunkle, finster lächelnde Kreaturen, die aus dem Dunkel der Bäume heraustraten, und uns gierig erblickten. Blut klebte, wie man unschwer erkennen konnte, an ihren Klingen und Kleidung und sie schienen sehr begeistert von dem Gedanken zu sein, das unsrige ihnen beizufügen. Eine etwas kräftigere, größere und erschreckendere Version seiner Geschwister, den man unschwer als einen Hurlock identifizieren konnte, stellte sich nach vorne und schien seine Begleiter zu kommandieren, als wäre er ein Anführer. Ein Alpha. Klasse. Und so einer sogleich in meinem ersten Kampf gegen diese Biester.
 

„Na, dann wollen wir mal“, kam es freudlos aus meinem Mund, als wir erkannten, dass die Biester auf uns zu rannten und wir es ihnen gleichtaten. Mit meinem ganzen Körpergewicht, meinen Turmschild in Händen haltend und unterstützt durch das Gewicht meiner Rüstung rannte ich auf den Ersten zu und rammte ihn auch sogleich, so dass er zu Boden geschleudert wurde. Innerhalb von Augenblicken hatte ich mich auf meinen Feind gestürzt und versank meine Klinge in seinem Hals, so dass nur noch ein kräftiges, nach Luft ringendes Blubbern durch das Blut in seinem Mund erklang. Ein ekelhaftes, Übelkeit hervorrufendes Geräusch, doch ich musste mich zusammenreißen, denn der nächste widmete sich mir. Eine etwas Kleinere, aber dafür umso breiter wirkende Gestalt lief mit einer Axt in Händen und einem finsteren Lächeln in seinem weißen, bleichen und fast grell wirkenden Gesicht auf mich zu. Dies war ohne Zweifel ein Genlock. Er schlug mit seiner Axt wie ein Verrückter auf mich ein und es schien, als würde er von Schlag zu Schlag stärker werden. Als testete er, wie viel Kraft er einsetzen müsse, was ein dämlicher Gedanke war. Als er gerade wieder ausholte und kurz vorm Einschlag war, schlug ich seine Hand mit meinem Schild weg, was ihn sichtlich zu überraschen schien, doch nicht so sehr wie das Schwert, das fast im gleichen Augenblick auf ihn zugeflogen kam und ihn einen Kopf kürzer machte. Zufrieden blickte ich zu meinen Begleitern herüber, um zu erkennen, wie weit sie waren, doch ich wollte meinen Augen nicht trauen. Anstelle, dass es weniger wurden, waren es immer mehr. Der Alpha, der überraschenderweise abseits stand, anstelle im Geschehen mitzuwirken, brüllte entsetzliche Laute hervor, was nun tatsächlich auf groteske Art und Weise wie das Brüllen von Befehlen wirkte, was es vermutlich auch war. Die drei waren ziemlich weit von mir und meiner Position entfernt und hatten auch die Mehrheit der Feinde sich gegenüberstehen.

„Ich habe Euch schon lange beobachtet“, drang sich der Gedanke in meinem Kopf auf. Sie hatte behauptet, im Spiel, dass sie die kleine Truppe schon lange aus Neugierde beobachtet hatte, also würde das hier und jetzt auch der Fall sein. Meine Augen blickten sich innerhalb von Sekunden von Baum zu Baum um, bis ich ganz in der Nähe eine Krähe erblickte, die mir in die Augen zu sehen schien. Gelbe Augen. Mir kam eine Idee.

„Helft mir, Magierin!“ Ich hatte in meinem jungen Leben noch nie eine überraschte Krähe gesehen, doch in diesem Moment schien dies der Fall zu sein.

„ALISTAIR, LAUFT ZU DEN RUINEN, ICH WERDE EUCH SCHON FINDEN!“ Für den Bruchteil einer Sekunde blickte mir der Blonde über die Entfernung entgegen, in dem Moment, in dem er eines der Monster erlöste. Er überblickte die Szenerie. Auch ihm war aufgefallen, wie viele es mittlerweile waren und spüren konnte er sie auch. Sein Blick galt nun den anderen beiden Rekruten, die mit der Situation auch überfordert wirkten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie überrannt worden wären. Er nickte mir entgegen, ehe er den Männern zurief und diese ihm hinterherrannten. Die Dunkle Brut tat es ihnen gleich, doch viele blieben auch stehen und wandten sich mir zu, leider auch die Bogenschützen. Also blieb auch mir nichts anderes übrig, als zu fliehen.

„Ich bin ein Grauer Wächter und wir sind hier wegen der Verträge für die Verderbnis, bitte helft mir und bringt mich zu den Verträgen!“, sprach ich an die Krähe gewandt, während mein Schild den ersten Pfeil abwehrte. Die Gefiederte schien nachzudenken, ehe sie mit ihrem Schnabel in die Richtung ihres Baumes deutete. Dort entlang! Also nahm ich sprichwörtlich die Beine in die Hand und rannte tatsächlich um mein Leben.
 

Es war eine reine Hetzjagd, die entstanden war, denn die verderbten Wesen hatten mich zu ihrer Beute erkoren und sie waren gewillt, mich zu erlegen, doch hin und wieder konnte ich mich verstecken und Vereinzelte erledigen, ehe mich erneut mehrere zum Ziel nahmen und ich rannte. Doch als ich schlussendlich an einer freien Fläche ankam, wo die Bogenschützen einfaches Spiel mit mir besaßen, änderte sich die Situation. Es waren fast nur noch die wenigen Bogenschützen übrig, weswegen ich rückwärtslaufend, meinen Schild vor mich haltend, lief. Ich wusste, ich könnte nicht ewig so weitermachen, als ich plötzlich das Aufschreien der Kreaturen wahrnahm und mein Schild vorsichtig herunternahm. Sie waren in Brand gesteckt worden und schrien aus vollem Leibe ihren Schmerz heraus, bis sie leblos umfielen.

„So, das hätten wir“, drang eine recht kalte Stimme in meine Ohren und ich erblickte sie. An einem Baumstamm gelehnt stand eine junge Frau, als sei sie geradewegs aus dem Boden gewachsen. Schwarz-rote Kleidung, gewebt aus Wildleder, die oberhalb der üppigen Oberweite nur mit Bändern über den Schultern befestigt war und die Arme frei ließ. Ihr pechschwarzes Haar war nach hinten zu einem Zopf gebunden worden, während ritueller Schmuck aus Federn und Tierknochen ihren Körper ebenfalls bedeckten und aus ihr eine noch wildere ungezähmte Schönheit werden ließ. Und das war sie gewiss, ein wahrer Blickfang, die genauestens wusste, dass sie mit diesem leichten Kleidungsstil so mancherlei Mann zu ihrem Spielzeug machen konnte. Ein Stab aus dunklem Holz hing an ihrem Rücken. Ihre gelben Augen blickten mich kalt und abschätzend an. Sie wusste einem das Gefühl zu geben, dass die Dunkle Brut, die nun nicht unweit leblos zu ihren Füßen lag, leichtere Feinde gewesen wäre als sie, wenn ihr mein Auftreten nicht gefiel.

„Ich danke Euch für Eure Hilfe.“

„Dankt mir nicht zu früh, ich könnte noch immer eine Bedrohung darstellen.“ Sie schnaubte, während sie sich vom Baum abstieß und sich mir näherte, mir direkt in die Augen blickend.

„Erstaunlich. Bisher hatte man mich noch nie erkannt, in meiner tierischen Form.“

„Ich habe die Eigenart zu spüren, wenn ich beobachtet werde. Und da diese Krähe, also Ihr, unglaublich aufmerksam war und diese Tiere sonst bei solch verderbten Wesen stets das Weite suchten, und wir uns hier in der Korcari-Wildnis befinden, waren meine Gedankengänge nicht sonderlich abwegig.“ Zugegeben, Krähen besaßen auch oftmals gelbe Augen, daher war es vielmehr Glück als Verstand gewesen, dass es sich hierbei tatsächlich um die Abtrünnige handelte.

Für einen kurzen Augenblick lag tatsächlich leichte Anerkennung aufgrund meiner Erläuterung in ihren Augen, ehe sie mich musterte.

„Ihr seid also ein Wächter?“

„Wächterrekrut“, korrigierte ich sie.

„Wir wurden hierhergeschickt, um unsere letzten Tests zu bestehen. Zum einen sollen wir drei Fläschchen mit dem Blut der Dunklen Brut mitbringen, zum anderen dann die Verträge aus dem Archiv, die sich in der dort vorhandenen Truhe befinden sollen.“ Sie nickte. Sie verstand.

„Nun, dann habt Ihr Glück. Zum einen liegen dort …“, sie deutete auf die toten Kreaturen, „… Eure Blutträger und meine Mutter hat die Verträge, von denen Ihr sprecht. Ich könnte Euch zu ihr führen.“ Ich machte eine höfliche Verneigung vor ihr.

„Das wäre großartig, wenn Ihr dies tun würdet, vielen Dank. Mein Name lautet Aidan. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ Amüsiert, vermutlich aufgrund meiner Verbeugung und der schnellen Einwilligung, ihr zu folgen, ohne etwas zu hinterfragen, blickte sie mich an.

„Morrigan. Doch weshalb sollte ich Euch helfen?“ Wollte sie wirklich überzeugt werden, obwohl sie doch selbst schon wusste, dass sie mir helfen würde? Nun gut, von mir aus.

„Nun, eine Verderbnis bricht an, ich bin ein angehender Grauer Wächter und wenn Ihr mir nicht helfen wollen würdet, hättet Ihr Euch niemals offenbaren müssen, sondern sogleich gehen können.“

„Vielleicht labe ich mich ja an Eurer Verzweiflung?“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Und, tut Ihr es?“ Sie schien zu bemerken, dass ich sie in dieser Hinsicht durchschaut hatte und dies langweilte sie vermutlich.

„Nein. Folgt mir, ich bring Euch zu Mutter.“

 

 

Dies war die erste Begegnung, die ich mit Morrigan, der legendären Hexe unserer Truppe, hatte, die mich dann zu ihrer Mutter Flemeth führte, über die es so viele verschiedene Legenden gibt, die sicherlich auch Euch zu Ohren gekommen sind. Ich besorgte mir noch die drei kleinen Flaschen befüllt mit Blut der Verderbten Wesen und folgte der Magierin. Doch, so leid es mir tut, über diesen Teil, wie ich nun Flemeth das erste Mal begegnete und was ich mit ihr besprach, berichte ich Euch nicht, denn das würde zu sehr in das Schicksal der Welt eindringen, wenn Ihr dies erfahren würdet. Verzeiht.
 

Er legte für einen Moment die Feder weg und begann sich zu strecken. Ja, das erste Treffen mit Flemeth. Gerne dachte er an diesen, für ihn, historischen Moment zurück. Es war ein langer Fußweg gewesen, doch schon bald hatten sie die kleine Hütte der beiden, auf der Lichtung nahe dem kleinen See, erreicht und auch Flemeth schien sie schon zu erwarten.
 

Ich erkannte sie schon von weitem. Ihr ergrautes, schulterlanges Haar, die ärmliche Bauernkleidung und die stechend gelben Augen, die sie ihrer Tochter vererbt hatte. Wie die einer Krähe. Oder eines Drachen, drang es süffisant in meine Gedanken, wissend, dass die Hexe sich mühelos in selbiges Geschöpf verwandeln konnte.

„Mutter, ich habe dir einen Grauen Wächter mitgebracht, der …“

„Ich sehe ihn, Kind“, unterbrach sie ihre Tochter und musterte mich aufmerksam.

„Interessant.“ Sie schien mehr in mir zu sehen, als jeder der mich zuvor erblickt hatte.

„Sehr interessant.“ Ich wüsste gerne, was sie so interessant fand.

„Werte Mutter von Morrigan, mein Name lautet Aidan und ich bin ein angehender Grauer Wächter. Hergekommen bin ich mit dem Ziel, die Verträge zu erhalten, doch auf dem Weg wurden wir von Dunkler Brut angegriffen und zahlenmäßig überrannt, so dass wir uns voneinander trennten. Meine Kameraden sind auf dem Weg zu den Archiven oder auf der Suche nach mir.“ Flemeth wandte sich an ihre Tochter.

„Mädchen, du weißt doch, wo diese Ruine ist. Sei doch so gut und such seine Gefährten, er macht sich offenbar Sorgen.“ Die Schwarzhaarige wollte wohl scheinbar Protest einlegen, doch der Blick der Ergrauten ließ keinen Widerspruch zu und so verwandelte sich die Jüngere in eine Krähe und flog davon, so dass nur noch Flemeth und ich übrigblieben.

„Wir müssen reden, Flemeth.“ Sie blickte mich wissend an.

„Ihr wisst also, wer ich bin, und dies scheint Euch nicht einmal etwas auszumachen. Sagt, was hat es mit Euch auf sich.“ Ich nickte.
 

„Mein wahrer Name lautet Alexander Meyer und ich stamme aus einer anderen Welt, in der man tatsächlich über vieles aus der Vergangenheit wie auch Zukunft dieser Welt Bescheid weiß, obwohl man sie dort für die reinste Fiktion hält. Ich weiß weder wie noch warum ich in diese Welt gelangt bin, doch vor etwa einem Jahr erwachte ich in diesem Körper und lebte seither als Aidan Cousland.“ Sie schien über meine Worte nachzudenken.

„Ihr seid sehr offen mit Eurer Wahrheit mir gegenüber, obwohl Ihr doch eben wisst, wer ich bin.“ Ich lächelte.

„So bin ich. Egal was man sich sagt, ich vertraue Euch, da ich meine eigene Meinung über Euch hege und wenn jemand wissen könnte, was mit mir geschah, dann Ihr.“

„Weshalb sollte ich Euch glauben, aus einer anderen Welt zu stammen, nur weil ich eine zweite Seele, die Ihr in Eurem Körper tragt, erblicke?“

„Natürlich nicht“, lachte ich kurz und lächelte sie an.

„Ich kann Euch Sachen erzählen, die ich unmöglich wissen dürfte und auch von niemandem wissen kann.“

„Nun gut, da bin ich aber gespannt.“ Spielerische Freude breitete sich in ihrem Gesicht aus, gespannt darüber, welch Informationen ich besaß.

„Zum einen, als König Maric einst hier bei Euch landete, halft Ihr ihm unter der Bedingung, dass er zu Eurer Tochter Yavana solle, um ihr zu helfen. Euer Anliegen bestand darin, die hohen Drachen, majestätische und uralte Wesenheiten, ins Leben zurückzurufen, was nur durch sein Blut, das von der Calenhad Blutlinie abstammt, gelangt. Derzeit ist der König jedoch leider unpässlich in Gefangenschaft.“ Die Ältere war für einen Moment darin bemüht, ihre Überraschung zu verbergen, doch dann ließ sie ihre linke Hand eine fortfahrende Bewegung machen, das Zeichen mir gegenüber, dass sie gespannt schien, was ich noch wusste.

„Zum anderen weiß ich, wer Ihr seid, Lady Mythal.“ Nun war die Überraschung tatsächlich ein Besucher in ihrem Gesicht.

„Ermordet durch die selbsternannten Elfengötter, die Evanuris, die einst als Kommandeure anfingen – in einem schon längst vergessenem Krieg – und sie ihre Macht immer weiter ausbreiteten und horteten, bis sie sich zu Göttern erhoben. Ob Ihr dies ähnlich handhabtet, ist mir tatsächlich unbekannt, was ich jedoch weiß, ist, dass Ihr die Humanste unter ihnen allen bliebt, die mit Verstand und Bedacht, Mitgefühl, unter Ihnen lebte. Euer Tod war der Auslöser für Solas, den Schleier zu schaffen.“ Ehrliches Erstaunen lag in ihrem Gesicht.

„Ich glaube Euch“, entrann es ihrer Kehle. „Es gäbe keinerlei Möglichkeit für Euch, an selbiges Wissen zu gelangen, ohne die Möglichkeit, die Ihr behauptet, durch die Eurige Welt an diese Informationen gelangt zu sein.“ Mit einer Handbewegung deutete sie mir an, mit in ihre Hütte zu kommen. Dort angekommen bot sie mir einen Stuhl an und wir setzten uns an das Feuer.

„Der Mann, dessen Körper Ihr beherbergt, ist vorhergesehen, diese Verderbnis zu beenden, doch nun steckt Ihr in seiner Position. Ich frage mich, ob Ihr dieser Position gewachsen seid.“ Ich war überrascht. Flemeth hatte diese Bestimmung für den Wächter also sogleich gesehen? Die Wichtigkeit, die er im Gefüge der Welt einnahm?

„Ich auch. Ich würde diese Position an ihn gerne abtreten, wenn Ihr wüsstet, wie ich in meine Welt zurückgelange oder er seinen Körper zurückerhält.“ Sie blickte mir ernst ins Gesicht, ehe sich ihr Haupt schüttelte.

„Was die Sache mit Eurer Welt betrifft, vermag ich es Euch nicht zu helfen. Die Thematik, Eure Körper voneinander zu lösen, darüber allerdings müsste ich noch einmal genauer nachdenken.“ Ich nickte, verstand.

„Habt Dank.“
 

Wir schwiegen eine ganze Weile, unterhielten uns dann ab und an wieder über dieses und jenes Thema, bis wir zu einem anderem Gesprächsstrang gelangten.

„Ich kann die Lust auf Gefahr in Eurem Blick erkennen. Durch Euer Wissen frage ich mich, was Ihr zu tun gedenkt.“ Sie lenkte darauf ein, dass ich keine Möglichkeit sah, in meine Welt zurück zu gelangen.

„Ist eine Überraschung“, lachte ich.

„Ich hasse Überraschungen“, kam es trocken von ihr, als auch sie leise anfing zu lachen.

„Ihr mögt es, die Fäden im Hintergrund zu ziehen und in den wichtigsten Momenten in Kontakt mit entscheidenden Persönlichkeiten zu geraten, oder?“ Für einen Moment schien sie über ihre Aussage nachzudenken, die sie mir zur Antwort geben würde.

„Ich gebe zu, dass viele Persönlichkeiten der Geschichte in Kontakt mit mir traten. Durch Zufall oder Vorhersehung vermag ich es nicht zu sagen, und hin und wieder gab ich ihnen einen Schubs in die richtige Richtung. Ihre Ziele erreichten sie stets ohne mein Zutun.“ Mir war bewusst, dass sie ihr Licht deutlich unter den Scheffel stellte.

„Da ich jedoch schon sehr lange in dieser Welt wandle, erkenne ich Muster. Einen Zyklus des Schicksals, der sich hin und wieder zu wiederholen scheint. Deshalb wusste ich, dass König Maric mich besucht. Deshalb wusste ich, dass der Wächter, in dessen Körper Ihr nun lebt, die Verträge sammeln wollen würde. Und noch so vieles mehr, das einst geschah oder noch geschehen wird. Ihr vermögt es über die Zukunft zu wissen, doch ich kann die Spuren in ihr erkennen, was gewissermaßen vorteilhafter ist, denn könnt Ihr mit Sicherheit sagen, dass sie gleichbleiben wird, so wie Ihr sie kennt? Hat sich Euer Schicksal vielleicht mit dem der Zeit verbunden, oder gar verändert?“ Ich dachte über ihre Worte nach. Sie behielt recht. Es hatten sich schon Kleinigkeiten von dem Spiel abgewandelt. Die Leute, die in Highever durch mich am Leben blieben, anstelle zu sterben. Das Eintreffen der Kapellentruppen geführt von Mallol, oder hier nun der zähere, überzahlmäßige Angriff der Dunklen Brut, während ich sogar von meiner Truppe getrennt wurde und Morrigan vereinzelt traf. Nun hier saß, mit Flemeth, und über alles Mögliche sprach.

„Wisst Ihr, Flemeth, mir fällt da eine Geschichte über Mythal ein“, unterbrach ich die Stille, die durch mein Nachdenken aufgrund ihrer Worte in dieser Hütte eingekehrt war. Ihre gelben Augen fixierten mich aufmerksam.

„Mythal nahm einst der Jagdgöttin Andruil die Erinnerungen an den Schlund. Ist sie auch dazu fähig, einem Erinnerungen zu schenken?“

„Worauf wollt Ihr hinaus?“, fragte sie neugierig, interessiert darüber, in welche Richtung dieses Gespräch verlaufen würde.

„In meinem Wirken auf diese Welt bin ich sicherlich nicht ohne triftigen Grund in diese gelangt, werde ich, später einmal sogar intensiv, mit Elfen zu tun haben. Ich würde gerne ihre Sprache sprechen. Sie verstehen. Elfen sind ein argwöhnisches Volk. Wenn ich ihre Sprache sprechen würde, besäße ich größeres Vertrauen von ihnen.“

„Dann lernt sie doch.“ Amüsiert blickte ich die Elfengöttin an.

„Oh, ich dachte vielmehr daran, wenn ich zufällig einmal von jemandem von einem großen Turm aus gerettet werden würde und ohnmächtig im Schlaf innerhalb einer kleinen Hütte im Sumpf lag, könnte man mir doch diese Sprache in das Gedächtnis pflanzen, am besten an diese Seele gebunden, für den möglichen Fall der Körpertrennung.“ Die Ältere seufzte auf, als sie nickte.

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Mehr verlange ich nicht, vielen Dank.“ Doch mit einem Mal vernahmen wir mehrere Stimmen außerhalb der Hütte.

„Das müssen Eure Kameraden sein.“

„Ja, unverkennbar“, antwortete ich, die Stimmen der anderen Wächter vernehmend. Flemeth drückte mir die Verträge in die Hände und wir traten aus der Hütte heraus.
 


 

Glücklich dachte er an diese Zeiten zurück. Ja, er hatte sich jemandem offenbaren können und hatte über sein Wissen sprechen gekonnt. Die Hexe war eine gute Gesprächspartnerin wie auch Zuhörerin, und wie er selbst wusste, würde er sie noch das eine oder andere Mal treffen, nicht nur in seinen Erinnerungen, die er in Textform an die zukünftige Göttliche schicken würde. Sein Blick glitt zu seiner Freundin, die am anderen Ende des Zimmers saß, mit einem Buch in den Händen. Seinen Blick auf sich spürend blickte der Rotschopf zu ihm herüber und sie beide lächelten einander an, doch auch nur kurz, dann streckte er sich erneut, nahm die Feder wieder zur Hand und widmete sich den Papieren vor sich. Es war an der Zeit weiterzuschreiben.

Chapter 05 ~ Gefallen und Auferstanden

Nun, ich kann Euch zwar keine Einzelheiten verraten, doch ich hatte mich Flemeth anvertraut. Ihr werdet mich nach dieser Zeile sicherlich für wahnsinnig halten, doch ich versichere Euch, dass es gut war, wie ich in diesem Moment entschieden hatte. Es hatte und wird auch keinerlei negative Folgen bringen. Das garantiere ich.

Jedenfalls, um in meiner Geschichte fortzufahren: Morrigan hatte meine Wächterkollegen gesucht, während ich im Gespräch mit der legendären Hexe der Wildnis, Flemeth, war. Da Morrigan auch genaustens wusste, wo sie zu suchen hatte, dauerte es auch nicht allzu lange, bis meine werten Kollegen mich schlussendlich bei der alten Hexe abholten und wir mit den Verträgen zurückkehrten zu Duncan.

Nun. Ich muss um Verzeihung bitten, denn alleine aus Respekt dem Orden der Grauen Wächter gegenüber kann ich Euch keinerlei Details zum Ritual benennen, nur, dass es schlimm war. Schließlich hatte ich als einziger Rekrut, von uns drei hoffnungsvollen Neuzugängen, den Beitritt überlebt.
 

„Wach auf.“

Entsetzt und überrascht stellte ich fest, dass ich bereits stand. Was war hier los? Wie war das möglich? Ich vernahm Hitze und laute Geräusche. Es klang wie Trommeln, tausende von ihnen, die im gleichen Takt stetig geschlagen wurden. Ein lautes Gebrüll ließ mich zusammenzucken und sogleich panisch an den Ort blicken, von dem dieses Gebrüll ursprünglich stammte. Ein Drache! Doch es war kein normaler, wie ich trotz der Entfernung klar und deutlich erkennen konnte. Er besaß Haut, die mit lila, teils verwesten und mit trockenem Blut umhüllten Schuppen bedeckt war.

„Der Erzdämon!“, sprach ich wissentlich mit einer gewissen Panik für mich selbst aus. Es musste ausgesprochen werden, damit ich realisierte, was ich dort vor mir erblickte. Und doch wollte ich es nicht wahrhaben. Ich war noch nicht bereit für ihn. Würde ich dies jemals werden? Ich wusste es nicht, doch für hier und jetzt war ich zu grün. Zu schwach. Zu … allein.

„Dies muss ein Traum sein. Sonst würden wir uns nicht gegenüberstehen. Dem Vieh und seinen Freunden erst recht nicht.“

Erneut hatte mich der Schreck heimgesucht, als ich mich umdrehte und in meine eigenen Augen blickte. Wobei nein. Es waren nicht die meinen. Es waren ähnliche Iriden, doch es waren nicht die meinen, obwohl ich diese tatsächlich nun seit einem Jahr für mich beanspruchte, unfreiwillig versteht sich.

„Aidan“, flüsterte ich nur, doch der Mann musste mich gehört haben, denn er nickte.

„Richtig. Und du bist der Hausbesetzer?“

Ich fühlte mich schuldig. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Seit einem Jahr besaß ich nun seinen Körper unter meiner Kontrolle und wusste nicht wieso. Wie diese surreale Situation zustande kam und wie ich aus seinem Körper herauskommen sollte. Ein Grund mehr, wieso ich mich an Flemeth gewandt hatte, denn wenn jemand dafür eine Lösung finden konnte, dann die Frau, die mehr Jahre auf dem Buckel hatte, als ich mir jemals vorstellen könnte.

Mit einem Mal spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern, was mich aus meinen Gedanken herausholte. Aidan war mir nähergekommen und ein Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Das klang gröber, als ich es meinte. Ich bekomme alles mit. Du bist genauso ein Opfer der Situation wie ich, auch wenn ich vielleicht etwas mehr bestraft bin.“

Vermutlich hatte er mir meine Schuldgefühle vom Gesicht ablesen können.

„Nein, du hast doch recht! Kannst du nicht die Kontrolle übernehmen? Es wäre nur fair, es ist dein Körper. Ich bin nur der Fremde!“ Sein Lächeln wurde umso breiter.

„Nett gesagt, doch in unserer Situation gibt es für niemanden ein Fair, sondern nur Verlierer. Und ich glaube an den Erbauer, auch wenn ich dies nicht so häufig zeige, wie es zum Beispiel Mallol gerne gehabt hätte. Es muss einen Grund geben, wieso er gerade dich in diese Welt führte und dann ausgerechnet meinen Körper dafür ausgesucht hat, dich zu beheimaten. Bisher machst du doch gute Arbeit.“

Meine Augen weiteten sich. Er vertraute so sehr auf den Erbauer und dessen Wirken, was meine Person betrifft, dass er sich seinen eigenen Körper gerne wegnehmen ließ? Sollte das ein Witz sein?

„Wir können doch gemeinsam …“ Ich erkannte seine freundliche, jedoch ablehnende Haltung, also brach ich meinen Vorschlag ab.

„Wenigstens miteinander kommunizieren?“ Sein Haupt schüttelte sich nun, als ich meinen zweiten Vorschlag vortrug, doch es kam auf dasselbe hinaus.

„Ich sage etwas, wenn ich etwas zu sagen habe. Bis dahin pass mir auf meinen Körper auf, ich habe nur den einen.“ Er lächelte schief, ehe er ernster wurde.

Sein Körper trug ihn einige Meter weiter, an die Kante des Ortes, an dem wir uns gerade befanden.

„Und nun schau mal hinunter. Es ist wichtig, dass du realisierst, um was es bei dem ganzen wirklich geht.“

Ich befolgte seine Anweisung und was ich dort unten erblickte, erschütterte mich bis ins Mark. Das, was ich zuvor für das Schlagen auf tausenden von Trommeln vermutete, waren unzählige dieser verderbten Kreaturen, die sich im Gleichschritt bewegten. Deren Füße wie ein gleichmäßiger Donnerhall auf dem verderbten Boden widerhallte. Die Dunkle Brut, die sich auf den Weg zur Oberfläche machte, um die Welt in Unheil zu stürzen.

Erneut vernahm ich das gewaltige Gebrüll des Erzdämons. Seine mächtigen Schwingen trugen ihn in die Luft, während er sich von dem verlassenen Gebäude, auf dem er noch so eben gestanden hatte, abstieß und es unter dem Druck zerbrach. Trotz all der Entfernung zwischen ihm und uns – samt seiner enormen Größe und des damit verbundenen Gewichts – hatte es nur wenige Sekunden gedauert, bis er an unserer Position vorbeigeflogen war.

„Nun kennst du die Gefahr. In echt, nicht nur durch irgendein fiktionales Werk. Es ist an der Zeit für dich aufzuwachen und dich an die Arbeit zu machen.“

Hörte ich ein letztes Mal die Stimme, die ich seit einem Jahr als meine eigene ausgab und schon wurde um mich herum wieder alles schwarz.
 

Ich spürte Schmerz. Ein nerviger und penetranter Schmerz in meinem Kopf und einen widerlichen Geschmack im Mund. Ich stöhnte genervt auf, ehe ich Schritte an meiner Seite vernahm.

„Er erwacht.“

Eine Frau. Wer war sie? Wieso war ich bei einer Frau? Mehr und mehr Fragen stellten sich mir, während ich gerade im völligen Aufwachprozess war und langsam wie auch vorsichtig die Augen aufschlug. Zu meinem Glück war es nicht mehr ganz so hell, war es schließlich schon dunkel geworden, doch einige Fackeln ließen durch ihre Flammen den Ort beleuchten.

„Ihr seid wach.“

Eine männliche Stimme hatte diese Worte an mich gerichtet und mein Augenwerk legte sich auf den Dunkelblonden. Alistair. Er bemerkte sicherlich meine langsamen Bewegungen und meine leicht verzogene Miene, als er mir auch schon eine Feldflasche reichte, die ich dankbar nickend annahm. Ein paar kräftige Schlucke des Wassers und mir ging es zumindest wieder etwas besser. Auch der Mundgulli hatte dadurch einiges an Territorium in meinem Mundinneren verloren, doch um ihn vollständig zu entfernen, musste ich mir doch noch einmal die Zähne putzen.

„Ich lass Euch alleine. Es gibt hier noch viel zutun, bevor …“

Die Frau, die zuvor noch mein Erwachen verkündet hatte, erkannte ich nun als eine Schwester. Vermutlich eine Kräuterkundige. Sie musste ihren Satz nicht beenden, wussten wir doch genau, was sie meinte.

„Habt Dank.“

Sie nickte mir freundlich zu, ehe sie verschwand.

„Nun. Willkommen bei den Wächtern. Ihr seid der Einzige, der das Ritual überlebte. Normalerweise würden wir Euren Beitritt feiern, doch …“

„Ich spüre sie. Ich verstehe die Lage.“

Er nickte nur. Wusste, was ich meinte, denn er spürte sie auch. Ich konnte die verderbten Wesen spüren, genauso sehr wie sie mich. Es lag daran, dass ich nun ein vollwertiger Wächter geworden war.

„Also wissen wir, was uns tötet, bevor wir tot sind?“, hatte Daveth sarkastisch in die Runde gefragt, als Alistair uns von dieser Fähigkeit der Wächter erzählt hatte, und auf makabrere Art und Weise sollte er in so vielen Fällen der Wächter mit diesem Satz rechtbehalten. Ob es Aidan auch irgendwann so gehen würde, bevor ihn die Verderbnis …

Nein. Ich schüttelte den Kopf. Darüber wollte ich mir jetzt noch keine Gedanken machen.
 

„Wie ist die Lage?“

Ich richtete nun meine Aufmerksamkeit auf den Dienstälteren, um meine Gedanken nun abzulenken.

„Wie soll sie schon sein? Der König möchte unbedingt mit den Grauen Wächtern an der Front stehen und Loghain hält es noch immer für das Klügste, auf die Unterstützung aus Redcliff zu warten, doch dafür ist es nun zu spät. Zum einen da das Schlachtfeld auf beiden Seiten bereitsteht, zum anderen da sich der König in seinem Vorhaben nicht umlenken lässt.“

Aus Anstand nickte ich, obwohl ich dies bereits wusste. Ja, so war es ja auch im Spiel.

„Wir beide haben die undankbare Aufgabe im Turm …“ Er deutete auf die andere Seite der Brücke, wo man den Turm trotz des im dortigen Bereich spärlichen Lichts deutlich erkennen konnte.

„… an dessen Spitze das Signalfeuer zu erleuchten. Ich sollte nur noch auf Euer Erwachen warten, wussten wir ja, dass es nicht mehr wirklich lange dauern würde.“

„Also keine Schlacht für uns?“ Verneinend schüttelte er, mit deutlicher Missbilligung im Gesicht, sein Haupt.

„Nein. Sind wohl noch zu grün.“

Ich war überrascht. Normalerweise war der Held von Ferelden doch direkt nach seinem Erwachen bei der Schlachtbesprechung dabei und erhielt erst im Nachtrag durch Duncan die Aufgabe, das Feuer zu entzünden.

„Dann mal auf ans Werk. Wir wollen ja niemanden enttäuschen.“

Ich erhob mich in eine sitzende Position und mein Gefährte half mir, eine Hand mir entgegenstreckend, beim Aufstehen. Er zeigte mir noch schnell auf, wo sich mein Schwert und Schild befanden, meine Rüstung hatten sie mir am Leibe gelassen, da sie sich ja, wie Alistair eben gesagt hatte, sicher waren, dass ich nicht allzu lange schlief, und schon machten wir uns auf den Weg.
 

Der Turm von Ishal jedoch war bereits voll von Dunkler Brut. Unbemerkt hatten sie unterirdisch einen Tunnel gegraben und die dort stationierten Soldaten überrumpelt. Nur ein paar wenige Überlebende kamen dort hinaus, die uns vor dem Turm warnten. Ein Magier und ein Bogenschütze hatten sich uns angeschlossen. Aber auch mein Mabari war nun bei uns, der an der Brücke auch schon auf mich gewartet hatte. Stürmisch hatte er mich begrüßt, sobald er mich erblickt hatte und zeigte mir, wie wichtig ich ihm war. Ich mochte die Fellnase.

Jedenfalls hatte man in diesem Turm nun umso mehr, sogar deutlicher als in der Korcari-Wildnis, die Grausamkeit der verderbten Wesen erblicken können. Wir mussten uns die gesamten Etagen hochkämpfen und besaßen sogar noch die Unterstützung einer kleinen Truppe von Mabaris, die wir befreiten und sogleich wussten, wer der Feind war.

Doch oben an unserem Zielort, wie es so üblich war, befand sich natürlich der mächtigste Feind.
 

„WOAH!“

Wir hatten es nicht geübt, doch synchron entkam Alistair und mir dieser Ruf der Überraschung, als wir den gewaltigen Hünen eines Ogers erblickten. Nun, bei Alistair war die Überraschung vielmehr daraus resultierend, dass er nicht mit einem Oger an diesem Ort rechnete, und bei mir einfach, weil das Vieh so enorm war. Es war, wie es mir nun schon so oft bewiesen wurde, etwas anderes, es in echt zu erleben als lediglich in einem Spiel.

Und doch ist der Große nichts im Vergleich zu seinem Big Boss, kam mir der Gedanke an den Erzdämon zurückdenkend. Doch das sollte nicht bedeuten, dass der Oger nicht schon beeindruckend genug war oder dass ich ihn auf die leichte Schulter nahm. Auf keinen Fall. Sein muskelbepackter, blauer und gleichzeitig gigantischer Körper machte es einem auch nicht sonderlich schwer, sich vorstellen zu können, dass er einen umbringen konnte. Die gewaltigen Hörner auf seinem Kopf, die an einen Stier erinnerten, und der finstere und diabolische Blick in seiner hässlichen Fratze unterstützten diesen Gedanken. Er hatte uns noch nicht entdeckt, was bedeutete, dass wir das Überraschungselement auf unserer Seite besaßen.

„Was macht der hier?“

„Fünf Silber, wenn du ihn fragst.“ Mir war zwar das Du herausgerutscht, doch ich konnte mir vorstellen, dass dies im Moment nicht Alistairs größtes Problem war. Er blickte mich aus einem Gemisch aus leichtem Schmunzeln und Generve, beides bedingt durch meinen idiotischen Humor, an.

„Bereit?“, stellte ich ihm als nächstes die Frage, mein Schwert und Schild fester in Händen haltend, während er mir nur zunickte. Und da ich wusste, dass er ein Tank war, konnte ich davon ausgehen, dass Alistair frontal auf den Oger zulief, dicht gefolgt von Skipper. Doch das kam mir nicht gerade klug vor. Also umlief ich den Großen, während Alistair den Oger mit seinem Geschrei und Skipper mit seinem Gebell zu überraschen schien.

Der Große schlug nach seinen, in seinen Augen, mickrigen Feinden, doch der Blonde wich mit einer Seitwärtsrolle geschickt aus, während der Vierbeiner es irgendwie schaffte, schneller zu rennen. Und auch ich ließ mich nicht lumpen, ergriff ich doch die Chance seiner Unachtsamkeit und stieß mein Schwert in den Fuß des Giganten.

Ein gewaltiger Schrei erklang aus der Kehle des Ungetüms und auch ich musste mich wegrollen, ehe mich sein Tritt erwischt hätte.
 

Der Kampf streckte sich etwas. Der Oger wusste sichtlich nicht, wie er mit uns dreien, kleinen und zudem flinken Gegnern umzugehen hatte. Kaum hatte er sich auf mich konzentriert, war da auch schon Alistair, der ihn von der anderen Seite aus attackierte, und umgekehrt. Oder Skipper, der ihn biss und mit seinem Gebell abzulenken schien. Und auch wenn es nicht durch so einen coolen Spezialangriff wie im Spiel geschah, hatten wir es tatsächlich geschafft, nach langem hin und her, diesen Hünen niederzuringen.

„Schnell, das Feuer!“

Eine Fackel in die Hand nehmend rannte ich, so schnell ich konnte, an meinen Zielort und entzündete das Leuchtfeuer. Während Alistair nun erleichtert aufatmete und auch mein Mabari glücklich über unseren Erfolg bellte und vor sich hin hechelte, wusste ich leider, was in diesem Augenblick geschah. Loghain, in seinem Gedanken festgebissen, das Richtige zu tun – und vor lauter Paranoia vor Orlais, was seiner Vergangenheit mit besagtem Königreich verschuldet war – verriet seinen König und schickte die Truppen, die als Kavallerie gedacht waren, einfach nach Hause. Wissentlich nahm er den Tod des Königs in Kauf und ihm folgten so viele tapfere Soldaten und Soldatinnen, die an diese Sache glaubten. An ihren König glaubten. An ihn als Taktiker des Königs.

Mein Blick lag auf Alistair, der zum toten Oger blickte und mir etwas stolz auf unseren Erfolg in dieser Sekunde vorkam. Man besiegte auch nicht einfach so einen Oger und sicherlich wollte er Duncan diesen Erfolg gegenüber erwähnen, doch es sollte leider niemals zu diesem Gespräch kommen. Sein Mentor, Duncan, wäre einer der Menschen, die in der Schlacht ihr Leben verloren. Ein Mann, den ich in den letzten Tagen ebenfalls sehr zu schätzen gelernt hatte. Der mir vieles Wissenswertes einbläute und ohne den ich es niemals geschafft hätte, mit all den Leuten aus Highever zu fliehen. Ich verdankte ihm viel. Und doch konnte ich nichts machen. Mich nicht einmal verabschieden, wie ich es bei Eleanor und Bryce hatte wenigstens machen können.

Mein Herz schmerzte für einen Augenblick, als ich an den Tod meiner – in dieser Welt – Eltern zurückdachte. Ich hatte noch nicht getrauert und ich wusste, wie wichtig so etwas war. Dass man seine Gefühle rechtzeitig herauslassen musste, sonst würden sie einen, zumeist in den schlimmsten Augenblicken, übermannen. Doch das konnte ich nicht. Noch nicht. Erst musste ich …

Schritte. Alistair blickte lächelnd und abwartend zur Treppe, doch ich wusste es besser. Ich hielt mein Schild in Händen und schaffte es gerade noch so, es rechtzeitig hochzuheben, als mehrere Pfeile auch schon auf dieses niederregneten.
 

„AHHHHH!“

Ich hörte den Schmerzensschrei und er ließ mein Blut in den Adern gefrieren. Alistair hatte es wohl voll erwischt und er hatte nicht so schnell reagieren können und auch das Gejaule meines Vierbeiners ließ mein Herz für einen Moment in die Hose rutschen. Doch ich traute mich nicht, zu ihnen zu blicken, denn ich wusste, gerade durch das stetig ansteigende Gewicht auf meinen Schild, dass ich noch nicht aus dem Schneider war.

Doch mit einem Mal wurde das Glas hinter mir mit einem lauten Knall zerbrochen. Ich drehte mich augenblicklich um und erkannte sie. Zumindest wusste ich, dass es sie war, die nun in der Form eines riesigen Drachen unsere Hintern rettete. Hatte ich es doch gewusst, dass sie nicht, wie Morrigan dem Helden sagte, in der Form eines riesigen Vogels den Helden rettete. Vermutlich wollte sie den Helden nicht beunruhigen und für den Spieler sorgte es später für eine besondere Überraschung, sollte man sich dafür entscheiden, gegen Flemeth zu kämpfen. Sie spie gewaltiges Feuer auf die verderbten Feinde, was ich für einen kurzen Augenblick erkennen konnte, als ich unachtsam und überwältigt mein Schild sinken ließ, und schon vernahm ich einen Pfeil in meiner Brust. Das kurzzeitige Lächeln, das sich auf meine Lippen durch Flemeths Erscheinen gebildet hatte, wich augenblicklich.

„Ich Idiot“, flüsterte ich noch zu mir selbst, schmerzvoll, ehe dem Pfeil noch der ein oder andere folgte und ich meinen beiden Gefährten vor lauter Schmerz ins Koma folgte. Zumindest wusste ich sicher, dass ich aufwachen würde.
 

Schmerz machte sich in meinem Kopf breit, während ich meine Augen öffnete und Stoff hinter meinem Kopf und an meinen Beinen spürte, während mein Oberkörper scheinbar offenliegen musste. Das passierte mir in meinen Augen zu oft, dass ich mit schmerzendem Kopf aufwachte. Dabei war es erst das zweite Mal. Einmal ist keinmal und zweimal ist einmal zu viel, hieß es doch so schön und in dieser Situation musste ich diesem Spruch absolutes Recht geben. Das sollte ich mir dringlichst nicht zur Gewohnheit werden lassen.

„Ihr seid wach.“

Morrigan. Ihre gelben Augen lagen auf mir, während sie an einem Verband an meiner Brust herumhantierte. Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht. Es war motivationshelfend, eine schöne Frau nach dem Aufwachen zu erblicken, selbst wenn diese ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zog.

„Ich hätte Euch lieber unter angenehmeren Umständen wiedergesehen, doch leider ist das Leben kein Wunschkonzert.“

Ihre Brauen hoben sich, während sie nun ihren Oberkörper erhob, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen.

„Ihr wundert Euch nicht, hier zu sein?“

„Ich wundere mich eher, noch am Leben zu sein“, lachte ich nur auf ihre Frage hin. Ich konnte ihr ja wohl kaum verraten, dass ich all das bereits erwartet hatte.

„Wer sagt, dass Ihr noch am Leben seid?“

„Der Schmerz. Er zeigt mir, dass ich lebe und in gewisser Weise bin ich darüber auch froh.“ Ich quittierte ihre Frage mit der wohl sinnvollsten Antwort.

„Wie schwer ist es?“ Mit den Augen deutete ich auf meine Verbände. Sie verstand, als sie mit ihren Iriden meinem Ziel gefolgt war.

„Nicht wirklich schwer. An sich könnt Ihr bereits wieder aufstehen, habt Ihr lediglich kleinere Blessuren davongetragen. Euren Kameraden und den Hund hat es nicht so leicht erwischt wie Euch, doch sie sollten auch bald wieder vollkommen genesen sein. Ihr müsst gute Reflexe haben.“

„Mein Hund hat die besseren Reflexe, nur keinen Schild so wie ich.“ Dieses Mal musste sogar die Hexe ein wenig schmunzeln.

„Mutter wollte Euch sprechen, sobald Ihr erwacht seid.“

Ich nickte. Natürlich wollte sie das. Flemeth war sicherlich neugierig in Erfahrung zu bringen, was ich nun gedenken würde zu tun. Zumal sie mich sicherlich auch auf den neuesten Kenntnisstand bringen wollte, was sie getan hatte oder nicht, denn mein Gehirn sprudelte nur so voller Gedankengänge und Erinnerungen, bestehend aus Neu und Alt, über.

„Morrigan?“

„Ja?“

„Ich danke Euch“, kam es ehrlich von mir.

„Bei mir müsst Ihr Euch nicht bedanken, habe ich kaum etwas gemacht. Mutter tat das meiste.“

„Und doch tue ich es, weil ich es so will und Euren Part nicht schmälern will, was Ihr bereits für mich tatet. Das Heilen. Die Suche nach meinen Gefährten und schließlich die Hilfe in der Wildnis.“

„Für Letzteres habt Ihr Euch bereits bedankt.“ Sie vernahm mein Lächeln mit Skepsis.

„Ich weiß. Doch lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Aber ich sollte die Geduld Eurer Mutter nicht auf die Probe stellen.“

„Nein, das solltet Ihr wohl nicht“, kommentierte die jüngere der beiden Hexen meine Aussage. Meine Augen wanderten auf das Nebenbett, als ich plötzlich ein unruhiges Gemurmel von diesem vernahm und eine hektische Bewegung eines Körpers, der sich anders positionierte. Alistair hatte es tatsächlich schwer erwischt, wie ich an den Verbänden erkannte.

Und von Skipper fehlte jegliche Spur. Ich erhob mich und zog mir meine Kleidung samt Rüstung, die feinsäuberlich auf einem Stuhl neben dem Bett hingelegt wurde, an.

„Sorgt bitte dafür, dass er fit wird. Es gibt vermutlich nur noch uns zwei Wächter und irgendjemand muss schließlich die Welt retten.“ Skeptisch blickte sie zu Alistair und dann wieder zu mir.

„Ich versuche mein Möglichstes.“ Diese Aussage genügte mir. Ich wusste, dass sie sich anstrengen würde, wenn nicht aus eigenem Antrieb, dann weil es ihr Flemeth befohlen hatte.
 

Meine Schritte trugen mich nach draußen, geradewegs auf leicht schlammigen Untergrund, wo auch schon Flemeth, auf den kleinen See blickend, zu warten schien. Als sie meine Schritte hörte, blickte sie zu mir herüber. Erst jetzt bemerkte ich, durch sein glückliches Bellen, dass sich nicht unweit von ihr entfernt mein Vierbeiner befand, der auch sogleich auf mich zukam. Voller Freude sprang er leicht in die Höhe, und ich war froh, dass dieses Kriegstier nicht auf mich springen wollte vor lauter Freude, wie es Hunde nun einmal so gerne taten, denn das hätte mich durchaus von den Füßen gerissen. Ich streichelte den Mabari nur und lächelte ihn freundlich an, um ihm aufzuzeigen, dass ich seine Freude teilte. Skipper war klasse. Er war mir immer treu und auch er gehörte zu meiner neugewonnenen Familie.

„Ihr seid wach.“ Ich nickte der Hexe zu.

„Ja. Und das habe ich Euch zu verdanken. Ich danke Euch.“

„Ihr wisst, dass ich Euch nicht hätte sterben lassen können. Selbst wenn ich gewollt hätte.“

Sie blickte mich einen Augenblick weiterhin stumm an, ehe sie sich wieder zum See umdrehte.

„Weltenwandler. Verratet mir, was habt Ihr als nächstes vor?“

„Weltenwandler, hm, gefällt mir“, kam es schmunzelnd von meinen Lippen, ehe ich es der lebenden, fereldischen Legende gleichtat und ebenfalls auf den See blickte.

„Zunächst einmal warte ich darauf, dass es meinem Kameraden wieder gut geht. Danach werden wir zu viert in das nahegelegene Dorf reisen. Lothering sein Name. Eure Tochter wird uns schon den richtigen Weg weisen.“

„Meine Tochter?“ Das Schmunzeln auf meinen Lippen wurde breiter.

„Tut nicht so, als hättet Ihr nicht vorgehabt, sie uns mitzugeben. Alleine des Rituals wegen. Und damit meine ich nicht einmal unbedingt das, was mich und Aidan Cousland voneinander trennen soll, falls Ihr so eines mittlerweile anzubieten habt, sondern das rund um die Seele des Erzdämons.“

„Ihr wisst auch wirklich alles, was?“

„Ich weiß nur, was ich weiß. Nicht mehr, nicht weniger. Ihr seid mir bei weitem überlegen. In allen Belangen.“

„Bescheidenheit. Eine Tugend, die ich nicht mit Euch in Verbindung gebracht hätte.“ Ein Lachen entwich meiner Kehle.
 

„Ihr habt übrigens meine Bitte erhört“, sprach ich nach einem Moment auf elfisch aus, als ich meine Gedanken gesammelt und diese Worte gefunden hatte. Ich konnte die Sprache dieses Volkes.

„Ich habe Eure Worte noch einmal überdacht und war mir sicher, dass Ihr recht habt. Selbst wenn es Euch nun in der Rolle des Wächters nicht helfen mag, so in Eurem weiteren Werdegang. Schließlich wisst Ihr ebenso wie ich, wo es für die Welt wichtig wird. Wo die großen Ereignisse geschehen. Und ich mag diese Welt recht gerne, auch wenn ich mich von ihr selbst meist abkapsle.“

Sie hatte mir also nicht nur geholfen, nein, sie verriet mir durch ihre Worte auch sogleich, dass sie sich sicher war, dass ich in der Welt für Gutes versuchen würde zu sorgen. Sie deutete mir, versteckt hinter ihren Worten, an, dass sie mir in dieser Hinsicht vertraute. Das, oder ich interpretierte zu viel in diese Geste, was unmöglich war, denn Flemeth tat nie etwas ohne Hintergedanken. Wenn ich es so betrachtete, fast wie ich. Nur mit dem Unterschied, dass es bei mir tatsächlich wenige einzelne Momente gab, in denen ich nichts geplant hatte, und ein gegenteiliges Verhalten nicht mit meinem Gewissen hätte vereinbaren können.

„Eine weitere Frage hätte ich dann doch noch an Euch, Flemeth.“ Nun wandte sie sich wieder mir zu und schaute mir interessiert mit ihren gelben Drachenaugen in meine Iriden.

„Wieso kann ich mich plötzlich an jedes Lied, das ich jemals gehört habe, zumindest scheint es so, erinnern?“ Ein breites Lächeln lag auf ihrem alten faltigen Gesicht, was mir somit verdeutlichte, dass die Ergraute damit zu tun hatte.

„Ich habe in Euren Erinnerungen gestöbert, während ich Euch elfisch beibrachte. Eure Lieder sind wunderschön. Sobald Ihr Euren Körper habt und Eure Reise mit dem Wächter endet, könnt Ihr Euch etwas dazuverdienen, so dachte ich mir.“

„Das … ich bin kein Sänger“, ließ ich Flemeth wissen, die mich mit ihrer Neutralität bedachte.

„Das habe ich auch nicht behauptet, doch bei vielen Eurer Lieder muss man auch kein besonderer Sänger sein, sondern Gefühl bringen und der Text alleine regt zum Nachdenken an. Vielleicht wurdet Ihr auch deshalb in diese Welt geschickt, um sie mit Euren Liedern zum Strahlen zu bringen.“ Ich war stolz auf mich, dass ich mir mein Lachen verkneifen konnte, als ich die nächsten Worte aussprach.

„Ist es Ironie, dass mich eine Elfengöttin zur nächsten männlichen Andraste machen möchte, obwohl ich keinerlei Talent zum Singen besitze? Aber ja, ich mach den Dieter Bohlen. Kann nicht singen, aber Hits schreiben bzw. aufschreiben und etwas abwandeln. Wunderbar.“
 

Noch einige Stunden sollten sich Flemeth und ich über alle möglichen Themen unterhalten, wie auch Morrigan, die sich nach einer gewissen Weile unserem Gespräch anschloss, wenn auch eher als stille Zuhörerin, bis schließlich Alistair erwachte. Er kam schwermütig aus der Hütte heraus und die Erinnerungen über das, was auf dem Turm geschehen war, lagen ihm im Gesicht. Er wusste, was unser Auftauchen in diesem Sumpf bedeuten musste. Die Schlacht war verloren und sie alle waren tot. Loghain hatte uns verraten. Hatte König Cailan, den Sohn seines besten Freundes König Marics, verraten. Die Wächter waren tot, außer Alistair und mir. Was unter anderem auch für ihn eine Tatsache resultieren ließ: Duncan war tot.

„Ihr lebt?“ Als hätte er einen Geist gesehen, blieb er vor mir wie angewurzelt stehen und musterte mich von Kopf bis Fuß. In seinen Augen lagen Tränen. Im Spiel war Alistair stets vor dem Wächter aufgewacht und hatte Zeit gehabt, alles in Ruhe zu verdauen, doch hier und jetzt, in der Wirklichkeit, besaß er diese Zeit nicht. War ich es, der schneller erwachte.

Ohne auch nur dem Hauch einer Chance reagieren zu können, hatte der Wächter die kurze Distanz überbrückt und mich in eine herzhafte Umarmung gezwungen. Er drückte mich fest an sich. Er wollte wissen, ob dies real war oder nicht. Sich an dieses letzte Fünkchen Hoffnung, dass er nicht alleine war, klammern. Ich verstand ihn, weshalb ich diese Umarmung auch recht schnell erwiderte. Mir ging es doch für den Moment genauso, auch wenn ich wusste, was passieren würde. Dass wir schneller als gedacht Gefährten erhalten würden. Und doch überkam einen dieses Gefühl der Einsamkeit, wenn man an seine Verluste dachte.

Meine Verluste. Für einen Moment schüttelte ich gedanklich den Kopf. Nein. Noch nicht. Ich war noch nicht soweit zu weinen. Zu trauern. Erst wenn mich niemand sah und ich einen Moment der Ruhe besaß, würde ich mich meiner Trauer hingeben, doch hier und jetzt, in diesem Moment, musste ich stark sein. Für unser aller Wohl.

„Ist schon gut, Großer. Ich verstehe. Ich fühle ebenso. Lass es raus.“ Ich streichelte dem künftigen König über den Rücken, der sich auch wieder nach einem kurzen Moment von mir löste. Es befanden sich noch immer Tränen in seinem Gesicht, doch recht schnell versuchte er diese wegzuwischen und murmelte kurz etwas, das verdächtig nach „danke“ klang.
 

„Wie herzallerliebst, wollen wir dann mal zum wichtigen Teil kommen wie dem vermeintlichem Ende der Welt, wenn ihr nichts unternehmt?“, erklang die Stimme der jüngeren Hexe, die mal wieder in bester Manier ihr Einfühlungsvermögen bewies, dass sie nicht besaß.

Alistair warf ihr einen scharfen Blick zu, als ich mich an die Hexe wandte.

„Ich verstehe, dass Ihr gewiss besseres erblicken könntet als zwei trauernde Wächter, doch bitte versteht, dass mein Gefährte etwas Zeit braucht, mit der Situation umzugehen. Ich selbst kann dies anders verkraften, auch wenn ich natürlich ebenfalls trauere, doch ich kannte sie alle nur wenige bis hin zu einem Tag.“ Sie wollte gerade etwas erwidern, als ich noch ein „ABER …“ hinterherwarf, und sie somit zum Schweigen brachte.

„… ich gebe Euch natürlich recht. Die Verderbnis duldet keinerlei Aufschub. Und Alistair, wir wären gestorben, wenn uns Flemeth nicht vom Turm gerettet hätte. Wir sind ihr zu Dank verpflichtet. Und das machen wir am besten, indem wir die Welt retten.“

„Besser hätte ich dies nicht ausdrücken können, Wächter.“ Mich lächelte die alte Frau an, als Alistair nach Atem rang.

„DIE Flemeth aus den alten Legenden?“, entwich es seinen Lippen. „Daveth hatte also Recht, Ihr seid eine Hexe der Wildnis!“ Die Drachenaugen ruhten nun auf Marics Sohn.

„Ja, DIE Flemeth. Aber ist das von Bedeutung? Legenden neigen ohnehin zur Übertreibung und meine Magie hat euch schließlich nicht geschadet, nicht wahr?“ Sie lächelte zufrieden, als der Knabe zu nicken begann.

„Doch dies ist nun unwichtig. Wichtiger hingegen ist eure Aufgabe als Wächter, vereint gegen die Verderbnis vorzugehen, wie es Morrigan soeben angedeutet hatte.“

„Dank Loghain ist das Land sicherlich alles andere als vereint“, entwich es erneut dem Blonden, was mir auch sogleich aufzeigte, dass er eben kein Dummkopf war, auch wenn Morrigan später gerne das Gegenteil behauptete, da er sogleich die richtigen Schlüsse daraus folgerte. Loghain hatte den König und sein Land verraten.
 

„Alistair, ich habe die letzten Stunden das Vergnügen gehabt, mit Flemeth zu sprechen.“ Morrigan sah so aus, als würde sie gerne Gegenteiliges behaupten, als es ein Vergnügen zu nennen, doch sie schwieg und ich erhielt die Aufmerksamkeit meines Kollegen.

„Wir müssen das Land einen, den Erzdämon vernichten und dabei Loghain aufhalten. Es hört sich wie eine Herkulesaufgabe an, doch zusammen schaffen wir das. Wir sind die letzten Wächter und wir dürfen nicht aufgeben, sonst ist alles verloren.“ Erst jetzt bemerkte ich, in meinem Sprachgebrauch Herkules erwähnt zu haben und war mir sicher, dass es ihn sowie allerlei Wortspiele in seinem Zusammenhang hier nicht gab.

„Ihr wollt weitermachen? Einfach so?“

„Warum denn nicht? Wollt Ihr die Welt ihrem Schicksal überlassen? Wir sind es den anderen schuldig. DUNCAN schuldig. Ohne uns ist der Tod so vieler und derer, die noch kommen mögen, völlig umsonst.“ Seine braunen Augen weiteten sich, als ich den Namen seines Mentors erwähnte.

„Euch steht mehr Hilfe zur Verfügung, als ihr glaubt“, unterstützte mich nun Flemeth in meinem Bezwecken, den Dienstälteren zu motivieren. Bei ihm fiel der Groschen beinahe sofort, als er sich unter den Brustpanzer seiner Rüstung griff, wo er einen kleinen Stapel Papier herausholte.

„Die Verträge!“, rief er erleichtert, als er sie vor uns offenbarte.

„Natürlich! Die hatte ich völlig vergessen!“ Er lächelte.

„Duncan gab sie vor der Schlacht an mich weiter, damit ich sie verwahre. Jetzt sind sie uns von Nutzen. Wir können die Unterzeichner aufsuchen und sie bitten uns zu helfen!“

„Ich mag zwar etwas alt sein, aber das klingt für mich nach dem Aufbau einer Armee.“, ließ Flemeth die Flamme der Hoffnung in Alistair weiter aufsteigen.

„Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um gegen die Verderbnis und diesen Verräter vorzugehen. Das schwöre ich bei meiner Klinge! Für alle Unschuldigen, die es zu schützen gilt und für Duncan, der mich alles lehrte!“
 

„Auch ich schwöre feierlich, dass ich alles in meiner Macht stehende tue, dieses Land zu retten, oder bei dem Versuch untergehe.“ Ergriffen wie auch eine Spur von Dankbarkeit erkannte ich im Gesicht des Dunkelblonden, als er meine Worte vernommen hatte.

„Ihr seid wahrlich bereit, Graue Wächter zu sein!“, sagte Flemeth.

„Ich glaube, die Helden eures Ordens wären stolz auf euch gewesen.“ Sie wurde wieder ernst.

„Ich bin euch nun ebenso zu Dank verpflichtet. Die Verderbnis bedroht schließlich auch mich. Was mich im Übrigen zu einem weiterem Entschluss bringt.“ Gelb traf auf gelb, als sich Mutter und Tochter in die Augen blickten.

„Morrigan, du wirst sie begleiten.“ Kurz herrschte Stille, als Morrigan sie überrascht anblickte.

„Was?“

„Du hast mich gehört, du hast schließlich Ohren. Ich bin ganz sicher.“

„Aber Mutter …“, wollte sie protestieren, als die Ältere nur ihr Haupt schüttelte.

„Du willst doch schon seit einer ganzen Weile aus diesem Sumpf hinaus und wissen, was außerhalb dieser Wildnis liegt. Hier ist deine Gelegenheit dazu.“ Flemeth blickte wieder zu mir.

„Ich gebe Euch das mit, was mir am Wichtigsten ist, Wächter. Seht Ihr, wie wichtig mir die Situation ist?“ Sie hatte bewusst das Wort nur an mich gewandt, doch nicht ich war es, der sich zu Wort meldete, sondern derjenige, der später viele unschöne Worte mit Morrigan wechseln würde.
 

„Ich will ja … dem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen, aber bringt uns das nicht neue Probleme? Außerhalb der Wildnis ist sie eine Abtrünnige.“ Er sprach offen seine Bedenken aus und dies schien Flemeth zu erzürnen, denn nun sah sie gewiss wie ein Drache aus, ein wütender dazu, während sie ihr Augenwerk auf den anderen männlichen Part dieser Viererkonstellation warf.

„Wenn Ihr von uns unrechtmäßigen Magiern keine Hilfe wollt, hätte ich Euch wohl besser auf dem Turm gelassen.“

„Zurechtweisung angekommen“, gab er sich geschlagen.

„Mutter, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich bin gar nicht bereit dafür.“ Nun zweifelte auch Morrigan und ich konnte ungefähr erahnen, wie genervt die Ältere sein musste, sich die Worte der beiden anhörend, während ich mich schön ruhig aus der Affäre zog.

„Du musst bereit sein! Diese beiden sind alleine und müssen Ferelden gegen die Dunkle Brut einen. Sie brauchen dich, Morrigan. Ohne dich werden sie versagen und die Verderbnis wird alle hinwegraffen. Auch mich.“

„Ich … verstehe.“ Sie waren so grundverschieden, und doch gaben sich Alistair und Morrigan den Argumentationen Flemeths auf ähnliche Weise geschlagen. Wundervoll.

„Nun gut. Morrigan, bitte holt Eure Sachen, damit wir losreisen können.“ Die Abtrünnige nickte bloß und betrat dann die Hütte.

„Auch wenn sie selbst stark ist und auf sich aufpassen kann, habt bitte ein Auge auf sie, ja?“

„Natürlich. Das bin ich Euch schuldig. Doch auch ohne Schuld würde ich es machen, schließlich versuch ich, auf meine Gefährten achtzugeben.“

„Gute Worte. Ich vertraue Euch. Ich wünsche Euch Glück und viel Erfolg.“ Zum Abschied nickte ich Ihr noch zu und Alistair tat es mir gleich. Vielleicht mochten diese Worte von ihr nur so daher gesagt worden sein, doch ich fühlte mich nach diesen Worten unglaublich glücklich, schließlich kam dieses Vertrauen von keiner geringeren als einer Legende und Göttin.
 

Flemeth ging ebenfalls zur Hütte, vermutlich um noch ein paar Worte mit Morrigan zu wechseln, als Alistair an mich trat.

„Äh … Seid Ihr Euch sicher, können wir ihr vertrauen?“, fragte er mich.

„Wir kennen sie schließlich nicht“, fügte er schnell hinzu, als ich mich belustigt an ihn wandte.

„Alistair. Sie hat geholfen, unsere Leben zu retten, zudem sind wir nicht im Zirkel oder sonst wo. Wir können auch nicht gerade wählerisch sein, was unsere Gefährten betrifft. Gebt Euch einen Ruck.“

„Ihr habt ja recht, tut mir leid“, lenkte er leicht beschämt ein.
 

Morrigan kam recht schnell wieder heraus und blickte mich erwartungsvoll an.

„Nun denn. Wir sollten los.“

„Bevor wir losgehen, müsste ich noch etwas mit Euch besprechen.“ Ihre Braue fuhr in die Höhe.

„Verzeiht, ich will dies nicht fragen, um Euch in eine klischeehafte Frauenrolle zu stopfen, aber könntet Ihr vielleicht die erste Zeit kochen? Wenn Alistair dies tut, wird vermutlich alles mit Käse gekocht und so lange umgerührt, bis nur noch eine graue Paste übrig ist, und ich selbst habe leider auch zu wenig Zeit bisher in der Küche verbracht. Wenn Ihr mir dies beibringt, könnte ich Euch ebenfalls von dieser Tätigkeit entlasten." Vor Überraschung folgte ihr nun die zweite.

„Das ist unerwartet freundlich mit der Arbeitsteilung und gut durchdacht, was Ihr da von Euch gebt.“ Diese Worte hatte ich nun nicht von ihr erwartet, aber ich freute mich darüber, dass sie meinen Wissensdurst, auch vielleicht etwas kochen zu können in der Wildnis und sie dadurch zu entlasten, positiv entgegennahm.

„Nicht wahr? Ihr wisst es zwar noch nicht, aber ich denke, wir werden durchaus gute Freunde werden.“ Ich zwinkerte ihr nur zu, ehe ich mich von ihr abwandte und in unsere Zielrichtung trat, die ich zumindest für die richtige hielt. Wie Morrigan auf meine Geste hin reagierte, hatte ich nicht mitbekommen. Doch was ich mitbekam war, wie Alistair neben mich trat und mich leicht beleidigt anblickte.

„Wieso denkt Ihr, dass ich so schlecht kochen kann, ich bin schon lange unterwegs“, wollte er wissen, während uns Morrigan überholte, die Führung übernehmend, um uns nach Lothering zu lotsen.

„Man munkelt, ich kenne Euch vermutlich besser, als Ihr es Euch jemals vorstellen könntet.“

„Was?“ Lachend wandte ich mich an meinen Kollegen.

„Es kann aber auch daran liegen, dass ich eine gute Menschenkenntnis besitze. Oder habe ich den Unrecht? Könnt Ihr denn richtig kochen, außer dem, was ich soeben erwähnt hatte, mein Freund?“

„Nein“, kam es peinlich berührt von ihm, was mich ihm freundlich auf die Schulter schlagen ließ.

„Beweisführung abgeschlossen.“
 

Unter Morrigans Führung kamen wir relativ sicher durch die Wildnis und nur hin und wieder trafen wir auf ein paar kleinere Trupps der Dunklen Brut. Wir marschierten noch eine ganze Zeit lang, bis es schlussendlich zu dunkel war, um etwas zu sehen, und uns dann dafür entschieden, ein Lager zu errichten. Mein Abenteuer hatte zu diesem Zeitpunkt erst so richtig begonnen und ich war aufgeregt, wie viel sich ändern würde oder mir bekannt vorkam, aber in der Realität so surreal sein würde.
 

*Notiz an mich selbst. Die Notizen abändern, indem verraten wird, dass Flemeth eine Göttin ist. Es könnte katastrophal werden, wenn die Göttliche dies erfährt.

Chapter 06 ~ Die ersten Lagerfeuergespräche

Aufmerksam beobachtete ich das Wirken der schwarzhaarigen Schönheit. Folgte ihren Bewegungen mit meinen Augen und suchte den Sinn in ihrem Handeln. Lauschte ihren Worten und folgte ihren Anweisungen.

„Und nun müsst Ihr nur noch einige Male kräftig umrühren.“

Ich nickte. Verstand. Und sogleich nahm ich der Hexe der Wildnis den Kochlöffel aus den Händen, um ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Erst einmal, dann zweimal und noch ein weiteres Mal.

„Stopp!“

Ich hielt an, während ich gerade dabei war, ein siebtes Mal umzurühren, und blickte in die gelben Iriden meiner Begleiterin.

„Nun sind wir fertig. Ihr könnt anrichten.“

Sie drehte sich um und setzte sich auf einen Baumstamm, gegenüber von Alistair. Mittlerweile hatten wir ein Nachtlager eingerichtet und uns dafür entschieden, am morgigen Tage den restlichen Weg nach Lothering zu gehen. Doch nun hatten wir aus den wenigen Zutaten, die Morrigan mitgenommen hatte, wie auch aus ein paar wenigen Hasen, die wir gejagt hatten, eine Suppe angerichtet. Und ich musste zugeben, dass ich froh war, schon in meinem einem Jahr, das ich in dieser Welt verbrachte, ab und an mit auf eine Jagd genommen worden zu sein. Dort hatte ich schon gelernt, wie man ein Tier auseinandernimmt. Es von seinem Fell befreit und nur das Essbare nimmt. Und ich musste gestehen, selbst nach diesem einem Jahr war es noch äußerst widerlich. Doch es musste sein. Schließlich wollten wir überleben und urplötzlich zum Vegetarier werden konnte ich auch nicht, dafür war ich, wie ich leider zugeben musste, zu willensschwach, wenn es um meine Ernährung ging. Erst wenn man Tiere auseinandernehmen musste, wusste man den Luxus aus seiner eigenen Welt besonders zu schätzen. Die Jäger oder die Schlachter, die diesen Part übernahmen, damit man es nur noch fertig im Supermarkt zu kaufen brauchte.

Doch dies war hier nicht der Fall. Hier musste ich es selbst übernehmen. Meine Hände glitten zu einer der Schüsseln und mit einem Schöpflöffel, Morrigan hatte wirklich an alles gedacht, befüllte ich die erste mit dem Inhalt der Suppe.
 

„Hier Alistair. Esst etwas.“

Ich überbrückte die geringe Distanz zwischen uns und schob ihm den Teller, samt Löffel, aufmunternd lächelnd in die Hände. Ich wusste um seinen Verlust und die Gedanken, die sich in seinem Kopf bildeten. Ich würde noch mit ihm darüber reden, doch jetzt sollte er lieber etwas Zeit für sich haben, war er ohnehin etwas still von dem Zeitpunkt aus, an dem wir losgewandert waren. Er nickte mir leicht lächelnd zu, das augenblicklich wieder verschwand, als er auf die Suppe blickte.

Dann schritt ich wieder zum Topf und schöpfte noch einen Teller mit der Suppe voll, den ich nun dem einzigen weiblichen Mitglied unserer kleinen Gruppe reichte. Sie nickte lediglich, was ich schon einmal als gutes Zeichen sah.

Skipper blickte mich schon erwartungsvoll an, als ich nun Überreste des Hasen in die Hand nahm und mich dem Vierbeiner näherte.

„So, Großer, lass es dir schmecken!“ Er bellte glücklich, als ich ihm das Fleisch auf den Boden lag und ihm noch einmal über den Kopf strich.

Zuletzt nahm ich mir selbst einen Teller und setzte mich neben unseren Wildfang.

„Danke für die Kochstunde“, entwich es meinen Lippen, als ich sie anblickte.

„Es dient uns beiden. Euch, damit Ihr zukünftig kochen könnt, und mir, damit ich nicht ständig für Euch und den Kirchenjungen kochen muss.“

„Eine schöne pragmatische Denkweise. Gefällt mir.“

Für einen Moment stellte sie ihre Essenstätigkeit ein, und blickte prüfend zu mir.

„Ist etwas mit dem Essen, habe ich etwas falsch gemacht?“, entwich es lächelnd meinen Lippen, was sie dazu brachte, ihre Aufmerksamkeit von mir abzuwenden und sich wieder ihrem Teller zu widmen.

„Nein. Es könnte gar nichts falsch daran sein, schließlich habe ich es Euch genaustens erklärt und hin und wieder auch gezeigt.“

„Woraufhin ich im Übrigen gespannt bin, was wir als nächstes gemeinsam kochen werden.“

„Nun, ich weiß nicht, wie Ihr aufgewachsen seid, doch erwartet nicht sonderlich viel Abwechslung in den Wäldern zu finden. Freundet Euch besser mit Hasen, Wild und Weiterem, das man in eine Suppe hineinverwerten kann, an.“
 

Ich nickte nur. Ich wusste, was sie meinte. Das schöne Leben, wie ich es auf Highever kannte, war nun längst vorbei. Es kam mir bereits wie eine Ewigkeit vor, dabei war gerade einmal eine Woche vergangen. Und ich stand gerade einmal am absoluten Anfang meiner Reise. Wir hatten den Prolog des Spiels so gerade eben überschritten, doch, und das durfte ich auf keinen Fall vergessen, dies war kein Spiel mehr. Dies war das wirkliche Leben. Jeder konnte sich verletzen oder gar sterben.

Meine Augen richteten sich auf Alistair, der mir gegenüber am Lagerfeuer saß und gedankenverloren in das Feuer starrte. Er war nun mein Waffenbruder. Mit mir gemeinsam die letzte Hoffnung für dieses Land, um die Dunkle Brut aufzuhalten.

Nun blickte ich zur Hexe. Auch sie war nun real. Bissig. Mächtig. Intelligent. Im Moment meine Führerin nach Lothering, doch später, so sie wollte, eine gute Freundin. Ich hoffte, dass ich es schaffen würde, durch die Fassade von Morrigan zu gelangen. Mich mit ihr anzufreunden. Denn ich mochte sie nicht nur aufgrund ihrer Ästhetik. Ich mochte taffe Frauen. Schlagfertige, die nicht auf den Mund gefallen waren. Schätzte Intelligenz. Und sie war all dies und teilte zudem etwas, das ich ebenfalls sehr schätzte. Pragmatisches Denken und oftmals, wie ich es aus den Spielen kannte, schwarzen Humor. Ich war selbst häufiger, schon in meiner Welt, der Meinung gewesen, dass es die natürliche Auslese gab. Idioten und schwache Menschen verschwanden schnell, wobei letztere auch hin und wieder von stärkeren Menschen gerettet werden konnten, bis sie selbst stark wurden oder irgendwann nicht mehr gerettet werden konnten.

Doch auch wenn ich selbst solch pragmatisches Denken mochte, konnte ich dies hier leider nicht zulassen, abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher war, es schlussendlich doch übers Herz zu bringen. Zumindest solange nicht, bis ich meinen eigenen Körper besaß. Schon alleine wegen Aidan. Er sollte eine reine Weste haben, sobald er seinen Körper wiedererhielt. Meinen verdammten Zynismus konnte ich dann wieder zum Besten geben, wenn ich den meinen Körper besaß, wann auch immer dies sein sollte.
 

„Was schaut Ihr so?“ Völlig perplex schüttelte ich mein Haupt und blickte nun in ein Paar wütend funkelnde gelbe Augen, da ich scheinbar noch immer, völlig im Gedanken versunken, Morrigan angeblickt hatte. Abwehrend hob ich meine Hand mit dem Löffel.

„Nichts. Ich war im Gedanken. Verzeiht, dass ich Euch scheinbar angestarrt habe, dies war nicht beabsichtigt. Ich hatte mir lediglich Gedanken über unsere kleine Truppe gemacht.“

„Und was für Gedanken kamen dabei zustande?“, fragte sie auch gleich wieder misstrauisch.

„Nun, abgesehen davon, dass ich Euch wie auch meinen Wächterkollegen zukünftig etwas besser kennenlernen wollen würde, habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie wir Wache halten sollten. Alistair?“ Der Wächter blickte mich nun ebenfalls an, als ich ihn rief.

„Wenn ihr beide nichts dagegen habt, übernehme ich die erste Wache. Ansonsten auch gerne die zweite.“

„Ich kann ohnehin nicht schlafen, lasst mich die erste Wache halten, wenn es okay ist“, sprach mich Alistair an, weswegen ich nickte.

„Natürlich. Dann übernehme ich die zweite Wache. Seid Ihr damit einverstanden, Morrigan?“

Sie nickte nur. Wow, bisher noch keine richtige Beleidigung auf Kosten Alistairs. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ich in Zukunft mit Freude an diesen Augenblick zurückdachte und den Alexander in diesem Augenblick beneidete, da ihre Streitereien mir Kopfschmerzen bereiten würden.

Ich löffelte die letzten Reste meines Tellers aus und stand auf, ehe ich zu Morrigan blickte.

„Morrigan, mögt Ihr noch einen Nachschlag?“ Verwundert blickte sie mir entgegen. Sie schien herausfinden zu wollen, was ich mir davon versprach, ihr gegenüber so höflich zu sein. Was ich wohl bezweckte.
 

„Keine Sorge, ich tue das aus Höflichkeit. Anstand. So bekam ich es beigebracht. Wenn ich schon einmal meinen Teller befülle, wieso solltet Ihr dann unnötigerweise noch einmal aufstehen, wenn ich doch wieder direkt neben Euch Platz nehme.“

Ich erkannte, wie meine Augen bei ihr angekommen waren, und die Verwunderung in Verständnis wich. Ich selbst war selbst überaus überrascht, wie einfach ich sie, zumindest im Augenblick, scheinbar lesen konnte. Sie reichte mir ihre Schüssel und ich befüllte die ihre zuerst und dann die meine.

„Alistair, wollt Ihr auch?“

Scheinbar hatte ich ihn wieder aus einem seiner Gedanken gerissen, denn er blickte mir entgegen wie ein erschrockener Welpe. Er schüttelte sein Haupt, weswegen ich nur mit den Armen zuckte und es mir wieder neben meiner misstrauischen Begleitung gemütlich machte, ihr ihre Schüssel reichend.

Minuten vergingen, in denen man lediglich das Knacken des Holzes im Lagerfeuer hörte oder das Löffeln nach der Nahrung innerhalb der Schüsseln.

„In der Nähe ist ein Bach, Ihr habt das Kochen übernommen, ich würde den Abwasch tätigen“, erklang plötzlich die Stimme des Wächters, in dessen Haut ich nicht steckte.

„Wenn Ihr mögt.“

Alistair näherte sich uns und nahm die nun leeren Teller wie auch Löffel ab, ehe er den Kochtopf zur Hand nahm.

„Wenn Ihr mögt, helfe ich Euch.“

Der Blaublüter schüttelte lediglich sein Haupt.

„Vielen Dank, doch ich würde gerne etwas Zeit alleine verbringen.“

Aus dem Augenwinkel konnte ich unseren Schwarzschopf mit den Augen rollen sehen. Sie war sehr kurz davor, etwas zu äußern, doch ehe sie ihre Lippen in Bewegung brachte, war der Blonde auch schon verschwunden und ließ uns alleine zurück.
 

„Ich denke …“, fing Morrigan an, als sie vom Lagerfeuer aufblickte und mir einen Blick zuwarf.

„… Ich sollte mich bei Euch bedanken.“

„Weswegen?“, machte sich nun leichte Verwirrung in mir selbst breit. Schließlich war das Morrigan. Die noch anfängliche Morrigan. Sie versuchte doch noch die harte Schale aufrechtzuerhalten und dankte nicht einfach so. Oder war sie in Reallife etwa etwas anders als im Spiel? Wenn dies tatsächlich der Fall war, dann musste ich mir noch mehr Gedanken machen über unsere zukünftigen Begleiter, als es ohnehin schon der Fall war. Schließlich bildete ich mir ja ein, diese zu kennen.

„Mir ist bewusst, dass wenn es nach dem Kirchenjungen gegangen wäre, ich noch in der Hütte bei meiner Mutter versauern würde. Doch Ihr habt Euch für mich ausgesprochen. Mich mitgenommen. Ich wollte, wie es meine Mutter gesagt hatte, schon lange aus diesen Sümpfen heraus. Die Welt sehen. Die Berge bestaunen. Das Meer riechen. Den Lärm der Städte vernehmen. Aber alleine …“ Sie schwieg.

Ich lächelte sie jedoch einfach an. Verstand, was sie mir gegenüber ausdrücken wollte.

„Ich freue mich darauf, Euch dabei zu helfen, diese Wünsche zu erfüllen. Doch es ist nicht so, als würden wir Euch lediglich einen Gefallen tun. Es ist ein Geben und ein Nehmen, wie beim Kochen. Ihr seid, wie ich selbst Dank meiner Rettung erblicken konnte, als mich die Dunkle Brut verfolgt hat, eine mächtige Magierin. Zudem seid Ihr nicht gerade auf den Kopf gefallen und im Moment habt Ihr einen viel wichtigeren Job. Ihr seid unsere Fremdenführerin. Wenn Ihr nicht wärt, wären mein Gefährte und ich sicherlich schon in den einen oder anderen Sumpf stecken geblieben. Und ich könnte mir besseres vorstellen, als ein Mahnmal für zukünftige Abenteurer zu sein.“

Für den Wink einer Sekunde bildete ich mir ein, dass ich ein Schmunzeln auf dem Gesicht der Hexe erblickt hatte, doch dies konnte auch einfache Einbildung oder Hoffnung sein.

„Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn Ihr und ich uns gut verstehen würden, sowie auch mehr über Euch zu erfahren, denn Ihr seid faszinierend. Im Gegenzug würde ich Euch natürlich ebenfalls so mancherlei Frage beantworten. Und falls Ihr auch hier meine Hintergründe anzweifelt, dann denkt einfach daran, dass es auch nicht schaden kann, die Begleiter an seiner Seite etwas zu kennen. Wie gesagt, ich stehe Euch ebenfalls Frage und Antwort, einfach an mich wenden.“
 

Ein Gähnen entwich meinen Lippen, ehe ich mich genussvoll streckte.

„Aber nun gehe ich einmal zu Bett, ehe meine Schicht beginnt. Gute Nacht, Morrigan.“

Ich erhob mich, doch als ich einige Schritte gegangen war, drehte ich mich noch einmal zu Morrigan um.

„Wisst Ihr eigentlich, wie viel Sexappeal Ihr durch Euren umwerfenden Kleidungsstil ausstrahlt?“

„Dieser Umstand ist mir durchaus bewusst.“

„Gerissenes Biest.“

Ich lächelte nur, drehte mich um und verschwand in meinem Schlafbereich des kleinen Camps, das nicht sonderlich unweit des Lagerfeuers war, und kuschelte mich in meinen Schlafsack. Nun, wir verfügten ja noch über keinerlei Zelt und würden diese zumindest in Lothering besorgen müssen. Zum Glück hatte ich einiges an Geld mitgehen lassen, bevor ich aus Highever fliehen musste.

Doch lange konnte ich mir keine Gedanken darüber machen, denn schon bald hatte mich das Land der Träume zu sich gezogen, was in dieser Welt sogar einen Namen besaß. Das Nichts.
 


 

Es stank. Ein metallischer Geruch lag in der Luft, während eine Brise von verbranntem Fleisch ebenso in meine Nase drang. Meine Augen weiteten sich. Dies war der Geruch von Blut und verbrannten Leichen.

Trommeln waren zu hören. Finstere Gestalten liefen an mir vorbei, während sie mich keines Blickes würdigten. Sie lachten, mit ihren kehligen Tönen, die sie von sich gaben. Die Dunkle Brut. Ihre Waffen waren fest im Anschlag, während sie ihre Opfer begierig anblickten. Diejenigen, die von ihnen freudig gejagt wurden, und jene, die auf dem Boden zu ihren Füßen lagen. Ihre hässlichen Fratzen lächelten. Unheilvoll und diabolisch. Ich erkannte, wie einige von den Frauen – Zwerginnen, wie ich es an ihrer Größe erkannte – an den Haaren hinter ihnen hergezogen, während andere einfach bei lebendigem Leibe gefressen oder getötet wurden. Welches Schicksal sollte ich nur schlimmer finden? Das der Frauen, die zu Brutmüttern gemacht werden würden, oder die Personen, unabhängig des Geschlechts, die von ihnen gefressen wurden. Dieser Gedanke bereitete mir ein Gefühl von Übelkeit in der Magengegend. Ich wollte hier einfach nur Weg. Ich wollte das nicht weitersehen. Diese Horrorbilder. Dieser Alptraum. Doch mit einem Mal vernahm ich ihn. Zum zweiten Mal in meinem bisherigen Leben und das, meiner Meinung nach, zwei Mal zu oft. Die Dunkle Brut in meiner Umgebung ließ nun alles stehen und liegen, während sie nach oben in eine bestimmte Richtung blickten. Ich wusste, was mich erwartete, wenn ich dorthin schauen würde, doch ich tat es trotzdem. Und dort sah ich ihn. Riesig, während er seine weiten Schwingen ausbreitete, wie ein Tier, das kurz davor war, nach seiner Beute zu schnappen. Der Erzdämon, der auf uns alle hinabsah.
 


 

Meine Augen öffneten sich, während ich über mir den Sternenhimmel erblickte. Es war nur ein Traum. Nicht die Wirklichkeit. Zumindest nicht für mich, im Hier und Jetzt. Aber andernorts, da war ich mir sicher, passierte genau das, genau in diesem Augenblick. Und diesen Kreaturen musste ich mich entgegenstellen. Hatte ich bereits teilweise. Sie musste ich aufhalten. Dafür sorgen, dass solch ein Unglück nicht überall stattfand. Und am Ende auch noch dieses Ungetüm. Das war ein gewaltiges Unterfangen, das ich da auf meinen Schultern trug.

Langsam erhob ich mich aus meiner Schlafposition und hielt mir den Kopf. Noch immer war dieses Übelkeitsgefühl vorhanden.

„Böse Träume, was?“

Mein Blick richtete sich auf die Person, die mich soeben angesprochen hatte. Alistair. Er saß dort, am Lagerfeuer, und blickte mich aus mitleidiger und ernster Miene zugleich an. Er wusste, was in mir vorging. Er kannte es ja von sich selbst, schließlich war er schon länger als ich ein Grauer Wächter. Doch ich durfte ihm nicht zeigen, dass ich dies bereits wusste. Dass ich schon Ahnung davon hatte, was vor sich ging. Das würde ihn nur skeptisch werden lassen.

„Beschissene Träume. Dunkle Brut und ein großer Feuerspucker. Gab mir ein Übelkeitsgefühl, da es so real wirkte.“

„Ist es ja auch. Irgendwie. Wisst Ihr, ein Grauer Wächter kann die Dunkle Brut nämlich hören. Das war Euer Traum. Ihr habt sie gehört.“

Er machte eine kurze Pause, in der er wieder auf das Feuer starrte, ehe er die Feldflasche neben sich zur Hand nahm, aufstand und auf mich zukam. Als er mir die Flasche reichte, nickte ich ihm dankbar zu und nahm ein paar Schlucke daraus. Das Wasser belebte meine, wie ich erst jetzt bemerkte, mittlerweile recht trockene Kehle.

„Der große Feuerspucker, wie Ihr ihn nennt, ist der Erzdämon.“

Vermutlich hatte er damit gerechnet, dass dies nun für mich eine sonderlich große Schockreaktion darbot, doch ich nickte lediglich und gab ihm die Feldflasche zurück. Er bemerkte wohl, dass er keine größere Reaktion von mir zu erwarten brauchte, weswegen er nun schlussendlich weitersprach.

„Der Erzdämon spricht mit der Horde. Gibt ihnen Befehle. Und das spüren wir auch. Daher wissen wir, dass es sich wirklich um eine Verderbnis handelt.“

„Na große Klasse. Träume ich diesen Mist jetzt häufiger? Dann freue ich mich ja wirklich aufs Schlafengehen.“

Alistair war für einen Moment verdutzt, ehe er nur seinen Kopf schüttelte und leicht lächelte.

„Ihr seid ein äußerst ungewöhnlicher Wächter, wisst Ihr das? Jeder andere, bei dem ich es miterleben durfte, ich miteinbezogen, war beim ersten Mal völlig erschrocken, als er diese Träume erlebte. Fast schon durcheinander. Doch Ihr beschwert Euch einfach darüber, nicht mehr gescheit schlafen zu können.“

„Ich überrasche gerne. Wenn es positiv ist, umso mehr.“

Ich lächelte den Dienstälteren an, der dies ebenfalls einfach tat, ehe er wieder ernster wurde.

„Aber um auf Eure Frage zurückzukommen: ja. Es dauert eine Weile, doch irgendwann könnt Ihr sie verdrängen. Einige der älteren Graue Wächter meinten, sie würden zum Teil sogar verstehen, was der Erzdämon sagt. Ich kann das nicht. Als ich hörte, wie Ihr Euch herumwälzt, wollte ich Euch darüber informieren. Für mich war es anfangs furchterregend.“

„Danke dir, Alistair.“

„Dafür bin ich hier“, witzelte er. „Um unangenehme Nachrichten zu überbringen und geistreiche Kommentare von mir zu geben.“
 

Ich konnte nicht anders, als zu lächeln, über die manchmal doch recht kindliche und spaßige Seite des ehemaligen Templers.

„Erinnert mich bitte genau daran, wenn wir jemandem mitteilen müssen, dass jemand gestorben ist.“

Er gefror in seiner Bewegung ein, als ich ihm nur spielerisch die Zunge herausstreckte. Ich selbst stand nun vollständig auf.

„So. Ich bin ja jetzt ohnehin wach und kann nicht mehr so schnell einschlafen. Also übernehme ich ab jetzt die Wache. Legt Euch in die Federn.“

Der Blondschopf nickte bloß und als er sich umdrehte, legte ich ihm eine Hand auf die Schulter, was ihn dazu brachte, überrascht zu mir zu blicken.

„Alistair. Ich weiß, Ihr braucht noch Eure Zeit und ich habe Duncan bei weitem nicht so lange gekannt wie Ihr. Doch ich weiß, dass er ein ehrenhafter Mann war, denn ohne ihn hätte ich Highever niemals lebendig verlassen und das Opfer meiner beiden Eltern wäre umsonst gewesen. Ich kenne mich leider ebenfalls mit dem Verlust geliebter Menschen aus. Manchmal ist das Leben einfach scheiße.“

Ein freudloses Lachen entwich meiner Kehle, ehe ich meinem Gefährten wieder in die Augen blickte.

„Ich will nur sagen … Ihr seid nicht alleine. Wenn Ihr sprechen möchtet, ich bin für Euch da.“

Es vergingen Augenblicke, in denen er mich lediglich ansah. Keiner von uns bewegte sich, doch mit einem Mal lächelte er schwach und nickte nur.

„Danke.“

„Gerne. Gute Nacht.“

Und schon bewegte er sich auf seinen Schlafsack zu.
 

Ich selbst nahm mir nun mein Schwert und meinen Schild, näherte mich dem Lagerfeuer und setzte mich vor einen der Baumstämme auf den Boden, um diesen als Rückenlehne zu benutzen. Erfreut stellte ich fest, dass Alistair scheinbar ein paar Äste gesammelt haben musste, da noch einige dort lagen, um dann das Lagerfeuer weiter am Laufen zu halten.

Für einen Moment blickte ich in die Entfernung, mehrere Meter von unserem kleinen Camp entfernt, bei dem es sich Morrigan selbst gemütlich gemacht hatte. Natürlich abseits, typisch die Misanthropin, die sie eben nun einmal war. Zumindest bis jetzt. Doch man konnte es ihr ja auch nicht verübeln, schließlich hatte sie sich nur wenige Male in die Zivilisation hinausgewagt, zumindest das, was man in der rückständigen Dragon Age-Mittelalterwelt als Zivilisation betiteln wollte. Ansonsten kannte sie doch bloß den Kontakt mit ihrer Mutter und die war sicherlich mehr als nur streng. Wie sollte sie dann wissen, wie sie sich wirklich mit anderen Menschen, gar anderen Rassen, verständigen sollte? Dies war unmöglich. Sie musste sich erst einmal gewöhnen, nun Teil einer Gruppe zu sein.

Ich konnte nicht erkennen, ob sie in ihrem Schlafsack lag oder ob sie vielleicht selbst in tierischer Form etwas herumstreifte.

Meine Augen legten sich auf die Flammen des Lagerfeuers, die durch den leichten Wind, der hier in der Wildnis herrschte, sich etwas aufbrausender als für gewöhnlich bewegten. Nun, ich war alleine. Meine Gefährten schliefen und ich wusste nach dieser verdammt anstrengenden Zeit nun auch noch, was vor uns lag. Doch was ich bisher hinter mich gebracht hatte …

Tote Augen. Mit einem Mal drang mir das Gesicht des Mannes, den ich in Highever getötet hatte, vor Augen. Der Mann, den ich als erstes bisher getötet hatte. Ich hatte gewusst, dass ich ihn in Erinnerung behalten würde. Mein Augenwerk richtete sich auf meine Hände, die ich nun anstarrte. Auf der einen Seite wusste mein Verstand, dass dies normal war. Sein musste. Schließlich hieß es fressen oder gefressen werden. Er hätte nicht eine Sekunde gezögert, mich zu töten. Auf der anderen Seite war es etwas Widerwertiges. Eine andere intelligente Person, mit Familie und Freunden, aus dem Leben zu reißen. Es war etwas anderes, als Tiere für die Nahrungsversorgung oder die Dunkle Brut aufgrund ihres Unheils zu töten. Auf der einen Seite verstand ich es, auf der anderen Seite wollte ich diesen Faktor einfach nicht wahrhaben. Beide wollten mich überzeugen, doch ich wusste, dass es nur eine Seite gab, die gewinnen durfte. Die Seite, die dies rational sah. Wenn mir dieser eine Tod etwas ausmachte, würde ich nicht weitermachen können. Schließlich wusste ich, wie viele Leichen, ob menschlich oder anderer zweibeiniger Formen, es noch zu hinterlassen gab. Die nicht mit sich reden ließen, geschweige denn, dass man auch gar keine Zeit besaß, mit jedem von ihnen ein Gespräch zu führen. Dies war eine andere Zeit. Brutaler. Es war gang und gäbe. Gefressen oder gefressen werden, wie ich mich schon zuvor versucht hatte zu überreden.
 

Wieso dachte ich eigentlich nun daran? Mein Blick richtete sich nun auf den Mond, den ich in der Entfernung zwischen den Blättern der Bäume erblickte. Vermutlich, weil ich in diesem Moment das erste Mal richtig das war, das ich seit dem Angriff auf Highever nicht mehr gewesen war. Alleine. Ich besaß meine Ruhe. Dort sammelten sich die Gedanken ohnehin im Kopf und sorgten dafür, dass man Vergangenes bewältigte, damit man mit Neuem beginnen konnte, doch leider war dies meist leichter gesagt als getan.

Vielleicht hatte es aber auch damit zu tun, dass ich nun Alistair gegenüber meine Eltern, zumindest waren sie dies ein Jahr lang für mich, erwähnt hatte. Dass dies der Startschuss war und sich dadurch auch gleich wieder die negativen Erinnerungen meldeten. Ich hoffte nur, dass sie dort, wo sie nun auch immer sein mochten, glücklich waren. Denn diese beiden hatten jedes Glück der Welt verdient und ihr Tod war, meiner Meinung nach, für ganz Ferelden ein herber Schlag ins Gesicht. Sowohl was Politisches betraf wie auch Menschliches.

Ich hoffte nur, dass es Oriana und Oren gut ging und niemand ein Wort an Howe oder Loghain verriet, sonst wäre meine gesamte Rettungsaktion für die Katz gewesen.

Ich dachte noch einige Zeit über das vergangene Jahr nach, meine eigene Welt und die Zukunft, doch dann richtete sich mein Blick wieder gen Himmel und erschrocken stellte ich fest, dass es nun bereits etwas heller wurde. War ich die gesamte Zeit über nur in Gedanken gewesen und die Zeit war dadurch sogar tatsächlich mal schneller vorbeigegangen? Das hätte ich während meiner Schulzeit gebrauchen können.

Ich stand auf und blickte auf das Feuer. Ich sollte so langsam mal ein paar Äste nachlegen, ansonsten würde es bald ausgehen. Gesagt, getan. Ich nahm einige Äste in die Hände und legte sie vorsichtig, um nicht zu viel Lärm zu machen und dadurch vielleicht König Marics Sohn zu wecken, in das Feuer.
 

Als ich gerade zu Morrigan schlendern wollte, um diese zu wecken, da ihre Schicht so langsam begann, lief sie auch schon bereits auf mich zu.

„Oh, dabei hatte ich mich doch bereits gefragt, wie Ihr wohl beim Schlafen aussehen würdet.“

„Vermutlich anders als Ihr. Denn im Gegensatz zu Euch sabbere ich dabei nicht.“

Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich mochte einfach ihre Art.

„Das tue ich auch nicht immer. Jedenfalls … guten Morgen.“

„Morgen“, quittierte sie meinen Morgenwunsch mit diesem einzelnen Wort und ich war mir absolut sicher, noch immer auf ihrer positiven Rankingseite zu sein. Jedenfalls weit vor unserem anderen Reisegefährten.

Normalerweise, da nun meine Schicht geendet hatte, hätte ich mich wieder hinlegen können, doch da nun jemand an meiner Seite war, hatte ich etwas Lust, ein Gespräch zu führen. Sofern es denn meiner Gesprächspartnerin genehm war.

„Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich Euch noch etwas Gesellschaft leiste?“

„Tut Euch keinen Zwang an.“

Dies ließ ich mir nicht zweimal sagen, also setzte ich mich wieder auf meine vorherige Position, vor den Baumstamm und diesen als Rückenlehne nutzend, während Morrigan mit leichtem Abstand rechts neben mir auf einem Baumstamm Platz nahm.

Einige Minuten schwiegen wir, ehe ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Hexe legte.

„Euch war aber klar, dass ich Euch dann auch Fragen stellen wollen würde, oder?“

„Nichts anderes hatte ich angenommen.“

„Also …“, begann ich damit, meine erste Frage zu formulieren. An sich wusste ich ja bereits alles, hatte ich diese Gespräche in den Spielen mit ihr oft genug gehabt, doch vielleicht konnte ich ab und an etwas Neues herausfinden, das mein Dragon-Age-Herz höherschlagen ließe und mein Wissen erweiterte. Vielleicht hatten die Spiele hin und wieder auch kleine Fehler gehabt, oder die Bücher, die ich auch zu genüge studiert hatte. Nun ja, wenn ich recht darüber nachdachte, hatten sie diese. Schon alleine die Geburtsfrage unseres beinahe Templers mit dem blauen Blute war da ein ewiger Streit der Community, wer denn schlussendlich seine Mutter sei. Und dann von den logikübergreifenden Fehlern der Lore, was die Spiele betraf, in vielerlei Hinsicht, wie zum Beispiel der Thematik rund um das Lyrium. Ich würde sicherlich aus so mancherlei Gespräch etwas Neues entdecken können.
 

„… wie ist es so, wenn Ihr Euch in ein Tier verwandelt?“

„Erst einmal sollte ich Euch vermutlich verraten, dass es lange braucht, bis man seine Gestalt verändern kann. Man muss die Tiere studieren. Sich in sie hineinfühlen können. Denken wie sie. Es ist eine uralte Kunst, die in weit entfernten Ländern selbst noch heute praktiziert wird, doch längst nicht mehr so geläufig wie zu vergangenen Tagen. Anders, als es in Euren Magiergefängnissen, den Zirkeln, gelehrt wird.“

„Es ist gut, dass so etwas Altes, Traditionelles nicht ausstirbt.“

„Findet Ihr?“ Sie blickte mich aus überraschten Augen heraus an.

„Natürlich. Es gibt altes Wissen, dass man bewahren sollte und von dem man noch so viel lernen kann, da man es heute vergessen hat, jedoch im gleichen gesunden Maße offen für Neues sein. Es ist blödsinnig, sich nur auf eine Sichtweise zu beschränken. Und dass Ihr Euch auch in Tiere hineinfühlen könnt, sagt mehr über Euch aus, als ihr vermutet. Wenn ich ein Magier wäre, würde ich so etwas auch gerne können. Die Sichtweise eines Tieres kennenlernen. Verstehen lernen. Als Katze bei Nacht sehen können. Als Vogel den Wind beim Fliegen erfühlen, der meinen Körper umgibt. Als Wolf durch die Wildnis streifen, auf der Suche nach Beute. Oder als Fisch durch einen Bach schwimmen. Das sind Vorstellungen, denen ich mich gerne hingebe, in der traurigen Gewissheit, dies niemals tun zu können. Ich muss gestehen, ich bin etwas neidisch auf Euch. Und mit etwas untertreibe ich maßlos.“

Verdutzt blickte sie mich an. Mit solch einer leidenschaftlichen Erklärung hatte sie sichtlich nicht gerechnet.

„Ihr seid ungewöhnlich, wisst Ihr das?“

Ein Lachen entwich meiner Kehle.

„Es wäre doch langweilig, wenn alle gleich wären, wenn auch manchmal gewiss einfacher. Und ich überrasche gerne. Wenn es positiv ist, umso besser.“

Für einen Moment hielt ich inne, als ich sie wieder neugierig anguckte. Mich interessierte wirklich, was sie von sich gab, auch wenn ich hin und wieder im Grunde die Antworten bereits kannte.

„Sagt mir, wenn Ihr als Tier herumlauft, könnt Ihr auch mit ihnen sprechen? Verstehen sie, was Ihr sagt, und umgekehrt?“
 

Für einen kurzen Moment, so schien es, war auch sie leicht traurig, als sie ihren Kopf schüttelte und mich dann wieder für ihre Erklärung erblickte.

„Leider nein. Schließlich bleibe ich, trotz meiner optischen Form, im Geiste noch immer ein Mensch, so wie das Tier ein Tier bleibt. Sie akzeptieren mich jedoch. So kann ich zum Beispiel mit einem Rudel Wölfe jagen gehen, ihrer Körpersprache entnehmen, wie sie handeln und was sie meinen, doch was sie untereinander kommunizieren, wird mir auf ewig verwehrt bleiben.“

Ich nickte. Gab ihr somit das Zeichen, dass ich verstand.

„Und wäre es möglich, dass Ihr Euch in andere Menschen verwandelt?“

„Nein. Andere Menschen können mir nichts, so wie es die Tiere tun, beibringen, da ich doch schon selbst ein Mensch bin. Mir Ihr Handeln und Denken nicht fremd sind.“

Innerlich kicherte ich. Und ob ihr so manches Handeln und Denken der Menschen fremd waren. Der beste Beweis war doch, wie oft sie mich, seit wir uns in dieser kurzen Zeitspanne kannten, überrascht angeblickt hatte. Doch dies erwähnte ich lieber nicht, sonst würde sie sich absolut von mir abschotten und ich war gerade sehr froh, dass wir uns besser kennenlernen konnten. Der beste Weg für eine angehende Freundschaft.

„Verstehe. Für unsere Mission wäre es sicherlich einfacher geworden, wenn Ihr Euch auch in unsere Feinde verwandeln könntet, doch schon alleine mit der Gabe, Euch in Tiere verwandeln zu können, bin ich schon neidisch genug auf Euch. Das reicht dann auch.“

Ich blickte sie kurz lächelnd an, ihr signalisierend, dass ich meine Worte spaßig meinte, ehe sich meine Iriden auf den Himmel konzentrierten, der immer heller wurde. In wenigen Stunden würden wir unsere Reise fortsetzen. Doch mir fiel noch ein letztes Gesprächsthema ein, das ich mit ihr gerne abhacken würde. Vermutlich besaß ich auch heute dazu die einzige Möglichkeit. Zumindest um Lothering als Beispiel zu nehmen.
 

„Das Dorf, zu dem wir reisen …“

„Lothering“, unterbrach mich die Hexe, weswegen ich nickte.

„Genau, Lothering. Ihr wart schon einmal dort.“

„Ja. Doch nur ein einziges Mal.“

„Sonst habt Ihr Euer Leben in der Wildnis verbracht?“

„Was sollen diese Fragen? Ich frage Euch doch auch nicht über Euer Leben aus.“

Ich hatte gewusst, dass sie so reagieren würde, doch genau das war auch mein Ziel gewesen.

„Aber das könntet Ihr. Ich stehe Euch Rede und Antwort, sofern Ihr wollt.“

Die Hexe der Wildnis war wieder für einen kurzen Moment überrascht, als ich sie einfach nur anlächelte. Sie war es sichtlich nicht gewohnt, dass man ihr gegenüber so freundlich war, mal ganz davon abgesehen, dass sie ohnehin wenig Sozialkontakt besaß und daher die eine oder andere menschliche Interaktion verstehen und somit erlernen musste. Ich wollte mir gar nicht vorstellen müssen, wie eine Erziehung unter Flemeth als Vormund aussehen musste.

Sie lachte kurz freudlos auf.

„Welch ein Glück“, ging sie auf meine Aussage ein.

„Um auf Eure Frage zu sprechen zu kommen, ja, ich bin in der Wildnis aufgewachsen. Wo hätte es den sonst sein sollen? Viele Jahre gab es nur Flemeth und mich. Die Wildnis und ihre Kreaturen waren für mich realer als Flemeths Geschichten von der Welt der Menschen. Irgendwann wurde ich neugierig. Ich verließ die Wildnis, um zu erkunden, was dahinter lag. Aber immer nur kurz. Kleine Vorstöße in die zivilisierte Wildnis. Unter anderem bin ich bei einem dieser Besuche in Lothering gelandet.“

„Seid Ihr bei einem dieser Besuche jemandem aufgefallen?“

„Nur ganz selten. Flemeth hatte mich gut vorbereitet. Doch trotz aller Vorbereitung war die Realität der Zivilisation dann doch … zu viel für mich. So viel war mir nicht vertraut. Ich war selbstbewusst und mutig, aber auf vieles hatte mich Flemeth unmöglich vorbereiten können.“

„Ich kann nur versuchen zu erahnen, wie es Euch gegangen sein muss. Das klingt für mich, wie Ihr schon sagtet, recht mutig. Passt zu Euch.“

Erneut kam ein leises Auflachen von Ihr.

„Mut und Dummheit halten sich da wohl die Waage. Nur einmal …“ Sie wurde ernster. Verschränkte ihre Arme und blickte in die Flamme des Feuers hinein.

„… wurde ich beschuldigt, eine Hexe der Wildnis zu sein. Von einem Chasind, der mit einer Handelskarawane unterwegs war. Er zeigte auf mich. Schnaufte und schrie dann in einer seltsamen Sprache. Die meisten glaubten, er würde mich irgendwie verfluchen. Ich spielte das verschreckte Mädchen und er wurde eingesperrt.“

„Nichts anderes hätte ich von Euch erwartet.“

„Dass ich eiskalt bin und dafür sorge, jemanden einsperren zu lassen?“

„Dass Ihr gewiss nicht auf den Kopf gefallen seid und dazu fähig, Situationen nicht nur durch Eure magischen Fähigkeiten, sondern auch durch Euren Intellekt zu meistern.“

Sie schwieg und ich wusste, was ich nun tun würde. Ich erhob mich und lächelte sie an.

„Habt Dank für das Gespräch, Morrigan. Bei Zeit sollten wir dies wiederholen. Doch ich sollte mich wohl noch ein wenig hinlegen, bevor in wenigen Stunden unsere Reise fortgesetzt wird. Gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Und so verzog ich mich auch wieder in meinen Schlafsack.
 


 

Als ich die Augen zuschlug, wusste ich, dass ich Morrigan zum Nachdenken gebracht hatte. Dass ich die ersten Steine ins Rollen brachte, die ihr offenbarten, dass nicht alle Menschen schlecht waren. Und dies war mir ein Bedürfnis. Denn damals schon hatte ich mir als Ziel gesetzt, sie als eine Freundin zu gewinnen. Und Alistair? Mit dem hatte ich schon ein, für den Anfang, gutes Verhältnis, doch er musste lediglich noch etwas um Duncan trauern, dann war er auch wieder der Alte. Doch in Zukunft durfte ich mir nachts auch über noch mehr Personen Gedanken machen, denn dies war der erste wie auch zugleich letzte Abend, an dem wir eine – Skipper mal außen vorgelassen – Dreiergruppe bildeten.

Chapter 07 ~ Alte Bekannte und neue Freunde in Lothering

Zu meinem Leidwesen hatte ich nicht mehr allzu viel Schlaf bekommen, als ich schlussendlich zu den frühen Morgenstunden von Morrigan geweckt wurde. Es waren Momente wie diese, die mich über die Tatsache des fehlenden Kaffees innerlich fluchen ließen. Doch es hatte alles nichts geholfen, denn wir hatten recht schnell unser Lager abgebaut und waren auch schon wieder auf dem Weg nach Lothering. Während ich mich mit meinen Gedanken beschäftigte und über den fehlenden Kaffee klagte, war Alistair wieder in seiner Trauer gefangen und Morrigan blickte auch wieder griesgrämig aus der Wäsche. Der Einzige, der gute Laune zu haben schien, war Skipper. Vermutlich gefiel es ihm, die Natur hier zu erblicken, die er im Schloss in Highever nie bekommen hätte, und der Spaziergang erfreute sicherlich sein Hundeherz.
 

Ich achtete kaum auf den Weg. Viel zu sehr steckte ich derzeit in meinen Gedanken, je näher wir Lothering kamen. Was auf uns zukam. Wem wir alles begegneten und wie ich was regeln musste. Wie wir weiter vorgehen sollten und ich mich eben zu verhalten hatte, um nicht allzu auffällig zu sein. Nicht dass jemand auf den abwegigen Gedanken kam, dass ich wüsste, was geschehen würde, was eben einer Tatsache entsprach. Doch mit einem Male wurde ich aus meinen vielen Gedanken herausgerissen. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich verspürte etwas, wie eine finstere, böswillige Aura. Als wüsste ich, dass Feinde in der Nähe waren, die mich attackieren wollten. Und ich wusste, was dies war. Dunkle Brut. Viel zu oft hatte ich meiner Meinung nach am gestrigen Tag dieses Gefühl verspürt.

„Dunkle Brut!“, bestätigte Alistair, der erfahrenere Graue Wächter, meinen Verdacht.

Doch da kam aus heiterem Himmel ein vierbeiniges Wesen auf uns zu gerannt. Als es näherkam, identifizierte ich es als Hund. Ein Mabari. Und direkt hinter ihm ein kleiner Trupp der Dunklen Brut, der ihn verfolgte. Verwirrt blickte ich zwischen dem Mabari und meinem Skipper hin und her. Ja, ich hatte bereits einen Mabari. Ja, ich hatte im Gegensatz zum Spiel, trotz des Besitzes eines eigenen Mabaris, dem Zwingermeister helfen können, einem Mabari einen Maulkorb anzulegen und besagtem Zwingermeister schließlich auch die Blume der Wildnis überreicht. Doch konnte das sein? War dies ebenfalls dieser Hund? Und wenn ja, wieso war er dann hier? Man hatte doch immer nur einen Hund.
 

Doch länger konnte ich über diese Thematik nicht philosophieren und Wurzeln schlagen, nein, denn viel zu sehr hing ich an meinem Leben. Und schädigend für selbiges wäre es gewesen, nicht zu meinem Schild zu greifen, das den nahenden Pfeil abfing.

„Drecksviecher“, entwich es meinen Lippen, als ich, nun auch mit gezogenem Schwert, den verderbten Wesen entgegentrat. Die beiden Mabari hatten sich zielorientiert, unabhängig voneinander, einen dieser Brut geschnappt. Auch Alistair bearbeitete bereits einen und der Blitz, der haarscharf an mir vorbeiflog, signalisierte mir, dass auch Morrigan sich bereits einen Feind ausgeguckt hatte. Ich lief auf den letzten freien Feind und machte mit diesem recht schnell kurzen Prozess, als ich meinen Schild zum Abwehren verwendete und mit meinem Schwert darüber hinweg schnelle Stechbewegungen machte, die seinen verderbten Körper aufstießen und ein schrecklicher Schrei von eben jenem Wesen erklang. Ein Todesschrei.

Als auch schlussendlich jeder mit seinem Feind fertig war, näherten sie sich mir, nachdem ich mich auch von diesem verderbten Wesen abgewandt hatte und ich blickte auf den fremden Vierbeiner. Ohne Zweifel. Das war der, dem ich einen Maulkorb verpasst hatte. Er besaß die gleichen Muster auf dem Fell. Dieselbe kleine Narbe über der Stupsnase.

Treudoof saß er nun vor mir, mich abwartend aus seinen Hundeaugen erblickend, während Skipper nur neben ihm saß und zwischen ihm und mir hin und her schaute, die Zeichen richtig deutend.

„Du bist doch mein Freund aus Ostagar, oder?“ Ein Bellen war die Antwort, womit sich meine Vermutung nun in Gewissheit wandelte.

„Scheinbar will er sich uns anschließen“, sprach Alistair das Offensichtliche aus, was Morrigan schnauben ließ.

„Noch ein Hund, ich dachte, wir wollten die Verderbnis aufhalten und keine Zucht eröffnen“, beschwerte sie sich lediglich.

„Ich kann nichts dafür. Skipper gehört zu mir und ihn hier konnte ich nicht sterben lassen. Ich weiß nicht, wie ihr beiden das seht, aber ein Mabari mehr oder weniger kann wirklich nicht schaden bei unserem Trupp. Jedoch habe ich noch nie davon gehört, dass zwei Mabari sich auf einen Mann geprägt haben.“

„In dir leben auch zwei Seelen“, drang sich der Gedanke in meinem Kopf auf.

„Ich auch nicht, Ihr wärt gewiss etwas Besonderes“, offenbarte Alistair seine Meinung, was mich nicken ließ. Ja, das wäre ich gewiss. Schließlich ergab ein Mabari alleine für eine Person enormes Ansehen in Ferelden, was dann wohl zwei für einen Eindruck schinden würden?
 

„Aber nicht ich habe zu entscheiden, ob unser Neuankömmling bei uns bleibt.“ Verwirrt blickten mich sowohl meine beiden menschlichen wie auch die beiden tierischen Mitstreiter an. Doch ich blickte lediglich zu Skipper und kniete mich zu ihm herunter, um ihm besser in die Augen schauen zu können.

„Du warst zuerst da. Du bist mein treuer Freund. Ich möchte nicht, dass du dich irgendwie übergangen fühlst. Es liegt an dir. Willst du einen Mabarikollegen in der Gruppe haben oder sollst du der einzige Vierbeiner bleiben?“

Für einen Moment legte Skipper, offensichtlich nachdenkend, den Kopf schief, ehe er mich vergnügt anbellte und auf den Neuen schwanzwedelnd blickte. Auch der neue Mabari wedelte mit dem Schwanz und bellte glücklich.

„Offenbar haben sie sich beide geeinigt.“ Ich musste nicht zu Alistair blicken, um sein Schmunzeln aus seiner Aussage herauszuhören.

„Dann brauchst du noch einen Namen.“ Nun blickte mir der Ostagar-Mabari entgegen.

„Wie gefällt dir Fenrir?“ Erfreut bellte der Hund und drehte sich glücklich im Kreis.

So wurde es also entschieden. Fenrir gehörte nun zur Gruppe.
 

Dass Fenrir nun ein Teil der Gruppe wurde, war eine Anomalie in der Geschichte. Etwas, das nicht hätte stattfinden können, unter normalen Umständen, schließlich besaß ich ja schon einen Mabari. Doch ich war ja bisher schon so mancherlei Änderung in der Geschichte gewohnt, blieb mir zu diesem Zeitpunkt am besten das Kennenlernen mit Morrigan in Erinnerung. Ich war nur gespannt, was sich noch so ändern würde.

Fenrir hatte ich übrigens nach einer der berühmtesten Sagengestalten einer heidnischen Religion aus meiner Welt benannt. Fenrir war dort ein legendärer, mächtiger Wolf, also gab es durchaus schlechtere Namensgebungen.

Und während die beiden Mabaris auf unserem Weg miteinander spielten und sich näherkamen, Morrigan und ich uns hin und wieder unterhielten und Alistair wieder angefangen hatte zu schweigen, näherten wir uns Schritt für Schritt unserem Ziel, bis wir auf dem kaiserlichen Hochweg kurz vor Lothering ankamen.
 

„Da kommen wieder welche!“

Seelenruhig liefen wir auf die Gruppe von Plünderern zu, die sich hinter ihrem Anführer aufstellten und uns bereits aus der Ferne anlächelten.

„Wir …“

„Ihr seid Räuber“, unterbrach ich den Anführer rüde, der mich nur leicht wütend anblickte.

„Es ist nicht sehr nett, jemanden zu unterbrechen.“

„Jemanden ausrauben zu wollen, ist noch unhöflicher, werter Freund.“

„Boss, da hat er nicht ganz unrecht“, mischte sich nun auch sein idiotischer Gefährte ein, doch der Anführer drehte sich nur zu ihm um und zischte leicht, ehe sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich lenkte.

„Nun gut, dann spielen wir mit offenen Karten. Entweder ihr gebt uns augenblicklich all eure Wertsachen oder wir töten euch und plündern eure Leichen. Wofür entscheidet ihr euch?“

„Wisst ihr eigentlich, mit wem ihr es zu tun habt?“

„Mit wem denn?“, kam nun höhnisch grinsend die Frage des Mannes.

„Ich bin ein Grauer Wächter. Der Mann hinter mir ebenfalls. Die junge Frau ist eine Magierin und falls ihr nicht blind seid, habe ich hier zwei Mabari an meiner Seite, die keinerlei Hemmung haben, bei einem einzigen Wort meinerseits Euch und Eure Kumpanen zu zerfleischen.“

Ich erkannte, wie seine Augen von mir zu jedem meiner Gefährten wanderte. Seine Bande tat es ihm gleich. Und um meine Drohung zu bestätigen, hörte ich das gleichmäßige Knurren der beiden Mabari hinter mir. Synchronität konnten sie schon einmal.

„Graue Wächter? Heißt es nicht, sie haben den König ermordet?“

„Und auf ihnen ruht ein hohes Kopfgeld.“ Ich bemerkte, wie der Mann vor mir abwägte, ob es das Risiko wert war, als ich ihm noch näherkam, so dass sich unsere Gesichter beinahe berührten. Eine Offensive meinerseits, um seine Gedanken zu beeinflussen, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, die er sich gerade durch den Kopf gehen ließ.

„Versucht es, aber bereut es hinterher nicht.“

Ich war mir um die bedrohliche Wirkung, die dieser Körper – Aidans Körper – besaß, durchaus bewusst. Er war recht muskulös und mit 1,83 Metern war er auch nicht gerade klein, im Gegensatz zu meinem tatsächlichen Körper, der gerade einmal eine Größe von 1.70 Metern betrug. Für einen Mann recht klein und momentan, abgesehen von den beiden Hunden, wäre ich mit meiner wahren Gestalt der Kleinste in unserer Gruppe.

„Graue Wächter sind gut, ich meine … so richtig gut, wenn sie sogar Könige ermorden können“, wendete sein Gefährte wieder ein, wodurch ihr Chef einen Schritt zurückging, um erneut für einen gewissen Abstand zwischen uns beiden zu sorgen.

„Du hast recht. Ähm, verzeiht die rüde Begrüßung, werte Wächter. Ihr dürft passieren.“ Der Anführer lachte nervös. Meine Einschüchterung hatte tatsächlich funktioniert.

„Moment, was habt Ihr da gesagt, über die Wächter?“, fragte Alistair gefährlich ruhig, auf das vorherige Gesprächsthema eingehend. Der Anführer der Banditen wandte sich an meinen Gefährten.

„Der Teyrn ließ verkünden, dass die Wächter den König ermordet haben. Ein Komplott, in welchem sie ihm eine Falle stellten und für seinen Tod sorgten. Loghain schaffte es noch so gerade, die Pläne zu durchschauen und mit seinem Trupp zu entkommen.“

Ich suchte den Blick von Alistair, doch dieser ließ sich nicht in die Karten schauen. Keinerlei Gefühlsregung konnte man erkennen. Ich konnte nur erahnen, was in ihm vorgehen musste. Doch Gedanken machen darüber würde ich mir in den nächsten Minuten, hier und jetzt hatte ich jedenfalls etwas anderes vor. Lächelnd drehte ich mich zu meiner Informationsquelle, in Form des Banditenanführers, um.

„Wisst Ihr, die Grauen Wächter könnten eine Spende gebrauchen.“

„Was Ihr nicht sagt“, erklang seine drohende Stimme, versucht sich gegen uns zu wehren, ehe sich wieder die Stimme der Vernunft der Räuberbande meldete.

„Die sind wirklich gut, Boss! Vergiss das nicht!“

Das schien seinen Boss überzeugt zu haben, weswegen er mir einen Beutel reichte.

„Das ist alles, was wir … heute gesammelt haben.“

Ich nahm ihn sogleich entgegen und verstaute ihn in einer meiner Gürteltaschen.

„Das ist eine großzügige Spende. Und nun verschwindet von hier, ehe ich noch den Auftrag annehmen muss, mich um Euch zu kümmern.“ Der letzte Teil kam ernst, fast schon knurrend, von mir.

Mein Gegenüber biss sich auf die Zähne und nach kurzen, endlos wirkenden Sekunden nickte er schließlich.

„Wie Ihr wollt.“ Eilig trollte sich die Gruppe in Richtung Süden und ich war zufrieden. Geld gewonnen und für Ordnung gesorgt. Es gab gewiss schlechtere Ausbeuten. Mit den Augen bemerkte ich, dass die Plünderer ihre Beute zurückgelassen hatten, weswegen ich ein bisschen in den Waren herumschaute und tatsächlich Nützliches fand, in Form von Waffen und Wundumschläge, aber auch anderen Plunder, den ich entweder verschenken konnte oder verkaufen.
 

Doch nun war ein Schlüsselmoment gekommen. Wir liefen gerade den Weg hinunter, der nach Lothering führte, als ich mich auch schon ans Geländer der letzten Treppenstufen lehnte und meine Gruppe anblickte. Alistair war bereits dabei, seinen Mund zu öffnen, als ich ihn erwartungsvoll anstarrte.

„Wir sind ganz in der Nähe des Dorfes. Ein guter Zeitpunkt, innezuhalten und uns zu unterhalten.“

Ich nickte nur. Gab Alistair zu verstehen, dass ich ebenso dachte.

„Ah, Ihr habt also doch beschlossen, wieder zu uns zu stoßen, Euch aus Trauer in Eure Klinge zu stürzen, war wohl zu viel verlangt?“, erklang auch schon die Stimme der Hexe, was mich leicht die Augen verdrehen lies.

„Wie wäre es …“, mischte ich mich nun ein, ehe Alistair etwas erwidern konnte, „… wir nehmen für einen Moment unsere Aufgabe tatsächlich ernst, unterhalten uns über unser weiteres Vorgehen, wie es Alistair soeben vorgeschlagen hat und lassen diesen ewigen Templer-Magier Konflikt mal außen vor? Nur so eine Idee meinerseits.“

Morrigan schnaubte, verschränkte die Arme vor der Brust. Ich jedoch blickte sie nur an, gab ihr zu verstehen, mich mit ihrer Geste nicht zufrieden zu geben, was ihr schlussendlich ein genervtes „meinetwegen“ entlockte.

Auch Alistair nickte, als ich ihn anblickte, womit ich mich gerne zufriedengab, schließlich hatte er dieses kindliche Gezanke nicht angefangen.

„Gut. Da wir dies nun geklärt haben, sollte jeder seine Gedanken frei aussprechen. Alistair, fangt bitte an.“

„Diese Verträge, habt Ihr mal einen Blick auf sie geworfen?“

Ich nickte. Tatsächlich hatte mir Alistair, bevor wir das Lager aufgeschlagen hatten, die Verträge in die Hand gedrückt, falls ich mal schauen wollen würde. Und sie hatten mich durchaus interessiert, schließlich hatte man in den Spielen zwar von ihrer Existenz erfahren und dass man sie angeblich mit sich trug, doch einen Blick darauf konnte man nie werfen. Und genau das hatte ich dann, neugierig wie ich nun einmal war, getan. Es waren alte Papiere. So alt, dass ich sie nicht mehr als notwendig bewegte, aus Angst, Risse zu hinterlassen. Auch die Schrift aus Tinte war sichtlich erkennbar zu längst vergangener Zeit darauf hinterlassen worden, und, wie ich es zumindest vermutete, mit Magie am Leben gehalten worden, sonst wäre sie sicherlich schon längst ausgeblichen.

„Wir haben ein Bündnis mit den Zwergen, den Dalish und den Magiern des Zirkels.“

„Vergesst Arl Eamon nicht. Er ist der Onkel von König Cailan und ein guter Mann. Er wird uns zuhören, da bin ich mir sicher. Ich wäre dafür, dass wir dorthin als erstes reisen und uns dann an die Verträge halten. Doch das ist Eure Entscheidung, ich folge, wohin wir auch immer gehen.“

„Wieso überrascht mich das nicht?“, warf Morrigan sarkastisch die Frage in den Raum, was den Blonden gereizt zu ihr blicken ließ.

„Und was sollten wir Eurer Meinung nach tun?“

„Schlagt der Schlange den Kopf ab! Folgt dem Feind! Findet Loghain und tötet ihn! Dann könnt Ihr die Sache mit den Verträgen sicher in Angriff nehmen.“

„Genau, damit rechnet er ganz bestimmt nicht. Er hat ja auch den Vorteil nicht auf seiner Seite. Keine Armee, keine Erfahrung…“ Dieses Mal revanchierte sich der von Morrigan stets als Kirchenknabe Bezeichnete mit seiner Art des Sarkasmus, was ihm einen genervten Blick aus einem paar gelber Augen bescherte.

„Ich wurde nach meiner Meinung gefragt und habe sie geäußert. Wenn Ihr ständig Gründe finden wollt, etwas nicht zu tun, stehen wir noch hier, wenn die Dunkle Brut uns verspeist.“
 

Ich stieß mich von den Steinen, auf denen ich saß, ab, drehte mich um und blickte auf das kleine Dorf Lothering. Schon aus der Entfernung konnte man die vielen Flüchtlinge erkennen, die um Schutz vor der Dunklen Brut baten. Sich hier Hilfe versprachen, da sie zuhause alles verloren hatten. Ich sog die Luft ein und tat vor meinen Verbündeten so, als würde ich darüber nachdenken, wohin wir als nächstes gehen würden, doch die Wahrheit bestand darin, dass ich schon vor Ewigkeiten meine Wahl getroffen hatte. Sie zwar stetig wieder kontrollierte, alle Pros und Kontras abwägte, aber wieder am Schluss zur selben Entscheidung kam. Es würde meinen beiden Reisegefährten zwar nicht gefallen, aber sicherlich waren sie dann froh, dass sie es hinter sich hatten. Doch im Moment konnte ich ihnen noch nicht erzählen, weswegen ich meine Entscheidung so traf, also musste ich im Dorf Gründe finden, zumindest so tun, als hätte ich Gerüchte gehört. Und genau deshalb musste ich nun meine Entscheidung verkünden.

„Gut. Ich stimme Euch zu, Alistair. Wenn wir im Dorf keine Hinweise dazu finden, dass wir andernorts dringlicher gebraucht werden, führt unser erster Weg zu Arl Eamon.“

Alistair wirkte zufrieden, als er lächelnd nickte. Und selbst Morrigan hatte nichts zu meckern, denn sie schwieg und nahm diese Entscheidung wortlos hin.

Und so machten wir uns auf ins Innere von Lothering.
 

Im Inneren von Lothering war es noch schlimmer, als wir es aus der Entfernung erblicken konnten. Leute wuselten von einem Ort zum anderen. Sie alle schienen in Hektik und wussten offensichtlich nicht, was für sie die bessere Entscheidung wäre. Fliehen und somit mehr Abstand zwischen sich und der Horde bringen oder vor Ort bleiben und auf Hilfe hoffen. Die Hoffnung weiterhin besitzen, dass jemand sich ihrer armen Seelen annahm und ein Stückchen Menschlichkeit in Form von Essen, Unterkunft oder Geld aufwies, doch das grenzte schon an ein Wunder, wenn jemand dies tat.

Es brach einem das Herz, so viel Elend direkt vor Ort zu erblicken. Es war ein Unterschied, so etwas in einem Spiel anzuschauen oder nur davon zu hören, doch die Wirklichkeit war schlussendlich was vollkommen anderes. Es mit eigenen Augen zu erblicken. Familien, die ihre Kinder ernähren wollten. Menschen und Elfen, die verwundet waren und sich offenbar nicht selbst helfen konnten. Es war einfach furchtbar.

Doch während wir so vor uns hinschlenderten, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie Skipper scheinbar erschrocken mit seinem Kopf besonders aufmerksam hochschrak. Er roch noch einmal in der Luft, ehe er, besonders heftig schwanzwedelnd, in meine Augen blickte.

„Wuff!“, erklang es aus seiner Schnauze, ehe er noch einmal die Witterung aufnahm und in eine bestimmte Richtung davoneilte. Scheinbar war er fest davon überzeugt, dass ich verstand, dass ich ihm folgen sollte, was beides auch der Fall war. Ich verstand, was er mir sagen wollte und folgte ihm aufgrund dessen. Nur um kurze Zeit später vor der Kirche zum Stehen zu kommen. Skipper hatte angehalten und sein Blick fixierte eine bestimmte Person, die vor der Anschlagtafel stand und die verschiedenen Bitten zu lesen schien. Ich tat es meinem Mabari gleich und musterte die Person.

Kräftiges rotes Haar und eine große, muskulöse Statur, die mir überraschend bekannt vorkam. Auch die Rüstung an seinem Leib drückte in meinem Hinterkopf Erinnerungen wach und voller Unglaube weiteten sich meine Augen.
 

„Ser Gilmore?“

Die Person, die sich an der Anschlagtafel befand, ließ von selbiger ab und drehte sich nach meinem Ruf zu mir um. Grüne Augen blickten mir entgegen in meine graublauen Iriden.

„Lord Cousland?“, entwich es ungläubig den Lippen des Rotschopfs, der nun ebenso wie ich die Augen weit aufriss. Und mit einem Mal konnte ich nicht anders. Mein Körper bewegte sich schon von alleine und überbrückte die geringe Distanz zwischen uns, ehe ich den Krieger in einer Umarmung begrub. Anfang zögerlich, doch nach einem kurzen Moment doch fest entschlossen erwiderte er die Geste, ehe wir uns wieder voneinander trennten, doch nicht völlig. Ich blieb, freudestrahlend vor ihm stehen und hielt ihn an den Schultern fest.

„Ich war der festen Überzeugung, dass wir uns nie wiedersehen würden. Wie konntet Ihr überleben?“

„Ich war derselben Überzeugung, mein Lord. Als ich bemerkte, dass der Kampf aussichtslos wäre, ging ich ebenfalls zu den Gesindegängen, wo ich auf die Leichen Eurer Eltern gestoßen bin. Ich hatte vermutet, dass sie auch Euch umgebracht haben, doch dem Erbauer sei Dank ist dem nicht der Fall.“ Für einen Moment unterbrach er seine Erzählung und musterte mich von Kopf bis Fuß. Holte Atem, um seine Geschichte weiterhin erzählen zu können.

„Ich kam den Weg hinunter nach Ostagar, um Eurem Bruder die Kunde zu überbringen, von Howes Verrat. Mich vielleicht den Grauen Wächtern anzuschließen, doch als ich hier in Lothering ankam, erreichte mich die Kunde, dass die Schlacht verloren ging. Die Wächter den König verraten hatten, was ich mir wahrlich nur schwer vorstellen kann.“

„Ser Gilmore. Mein Freund hinter mir und ich sind Graue Wächter.“

„Dann ist es ein weiterer Grund, diesen Lügen kein Gehör zu schenken.“ Er lächelte mich nur an, was auch dafür sorgte, dass sich auf meinem Gesicht ein Lächeln ausbreitete.

„Dürfte ich mich Euch anschließen, mein Lord?“ Ich nickte bloß.

„Ser Gilmore, es wäre mir eine Freude, Euch an meiner Seite zu wissen.“ Ich reichte ihm die Hand, die er auch sogleich ergriff.

„Bitte nennt mich doch Roland.“

„Dann nennt mich Aidan. Ich bin kein Lord mehr.“ Für einen Moment konnte ich den aufkeimenden Protest in ihm erkennen, schließlich war er doch mit Aidan Cousland als seinen Lord aufgewachsen, doch dann gab er sich geschlagen. Er nickte lediglich.
 

„Lord?“, war die erste Frage, als ich mich meinen Verbündeten wieder zuwendete.

„Ich war einer, korrekt. In einem anderen Leben, zumindest kommt es mir nun so vor. Ich bin gewillt, Euch davon zu erzählen, sobald wir lagern, Ihr müsst mich nur fragen. Ihr wisst doch, Ihr könnt mich fragen und ich antworte.“ Ich zwinkerte kurz der Hexe zu, die mich jedoch einfach nur zu mustern schien. Doch dem schenkte ich nicht länger Beachtung, denn ich wandte mich wieder an meinen neuen Gefährten.

„Skipper kennt Ihr ja sicher noch, oder?“ Der Mabari, der sich die ganze Zeit sichtlich zurückgehalten hatte, Roland nicht anzuspringen, kam nun glücklich bellend auf den Ritter zu und umrundete diesen, was auch den Rotschopf glücklich auflachen ließ.

„Der andere Vierbeiner ist Fenrir. Ebenfalls der meine.“ Das Auflachen des Ritters erstarb und an dessen Position drang nun völlige Überraschung und ich bildete mir ein, eine gewisse Ehrfurcht zu erkennen.

„Zwei Mabari, die Euch gehören? So etwas habe ich ja noch nie gehört. Erstaunlich!“

„Das Gleiche habe ich auch gesagt“, meldete sich nun auch der ehemalige Templer zu Wort und kam auf Roland zu, ihm die Hand reichend.

„Alistair.“

„Roland.“ Respektvoll nickten sie sich zu, ehe die grünen Augen des Ritters auf der bisher einzigen Frau der Gruppe lagen. Er musterte sie von Kopf bis Fuß und wie mir schien, wurde er aufgrund des gewagten Outfits unserer Hexe etwas rot, was mich laut auflachen ließ.

„Morrigan“, sprach die Frau, die in der Wildnis aufgewachsen war, lediglich aus, damit Roland sie nicht weiterhin anstarrte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Roland sie etwas an Alistair erinnerte und sie deshalb eine grundlegende Abneigung gegen ihn besaß.

„Nun gut. Da dies geklärt wäre, wie wäre es, wenn wir uns etwas Informationen aneignen? Oder zumindest ein Getränk?“ Die Aufmerksamkeit der Truppe lag wieder auf mir.

„Auf in die Taverne!“
 

Was Ser Gilmore betraf, dankte ich innerlich dem Erbauer. Normalerweise hätte ich diesen Mann nie wiedergesehen, doch er überlebte. So, wie ich es gehofft hatte. Es war zwar eine Anomalie der Ereignisse, doch eine, die ich gebraucht hatte. Eine, die mich so sehr erfreute und beruhigte, hatte ich mich doch im vergangenen Jahr, seit ich in dieser Welt war, mit dem jungen Mann angefreundet. Und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er mich schon längst mit Vornamen ansprechen können, und ich ihn, doch er behauptete stehts, dass es sich nicht ziemte, da ich doch höher gestellt wäre als er. Und nun, wo ich diesen Titel nicht mehr besaß, war es scheinbar in Ordnung für ihn. Ich war über alle Maße glücklich über dieses Ereignis.

Doch nun waren wir auf dem Weg in die Taverne. Dort, wo wir noch einem Gruppenmitglied der legendären Truppe von Helden von Ferelden begegneten. Leliana, die legendäre Bardin. Die Person, auf die ich mich am meisten gefreut hatte. Doch zeitgleich auch die Begegnung, vor der ich am ehesten aufgeregt war. Sie war nicht nur in Dragon Age, sondern in sämtlichen Videospielen mein liebster Charakter. Man konnte sogar so weit gehen, dass ich sie fangirle, wobei es bei mir wohl eher fanboye genannt werden sollte, obwohl ich von diesem Wort noch nie gehört hatte, falls es das überhaupt gab. Ja, ich war ein verdammt großer Fan von ihr. Ich wusste um ihre Vergangenheit und wie einfach sie andere Personen lesen konnte, also besaß ich auch eine große Angst. Eine Angst, dass sie mein Geheimnis, bevor es notwendig war, herausfinden würde. Schließlich wusste ich doch, dass ein Geheimnis niemals lange sicher war, wenn Leliana in der Nähe war.
 

In der Taverne angekommen schluckten wir. Auch hier sah es nicht sonderlich anders aus als innerorts. Die Menschen und Elfen schliefen auf dem Boden oder tranken einfach nur mit ernsten Mienen. Freude war hier ein Fremdwort, war die Verzweiflung der Einzelnen deutlich zu spüren. So machte trinken gewiss keinen Spaß, doch ich brauchte ja auch einen Grund, um hier hineinzugelangen. Schließlich befand sich hier eine Person, die ich auf keinen Fall verpassen wollte, in meine Gruppe zu bringen.

„Setzt euch, ich bring uns Bier.“ Ich nickte an einen Tisch, der tatsächlich noch frei zu sein schien, und ging an die Theke, wo der Tavernenbesitzer ein paar seiner Krüge putzte. Die typische und klischeehafte Tätigkeit, sobald man auf das Personal hinter der Theke trifft.

„Vier Bier und wenn es geht, auch noch zwei Wasserschalen für meine Hunde.“ Der Mann nickte nur und nannte mir seinen Preis, den ich auch sogleich auf die Theke legte und er die Münzen in seinen Geldsack wandern ließ.

Während ich auf das Bier wartete, ließ ich erneut meinen Blick durch die Taverne schweifen, auf der Suche nach einem bestimmten Gesicht. Und es dauerte auch nicht lange und meine Iriden trafen ein Neugieriges und entgegenblickendes wunderschönes paar blauer Augen.

Leliana, drang der Name der Person auch sogleich in meinen Kopf, während besagter Rotschopf nahe der Feuerstelle mit einem Krug in Händen stand und sich mit einer jungen Frau unterhielt. Sie waren die Einzigen, die scheinbar etwas Spaß hatten, an diesem Ort. Doch während ihre kurz- und dunkelhaarige Begleitung scheinbar weiterredete, lagen die Augen des Rotschopfs weiterhin unbeirrt auf mir. Ich erkannte die Kirchenrobe an ihrem Körper und musste gestehen, dass dieser Stoff zwar viel Freiraum für Fantasie offenließ, da man kaum etwas erkannte, doch auf eine gewisse Art und Weise stand ihr diese Robe. Auch war ich irgendwie froh, dass sie nicht wie im Spiel leicht orange-rotes Haar besaß, sondern dass es wie im Trailer von Origins feuerrot war.

Wie eine Rosenblüte, kam mir sogleich der Gedankengang zum Vergleich, der mich innerlich auflachen ließ.

Lächelnd und aus einem Impuls heraus zwinkerte ich der Orlaisianerin zu, was sicherlich später für Fragen sorgen würde, ehe ich mich dem Barkeeper wieder zuwendete, der soeben den vierten Krug vor mir platzierte.

„Die Schalen für die Hunde bring ich dann gleich an den Tisch.“

„Seid bedankt“, entwich es meinen Lippen und schon hob ich die Krüge in bester Dirnenmanier des Oktoberfestes meiner Welt in die Höhe. Nur mit dem feinem Unterschied, dass die Dirnen auf dem Oktoberfest mehr als zehn Krüge anhoben und ich hier lächerliche vier in Händen hielt.
 

„Habt ihr Durst?“, begrüßte ich auch schon meine Kameraden und stellte jeweils einen Krug vor ihren Nasen ab.

„Können wir einfach trinken und dann so schnell wie möglich verschwinden?“

Verwundert blickte ich die Hexe an, die meine unausgesprochene Frage zu erahnen schien.

„Die Leute schauen schon zu mir, als würden sie damit rechnen, dass ich mich jeden Augenblick in eine Abscheulichkeit verwandle. Besäßen sie nicht selbst allerhand von Problemen, wäre ich ohne jeden Zweifel bereits auf halbem Weg zum Zirkel.“

„Ihr seid aber auch nicht besonders vorteilhaft angezogen, ohne einen Verdacht zu erwecken“, entwich es nun Roland, der auch gleich einen Blick erntete, der einer Erdolchung glich.

„Wunderbar. Kaum ist unsere Reise gestartet, haben wir nicht nur einen Köter in doppelter Ausführung, sondern auch den Kirchenjungen.“ Für einen Moment entwich meinen Lippen ein Auflachen, da sich besagte Kirchenjungen nur verwundert gegenseitig anblickten, ehe ich wieder zu Morrigan schaute und versuchte einen beruhigenden Gesichtsausdruck auszudrücken. Sie wusste zum Glück nicht, dass es mich indirekt ebenfalls doppelt gab. Zumindest, was die Seelenanzahl in dem Körper, in welchem ich mich befand, betraf.

„Morrigan, macht Euch darüber keinerlei Sorgen. Wir Grauen Wächter sind, dank Loghain, nun ebenso vogelfrei, wie es ein Abtrünniger für gewöhnlich ist. Wir sitzen im selben Boot. Zudem sind wir Gefährten. Ihr gehört zu unserer Gruppe, da besteht kein Zweifel. Wenn Euch jemand zum Zirkel zerren möchte, muss er sich mit uns allen anlegen. Selbst die Kirchenjungen werden mir doch recht geben, oder Jungs?“

„Wenn es sein muss.“

„Natürlich Lord Cousland … Aidan.“

Ich lachte kurz, ehe ich einen kräftigen Schluck des Biers nahm. Es war zwar noch immer für mich erstaunlich, was man für eine Pisse in dieser Welt als Bier verkaufte, wenn man deutsches Qualitätsbier aus meiner Welt gewohnt war und schließlich aus DEM Bierland meiner Welt abstammte, doch man gewöhnte sich daran.
 

Eine Weile sprachen wir weiter und setzten Roland ins Bilde, wobei sich Morrigan wieder einmal zur stillen Zuhörerin mit der einen oder anderen sarkastischen Bemerkung degradierte.

Doch mit einem Mal verstummten wir wie auch die restlichen Gäste, als sich die Tür öffnete. Ein Trupp aus gut und gerne acht Männern betrat das kleine Etablissement und schaute sich aufmerksam um, bis ihre Blicke auf uns ruhten. Ein erfreutes Lächeln drang auf die Gesichter der Männer, die auch sogleich ihrem Anführer an unseren Tisch folgten.

„Loghains Männer, gar nicht gut“, flüsterte Alistair, dessen Aussage ich lediglich zustimmen konnte, doch wusste, dass dies notwendig war.

„Soso, wen haben wir denn hier, Männer, ich würde sagen, wir sind gesegnet“, rief der Hauptmann an seine Männer gewandt, die nur umso schmieriger lächelten, als ihr Hauptmann ihren Verdacht bestätigte, dass es sich bei uns um die gesuchten Personen handelte.

„Haben wir nicht den ganzen Morgen damit verbracht, nach einem Mann zu suchen, der genau so aussieht? Und haben nicht alle gesagt, sie wüssten niemanden, auf den diese Beschreibung passt?“ Sein Leutnant wandte sich nun an den Hauptmann, der zustimmend nickte.

„Es scheint, als hätte man uns belogen“, folgerte der Hauptmann daraus. Aus dem Augenwinkel erkannte ich Roland und Alistair, die bereits ihre Hände an ihren Schwertknauf legten, und die Mabari, die mit den Zähnen fletschten und sich angriffsbereit in Stellung brachten. Auch Morrigan hatte vorsichtig ihren Stab bereits zur Hand genommen, ohne dass es einer der Männer bemerkte.

Doch ehe es zum Kampf kam, traten zwei Frauen an unsere Seite und mischten sich ins Gespräch ein. Zum einen der Rotschopf, mit welchem ich bereits Blickkontakt gehalten hatte, und zum anderen die Schwarzhaarige.

„Meine Herren, es besteht doch sicher kein Grund für Streitigkeiten“, sagte die Rothaarige an Loghains Männer gewandt mit sanfter Stimme, aus welcher man den feinen orlaisianischen Akzent heraushören konnte, was in meiner Welt einem französischen Akzent glich.

„Das hier sind ohne Zweifel nur ein paar weitere arme Seelen auf der Suche nach Schutz.“

Es war niedlich, wie sie versuchte, die Situation zu beschwichtigen. Die Männer zu täuschen. Doch selbst ein Blinder konnte erkennen, dass wir keine armen Seelen waren, die auf der Suche nach Schutz waren. Dafür waren wir zu gut ausgerüstet und unsere beiden Kriegsmaschinen in Form von Mabari waren ebenfalls ein klares Indiz für ein gegenteiliges Argument.

„Sie sind mehr als das, Schwester“, entgegnete der Hauptmann mürrisch.

„Jetzt geht uns aus dem Weg, wenn ihr nicht das Schicksal dieser Verräter teilen wollt.“

„Moment, Hauptmann.“ Sein Leutnant wandte sich wieder in das Gespräch und blickte diesen verschwörerisch an, was ich eher aus dem Augenwinkel mitbekam.

„Schaut nur, wie der Wächter die Schwester anstarrt.“ Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Augen offenbar die ganze Zeit auf Leliana geruht hatten, während ich im Gedanken versunken war und nun ertappt zum Leutnant blickte.

„Der hat sich offenbar in die Schwester verliebt.“

„Sollen wir sie zum Anreiz mit ihm gefangen nehmen, um ihn etwas kooperativer zu machen?“, erklang nun die Aussage eines weiteren Mannes.

„Gute Idee. Nehmt die Wächter samt der Schwester in Gewahrsam! Tötet jeden, der euch in die Quere kommt!“
 

Und so begann es. Ein riesiges Chaos, auf geringstem Raum. Der Hauptmann hatte mich bereits anvisiert, während er sein Schwert zückte und auszuholen schien, und da ich bemerkte, niemals rechtzeitig noch meine Klinge zücken zu können, nahm ich meinen Krug zur Hand und schleuderte ihm diesen ins Gesicht, so dass dieser zerbrach, nur noch den Griff in Händen haltend. Er taumelte etwas zurück, wodurch ich genug Zeit besaß, mein Schwert aus der Scheide und mein Schild vom Rücken zu holen. Meine beiden Mabari waren schon längst auf jemanden gesprungen. Leliana hatte, wie auch immer sie so schnell gegenüber dem Leutnant reagieren konnte, diesem einen Dolch in seinen Schwertarm gerammt, so dass dieser höllisch aufschrie. Die Schwarzhaarige an Lelianas Seite hatte ebenfalls zwei Klingen gezückt und war – es meinen Mabari gleichtuend – auf einen der Soldaten gesprungen und hatte nicht gezögert, ihre Dolche in dessen Brustpanzer zu rammen. Alistair und Roland hetzten bereits um den Tisch und schienen sich ebenfalls ihre Feinde auszugucken, während Morrigan wütend mit ihren Blitzen um sich warf.

Ich hielt meinen Schild direkt vor mich und nutzte diesen als eine Art Rammbock, während ich auf den Hauptmann zu gerannt kam und ihn nun zu Boden brachte. Sein Schwert segelte durch den gesamten Raum. Auf dem Weg zum Hauptmann rammte ich noch einem seiner Soldaten meinen Schild ins Gesicht, der nicht wirklich auf mich geachtet zu haben schien, und dann hielt ich dem Hauptmann meine Klinge an den Hals.

„Wenn ich Euch einen Rat geben darf, kapituliert und wählt Eure Feinde das nächste Mal mit mehr Bedacht.“

„Das reicht! Wir ergeben uns!“, rief er nur, hatte ich ihm ja genug Abstand zu meiner Klinge gegeben, so dass er dies rufen konnte. Seine Männer hielten in der Bewegung inne und steckten ihre Waffen weg. Zumindest hatte er seine Truppe im Griff. Mein Blick schweifte über die Kämpfenden. Aus meiner Truppe, samt Leliana und der fremden Frau, war niemand zu Schaden gekommen. Die Gegenseite jedoch hatte zwei Tote zu verbuchen, samt der verschiedensten Verletzungen.

„Gut“, sagte Leliana mit beruhigender Stimme, während sie sich neben mich gesellte und dem Hauptmann dabei zuschaute, wie er sich langsam vor mir erhob.

„Sie haben ihre Lektion gelernt und wir alle können aufhören zu kämpfen.“

Ihre Augen ruhten auf mir. Sie hatte schon längst bemerkt, dass ich der Anführer unserer Gruppe sein musste.

„Auch wenn Ihr es anders seht, wir Wächter sind keine Verräter. Die Gerüchte sind eine Lüge, doch weder werdet Ihr meinen Worten Gehör schenken, noch bin ich gewillt, jemandem wie Euch von meiner Unschuld überzeugen zu wollen. Überbringt Loghain eine Nachricht.“

Grimmig und stumm, sich das Gesicht haltend, nickte der Hauptmann.

„Wir kennen die Wahrheit und werden ihn zur Rechenschaft ziehen.“

„Ich werde es ihm mitteilen. Kommt Männer.“ Sie folgten ihm auf dem Fuße, doch nicht ohne ihre verstorbenen Kameraden aufzusammeln und uns hasserfüllte Blicke zuzuwerfen.
 

Als die Männer verschwunden waren, kam wieder Leben in die Taverne. Die Stille, die geherrscht hatte, war wieder mit den verschiedensten Gesprächen befüllt und selbst unsere Truppe, auch meine Wenigkeit, packten nun wieder ihre Waffen ein.

Der orlaisianische Rotschopf wollte gerade das Wort an mich richten, als ich sie mit einer Handbewegung zum Stoppen brachte. Ich zückte meine Geldbörse, nahm ein paar wenige Münzen in die Hand und näherte mich der Theke, wo ich besagte Münzen hinauflegte.

„Für die Umstände, guter Mann.“ Ich nickte ihm noch zu und lief dann an meinen Kameraden vorbei hinaus ins Freie.

Draußen angekommen lehnte ich mich an den nahestehenden Zaun und erblickte meine Kampfgefährten, die mir gefolgt waren und sich nun im Halbkreis um mich herumgestellt hatten.

„Ich hoffe, Ihr verzeiht meine Einmischung, aber ich konnte einfach nicht tatenlos zusehen.“

„Es gibt nichts zu verzeihen, wenn man die gute Absicht dahinter bereits erkannt hat.“ Ich lächelte die vermeintliche Schwester an.

„Und ich kann bei Ungerechtigkeiten auch nicht tatenlos zusehen.“ Die Schwarzhaarige lenkte nun die Aufmerksamkeit aller auf sich, was meine Mundwinkel weiter nach oben schnellen ließ.

„Sehr edel, junge Dame. Nun, mein Name lautet Aidan. Ein Grauer Wächter, wie Ihr es sicher mitbekommen habt. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Ich bin Leliana. Eine der Laienschwestern der Kirche hier in Lothering. Das heißt, ich war es.“

„Und ich bin Marian Hawke.“

Innerlich nickte ich erfreut. Hatte ich es mir doch bereits gedacht, dass es sich hierbei um Hawke handeln musste, besaß sie solch eine Ähnlichkeit mit der vorgefertigten Hawke aus den Spielen und zudem lebten sie ja in Lothering.

„Hawke? Seid ihr nicht ein entfernter Zweig der Amell-Familie, die aus Kirkwall entstammt?“ Überraschung lag in Hawkes Blick, als ihre Augenbrauen in die Höhe schnellten.

„Hawke stammt von meinem Vater, meine Mutter kam als Amell auf die Welt, aber woher wisst Ihr das?“

„In meinem alten Leben, bevor ich Wächter wurde, war ich aufgrund meiner Stellung gut informiert in der Politik und im Adel. Zumindest akzeptabel. Auch außerhalb der Grenzen von Ferelden. Doch das sind vergangene Tage. Nun heißt es, das Land zu einen, in einer neuen, ungewohnten Stellung.“ Um meinen Worten einen künstlerischen Nachdruck zu verleihen, blickten meine Augen für einen Moment in die Ferne, ehe ich bemerkte, wie Leliana das Wort an mich richten wollte.

„Ihr seid ein Grauer Wächter. Dann werdet ihr sicher die Verderbnis bekämpfen. Das machen Graue Wächter doch?“

„Das ist zumindest der Plan von mir und meinen munteren Gesellen.“ Skipper bellte zustimmend.

„Er hat‘s verstanden. Warum bekomme ich von euch eigentlich nie so viel Zustimmung?“ Ich wandte mich abwechselnd zu Alistair und Morrigan, während ein Grinsen meine Lippen zierte.

„Da der Köter auf Essen hofft, bei uns muss ich mich darum kümmern“, hörte ich die bissige Erwiderung von Morrigan, was mich auflachen ließ. Ich lachte ungewöhnlich viel heute, was vermutlich an meiner guten Stimmung lag, da wir neue Begleiter – zu erwartende genauso wie mit Roland unerwartete – bekamen oder zu diesem Zeitpunkt noch bekommen würden. Wie mir das Gespräch vor mir mit Leliana nun aufweisen würde.

„Wohl wahr.“
 

„Bei dieser schweren Aufgabe braucht ihr sicher jede Hilfe, die ihr kriegen könnt, deshalb komme ich mit Euch“, wandte sich Leliana an mich, sobald ich ihr wieder in die Augen geblickt hatte.

„Na wunderbar. Eine Laienschwester möchte mit Gesang und Lobpreisungen an den Erbauer ihren Teil zur Rettung der Welt beitragen.“

Überraschung lag in meinem Blick, als ich Flemeths Tochter anblickte. Der Protestspruch war mir neu, entkam er nicht ihrem Mundwerk im Spiel.

„Morrigan, habt Ihr sie in der Taverne kämpfen sehen? Mit einem Dolch in der Hand hat sie schon, schneller als jeder von uns reagieren konnte, bei diesem Leutnant gestanden und ihm besagten Dolch in den Arm gestochen. Ich kann Eure Abneigung gegen die Kirche im gewissen Maße nachvollziehen, doch die Frau würde uns großartig verstärken durch ihr Kampfgeschick.“

Meine Augen wanderten wieder zu Leliana und ich musterte sie von Kopf bis Fuß, bis ich ihr wieder in die Augen blickte und mit dem Zeigefinger meiner linken Hand an ihr herauf und herunter deutete.

„Lediglich an Eurer Montur müssten wir arbeiten“ Die Ex-Schwester begann zu lächeln.

„In der Kirche liegt noch immer mein Hab und Gut. Selbstverständlich auch eine geeignetere Habe. Ich würde sie holen, wenn Ihr erlaubt.“

„Nur zu. Nehmt Roland und Alistair mit und zeigt ihnen einen Platz, wo wir uns mit Zelten und weiterer Ausrüstung eindecken könnten. Alistair, du weißt was wir brauchen.“ Ich überreichte ihm meinen Geldbeutel und nahm sein Nicken wahr.

„Morrigan, unsere werte Frau Hawke und ich gucken uns mal an, wer da hinten im Käfig sitzt.“ Mit meinem Kopf deutete ich in die Richtung, aus welcher man schon den großen Käfig erkennen konnte, in welchem unser weiteres Mitglied saß.

„Und mit wem ihr zwei Fellnasen mitgeht, bleibt euch überlassen.“ Die beiden bellten lediglich.
 

Und so geschah es dann auch. Wir gingen jeder seiner Tätigkeit nach und Hawke führte uns an den Käfig.

Das Innenleben des Käfigs belebte eine große, kräftige Gestalt mit bronzefarbenem Teint, die etwas wie ein Gebet in einer fremden Sprache rezitierte. Qunlat, offenbarte sich mir mein eigenes Wissen darüber, wie die Sprache hieß, die in mein Ohr drang.

Bei der großen und kräftigen Gestalt handelte es sich, wie ich wusste, um einen Qunari. Dies erkannte man eindeutig, auch wenn das prägendste aller Erkennungszeichen diesem Geschöpf seiner Rasse fehlte: die Hörner.

Sten, drang sich nun der Name, besser gesagt der Titel des Qunari, bei dem er gerufen wurde, in mein Gedächtnis.

Im Gegensatz zum Spiel, in welchem er lediglich eine Bauernkleidung besaß, trug er hier eine typische Qunarirüstung, die seine imposante Gestalt, die sich mir selbst offenbarte, während er vor mir saß, zur Geltung brachte. Durch und durch ein Krieger eben.

„Ihr gehört nicht zu denjenigen, die mich gefangen genommen haben. Ich werde Euch nicht mehr Unterhaltung bieten als den anderen. Lasst mich in Frieden.“ Dies waren die ersten Worte, die er an mich richtete, als er unsere Anwesenheit bemerkte.

„Was ist das für eine Kreatur?“, stellte Morrigan die Frage, weswegen ich sie anblickte.

„Dies ist ein Qunari. Zwar fehlen ihm die für seine Rasse typischen Hörner, doch das schmälert nicht seine Kampfkraft. Oder seinen Wert für das Qun. Im Gegenteil, Qunari ohne Hörner werden als besonders angesehen.“ Ich erklärte ihr dies nur zu gerne, weswegen sie am Ende meiner Aussage wissentlich nickte. Meine Augen blickten wieder auf den Qunari.

„Mein Name lautet Aidan. Sagt mir, Qunari, wie betitelt man Euch?“

„Wozu?“, fragte er misstrauisch, was ich nur zu verständlich fand. Er wollte noch immer herausfinden, ob ich ihn verspotte.

„Um herauszufinden, welchem Zweig des Qun Ihr angehört. Dem Antaam, also dem Körper, was ich für am wahrscheinlichsten halte, unter der Befehlsgewalt des Arishok. Ob Ihr dem Heer der Arigena, Eures Geistes, angehört oder doch ein Ben-Hassrath seid, dem Herzen des Triumvirat, unter der Leitung Eures Ariqun.“

„Erstaunlich. Ihr wisst unüblich viel über unser Volk.“ Und nun hörte ich das erste Mal eine gewisse Art von Gefühl, Überraschung wie mir schien, aus seiner sonst so recht monotonen Stimme.

„Ich respektiere Euer Volk. Bewundere bestimmte Aspekte sogar, wenn ich ehrlich bin. Daher habe ich nachgeforscht.“ Er nickte bloß. Für einige Momente blieb es still, ehe er mit einem „Sten“ besagte Stille unterbrach.

„Ein guter Rang. Ihr könntet für unsere Mission, das Land vor der Verderbnis aufzuhalten, einen idealen Kameraden abgeben.“

„Die Verderbnis? Dann seid Ihr ein Grauer Wächter?“

„Ja, das bin ich“, antwortete ich wahrheitsgetreu.

„Überraschend“, sagte Sten.

„Mein Volk kennt die Legenden über die Stärke der Grauen Wächter. Aber vermutlich sind nicht alle Legenden wahr.“ Charmant wie eh und je, dieser Qunari. Doch ich wusste ja, wie er war. Weshalb ich von Anfang an dieses Gespräch anders geführt hatte, als es sonst der Verlauf gewesen wäre. Vielleicht würde man sogar denken, dass ich meine Worte nur gewählt hatte, wie ich sie eben gewählt hatte, um in seiner Gunst zu steigen, doch das war nur zur Hälfte wahr. Tatsächlich versuchte ich mit meinem Wissen Gespräche zu meinen Gunsten zu verändern, um das Bestmöglichste aus diesen herauszuholen, dabei aber auch ehrlich zu bleiben. Jedoch war es gerade hier im Fall mit Sten auch so, dass ich die Wahrheit sprach. Die Qunari interessierten und faszinierten mich. Wie ein gesamtes Volk so geradlinig ihrer Religion treu bleiben konnte und sie den für sie zugedachten Platz in ihrer Gesellschaft einfach so akzeptierten. Zumindest die meisten. Auch ihre Disziplin der militärischen Ordnung, die mich an das alte Volk der Römer zu ihren glorreichsten Zeiten erinnerten, ein Volk von Eroberern, die weite Strecken meiner Welt erobert hatten, konnte man einfach nur bewundern und respektieren. Eine Disziplin, zu der ich selbst wohl kaum imstande wäre. Dafür war ich wohl zu sehr Rebell im Inneren.
 

„Weshalb seid Ihr hier drin?“ Ich deutete auf den Käfig.

„Ich habe eine Familie erschlagen“, sprach er nüchtern, in dieser gewissen monotonen Stimme, als würde er über Belangloses sprechen. Andere wären nun sehr verunsichert gewesen, hätten sich vielleicht von dem Qunari abgewandt, doch ich wusste ja, weswegen er tat, was er tat, und Morrigan selbst war von so etwas auch nicht einzuschüchtern. Sie würde keine Probleme haben, dass wir ihn freilassen und sogar zu einem Gefährten machten.

„Es muss schwierig gewesen sein, Euch gefangen zu nehmen.“

„Es ist nicht schwierig, eine Beute zu fangen, die sich ergibt.“

„Ihr habt Euch nicht widersetzt?“, fragte nun Hawke, sich in das Gespräch einmischend, verwundert.

„Ich habe mehrere Tage auf die Ankunft der Ritter gewartet“, erklärte der Riese.

„Warum?“, fragte ich.

„Weil ich es so wollte.“

Morrigan und ich tauschten für einen Moment wissende Blicke, ehe ich zu nicken begann.

„Wer hat Euch hier eingesperrt?“

„Eingesperrt wurde ich von der Kirche.“

„Würdet Ihr auf dem Schlachtfeld Buße tun, indem Ihr an meiner Seite gegen die Dunkle Brut kämpft?“

„Möglich. Doch dafür müsste ich hier heraus.“

„Würde die Ehrwürdige Mutter Euch freilassen?“

„Vielleicht“, sagte er.

„Wenn Ihr ihr sagt, dass die Grauen Wächter meine Hilfe benötigen. Dabei könnte ich ebenso leicht den Tod finden wie hier.“

„Ein reumütiger Mann soll einfach dem Tod überlassen werden? Das ist ein perfektes Beispiel für die Barmherzigkeit der Kirche, findet Ihr nicht auch?“, kommentierte Morrigan die gesamte Situation, weswegen ich nickte.

„Manchmal sind sie nicht ganz so barmherzig, wie sie sich in der Öffentlichkeit darstellen. Und damit untertreibe ich maßlos.“ Ich wandte mich mit meiner Antwort an Morrigan, die nur nickte.

„Jedenfalls werde ich zur Kirche gehen und die Mutter um seine Freilassung bitten. Ihr, werte Morrigan, wie auch Ihr, Hawke, falls Ihr nichts Besseres zu tun habt …“ Ich lächelte die Kurzhaarige an. „… Wartet bitte hier auf mich. Die anderen schicke ich ebenfalls hierher. Es bringt ja nichts, wenn unsere ganze Truppe ständig von A nach B läuft.“

Die beiden Frauen nickten nur, weswegen ich mich von ihnen abwandte und mich meine Schritte in die Richtung der Kirche führten. Auf dem Weg waren mir tatsächlich meine Gefährten entgegengekommen, die ich, wie angekündigt, zu Morrigan schickte.

Doch als ich den Rotschopf Leliana erblickte, die mir entgegenkam, als ich vor der Kirche stand, lief ich kerzengerade auf sie zu.

„Werte Leliana, ich habe mich mit dem Qunari im Käfig darauf verständigt, dass er Buße darin tut, uns im Kampf gegen die Verderbnis zu helfen. Ich könnte Eure Hilfe dabei brauchen, die Ehrwürdige Mutter von seiner Freilassung zu überzeugen.“

„Natürlich. Geht voran.“
 

Und so kam es dann auch. Leliana hatte die Ehrwürdige Mutter recht schnell von unserem Vorhaben überzeugt und ich hatte um ihren Segen gebeten, was Leliana nur lächeln ließ, da sie erkannte, dass ich offenbar ein gläubiger Mensch war, was ich ja auch schließlich war.

Als wir aus der Kirche heraustraten, konnte ich es mir nicht verkneifen, mit dem Kantor zu sprechen und ihn auszutricksen, indem ich einfach sagte: „Ein Kantor sagt was.“ Und schon hatte er besagtes Wort gesagt, ohne sein Singsang Rezitieren der heiligen Schriften. Leliana wollte mich tadelnd anblicken, doch sie schaffte es nicht, ihr Lächeln komplett zu unterdrücken.

Vielleicht ist das auch nur geschauspielert, drang sich mir der Gedanke auf. Schließlich wusste ich um ihre reichliche Bardenvergangenheit. Wusste, dass ihre größte Stärke darin lag, ihr Gegenüber zu verführen, zu manipulieren und es denken zu lassen, dass sie absolut seiner Meinung war. Ihre größte Stärke bestand darin, Emotionen vorzugaukeln, die sie nicht wahrlich verspürte.

Gedanken, die ich mir vornahm, im Hinterkopf zu behalten, und mich nicht von ihren wunderschönen blauen Augen einlullen zu lassen. Oder meiner, scheinbar genetischen und in meine eigene Seele eingebrannten Schwäche für Rotschöpfe nachzugeben. Ich musste objektiv bleiben. Auch wenn ich Leliana kannte, sie mochte, als meine liebste Videospielfigur und mir ihre Vergangenheit nicht unbekannt war … es war meine Pflicht, sie alle gänzlich im Auge zu behalten. Es hatte sich mittlerweile schon so vieles verändert, hier am besten schon wieder durch das Auftauchen von Hawke erkennend, weshalb sollte sich nicht auch in der Vergangenheit oder in der zukünftigen Denkweise meiner Gefährten etwas geändert haben? Doch darüber konnte ich mir ein anderes Mal Gedanken machen, nahm ich mir zumindest vor.

Schlussendlich hatten wir uns wieder mit unserer Gruppe getroffen, als ich lächelnd den Schlüssel in die Käfigtür steckte und Sten befreite.

Als wir mit dem Hünen abgeklärt haben, dass er nun ein Teil von unserer Abenteuergruppe ist, wandte ich mich an Hawke. Ich reichte ihr die Hand und sie nahm sie auch sogleich entgegen.

„Habt Dank für Eure Hilfe, schöne Frau. Ich habe das Gefühl, dass ich Euch wiedersehen werde, sobald ich mich um die Verderbnis gekümmert habe.“

Ich meinte meine Worte ernst. Ich wusste, dass ich sie wiedersehen würde. Dass ich nach der Verderbnis, vielleicht mit dem einen oder anderen Monat Unterschied, nach Kirkwall reisen würde, wo sie ab dann lebte.

„Wir werden sehen. Es hat mich jedenfalls sehr gefreut. Und passt mir auf Schwester Leliana auf, sie hat das Herz am rechten Fleck.“

Mein Blick richtete sich auf genannte Dame, die nun in ihrer Lederrüstung neben mir stand und ich lächelte selbiger zu.

„Keine Sorge. Ich denke, das bekomme ich schon hin.“

Sie verabschiedete sich noch von Leliana und nur kurze Zeit darauf hatten wir uns dazu entschieden, nachdem Ser Gilmore wohl mitgedacht hatte und bereits für Sten ebenso ein Zelt und einen Schlafsack besorgt hatte, dass es nun an der Zeit war, Lothering zu verlassen.

Chapter 08 ~ Die ersten Zweifel

Bevor wir Lothering komplett hinter uns gelassen hatten, trafen wir zwei Zwerge. Bodahn und Sandal. Die zwei Zwerge, die ab diesem Zeitpunkt, wie Ihr sicherlich wisst, unsere ständigen Begleiter auf Reisen waren. Meist mit einem enormen Abstand zu uns, da sie dank ihres Wagens und der darauf gelagerten Ware nicht so schnell wie wir voranschreiten konnten. Doch das war in diesem Moment der Geschichte erst zu einem späteren Zeitpunkt. In der Gegenwart meiner Erzählung mussten wir sie vor der Dunklen Brut beschützen, die davor war, mit ihnen kurzen Prozess zu machen. Wir kamen gerade noch rechtzeitig. Aus Dank gaben sie uns einige ihrer Vorräte und schon schritt unsere Truppe voraus. Einen halben Tag lang, bis ich dem Rest zu verstehen gab, dass wir lagern sollten.

Sten war der Einzige, der nicht verstand, weshalb wir lagerten, doch dann erklärte ich ihm, wie unterschiedlich unsere Spezies, gerade in Form von Ausdauer, war. Er grummelte zwar, da wir seiner Meinung nach am liebsten weitergelaufen wären, doch er verstand. Gab sich meinen Argumentationen geschlagen.
 


 

Ein Lächeln lag auf meinem Gesicht. Ich hatte heute frei. Wieso? Nun, mit Sten und Roland hatte ich bereits das klassische Aufnahmegespräch geführt, Leliana hatte erfragt, am heutigen Abend für uns kochen zu können, niemand hatte protestiert, und unsere drei Neulinge, Fenrir mal außen vorgelassen, hatten sich bereiterklärt, die Nachtwache zu übernehmen. Zudem wollten Alistair und Roland den Abwasch tätigen. Sollte mir alles nur recht sein.

Und schlussendlich saß ich nun hier. Am Lagerfeuer. Alleine. Morrigan hatte sich wieder einen alleinigen Zeltplatz aufgebaut, Sten stand abseits von uns allen, Roland und Alistair spülten ab und Leliana hatte sich, für was auch immer, in ihr Zelt verzogen. Lediglich die beiden Vierbeiner lagen in geringer Entfernung zu mir deutlich erkennbar. Wir waren im Moment noch echte Schlaftabletten, was vielleicht daran lag, dass wir uns alle aneinander gewöhnen mussten, ehe eine gewisse Vertrautheit herrschen konnte.

Ich hielt meinen Becher in den Händen und ließ den Tag in meinem Kopf noch einmal Revue passieren. Den Anfang dieser Geschichte hatte ich nun bereits getätigt. Die Herkunftsgeschichte lag hinter mir, Ostagar ebenso und selbst Lothering hatte ich nun absolviert. Nun war die erste Gruppierung zu überstehen, vielmehr zu retten, zu der wir gehen sollten. Und dass ich Hawke bei alledem getroffen hatte, war irgendwie auch etwas Besonderes für mich. Marian. Also war es hier die Standard Hawke, die eine Schurkin spielte, wie ich durch ihre beiden Dolche erkennen konnte. Bedeutete also, dass Carver sterben würde und ich dann Bethany kennenlernte. Und auch die anderen Gefährten, wobei ich mich am ehesten auf Varric freute. Doch das waren Gedanken, die ich nach der Verderbnis haben sollte, nicht zu diesem Zeitpunkt, wo die Gefahr durch den Erzdämon noch präsent war. Gedanken, die ich dann erneut in einem anderen Leben weiterführen werde. Weshalb? Nun, weil ich mir überaus sicher war, dass ich nach diesem Abenteuer nicht mehr ich selbst, sondern eine veränderte Persönlichkeit mit deutlich mehr Erfahrung und Gedanken sein würde. Jemand, der alleine in dieser Welt überleben konnte, wenn es sein musste, und nicht so unbedarft war, wie im Moment, wo er jegliche Hilfe beim Kochen in freier Wildbahn gebrauchen konnte, um ein ansatzweise vorzeigbares Essen – vielmehr essbares Essen – herzustellen.
 

„Ihr habt mich angestarrt.“

Überrascht, aus den Gedanken gerissen, blickte ich von meinem Becher zum Rotschopf, der sich still und heimlich neben mich gesetzt hatte. Wie hatte ich sie nicht bemerken können? Sie war tatsächlich stetig auf leisen Sohlen unterwegs. Wenn sie schon so gut darin war, wie gut musste dann erst der Meuchelmörder Zevran im Anschleichen an seine Beute sein?

„Wirklich?“ Ich lächelte die Frau neben mir an. „Ich war der Meinung, ich hätte soeben lediglich auf das Feuer und zu meinem Becher geblickt, als Ihr Euch dazu entschlossen habt, aus Eurem Zelt zu treten, um mir Gesellschaft zu leisten.“

„Ich meine in der Taverne.“

Ah, daher wehte also der Wind. Sie spielte auf die Aussagen an, die dieser Hauptmann und der Leutnant von Loghains kleinem Schlägertrupp erwähnte.

„Ja, das habe ich. Gebe ich zu. Wie Ihr vielleicht wisst, habe ich Euch sogar, bevor dieser kleine Schlägertrupp kam, von der Theke aus zugezwinkert.“

„Weshalb?“ Wirklich? Sie wollte eine Erklärung, wieso ich einer, dem Anschein nach, wildfremden Frau zuzwinkerte? War hier flirten in der Öffentlichkeit wie in einem bestimmten Staat in Amerika ebenfalls verboten? Diese Frage kam mir überaus dämlich vor, doch ich wollte trotzdem freundlich antworten.

„Nun, ich erblicke Schönheit einfach gerne. Zu solch dunklen Zeiten erst recht, erkennt man doch erst dort ihre Vergänglichkeit und lernt sie somit zu schätzen.“

Auf ihr Gesicht stahl sich der Ausdruck von Überraschung.

„Ihr findet mich schön?“

Nun veralberte sie mich. Ich war mir sicher, dass sie nun eine Maskerade aufgetragen hatte, denn dass sie sich selbst nicht schön fand, geschweige denn, dass sie nicht davon wusste, dass andere dies über sie dachten, das war – wie ich wusste – eine Lüge. Gerade aufgrund ihrer Vergangenheit, was das Verführen betraf, war dies für sie doch offensichtlich. Und dass sie lange Zeit in keinen Spiegel geblickt hatte, um ihr Äußeres selbst einmal zu Gesicht zu bekommen, hielt ich ebenfalls für sehr unwahrscheinlich.

„Ihr habt einen wunderschönen Kopf, ich bin mir ziemlich sicher, Euer Verstand ist noch faszinierender als Euer Äußeres, also tut nicht so unwissentlich.“
 

Sie sah mich weiterhin an, als ich nur aus meinem Becher trank und mich dann dem nahenden Gerumpel zuwandte, das ich vernahm. Sandal und Bodahn waren nun also endlich eingetroffen.

„Geschätzte Leliana, während Ihr in Eurem Kopf doch bitte realisiert, dass Ihr aufhören sollt, mir etwas vorzumachen und ganz Ihr selbst sein könnt, werde ich nun unsere Freunde begrüßen. Sonst funktioniert das hier mit der Gruppe nicht, da wir einander vertrauen MÜSSEN, um gegen die Dunkle Brut zu siegen und das Land zu einen mit all seinen Völkern.“ Ich erhob mich und ließ den Rotschopf mit überraschtem Gesichtsausdruck zurück. Ob ich meine Worte wohl, sobald sie von meiner wahren Identität erfuhr, um die Ohren geschlagen bekommen würde? Vermutlich. Doch bis dahin konnte noch viel Wasser den Rhein entlangfließen … oder in dieser Welt wohl eher viel Wasser ins Meer von Amaranthine.

„Sandal, Bodahn, ich hätte nicht erwartet, Euch sobald wieder zu erblicken“, begrüßte ich meine zwergischen Freunde, die mich lächelnd anblickten, als mich meine Schritte zu ihnen trugen.

„Grauer Wächter, ich freue mich so, Euch wieder begrüßen zu dürfen. Wir haben Euer Lager gesehen und dachten uns, wir würden doch gerne Euer Angebot annehmen, wenn Ihr erlaubt. Natürlich gewähren wir Euch einen Rabatt, solange wir bei Euch sind. Und mein Junge kann auch ausgezeichnete Verzauberungen tätigen.“ Der ältere Zwerg versuchte mir sein Bleiben schmackhafter zu machen.

„Nun, wir reisen durch das Land. Es könnte für Euch profitabel sein, wenn Ihr uns folgt, da Ihr stetig einen sicheren Weg vor Euch hättet, da wir im Vorfeld auf dem Weg alle Hindernisse beseitigen. Und dafür würde ich lediglich besagte Rabatte verlangen wie vielleicht auch das eine oder andere, das wir mal in Eurem Karren verstauen dürften.“ Das Gesicht Bodahns erhellte sich.

„Abgemacht. Wir werden zwar nicht mit Euch mithalten können, doch wir wissen sicherlich, welchen Weg Ihr genommen habt. Sofern Ihr uns im Vorfeld auch stets darüber informiert, wohin Eure Reise führt, versteht sich.“

„Natürlich muss ich das zunächst mit meinen Kameraden besprechen, doch ich wüsste keinen Grund, etwas dagegen zu haben.“

Ich bemerkte wie Alistair und Roland sich wieder dem Lager genähert hatten und dabei waren, unsere Utensilien sicher zu verstauen oder so zu platzieren, dass ihre Säuberungsaktion nicht umsonst war.

„Und am besten folgt Ihr mir kurz ans Lagerfeuer, dort werde ich die anderen fragen und sofern sie zustimmen, werdet Ihr auch sogleich unsere Reiseroute erfahren.“

„Ist gut.“

Während ich mich von dem Wagen der beiden Zwerge entfernte, als ich bemerkte, dass Bodahn seinem Jungen mitteilte, kurz auf ihn zu warten, gab ich Morrigan, die mich aus der Ferne erblickte, mit einem Kopfnicken zu verstehen, uns ans Feuer zu begleiten. Sten selbst stand zwar noch immer etwas abseits, doch für sein Qunarigehör sollte er nahegenug sein, um uns zuzuhören. Und wenn nicht, konnte er ja selbst erkennen, dass wir etwas besprachen und wenn es ihn interessierte, konnte er sich uns nähern.
 

„Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten?“

Die aufmerksamen Augenpaare meiner Gefährten lagen auch sogleich auf mir.

„Bevor sich nun der eine oder andere schlafen legt, um sich auf unseren morgigen Gewaltmarsch vorzubereiten, wollte ich mit euch vorher über zwei Angelegenheiten sprechen.“

Neugierde lag in den Augen der meisten, während sie an meinen Lippen hingen. Wie ein Geschichtenerzähler, der eine kunstvolle Pause einlegte, um festzustellen, ob er die gewünschte Wirkung auf sein Publikum erzielte, blickte ich durch die Reihen, während sich mein linker Arm ausstreckte und auf Bodahn deutete.

„Ihr werdet euch sicherlich noch an Bodahn erinnern. Ihm und seinem Sohn haben wir vorhin geholfen und aus Dankbarkeit bietet er uns an, natürlich auch gegen Schutz, den wir ihnen bieten sollen, mit uns zu reisen. Zum einen würden wir Rabatte auf all ihre Waren erhalten, und deren Sortiment werden sie ohnehin in jeder Stadt erneuern. Zum anderen würden sie eine bestimmte Menge an Traglast von uns auf ihren Wagen laden. Natürlich nicht zu hoch, müssen sie ja auch noch vorankommen. Wir müssten auch nicht auf sie warten oder etwas dergleichen, lediglich erwähnen, wohin wir des Weges sind und sie kommen nach. Wir würden sie kaum bemerken, außer wir beschäftigen uns mit ihnen. Hat irgendjemand der hier Anwesenden etwas dagegen, dass wir mit ihnen diese Vereinbarung treffen?“

Stille. Niemand sagte etwas. Ich gab ihnen noch ein paar Sekunden Zeit, ehe ich mich wieder an den Händler an meiner Seite richtete und ihm nun die Hand reichte. Er verstand die Geste und ergriff sie auch sogleich.

„Dann ist es abgemacht, Bodahn. Auf eine gute Zusammenarbeit.“

„Ich danke Euch. Euch allen.“ Er verneigte sich freudig vor meinen Gefährten, ehe er nun etwas hinter mich trat. Heraus aus dem Lichtkegel der Aufmerksamkeit und doch in Hörweite, da er ja noch über unser Reiseziel informiert werden wollte.
 

„Und der zweite Punkt betrifft unser Reiseziel.“

Mein Blick traf den von Alistair.

„Verzeiht Alistair, doch wir können uns noch nicht auf den Weg nach Redcliff machen.“

„Wieso?“, wollte er sogleich erfahren.

„Ich sagte ja bereits, ich hätte nichts dagegen, dorthin zu gehen, wenn wir nichts Dringlicheres hören würden, doch genau das tat ich. Auch Leliana.“

Mein Blick traf die Bardin, die überraschenderweise keine Miene verzog, der offenkundigen Lüge wegen, in die ich sie involvierte.

„Als Leliana und ich zur Kirche schritten, vernahmen wir Gerüchte darüber, dass etwas Schreckliches im Zirkel der Magie vorgefallen sei. Der Sache müssen wir nachgehen, denn wenn wir helfen können, dass eine Katastrophe verhindert wird, ist das wohl in unser aller Interesse. Zudem müssen wir ohnehin dorthin. Sie könnten mächtige Verbündete für die Verderbnis sein. Sie sind in den Verträgen miteingebunden.“

„Aber der Zustand des Arls …“

„… ist nicht zu ändern, jedenfalls nicht von uns“, unterbrach ich den Sohn Marics.

„Ob wir nun dort sind oder nicht. Wir haben alle von dem Zustand des Arls gehört, dank Eures Freundes, dem Ritter, den Ihr getroffen habt, wie Ihr uns mitteiltet, wie auch der Gerüchte wegen. Und wenn wir dort sind, ohne mit ihm sprechen zu können, verschwenden wir wichtige Zeit, die wir nicht haben. Auf dem Rückweg vom Zirkel der Magie können wir dort vorbeischauen, in der Hoffnung, dass es ihm besser geht und er aufgewacht ist. Ihr sagtet, Ihr würdet mir folgen, egal wie meine Entscheidung auch sein würde. Bitte haltet Euch an Eure Worte.“

Alistair schien über meine Worte nachzudenken, ehe er nach einigen Sekunden zögerlich zu nicken begann.

„Ihr habt Recht.“

„Gut, dann wäre das geklärt.“

Meine Hände klatschten schon fast automatisch zusammen, während ich in die Runde blickte.

„Ich wünsche allen, die jetzt schlafen gehen, eine gute Nacht und bis morgen früh.“
 

Und so verstreute sich auch schon unsere Gruppe, bei der ich auch Morrigans alles andere als begeisterte Laune über unser neues Ziel bemerkte. Logisch, sie war immerhin eine Abtrünnige. Und sie würde nun kerzengerade mit uns in das Heim der Templer reisen. Das musste eine verdammte Überwindung für sie sein, dessen Erwähnung ich sicherlich nicht vergessen würde.

Tatsächlich gingen nach meiner kleinen Rede die meisten zu Bett, was gut war, denn so wären sie für den nächsten Tag fit. Ich jedoch konnte noch nicht schlafen gehen. Zuviel war meiner Meinung nach heute für mein Fanherz geschehen, das erst noch realisieren musste, dass dies alles die Wirklichkeit war. Mein Kopf war noch zu befüllt, also gab es nur eine Sache, die ich tätigen konnte. Ich lief zu meinem Zelt und holte mein kleines Notizbuch, besser bekannt als mein Tagebuch, hervor, in das ich zuletzt am letzten Tag von Highever unter der Herrschaft von Bryce Cousland hineingeschrieben hatte. Auch ein Tintenfass samt Feder hatte ich natürlich zur Hand genommen, ehe ich mich ans Lagerfeuer setzte. Derzeitig war es an der Bardin, Wache zu halten.
 

„Ihr wollt noch nicht schlafen gehen?“, stellte sie mir auch sogleich die Frage, als sie bemerkte, dass ich mich erneut ihr gegenüber an das Feuer setzte, anstelle im Zelt zu verschwinden.

„Mein Kopf ist noch etwas zu voll und ich muss den heutigen Tag verarbeiten.“

„Verständlich. Für Euch muss auch in den letzten Tagen viel geschehen sein. Allen voran …“ Ihre Stimme erstarb, als sie bemerkte, dass sie soeben die Schlacht um Ostagar erwähnen wollte und erkannte, wie unsensibel ihr Gesprächsthema wirken könnte. Für einen Moment sah sie tatsächlich verlegen aus, aufgrund ihres Fehlers, und als wäre sie auf der Suche nach etwas, um das Gesprächsthema zu wechseln.

„Was ist das?“ Mit einem Kopfnicken deutete sie auf die Gegenstände in meinen Händen. Sie wurde scheinbar fündig.

„Mein Tagebuch. Ab und an schreibe ich dort hinein, wenn meine Gedanken nicht dazu kommen, das Erlebte zu verarbeiten.“ Ihre Augen schienen für einen Moment aufzublitzen wie die eines Raben, der soeben seine Beute entdeckte. Sollte sie es ruhig versuchen, mein Tagebuch zu lesen, die Schrift meiner Welt würde sie vermutlich ohnehin nicht entziffern können. Schließlich benutzte man hier ein gänzlich anderes Alphabet.

Und erneut war diese Ruhe zwischen uns geglitten. Ich vernahm sie in diesem Augenblick als angenehm, doch Leliana schien, als würde sie etwas loswerden wollen. Wieso machte sie es mir nur so leicht, ihre Körpersprache zu deuten? Fühlte sie wirklich so oder entschied sie sich für eine Rolle, die sie angenommen hatte? Im Spiel war sie in dieser Gruppe fast immer gleich vom Charakter her, bis zu dem Zeitpunkt, an dem man wählen konnte, ob man sie abhärtete oder nicht. War dies ihr wahrer Charakter, den sie an den Tag legte und sie wurde erst später mit der Zeit ihrer Tätigkeiten in all den noch bevorstehenden Jahren so wie sie schlussendlich wurde, oder würde sie die gesamte Verderbnis über eine schauspielerische Meisterleistung bringen? Ich hoffte Ersteres. Dass ich sie hier, offen und ehrlich, kennenlernen konnte.
 

„Weshalb habt Ihr gelogen?“, erklang ihre Stimme in mein Ohr. Leise genug, so dass es niemand der anderen mitbekam, und doch laut genug, um von mir verstanden zu werden.

„Bitte?“ Nun war es an mir, Überraschung im Gesicht aufzuzeigen, doch so sehr überraschen sollte mich diese Tatsache eigentlich nicht. Es war doch klar, dass sie diese Frage geklärt haben wollte, wo ich doch unsere Truppe anlog, während ich Leliana zu meinem unfreiwilligen Komplizen erklärte.

„Ihr sagtet, dass wir Gerüchte aufgeschnappt hätten, dass der Zirkel der Magie in Gefahr sei. Etwas Schreckliches dort vorgefallen sein soll. Doch dies war eine Lüge.“

„Habt Ihr nichts darüber gehört?“, fragte ich vorsichtig nach, um zu erkennen, wie weit ich mich aus dem Fenster lehnen konnte mit meinen nächsten Worten, während ich mich ihrer Lautstärke anpasste. Ob ich vielleicht die Möglichkeit hatte, etwas nicht Existentes in unseren kleinen Kirchenausflug einzubauen.

„Nein. Und Ihr auch nicht, schließlich waren wir auf dem ganzen Weg in einem Gespräch vertieft. Ihr hattet nicht eine Möglichkeit, solch ein Gerücht aufzuschnappen, denn ich habe Euch beobachtet. Weshalb erzählt Ihr so etwas?“ Ihre blauen Augen starrten mich durchdringend an, während sie mir mit ihren Worten den Wind aus den Segeln nahm, auch nur ansatzweise an etwas Erfundenes denken zu können, dass ich ihr aufzutischen versuchte. Eine Ernsthaftigkeit, die nicht zuließ, dass man ihr noch eine Lüge auftischte, lag in ihren Seelenspiegeln, gemischt mit meinem inneren Drang, sie nicht enttäuschen zu wollen. Diese Emotionen gingen mir durch den Kopf. Körper. Wohin auch immer, als ich ihr in die Augen blickte. Es war wie eine Fesselung meines Verstandes, was ich mir nicht erklären konnte. Ein Seufzen entwich meiner Kehle. Ich musste sie aus dem Konzept bringen, ehe dies weiter mit mir geschah und nicht mehr gescheit dachte.
 

„Ihr seid aus Orlais, nicht?“ Verwunderung lag in ihrem Gesicht.

„Woher wisst Ihr dies?“

„Der Akzent. Er ist noch leicht vorhanden, wenn auch nicht ganz so auffallend, wie ich es gewohnt bin von Personen, die ihn versuchen zu verschleiern. Und doch schwer zu verkennen, wenn man ihn bereits des Öfteren vernahm.“

Ich wusste nicht, weshalb sie tatsächlich ihren Akzent versuchte zu unterdrücken, doch sie tat dies. Vielleicht da sie, laut eigener Aussage aus dem Spiel, sich eher als Fereldnerin sah und hier nicht als Ausländerin gelten wollte, doch das war lediglich Mutmaßen meinerseits. Da ich jedoch wusste, dass sie ihn besaß und ich schon häufiger Franzosen in meiner Sprache reden hörte und dieser Sprachgebrauch unverkennbar war, war es mir ein Leichtes, dies zu bemerken. Schließlich glich die Sprache aus Orlais derer unseres Frankreichs. Hatten die anderen dies auch bemerkt oder klang es für sie normal? Ohnehin war ich verwundert, dass ich die hier gesprochene Sprache so perfekt verstand und selbst sprach, war es immerhin Englisch, das hier in Ferelden vorherrschte. Die allgemeine Sprache war und wie bei mir zuhause die Weltsprache darbot. Nur sprach ich in meiner Welt nicht ganz so gut Englisch. Verstehen ja, aber sprechen machte mir Probleme. Lag das an diesem neuen Körper? Würde ich diese Sprache noch so gut sprechen können, wenn ich mich von Aidan löste? Wieso stellte ich mir ständig so viele Fragen? Ich war manchmal ein hoffnungsloser Fall.

„Ich wurde dort geboren, doch meine Mutter stammt ursprünglich aus Ferelden und ich fühle mich eher zur Seite meiner Mutter hingezogen. Doch wieso erzähle ich Euch das überhaupt, schließlich lenkt Ihr gerade nur vom Thema ab.“ Ich wägte im Gedanken meine nächsten Worte genauestens ab. Mit Leliana hatte ich eine Gesprächspartnerin, die nicht nur jedes Wort doppelt und dreifach kontrollierte, das man ihr gegenüber äußerte, sondern sich diese auch noch hervorragend merken konnte.
 

„Anhand Eurer Kampfkunst, der Leichtfüßigkeit, die Ihr an den Tag legt und der Tatsache, dass Ihr eine Schwester seid, pardon, eine ehemalige Schwester, würde ich tatsächlich sogar so weit gehen, Euch als Bardin zu entlarven.“ Ihre Augen weiteten sich aufgrund meiner Worte. Missionsziel Leliana aus dem Konzept bringen: abgeschlossen. Und auch ich selbst war wieder klar bei Verstand, soweit ich dies beurteilen konnte.

„Meine ehemaligen Beziehungen als Sohn eines Teyrn verrieten mir auch diesbezüglich so mancherlei Detail. Wenn man bedenkt, dass meine Schwägerin selbst aus Antiva stammt, einem Land, in welchem das Spiel fast so gut wie in Orlais gespielt wird, ist dies sicherlich auch nicht sehr verwunderlich. Daher denke ich, versteht gerade Ihr, wann es angebracht ist, ein Geheimnis zu lüften, und wann man noch etwas schweigt. Gerade wenn es um Wissen geht.“

Wir beide schwiegen. Die kühle Brise des Windes strich über meine Haut und ließ auch leicht ihren roten Schopf umherwehen, den sie mit einer geschickten Handbewegung sogleich wieder ordnete. Ich wollte nicht solch ein unbefriedigendes Gesprächsende mit Leliana haben. Aber ich wollte ihr auch nicht sogleich die ganze Wahrheit erzählen. Es war eine innerliche Pattsituation, wenn man dies in der Sprache eines Schachspiels betrachtete. Doch erneut seufzte ich, als eine Seite meiner Gedanken den Sieg errungen hatte.

„Wir werden morgen den gesamten Tag über einen Fußmarsch Richtung des Turms der Magi machen. Am Abend schlagen wir noch einmal das Lager auf, um am nächsten Morgen frisch und ausgeruht beim Zirkel anzukommen. Vermutlich brauchen wir für unsere Angelegenheiten noch einen Tag und dann lagern wir außerhalb des Turms. Dann, wenn wir Richtung Redcliff sind oder noch einmal lagern sollten, werde ich Euch meine Beweggründe offenbaren, da mir ohnehin keine andere Wahl bleibt. Ich will, dass Ihr mir vertraut und nicht stetig mit einem Pfeil im Rücken oder etwas dergleichen rechnet.“

„Mir wäre es lieber, wenn Ihr jetzt mit der Wahrheit herausrücken würdet.“

„Geduld.“ Ich lächelte sie an, während ich die Unzufriedenheit aus ihrem Gesicht erntete.

„Ich brauch meine Zeit, um mir die richtige Formulierung zurechtzulegen. Keine Lüge, versprochen. Vielmehr so, dass Ihr es nachvollziehen könnt. Versteht. Auch wenn ich eher der Meinung bin, es ist eine Frage des Glaubens anstelle des Verstehens.“

„Ihr braucht also drei Tage und dann werdet Ihr mir verraten, was das soll?“, fasste sie noch einmal zusammen, was mich zum Nicken brachte.

„Exakt. Verzeih die Geheimniskrämerei, doch anders geht es nicht. Ich hätte es zwar gerne vermieden, dass ich Euch so früh schon einweihen muss, doch es ist unabdingbar, dass wir zuerst zum Zirkel reisen, und es gab kein geeignetes Zeitfenster, in welchem ich alleine war und besagtes Gerücht gehört haben könnte, ohne dass es jemand anderes auch mitbekommen hätte. Und lieber weihe ich Euch früh ein, als dass mir später Vorwürfe gemacht werden.“

Wieso es unabdingbar war, dass wir zuerst in den Zirkel reisten? Ganz einfach, da desto länger wir warteten, die Dämonen umso stärker wurden. Dies hier war Realität, nicht irgendein Spiel. Hier konnte mir tatsächlich die Zeit ablaufen in gewissen Thematiken, dessen war ich mir sicher. Zudem besaß ich so ein Gefühl, dass es das Richtige wäre, wenn wir zunächst dorthin reisen würden. Und was hatte ich schon zu verlieren? So oder so musste ich dorthin, wie bereits erwähnt.
 

Die gebürtige Orlaisianerin blickte mich einfach an. Ruhig. Gelassen. So schien es zumindest, doch ich war mir sicher, dass es in ihr selbst anders aussah, zumindest gedanklich ratterte es bestimmt in ihrem hübschen Oberstübchen. Sie wusste nicht, wie sie mich nun einzuschätzen hatte. Was hatte ich zu verbergen? Worum machte ich so ein Geheimnis und wieso tat ich so, als wüsste ich, was im Zirkel vor sich ging, ohne überhaupt die Möglichkeit darauf zu haben, eben an selbiges Wissen geraten zu sein? Es war schon alleine ein beschissenes Gefühl, wenn eine – in den eigenen Augen – wunderschöne Frau einem scheinbar nicht traute und man dieser immer unsympathischer wurde und man nichts dagegen tun konnte. Ein ganz anderes, viel schrecklicheres Gefühl bestand darin zu wissen, dass diese besagte Frau der liebste Videospielcharakter von einem selbst war. Der Charakter, von dem man der beste Freund sein wollte. Oder bei solch einem bezauberndem Geschöpf … so vieles mehr.

Doch vermutlich konnte ich mich davon verabschieden. Ich machte nun schon einen sehr merkwürdigen Eindruck und sobald ich ihr meine Wahrheit offenbarte, wer ich war, woher ich stammte und ganz nebenbei, dass ich die verdammte Zukunft kannte: Würde sie mir glauben? Klar, ihre Story, dass der Erbauer sie geschickt hat, ist an sich auch sehr merkwürdig, doch das klingt zumindest glaubwürdiger als das von mir. Viel glaubwürdiger, gemessen an unglaubwürdigem Blödsinn.
 

Ich tat mein Bestes darin, diese zwei wunderschönen blauen Augen, die auf mir ruhten und sich auf meine Haut brannten wie bei einem Rind das Branding, zu ignorieren. Doch wie sollte ich das Gespräch nur mit ihr führen, wenn dieses Augenpaar mich alleine durch das stetige Anschauen so aus der Bahn warf, auch wenn ich mich bisher gut behaupten konnte? Ich meinte, das Gespräch bisher mit Leliana oder gar das mit Morrigan war für meine Verhältnisse sehr gut verlaufen. Doch sobald sie die Witterung aufnahmen und bemerkten, wie anfällig ich für ihr Äußeres war, konnte es gefährlich für mich werden. Schöne Frauen hatten Macht, nur durch ihre Blicke und manch eine wusste diese Macht nicht einzusetzen. Davon kannte ich viele. Leider war das Exemplar mir gegenüber nicht solch ein Wesen. Sie wusste es genau. Zumindest konnte ich so etwas ihrer Aussagen aus dem Spiel entnehmen, da sie ihre Opfer meist verführte. Schöne Frauen sind der Teufel. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu versuchen, meine Rolle des unbeeindruckten Anführers weiterhin zu mimen.
 

Fleißig schrieb ich in mein Buch hinein, so verkrampft und nervös, dass ich gar nicht bemerkte, wie die Bardin sich mittlerweile direkt neben mich gesetzt hatte.

„Was ist das für eine Sprache?“ Ich zuckte zusammen und blickte sie erschrocken an. Mein Herz hämmerte wie wild. Man, hatte sie mich erschreckt. Und vermutlich hatte sie meine Reaktion bemerkt und wie ein wildes Tier, das ihre Beute beobachtete, versucht ihre Chance zu nutzen. Wieso dachte ich eigentlich so negativ von ihr?

„Verzeiht, ich wollte Euch nicht erschrecken.“

Sie war nun wieder freundlich zu mir. Nicht so misstrauisch. Fassade, drang sich mir der Gedanke auf, dem ich zustimmen musste. Barden wie auch Meuchelmörder wollten so viele Informationen wie möglich über ihre Zielperson, um sich eine geeignete Taktik anzueignen. Bei ihr, um mir Informationen zu entlocken. Oder war das einfach bereits eine Art von Paranoia, die sich in mir breitmachte, da ich ihre Vergangenheit und Zukunft kannte? Machte ich mir wieder einmal zu viele Gedanken? Ach verdammt, ich hatte von vorneherein gewusst, dass ich unkonzentriert und abgelenkt sein würde, sobald ich ihr begegnete.

„Es ist an sich die Sprache, die wir sprechen, lediglich in einem anderen Alphabet.“ Ich ging ich nun auf ihre Frage ein, die sie mir zuvor gestellt hatte.

„Und wo wird solch ein Alphabet benutzt?“

„Nicht in Thedas, soweit ich weiß. Doch ich habe es beigebracht bekommen.“

„Wo dann?“ Scheiße, was gab es denn noch für Kontinente in dieser Welt? Wussten die überhaupt von anderen Kontinenten? Gut, die Qunari wussten, dass sie von weit aus dem Norden kamen, aber mit ihren Herkunftsländern hatten sie ja selbst keinen Kontakt mehr. Und es war ein offenes Geheimnis, das die Adeligen aus Nord- und Südthedas nicht eingestehen wollten, doch die Qunari waren in vielerlei Hinsichten bereits viel fortschrittlicher. Bestes Beispiel war doch hierbei der Sprengstoff oder das Infiltrieren von Ländern.

„Das ist eine gute Frage. Weder kenne ich die anderen Kontinente noch Länder, in denen solch Sprache gesprochen wird. Doch ich lernte sie und bekam sie beigebracht.“

„Von wem?“ Sie war äußerst neugierig. War sie schon immer so neugierig? Und wieso machte sie dies so auffällig? Oder hatte ich sie vielleicht mit etwas überrascht? Mit dem Alphabet? Und wenn ja, wieso? Kannte sie es irgendwoher? Obwohl ich sie kannte, brachte sie mir durch ihre Reaktionen ebenso viele Fragen, wie ich sie ihr bringen musste.

„Lehrern. Es ist nie verkehrt, auch andere Sprachen oder Schriftarten zu können.“

Sie nickte. Ich versuchte aus ihrem Gesicht schlau zu werden, doch ich erkannte nichts. Eine trügerische Maske war aufgesetzt worden und mir wollte nicht klar werden, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war.

Ein Gähnen ließ mich dann auch schlussendlich aus meinen Gedanken driften und von ihr abwenden.

„Verzeiht, doch ich werde ins Bett gehen. Ich wünsche Euch später eine angenehme Bettruhe und möge die Nachtwache nicht zu anstrengend sein.“ Mit diesen Worten stand ich nun auf und blickte ihr ins nun freundliche Gesicht.

„Danke.“

Ich wollte gerade mein Buch in die Hand nehmen, als sie meine Hand in der Bewegung abfing, was mich verwirrt meine Brauen in die Höhe ziehend zu ihr blicken ließ.

„Ihr habt gerade dort hineingeschrieben. Die Tinte muss trocknen. Hier am Lagerfeuer wäre der beste Platz dafür. Legt Euch hin, ich sorge dafür, dass keine Flecken entstehen und das niemand der anderen es zu Gesicht bekommt“, bot sie mir an.

Wollte sie diese Sprache versuchen zu entschlüsseln und so an Geheimnisse herankommen? Ich wurde aus dieser Frau nicht schlau, trotz meines Wissens, doch ihr freundlicher Blick ließ meine Vorsicht fallen, weswegen ich schlussendlich nickte.

„Nun gut. Ich vertraue Euch. Dann eine gute Nacht.“

„Gute Nacht“, erwiderte sie, zuckersüß lächelnd, meinen Abschiedsgruß und ich verschwand in meinem Zelt. Ihr mein Buch überlassend und einiges zum Nachdenken gebend.

Ich blöder Idiot.

Chapter 09 ~ Rothaarige Enttäuschung und schwarzhaarige Vertraute

„Morgen“, rief ich in die Runde meiner Gefährten, die mich teilweise zurückgrüßten, als ich aus meinem Zelt trat. Die Sonne schien und die morgendliche Luft war so frisch und rein, dass man die Verderbnis hätte vergessen können. Doch trotz allem fühlte ich mich elendig. Wieder war ich aufgrund von Alpträumen die halbe Nacht über stetig aufgewacht, ehe ich wenige Stunden durchschlafen konnte. Das frühe Aufstehen selbst machte mir weniger Probleme. Ich konnte zu jederzeit aufstehen, wenn ich etwas Wichtiges vorhatte und konnte an sich auch mit wenig Schlaf aus, doch wenn sich der Luxus des Ausschlafens ergab, wäre ich wahrlich ein Narr, diesen auszuschlagen. Zu solch turbulenten Zeiten wie gerade jetzt, wo die Verderbnis ausgebrochen war, ohnehin schon.

„Guten Morgen“, drang es gesondert in meine Ohren, als ich mich zur späteren Nachtigall umdrehte.

„Guten Morgen“, erwiderte ich den Gruß und bemerkte jedoch, dass in ihren Augen etwas anders war als gestern Abend noch. War dort eine Spur von Misstrauen? Nun, vermutlich hatte sie lange über unser Gespräch nachgedacht und musste sich erst eine Meinung über mich bilden.

„Ich wollte Euch dies wieder zurückgeben.“

In ihren Händen hielt sie mein Tagebuch, das ich auch sogleich entgegennahm.

„Danke fürs Bewachen“, bedankte ich mich, sie ehrlich anlächelnd, was sie zum Nicken animierte und ebenso, nur dieses Mal leicht aufgesetzt wirkend, lächeln ließ.

„Keine Ursache.“

Und sogleich machte sie auf dem Absatz kehrt und schritt in die Richtung, in der ihr Zelt stand. Irritiert zuckte ich mit den Schultern aufgrund ihres seltsamen Benehmens und machte mich daran, meinen eigenen Schlafplatz wie auch das persönliche Hab und Gut zu verstauen, damit wir so schnell wie möglich zu unserem ersten Ziel schreiten konnten.
 

Um ehrlich zu sein, verlief der restliche Wandertag so ziemlich ereignislos, abgesehen von dem einen oder anderen Banditenangriff oder Späher der Dunklen Brut. Ich unterhielt mich mit meinen Reisegefährten, zumeist mit Morrigan und Alistair, aber auch mit Roland. Sten selbst war noch immer der stille Brummbär, der im Hintergrund die Szenerie beobachtete, was sich vermutlich nie besonders ändern würde, und Leliana schien ungewöhnlich still. Hin und wieder entdeckte ich sie dabei, wie sie mir Blicke – misstrauischer oder rätselnder Natur – zuwarf oder sich mit Roland unterhielt. Vermutlich überprüfte sie bei ihm meinen Hintergrund. Meine Reisegefährten wussten dank meiner Aussage lediglich, dass ich aus dem Adel abstammte, doch woher genau kaum, hatte ich mich doch stets nur mit Vornamen vorgestellt und nur Morrigan wusste durch Roland meinen Nachnamen, doch ob sie mit diesem etwas anzufangen wusste, wagte ich zu bezweifeln. Wobei … Flemeth stammte doch auch aus Highever, vielleicht hatte sie doch etwas erzählt.

Lediglich Alistair und Roland wussten, bei wem es sich bei mir persönlich handelte. Welchen mächtigen Hintergrund diese Abstammung besaß, als Kind eines Teyrn. Oder genauer gesagt, bei der Abstammung Aidans. Und wenn Leliana den Nachnamen hören würde, würde sie vielleicht aus meinen Worten am Abend zuvor Schlüsse ziehen, die mir eine andere Möglichkeit aufwies, als dass ich ihr die Wahrheit offenbarte. Zumindest hoffte ich dies.
 

Aus der Entfernung erkannten wir schon den Turm der Magier. Ich hatte den anderen erklärt, dass wir am nächsten Morgen in aller Früh den Turm besuchen würden, um dort für Ordnung zu sorgen, und diese Nacht zum Regenerieren brauchten, nach unserer langen Wanderung. Alle, abgesehen von Sten, waren froh über diesen Vorschlag. Selbst Morrigan, wobei es bei ihr eher der Zuspruch war, da sie einen weiteren Tag von diesem, aus ihren Augen, Sinnbild der Magierunterdrückung entfernt bleiben konnte.

Auch das Abendessen war bereits gekocht worden und Roland hatte uns mit seinen kulinarischen Künsten verwöhnt. Es war in Ordnung, doch mir graute es schon davor, was Alistair auf meinem Teller abstellte, dass er als Nahrung betitelte, schließlich war er wie ich ein Anfänger und in der Reihenfolge würde er als nächstes mit dem Kochen dran sein. Aber vielleicht konnte ich dann sogar dieses genießen, denn sobald er mit dem Zubereiten dran war, hatten wir schon einen Turm voller Dämonen hinter uns gebracht und die Erleichterung und Erschöpfung konnte wohlmöglich sogar sein Essen lecker wirken lassen. Doch das waren Luxusgedanken, wenn man so wollte, schließlich musste unsere junge Truppe noch den Turm überstehen.

Mein Augenwerk fuhr zu jedem meiner Kameraden. Entweder waren sie mit sich selbst beschäftigt oder in einem Gespräch vertieft. Lediglich Leliana starrte mir auch sogleich entgegen, als meine Iriden die ihren trafen. Und als hätte sie nur darauf gewartet, den Schein ergebend, als hätte sie mich schon länger angeblickt, erhob sie sich von ihrem Sitzplatz und kam auf mich zu, ehe sie direkt vor mir zum Stehen kam.

„Kann ich Euch um ein Gespräch bitten?“

„Immer.“ Mir kam es so vor, als würde mir der Inhalt des besagten Gesprächs deutlich missfallen, doch was sollte ich schon für einen Grund haben, ihr ein Gespräch zu verweigern und sie nicht anzuhören?

Sie blickte nun ebenfalls zu unserer bunten Truppe und dann zu den weiter entfernten Bäumen der entgegengesetzten Richtung.

„Es bedarf privater Natur. Lediglich für Eure Ohren bestimmt.“

Verstehend nickte ich, während ich mich selbst erhob und der Bardin auch sogleich zu besagter Stelle mit den Bäumen folgte. Wir liefen immer weiter in den Wald hinein und kamen erst zum Stehen, als wir uns sicher waren, dass uns niemand belauschen konnte. Nun, zum Glück würde es noch ein kleines bisschen dauern, bis Zevran damit beauftragt wurde, uns zu ermorden, sonst wäre dies eine geeignete Stelle für solch einen Überfall in der Dunkelheit. Und selbst wenn Banditen uns nun überfielen, Leliana würde es recht schnell bemerken, dass sich jemand näherte und auch meine Wahrnehmung war in all der Zeit in dieser Welt deutlich besser geworden. Zudem hatte ich den nützlichen Alarm, falls diese verderbten Wesen angriffen. Allerdings musste ich gestehen, dass ich tatsächlich andere Gedanken im Kopf hätte, wenn ich nicht wüsste, dass Leliana mir kein Leid antat, und ich sie wie am Vortag so kämpfen gesehen hätte und nun nach nur einem Tag soweit von den anderen entfernt von ihr wurde.

„Wer seid Ihr wirklich?“, platzte es nun aus ihr heraus, was mich verwirrte und aus meinen Gedanken trieb.

„Aidan Cousland, jüngster Sohn des verstorbenen Teyrn Bryce Cousland. Einer der letzten verbliebenden Grauen Wächter von Ferelden. Drittplatzierter im Highever Sündenfall-Privatturnier unter der Aufsicht des örtlichen Tavernenbesitzers Willibald. Zuchtmeister zweier Mabari. Was wollt Ihr noch von mir hören? Sicherlich habe ich den ein oder anderen Titel vergessen oder falls gewünscht, kann ich mir etwas dazu dichten, dem bin ich mir sicher.“

Verneinend schüttelte sie, mich ernst anblickend, ihr Haupt, was mir auch sogleich das Lächeln aus dem Gesicht wischte, das sich durch meine Worte auf dieses gelegt hatte.

„Nein. Das meine ich nicht. Ich kenne Euren Namen, Roland hat mich ins Bilde gesetzt. Doch Ihr habt hier drin …“, sie zog mein Tagebuch unter ihrem Oberteil hervor, „… Informationen stehen, über mich und all unsere Begleiter, über die Ihr gar nicht verfügen dürftet. Könntet.“

Vor Entsetzen weiteten sich meine Augen, als ich realisierte, was sie mir damit zu verstehen gab.

„Ihr könnt die Schrift lesen?“ Natürlich hätte ich mich auch darüber wundern können, dass diese Frau erneut mein Buch besaß, hatte sie es mir doch am Morgen erst zurückgegeben und nun wieder, ohne dass ich es bemerkte, in ihren Besitz gebracht. Wie gut war sie denn in der Rolle einer diebischen Elster?

„Diese Schriften sind alte Barden-Geheimcodes, die Ihr benutzt. Sehr alt, doch die Erfahreneren können sie entziffern.“

Ich bildete mir ein, einen gewissen Stolz aus ihrer Stimme herausgehört zu haben, doch dann wurde ihre Stimme wieder ernst.

„Doch lenkt nicht vom Thema ab!“ Mir wurde klar, was dies alles bedeutete. Am Abend zuvor hatte ich noch bemerkt, wie sie sich etwas darüber informiert hatte, woher ich diese Schrift kannte, was mir für ihre Verhältnisse ein bisschen zu forsch rüberkam, doch jetzt wusste ich den Grund dahinter. Auch weshalb sie so bedacht darauf war, dass ich das Buch in ihrer Obhut ließ. Sie wollte meine Geheimnisse herauslesen. Und mit einem einfachen Lächeln hatte sie mich dazu gebracht, ihr zu vertrauen, da ich mir zu selbstsicher war, dass sie diese Schrift nicht kennen konnte. Ich Idiot hatte auch den Fehler gemacht, da alltäglich englisch gesprochen wurde, dass ich mein Geschriebenes auch noch ins Englische übertrug, anstelle ins Deutsche. Meine Muttersprache der Gewohnheit zuliebe aufgab. Einen lausigen Spion würde ich durch solche leichtsinnigen, hochmütigen Fehler abgeben.

„Ich habe gewusst, dass ich wegen dir unvorsichtig und abgelenkt werde, sobald ich dir begegne“, sprach ich in meinen wieder leicht gewachsenen Bart leise hinein, für mich selbst bestimmt. Doch scheinbar hatte sie dies vernommen, denn Leliana zog lediglich eine Braue in die Höhe, wie ich im leichten Licht, das sich hierher in den dunklen Wald verirrte, erkannte.

„Es ist kompliziert. Verdammt kompliziert.“

„Ich habe Zeit und verlange Antworten“, setzte sie nach, was mich aufseufzen ließ.

„Die sollt Ihr auch bekommen, auch wenn mir besagte drei Tage lieber gewesen wären, um meine Formulierungen zurechtzulegen, dann wäre ich nicht so angespannt und in Erklärungsnot wie jetzt.“
 

Ich ließ mich auf einen nahegelegenen Stein nieder und streckte den Arm aus. Kurz blickte mich Leliana verwirrt an, ehe sie verstand und mir mein Tagebuch entgegenstreckte. Sie selbst, mich genauestens im Blick behaltend, stand vor mir mit verschränkten Armen und hartem Blick. Das konnte lustig werden. Nicht.

„Der Grund, weswegen ich hier drin …“, ich hob das Buch leicht hoch und blickte ihr in die Augen, „… so viel über euch alle stehen habe, ist der, dass ich aus einer anderen Welt stamme.“

Sie blieb still. Stellte keine Frage. Signalisierte mir somit stumm, dass ich weiterreden sollte.

„Natürlich gibt es in dieser Welt mich. Aidan Cousland. Doch das bin nicht ich. Mein wahrer Name lautet Alexander Meyer, und ich bin an meinem 25. Geburtstag in meiner Welt eingeschlafen und am Morgen in diesem Körper aufgewacht, der nicht der meine ist. Meinem nicht unähnlich, abgesehen von gravierenden Unterschieden, was Größe und Muskulatur betrifft, aber eben nicht der meine. Ich bin kein Dämon, keineswegs, und ab und an, wenn Aidan es zulässt, kann ich sogar mit ihm kommunizieren, doch er bedenkt mein hier Sein als Wirken des Erbauers. Ich selbst bin, seit ich hier gelandet bin, um so vieles gläubiger geworden. Auch ich denke, dass es der Wille des Erbauers ist, der mich hierher verfrachtete, doch ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Was er sich von meinem Auftauchen verspricht, abgesehen davon, dass ich die Zukunft dieser Welt eben kenne, kann ich mir nicht ausmalen. Doch dann hätte er so viele andere Menschen aus meiner Welt nehmen können, die diese Welt samt dessen Bewohner deutlich besser kannten. Euch alle, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, fast schon als Abendlektüre studierend.“

Mein Blick glitt nach oben, wo man zwischen vereinzelten Blättern der Bäume auch freie Sicht auf den Nachthimmel besaß. Die Sterne und der Mond, die dort oben thronten, als würden sie über alles und jeden wachen. Erst jetzt, wo ich meine Geschichte mit einem meiner Gefährten aussprach, in einer Situation, wo ich es nicht wollte, fühlte ich tatsächlich den Ballast, der mir durch mein Erscheinen in dieser Welt auferlegt wurde. Als würde ich von Sekunde zu Sekunde um unzählige Jahre altern und die Knochen des jungen Aidan um vieles schwerer werden.

„Die Wege des Erbauers sind unergründlich, hm?“, murmelte ich zu mir selbst, leise auflachend, während Leliana mich geduldig anblickte. Zumindest musste sie geduldig sein, denn bisher hatte sie geschwiegen.

„Ihr und viele Personen aus Eurer Welt kennen also die Zukunft dieser Welt?“ Zum ersten Mal stellte sie nun eine ihrer Fragen, die sich in ihrem Kopf auftat, und mir blieb nichts anderes übrig, als ehrlich zu nicken.

„Ja. Auch manches aus der Vergangenheit wie soeben erwähnt.“

„Woher?“ Nun biss ich mir leicht auf die Lippen, während ich sie wieder, diesmal nachdenklich, anblickte.
 

„Nun kommen wir zum schwierigen Teil. Der Erklärung, wofür ich Zeit wollte. Ich hoffe, Ihr seid hierfür fantasievoll genug und habt Geduld mitgebracht.“

Innerhalb von Sekunden ging ich im Kopf die verschiedensten Erklärungsversuche durch, die ich im vergangenen Jahr über angehäuft hatte, in der Hoffnung, dass einer von ihnen für Leute, die aus dem Mittelalter stammten, verständlich und auch nachvollziehbar genug war.

„Ihr wisst, wie eine Glaskugel eines Magier funktioniert, nicht?“

„Ja. Man schaut dort hinein und dank des vom Magier erzeugten Manas, das in diese hineingeflossen wird, samt bestimmter Zauberformeln, kann man bestimmte Szenarien erkennen.“

Ein Nicken kam von mir. Mein Glück, dass sie dieses Prinzip kannte, denn somit würde ich die einfachste und beste Methode benutzen.

„Gut, dann kann ich dies als Beispiel nehmen. Diese Welt hier, Thedas, ist in meiner Welt eine Spielereihe.“

Sie sah so aus, als wollte sie mich unterbrechen, als ich einen Finger hob.

„Lasst es auf Euch wirken, ich gehe ins Detail, um es Euch verständlicher zu machen.“

Nun entspannte sie sich wieder, weswegen ich den Finger wieder sinken ließ.

„Besagte Spielereihe besteht aus drei Teilen. Einer dieser Teile ist die Geschichte des Helden von Ferelden, der während der Verderbnis mit seiner tapferen Truppe die Welt vor den dunklen Kreaturen befreit. Zumindest vor der fünften Verderbnis, Dunkle Brut wird es stetig geben. Leider.“

„Und wie kann ich mir besagtes Spiel vorstellen?“ Sie war neugierig. Das war gut, denn dies gab mir Chancen, dass sie mir doch nichts antun würde, zumindest jetzt noch nicht. Vielleicht sah sie mich ja doch als eine Art Dämon an. Ich sollte in Zukunft aufgeben, mir anzumaßen zu wissen, was diese Frau dachte.

„Kommen wir nun zur Kristallkugel. Stellt Euch vor, Ihr seht in dieser eine Person. Bei den Videospielen, so nennt man diese Art von Spielen und diese Spielereihe rund um diese Welt speziell ist unter dem Namen Dragon Age bekannt, kann man sich zumeist sogar einen Charakter erstellen. Bedeutet, Ihr könnt das Aussehen dieser Person, die Ihr in der Kristallkugel erblickt, nach Euren Belieben verändern. Geschlecht. Haarfarbe. Stimme. Augenfarbe. Alles. Ihr seid ein persönlicher kleiner Erbauer, wenn man es genau nehmen möchte. Und im ersten Spiel ist der Charakter, den man erstellt, dieser Körper hier.“ Mit meiner linken Hand deutete ich an mir herunter und wieder hinauf.

„Man kann die Herkunft auch nach Belieben ändern. Der Held könnte wie im jetzigen Falle ein Cousland sein, er hätte aber ebenso gut ein Zwerg, ein Elf oder gar ein Magier vom Zirkel sein können. Es ist unterschiedlich. Doch ich persönlich bin ganz froh, dass wenn mir das schon passieren musste, ich in Aidan Cousland, der in den Spielen eigentlich Aedan heißt, gelandet bin, da er ebenso wie ich ein Mensch ist und es ist angenehm, auch mal größer zu sein als normal üblich.“

Ein Lacher entwich meiner Kehle und auch ihr finsterer, ernster Blick schien sich etwas zu lockern.
 

„Und wie ist das mit dem Spiel? Die Regeln?“

„Nun, in aller erster Linie nicht sterben. Doch der schöne Vorteil bei einem Spiel, den wir hier leider nicht haben, ist der, wenn man dort stirbt, kann man von einem vorherigen Ort aus nochmal von vorne beginnen, bis man es schafft. Wenn wir sterben, nun ja, sind wir tot.“

Ein Zucken meiner Schultern und ein unbedarftes Lächeln war meine einzige Reaktion dazu.

„Doch daher kenne ich die Zukunft. Ich weiß, was bei welcher Fraktion geschieht, was im besten Fall gesagt werden muss, denn in diesem Spiel hat man oftmals mehrere Optionen, die man wählen und entscheiden kann, und auch bei vielen die Vergangenheit. Daher weiß ich von Eurer Vergangenheit mit Marjolaine. Wer noch zu unserer Truppe stößt. Und vieles mehr, was nach dem Sieg über die Verderbnis geschieht. Doch mein Auftauchen hat auch Veränderungen mit sich gebracht. Roland dürfte seit meiner Flucht aus Highever nicht mehr leben. Es gab in dieser Truppe immer nur einen Mabari. Und einigen Personen, die in den Spielen starben, habe ich bereits das Leben gerettet, unter anderem die Schwägerin und den Neffen von Aidan. Seit ich in dieser Welt bin, habe ich mir alles aufgeschrieben, was mir einfiel, damit ich ja nichts vergaß und es zu so wenig Leid wie möglich für die Zukunft kommt. Was ich für Entscheidungen treffen möchte, wenn möglich. Wer gerettet werden soll. Gedankengänge, die von mir selbst oder von anderen Fans aus meiner Welt über einige Personen dieser Welt getätigt wurden, die mir noch in Erinnerung blieben. Ich denke, Ihr habt sie, Euch betreffend, gelesen, oder?“

„Ihr meint den Teil, in dem erwähnt wird, dass ich ein authentisch dargestellter Soziopath bin, mit einer starken Maske. Meine naive Natur durchaus die Wahrheit ist, ich jedoch dank meiner Vergangenheit schwer anderen vertrauen kann. Ängste, Depressionen. Alles, da ich durch den an mir begangenen Verrat meinen Lebenswillen fast verloren habe und mir daher, um zu überleben, ein neues Konstrukt aufgebaut habe: die Auserwählte des Erbauers?“

„Euer Gedächtnis ist wirklich so gut, wie ich es erwartet habe. Ich hoffe, Ihr habt aber auch die anderen Gedankengänge im Kopf, denn dies war nicht meine Meinung. Im Gegenteil, ich hatte sogar gehofft, mich mit Euch anfreunden zu können, um eben die tatsächliche Leliana kennenzulernen und nicht das Hirngespinst aus Spekulationen, die Euch vor Augen kamen. Doch leider habe ich die Befürchtung, dass mit diesem Gespräch diese Hoffnung gestorben ist.“

Sie sagte nichts und ich traute mich auch nicht, sie anzusehen.
 

„Nun kennt Ihr zumindest die Wahrheit. Als Einzige, neben Morrigans Mutter. Wenn Ihr mich töten wollt, da Ihr mir nicht vertrauen könnt, nur zu. Ich verstehe dies. Ist es immerhin sehr erschreckend, was ich alles weiß und von mir gegeben habe. Auch ohne mich wird diese Welt überleben, wenn auch mit mehr Opfern. Doch bevor Ihr dies tut, würde ich um Aufschub bitten. Nicht meinetwegen, sondern um des jungen Cousland wegen, dessen Körper ich beheimate. Er ist unschuldig und mehr Opfer der Situation und immerhin muss jemand die Verderbnis aufhalten. Sobald ich dieser Situation entronnen bin, liegt es Euch frei, mich zu töten, sofern Ihr den wollt. Auch wenn ich Euch an dieser Stelle versichern kann, dass ich keinerlei Abscheulichkeit bin, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut mit – eigentlich – eigenem Körper.“

„Ihr …“ Ich schüttelte den Kopf, was sie überraschend zum Schweigen brachte, doch ich konnte sie noch immer nicht anblicken. Irgendwie hatte ich wirklich Angst davor, was ich erkennen würde. Vielleicht war sie unbegründet, doch was war, wenn ich Wut in ihren Augen erblickte? Unglaube? Sie mich der Lüge bezichtigte? Es klang vielleicht blöd, doch in diesem Moment bevorzugte ich die Schrödingers-Katze-Variante. Solange sie mir nicht ihre Meinung darüber äußerte, konnte sie mich noch immer mögen, aber auch nicht. Ich wollte vielmehr, dass sie darüber eine oder mehrere Nächte nachdachte und wir dann ein Gespräch führen konnten, wenn sie selbst wusste, was sie darüber denken sollte.

„Nein. Bitte. Sagt kein Wort. Ich möchte für den Moment nicht wissen, was Ihr über mich denkt. Ablehnung an meiner Person, gerade aus Eurem Mund, würde ich heute Abend nicht mehr verkraften, auf den Schock hin, dass Ihr das Buch gelesen habt und so vieles wissen könntet. Wir vertagen bitte den unangenehmen Teil. Ich würde gerne etwas Zeit alleine hier verbringen. Wärt Ihr so gütig und würdet die Einteilung für die Nachtwache mit den anderen besprechen? Ich selbst werde sie dann beim nächsten Mal tätigen, aber heute wäre ich zu abgelenkt.“

„Ich verstehe.“

Und schon trugen sie ihre Füße von meiner Position weg und ich war alleine. Alleine im wenigen Lichtschein, den der Mond, die Sterne und die wenigen Lichtstrahlen unseres Lagerfeuers an diesen Ort trugen. Doch mit einem Mal fühlte ich mich beobachtet. Eine meiner wenigen, unerklärten Fähigkeiten, die ich besaß, war die, dass ich oftmals erkannte, wenn ich alleine war, wenn ich beobachtet wurde. Ich blickte mich vorsichtig um, darauf bedacht, nicht zu schnelle Bewegungen zu tätigen, um mögliche Tiere nicht durch hektische Bewegungen wild zu machen, die mich dann kalt erwischt hätten, ohne dass ich sie erfasst hätte. Doch überall, wo ich hinblickte, konnte ich nichts vernehmen, bis mir ein noch viel üblerer Gedanke kam. Mein Blick richtete sich hoch zu den Bäumen und dort auf einem der Äste sah ich sie. Eine Krähe. Eine Krähe mit gelben, bekannt vorkommenden Augen.

„Das ist doch jetzt wohl nicht wahr.“
 

Und natürlich musste es so kommen. Mit dem Schlagen ihrer zwei Schwingen glitt sie sanft zu Boden und verwandelte sich in ihre menschliche Gestalt. Mit verschränkten Armen und tatsächlich einem Lächeln im Gesicht stand nun Morrigan vor mir. Die Frau, die sonst so versucht darauf ist, ein kaltherziges Miststück darzustellen, lächelte amüsiert und schien mit sich sehr zufrieden zu sein.

„Ihr solltet mehr auf Eure Umgebung achten.“

„Das merke ich jetzt auch“, kam es leicht gereizt von mir, was Morrigan weiter zu amüsieren schien.

„Wie viel habt Ihr mitbekommen?“

„Alles“, offenbarte sie mir sogleich, was mich seufzen ließ. Natürlich musste sie alles mitbekommen haben. Ich hätte ja auch mal Glück im Leben haben können.

Morrigan blickte in die Richtung unseres Lagerfeuers, ehe sie dorthin nickte.

„Sie sah übrigens nicht so aus, als hätte sie vor Euch umzubringen. Vielmehr verständnisvoll. Lediglich das Erwähnen davon, dass Ihr denkt, sie könnte Euch umbringen, scheint den Rotschopf getroffen zu haben. Ich möchte meinen, fast schon gekrängt.“

Nun hatte ich dank Morrigans Aussage ein lachendes und ein weinendes Auge. Das lachende, weil Leliana das mit dem Töten vermutlich nicht einmal als Option erachtet, was ich mir an sich auch dachte, da sie in diesem Teil noch ein recht mitfühlendes Wesen war. Da sie, laut eigener Aussage, selbst ihren Opfern eine schöne Nacht bescherte, wenn sie wieder einmal das Spiel tätigte, ehe sie diese tötete. Da sie noch keine skrupellose Killerin war, sondern an ihre Mitmenschen dachte, selbst an ihre Opfer. Und das weinende, da ich sie verletzt zu haben schien. Doch darum konnte ich mich die Tage kümmern, schließlich war sie noch ziemlich der Kirche ergeben und dort hieß es doch, dass man auch vergeben sollte. Und so einen großen Fehler hatte ich ja schließlich nicht getan, doch darüber würde ich mir später weitere Gedanken machen. Jetzt hatte ich mich erst einmal mit der Hexe auszusprechen.

„Also Alexander …“, ihre gelben Augen ruhten nun aufmerksam auf mir, „… meine Mutter weiß über Euch Bescheid?“ Ein Nicken meinerseits genügte ihr zur Antwort. Was sollte ich jetzt auch lügen, wenn sie doch alles mitbekommen hatte?

„Natürlich wusste sie Bescheid. Deshalb auch ihre Aussagen.“

Verwirrt blickte ich sie an, doch sie ignorierte meinen Blick bloß. Wollte mir scheinbar nicht sagen, was sie damit meinte, doch vergessen würde ich es nicht.

Sie kam für einen Moment ins Grübeln, ehe sie sich wieder an mich wandte.
 

„Wie kann ich mir sicher sein, dass es die Wahrheit war, was Ihr der Kirchenschwester soeben erzählt habt?“ Fragend hob ich eine Augenbraue.

„Ihr wisst, dass ich gar nicht wollte, dass Ihr so schnell davon erfahrt, weshalb sollte ich Euch jetzt auch noch überzeugen wollen, dass Ihr mir glaubt?“ Für einen Moment kehrte Ruhe ein zwischen uns beiden, während wir uns nur im schwachen Licht, das wir zur Verfügung hatten, anstarrten.

„Wollt Ihr denn nicht den Zusammenhalt in unserer Gruppe stärken? Wenn ich Euch für einen Lügner hielte, was würde mich davon abhalten, einfach zu verschwinden?“, höhnte sie mich, sich für den Moment als diejenige aufspielend, die die Karten in den Händen hielt.

„Zum Beispiel der Grund, weswegen Euch Eure Mutter uns mitschickte, wegen der Seele des alten Gottes, nachdem es schon alleine Euren Wissensdurst dürstet?“ Verblüffung. Sprachlosigkeit. Dass ich tatsächlich diese Worte im Gebrauch mit Morrigan in einem Satz gebrauchen würde, wo es nicht um ein Gegenüber von ihr, sondern um sie persönlich ging, hätte ich mir vermutlich auch nie zu träumen gewagt.

„Das …“ Sie wollte gerade etwas erwähnen, doch es war an der Zeit, wenn sie doch alles mitbekommen hatte, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Skeptikerin, die sie doch stets war, mit zwei einzelnen Worten noch einmal zu schocken und sie zu einer Gläubigen meiner Aussage zu konvertieren. Wie scheiße dies einfach klang.

„Goldener Spiegel.“

Ihre Augen verengten sich für den Moment zu Schlitzen und man konnte deutlich erkennen, wie sie ihre Zähne aufeinanderpresste. Ich hatte exakt ihre Schwachstelle aus Kindertagen erwähnt. Eine Erinnerung, die sie noch heute sehr zu schmerzen schien.

„Nun, mir bleibt keinerlei andere Möglichkeit, als Euch Glauben zu schenken, wie wirr Eure Geschichte auch schließlich klingen mag. Selbst wenn es Euch Mutter verraten hätte, wovon ich nicht ausgehe, müsste sie Euch als etwas ganz Besonderes erachten und das würde sie nur in einer Thematik à la Eurem Erzählten. Aus einer anderen Welt stammend.“

„Ihr interessiert Euch für viele alte Kulturen und dergleichen, ich könnte Euch manches erzählen, das Euch gefallen könnte.“

„Ihr wollt doch lediglich, dass ich Euer Geheimnis für mich behalte, weshalb mich dann mit weiterem Wissen füttern?“ Ich legte den Kopf schief und lächelte sie an.

„Informationsaustausch ist etwas, das beiden Seiten vom Nutzen sein könnte. Ich weiß vieles aus Zukunft und Vergangenheit, sogar unserer derzeitigen Gegenwart. Doch es wäre vermessen zu behaupten, dass ich wirklich viel weiß. Ich bin noch grün hinter den Ohren. Habe viel zu lernen. Über diese Welt ohnehin. Und Ihr, werte Morrigan, wärt eine ausgezeichnete Quelle des Wissens, verfügt Ihr über selbiges alter Kulturen, Orte von Interesse und derlei Informationen, die den Klerikerinnen der Kirche die Zehennägel aufrollen ließen.“

Sie lachte. Tatsächlich lachte Morrigan für den Moment kurz auf, was mich erfreute, da dies ein Zeichen dafür war, dass sie schon jetzt offener war, als sie es normal zu diesem Zeitpunkt war. Außer man hätte die Festtagsgeschenke aus dem Spiel, wo man von jedem die Zuneigung ganz leicht hochpushen konnte und es zu mancherlei Bug kam.

„Und was würden mir Erzählungen aus Eurer Welt bringen? Schließlich würde ich niemals in den Genuss gelangen, sie selbst zu besuchen.“

„Ihr denkt zu kurzfristig, Morrigan. Was ist das stärkste Gut für einen Magier, besonders im Nichts?“

„Stärke.“

„Blödsinn!“, kommentierte ich ihre Aussage, die sie zu überraschen schien aufgrund meiner kurzzeitigen rüden Art.

„Es ist die Fantasie. Bist du zu unkreativ, bist du nicht imstande Zauber zu wirken, so einfach ist es. Ich vermag es, Euch Gedankengänge in den Kopf zu bringen, an die Ihr nicht in diesem und drei weiteren Leben ansatzweise gedacht hättet. In meiner Welt war ich ein großer Fan sämtlicher Mythologien meiner Welt. Es gab unzählige Götter. In meiner Welt gibt es sogar tatsächlich eine Göttin mit dem Euren Namen. Morrigan. Sie stammt von den Kelten und ist die Dreigeeinte. Dreigeeint, da es sie in drei Formen gibt, wie die drei Tageszeiten. Es gibt sie in jung, das ist der Morgen. Als erwachsene Frau, das ist der Mittag, und zum Schluss, als Sinnbild des Abends, ist sie eine alte weise Frau. Sie ist eine Todesgöttin. Verinnerlicht aber auch die Thematiken Krieg, Nacht, Schatten und auch die Fruchtbarkeit ist mit eines ihrer Gebiete. Sie ist eine Gestaltwandlerin und eine ihrer liebsten Formen ist der Rabe und die Krähe. Aspekte, die so gut zu Euch passen, dass ich mir ziemlich sicher war, dass die Autoren dieser Welt sich von Ihr bei Eurer Schöpfung inspirieren ließen. Doch damals hielt ich ja ebenfalls diese Welt für Fiktion. Jetzt bin ich hier, weiß, dass sie existiert. Doch wieso kannten sie diese Welt? Wieso wissen sie um die Zukunft eben dieser, bevor sie geschehen ist? Das sind Gedankenspielereien nach dem Motto: Was war zuerst da, die Henne oder das Ei?“ Für den Moment schwieg ich, wollte ich doch, dass sie jedes meiner Worte verinnerlichte. Es verstand. Nachvollziehen konnte.

„Das sind in der Tat Gedanken, die … wow.“

Sie war ehrlich verblüfft über die Informationsmenge, die ich ihr soeben aus diesem kurzen Gespräch schon lieferte. Sicherlich dachte sie darüber nach, was ich ihr noch so alles für Gedankenspielereien darbieten konnte. Was für Vorteile dies alles für sie hatte. Und natürlich, ob es einen Haken gab. Und ganz ehrlich? Den gab es an sich nicht. Ich wollte lediglich mit dieser Frau befreundet sein, um meinen Aufenthalt mit ihr in dieser Gruppe so angenehm wie möglich zu machen, zumal ich sie ja eben mochte. Sie an diesen Gedanken zu gewöhnen, war das, was ich nun tun würde.
 

„Keines meiner Worte, das ich gegenüber Euch tätigte, war jemals gelogen, außer vielleicht mein Name. Darauf habe ich, meine ich, geachtet. Falls es doch nicht der Tatsache entspricht und ich Euch doch einmal die Unwahrheit erzählte, dann tut es mir leid und ich bitte um Verständnis, dass ich meine Identität wahren musste. Doch eines war die ganze Zeit sicher, seit ich Euch das erste Mal sah bzw. sogar schon davor, da ich ja wusste, dass ich Euch begegnete.“

„Und was sollte dies sein?“ Sie drang langsam wieder in ihre kleine Fassade, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und auf mich, wie ich noch immer auf dem Felsen vor ihr saß, herabsah.

„Ich will mit Euch befreundet sein.“

Skeptisch hob sie ihre Brauen in die Höhe, als mein Satz beendet war.

„So einfach? So schlich? Ohne Hintergedanken?“

Ich nickte. „Exakt.“

„Wollt Ihr mir wirklich weismachen, Ihr würdet über keinerlei Hintergedanken verfügen? Ihr wärt so einfach gestrickt.“

„Hintergedanken habe ich immer. Egal, was ich sage, tue, denke. Denn ich bin eher der denkende Mensch, als der handelnde. In meiner Welt habe ich auch stetig in meinen Gedanken gehangen und daher Chancen verpasst, da ich mir lediglich vorstellte, was sein könnte, anstatt diese Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Doch meine Hintergedanken sind selten schlimm. Zumindest nicht für Freunde und welche, mit denen ich befreundet sein möchte. Ob Ihr mir glaubt oder nicht, bei Leuten, die ich mag, bin ich einfach gestrickt.“

„Ihr mögt mich also?“

„Auf jeden Fall. Ihr erinnert mich mit Eurer zynischen, schwarzhumorigen und Menschen nicht ausstehenden Art an meine beste Freundin aus meiner Welt. Ihr seid lediglich intelligenter und, wenn ich das anmerken darf, auch schöner. Jegliche Sorgen von Euch an meiner Person kann ich nachvollziehen, bitte lediglich um die Chance, mich zu beweisen und dass Ihr vielleicht den einen oder anderen Abend einen Platz für mich an Eurem Lagerfeuer besitzt. Wenn es Euch vielleicht sogar hilft, seht mich mitsamt meinem Wissen über meine Welt, die Euch völlig fremd ist, als eine Art Studienprojekt.“

„Ich soll Euch als Projekt sehen?“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Wieso nicht, wenn es Euch hilft? Freuen würde ich mich jedoch sehr darüber, wenn ich irgendwann vom Projekt zu einem Freund in Euren Augen aufsteigen könnte.“

Skeptisch musterte sie mich weiterhin, wie sie es nun seit meiner Offenbarung, mit ihr befreundet sein zu wollen, die ganze Zeit über schon tat. Sie suchte die Lüge in meinen Worten. Versuchte meine Worte mit den Informationen, die sie über mich erfahren hatte, abzugleichen.

„Meinetwegen. Bisher geht Ihr mir nicht so sehr auf die Nerven, wie es unsere übrige Begleitung tut.“

„Aus Eurem Mund ist das zu hören ein Kompliment.“

„Bildet Euch darauf bloß nichts ein.“

Ich lächelte bloß, was sie zum Seufzen brachte und sie wortlos davonstapfte. Ja, das waren wirklich die Momente, wo sie mich an besagte beste Freundin aus meiner Welt erinnerte. Die zwei hätten sich sicherlich auf Anhieb verstanden, da war ich mir sicher. Doch ehe sie zu weit weg war, blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu mir um.

„Was erwartet uns im Turm?“

„Dämonen. Ein verdammter Turm voller Dämonen jeglicher Art. Abscheulichkeiten, Dämonen des Zorns, der Trägheit, Wollust, das volle Programm. Alles durch die Machtgier eines wahnsinnigen Kahlkopfs, den wir, wie sollte es auch anders sein, auf der Spitze des Turms treffen und bekämpfen müssen, während er zum Dämon des … ich glaube Stolzes mutiert. Ach, und eine Traumreise ins Nichts dürfen wir auch machen, falls wir es nicht verhindern können, den Dämonen zu töten, ehe er uns einschlafen lässt.“

„Natürlich. Es wäre auch zu einfach, Hilfe zu erhalten und gleich wieder zu verschwinden.“

Und mit diesen Worten verschwand sie dann endgültig zu ihrem Schlafplatz.
 

Innerlich lachte ich aufgrund ihrer Aussage. Zum Glück wusste sie nicht, dass es so bei jedem unserer zukünftigen Verbündeten ablaufen würde. Tatsächlich freute ich mich sogar darüber, wie Morrigan auf mich weiterhin zu sprechen war, trotz der Wahrheit, die sie nun mitbekommen hatte, über meine Identität. Ich hatte Geschichten zu dieser Welt gelesen, von Fans geschrieben, in denen Morrigan stets als herzloses, kaltblütiges Miststück dargestellt wurde. Es gab zwar auch Ausnahmen, aber die meisten, wie auch die Fanmeinungen, die ich las, gingen in diese Richtung. Ich persönlich hatte stets ein anderes Bild von ihr gehabt. Ein Bild, dass sie es eben lediglich nicht gewohnt war, mit anderen außer ihrer Mutter zu interagieren, was nun einmal der Tatsache entsprach. Im Spiel, noch bevor man eine Liebesromanze mit ihr einging, lachte sie oftmals, wenn man lediglich in mancherlei Thematik Pluspunkte bei ihr sammelte. Sie war klug und besaß das Herz schon am rechten Fleck, auch wenn sie es nicht jedermann zur Schau stellte und sie aufgrund ihres Pragmatismus böse und niederträchtig wirkte. Und in meiner Denkweise über sie fühlte ich mich spätestens seit dem dritten Spiel bestätigt, als man merkte, wie verändert und liebevoller sie herüberkam, seit sie dann ein Kind besaß. Ich hatte mich mit dieser Tatsache arrangiert, wie man an meinem ersten richtigen Gespräch am Abend, bevor wir in Lothering ankamen, bemerken konnte. Und scheinbar hatte ich auch die richtigen Worte gewählt, nachdem sie nun meine Identität erfuhr. Denn wenn sie mich wirklich als Gefahr gesehen hätte, würde ich sicherlich nicht mehr hier stehen und ihr aufs Gesäß blicken, während sie davonschritt. Ich war eben auch nur ein Mann und Morrigan eine sehr schöne Frau.
 

Doch nun machte auch ich mich auf zu meinem Zelt. Ich spürte den Blick von Leliana auf mir ruhen, zumindest vermutete ich, dass es der ihre war, als ich wieder das Gefühl des beobachtet Werdens auf mir spürte, doch wieder traute ich mich nicht, diesen Iriden entgegenzublicken. Was machte diese Frau nur mit mir und meinen Gefühlen?

Bevor ich in mein Zelt ging, blickte ich jedoch noch einmal auf das Tagebuch in meinen Händen. Leliana konnte es lesen. Es wäre ein alter Bardencode, so verriet sie mir. Was wäre, wenn noch andere Leute diesen lesen konnten? Wenn jemand dieses Tagebuch zu lesen bekam, konnte dies ungeahnte Folgen nach sich ziehen. Ich wusste nicht, wieviel Leliana bisher gelesen hatte, doch selbst das konnte schon zu viel gewesen sein. Ich fasste einen Entschluss: Es musste weg.

Kerzengerade lief ich auf das Lagerfeuer zu, warf es hinein und machte auf dem Absatz kehrt in mein Zelt hinein, in welchem ich mich erst einmal den meisten Kleidungsstücken entledigte, um eine ansatzweise gute Nacht haben zu können. Ein Sicherheitsleck meines Wissens wurde nun schon einmal entfernt.
 


 

Es kam jedoch so, wie ich es vermutet hatte. Die halbe Nacht hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, was es bedeutete, dass Leliana und Morrigan so früh schon eingeweiht wurden. Welche Konsequenzen es mit sich führen konnte, wobei ich eher dazu tendierte, dass lediglich Lelianas Wissen schädlich sein konnte, da sie ja Seiten aus dem Tagebuch gelesen hatte, doch damit dieses Risiko nicht mehr bestand, hatte ich es ja schlussendlich entsorgt. Im Übrigen hatte ich erfahren, dass während ich mit Leliana gesprochen hatte, Bodahn und Sandal angekommen waren, die am nächsten Morgen zur Taverne am Calenhad-Sees auf uns warten würden und dort für den Zeitraum unserer Abwesenheit ihre Waren auffrischten und Handel trieben.

Am nächsten Morgen packten wir alle auch sogleich wieder unsere Sachen und gingen in die Richtung des Magieturms. Unsere erste Herausforderung stand an.

Chapter 10 ~ Im Zirkel sind die Dämonen los

Als wir am Calenhad-See ankamen, machte uns erst einmal ein Templer den Weg streitig. Er wollte uns weder hinüber zum Turm bringen noch unsere Papiere, die uns einwandfrei als Graue Wächter identifizieren, anerkennen. Er war im echten Leben noch deutlich nerviger als im Spiel und bevor ich ihn zur Sau machen konnte, dass es seinem Vorgesetzten nicht gefallen würde, wenn er Graue Wächter nicht passieren ließ, oder Drohungen aussprach, zog Sten seine Kekse aus seiner Tasche, als der Templer berichtete, Hunger zu haben. Ich wusste zwar, dass dies eine der Möglichkeiten war, mit dem Templer fertig zu werden, aber diesen muskelbepackten Hünen plötzlich eine Kekspackung aus seiner Tasche zücken zu sehen, war einfach so surreal, wenn man es selbst erlebte.

Natürlich passten wir nicht alle in Ser Carrolls Boot hinein, also überzeugte ich den Templer dazu auch, die restliche Truppe hinüber zum Turm zu bringen. Zunächst war er skeptisch, doch als ich ihn fragte, was eine Truppe Abenteurer gegen die geballte Macht der Templer schon ausrichten konnte, war er dann doch recht schnell überredet.
 

Der Turm war aus der Ferne bereits beeindruckend, doch vor ihm zu sein, direkt auf ihn zuzusteuern, war dann wieder etwas vollkommen anderes. Ich war von ihm, trotz seiner Ähnlichkeit mit einem gewissen Merkmal der männlichen Geschlechtergruppe, absolut fasziniert. Schließlich war es der Sitz, in dem Magier schon seit Ewigkeiten lebten und ausgebildet wurden. Zudem so hohe Bauten anzufertigen in dieser Zeit, die ganz klar dem Mittelalter meiner Welt entsprach, da musste man schon Respekt für zollen. Und dieser Turm stand ja schon weitaus länger da. Doch bei allem Respekt, was sich der Architekt bei der Form wohl dachte? Schließlich kann man Türme auf viele Arten bauen, doch dass es so auffällt … verwunderlich.

„Mir ist eine Sache nicht so ganz klar …“, riss mich Alistair aus meinen recht sinnlosen Gedanken.

„Nur eine? Ich bin mir sicher, Ihr könntet Listen füllen.“

Morrigan hatte ihre Chance gewittert und rühmte sich mit ihrem Lohn: einem giftigen Blick seitens ihres Kirchenjungen. Doch auch mich hatte dieser Einwand zum Schmunzeln gebracht.

„Ser Carroll meinte, dass er niemandem Auskunft geben dürfte, was im Turm passierte. Woher habt Ihr dann davon gehört?“ Alistair durchlöcherte mich mit seinen fragenden Augen, während auch meine zwei mitwissenden Damen zu mir blickten, wohl gespannt, welche Ausrede ich aus dem Ärmel ziehen würde.

„Er sagte lediglich, dass er nicht sagen dürfte, was dort geschieht, und ich weiß ja auch nicht, was dort vor sich geht. Lediglich das Gerücht kam mir zu Ohren. Und dieses kann ganz einfach in die Welt getragen werden. Der Erste, der zum Zirkel wollte, um jemanden zu besuchen oder seinen Geschäften nachzugehen, und von unserem Kompetenten Ser Carroll hier weggeschickt wurde ohne genannten Grund, wird das Gerücht in die Welt getragen haben, dass sich im Turm etwas zusammenbraut. Und Gerüchte reisen bekanntlich schneller, als es jeglicher Trupp könnte, so sagt man. Und in solcher Form drang es nicht nur in meine, sondern auch in die Ohren unserer bezaubernden Leliana hier.“ Ich nickte zum Rotschopf, die es nur bestätigte, mein Alibi somit weiterhin bekräftigte.

„Weitere Fragen? Irgendjemand? Ich bin gerade in Fahrt.“

Zur Antwort bekam ich ein dreifaches Schütteln von Häuptern, was mich lediglich mit den Schultern zucken ließ und ich mich zurücklehnte.

„Wenn Ihr Zweifel daran gehegt habt, dass wir zunächst hierher statt nach Redcliff gingen, hättet Ihr ruhig mit mir vorher noch einmal sprechen können, Alistair. Dafür hätte es keinerlei Verdächtigung gebraucht.“ Ich zwinkerte noch kurz dem Templer zu, der mich für den Moment nur schweigend anblickte und dann nickte. Er schien sich wirklich um den Arl von Redcliff zu sorgen, doch hier und jetzt brauchte ich ihn konzentriert. Das war für unser aller Wohl am besten. Doch da keine weiteren Gespräche begonnen wurden, driftete auch ich ab und blickte in den See.

Das Wasser des Sees war recht trüb und ich nahm mir vor, wohlmöglich niemals in diesem schwimmen zu gehen. Schließlich war es sehr gut möglich, dass die Magier dort einfach ihre Abfälle endsorgten, trotz der unterirdischen Höhlenabteile, die sie ja besaßen, wie ich durch die Magier-Origin aus dem Spiel wusste. Nicht auszudenken, wie schädlich dieses Wasser für die Haut sein konnte. Der indische Fluss Ganges hier in Thedas exklusiv, nur als See. Zumindest dürfte er genauso giftig sein. Und wie sich wohl die Tierwelt in diesem durch solche magischen Abfälle entwickelt haben mag. Da konnte man gleich den neuen „Magische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ drehen.
 

„So, dann können wir los.“

Es war eine gefühlte Ewigkeit, die ins Land zog, ehe alle Mitglieder unserer Gruppe auch endlich beisammen waren. Wie lange es wohl mit einem weiteren Mitglied dauern würde? Schließlich wusste ich, dass sich uns Wynne anschloss, sobald wir das Problem des Turms gelöst hatten. Und wenn ich nach dem Spiel gehen würde, hätte ich den meisten unserer Gruppe frei geben können, schließlich kam man ja mit lediglich drei Gruppenmitgliedern hierher. Doch wenn man solch schlagkräftige Gruppe besaß, wieso darauf verzichten? Immerhin würden unsere Feinde aus Dämonen aller Art bestehen. Mächtige Feinde. Da war es taktisch vom Vorteil, wenn man solch einen Trupp an seiner Seite hatte, der jegliche Spezialisierung abdeckte, in Form von Fernkampf, Nahkampf und die Gebiete innerhalb dieser Kampfrichtungen. Die noch fehlende Heilerin bekamen wir innerhalb des Turms noch, aber dann konnte unser Siegeszug bis hoch zur Turmspitze beginnen. Außerdem war dieser Turm der optimale Ernstfall, um unsere bisherige Truppendynamik zu testen. Etwas, dass wir schließlich im ausdauernden Kampf gegen die Zombies in Redcliff mehr als nur dringend gebrauchen konnten.

Doch bisher vermittelten wir lediglich den Eindruck, wild zusammengewürfelt zu sein, was wir ja schließlich auch waren. Doch dieser Eindruck bekräftigte sich, als wir wie wild, ohne jegliche Disziplin, in den Turm hineinliefen, mit mir an der Spitze. Vertrauenserweckend? Nicht wirklich.

Und hier wurde mir wieder deutlich, wie sehr der Unterschied zwischen wahrem Leben und Spiel dann doch war. Im Spiel hatte man, vermutlich aufgrund der geringen technischen Möglichkeiten, nur wenige Templer erblickt, die sich in der Eingangshalle befanden. Hier jedoch ging es aufgeregt hin und her. Ausrüstung und Schwerter lagen wie wild verstreut herum, während die Templer von einem Fleck zum nächsten wuselten und sich dabei stetig in die Quere liefen. Sie alle befanden sich in hellem Aufruhr und wenn man wusste weswegen, war das gewiss kein Wunder.

„So habe ich die Templer noch nie erlebt. Es muss wirklich etwas Großes vorgefallen sein.“

Alistair trat an meine Seite, während er ebenso wie ich das Treiben der Kerkermeister des Zirkels beobachtete.

In einiger Entfernung erblickte ich einen Mann, der an einem Tisch über mehreren Dokumenten stehend gelehnt war. Sein Haar wie auch Bart waren bereits vollkommen ergraut. Dies musste Greagoir sein, was auch dadurch zu vermuten war, dass er den zwei Templern an seiner Seite Befehle zu geben schien und sie salutierend von seiner Seite wichen, während er dortblieb. Weiter die Dokumente beachtend, während er müde wirkte. Natürlich, immerhin waren sie schon seit einigen Tagen die Torwächter, die verhinderten, dass Ferelden neben der Verderbnis auch noch Dämonen bekämpfen musste.

Wir traten weiter in die Eingangshalle hinein und mit einem Mal war es still. Die Templer blieben allesamt stehen und auch Greagoir blickte überrascht von der aufkeimenden Stille auf und wie bei dem Rest seiner Soldaten legte sich seine Aufmerksamkeit auf uns. Schon aus der Entfernung konnte man die Zornesader auf der Stirn des Templerkommandanten pochen sehen, während er schnellen Schrittes um seinen Tisch herumlief, direkt auf uns zu.

„Ich habe Carroll ausdrücklich zu verstehen gegeben, niemanden in den Turm zu lassen, und doch ist hier ein ganzer Trupp von Männern. Was hat das zu bedeuten? Erklärt Euch!“ In den müden Augen loderte augenblicklich ein Feuer und sein von Alter gezeichnetes Gesicht strahlte eine Autorität aus, die sogleich klarstellte, warum es sich bei diesem Mann um den Kommandanten dieses heiligen Ordens handelte.

„Kommandant Greagoir, verzeiht die Störung, die nicht unglücklicher sein könnte, doch wir sind Graue Wächter. Die Verderbnis steht vor der Tür.“

„Es tut mir leid, das sagen zu müssen, Grauer Wächter, doch Ihr werdet hier keinen Verbündeten finden. Ich kann keinen meiner Männer entbehren und die Magier sind … indisponiert. Offen gestanden, der Turm ist nicht unter unserer Kontrolle. Abscheulichkeiten und Dämonen machen die Hallen des Turms unsicher. Ihr habt Eure Verderbnis vor der Tür, und die unsere halten wir hinter ihr.“

Er holte Luft uns sprach den Satz aus, der bei Templern und Magiern gleichermaßen für Schrecken sorgte: „Der Zirkel ist verloren. Der Turm ist gefallen.“
 

Bei meinen Kameraden breitete sich der Schock aus, außer bei Sten und Morrigan, die öffentlich ihrer Scheißegal-Haltung treu blieben. Leliana wusste zwar durch mich, dass etwas im Turm nicht stimmte, doch dass es gleich solch ein Extremfall war, damit hätte sie wohlmöglich nie gerechnet.

„Wie ist dies geschehen?“ Alistair war es, der Greagoir die Frage stellte.

„Das wissen wir nicht. Wir haben lediglich Dämonen und Abscheulichkeiten gesehen, wie sie sowohl Magier wie Templer jagten. Ich erkannte, dass wir keinerlei Chance besaßen, völlig überrumpelt von diesem Angriff, also befahl ich den Rückzug.“

Er versuchte stark zu wirken, seinen Männern zuliebe, um deren Moral nicht noch gänzlich weiter auf den Tiefpunkt zu bringen, doch selbst bei all der Mühe, die er sich gab, erkannte man sein sorgenvolles Gesicht.

„Wir werden dort hineingehen und den Zirkel retten.“ Der Templerkommandant sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

„Meint Ihr das ernst? Ihr wisst nicht, worauf Ihr Euch da einlasst, Wächter.“

„Wenn es eine Chance darauf gibt, Unschuldige zu retten und eine Katastrophe zu verhindern, sind wir dabei. Gebt uns lediglich Euer Wort, wenn wir uns um Euer Problem gekümmert haben, dass Ihr uns unterstützt, wie es die Verträge verlangen.“

„Wenn Ihr es irgendwie schaffen solltet, den Turm zurückzuerobern, sag ich Euch alle Hilfe zu, die ich imstande anzubieten bin, doch das ist verschwendete Mühe. Wir haben bereits einen Boten nach Denerim geschickt, um das Recht der Auflösung zu beantragen.“

Alistair neben mir zog scharf die Luft ein, als Roland nach vorne trat.

„Das Recht der Auflösung? Was bedeutet dies?“

„Das Recht der Auflösung …“, begann Alistair zu erzählen und wandte sich an Roland, „… ist für den seltenen, aber möglichen Fall, dass ein Zirkel nicht mehr unter der Kontrolle der Templer steht. Sie beantragen das Recht der Auflösung bei einer obersten Klerikerin und sollte dem zugestimmt werden, stürmen die Templer den Zirkel und löschen ihn komplett aus.“

„Im Klartext …“, mischte ich mich nun ein, während ich mich meinen Kameraden zuwandte, „… alles was sich dort bewegt, ob Freund oder Feind, wird hingerichtet.“

Das blanke Entsetzen hatte in den Gesichtern meiner Kameraden ein Zuhause gefunden, außer natürlich bei den gewohnten zwei Eissäulen, was Empathie betraf.
 

„Ich habe Euer Wort und meinen Willen, Unschuldigen das Leben zu retten. Macht schon das Tor auf, jede einzelne Sekunde zählt!“ Greagoir schien überrascht, wie entschlossen ich wirkte. Ehrlich gestanden? Ich hatte keinen Bock auf das, was uns erwartete, doch jegliches Klagen würde auch nicht helfen. Es war nun einmal meine Pflicht. Der Grund, weswegen mir diese Truppe folgte. Der Grund, weswegen Flemeth mir vertraute.

„Nun gut, aber sobald hinter Euch das Tor zu ist, gibt es kein Zurück. Ihr seid auf Euch alleine gestellt. Ich öffne erst das Tor, sobald mir der erste Verzauberer Irving persönlich von der Sicherheit des Zirkels berichtet.“ Mein Nicken genügte zur Antwort und er gab seinen Männern den Befehl, das Tor zu öffnen.

„Unnötiger Ballast hier in der Ecke abstellen. Wir brauchen jeden Vorteil für den Kampf, den wir haben können, unsere Geschwindigkeit zählt dazu.“ Ich mahnte meine Gefährten, die es mir gleichtaten. Und nachdem sie ihre Rüstung und Waffen, wie auch anderes Nützliches für den Kampf vorbereitet hatten, durchschritten wir besagtes Tor, das hinter uns mit einem lauten Knall zuflog. Nun gab es kein Zurück mehr. Und dem Geruch nach wäre ich lieber wieder zurückgegangen. Es stank. Verbranntes Fleisch, Verwesung und selbst der metallische Geruch von Blut lag in der Luft. Eine Tinktur an übelkeitserregenden Gerüchen, die einen sogleich attackierte.

Während die meisten meiner Kameraden ihrem Ekel mit Worten eine Bühne boten, waren es meine beiden Mabaris, die lediglich, so schien es, die Nase rümpften und dann aufmerksam nach vorne schritten. Beneidenswert, wie leicht sie dies abtaten, war der Gestank für sie doch um so vieles unerträglicher als für uns. Beneidete man Tiere doch sonst so gerne um ihren Geruchssinn, war dieser Neid, im Hier und Jetzt, gänzlich verflogen.

„Waffen bereithalten!“, bellte ich den Befehl an meine Gefährten, die diesem nachgingen. Ich wusste zwar, dass uns hier noch nichts erwarten würde, doch war es so unrealistisch, dass sich das vielleicht auch verändert hatte, nach bereits so vielen Änderungen?

Ich schritt voran, dicht gefolgt von meinen Gefährten, und nur nach wenigen Metern erkannte ich auch schon den ersten Leichnam auf unserem Weg. Ein junger Elf, leblos in seiner eigenen Blutlache liegend, während sein Brustkorb weit offen stand, seine Gedärme offenbarend.

„Das sieht aus, als wäre er von einem wilden Tier aufgeschlitzt worden!“, teilte uns Leliana ihren Eindruck für diese Szenerie mit, ob man diesen hören wollte oder nicht. Und sie lag mit dieser Beurteilung nicht einmal so sehr daneben, wie man vermuten mochte. Abscheulichkeiten waren doch im Endeffekt mutierte Körper der Menschen, von Dämonen beherbergt, und der Mensch war ja auch bekanntlich ein Säugetier. Auch wenn dieser alles daransetzte, sich soweit wie möglich vom Tier zu entfernen, was eigene Charakteristiken betraf, doch das war unmöglich. Offiziell würden auch wir stetig als Tier gesehen werden und das zu vollem Recht. Wenn man Sten fragte, würde er meine Gedankengänge sicherlich mit voller Zustimmung bestätigen. In Mass Effect war es Javik, der stets übelgelaunt war und einen Primitivling nannte, hier war es der große Qunari der diese Meinung teilte. Wie es wohl wäre, in der Mass Effect Welt gelandet zu sein? Nein, ich musste mich auf diese Mission konzentrieren, sonst wäre ich verloren.

„Nun erkennt Ihr den Ernst der Lage.“ Eindringlich blickte ich sie alle an, bedacht darauf, tatsächlich zu erkennen, dass sie es verstanden. Es schien so. Noch einmal blickte ich auf den Toten, ehe ich mich erhob, hatte ich mich scheinbar aus reinem Instinkt neben die Leiche hingekniet.

„Vielleicht sollten wir mal dorthinein blicken.“ Mit meinen Kopf nickte ich zur ersten nahenden Tür, auf die ich auch sogleich zuschritt.

„Das Quartier der Schüler, oder?“, stellte ich die Frage an Alistair, der sich ja als beinahe Templer auskennen sollte, obwohl ich die Antwort bereits wusste. Er nickte nur, fassungslos von der Szenerie, die sich uns allen darbot, als wir die Türschwelle überschritten. Betten waren umgeschmissen und zertrümmert worden. Kissen in Fetzen gerissen. Blutflecken waren rund herum auf sämtlichen Gegenständen verteilt, was nur eines bedeuten konnte: Die Opfer der Abscheulichkeiten wurden restlos ausgelöscht, anders als unser toter Elf vor der Tür.

„Lasst uns gehen. Irgendwie habe ich den Eindruck, das wird nicht das Schlimmste sein, das wir heute noch in diesem Turm erblicken.“ Alistair nickte nur, als wir uns umdrehten und auch die restliche Truppe Platz machte, damit wir den Raum verlassen konnten. In den Gesichtern meiner Gruppe war die Anspannung, die dieser Ort verbreitete, erkennbar. Scheinbar hatte ich mein Ziel erreicht, ihnen, bevor wir in die Schlacht gingen, den Ernst der Lage mit diesem Raum noch ein Stückchen intensiver in die Köpfe zu bringen. Das war gut. So wären sie nicht „so“ sehr überrascht, wenn sie diesen Kreaturen gegenübertraten, wie sie es dann waren. Denn dass man überrascht war, wenn man Abscheulichkeiten das erste Mal gegenübertrat, wäre nur verständlich. Denn selbst mich würden sie beim ersten Anblick sicherlich erschrecken und ich wusste, was für Gefahren in diesem verdammten Turm hausten.
 

Also schritten wir weiter durch die Gemäuer des Turms, bis wir zu einer großen Halle kamen, in der die restlichen Überlebenden Unterschlupf gesucht hatten. Doch im Gegensatz zum Spiel waren es hier nicht nur eine Handvoll, nein, es waren über dreißig Magier und Magierinnen, vielleicht sogar mehr.

„Wer ist da?“ Kaum hatten wir die Halle betreten, war eine ältere, ergraute Frau auf uns aufmerksam geworden. Die Menge der Magier teilte sich auf und machte ihr somit Platz, sodass sie auf uns zuschreiten konnte. Ich erkannte sie natürlich sogleich. Nicht nur durch mein Wissen, sondern da ich auch schon das Vergnügen ihrer Bekanntschaft hatte.

„Werte Wynne, ich bin es, Aidan, der Wächter-Rekrut aus Ostagar.“

„Aidan? Was macht Ihr denn hier?“ Aus der Nähe konnte ich erkennen, wie ihr in Ostagar für ihr Alter noch recht junges Gesicht gealtert war. Dank der Verantwortung, die sie auf sich nahm, diese ganzen Magier zu beschützen. Ich bemerkte auch, wie eine für mich unbekannte Magierin neben ihr ebenfalls zum Stehen kam. Sie besaß offenkundig langes, blondes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, während eine grüne Robe ihren schlanken Körper zierte. Ihre smaragdgrünen Augen musterten mich und meine Truppe neugierig, was auch absolut verständlich war. Schließlich waren wir ja aus der Außenwelt. Der Welt außerhalb dieser Mauern, die diesen Magiern oftmals verwehrt wurde. Und in unserer Truppe gab es ja auch noch einen Qunari und zwei Mabari. Vertreter ihrer jeweiligen Art, die wohl noch nie in diesem Zirkel anzutreffen waren.

„Mein Wächterkollege hier …“, ich schlug Alistair auf den Rücken, der mich aufgrund dieser Geste nur verwundert anblickte, „… und ich sammeln Verbündete für unseren Kampf gegen die Dunkle Brut. Ein paar haben wir schon gefunden, wie Ihr an unserer Gruppe erkennen könnt, doch unsere Mission hier war es, die Zirkelmagier zur Unterstützung zu bewegen. Doch offensichtlich gibt es hier eigene Probleme, bei denen wir bereit sind, unsere Hilfe anzubieten.“

„Ihr wollt uns helfen? Wir hatten vermutet, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Greagoir das Recht der Auflösung beantragen würde.“

„Tatsächlich …“, die Bedrückung war nun Gast in meinem Gesicht, als ich ihr nun die schlechte Kunde übermittelte, „… hat er dies schon. Vor Tagen.“

„Dann steht es noch schlechter um uns, als ich dachte. Feinde vor uns und wohlmöglich bald hinter uns.“

„Nicht, wenn ich das verhindern kann!“, kam es mit solch Überzeugung aus meiner Kehle, die die ältere Zauberin zu überraschen schien.

„Wir sind nicht ohne Grund hierhergekommen. Wenn wir den Zirkel vor der Bedrohung erlösen und Greagoir den ersten Verzauberer bringen, ist der Zirkel gerettet. Doch dafür müssen wir uns sputen.“ Wynne nickte.

„Ich verstehe. Ich werde euch begleiten und unterwegs alles erklären, doch lasst mich vorher mit meinen Leuten reden.“

Nun war es an mir zu nicken.
 

„Ich werde auch helfen!“, beschloss urplötzlich die Blonde neben der älteren Magierin, als diese ihre junge Kollegin anblickte.

„Seid Ihr Euch sicher, Solona? Ihr seid gewiss eine talentierte Magierin, doch …“

„JA, DAS BIN ICH!“, schrie sie, die Magierin unterbrechend, weswegen Wynne schwieg.

„Ich möchte für meine Heimat kämpfen und mich beweisen. So wie es diese Fremden tun.“

Die Dienstältere blickte mich an und mit einem Nicken meinerseits hatte ich ihre stumme Frage beantwortet.

„Nun gut, du darfst mit“, seufzte sie nur, ehe sie zu ihren Magierkollegen trat und uns alleine ließ mit der Jüngeren. Diese lächelte mich an, während ihre smaragdfabenen Iriden freundlich auf mir lagen, und trat auch näher.

„Solona Amell, erfreut Euch kennenzulernen.“ Sie reichte mir die Hand, die ich auch sogleich ergriff.

„Aidan Cousland, gleichfalls, werte Magierin.“

Von außen her war ich die Ruhe selbst, doch innerlich spielte ich verrückt. Solona Amell. Sie war die Wächterin, wenn man die Magierorigin spielen würde. Das war … unerwartet. Lag es daran, dass ich schneller hier ankam, da man im Spiel ja schließlich drei Tage verschlief, wenn ich mich richtig erinnerte, und ich scheinbar, wie auch Alistair, nur einen Tag verschlafen hatte? Also besaßen wir Zeit, die wir sonst nicht gehabt hätten. War das nicht die Zeit, in der diese junge Magierin dann vorangeschritten war, um alleine im Turm für Ordnung zu sorgen? Hieß es im Spiel nicht, dass diese Magierin vor Kurzem losgegangen wäre, ohne dass man einen Namen nannte im Spiel, oder hatte ich schon wieder etwas verwechselt? Das Spiel war ewig her und ich konnte mich ja nicht mehr an alles erinnern. Wenigstens an die wichtigsten Dinge konnte ich mich erinnern und das war notwendig, um in dieser Welt zu überstehen bzw. um einen besseren Verlauf zu haben, als man ihn normal haben würde. Weniger Verluste. War die Zeit tatsächlich mein Freund? Wenn man die Tatsache, dass die Magier-Wächterin noch lebte sowie auch so viele Magier hier vor Ort als Überlebende waren, in Betracht nahm … konnte man tatsächlich davon ausgehen. Doch was war mit Wynne? War diese schon diesem Dämon im Kampf begegnet, der sie tötete, wodurch sie erst diesem gutherzigen Geist begegnete, der sie am Leben hielt? Oder war ich auch hier der Zeit voraus. Ich hoffte nicht, denn das wäre tatsächlich problematisch. Bei Möglichkeit sollte ich sie fragen, diskret versteht sich.
 

„Was ist mit Euch?“, drang es in meine Ohren, als ich Lelianas Stimme vernahm, die sich neben mich gestellt hatte. Meine Gefährten hatten sich mittlerweile alle etwas verstreut und auch die junge Amell-Magierin war erneut an Wynnes Seite gerückt. Meine blaugrauen wanderten zu den blauen Iriden des Rotschopfs.

„Dies ist die entfernte Verwandte Eurer Freundin Hawke. Amell. Wie ihre Familie in Kirkwall heißt.“ Ich nickte in die Richtung, in welche der Blondschopf scheinbar verschwunden war, während sich meine Gedanken überschlagen hatten.

„Und das verwirrt Euch so sehr?“

„Nein.“

„Was ist es dann?“, wollte sie neugierig wissen.

„Wisst Ihr noch, wie ich Euch erzählte, dass man am Anfang des Spiels seinen eigenen Wächter samt Herkunftsgeschichte erstellen kann?“

„Natürlich, so etwas Absurdes und doch offenkundig Wahres kann man nicht so einfach vergessen“, kam es schmunzelnd über ihre Lippen, was ich gekonnt ignorierte, da die Situation für mich zu ernst war aufgrund meiner verschiedenen Gedankengänge.

„Sie …“, erneut nickte ich zu der jungen Amell-Magierin herüber, „… wäre nun eure Anführerin, wenn der Graue Wächter Duncan anstelle nach Highever hierhergekommen wäre. Normalerweise trifft man keinen der anderen Charaktere, die sonst die Gruppe anführen würden, da sie sonst tot sind.“

„Das ist doch gut, dass sie überlebt hat, oder?“, stellte sie mir lächelnd die Frage.

„Ja. Da ich weiß, dass sie eine große Hilfe sein wird. Doch wieder hat sich etwas verändert.“

„Ins Positive.“ Sie wollte die Stimmung etwas bessern, da sie so bedrückend war, dank der Kämpfe, die uns noch bevorstanden.

„Das bleibt abzuwarten. Wenn ich eines im Leben gelernt habe, dann dass man das Schicksal nicht herausfordern sollte. Desto besser unsere Zufälle, desto mächtiger bekommen wir später einen Schlag ins Gesicht.“

„Müsst Ihr es so schwarz sehen?“ Sie schien etwas genervt von dieser Sichtweise, die ich ihr offenbarte.

„In dieser Hinsicht, ja. Denn es gibt durch ihr Überleben so viele Sachen, über die ich nachdenken muss und das Gesetz der Kausalität lässt sich nicht betrügen.“

In ihren Augen lag Verwirrung, die ich erkannte und daher wusste, was sie als nächstes fragen würde, noch bevor sie ihre Frage ausgesprochen hatte.

„Das Gesetz der Kausalität? Was besagt dieses?“

„Ein bekannter Begriff aus meiner Welt. Kausalität beschreibt Ursache und Wirkung. Wenn A etwas tat, durch das B entstanden ist. In unserem Fall könnte es bedeuten, dass A, diese junge Magierin überlebt hat, und B, wir dafür ordentlich was zu tun bekommen.“ Ich erläuterte ihr gegenüber meine Sichtweise.

„Oder …“ Sie lächelte nun wieder, während sie auf mich deutete. „… A, Ihr seid in diese Welt gekommen und dadurch entstand B, sie überlebt.“

Lächelnd verdrehte ich nun die Augen. Dass sie so schnell meine Worte gegen mich verwenden würde. Typisch Frau.

„Ich lass Euch mal Eure Theorie, mal davon abgesehen, dass ich es mir wünschen würde, dass Ihr recht behaltet.“
 

Ich schritt näher an die Barriere, die die Haupthalle von dem Rest des Turms abschnitt, als sich plötzlich eine Magierin in meinen Weg stellte. Feuerrotes, langes Haar, das sie zusammengebunden trug und mich aus ernsten Augen heraus anblickte.

„Darf ich Euch für einen Moment sprechen, Wächter?“

„Ihr? Immer!“ Verwunderung legte sich für einen Moment auf ihr Gesicht, als sie sich dann einfach umdrehte und einige Schritte weiter wegtrat, wo wir uns ungestört unterhalten können würden. Verdammte Vorliebe für Rotschöpfe und schöne Frauen.

„Wie darf ich Euch helfen?“, stellte ich meine Frage, als ich auch bei der jungen Frau angekommen war.

„Mein Name lautet Petra und ich wollte Euch um etwas bitten. Ich weiß nicht, wie ich es Euch sagen soll, aber …“

„Ich soll auf Wynne aufpassen?“ Mir fiel nun wieder die Person ein, mit der ich es zu tun hatte. Sie nickte.

„Ja. Wynne ist durchaus in der Lage, alleine für sich zu sorgen, doch erst vor Kurzem trug sie einen Kampf mit einem Dämon aus, der mich angriff. Sie beschützte mich, aber der Dämon erwischte sie. Sie lag leblos am Boden und ich dachte schon, es wäre um sie geschehen, doch dann stand sie zum Glück wieder auf.“

Meine Frage hatte sich somit von selbst beantwortet: Wynne trug schon den Geist in sich. Ein Glück.

„Ich bitte Euch, habt ein Auge auf sie.“

„Das werde ich, versprochen.“ Sie lächelte aufgrund meiner Worte und ich freute mich, einer jungen Frau eine Sorge abgenommen zu haben. Eine von zahllosen, gemessen an der derzeitigen Lage.

„Habt Dank.“

Ohne ein weiteres Wort wandte ich mich von der hübschen Magierin ab, nur um mich zu meiner Gruppe zu begeben, die an der Barriere auf mich wartete.

„Seid Ihr bereit?“, sprach mich Wynne an, doch ich wendete mich direkt an meine Truppe.

„Zieht eure Waffen! Nahkämpfer nach vorne, Fernkämpfer dahinter!“, bellte ich erneut meine Befehle, was der Trupp auch gleich einhielt, so dass ich mich nun direkt neben Sten und Alistair befand, während Wynne die Barriere fallen ließ und sich hinten einreihte in unsere Frauenfront, befüllt mit Leliana und Morrigan. Also … Sonne und Mond, wenn man sie derzeitig etwas vom Charakter verglich. Ich schüttelte den Kopf. Bloß nicht ablenken lassen, hier wurde es schließlich gleich ernst.
 

Und das wurde es. Sehr ernst sogar. Besonders bemerkbar, als wir die ersten Schritte in die Bibliothek tätigten. War dieser Ort sonst für seine Ruhe und seinen Frieden bekannt – vermutete ich jedenfalls mal, da es sich um eine Bibliothek handelte – erfüllten seine Hallen nun jede Menge Lärm, der nur zu einem bedingten Anteil aus dem Klappern unserer Rüstungen bestand. Vielmehr waren es die wildgewordenen Abscheulichkeiten samt des feurigen Dämons, der auf uns zutrat. Während die Abscheulichkeiten mit ihren gezückten Krallen und lautem Geschrei auf uns zu rannten, den ein oder anderen von uns als ihre Beute bestimmend, glitt der Feurige über den Boden, einer Schlange in der Bewegung in nichts nachstehend. Seine Haut schien aus Lava zu bestehen und in seinen, nicht zum Rest des Körpers passenden, Knopfaugen loderte der Hass der gesamten Menschheitsgeschichte. Ein Dämon des Zorns, der es auf mich abgesehen zu haben schien.

Je näher die Kreatur kam, desto mehr konnte man die Hitze wahrnehmen, die sie ausstrahlte. Doch nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf geistiger Ebene. Als würde sie nicht nur dafür sorgen, dass ich mir am liebsten vor lauter Wärme die schützende Kleidung vom Körper riss, sondern auch meinen Zorn anspornen, blindlings anzugreifen. Ohne Vorsicht. Ohne Taktik.

„Morrigan!“ Die Gerufene hatte scheinbar verstanden, dass sie mir helfen sollte, denn kaum hatte ich mich von einem feurigen Schlag dieser Bestie weggeduckt, war besagte im Eis gefangen. Natürlich wusste ich, dass sie nicht lange in diesem gefangen bleiben würde, gerade durch die selbst ausgestoßene Hitze, die diese aussonderte, doch das musste sie ja auch nicht. Sie musste mir nur eine bessere Angriffsfläche bieten. Mit meinem Schwert schlug ich auf das Vieh ein, das Eis dabei etwas zertrümmernd, doch effektiv, wie ich am Schmerzensschrei bemerkte. Sie war zum Teil wieder frei, also rannte ich so schnell ich konnte auf die andere, noch vom Eis bedeckte Seite und wiederholte meine Tätigkeit. Erneut ein Schrei, doch es war nun wieder frei. Wütend drehte es sich zu mir um, doch kaum wollte es mich angreifen, war es erneut mit Eis bedeckt. Morrigan war spitze. So fiel es mir natürlich besonders leicht, diesen Dämonen so schnell wie möglich wieder ins Nichts zu befördern und wie ich nach meinem kleinen Kampf bemerkte, hatten meine Gefährten auch alles andere als Schwierigkeiten.
 

„Diese Monster sind …“ Alistair blickte angewidert auf das nun untote Geschöpf zu seinen Füßen.

„Abscheulich? Ja, das könnte am Namen liegen. Oder der Name kommt davon. Ihr wisst doch, die Henne und das Ei.“

Verwundert lagen die Blicke auf Solona Amell. War sie doch zuvor noch Feuer und Flamme gewesen, ihre Heimat zu verteidigen, war es nun an ihr, Witze zu reißen. Sie war eindeutig mit einer sarkastischen Hawke verwandt.

„Wie könnt Ihr nur in solch einer Situation Witze reißen? Nach denen da?“, fragte Alistair die Magierin, die lediglich mit den Schultern zuckte.

„Ich mag sie.“

Für einen Moment war es nun an Solona, die mich verwundert anblickte. Vielleicht hatte sie vom Anführer dieser Truppe nicht mit so etwas gerechnet. Viel eher mit einer Rüge, wie es doch soeben Alistair an ihr Ohr trat. Doch nur für einen Augenblick, ehe sich ein schurkisches Lächeln auf ihre Lippen legte.

„Meine Witze oder mich?“

„Suchs dir aus, Blondie.“ Es war nun an mir zu witzeln, ehe ich mit einem Kopfnicken in die Richtung, die vor uns lag, nickte.

„Aber genug jetzt. Wir müssen weiter.“

Und ohne eine weitere Reaktion abwartend schritt ich voran. Der Turm barg noch die eine oder andere Gefahr für uns und ob ich wollte oder nicht, wir mussten sie ja hinter uns bringen. Und wenn ich die Chance bekam zu entscheiden, ob ich etwas Unangenehmes sofort erledigte oder es nach hinten verschob, erledigte ich es lieber so schnell wie möglich. Im Nachhinein konnte ich dann mal den Faulen schieben. Wobei dies in unserer derzeitigen Lage auch sehr zum Nachteil für uns und die Welt wäre. Wächter sein war ein Gott verdammter Fulltime-Job.

Chapter 11 ~ Gefangen im Alptraum

Der Turm war in echt noch um einiges schrecklicher, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Mir je vorstellen konnte, trotz meines riesigen Fantasiereichtums. Auf drei Stockwerken waren wir von Dämonenhorden der verschiedensten Sorten attackiert worden. Wollust, Hunger und Zorn, genauso wie die Abscheulichkeiten, sie alle samt vieler ihrer Vertreter traten uns entgegen. Stets veränderte sich unsere Gefühlslage, als wir diesen Kreaturen entgegentraten, und jedes Mal mussten wir uns wieder neu sammeln. Doch das war eine Herausforderung, die unseren Gruppenzusammenhalt prüfte. Unsere Teamfähigkeit forderte und wie ich mit Freude feststellte, harmonierte die Gruppe wunderbar miteinander. Die beiden Schwert- und Schildträger Alistair und Roland stellten sich oftmals Rücken an Rücken und gaben sich Schutz, wenn der andere es nicht mitbekam und es war kaum ein toter Winkel in ihrer Verteidigung zu erkennen. Für mein noch recht ungeübtes Auge, war ich ja selbst gerade mal etwas über ein Jahr als Schwert und Schildträger aktiv, wobei ich natürlich auch mein Licht nicht unter den Scheffel stellen mochte. Schließlich war auch mein kleines Team recht effektiv, bestehend aus der Magierin Morrigan, der Bogenschützin Leliana, meiner Fellnase Skipper und mir. Während Morrigan die Gegner auf Eis legte und hin und wieder Blitze durch die Gegend schleuderte, schoss Leliana in einer fast schon unmenschlich wirkenden Geschwindigkeit ihre Geschosse umher. Sie hielten mir und Skipper die Dämonen etwas auf Abstand, damit wir auch nicht überrannt wurden, während wir uns um einzelne heranstürmende Kreaturen kümmerten, die uns nach dem Leben trachteten.

Sten schleuderte mit seiner brachialen Kraft die Horden ebenfalls von uns weg oder zerteilte sie auch sogleich. An seiner Seite stand Fenrir, der die Dämonen, die es tatsächlich in die Nähe des Hünen schafften, biss und umriss, sodass sie Stens toten Winkel nicht erreichten und er sie schlussendlich ebenfalls ins Nichts zurückschickte.

Zum Schluss waren da noch die beiden Zirkelmagierinnen. Die Amell-Wächterin war eine junge Meisterin der Elemente, wie mir recht schnell auffiel. Hin und wieder bekamen die Dämonen es mit Steinfäusten, Feuerbällen, Kältekegeln und Blitzschlägen zu tun. Wynne, die Heilerin, sorgte dafür, dass ihrer jungen Kollegin das Mana nicht ausging und sie weiterhin aus der Ferne unsere Truppe unterstützen kann. Es hätte nicht besser laufen können, doch ich wollte an dieser Stelle den Tag nicht vor dem Abend loben, wusste ich doch, dass noch einige harte Nummern auf uns zukamen. Zum einen eine Traumwelt, falls wir es nicht zu verhindern wussten, und zum anderen der gute alte Oberverzauberer Uldred, der den Zirkel erobern wollte. Wynne hatte uns erzählt, was sie über diesen Schrecken, der geschah, wusste und während alle aufmerksam zugehört hatten, konzentrierte ich mich eher, nicht überrascht zu werden von dem, was vor uns lag, schließlich kannte ich die Umstände ja bereits.
 

Ach, beinahe hätte ich noch die indoktrinierten Templer vergessen, die von einem Dämonen der Wollust kontrolliert wurden. Blutmagier, die sich gegenseitig bekämpften und uns sogar gegenüber ergaben und natürlich meine Begegnung mit Owain, der uns ins Bilde setzte und Genaueres über das Geschehen rund um Uldreds Aufstand kundtat. Falls Ihr Euch fragt, wer Owain ist: Es ist ein Besänftigter. Sicherlich seid Ihr in Eurem Leben auch schon dem einen oder anderem Besänftigten über den Weg gelaufen. Könnt Ihr Euch noch an Euren ersten Besänftigten erinnern, als Ihr ihm begegnetet? Für mich selbst war es ein Ereignis, das ich sicherlich niemals vergessen werde. Diese ruhige und unnatürlich kalte Stimme, die er besaß. Seine ruhigen, fast schon tot wirkenden Augen. Die Art, wie er sprach. Seine Gedanken offenbarte. Es war einfach … erschreckend. Ich verstand Personen, die nach ihrer Begegnung mit einem Besänftigten Alpträume hatten. Das Ritual der Besänftigung ist eine Perversion, die ihr in dieser Welt besitzt, die ihresgleichen sucht. Jemandem seine Menschlichkeit zu berauben in solch einer Weise, ist so widerwärtig, dass ich nicht anders kann, als jeden, der dies befürwortet, obwohl er diese Menschen bereits erblickte, alles Schlimme dieser Welt zu wünschen. Verzeiht, doch Ihr wolltet meine ungeschönte, offene und ehrliche Meinung. In meiner Welt gab es auch Grausamkeit, doch das? Dagegen sind unsere Methoden noch human.

Doch belassen wir es, darüber zu debattieren, zumal sie in diesem Manuskript, das ich Euch zusende, ohnehin einseitig sind und ich meine, Eure Meinung zudem bereits zu kennen.
 


 

Mein Blick richtete sich auf eine Tür, vor der wir alle stehenblieben. Automatisch suchte ich den Blick von Morrigan, die diesen erwiderte. Leicht nickte sie und ich tat es ihr gleich. Sie schien verstanden zu haben, um welchen Bereich es sich hierbei handelte. Ich bildete mir ein, erblickt zu haben, wie Leliana unsere Blicke wahrgenommen hatte und deshalb die Stirn runzelte. Merkte sie, dass Morrigan ebenso Bescheid wusste? Keine Ahnung und ich hatte tatsächlich Wichtigeres in diesem Moment zu tun.

„Bereithalten!“, rief ich zu meiner Truppe, die alle ihre Waffen in Händen hielten.

„LOS!“ Und schon öffnete ich die Tür mit vollem Schwung und rannte hinein. Für einen kurzen Moment nahm ich die Gestalt in deren Mitte wahr, die gelangweilt den Leichnam am Boden beäugte.

„Welch Lärm.“ Die Kreatur wandte ihre Aufmerksamkeit auf mich, während ich entschlossen, mit Schild und Schwert in Händen, auf es zulief. Doch mit jedem Schritt, dem ich mich diesem Ungetüm näherte, wurde ich langsamer. Meine Augenlieder wurden schwerer, doch der Lärm, der hinter mir stattfand, wies mir auch auf, dass es mir meine Kameraden gleichtaten. Doch vermutlich erging es auch ihnen nicht gerade anders.

„AHHHH!“, vernahm ich den Dämonen der Trägheit, der von einem Blitz getroffen wurde.

„Wie unhöflich. Doch lasst mich euch einen neuen Start anbieten. Ihr seht alle recht müde aus. Legt euch doch für einen Moment hin.“

Mit jedem seiner Worte gaben meine Gliedmaßen etwas mehr nach.

„HÖRT NICHT AUF IHN!“ Doch meinem eigenen Worten konnte ich nicht folgeleisten. Erst fiel mir mein Schild aus der Hand und dann mein Schwert. Meine Augen schlossen sich und mein Bewusstsein verabschiedete sich in die Traumwelt.

Ich hatte verloren.
 


 

Ein Gähnen entwich seiner Kehle. Er blickte auf die aktuell brennende Kerze in ihrer Lampenhalterung. Eine von vielen, die er heute angezündet hatte, um an seiner Basierung der Ereignisse weiter schreiben zu können. Er öffnete die Klappe zur Kerze und blies sie aus. Für heute würde er Feierabend machen. Und mit dieser Einstellung erhob er sich von seinem Stuhl und streckte sich erst einmal. Er spürte es in seinen Knochen, dass er schon eine ganze Weile gesessen hatte und selbst in seiner rechten Hand, mit der er die Feder hielt, war eine kleinere Art von Krampf erschienen. Sanft massierte er sich das Gelenk, während er zu seiner Liebsten blickte, die sich, als habe sie sich den ganzen Abend nicht bewegt, in derselben Position befand, als er die Räumlichkeiten betrat. Nur der Band des Buches wie auch die Seitenzahl, an dem sie gerade saß, offenbarten ihre Bewegungen, die sie getätigt hatte.

Seine Schritte trugen ihn zu ihr und erst jetzt bewegte sie ihren Oberkörper wie auch ihr Gesicht, um ihn anzulächeln.

„Bist du für heute fertig?“, stellte sie ihm die Frage, während er sie von hinten umarmte und nun seinen Kopf gegen den ihren sanft presste. Ein kleines Kuscheln zwischen Liebenden.

„Ja. Mir brennen leicht die Augen und auch meine Muskulatur leidet durchs ständige Sitzen. Ich werde alt.“

Ein empörter Lacher entwich ihrer Kehle, als sie sich aus seiner Umarmung befreite und ihn spielerisch böse anblickte.

„Der Jungspund behauptet, Besuch vom Alter zu bekommen?“

Er lächelte lediglich, während er ihre Hände noch immer in den seinen hielt.

„Ich gehe zu Bett. Bleib nicht zu lange fort.“ Und schon zog er sie zu sich, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu verpassen, auf ihren Satz nicht eingehend.

„Ich werde es versuchen“, entkam es ihren Lippen, als sie sich wieder voneinander lösten. Er nickte lediglich, strich ihr lächelnd noch einmal über den Handrücken ihrer Hände und verschwand dann aus dem Raum.

Nun war sie nur noch alleine in der Bibliothek. Erst blickte sie erneut auf das Buch und die Notizen, die sie auf ihrer Arbeitsfläche hatte, ehe dieser sich auf den Papierhaufen ihres Liebsten richtete. Konnte sie einen Blick wagen? Schließlich wusste sie ja, um was es sich dabei handelte. Sie lächelte. Natürlich konnte und würde sie, und vermutlich rechnete er sogar damit. Also setzte sie sich an den Platz, den ihr Liebster stundenlang besetzt hatte und erleuchtete die Kerze, die er vor wenigen Augenblicken noch ausblies. Sie hob das erste Blatt an und schon flogen ihre Augen über die Zeilen. Dies tat sie auch mit dem nächsten Blatt. Und dem, das danach kam. Bis sie schlussendlich alle Blätter gelesen und somit die Gedankengänge Alexanders verinnerlicht hatte. Sie wusste natürlich, dass er hin und wieder etwas aus diesen Notizen gestrichen hatte oder wissentlich nicht aufschrieb. Wissen, das für Dorothea und jeden anderen, der diese Notizen las, nicht bestimmt war. Auch für sie selbst. Schließlich gab es Wissen, das er für sich alleine behalten wollte. Eine Last, die nur er zu tragen hatte, wie er ihr so oft mitteilte. Sie verdrehte ihre Augen, als sie an diese Gespräche mit ihm zurückdachte, die sie so oft nervte.

„Hm.“ Ihre Gedanken schweiften zurück an besagten Tag, den er nun versuchte mit seinen Worten in Zeilen wiederzugeben. Ihr kam eine Idee. Vielleicht sollte auch sie einen winzigen Teil aufschreiben. Und während sie diesen Gedanken noch im Kopf verarbeitete, war ihre Schreibehand schon längst zur Feder gewandert und hielt sie fest gepackt. Ihr Körper hatte bereits für sie entschieden.
 

Ich erinnerte mich nicht. Nicht daran, wie ich in diesem Augenblick hierhergekommen war. Doch ich erkannte den Ort. Es war die Kirche, in welcher Mutter Dorothea das Sagen hatte, denn selbige stand auch neben mir und schaute geduldig auf mich herab. Herab? Ja, denn ich befand mich knieend vor der Statue von Andraste. Die Gemahlin des Erbauers schien in ihrer Güte auf mich hinunterzublicken. Mir Stärke auf meinem Weg zu geben und mir mitzuteilen, dass sie stets über mich wachen würde.

„Was … tue ich hier?“, stellte ich meine Frage an Mutter Dorothea, die mich lediglich anlächelte.

„Was redet Ihr da, Mädchen? Ihr befindet Euch gerade in Eurer Kontemplation.“

Überrascht blickte ich sie an. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, wie ich in diese Situation gelangte, doch wenn Dorothea dies sagte, musste es ja der Wahrheit entsprechen. Zudem trug ich die Tracht der Schwestern, also musste es einfach stimmen.

Also begann ich mit dem Rezitieren des Gesangs des Lichts. Ich wusste nicht, bei welcher Stelle ich aufgehört hatte, doch es konnte nicht schaden, ihn von neuem zu beginnen. Es musste eine ganze Weile vergangen sein, seit ich damit begonnen hatte, doch mit einem Mal hörte ich jemanden, der an uns herangetreten war.

„Leliana, kommt zu Euch!“

Meine Aufmerksamkeit legte sich direkt auf den Fremden.

„Kennen wir uns?“ Woher wusste er, wer ich war und was hatten überhaupt seine Worte zu bedeuten? Ich stand auf, um ihm besser ins Gesicht blicken zu können.

„Wir nicht, doch derjenige, der meinen Körper derzeit beansprucht.“

Was sollte das jetzt bedeuten?

„Was soll dieses eigenartige Gerede?“ Er lächelte mich lediglich an.

„Bitte verlasst diese Kirche. Ihr stört sie mitten in ihrer Kontemplation. Ist Euch denn nichts heilig?“ Dorothea wandte sich recht barsch an den Fremden, der sie zu ignorieren schien.

„Leliana, Ihr seid nicht mehr hier. Ihr seid in Ferelden. Wir sind im Zirkel der Magi. Wir haben Lothering, Euer Kloster, bereits verlassen und sind in den Zirkel gegangen, um ihn zu retten. Und nun brauche ich Eure Hilfe.“

Verwirrt blickte ich ihn an. Ich wusste noch immer nicht, was ich über diesen offensichtlich verwirrten Geist denken sollte.

„Mein Name lautete Aidan Cousland. Denkt noch einmal über diesen Namen und mein Äußeres nach. Denkt an das, was ich Euch eben verriet. Und über das, wie Euer Werdegang nach dieser Kirche hier verlaufen ist. Über Eure Vision, die Ihr vom Erbauer erhalten habt. Bitte.“

„Woher?“ Ich war verdutzt. Er konnte dies doch gar nicht wissen. Also tat ich ihm den Gefallen, über besagte Dinge nachzudenken, und erkannte einzelne Erinnerungsfetzen, die sich verschwommen bildeten. Wie Träume, die ich einmal hatte und wieder in mein Bewusstsein wollten.

„Es ist … alles so verschwommen.“

Dorothea blickte wütend auf den Fremdling, ehe sie auch zu mir blickte. Diesen Ausdruck hatte ich an ihr, an mich gerichtet, noch nie erkannt.

„Ich … mussten wir nicht noch irgendetwas erledigen?“ Ich erinnerte mich. An die Begegnung mit dem Wächter. Unsere Gespräche. Dieses Tagebuch, das ich in Händen hielt. Und diesen Turm.

„Ihr seid nicht real!“ Meine blauen Iriden richteten sich auf diese falsche Dorothea und augenblicklich verzog sie ihr Gesicht zu einer hässlichen Grimasse. Sie schrie wie am Spieß, doch bevor dieser Fremde … nein, Aidan, etwas tätigen konnte, hatte ich auch schon meine Dolche in ihren Hals gesteckt und sie fiel tot zu Boden. Mein Kirchengewand war verschwunden und wich meiner, seit wir unser Abenteuer begannen, gewohnten Lederrüstung.

„Es freut mich Euch kennenzulernen, Leliana.“

Für einen Moment blickte ich den Wächter verwirrt an, bis mir die Gewissheit kam.

„Ihr seid nicht er.“

Aidan schüttelte lediglich sein Haupt, bis er auf eine Tür, nicht unweit von uns, deutete.

„Dort befindet er sich. Ich habe es schon probiert, ihn zu befreien, doch ich bin ihm zu fremd. Mit meinem Äußeren wäre es nur, als würde er eine ähnliche Version von sich selbst begegnen. Es wirkt für ihn, als würde er lediglich träumen, ohne wach zu werden. Er nimmt mich nicht richtig wahr. Doch bei Euch habe ich ein besseres Gefühl.“

„Weshalb glaubt Ihr dies?“

„Ich höre seine Gedanken, während er mit meinem Äußeren herumläuft. Er hegt eine überaus hohe Meinung von Euch.“

„Und das, obwohl er mir vorwirft, ihn wohlmöglich umbringen zu können, sobald ihr beiden euch trennt?“ Er lachte lediglich.

„Das meint er nicht ernst. Er will Euch nah sein, doch nicht, während er in meinem Körper haust und zudem ist er verdammt schüchtern, was Euch, oder in seinen Augen schöne Frauen, betrifft. Er will es nur nicht zugeben, daher besagter Gedankengang, den er aussprach, Euch gegenüber.“

Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, also nickte ich lediglich. Darüber würde ich mir noch Gedanken machen.
 

„Also geht Ihr zu ihm, während ich diese Tür nehme?“ Er deutete auf die andere Seite, wo sich tatsächlich eine Tür befand.

„Wir müssen die anderen auch aus ihrer Traumwelt befreien.“

„Gut. Dann machen wir uns ans Werk.“

Und entschlossen ging ich auf die Tür zu, hinter der ich den echten Alexander erblicken sollte.
 

Für einen Moment war alles um mich herum so hell, dass ich meine Augen schließen musste. Doch nicht für lange. Ich blickte mich um und war in eine kleine Welt der Wunder gestoßen. Ein langes, recht elegant wirkendes Sofa aus reinem Leder. Ein schwarzer, recht flacher, aber großer Kasten, der an die Wand gelehnt war, brachte mich zum Staunen. Denn in besagtem Kasten befanden sich Menschen, die sich stetig bewegten und lautstark miteinander sprachen. Ihre Perspektive änderte sich stetig. Manchmal sah man sie ganz nah mit ihrem Gesicht und lediglich nur eine Person und im nächsten Augenblick eine ganze Gruppe von Menschen. Doch wie war das möglich? War das diese Technik, die er mir versucht hatte, näher zu bringen, als er die Kristallkugel als Beispiel nannte? Es war etwas, über das ich ihn dringlichst befragen musste.

Als nächstes fiel mir das Licht auf, das an seiner Wand hing. Es wechselte stetig seine Farbe. Rot. Orange. Blau. Grün. Alles war zu erkennen und doch handelte es sich hierbei um keinerlei Kerzen oder etwas dergleichen, auch offenkundig um keine Magie. Es war … ein Schlauch? Auch waren an den Wänden Bilder, von denen sich manche zu bewegen schienen. Ein Wasserfall war abgebildet, als würde er fließen und leuchten, und doch blieb alles im Rahmen. Was war dies nur für eine sonderbare Welt?

Meine Schritte trugen mich weiter in dieser Wohnung umher. Bilderrahmen. Eine etwas älter wirkende Frau, scheinbar in ihren Fünfzigern, mit kurzen schwarzen Haaren, wurde abgebildet. In einem anderen befand sich ein Mann mit schwarzem, längerem Haar, geschätzt in einem gleichen Alter wie diese Frau. Und dann gab es noch andere Bilder. Mehrere Personen auf diesen, doch sie hatten eines gemeinsam: ein junger Mann mit kurzgeschorenem, dunkelbraunem Haar, der lächelnd auf diesem abgebildet war. Ab und an besaß er mal mehr, mal weniger Bartwuchs. Blaugraue Augen nannte er sein Eigen und besonders fiel mir diese gewisse Ähnlichkeit mit Aidan auf. Hierbei musste es sich um ein Bild des eigentlichen Körpers von Alexander handeln.
 

Und ich wollte noch Abschied nehm'n

Das werde ich mir nie vergeb'n

Mann, wie konntest du von uns geh'n?

Jetzt soll ich dich nie mehr seh'n
 

Überrascht blickte ich in die Richtung, aus der ich diese Worte jemanden scheinbar singen hörte. Es musste scheinbar aus einem der Nebenräume gekommen sein, also schritt ich weiter in das Innere dieser Wohnung oder des Hauses, wusste ich ja noch nicht, um was es sich hierbei genau handelte, um dieser Gesangsstimme zu folgen. Zwei Türen hatte ich vorher noch geöffnet und dessen Inneres wie ein staunendes Kind bewundert, bis ich an meinem Zielort ankam. Eine Tür, die nach draußen führte. Und kaum trat ich über die Türschwelle, veränderte sich meine Sicht und vor mir erstreckte sich ein großer Garten. Mehrere Personen, Erwachsene wie auch Kinder, waren vor Ort. Sie alle trugen schwarze Kleidung und schienen auf eine bestimmte Stelle zu blicken.
 

Verzeih mir all die Dinge, die ich sagte

Nur weil mich wieder irgendetwas plagte

Verzeih mir und den Jungs, dass wir nicht da waren

Vergib mir, dass ich nicht mit all dem klar kam
 


 

Die Stimme dieses Sängers erklang wieder, wie auch die der dazugehörigen Musikinstrumente, doch ich vernahm sie nirgends. Viel eher befand sich in der Richtung, aus der diese Musik kam, ein kleines Gerät. Hatte man es in Alexanders Welt geschafft, Musik aufzunehmen und abzuspielen, wann immer man wollte? Ungefähr wie man diese Möglichkeit tatsächlich mit einem Erinnerungskristall tätigen könnte?

Ich verdrängte den Gedanken, als ich weiter durch die Menge blickte, die dort stand. Doch zu ihrer Mitte, wie ich erst jetzt bemerkte, befand sich ein Durchgang. Als ich in diesen hineinblickte, verschlug es mir den Atem. Alexander saß dort knieend, mir den Rücken zugewandt, vor einem Grabstein.

„Johann Meyer, Yvonne Meyer“, las ich die Inschrift des Grabsteins. Laut den Daten auf besagtem, waren beide am selben Tag verstorben. Also zeigte dieser Dämon Alexander die Beerdigung seiner Eltern. Widerwärtig.

„Sie würden noch leben, wenn du sie nicht mit deinem wahnsinnigen Gerede so geängstigt hättest.“

Ein hochgewachsener, schlanker Mann, offenbar in Alexanders Alter, war aufgestanden und hinter ihn getreten, was diesen zum Zusammenzucken brachte.

„Sie konnten nicht ertragen, welch Wahnsinn über dich gekommen war. Ihr liebstes Kind, das nicht mehr im Hier und Jetzt lebte. Sich einbildete, in einer fremden Welt zu sein und dort Abenteuer zu erleben.“ Nun war eine junge Frau, offenbar ebenfalls im Alter der beiden, aus der Menge getreten. Sie besaß schulterlanges, braun-blondes Haar und auch sie positionierte sich hinter Alexander. Auch sie brachte die Reaktion vor wie der unbekannte Mann zuvor.

„ICH WEIß ES DOCH! ICH WOLLTE DAS ALLES NICHT!“, schrie Alexander gequält auf, während er verzweifelt auf den Boden schlug.

„ICH HABE DAS NIE GEWOLLT! ICH WOLLTE NIEMALS, DASS SO ETWAS PASSIERT! ICH WEIß NICHT, WAS ÜBER MICH GEKOMMEN IST!“ Es reichte mir. Mit Wut im Bauch, aufgrund dieser grausamen Szenerie, hob ich meinen Bogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus meinem Köcher. Sobald ich diesen abgeschossen hatte, würde ich noch so einige Male in diesen greifen müssen. Und schon schoss ich auf diesen jungen Mann hinter Alexander. Neben dieser Frau war dieser die nahegelegenste Gefahrenquelle in Alexanders Nähe, schließlich war er gerade schutzlos. Automatisch spannten meine Finger den Bogen, während meine Augen das Ziel anvisierten. Im Bruchteil einer Sekunde lösten sich die Finger von der Seite und der Dämon fiel um. Doch das zog natürlich auch die Aufmerksamkeit der anderen auf mich. Und wie vorhergesagt, zog ich einen Pfeil nach dem anderen heraus, bis in diesem Szenario nur noch zwei Personen lebten. Alexander und ich. Eine gewisse Zufriedenheit löste es in mir aus, als ich die Dämonen leblos zu meinen Füßen erblickte, die nach weniger Zeit auch bereits verschwanden.

„Und dann ließ ich mich von meiner Fantasie beherrschen. Träumte mich als Retter dieser Spielewelt. Und zum Dank darf ich hier meine Eltern beerdigen.“ Es war ein Flüstern, das aus seinen Mund drang, als mich meine Schritte an ihn näher trugen, bis ich direkt hinter ihm stand.

„Alexander, alles ist in Ordnung“, versuchte ich sanft auf ihn einzusprechen, doch er reagierte nicht.

„Früher mochte man mich und meine Fantasie. Und nun ernte ich Hass.“ Langsam, nicht zu schnell, gesellte ich mich neben ihn, damit ich in seine Augen blicken konnte. Doch genau das verschlug mir die Sprache. Sie waren mit Tränen befüllt. Rotz triefte von seiner Nasenspitze und doch schienen seine Augen wie tot. Es befand sich keinerlei Leben darin, als wäre er in der Dunkelheit, die ihm gezeigt wurde, gefangen.

„Ich fühle mich so alleine.“ Als wäre es ein Startschuss gewesen, setzte er sich mit seinem Gesäß auf den Boden, zog seine Beine an seinen Oberkörper und umschloss sie mit seinen Armen. Er befand sich in der Embryostellung, während seine Augen weiterhin auf dem angeblichen Grabstein seiner Eltern lagen.

„Nein, du bist NICHT alleine!“, rief ich, mich ihm nun erneut nähernd. Auch legten sich langsam meine Hände auf die seinen, um ihn von seinen Knien, die er festhielt, zu befreien. Er zuckte stark zusammen bei dieser Berührung und doch ließ ich nicht locker. Sanft löste ich ihn schlussendlich aus seiner eigenen körperlichen Gefangenschaft und setzte mich neben ihn auf das Gras.

„Alexander, ich bin es, Leliana!“ Ich versuchte mein Glück. Er blickte mich nun an, doch seine Augen blieben unverändert. Er schien mich nicht wirklich wahrzunehmen.

„Leliana? Nein, das ist nur ein Hirngespinst. Kann nicht sein. Erschaffen von Autoren aus einem Spiel, was meine Fantasie für real erklärte.“

„Doch, ich bin es! Hier, um dich zu retten! Wir sind im Nichts. Dieser Dämon brachte uns her.“

„Ja. Dämon der Trägheit.“

„GENAU!“ Ich war erfreut, als er den Namen dieses Dämons sagte, ehe er ein „dieses Level kenne ich zu gut“ von sich gab.

„Aber dies passiert gerade wirklich!“, versuchte ich es erneut, als er nur seinen Kopf schüttelte und seine Arme auf den Knien positionierte, seinen Kopf darüber.

„Nein. Ich lebe zu sehr in meiner eigenen Fantasiewelt nach all dem Leid. Und jetzt bilde ich mir auch noch ein, dass eine Videospiel-Traumfrau neben mir sitzt. Meine Depressionen haben ein neues Stadium erreicht. Was stimmt nur nicht mit mir?“ Er klang so gequält, während weitere Tränen aus seinen Augen schossen. Er glaubte seine Worte tatsächlich. Dass wir alle einer Fantasie entsprangen, die ihn übermannt hatte und er sich all das, was er bisher erreichte, nur eingebildet hatte. Ich kannte ihn nur diese zwei Tage, doch er hatte so selbstbewusst und lebensfroh gewirkt, als er in Lothering unterwegs war. Als er mit mir flirtete, bevor ich ihn mit seinem Buch konfrontierte. Ihn so gequält zu sehen …

Wie sollte ich nur dafür sorgen, dass er wieder zu Sinnen kam?
 

„Er will Euch nah sein, doch nicht während er in meinem Körper haust und zudem ist er verdammt schüchtern, was Euch betrifft“, drangen die Worte von Aidan in meinen Kopf. Hier war er nicht in Aidans Körper. Nein. Es war der seine, wenn auch im Nichts lediglich mit dem Geist. Er wollte mir also nahe sein? Auch hatte ich durchaus seine Bezeichnung über mich wahrgenommen. Traumfrau. Wenn das so war, dann kam mir eine Idee, wie ich ihn wieder zu Sinnen bringen konnte. Etwas, mit dem man Männer stetig auf andere Gedanken brachte oder überrumpelte.

Ich setzte mich, ihm zugerichtet, etwas besser auf, nahm sein Gesicht zwischen meine Hände, und presste meine Lippen auf die seinen. Zunächst spürte ich nichts, doch mit einem Mal kam eine Erwiderung meines Kusses, die mich überraschte, aber auch erfreute. Denn dies bedeutete, dass es klappte. Also löste ich mich wieder von ihm und lächelte ihn einfach an, als ich einen gewissen Ausdruck der Ungläubigkeit in seinem Gesicht vorfand.

„D-du h-hast mich ge-ge …“

„Geküsst?“, sprach ich lächelnd aus, während mir nicht unbemerkt blieb, dass er mich duzte. War das in seiner Welt so gang und gäbe, dass man eher duzte?

„Gerettet.“ Schüchtern blickte er weg, was mich innerlich ein weiteres Mal auflachen ließ, aufgrund seines Verhaltens. Hatte er die letzten zwei Abende, an denen wir miteinander sprachen, versucht, den Coolen zu mimen, gelang ihm dies wegen eines einfachen Kusses nicht. Irgendwie war dies niedlich.

„Der Kuss war doch ziemlich real, oder?“ Ich lächelte noch kurz, ehe ich wieder ernster wurde.

„Weder ist dies Teil deiner Fantasie, noch würden wir dich alleine lassen oder welche Ängste du noch hegen solltest. Zumindest bin ich nicht solch eine Person.“

Er war überrascht über meine Worte, die ich ausgesprochen hatte, doch dann schüttelte er seinen Kopf und blickte sich um. Auch an sich selbst blickte er herunter, um zu bemerken, dass er scheinbar das erste Mal, seit er in unserer Welt gelandet war, wieder seinen eigenen Körper besaß und dass ich ihn erblickte.

„Was für ein kranker Bastard!“, schrie er wütend, zornig auf den Grabstein blickend, während er aufstand. Sein Blick richtete sich auf die Tür, die mich hierhergeführt hatte.

„Das ist mein Haus. Klar. Eltern im Garten beerdigen wie einen Hamster. Ich bin kein verdammter Ami, wo man Leute beerdigen kann, wo man will. Wie ich diesen Dämonen hasse.“ Zornig ballte er seine Hände zu Fäusten, während ich mich ebenso erhob. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ein kleines Stückchen größer war als er und wie stämmig er gebaut war.

„Das Nichts. Dämon der Trägheit. Ja. JA! Ich erinnere mich wieder. Richtige und falsche Erinnerungen sind wieder geordnet. Wie konnte mir dieser Ficker nur falsche Erinnerungen einpflanzen? Wie konnte ich nur selbst auf das reinfallen, worauf ich mich doch selbst seit über einem Jahr hinwies. Selbst warnte.“ Ich war überrascht, dass er in letzter Zeit so viele Kraftwörter benutzte, schien er doch sonst stetig auf seine Worte achtzugeben, doch das legte ich auf die Wut, die in ihm loderte und nun nach außen stieß.

„Es ist nicht alles stets so, wie man es plant“, kam es freundlich von mir, als er mich nur anblickte und kurz nickte, aber auch sogleich wieder wegschaute, denn eine Tür hatte unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie erschien einfach aus dem Nichts.

„Nur eine? Seltsam“, wandte ich ein.

„Okay. Lass uns gehen. Unsere Gefährten zählen auf uns.“

Ich nickte, aufgrund seiner Aussage.

„Bevor wir aber gehen, lasst mich Euch mitteilen, dass es Aidan war, der mich zu Euch schickte, denn er schien Euch schon vorher befreien zu wollen, aber es klappte nicht. Also sollte ich hierherkommen.“

„Ich glaube, ich weiß auch wieso.“

Egal, wie sehr ich es versuchte zu verschleiern, ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und da sich seine Wangen rotfärbten, hatte er vermutlich auch verstanden, was ich dachte. Dass mir vermutlich exakt der richtige Gedanke gekommen war.

Alexander trat auf die Tür zu und schritt einfach durch sie hindurch, als würde er dies öfter machen. Nun, er wusste ja auch schließlich, wie dies alles weiterging.

Lächelnd blickte ich noch einmal zu dem Haus. Dies war also das Haus, in dem er wohnte in seiner Welt? Interessant. Ich hätte nach diesem Erlebnis sicherlich so viele Fragen, die er mir zu beantworten hatte.
 


 

Ich könnte per se weiterschreiben, allerdings ist dieses Manuskript das Werk meines Liebsten, und ich habe mich schon genug in seine private Schreiberei eingemischt. Ich überlasse ihm wieder die Gewalt über die Feder und wünsche viel Spaß beim Weiterlesen. Zudem, Liebster, sobald du das liest: Ich könnte auch ein Exemplar gebrauchen, sobald du fertig bist.
 

Kichernd erhob sie sich von dem Platz ihres Freundes und löschte die Kerzen. Es war auch für sie an der Zeit, ins Bett zu gehen, schließlich würde ihr kleiner Schriftsteller auf sie warten und das konnte sie doch nicht verantworten.

Chapter 12 ~ Das Nichts und der Kampf um die Freiheit ... oder so

Ein Lachen entwich seiner Kehle, als er am nächsten Tag an seinem Schreibtisch saß und die Schriftstücke las, die seine Liebste am Abend zuvor auf seinem Werk verewigte. Er musste gestehen, es war auch mal interessant, das Ganze ein bisschen aus ihrer Sicht zu sehen.

Doch nun war er hier, um seine Geschichte weiter zu erzählen. Und es wäre unpassend, wenn er die Situationen, die sie bereits aufschrieb, noch einmal erwähnte.

„Also fang ich einfach dort, an wo sie aufhörte“, sprach er mit sich selbst, ehe er die Feder in die Hand nahm, und diese in das Tintenfass tunkte.
 

Ich blickte mich um, kaum war ich aus dem Portal getreten. Dämonen. Überall um mich herum befanden sich Dämonen. Sie erinnerten mich an die untoten Wesen, die uns in Redcliff noch begegnen würden. Kein Schatten oder sonst etwas, nur Wesen, die wie Zombies wirkten und aus ihren untoten Augen zu mir hinüberblickten. Doch wieso war solch eine Vielzahl hier? Sollte dies nicht einfach ein Traum sein? Sollten sie nicht eine gewisse Tarnung tragen? Und weshalb griffen sie nicht an?

Mein Blick versuchte die Szenerie, die mich umgab, zu erfassen. Es schien, als würde ein gewaltiger Scheinwerfer einen bestimmten Radius erhellen, in dem ich selbst stand. Um diesen Bereich herum tummelten sich diese Dämonen.

„Ihr seid kein Dämon.“ Ich wurde plötzlich aus meinen Gedanken gerissen. Erst jetzt bemerkte ich die blonde Frau, die mich aus ihren smaragdfarbenen Augen heraus anblickte.

„Solona.“ Die Angesprochene nickte nur, während sie eine Braue fragend in die Höhe schob.

„Ich bin es. Aidan. Es ist kompliziert. Eigentlich heiße ich Alexander, doch …“

„… er wurde durch den Erbauer in unsere Welt gesandt, um uns zu helfen. Er landete im Körper des Wächters Aidan Cousland, der in diesem Augenblick dabei hilft, unsere restlichen Gefährten aufzuwecken. Darüber weiß bisher niemand etwas.“

Wann war Leliana bitte aus dem Portal getreten? Vermutlich war ich abgelenkt gewesen aufgrund dieser Wesen des Nichts.

Solona blickte mich an. Man konnte keinerlei Gedanken aus ihr herauslesen. Hatte sie Lehrstunde bei dem Rotschopf genommen?

„Verstehe. So ist das also. Dieses seltsame Gefühl, das ich bei Euch bemerkte.“

Überrascht blickte ich die Magierin an. Man fühlte bei mir etwas? Und fühlten dies alle Magier?

Ich entschied mich dazu, diese Gedanken nach hinten zu drängen, da wir noch immer in dieser Traumwelt waren und schließlich jede Sekunde zählte, bevor dieser Dämon uns die Körper aussaugte oder was er auch immer tat.

Für einen Moment überblickte ich die Szenerie noch etwas genauer, bis mir eine Erkenntnis kam. Der Grund, weswegen sich diese Wesen nicht tarnten, oder weswegen Solona sie bereits enttarnt hatte. Wie es ihr möglich war, so viele dieser Wesen auf Abstand zu halten. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen.

„Du bist eine Träumerin.“

Solona zuckte kurz zusammen, was auch den Lichtschein kurzweilig veränderte, doch ehe sich die Dämonen in Bewegung setzen konnten, war die Ordnung in diesem wiederhergestellt worden.

„Woher …“

„… die Szenerie verrät dich. Du hast offenkundig von alleine den Traum durchschaut und deshalb einen Schutzring geschaffen. Sie wenden keinerlei Tarnung mehr an, sondern warten darauf, dass dich deine Kraft verlässt. Das sind zwar alles noch keine Indizien dafür, doch die Menge an Dämonen, die dich unbedingt für sich beanspruchen wollen, gab mir zumindest den Hinweis. Dass kein großer dabei ist verwundert mich, doch vermutlich schirmt der Hausherr, der uns hierherbrachte, das etwas ab.“

Leliana blickte verwundert zwischen mir und der Magierin hin und her.

„Eine Träumerin? Was soll das sein?“, stellte sie ihre Frage, die ich ihr nur zu gerne beantwortete.

„Träumer sind extrem selten unter den Magiern. So selten, dass sie an und für sich bereits für ausgestorben gehalten werden. Sie sind sich der Tatsache bewusst, wenn sie im Nichts sind und haben auch eine besondere Macht über dieses. Können zum Beispiel bewusst in die Träume anderer eindringen, diesen nach ihren Vorstellungen verändern und dem Träumenden dies als Wirklichkeit vorgaukeln. Eine Macht, die auch eine Bürde sein kann, schließlich sind sie bei Dämonen deshalb besonders beliebt und auch diesen gegenüber anfällig. Deshalb Solonas Spielgefährten hier.“ Mit einem Nicken deutete ich zu den Wesen, die uns abwartend anstarrten. Wie Tiere, die auf eine schwäche ihrer Beute warteten.
 

„Ihr müsst mir helfen“, sprach mich nun Solona direkt an, weswegen ich nickte.

„Natürlich. Deshalb sind Leliana und ich auch hier. Könnt Ihr uns Ausrüstung erschaffen?“ Nun war es an dem Blondschopf zu nicken.

„Was benötigt Ihr?“

„Für Leliana einen hervorragenden Bogen samt einer Vielzahl an Pfeilen. Für mich …“ Für einen Moment überlegte ich. In Aidans Körper war ich stets Schwertkämpfer, der einen Schild trug. Doch ich war kleiner als Aidan. Schmächtiger. Schwächer. Allerdings war ich auch schnell. Nicht sehr schnell, doch schneller als diese Wesen hier bestimmt. Es war an der Zeit, etwas auszuprobieren.

„Ein Kurzschwert und ein Beil.“

„Habt Ihr solche Waffen schon einmal benutzt?“, erklang auch schon die verwunderte Stimme Lelianas neben mir, weswegen ich diejenige, die mich aus meinem Alptraum befreite, anlächelte.

„Nein. Doch jedes Mal ist ein erstes Mal. Und die Klappergestelle können sich doch schon kaum auf den Füßen halten. Der einzige Grund, weswegen Solona sie nicht schon selbst erledigt hat, ist, dass sie eben anfällig ist und diese Übermacht sie überrannt hätte. Mit uns beiden ist es für sie einfacher. Zumal Solona den Weg jetzt für die Lieben verkompliziert.“

„Inwiefern?“ Neugierig blickte mich die Magierin an.

„Fallgruben, Wände, erhöhte Position für Euch und Leliana, und ich, der am Ende auf die Überlebenden wartet.“ Ein finsteres Lächeln legte sich nun auf mein Gesicht. Ja, die Dämonen hätten keine Chance, wenn wir eine Frau an unserer Seite hatten, die mit dieser Wirklichkeit spielte, als wäre sie im Minecraft-Kreativmodus.
 


 

„Sicher, dass dies reicht?“, wollte die Magierin wissen, als ich unseren kleinen Spießrutenlauf für die Dämonen noch einmal beäugte. Ja. Es war genauso, wie ich es gewollt hatte. Solona würde jeden Augenblick einen kleinen Teil ihres Schutzkreises auflösen. Bei dieser Stelle hatten wir Wände angefertigt, schmale Wände, die einen kleinen Irrgarten abgaben, worin sich die Dämonen ohnehin wie Zombies überrennen würden. Dann Fallgruben mit Stacheln innendrin. Pendel mit Klingen dran, wie ich es aus Skyrim zur Genüge kannte. Zwei erhöhte Positionen, von denen Solona und Leliana alles überblicken und am Ende ich. Mit meinem Kurzschwert und meinem Beil. Ja, so würden wir diese Kreaturen besiegen. Ich hatte ihnen noch mitgeteilt, dass man stetig auf den Kopf zielen sollte, und sollten sie auf die Idee kommen, zu Solona hochzuklettern, würden Leliana und Solona ohnehin diese daran hindern.

„Natürlich. Und jetzt, los!“ Und schon hörte ich sie. Diese Horde, die wie wilde Tiere unseren kleinen Irrgarten betraten. Schmerzensschreie erfüllten die Szenerie. Explosionen vernahm ich, weswegen ich annahm, dass Solona solch manchen Feuerball hinunterwarf. Aus meiner Position aus konnte ich Leliana dabei bewundern, wie schnell sie einen Pfeil nach dem anderen in ihre Hände nahm, um sie in ihre Bogensehne zu legen und feuerte. Doch das durfte ich nicht mehr länger, denn schon kamen auch bei mir ein paar wenige Dämonen an.

Sie griffen mich mit ihren Pranken an, doch wie ich es mir schon gedacht hatte, sie waren langsam. Natürlich konnten sie mich zerfetzen oder überrennen, weswegen ich sie auch nicht unterschätzte. Unter der einen oder anderen Pranke sprang ich hindurch, ehe ich mit meiner Axt oder meinem Schwert stetig ihren Hals anvisierte. Bei normalen Körpern hätte solch ein Angriff von mir niemals gelangt, einen Kopf vom Hals zu trennen, gerade durch den Knochen und alles was dazugehörte, doch hier war das so, als würde man mit einem Buttermesser Butter zum Aufstrich fürs Brot benutzen. Dämonen beobachteten zwar aus dem Nichts die Sterblichen, doch vom Aufbau oder der Festigkeit deren menschlicher Körper besaßen sie keinerlei Ahnung, also war dies ein Freispiel für mich. Das, was Dämonen menschliche Körper nannten, waren schlecht zusammengenähte Fleischstücke, die nicht einmal zäh waren.

Wir brauchten nicht wirklich lange, um diese Dämonen mit unserer Strategie zu erledigen. Und mir selbst konnte das nur guttun. Schließlich waren diese Dämonen optimale Trainingspartner für mich und meinen eigenen Körper gewesen, mit neuen Waffen, die ich mal ausprobieren konnte. Hätte zwar selbst schneller sein können, doch das würde ich, sobald ich meinen eigenen Körper wieder besaß, schon hinbekommen. Irgendwann. Falls ich ihn wiederbekomme.
 

„Darf ich den Damen helfen?“ Ich hielt den beiden eine Hand hin, um ihnen zu helfen, von ihrer Erhöhung herunterzukommen, und gerade als Leliana meine Hand ergreifen wollte, senkte sich besagte Erhöhung von selbst herunter. Hätte ich besser wissen müssen, dass die Träumerin das, was sie nach oben erschuf, auch wieder senken konnte.

„Dann eben nicht.“ Ich zog schmunzelnd meine Hand zurück, wodurch Solona mich nur entschuldigend anlächelte und auch Leliana mir aufgrund meiner Geste ein bezauberndes ihrerseits schenkte. Doch länger bewundern konnte ich es nicht, denn unweit von uns befand sich nun eine weitere Tür und ich nickte dorthin, weswegen sich die Frauen zu dieser umdrehten.

„Also geht unsere Reise weiter.“

„Sieht wohl so aus“, pflichtete ich Leliana bei, ehe ich nun erneut die Führung übernahm, indem ich mich der Tür näherte und schließlich durch diese trat, wissend, die beiden dicht hinter mir zu haben.
 

„Was soll das heißen, Mädchen?“

„Lasst Eure Posse, Dämon. Wie oft muss ich Euch noch sagen, dass Ihr nicht meine Mutter seid?“, hörte ich zwei mir nur zu vertraute Stimmen miteinander sprechen, als sich so langsam wieder meine Sicht klärte. Vor mir befanden sich, mit ein wenig Abstand, Morrigan wie auch ihre Mutter. Wobei ich ja wusste, dass es sich bei letzterer um einen Dämon handelte, wie Morrigan so schön erkannte.

„Ah, Ihr seid endlich hier“, begrüßte mich Morrigan, während sie mich musterte.

„Das ist also Euer wahrer Körper? Ihr seht ja brauchbarer aus, als ich erwartet hätte.“ Überrascht hob ich meine Brauen. Sie hatte mich also sogleich erkannt? War an Solonas Behauptung, dass man bei mir solch ein seltsames Gefühl spürte, also doch etwas dran? Und warte … hatte mir Morrigan gerade ein Kompliment über mein Äußeres gemacht? Das war … erfreulich. Komplimente hörte man ohnehin gerne und wenn es dann von solch einer verschlossenen Person wie Morrigan kam, hatte es noch eine besondere Strahlkraft.

„Sie weiß davon?“, hörte ich die überraschte Stimme von Leliana hinter mir, die Morrigans Worte gleich richtig deutete.

„Ich habe in tierischer Gestalt eurem kleinem Gespräch im Wald beigewohnt. Nachdem Ihr ihn verlassen habt, gab ich mich zu erkennen und habe das Gespräch mit ihm gesucht. Ihr wart also, neben dem wahren Aidan, die Erste, der er sich anvertraut hat. Wobei nein. Meine Mutter hatte ebenfalls vorher noch die Ehre.“

„Ganz genau“, mischte sich nun das Flemeth-Double ins Gespräch ein.

„Nicht Ihr, Betrügerin. Ich meinte meine wahrhaftige Mutter.“

So schnell hat Morrigan nicht schauen können, da wurde sie auch schon von dieser geohrfeigt.

„Nicht schlecht. Das hätte tatsächlich von Mutter kommen können.“ Sie nickte lobend dem Dämon zu, ehe sie sich wieder an uns richtete.

„Kann mich endlich einer von diesem lästigen Dämonen befreien?“ Meine Augen wandten sich Leliana zu, die auch sogleich zu verstehen schien, denn so schnell hatte niemand schauen können, da befand sich bereits in „Schein-Flemeths“ Hals ein Pfeil. Ein ekelhaftes Gurgeln entkam ihr, ehe sie sich auch schon auflöste.

„Vielen Dank.“

Die Magierin kam nun auf uns zu.

Neugierig blickte ich mich kurz um, doch ich bemerkte keinen weiteren Dämon. Was man bei Solona wohl zu viel gebracht hatte, war bei Morrigan viel zu wenig. Wobei ich mich nun wirklich nicht beschweren wollte.
 

„Na endlich.“ Mit diesen Worten lief die Schwarzhaarige auch schon auf die soeben erschienene Tür und trat durch diese. Irritiert blickten sich meine beiden Begleiterinnen und ich an, ehe ich mit den Schultern zuckte und der Hexe folgte.
 

Als ich dieses Mal wieder die Augen offen hatte, erkannte ich schon die Arme verschränkende Morrigan, wie sie vor einem Wesen stand, auf das sie hinabblickte, während wir alle selbst in der Szenerie einer großen Wiese zu sein schienen.

„Das ist doch Eurer, oder?“ Sie nickte auf dieses Wesen, welches umringt von Grashalmen war und erst als ich mich näherte, erkannte ich, dass es sich dabei um einen Mabari handelte.

„Fenrir!“, rief ich überrascht, als sich der Hund erhob, und sich überrascht umblickte. Erst fiel sein Blick auf Morrigan und dann auf mich. Und während er mich in Augenschein nahm, näherte er sich mir vorsichtig, während er mit seiner Nase am Schnuppern war. Doch zu meiner völligen Überraschung begann er plötzlich, mit dem Schwanz zu wedeln und leckte mich ab. Also ging ich auf ein Knie zu ihm herunter und streichelte mein Fellknäul.

„Er scheint Euch zu erkennen.“

„Aber wie ist das möglich?“, stellte ich die Frage, als er mich nun im Gesicht ableckte.

„Tiere haben ein feines Gespür. Er wird Euch erkannt haben, wie ich es tat.“

Morrigan wandte ihre Worte an mich und wenn sie mir so etwas sagte, glaubte ich ihr. Sie kannte sich mit Tieren deutlich besser aus als vermutlich jeder unserer kleinen Gruppe.

„Jetzt scheint es wirklich schnell zu gehen, oder nicht?“ Ich blickte verblüfft auf die nun auftauchende Tür, der nun auch die Hexe samt der anderen beiden Frauen, die sich dieses Mal im Hintergrund hielten, ihre Aufmerksamkeit schenkten.

Während es bei Solona schon etwas anstrengender war, war es bei Morrigan und Fenrir ja wirklich lachhaft einfach, doch ich wollte mich wirklich nicht darüber beschweren und fragte mich vielmehr, wer sich hinter der nun neuen Tür befinden würde von unserer Gruppe. Und mit diesem Gedanken schritten wir nun alle hindurch.
 

Wärme. Sie breitete sich auf meiner Haut aus und als ich die Augen wieder öffnete, erkannte ich, dass wir uns in einer kleinen Hütte befanden. Zwei Kinder spielten gemeinsam in der Ecke, während nicht unweit, an einem Tisch sitzend, zwei Erwachsene saßen. Die eine Gestalt war eine mir fremde Frau, doch ihr gegenüber saß Alistair. Also war das diese Goldanna. Sah sie nun wirklich so aus in dieser Welt oder war dies lediglich die Wunschvorstellung unseres werten Prinzen?

Sie hatten uns noch nicht bemerkt und die drei Frauen samt meinem Hund sahen mich abwartend an. Also sollte ich hier das Heft übernehmen? Von mir aus.

„Alistair weiß noch nicht, dass in Aidans Körper zwei Seelen hausen und er mit mir nur die Zweitseele kennengelernt hat und nicht den Hausherren persönlich. Also müsste jemand von euch mit und behutsam auf ihn einreden“, sprach ich leise zu ihnen. Leliana schien sich freiwillig melden zu wollen, als mir ein „Pah!“ in den Gehörgang drang.

Morrigan blickte mich abschätzig an.

„Für Behutsamkeit haben wir keinerlei Zeit. Wir müssen hier raus, bevor uns dieser elendige Dämon komplett aussaugt oder was dieser auch immer mit uns vorhat. Ich werde mit Euch gehen und das beschleunigen.“

Mit diesen Worten schritt sie auf den Tisch zu und erlangte die Aufmerksamkeit der beiden.

„Das kann ja heiter werden“, sprach ich zu mir selbst, ehe ich Flemeths Tochter folgte.
 

„Morrigan!“ Erschrocken sah sie der beinahe-Templer an.

„Welch … unerwünschte Überraschung.“ Er konnte sie wirklich nicht ab. Und dabei war sie sogar noch relativ handzahm gewesen, im Gegensatz zu dem, was ich aus dem Spiel kannte.

„Jaja, ich weiß. Wir haben keine Zeit für so etwas, Kirchenjunge. Erkennt Ihr nicht, gefangen zu sein, in der Täuschung eines Dämons? Wir befinden uns hier im Nichts und das da …“, sie deutete auf Goldanna, „… samt ihrer Brut sind ebenfalls solche Dämonen.“

„JETZT REICHT ES!“ Wütend schlug Alistair auf den Tisch und erhob sich.

„Dass Ihr Eure Späße über mich macht, ist noch okay, aber dass Ihr Eure seltsamen Witze auch noch über meine Familie tätigt, das geht entschieden zu weit!“

„Alistair, beruhige dich doch. Sie ist es nicht wert!“, versuchte der Dämon an seiner Seite ihn zu beruhigen, als ich nun die Bühne betrat.

„Und wer ist das? Euer nächstes Opfer?“ Abschätzig blickte er mir in die Augen.

„Es ist schwer zu glauben, doch ich bin Aidan oder vielmehr heiße ich Alexander. Eine zweite Seele, die sich in Aidans Körper befindet und hier im Nichts materialisiert hat. Ich besitze Wissen über eure Welt. Über Euch und all unsere Gefährten wie auch zukünftige Gefährten, das ich auf normalem Wege niemals haben könnte.“

„Was ein Quatsch! Verlasst auf der Stelle das Haus meiner Schwester, sonst bringe ich euch noch dazu!“ Morrigan hatte super Arbeit geleistet. Jetzt wehrte er sich auch noch und vertraute keinem unserer Worte. Gut. Ich wollte es nicht inmitten der Gefährten machen, doch wenn nun nur noch Geheimnisse halfen, ihn zu überzeugen, musste ich wohl plaudern.

„Alistair Theirin, König Marics Sohn. Großgezogen von Arl Eamon. Ihr besaßt eine Spieluhr mit dem Foto Eurer Mutter, das Ihr Besagtem gabt oder zugeschmissen habt, innerhalb eines Wutanfalls. Das da sollte Eure Schwester Goldanna sein, wie Ihr sie Euch vorstellt.“

Erschrocken weitete er seine Augen, während ich kurz zur Fake-Goldanna nickte. Er wollte etwas sagen, doch er schloss augenblicklich wieder seinen Mund. Zu erschrocken war er von den Offenbarungen, die ich ihm gegenüber getätigt hatte. Ich erkannte die Zweifel in den Augen Alistairs, wie er zu seiner Schwester blickte, als ich mich dem Wächter weiter näherte.

„Im Lager sollte ich Euch suchen. Gemeinsam mit zwei weiteren Rekruten, Daveth und Ser Jory, gingen wir durch den Sumpf, sollten drei Fläschchen der Dunklen Brut suchen. Wir trennten uns, als die Dunkle Brut uns zu sehr eingekesselt hatte und Morrigan brachte mich zu ihrer Mutter, wo sie euch später auch hinbrachte. Die anderen beiden verloren ihr Leben beim Ritual, ich überlebte als einziger Rekrut und erklomm mit Euch später den Turm. Oben auf der Spitze bekämpften wir einen Oger, mit Skippers Hilfe.“

Ich erkannte, wie er vorsichtig seine Hand um sein Schwert legte, während er mir fest in die Augen blickte.

„Als wir uns auf der Spitze befanden und ich fragte, was der Oger dort macht, was sagtet Ihr da zu mir?“ Ein Lächeln umspielte meine Lippen.

„Fünf Silber, wenn du ihn fragst.“

„AHHHHHHHHHH!“ So schnell hatte ich nicht reagieren können, da war Goldanna alias der Dämon leblos nach hinten gefallen. Die Dämonen, getarnt als Kinder, ließen besagte Tarnung fallen, doch ehe sie auch nur einen von uns attackieren konnten, befand sich in der Kehle des einen ein Pfeil, während der andere von einem Feuerball geröstet wurde. Die kleine Schlacht war so schnell vorbei, wie sie schließlich begonnen hatte.
 

„Ich kann es nicht fassen.“

Fassungslos stand der hoffentlich spätere König von Ferelden vor dem leblosen Dämon, der die Rolle seiner Schwester gemimt hatte. Nun, ich war eher froh, dass die Dämonen weniger Infos wie ich besaßen, denn eigentlich besaß doch Goldanna ganze fünf Kinder, oder?

Ich näherte mich ihm und legte eine Hand auf seine Schulter, was ziemlich seltsam aussehen musste, war er immerhin gut einen Kopf größer als ich.

„Denkt nicht zu lange darüber nach. Ich helfe Euch, wenn Ihr es wollt, sie später tatsächlich zu finden. Unsere Wege führen ohnehin früher oder später nach Denerim“, sprach ich zu ihm, als er noch einmal seufzte und sich zu mir umdrehte.

„Ihr seid also … aus einer anderen Welt? Und Ihr lebt im Körper, mit dem wir gemeinsam reisten?“ Mir blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.

„Ja.“

Ich wandte mich auch an die anderen, die einen gewissen Abstand zu uns hielten und nun war es an mir zu seufzen.

„Ich wollte, dass niemand von euch dies herausfindet. Zumindest nicht so früh. Ihr seid die Einzigen, die darüber Bescheid wissen.“

„Also …“, wollte Alistair wissen, als ich die Hand hob und ihn dadurch zum Schweigen brachte.

„Ich verstehe Eure Neugierde. Ihr habt Fragen. Verständlich. Jeder von euch kann sie mir gerne stellen, allerdings müssen wir erst einmal aus diesem Nichts hier heraus und die Magier im Turm retten. Das hat Priorität.“

Sie alle nickten und gaben mir somit ihr Verständnis entgegen. Als hätte das Nichts unseren Willen gespürt, offenbarte sich vor uns eine weitere Tür.

„Wir sind jetzt schon über die Hälfte unserer Gruppe. Wenn wir jetzt wieder zu einem Begleiter gelangen, dann macht Aidan wirklich gar nichts.“ Und mit diesen Worten lief ich nun auf besagte Tür zu, gespannt, wohin sie mich dieses Mal bringen würde.
 

Doch dieses Mal besaß ich ein anderes Gefühl. Wut drang mir entgegen, und als sich wieder meine Sicht klärte, befand ich mich auf einer Art schwebenden Felseninsel. Allerdings fiel mir auf, dass an meiner Seite all meine Gefährten standen. Jeder blickte sich ebenso verwirrt um, wie ich es tat und manche Blicke lagen verwirrt auf mir, doch nur für einen Moment. Schließlich hinterließ der Dämon in unserer Mitte wohl einen spannenderen Eindruck.

„Meinen Respekt. Ihr schafftet es tatsächlich aus euren Gefängnissen. Doch wenn ihr alle brav wieder dorthin geht, erfülle ich euch jeden Wunsch, den ihr hegt. Wie klingt das?“ Mich nervte dieses Wesen, das mir eines meiner absoluten Horrorszenarien zeigte und meine Wut stieg deutlich an.

„Wir wollen deinen Scheiß nicht, du verdammte Mistgeburt!“ Ich schritt wenige Schritte voraus, während ich noch immer meine Waffen in Händen hielt, die mir freundlicherweise von Solona zur Verfügung gestellt wurden.

„Ah, der Weltenwandler. Euer Wissen über unsere Welt ist erstaunlich. Unglaublich, dass Ihr die Zukunft wie auch alles über die Gegenwart wisst. Ihr kennt jeden Eurer Gefährten. Ihre Geheimnisse. Und doch kennt Euch niemand in Eurer wahren Gestalt, da Ihr stetig im Körper des Wächters haust. Ich hätte mich auf Euch konzentrieren müssen, doch die Träumerin, Solona, war ein bisschen verlockender. Mit ihrer Macht hätte ich so vieles erreichen können. Es war eine schwierige Entscheidung, zumal sie sich von Anfang an der Tatsache bewusst war, im Nichts zu sein“, erklärte er seine Vorgehensweise. Jetzt hatte dieser verdammte Dämon vor allen auch noch Bescheid gegeben, was es mit mir auf sich hatte. Wären wir ohne dies aus dem Nichts gelangt, hätten sie sich höchstens gewundert, wer dieser fremde Typ war, außer die, in dessen Träumen ich mich aufgehalten hatte. Nun würden mir bei unserer Heimreise in die Wirklichkeit, allerspätestens nach dem Turm, noch viel mehr Fragen gestellt werden. Verdammter Scheiß! Es nutzte alles nichts, geschehen war geschehen, und ich wollte endlich dieses Wesen loswerden, also blickte ich verständnislos zu den anderen, und deutete mit meiner Axt auf unseren Hausherren.

„Wollt ihr weiterhin warten, bis das da euren Lebenssaft ausgesaugt hat, oder töten wir es endlich?“ Und nun kam Leben in die Bude.

Morrigan schleuderte Blitze. Solona warf ihre Feuerbälle. Eine Steinfaust schleuderte Wynne ihm entgegen. Leliana spannte ihre Sehne und schoss einen Pfeil nach dem anderen auf das Ungetüm. Sten kam mit einer riesigen Breitaxt und einem Kriegsschrei auf den Dämon der Trägheit zu gerannt. Die Mabaris fletschten ihre Zähne und rannten, ganz dem Image als Kriegsbestien bekannt, auf den Dämon. Die Wächter samt Roland taten es Sten nach. Und nachdem ich diesem freudigem Treiben zugeschaut hatte, war es schließlich auch ungewohnt, den Körper, in dem ich so lange gelebt hatte, auch mal aus der dritten Sicht bewundern und kämpfen zu sehen, war es auch für mich an der Zeit, mein Können unter Beweis zu stellen, also mischte auch ich mit. Und versagte. Schließlich hatte ich das Unglück, kaum wollte ich mich in besagten Kampf einmischen, zog sich der Dämon zusammen und verwandelte sich innerhalb einer mächtigen Druckwelle, die er auslöste, in eine andere Gestalt. Es schien keine „so“ gewaltige Welle zu sein, schließlich waren die anderen Nahkämpfer sogleich wieder aufgestanden oder nur leicht zurückgetaumelt. Nun muss man allerdings auch sagen, dass ich auch kleiner, leichter und ohne Rüstung in diesen Kampf ging, hatte ich Solona nach selbiger verpasst zu fragen. Also war es ein gutes Stück, das ich nach hinten flog und landete verkehrt. Mein Körper, oder vielmehr mein Geist, der gerade meinen Körper darstellte, schmerzte ungemein. Vermutlich wäre es den Damen ähnlich wie mir ergangen, doch da es sich hierbei um Fernkämpferinnen handelte, waren sie auch ausreichend auf Abstand gegangen. Meine Sicht war leicht verschwommen und ich versuchte mich zu sammeln, doch es gelang mir nicht. Doch meine Ohren funktionierten, also bemerkte ich, dass jemand zu mir trat.

„Geht es Euch gut?“ Die besorgte Stimme unserer ehemaligen Laienschwester drang in meinen Gehörgang.

„Sorgt Euch nicht um mich …“, keuchte ich leicht, während ich mich umdrehte und aufrecht hinsetzte. Sie nahm eine Hand von mir in die ihre und zog mich zurück auf die Füße. Ich blieb stehen und langsam klärte sich auch meine Sicht wieder, als sich bereits die nächste Welle vom Dämon der Trägheit zu materialisieren schien, weswegen mich unsere Bardin gedankenschnell, wie sie war, rechtzeitig nach hinten, außerhalb der Reichweite, zog.

„Danke“, entkam es kurz meiner Lippen, als ich zwischen meinen Waffen, die auf dem Boden lagen, und dem Dämon hin und her blickte. Und gerade als ich meine Werkzeuge für den Kampf in die linke und rechte Hand nahm, hörte ich den Schmerzensschrei des Dämons und erkannte, dass wir den Sieg eingeholt hatten. Oder viel mehr die anderen. Scheinbar war ich doch etwas länger mit mir selbst beschäftigt gewesen, als ich angenommen hatte.

„Klasse. Da sieht man mich zum ersten Mal im eigenen Körper und ich bin total nutzlos.“

„Nehmt es nicht zu schwer. Ihr habt schon viel für diese Gruppe geleistet.“

„Ja. Als Aidan.“

Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass Leliana noch etwas erwidern wollte, doch sie kam nicht mehr dazu. Denn durch den Tod des Dämons war der Bann, der uns im Nichts gefangen hielt, gebrochen und es war an der Zeit, zurückzukehren nach Thedas.

Chapter 13 ~ Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

Mein Kopf dröhnte leicht, als ich meine Augen öffnete. Mehrere Stimmen, die neben mir genauso laut wie ich aufstöhnten, schienen sich bereits genervt zu erheben, also schloss ich mich ihnen an. Zumindest langsam. Der mit Steinen gepflasterte Boden schien in dieser seltsamen Liegeposition, in der mein Körper auf dem Boden einschlug, noch unbequemer gewesen zu sein, denn mein Rücken schmerzte leicht.

Oder eher Aidans, erklang meine innere Stimme, mich zu korrigieren, während ich an das Nichts zurückdachte. An meinen Traum. Wie Leliana mich daraus befreite. Wie ich in die Träume der anderen drang und schlussendlich diesen Endkampf versaute. Der Einzige war, der nichts bewirkte. Und dass nun alle über mich Bescheid wussten, wenn auch nicht so sehr wie der Zweig unserer beschaulichen Gruppe, mit dem ich durch die Träume wanderte.

„Seid Ihr nun wieder …“, drang Alistairs Stimme neben mir ins Ohr, als ich nickte.

„Ja, Alistair. Doch wie gesagt. Wir haben zunächst keine Zeit für Fragen und Erklärungen. Wir müssen Uldred aufhalten. Die Zeit rennt.“

Der Wächter begann zu nicken und während ich meinen Schild und mein Schwert vom Boden erhob, die ich dank des Dämons der Trägheit fallen hatte lassen, erkannte ich auch das einstimmige Nicken der anderen.

Zufrieden blickte ich noch kurz auf die Leiche des Dämons, der unsere unfreiwillige Reise ins Nichts erst möglich gemacht hatte, ehe ich den toten Körper neben ihm liegend erblickte.

„Niall.“

Traurigkeit drang in die Stimme der Träumerin, als sie den toten Körper erkannte. Auch Wynne gesellte sich neben sie und betrauerte ihren verstorbenen Ordensbruder.

„Ist das …?“ Solana packte etwas aus dem Griff des Verstorbenen und erblickte es völlig überrascht.

„Die Litanei von Adralla!“, benannte die Dienstältere nun das Fundstück der Jüngeren, und nun fiel es mir wieder ein. Ich hätte die Litanei beinahe vergessen.

„Er muss sie gefunden haben und wollte sie wahrscheinlich gegen die Blutmagier einsetzen“, schloss die Ergraute einen ihrer Gedanken, während sie die Litanei genauer beäugte.

Ich schritt zu ihnen. Mitleidig blickte nun auch ich auf den Toten. Wir waren zwar früher, als es der Wächter sonst wäre, unterwegs, doch für ihn hatte es offenbar leider nicht gereicht gehabt. Seinen Ausgang in dieser tragischen Geschichte nicht beeinflusst. Doch sein Opfer wird nicht umsonst sein, dessen war ich mir gewiss. Also widmete sich meine Aufmerksamkeit nun den beiden Magierinnen zu.

„Die Litanei ist wichtig. Uldred wird einige Magier in diesem Augenblick in Abscheulichkeiten verwandeln, doch mit ihrer Hilfe werden wir es verhindern. Darf ich?“ Ich streckte meine rechte Hand aus und ohne jegliches Zögern überreichte mir der Blondschopf diese magische Kostbarkeit. Augenblicklich suchte ich in unserer Gruppe ein bestimmtes Paar Augen, bis mich ein Paar blauer Iriden zum Halten brachte und ich die Litanei diesen entgegenhielt.

„Leliana, wärt Ihr so gut und würdet sie im Kampf vortragen? Als Bogenschützin bleibt Ihr ohnehin im Hintergrund und könnt sie sicherlich gut rezitieren. Sobald Uldred dabei ist, Magier in Dämonen zu verwandeln, müsst Ihr sie anwenden.“ Vorsichtig, als würde ich ihr eine heilige Reliquie überreichen, vermutlich war es das für Magier sogar, nahm sie besagte in die Hand und nickte.

„Ich werde mein Bestes geben.“

„Das ist alles, was ich verlangen kann.“ Und schon drehte ich mich zur Treppe um.

„Gruppe, Abmarsch!“
 

Offenkundig steckte so ziemlich jedem von uns unsere Reise im Nichts noch in den Knochen, doch die Dämonen, die sich ein komplettes Stockwerk noch in unseren Weg stellten, waren eine relativ willkommene Abwechslung. Zeit, in denen sich jeder konzentrierte und nicht in seinen eigenen Gedanken feststeckte oder mich anstarrte, denkend, dass ich es nicht bemerkt hätte. Manch einer schien leicht unsicher, woran er bei mir war, hatte der Dämon mit seinen für sie verwirrend klingenden Worten ganze Arbeit geleistet. Und nun kamen wir an den letzten Türen an.
 

„Sind wir am Ziel?“, stellte Alistair mir die Frage, als wir vor besagter Tür stehen blieben.

„Noch nicht ganz. Erst erkennen wir die Grausamkeit dieser Blutmagier.“ Und mit diesen Worten stieß ich die letzte Tür auf. Die, die zur letzten Treppe führte, aber auch zu einem geschundenem und recht angeschlagenem …

„CULLEN!“, rief Solona, als sie an mir vorbeirannte, direkt auf die Energiebarriere, die den Templer gefangen hielt. Unsere Truppe näherte sich auch vorsichtig besagter Barriere und manch einem – auch mir – stockte der Atem. Aus blutunterlaufenen Augen blickte uns der derzeitige Templer-Rekrut zornig an, während er zitterte. Blaue Flecken wie auch Schnittwunden beheimateten Teile seines Gesichts und vermutlich auch weitere Stellen seines Körpers, die man unter der Rüstung nicht erblicken konnte.

„Bleibt weg von mir!“, fauchte er mit kräftiger Stimme, wenn auch voller Zorn.

„Dreckige Blutmagier!“ Seine Augen ruhten auf Solana, während diese Mitleid und Traurigkeit in ihrem Gesicht beheimatete.

„Jetzt versucht ihr mich auch noch mit meiner größten Versuchung brechen zu können? Ich bin nicht euer Spielzeug! Hört ihr? Eher sterbe ich, als das zu werden! Also spart euch diese elendigen Illusionen, die ihr mir vorgaukelt!“

„Größte Versuchung?“ Verwirrt blickte mich Solona an.

„Was meint er damit?“ Es war erstaunlich, wie leichtfertig sie und Alistair mich, trotz ihrer kurzen Erfahrung über mein Wissen, bereits als Informationsquelle zu missbrauchen begannen und sich dieser Tatsache einfach hingaben. Als wäre es die reinste Normalität, dass es da jemanden gab, der über die Zukunft Bescheid wusste.

„Dass unser Sir Templer unglaublich spitz auf Euch ist, Lady Amell. Geschmack hat er jedenfalls.“ Ich blickte selbst noch einmal spielerisch an ihr herunter, bis mein Blick in ihr mittlerweile feuerrotes Gesicht stieß. Oh, großes Mundwerk, aber flirttechnisch eine Niete? Oder war sie einfach auch ein kleines Cullen-Fangirl? Doch trotz dieses Witzes hatten wir keine Zeit dafür und dessen war ich mir auch mehr als nur bewusst, doch es war einfach meine Art. Desto beschissener es lief, desto mehr wurde herumgewitzelt. Meist bitter schwarz und furztrocken.

Ich seufzte, wieder den Ernst der Situation bedenkend, ehe ich mich vor dem Gefängnis des Templers hinkniete, um mit dem am Boden Sitzenden auf Augenhöhe zu sein. Wir beide blickten uns entgegen, ehe ich kurz lächelte.

„Wir sind keine Blutmagier, sondern tatsächlich die Kavaliere. Wir sind ein zu seltsamer und bunter Haufen, als dass ihn sich einer dieser fantasielosen Blutmagier hätte je einfallen lassen können. Cullen, die Situation sieht wie folgt aus: Die Templer haben das Recht der Auflösung beantragt, doch bevor sie kommen und alles abschlachten, werden wir da oben etwas aufräumen.“

„Wenn Ihr tatsächlich keine Illusion seid und ich wünsche es mir so sehr, dass Ihr echt seid, dann geht dort hoch.“ Er deutete auf die Treppe.

„Uldred hat sich mit seinen mächtigsten Abscheulichkeiten in die Kammer zurückgezogen. Er hat den ersten Verzauberer dabei. Ihr müsst sie töten. Alle!“

„Wir werden da hochgehen, allerdings versuchen wir zu retten, wen wir retten können.“

„IHR VERSTEHT NICHT!“, schrie er mir entgegen, während er sich schmerzend mit beiden Händen durch die Haare fuhr. Sie durchwuschelte.

„Ihr habt nicht gesehen, was ich sah. Erlebt, was ich durchleiden musste. Es kann niemand mehr gerettet werden. Sie verwandeln sie alle in … diese Dinger.“

„Keine Sorge, Cullen. Wir werden Euch schon hier herausholen. Schließlich will ich irgendwann gegen Euch einmal Schach spielen.“ Ich zwinkerte dem nun verdutzten Templer entgegen, ehe ich mich erhob. War es kontraproduktiv, da er sich nun denken könnte, dass wir doch Trugbilder waren, geschaffen aus Blutmagie? Könnte sein. Wollte ich mir seine Meinung, die man ohnehin nach seiner Folter zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr ändern konnte, einfach nur nicht mehr länger anhören? Sehr wahrscheinlich. Wollte ich die Sache endlich hinter mich bekommen und so schnell wie möglich diesen dämonenverseuchten Turm hinter mich bringen? Auf jeden Fall!

Also erhob ich mich und drehte mich zu meinem Trupp um.

„Lasst es uns zu Ende bringen!“ Einstimmiges Nicken und schon schritten wir zur Tür. Ich bemerkte lediglich Wynne, wie sie neben mir herlief und noch einmal zu Cullen blickte.

„Armer Junge.“

„Es wird ihm schon bald wieder gut gehen, wenn wir dem hier ein Ende bereiten.“ Sie blickte mich für einen Moment abschätzend an, ehe ich die Entschlossenheit auf ihrem Gesicht erkannte, die sich nun dort befand.

„Das werden wir!“
 

Uldred selbst, das Übel dieses ganzen Turm-Szenarios, war ein Kahlkopf mit Hakennase. Mit erhobenem Kinn blickte er abfällig auf die Magier, die vor ihm auf dem Boden lagen. Verletzt. Und unter ihnen erkannte ich den ersten Verzauberer Irving. Nicht nur, weil er offenkundig der Älteste war. Oder als einziger ergrautes Haar besaß. Nein, er sah ähnlich aus wie im Spiel, während er, als habe er tagelang nicht geschlafen, gequält zu seinem Peiniger hinaufblickte.

„Ah, Besuch!“, rief Uldred, als er uns bemerkte. Ein schmieriges Lächeln hatte sich auf seinem Gesicht breit gemacht, als er sich von den Magiern entfernte und uns entgegentrat. Zwei seiner vier Bodyguards, Abscheulichkeiten, begleiteten ihn. Und wenn ich im Vorfeld bereits annahm, dass die Abscheulichkeiten, denen wir bereits begegnet waren, riesig waren, die beiden waren noch ein Stück größer. Ihre Pranken waren riesig und innerlich stellte ich mir bereits die Frage, ob ich doch lieber auswich oder es doch wagen sollte, bei ihren Angriffen mit meinem Schild abzuwehren. Nicht dass ich durch den Rückschlag noch gegen die Wand katapultiert werden würde.

„Ihr werdet diesem Treiben sofort Einheit gebieten, Uldred!“, rief Wynne Uldred entgegen, der allerdings nur ein spottendes Lachen als Erwiderung entgegnete.

„Weshalb sollte ich? Nun können wir die Templer vernichten und das Leben führen, welches uns zusteht!“

„Ah, das Utopia der Magier. Hättet Ihr dafür nicht einfach nach Tevinter reisen und uns mit Eurem Schwachsinn in Ruhe lassen können?“ Wütend blickte mich der Magier an.

„Wie unhöflich! Weshalb sollte ich meinen Freunden hier im Zirkel mein Geschenk verwehren, das ich für sie vorgesehen habe?“

„Wollt Ihr eine ernste Antwort oder soll ich Euch direkt sagen, dass Ihr ein Schwachkopf seid und wir Euch töten werden?“ Sein Lächeln wurde nun zu einer diabolischen Fratze, grotesker, als es für einen normalen Menschen möglich gewesen wäre.

„Kämpft, wenn Ihr wollt“, prahlte er bereits in einer unmenschlichen Stimme. „Das versüßt mir nur den Sieg.“

Und wie aufs Stichwort erhob er sich leicht in die Luft, und an seiner Statt befand sich nun ein riesiger Dämon, der uns hochmütig anblickte.

„Ein Dämon des Hochmuts. Die mächtigsten Dämonen des Nichts. Kümmert euch zuerst um die Kleinen!“

„Wer von denen ist denn klein?“, stellte Alistair die sarkastische Frage, als er sich bereits in Bewegung setzte und auf eine der vier Abscheulichkeiten zusteuerte. Er konnte selbst jetzt witzeln? Gute Eigenschaft!

Wir mussten es schaffen, zuerst diese Abscheulichkeiten zu beseitigen, damit wir danach unsere geballte Kraft ohne Ablenkung auf Uldred konzentrieren konnten. Natürlich gab es dennoch Hindernisse. Zum einen die vier Abscheulichkeiten selbst. Sie würden sich nicht einfach töten lassen und waren sicher stärker als ihre kleinen Brüder, denen wir bereits begegnet waren. Zum anderen Uldred, der für weitere Verstärkung sorgen wollte. Also mussten wir uns beeilen. Die vier erledigen, ungefähr vor oder kurz nachdem Leliana ihn daran gehindert hatte, Verstärkung aus den Magiern zu machen, damit wir ihn danach genug ablenken konnten, damit er gar nicht erst weitere Versuche starten konnte und den Rotschopf nicht zum Ziel nahm.
 

Ein bisschen war ich stolz auf meine kleine Truppe, als ich erkannte, wie sie alle in Positionen gingen, in denen sie am effektivsten waren. Die Magierinnen Morrigan, Wynne und Solona attackieren alle jeweils eine andere Abscheulichkeit mit ihren Attacken. Leliana selbst schoss mit ihren Pfeilen ebenfalls gnadenlos auf die vierte, achtete aber auch auf den Großen. Sten selbst kämpfte alleine gegen eine der vier Abscheulichkeiten und schien diese jeden Moment hinzurichten. Roland kämpfe an der Seite von Skipper und Alistair erhielt Beistand von Fenrir. Nur ich musste mich einem dieser Wesen alleine stellen, das just in diesem Moment auf mich direkt zu gerannt kam. Doch ich hatte mich nun wieder zu beweisen, nach meiner Misere im Nichts.
 

Der Weg dieser Abscheulichkeit wurde erschwert, da Wynne diese hin und wieder mit ihren Arkaner Bolzen beschoss. Einer der Gründe, weswegen ich eine Sache deutlich bemerkte. Sie waren zwar größer und offensichtlich auch stärker als die Abscheulichkeiten, denen man zuvor begegnete, doch sie waren auch langsamer. Schwerfälliger. Ich rannte auf dieses Ungetüm los, als es nur noch wenige Meter von mir entfernt war und gerade von einem der Bolzen zurückgestoßen wurde und schob mein Schwert in seinen Unterleib. Ein markerschütternder Schrei erklang und noch rechtzeitig hatte ich mein Schwert herausziehen können, um der Pranke auszuweichen. Doch anstelle zurückzutreten und für einen kurzen Moment auf Abstand zu gehen, schlug ich meinen Schild gegen den unnatürlichen Körper und umrundete das Vieh. Erneut stieß ich mein Schwert in den Körper, doch vermutlich war dies mein Fehler. Schließlich hing mein Schwert nun im Rücken des Monsters und es drehte sich zu mir um. Nur meinen Schild hielt ich noch in Händen und Mr. Hässlich schien nun umso wütender zu sein. Er schlug nach mir und gerade noch so konnte ich meinen Schild zwischen mich und seinen rechten Schwinger bringen, sonst wäre es mir vermutlich ergangen wie dem Elfen, dem ich zu Anfang, als wir den Turm betraten, auf dem Boden liegen sah.

Natürlich taumelte ich zurück und fiel auf den Rücken. Der Dämon trat näher und erneut schlug er nach mir. Der Schild war offenkundig sein Geld wert, denn ich bemerkte zwar die Kraft des Monsters, doch der Schild hielt. Ich war in einer Zwickmühle und mir kam eine Idee, die aus der Not entsprang und des Wahnsinns nahe war. Ehe es noch einmal ausholte, zog ich meine Beine angewinkelt hoch zu meinem Brustkasten, bugsierte meinen Schild zu meinen Füßen und mit all meiner Kraft, Beinkraft wie auch der Schwung, den ich tätigte, knallte ich dem Vieh meinen Schild gegen den Kopf. Auf normalem Wege hätte ich es nie erreicht, doch da es sich zu mir leicht heruntergebeugt hatte, war es das perfekte Ziel gewesen. Klar ich war jetzt schutzlos, doch den Zeitpunkt der Benommenheit konnte ich nutzen, um direkt aufzustehen. Und da der Schild über mich hinweg direkt hinter mir gelandet war, hob ich diesen auch sogleich auf. Bessere Ausgangslage als eben.

„Riskant. Viel zu riskant“​, hörte ich es urplötzlich in meinen Gedanken erklingen, was mich für den Moment irritierte, ehe ich bemerkte, von wem diese Stimme kam. Doch meine Verwirrung wollte auch diese Kreatur ausnutzen, als sie wieder auf mich zugeschossen kam.

Erneut wich ich einem der Schwinger aus, ehe es erneut vor Schmerzen aufschrie. Wynne musste ihn erneut getroffen haben, also gab ich Hackengas, um hinter es zu gelangen und mir wieder mein Schwert zu schnappen. Als ich es wieder in Händen hielt und bemerkte, dass sich dieser Koloss noch nicht umgedreht hatte, peilte ich dessen Kopf an und stach exakt dort hinein. Sogleich fiel es zu Boden. Wieso hatte ich es so kompliziert und riskant gemacht, wenn ich doch gleich beim Ausweichen dessen Kopf hätte anpeilen können?

„Das frage ich mich auch.“​

„Ruhe auf den billigen Plätzen, Aidan. Hättest ja selbst kämpfen können.“

Ich blickte mich um und erkannte, dass die anderen – außer Sten – noch immer mit diesen Wesen beschäftigt waren. Der Qunari hatte jedoch nicht die Absicht, den anderen zu helfen, sondern attackierte Uldred, der ihn kurz zur Seite stieß und versuchte neue Abscheulichkeiten für sich zu gewinnen, denn seine gewaltigen Klauen fingen an zu glühen. Und nun kam Lelianas Einsatz. Sie fing an die Worte zu rezitieren, weshalb die Litanei in ihren Händen aufleuchtete und somit Uldreds Zauber unterbrach. Wütend funkelte er die Bardin an und ehe er es tat, setzte ich mich schon von selbst in Bewegung zu Leliana. Ich wusste nicht, wieso. Ich hatte es im Gespür, dass er sie angreifen würde und kaum war ich mir dessen Gedanken selbst bewusst, setzte er sich in Bewegung, riss dabei meine Gefährten wie auch die überlebenden Abscheulichkeiten um. Ich ließ mein Schwert los, um noch schneller zu sein. Er stand vor der Bardin, die eingekesselt war. Er hob seine Pranke und als er sie herabschleuderte …
 

„AHHHH!“ Es schmerzte. Höllisch. Brustkorb wie Rücken. Für einen Moment hatte ich das Gefühl gehabt, in der Luft zu schweben, ehe mich dieser Schmerz ergriff. Meine Gedanken schweiften umher. Ich musste auf andere Gedanken kommen. Mir nicht die Sinne vom Schmerz vernebeln lassen. Was war geschehen? Was geschah in diesem Augenblick. Meine Augen öffneten sich. Ich bemerkte den Schild, der vor mir auf dem Boden lag. Ich hatte Leliana verteidigt. Erst jetzt bemerkte ich die Bardin, die scheinbar auf mich einsprach. Doch der Schmerz ließ noch immer mein Gehör klingeln, so dass ich mich auf keines ihrer Worte konzentrieren konnte. Wynne rannte auf uns zu.

„Heilerin. Sie heilt“, kam mir der intelligente Gedankengang zu Wynne, als ich schon bemerkte, wie der Schmerz gelindert wurde.

„Gleich dürfte es ihm wieder besser gehen“, drang nun die Stimme der Älteren in meinen Gehörgang, ehe ich tatsächlich bemerkte, wie es mir wieder besser ging. Der Schmerz pochte zwar noch etwas, allerdings nicht mehr so sehr wie zuvor. Vorsichtig erhob ich mich.

„Komm, ich helfe Euch.“

„Nicht nötig“, antworte ich der Bardin, als ich auch schon wieder vorsichtig aufstand und das Gleichgewicht hielt. Ich blickte hinter mich. Eine Mauer. Also waren die Schmerzen, die ich verspürte, das Resultat eines Treffers des Dämonen und dem direkten Knall gegen die Mauer. Ob mein richtiger Körper das auch so einfach überstanden hätte?

Mein Blick schweifte an Leliana vorbei, wo ich erkannte, wie der restliche Trupp noch immer gegen Uldred kämpfte. Also hob ich, unter Rückenschmerzen, meinen Schild vom Boden und blickte mich um. Mist. Mein Schwert lag weiter hinten im Raum. Doch was tat man nicht alles für seine Truppe.

„Ihr solltet es den anderen überlassen“, kam der gutgemeinte Rat von Wynne, als ich mein Haupt schüttelte.

„Wynne, attackiert ihn mit Euren Bolzen und Steinfäusten. Leliana, Pfeile. Jede. Menge. Pfeile!“ Ich hob die Litanei auf, die Leliana auf dem Boden liegen ließ, als sie neben mir gekniet hatte und schon lief ich im schnellen Schritt auf mein Schwert zu. Und als ich bemerkte, dass es ging, rannte ich darauf zu, nahm es in die Hände, und blickte zu Uldred.

„Tut mir leid, doch ich muss wieder was Wahnsinniges machen“, warnte ich Aidan in meinem Inneren vor, der sicherlich bereits die Augen verdrehte.

„Sten!“ Genannter blickte zu mir, während ich meinen Schild wieder wegwarf, hatte ich meinen Plan erst jetzt geschlossen, und mit dem Schwert in der Hand zu ihm gerannt kam. Er blickte kurz zum Dämonen, der direkt hinter ihm stand und dann schien er zu verstehen. Für einen Moment schien er doch tatsächlich zu schmunzeln, ehe er genau das tat, was ich von ihm erwartete. Er legte seine Waffe neben sich auf den Boden, kniete sich etwas hinunter und schob seine Hände ineinander, um mich zu schleudern.

"GLEICH ENDET DER REST DEINES LEBENS!", schrie ich Unsinnigerweise als meinen Persönlichen Kampfschrei, um mir auf den letzten Metern weiteren Mut zuzusprechen.

Als ich den Qunari erreichte, segelte ich auch schon durch die Lüfte. Doch der entscheidende Unterschied war dieses Mal, dass ich es so wollte. Mit meinem Schwert in der Hand landete ich direkt auf dem Kopf des Ungetüms. Er schrie heulend auf, während ich mir Mühe gab, auf diesem Mistvieh zu bleiben. Die Litanei in meiner Hand leuchtete, während ich mit der gleichen Hand einen Dolch aus meinem Gürtel hervorholte, für eine gefühlte Sekunde festen Stand auf seinem Hals besaß und diesen auch gut nutzte. Denn diese eine Sekunde brauchte ich. Ich nahm meinen Dolch in die andere Hand, drückte die nun leuchtende Litanei gegen seinen Kopf und stieß den Dolch mit voller Kraft durch das Papier, direkt in seinen Schädel hinein.

Gepeinigt schrie er auf, ehe er in sich zusammenbrach. Gerade noch so schaffte ich es, nicht von diesem Körper begraben zu werden, allerdings flog auch ich recht unsanft zu Boden.
 

Ich vernahm Schritte, die sich meiner Position näherten, ehe eine Hand in mein Sichtfeld drang. Ich blickte zu dessen Besitzer und sah in Alistairs lächelndes Gesicht.

„Gute Arbeit. Etwas riskant und verrückt, aber gut gemacht“, sprach er das aus, was meine Aktion schließlich auch war. Lächelnd nahm ich seine Hand entgegen und wurde von dem „fast-Templer“ hochgezogen.

Wynne kam auf mich zu und sie schien mit sich zu ringen, ob sie mich tadeln sollte aufgrund dieses Leichtsinns, den ich an den Tag brachte, oder eher danken. Sie entschied sich für Letzteres, als sie mich anlächelte und dies auch tat. Auch der Rest unserer Truppe trat zu uns.

„Gut gemacht.“

Überrascht blickte ich Sten an. Er hatte mich gelobt?

„Ich danke Euch für die Hilfe.“ Ich lächelte den Qunari an, der wieder sein Pokerface aufsetzte und nickte. Ich mochte diesen mürrischen Qunari einfach.

Mein Blick lag wieder auf dem Toden Uldred. Wir hatten den Zirkel also endlich gerettet. Neben dem Zwergenreich die größte Sorge in meinem Kopf. Und nun war sie vorbei.

„Erbauer sei Dank“, drang es aus meiner Kehle.

„Erbauer! Ich bin zu alt für so was“, stöhnte Irving, der sich uns humpelnd näherte.

„Irving! Wie geht es Euch?“, erkundigte sich Wynne genauso besorgt, wie es ihr Blick war.

„Es ging mir schon besser“, lachte er für einen kurzen Moment, während er bei uns ankam und Wynne freundlich anlächelte. „Aber ich lebe noch und dafür bin ich dankbar. Das ist doch wohl Euer Werk, nicht wahr, Wynne?“

„Ich war nicht alleine. Ich hatte Hilfe“, erwiderte diese.

Die alten und müden Augen des ersten Verzauberer ruhten auf unserer Gruppe.

„Der Zirkel schuldet Euch mehr, als wir je zurückzahlen können“, erklärte er uns freundlich.

„Ich komm darauf zurück.“ Ich zwinkerte für einen Augenblick, was Wynne einen erstaunten Blick bescherte. Der Ältere lachte kurz, ehe er zur Treppe nickte.

„Kommt, die Templer warten. Wir müssen ihnen sagen, dass der Turm wieder uns gehört.“

Irving humpelte los.

„Ihr müsst mich die Treppe hinuntergeleiten. Ah, verflucht sei derjenige, der festgelegt hat, dass der Zirkel in einem Turm sein muss.“
 

Meine Gefährten folgten. Doch ich blieb stehen, da ich noch Solona erblickte, wie sie vor dem Kopf des toten Uldreds stehen blieb. Sie stand mit dem Rücken zu mir, und ich konnte nur erkennen, wie sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte. Erahnen, was in ihr vor sich ging. Vorsichtig näherte ich mich ihr, ehe ich eine Hand auf ihre Schulter legte, die sie für einen Moment zusammenzucken ließ und sie über ihre Schulter blickte. Stumm hatten sich Tränen in ihren Augen versammelt.

„Es ist vorbei“, sprach ich das Einzige aus, das mir in diesem Moment etwas sinnvoll rüberkam. Ich war normalerweise schlecht im Trösten. Es schien allerdings zu wirken, denn nur Sekunden später befand ich mich in einer Umarmung. Die so spaßige Magierin, die so heldenhaft für ihre Heimat gekämpft hatte, zitterte. Es schien, als würde sie erst jetzt ihre Gefühle zulassen.

Das droht dir auch noch​, erinnerte mich meine innere Stimme. Ich strich ihr sanft über den Rücken, während ich das Schluchzen von ihr vernahm.

„Es sind so viele gestorben.“

„Ich weiß.“

Für wenige Augenblicke standen wir so da. Sie brauchte dies. Diesen Moment der Ruhe.

„Entschuldigt.“ Und schon löste sie unsere Umarmung auf.

Sanft lächelte ich sie an, als meine rechte Hand ihre linke Schulter berührte, und ihr dabei in die Augen blickte.

„Für seine Gefühle sollte man sich nie entschuldigen. Man kann nicht immer stark sein, und das sollte man auch nicht. Wenn Euch nach weinen zumute ist, dann tut es. Sonst frisst es Euch früher oder später auf.“

„Ihr scheint wohl aus Erfahrung zu sprechen?“, kam es im Versuch, wieder spaßig zu sein, ihrerseits. Ihre freudige Fassade wieder aufrechtzuhalten. Ein Nicken meinerseits beantwortete ihre Frage.

„Wohlmöglich besser, als Ihr annehmt. Aber lasst uns den anderen folgen.“

Und gemeinsam liefen wir aus dem Raum, ohne weiter über diese Worte zu sprechen, die noch eben unsere Lippen verließen.

Unsere Gefährten waren schon weiter gegangen. Leliana allerdings schien als Einzige unser Fehlen bemerkt zu haben, denn sie wartete dort auf uns, wo Cullen zuvor gefangen gehalten wurde.

„Was ist mit ihm?“ Ich nickte zum Ort wo der Käfig war.

„Er ist noch nicht bei Kräften. Während Alistair hilft, Irving nach unten zu bringen, übernimmt Roland diesen jungen Templer.“ Ich nickte. Wenn sie wüsste, dass sie in einem guten Jahrzehnt mit diesem jungen Templer zusammenarbeiten würde, hätte sie sich ihn vermutlich etwas genauer eingebläut. Und Infos erhascht.

„Dann hat es sich ja gelohnt, dass ich nicht da war, sonst hätte ich vielleicht das Glück gehabt, einem der beiden helfen zu müssen.“ Ich lächelte, was auch den beiden Frauen Besagtes auf die Gesichter zauberte.

Wir setzten uns in Bewegung, um bald bei den anderen zu sein, ehe mir ein Gedanke kam.

„Leliana, könntet Ihr mir einen Gefallen tun?“ Der Rotschopf blickte mich überrascht an.

„Welchen?“, kam es sogleich neugierig von ihr.

„Ihr habt flinkere Finger als ich. Könntet Ihr gleich unbemerkt in das Büro von Irving hinein und ein schwarzes Zauberbuch entwenden, und es mir später geben, sobald wir wieder lagern? Laut Spiel befand es sich auf dem Schreibtisch des Zauberers.“ Sie nickte.

„Natürlich.“

„Wie bitte?“ Ich blickte sie verwundert an.

„Was?“ Sie war nun verwirrt.

„Keinerlei Gegenfrage wozu?“ Sie kicherte, als sie erkannte, weshalb ich verwirrt war.

„Ihr habt sicherlich Eure Gründe dafür und würdet nie etwas tun, das unserer Gruppe schadet“, erwiderte sie nur freundlich und schritt weiter.

„Ich … danke.“ Noch immer erstaunt blickte ich sie an, als ein Räuspern der Blondine erklang.

„Hm?“

„Ich soll also einfach so zulassen, dass ihr beiden dem ersten Verzauberer etwas entwendet?“ Sie hob ihre Augenbrauen.

„Ähm …“

„Klar, kein Thema. Habe ich auch schon ab und an gemacht. Leliana, im zweiten Stock befindet sich das Büro. Ich zeige Euch dann unauffällig, welche Tür es genau ist.“

Ich schüttelte lediglich lächelnd den Kopf. Die Neugierige stellte keine Fragen und diejenige, die im Spiel stirbt, sobald die Wahl nicht auf sie gelegt wurde, lebt und ist ein kleiner Schelm. Verkehrte Welt.
 

Als wir unten ankamen, wurden wir von den Magiern gefeiert, als wären wir Stars. Nun, für sie waren wir in diesem Augenblick wohl mehr, schließlich hatten wir ihnen allen das Leben gerettet. Die Magier lagen sich in den Armen, und selbst so manchem von uns. Auch Petra hatte mich freudig in die Arme geschlossen und mir auch dafür gedankt, dass ich auf Wynne aufgepasst hatte. Ob das wohl so ganz stimmte, wusste ich nun wirklich nicht, schließlich hatte sie meine Wunden geheilt und kämpfen musste ich so oder so. Allerdings wollte ich mich nicht beschweren, wurde ich doch gerne von schönen Frauen umarmt.

Als Irving am Tor war und Greagoir dessen Stimme vernahm, uns das Tor öffnete und unsere frohe Kunde vernahm, schien er augenblicklich zehn Jahre jünger zu werden. MINDESTENS!

„Ihr habt uns einen großen Dienst erwiesen, Wächter. Seid Euch gewiss, dass wir Templer alles in unserer Macht Stehende tun, um Euch bei der Verderbnis zu helfen.“

„Der Zirkel ebenfalls!“, gab uns Irving zu verstehen. Auf dem Weg hatte ihm Alistair erklärt, dass wir Wächter sind und dass er und ich die einzigen Überlebenden waren. Es war mal schön, es nicht selbst dauernd erwähnen zu müssen. Konnte er gerne öfter übernehmen. Die beiden Oberhäupter der Orden feixten noch etwas miteinander, ehe sie mir zu verstehen gaben, dass wir sie nur zu rufen hatten, und sie würden diesem folgen. Nun war die erste Station tatsächlich beendet.

Welch. Ein. Glück.

„Irving“, unterbrach nun Wynne das Gespräch der beiden mit mir, weswegen alle Aufmerksamkeit auf der Zauberin lag.

„Ich möchte sie begleiten. Diese Leute sind tapfer, gut und zu Großem fähig. Ich will sie unterstützen, mit allem, wozu ich in der Lage bin.“

„Ach, du warst noch nie gerne im Turm, wenn draußen etwas Großes passiert“, brummte Angesprochener gutmütig.

„Wenn die Wächter damit einverstanden sind, kannst du gerne mit Ihnen gehen.“

Greagoir sah so aus, als würde er Protest einlegen wollen, doch er besann sich anders. Scheinbar war es den Stress nicht wert.

„Ich würde mich darüber freuen, wenn Wynne uns beitritt. Allerdings muss ich auch um eine weitere Magierin bitten, falls sie denn möchte.“

Solona blickte mich erstaunt an, als sich unsere Blicke trafen, und nun wandte sich Greagoir tatsächlich an mich.

„Ihr habt schon Wynne, und nun wollt Ihr tatsächlich noch einen Magier außerhalb des Turms lassen?“

„Ihr sagtet, ich soll mir dessen bewusst sein, dass die Templer alles tätigen würden, was in ihrer Kraft steht, um uns bei der Verderbnis zu helfen. Solona ist uns ebenfalls eine großartige Hilfe gewesen und harmoniert ebenso mit unserer Truppe. Falls Ihr Euch allerdings dagegen sträubt, würde ich in ihrem Falle auch vom Konskriptionsrecht Gebrauch machen.“ Solonas Mund stand offen, als sie erkannte, mit welch Eifer ich versuchte sie für unsere Gemeinschaft zu gewinnen. Im Kontrast dazu stand der Templerkommandant. Greagoir sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen, ehe er seufzte.

„Ihr habt recht. Ich sagte, dass wir Euch helfen würden. Nehmt diese zwei Magierinnen, aber keinen einzigen mehr!“, stellte er klar, und mit dem Kopf verneigte ich mich kurz vor dem Oberhaupt des Templerordens.

„Habt Dank.“

Nun ruhten alle Augen auf Solona, die zu strahlen begann.

„Ich komm mit!“, verkündete sie fröhlich, was mich lächeln ließ. Wir kamen her, retteten den Tag und anstelle einer Magierin, wie ich es gewohnt war, verließen wir den Turm mit zwei Mitgliedern mehr.
 

Ihr fragt Euch sicherlich, weshalb es mir so wichtig war, Solona in unserer Truppe zu bekommen, dass ich mit dem den Wächtern gegebenem Recht drohte. Nun, zum einen wusste und merkte ich ja, dass sie eine ausgezeichnete Magierin war und dass sie überlebte, war für mich ein Zeichen des Erbauers, doch ausschlaggebend war ein besonderer Fakt. Bei ihr handelte es sich um eine Träumerin. Also konnte sie ohne die Hilfe von Lyrium ins Nichts gelangen und das war ein wichtiger Punkt für unser nächstes Ziel. Ein Punkt, bei dem wir erneut Zeit gewinnen konnten und nicht zurück zum Zirkel wandern mussten. Ein weiterer Vorteil, der uns in die Karten spielte.​

Chapter 14 ~ Aus eins mach zwei

Das Knistern des Lagerfeuers und die Wärme, die dieses verströmte, war beruhigend. Über uns der klare Sternenhimmel und aus der Ferne die nächtlichen Umrisse des Turms, in welchem wir noch vor wenigen Stunden herumirrten. Ja. Wir hatten unser Lager aufgeschlagen, sobald wir in einiger Entfernung vom Turm zur Rast kamen, schließlich war es bereits dunkel geworden und bei Nacht zu reisen, wäre sinnlos wie gefährlich zugleich. Auch brauchten wir nach der Anstrengung des Turmes dringend eine Pause. Ich selbst genoss diese verdiente Rast vollkommen, hier draußen und endlich aus dem Zirkel heraus zu sein. Zu wissen, dass wir unseren ersten Schritt bei der Beendigung der Verderbnis getätigt hatten. Dass wir das Richtige taten. Es war beruhigend. Und offensichtlich ging es meinen Kameraden ähnlich, denn sie wirkten so schön entspannt in diesem Moment. Die meisten waren in ihren Gedanken oder mitten im Gespräch. Einander kennenlernend. Das war wichtig für den Gruppenzusammenhalt. Doch ich zweifelte nicht daran, dass wir auch in Zukunft super harmonieren würden, war das, was wir im Turm aufwiesen, ein guter Beginn.

Meine Augen richteten sich auf Leliana. Wie von Sinnen erhob sich mein Körper schon fast von selbst, und setzte sich bereits in Bewegung, ehe ich vor der Bardin zum Stehen kam, die mich neugierig beäugte.

„Darf ich um ein Gespräch bitten?“, fragte ich, weswegen sie nur lächelnd nickte.

„Natürlich.“

Und schon entfernten wir uns von der Gruppe. Wir liefen etwas weiter in die Richtung des Turms, ehe wir zum Stehen kamen. Sie schaute mich neugierig an.

„Ich wollte mich bei Euch für meine Rettung im Nichts bedanken.“

„Wir sind Gefährten. Das ist nur natürlich, dass wir einander helfen. So wie Ihr es tatet, als mich dieses Ungetüm angriff. Auch dafür wollte ich mich bei Euch bedanken.“ Sie lächelte mich freundlich an, wodurch sich meine Gedanken unweigerlich an die Szenerie erinnerten. Ja, es war mehr als riskant und ich wusste auch nicht, was in mich gefahren war. Mein Körper reagierte bereits, ehe es meine Gedanken visualisieren konnten. Oder war das Aidan gewesen, anstelle von mir selbst.

„Ich habe damit nichts zu tun. Das warst du ganz alleine“, erklärte mir Aidan Augenblicklich, was mich zum einen noch mehr verwirrte, zum anderen aber auch erfreute. Ich schien ja doch ganz mutig zu sein, wenn es darauf ankam.

„Auch wollte ich mich für meine Worte entschuldigen, als wir das letzte Mal ein Gespräch unter vier Augen hielten. Oder eher sechs, wenn man an die Lauscherin Morrigan denkt.“ Automatisch suchten meine Augen die Äste über uns ab, doch von der Schwarzhaarigen in gefiederter Form war weit und breit keine Spur. Entweder war sie tatsächlich nicht anwesend, oder sie wusste sich ein unauffälliges Versteck zu suchen.

„Für was denn genau?“, tat sie auf unschuldig. Als wüsste sie nicht, was ich meinte. Frauen.

„Dafür, dass ich ausgesprochen habe, dass Ihr mich eventuell töten würdet. Besonders die Erfahrung im Nichts wies mir auf, welch närrischer Gedanke dies war. Euch nicht fair gegenüber. Bitte verzeiht meine Idiotie.“ Sie hatte mittlerweile wieder ihre Arme vor der Brust verschränkt, und nickte.

„Ich will auch schwer hoffen, dass Ihr diesen Gedanken abgelegt habt. Weder werde ich Euch töten noch meiden. Ich mag Euch. Deshalb folge ich Euch“, ließ sie verlauten, was mich zum Lächeln brachte.

„Danke. Einem Mann bleibt nur übrig, sich aufgrund seiner Worte zu entschuldigen, wenn er einen Fehler tätigte.“ Sie winkte ab.

„Ihr wisst, dass ich eine Laienschwester war. Es gehört zu unserem obersten Gesetz, Vergebung zu erteilen. Also verzeihe ich Euch.“ Sie zwinkerte nur, was mich kurz zum Auflachen brachte, und auch sie es mir in dieser Angelegenheit gleichtat.

„Ich wollte Euch übrigens dies geben.“ Sie reichte mir das Zauberbuch von Flemeth. Für einen Moment hielt ich es in Händen und beäugte es kurz, steckte es allerdings gleich wieder weg.

„Habt Dank.“

„Das war noch nicht alles. Auch das wollte ich Euch geben.“ Und nun hielt sie mir erneut ein Buch entgegen. Es dauerte einen kurzen Augenblick, ehe ich realisierte, um was es sich dabei handelte.

„Mein Tagebuch! Aber das ist nicht möglich. Ich habe es doch verbrannt!“ Ungläubig nahm ich es entgegen, ehe ich, noch bevor Leliana ihre Hände zurückziehen konnte, leichte Verbrennungen an ihrer linken Hand erkennen konnte. Wieso war mir dies nicht vorher schon aufgefallen, zum Beispiel, als ich ihr die Litanei gab? Doch dann kam mir eine Erkenntnis.

„Ihr habt es für mich herausgeholt und Euch dabei verletzt?“ Verblüfft blickte ich sie an. Sie tat dies für mich, da sie wusste, wie wichtig mir dieses Buch war. Meine Erinnerungen.

„Oder wollte sie es nur selbst benutzen?“

„Dann hätte sie es mir allerdings nicht zurückgeben brauchen“, meldete sich der innerliche Engel- und Teufelkonflikt in mir zu Wort.

„Es ist halb so wild“, winkte sie schnell ab und zog die Hand unauffällig hinter ihren Rücken.

„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll …“ Ich verfiel wieder ins Schweigen, als sie dies bemerkte und meinen Kopf, der sich mittlerweile auf den Boden gesenkt hatte, mit ihrer gesunden Hand, hochschob, so dass ich ihr in die Augen blickte.

„Danke, wäre zumindest ein Anfang.“ Es breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Amüsierte sie meine Reaktion?

„Ich … ja. Danke. Wie so oft in den letzten Stunden. Ich weiß eure gutmütige Geste zu schätzen. Wirklich.“

Und ich meinte es auch so. Sie hätte es nicht tun brauchen, verletzte sich trotz allem für etwas, das ich leichtsinnig weggeworfen hatte, und gab mir diesen Vorteil, den sie so leicht hätte nutzen können, ohne dass ich es gewusst hätte. Diese Frau war einfach … wow.

Für einen Moment verweilten wir so, nicht wissend, was wir weiter bereden konnten oder sollten. Zumindest betraf es meine Seite so, ob sie lediglich darauf wartete, dass ich noch etwas sagte, wusste ich nicht, also wandte ich mich ab und schritt erneut zu unseren Zelten zurück, wo der Rest unserer Truppe rastete.

Doch bevor wir dort ankamen, kreuzte Morrigan bereits meinen Weg, und auch Leliana blieb neugierig stehen.

„Nun, da wir genug Magier in unserem Kreis haben, könnte ich Euch helfen, falls Ihr auch nur eine von ihnen dazu überreden könntet, uns zu helfen.“ Verwirrung lag in meinem Blick. Was wollte sie jetzt genau von mir?

„Inwiefern helfen?“, ließ ich sie an meiner offensichtlichen Verwirrung teilhaben.

„Euch und den echten Aidan voneinander lösen. Jeder mit eigenem Körper.“

„Ihr könnt das?“, sprach Leliana die Gedanken aus, die sich wohl nun in doppelter Ausführung in Aidans Kopf breit machten, hörte er ja scheinbar genaustens zu.
 

„In der Theorie, ja. Mutter gab mir vor unserer Reise einen Zettel mit und beauftragte mich diesen erst zu lesen, sofern wir, mich mit einbezogen, zwei Magier in unserer Gruppe besaßen. Doch wie ich erkennen kann, sind wir nun zu dritt, was weniger Aufwand für jeden von uns bedeuten würde, wenn sie beide mitmachen. Es ist ein kleines Ritual, das viel Mana kostet, ansonsten allerdings recht ungefährlich. Zumindest für uns Magier. Was mit Euch geschieht, ob es klappt oder nicht, liegt nicht in meiner Kenntnis. Es liegt also an Euch, ob wir es probieren, und an den Magierinnen, ob sie helfen wollen.“

Erstaunt blickte ich die Hexe an. Das war … Wahnsinn. Flemeth hatte also einen Weg gefunden, wie wir unseren Körper trennen konnten? Wenn es auch nur einen Hauch von einer Chance gab, hatten wir dieses Ritual zu tätigen. Schließlich wollte Aidan nicht den Rest seines Lebens auf der Ersatzbank sein, und ich nicht in einem fremden Körper leben. Auch wenn er nicht mehr so fremd war, und dem meinem, abgesehen von den Muskeln, eben nicht wirklich unähnlich war.

„Ich … danke. Ich werde die beiden sofort fragen.“

Und schon ließ ich die beiden Frauen alleine stehen, nur um zu den Zirkelmagierinnen zu gelangen.
 

„Darf ich kurz um euer Gehör bitten?“, stellte ich den beiden Magierinnen die Frage, als sie mich auch sogleich anblicken.

„Selbstverständlich“, antwortete die Ältere stellvertretend für sie beide.

„Solona weiß ja bereits Bescheid wegen Aidan und mir, Alexander. Seid Ihr auch im Bilde, verehrte Wynne?“

„Ich habe es im Grunde mitbekommen, wie auch verstanden“, gab sie mir die Antwort, wodurch ich nur nickte.

„Nun, Morrigan offenbarte mir soeben, dass sie ein Ritual wüsste, das mich und den Besitzer dieses Körpers voneinander löst. Allerdings zerrt dies sehr am Mana und wenn niemand von euch beiden behilflich sein wollen würde, könnte ich das verstehen. Allerdings wäre dies vermutlich die einzige Möglichkeit, Aidan und mich voneinander zu lösen.“

Solona stand direkt von ihrem Sitzplatz auf und hob die Faust in die Höhe.

„Wenn ich Euch helfen kann, dann werde ich das tun. Ihr halft mir auch, als ich Euch brauchte.“

„Gut gesprochen, Solona. Ich selbst habe sowohl Aidan, durch die Hilfe im Nichts, und Euch, durch Euren Einsatz im Zirkel, zu danken. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, wenn ich euch beiden helfe.“

„Ich danke euch beiden“, kam es dankbar über meine Lippen, während wir nun zu dritt zu Flemeths Tochter gingen.
 

Aus den Medien meiner Welt hatte ich schon öfter magische Rituale beobachtet, doch dies hier war für mich etwas vollkommen anderes. Ich hatte der Vorbereitung, wie auch dem weiteren Wirken beiwohnen dürfen, ging es hierbei ja auch um mich und Aidan, doch es war interessant. Morrigan hatte verschiedene runenähnliche Zeichen auf den Boden gemalt, und den beiden Helferinnen gezeigt, was sie zu tun hatten. Holzscheite wurden an verschiedenen Punkten verteilt, die sie kurz danach anzündete, und urplötzlich auf elfisch ihre Formeln sprach. Ich verstand, Flemeth sei Dank, jedes einzelne ihrer Worte. Sie hantierten auch mit Lyrium, doch was sie genau taten, konnte ich bei der ganzen Zeremonie als Nicht-Magier wirklich nicht sagen. Meine letzte Erinnerung daran war ein Wort, das von Morrigan auf Elfisch gesprochen wurde. Trennung.​
 

„Nun. Sie leben. Offenbar hat es funktioniert“, drang eine mir vertraute Stimme ins Ohr, während mein Bewusstsein so langsam wieder zu sich kam. Mit meinen Händen, die beim Tasten Gras bemerkten, erkannte ich auf einer Wiese sein zu müssen. Was tat ich hier?

„Und Ihr müsst also der eigentliche Aidan Cousland sein?“ Erneut dieselbe Stimme, die sich an jemanden zu wenden schien.

„Ja. Freut mich Euch kennenzulernen, Morrigan. Und danke.“

Mit einem Mal öffneten sich meine Augen. Morrigan. Und die Stimme war die, welche ich seit meiner Ankunft in dieser Welt mein Eigen nannte. Das bedeutete also, dass wir getrennt waren? Meine Erinnerungen kamen zurück. Ja, Morrigan und die beiden Magierinnen hatten geholfen, unsere Körper zu trennen.

„Wollt Ihr so langsam aufstehen, Alexander?“, vernahm ich eine kichernde Stimme, die über mir war. Erst jetzt hatte ich zuvor in den dunklen Nachthimmel geblickt, da erblickte ich die blonde Magierin, die mir hilfreich eine Hand reichte. Ich ergriff sie auch gleich und wurde hochgezogen.

„Danke.“

Meine Stimme. Das war meine eigene Stimme. Die Echte! Vorsichtig blickte ich an mir herunter. Das war mein leicht übergewichtiger, allerdings durch fleißiges Training im Fitnessstudio nicht ganz so verloren, wie er vielleicht den Eindruck erweckte, Körper. Selbst die Kleidung, die an diesem hing, war noch aus meiner Welt. Von dem Abend, an dem ich aufgrund meines Geburtstages eingeschlafen war und hier hinüberwechselte. Alles, was ich nun sah. Hörte. Roch. Schmeckte. Das teilte ich mir mit niemandem mehr, sondern das war … ich.

Doch während ich noch in meinen eigenen Gedanken hing, bemerkte ich nicht, wie Morrigan sich direkt vor mich stellte, und ihren Stab in Händen hielt, direkt mich anvisierend.

„Nehmt diesen Stab weg!“, forderte ich, als meine Gedanken nun auch meine Umgebung wahrnahmen.

„Weshalb sollte ich?“

„Weil ich sonst wütend werde. Auf Euch losgehe. Und Ihr mich, ohne Schaden zu nehmen, tötet. Wäre nicht gut für mich.“

Sie nahm tatsächlich ihren Stab weg, während sie mich von Kopf bis Fuß musterte.

„Ich sehe, Ihr seid tatsächlich voll und ganz Ihr selbst.“

„Aufgrund meines wundervollen Humors?“ Ich lächelte sie an. Ich verstand ja bereits, weshalb sie den Stab auf mich gerichtet hatte. Es hätte etwas schiefgehen können und nun wäre ich ein Dämon oder ein ähnliches Wesen. Magie war zu kompliziert und komplex, um nicht mit dem zu rechnen, mit dem man nie rechnen würde.

„Weil Ihr versucht witzig zu wirken.“

„Versucht?“ Gespielt verletzt blickte ich sie an, während meine Hände an mein Herz wanderten.

„Jetzt verletzt Ihr mich aber, Verehrteste.“

„Ihr werdet es überleben. Da bin ich ganz sicher.“ Und schon ging sie ein paar Meter weiter, erkennend dass es nun an der Zeit war, dass wir Körperteiler das erste Mal miteinander, jeder mit tatsächlichem Körper, interagierten, schließlich stand nun Aidan vor mir.
 

„Hi.“

„Hallo“, begrüßten wir uns beide lächelnd.

„So, als wir uns im Traum begegneten, hatten wir uns geduzt, und ich habe über ein Jahr in deinem Körper verbracht. War dir näher, als es irgendjemand jemals sein könnte. Und doch bist du vom adeligem Stand. Wie machen wir also zwischenmenschlich weiter? Bist du, neben den beiden Flohteppichen, der Einzige, den ich vom Trupp duzen darf, oder wollen wir förmlich fortfahren?“, wollte ich gleich das Wichtigste, unsere persönliche Anrede, miteinander klären.

„Das wäre Quatsch“, winkte er ab.

„Wir können uns ruhig duzen. Durch diese Erfahrung würde ich sogar so weit gehen, dass wir Brüder sind.“

„Schön gesprochen!“, stimmte ich seinen Worten ein, fühlte ich doch genauso. Wir hatten zwar wenig miteinander interagiert in der Zeit, allerdings hatte ich sein Leben gelebt und viel über ihn erfahren, und er konnte mich über ein Jahr lang aus der ersten Reihe perfekt beobachten, Gedanken und Handeln, wusste also auch jede Menge über mich. Das war schon in etwa das, wenn nicht sogar krasser, was man ruhigen Gewissens als seinen Bruder ansehen konnte. Und das waren wir nun auch geworden.

„Schön, dich nun von Angesicht zu Angesicht, ohne diese Träumerei oder Stimme im Kopf, kennenzulernen, Aidan.“ Ich hielt ihm die Hand hin, die er auch sogleich ergriff.

„Freut mich auch, Alexander.“
 

Und als nächstes war es an mir, der Gruppe nun alles zu erzählen. Also gingen wir, nachdem ich mich bei den drei Magierinnen bedankt hatte, zurück ans Lagerfeuer, und riefen alle heran. Sie musterten mich allesamt und ich fühlte mich unwohl, nun das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu sein. Normalerweise war ich es ja auch gewohnt, dass ihre Augen auf mir ruhten, doch im Falle dieses „Normalerweise“-Faktors war ich auch ein gutes Stückchen größer als jetzt und muskulöser wie auch schlanker. Sprich: Aidan. Doch das war ich nicht mehr, sondern in meinem eigenen Körper. Mit meinen gerade einmal 1.70 Metern ein Wicht. Als wir durch die Träume im Nichts reisten, fiel mir auf, dass von meinen Gefährten, die mich bei dieser Reise begleiteten, lediglich die Mabari und Solona kleiner waren als ich, wenn Solona auch vielleicht gerade einmal einen Zentimeter oder so.

„Nun, ich bin der Typ, der euch alle mit auf diese Reise nahm“, fing ich meine Rede an.

„Mein Name lautet nicht Aidan Cousland, wie es der Fall noch war, als ich diesen Körper da …“, ich deutete auf Aidan, „… beheimatete, sondern eigentlich nennt man mich Alexander Meyer. Ich stamme aus einer anderen Welt. Dieser hier nicht einmal so unähnlich, und doch gänzlich anders.“

In manch Augenpaaren lag Irritation aufgrund meiner Aussage, und doch bemerkte ich, wie mir manch einer mehr, aufgrund von Neugierde, an den Lippen hing als andere.

„Bei uns gibt es keinerlei Magie. Auch keine andere Völker. Zwerge, Qunari, Elfen, all dies ist bei uns nicht existent, wobei wir schon durch verschiedene Mythen unserer Welt von Zwergen und Elfen bereits hörten.“

Sten gab aufgrund der Nichtexistenz seines Volkes, geschweige denn, dass wir nie von ihnen hörten, lediglich ein kurzes Knurren von sich, ansonsten sah er so uninteressiert und mürrisch aus, wie es stets auch der Fall war.

„Bei uns gibt es lediglich Menschen. Doch das bedeutet nicht, dass es dort besser vor sich geht, denn der Mensch findet stetig einen Weg, für Unruhe zu sorgen. Ob andere Hautfarbe, anderer Glaube oder gar die politische Ausrichtung, bei uns findet man für jeden Blödsinn eine Stimme, die herumschreit und sich nicht geliebt fühlt.“

„Verzeiht, wenn ich Euch unterbreche“, vernahm ich nun Wynne, der ich mit einem Nicken die Zustimmung gab, weiterzusprechen.

„Ich würde unglaublich gerne mehr über Eure Welt erfahren, doch viel mehr, und da bin ich denke ich nicht die Einzige, würde es mich interessieren, wieso Ihr so viel über diese Welt hier wisst? Bevor wir die Tür öffneten, hinter der sich der Templerrekrut Cullen befand, und Alistair fragte, ob wir nun angekommen seien, sagtet Ihr, dass wir zuvor die Grausamkeit der Blutmagie erblickten, was wir auch taten. Mir erschließt sich nicht so ganz, woher Ihr dies wissen konntet. Nur die Worte, die dieser Dämon sprach. Ihr wisst über die Zukunft und Gegenwart Bescheid. Über die Geheimnisse von uns. Mich würde nun interessieren, woher Ihr dieses Wissen über Zukunft und Gegenwart besitzt, wie auch, was Ihr über uns zu wissen scheint.“

„Ich danke Euch, Wynne, denn nun weiß ich auch genau, was ich Euch zu sagen habe“, kam es lächelnd an die Ältere gewandt.

„Ich nehme das Beispiel, das ich Leliana gegenüber erwähnte. Ihr kennt doch sicher alle Glaskugeln, die Wahrsager benutzen. Oder in einem Buch gibt es doch stetig einen Hauptprotagonisten.“ Meine Umgebung nickte, um mir zu verstehen zu geben fortzufahren.

„In meiner Welt ist diese Welt hier lediglich eine Collection von Spielen, wie auch eine Buchreihe. Im ersten Spiel geht es um die fünfte Verderbnis. Den Hauptcharakter kann man sich selbst erstellen. Sein Aussehen, seine Stimme und sogar das Geschlecht. Aidan hätte auch genauso gut eine Elissa sein können.“ Eben Genannter blickte mich nun selbst überrascht an. Hatte er es nur vergessen oder hatte ich in der ganzen Zeit darüber gar nicht nachgedacht, so dass er es nicht erfahren konnte? Und um ehrlich zu sein, ich war zwar froh, im Körper eines Mannes gewesen zu sein, allerdings wäre der Perspektivwechsel auch interessant gewesen. Doch es war vermutlich besser so, hätte ich alter Perversling dies ohnehin nur für Schabernack missbraucht.
 

„Selbst seine Hintergrundgeschichte. Aidan hier …“, ich deutete auf den Wächter, „… ist nur der Wächter geworden, da Duncan nach Highever kam. Doch es gab andere Orte, wo er auch hätte auftauchen können.“

Mein Blick legte sich auf Solona.

„Wäre Duncan anstatt nach Highever in den Zirkel gegangen, wärt Ihr heute die Anführerin dieser Truppe.“

Nicht nur Solonas Gesicht, sondern auch auf den Gesichtern weiterer Gefährten wie Wynne und Alistair machte sich die Überraschung zu Gast.

„Wäre er nach Orzammar gegangen, hätte er zwei Möglichkeiten gehabt. Entweder den verstoßenen, mittleren Sohn oder Tochter des mittlerweile verstorbenen König Aeducan zu rekrutieren, dem er in den Tiefen Wegen begegnet wäre. Doch dieses Kind ist mittlerweile tot. Oder einen kastenlosen Zwerg. Dieser Zwerg dürfte noch leben und ich hoffe, wir können diesen retten. Ein Dalish hätte es auch werden können, doch auch dieser ist jetzt schon längst unter der Erde. Der Stadtelf, der den Posten eures Anführers bekommen hätte, dürfte auch noch leben, im Kerker in Denerim. Diesen Elf zu befreien, dürfte allerdings schwieriger sein als den kastenlosen Zwerg, der von einer Verbrecherorganisation gefangen gehalten wird. Sie wären allerdings zweifellos auch sehr gute Verstärkungen.“

Für einen Moment verlor ich mich in meinen Gedanken, ehe mich Aidan leicht stieß. Verwirrt blickte ich zu ihm, ehe ich meinen Kopf schüttelte.

„Ach. Ja. Tut mir leid. Jedenfalls übernimmt man in diesem Spiel die Rolle des Wächters, und sammelt dort seine Verbündeten. Also euch. Je mehr man sich mit Euch anfreundet und Ihr ihm vertraut, desto mehr erfährt man. Und da ich diese Spiele, besonders dieses hier, weit mehr als zwanzig Mal gespielt habe, ja, ich hatte früher viel zu viel Zeit, wie auch die Bücher gelesen habe, weiß ich über vieles, was passiert ist oder passieren wird, Bescheid. Woher die Entwickler dieser Spiele allerdings über diese Welt und die Zukunft Bescheid wissen, das kann ich euch leider selbst nicht beantworten. Vielleicht ist das Nichts noch viel weitreichender, als man denkt. Reicht nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft und in andere Welten wie der meinen. Wer weiß das schon.“ Ich zuckte bei meinen letzten Worten mit den Schultern.
 

„Und um die Frage meines Wissens zu beantworten, werde ich nun jedem etwas sagen. Wenn es etwas zu Persönliches ist, dann allerdings nur in Stichworten, möchte ich niemandem auf den Schlipps treten.“

Mein Blick wanderte zu Aidan.

„Wir teilten unsere Körper, du hast meine Gedanken vernommen. Mir glaubst du ohnehin.“

„Richtig.“

Lelianas und meine Augen trafen sich.

„Ich glaube Euch.“

„Gut.“ Wäre auch seltsam, wenn nicht, hatte sie immerhin mein Buch durchforstet und mich dazu bedrängt, dass ich ihr die Wahrheit sagte.

„Mit mir teiltet Ihr schon Euer Wissen über meine Vergangenheit“, erklang Morrigans Stimme, als die Hexe in mein Blickfeld geriet, weshalb ich nur nickte.

Meine Aufmerksamkeit legte sich auf die ältere Zauberin.

„Aneirin. Geist. Rhys.“ Die Ältere sah aus, als habe ich sie soeben geohrfeigt. Offensichtlich hatte ich sie nun dazu gebracht, mir zu glauben.

Meine Augen wanderten zur möglichen Wächterin.

„Jowan.“

Sie nickte lediglich.

Gerade als ich das Wort an Alistair richten wollte, hob er abwehrend die Hände.

„Im Nichts habt Ihr mir mehr als nur genug erzählt. Habt Erbarmen!“ Ein Schmunzeln legte sich auf mein Gesicht aufgrund seiner Reaktion, wodurch ich von ihm abließ und nun zu unserem Qunari blickte.

„Derzeit weiß ich nicht, wo sich Euer Schwert, Eure Seele, befindet, doch in ein paar Monaten dürfte ich Euch dorthin führen können. Auch weiß ich über Eure Aufgabe vom Arishok.“

Der Hüne nickte lediglich und mein Blick geriet auf den männlichen Rotschopf unserer Bande.

„Roland, um ehrlich zu sein, weiß ich über Euch kaum etwas. Das liegt aber daran, dass Ihr normalerweise auf Highever sterbt. Fans der Serie haben mal eine Möglichkeit hinzugefügt, Euch im Spiel überleben zu lassen, allerdings ist diese auf dieser Sprache, die wir gerade sprechen, und damals war mein Englisch, wie es bei uns genannt wird, alles andere als gut. Verzeiht, aber Euch kann ich leider nicht auf diesem Wege überzeugen.“ Roland schüttelte lediglich lächelnd sein Haupt.

„Macht Euch darüber keinerlei Gedanken. Ich habe in die Gesichter der anderen gesehen und die Wahrheit, die Ihr spracht, dort hinausgelesen. Erschrocken bin ich aufgrund der Tatsache, dass ich normalerweise längst tot wäre, allerdings bin ich froh, dass dem nicht der Fall ist.“

„Es hat schon seine Richtigkeit, dass Ihr noch unter den Lebenden in unserer Mitte seid!“, lachte ich nun und blickte die beiden Hunde an.

„Und ihr zwei glaubt mir doch ohnehin, oder?“ Sie nickten schwanzwedelnd, was dieses Mal nicht nur mich zum Lachen brachte.
 

„Eine andere Sache, Alexander.“ Fragend blickte ich zu unserer blonden Magierin.

„Ihr habt nun Euren Körper wieder, doch wo schlaft Ihr? Ihr besitzt weder Zelt noch Schlafsack.“

„Hey, meine zwei Vierbeiner.“ Die angesprochenen Mabari blickten wieder zu mir.

„Wenn mir niemand von denen aushelfen kann, müsst ihr mich heute Nacht wärmen.“ Glücklich bellten die beiden über die Möglichkeit, wohl mal nicht alleine draußen schlafen zu müssen.

„Ich hätte noch einen Schlafsack übrig“, entgegnete Roland in das Gespräch hinein, während mich ein Arm umschloss und zu sich zog.

„Der hier und ich haben lange in einem gemeinsamen Körper gewohnt, ich werde es auch aushalten, mit ihm in einem Zelt zu schlafen, bis wir ihm eines besorgt haben. Mein Zelt und Rolands Schlafsack, und schon ist die Frage beantwortet“, tönte Aidans Stimme, während er mich weiterhin bei sich behielt. Ich mochte den Kerl einfach.
 


 

Es dauerte noch ein bisschen, bis sich alle wieder lösten. Zeit, in der mir noch so manche Frage gestellt wurde, die ich nur zu gerne beantwortete. Aber auch Zeit, in der das Abendessen gekocht wurde.
 

Missmutig blickte ich auf den Inhalt des Tellers, den ich auf meinem Schoß stehen hatte.

„Klasse. Ich habe meinen eigenen Körper wieder, und das erste Essen, das mir aufgetischt wird, wurde von Alistair gekocht.“ Mein Blick richtete sich gen Himmel.

„Erbauer, was habe ich dir nur getan, mich so zu strafen?“ Ich vernahm das Kichern der Gefährten, die noch am Lagerfeuer geblieben sind, womit ich Leliana, Aidan, Solona und Alistair meinte. Letzter allerdings kicherte nicht, sondern setzte ein gespielt beleidigtes Gesicht auf.

„Besten Dank auch“, kommentierte er meine Aussage, lächelte danach aber doch. Wusste er doch selbst, dass sein Essen verbesserungswürdig war.

Doch wie sollte es auch anders sein beim Essen, kam man auch dort in Gespräche. Solona, Aidan und Alistair schienen in eines vertieft zu sein, während ich mich weiterhin meinem Teller widmete und mit halbem Ohr zuhörte.

„Ihr seht so jung aus“, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als die Bardin das Wort an mich richtete.

„Ach ja?“ Sie nickte nur.

„Jünger, als es im Nichts den Eindruck hinterließ.“

„Das liegt am fehlendem Bart“, erläuterte ich. „Gebt mir eine Woche, höchstens zwei, und man denkt sich, ich sollte mich dringend rasieren.“

Die Bardin kicherte.

„Da bin ich mal gespannt auf das Wachstum Eurer Gesichtsbehaarung.“

Mir kam lediglich ein Grinsen über die Lippen bei dieser Bemerkung. Doch selbst stöhnte ich bereits gedanklich lauthals auf, wenn ich an meinen Bart dachte. Als Kind war das noch cool, wenn man wie ich, bereits mit elf, zwölf Jahren ein gutes Bartwachstum besaß, wodurch man älter gehalten wurde. Später nervte es, wenn man zu Feiern ging und man vergaß, sich rechtzeitig zu rasieren. Und in dieser Welt? Da war das Rasieren schrecklich. Hier gab es keine Rasierer. Dolche oder Rasiermesser waren das Werkzeug, das mir half, das Unkraut aus meinem … Pardon, Aidans Gesicht zu bekommen. Ein Grund mehr, weshalb ich es so oft vermied, Aidans Gesicht zu rasieren und dies erst tat, wenn Eleanor oder Oriana etwas dagegen aussprachen. Auch Kathrin hatte mir deshalb oft Feuer unterm Hintern gemacht. Wie es den beiden Frauen wohl gerade erging? Ich hoffte, sie waren in Sicherheit. Wobei mich keine von ihnen mehr erkennen würde.

„Geht es Euch gut?“ Meine Augen richteten sich auf Leliana, die mich besorgt anblickte.

„Bitte?“

„Ob es Euch gut geht. Ihr saht so traurig aus.“

Ich nickte. Ja. Natürlich ließen mich diese Gedanken traurig werden.

„Schon, ich war eben lediglich im Gedanken“, antwortete ich der Bardin, die noch immer skeptisch aussah, es allerdings dabei beließ. Doch nicht mit dem Gespräch.

„Ich habe Euch im Nichts kämpfen sehen. Dort habt Ihr Euch für Axt und Kurzschwert entschieden. Würdet Ihr dies weiterhin?“, stellte sie neugierig ihre Frage, ehe mir nun eine Wahrheit in den Kopf drang. Ab sofort musste ich auch kämpfen. Ich. Der Körper und die Person darin, die offiziell kein Teil der Lore ist. Während die anderen, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Roland und Solona oder Fenrir, sicher waren, war ich es allerdings nicht. Doch waren die anderen tatsächlich auch so sicher? Schließlich war dies hier die Realität. Es hatte sich schon so viel verändert, und das konnte es zu jederzeit weiterhin. Hätten sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich gerade mal sieben Leute sein können, waren es nun elf. Natürlich die beiden Hunde stets miteinbezogen in meiner Zählung.

„Es scheinen wichtige oder spannende Gedanken zu sein. Vielleicht wollt Ihr sie mit mir teilen und ich kann Euch beim Ordnen helfen?“ Ich schüttelte meinen Kopf, um wieder im Hier und Jetzt zu sein und der ehemaligen Laienschwester überrascht ins Gesicht zu blicken. Überrascht über mich selbst bereits wieder in meine Gedanken verfallen zu sein, und noch immer ihre Worte verarbeitend.

„Das ist lieb, allerdings muss ich erst einmal selbst damit zurechtkommen.“

„Verstehe“, kam es über ihre Lippen, während sie mich nachdenklich musterte. Versuchte zu erahnen, wobei es sich bei meinen Gedanken handelte. Doch dann erinnerte ich mich an ihre Frage.

„Ähm, wegen Eurer Frage. Ja. Ich bin klein, wie Ihr bemerkt haben dürftet. Zwar körperlich stark, allerdings denke ich, könnte Geschwindigkeit schon eher meine Waffe werden. Aber dafür muss ich jede Menge machen. Trainieren.“

„Ich kann Euch helfen“, schlug sie sogleich vor.

„Ich werde darauf sicherlich noch zurückkommen.“

„Erst einmal werde ich Euch tatsächlich helfen“, drangen ihre Worte in mein Gehör und sie erhob sich, nur um mir zwei Gegenstände zu reichen, die sie in den Händen hielt, die ich ihr auch sogleich abnahm. Verblüfft blickte ich auf die Gegenstände in meinen Händen. Eine kleine, allerdings recht stabil wirkende Axt, wie auch ein recht schön anzuschauendes Kurzschwert. Als ich Leliana gerade Fragen wollte, wieso sie diese Waffen bei sich trug, kam sie mir bereits zuvor.

„Ich dachte mir schon ungefähr, dass Ihr diese Richtung des Kämpfens beibehalten wollen würdet, also war ich so frei und habe vorhin, als das Ritual getätigt wurde, diese Waffen bei Bodhan besorgt.“ Sie lächelte breiter, als ich es bisher je gesehen hatte, als sie mein Gesicht sah und sicherlich konnte sie dort meine Dankbarkeit über diese Geste herauslesen, selbst ohne ein einzelnes Wort, das über meine Lippen drang.
 

„Dieser Dolch hier …“ Sie hob einen hinter ihrem Sitzplatz hervor, wo auch schon die Axt und das Schwert gelegen hatten. „… dürfte Euch im Kampf auch sicherlich nicht schaden. Lasst mich Euch helfen, die passenden Verstecke in Eurer Rüstung auszuwählen.“

Verwirrt blickte ich den Rotschopf an, während ich mir durchaus bewusst war, hier vor ihr in einer Jeanshose wie auch einem blauen Polohemd aus meiner Welt zu sitzen. Das war vieles. Gemütlich. Stilvoll an meinem Körper. Doch keine Rüstung.

„Ich besitze doch noch gar keine.“

„Und genau deshalb gehen wir nun zu Bodhan. Er hat sicherlich etwas Passendes für Euch. Auch wenn die Eurige Kleidung interessant wirkt, aber offenkundig nicht schützt.“

Das war einleuchtend und Leliana kannte sich damit aus. Sie wusste, was nicht zu auffällig wäre, gut schützte und gleichzeitig für genug Bewegungsfreiheit sorgte. Doch Bodhan gab uns seine Waren, trotz seiner Dankbarkeit uns gegenüber, nicht von alleine. Auch er konnte von Luft und Liebe alleine nicht leben. Also brauchte ich Geld. Und es gab da nur eine Person, die mir aushelfen können würde, ohne dass ich Schulden anhäufte.

„Hey Spiegelbild!“ Aidan blickte zu mir, was mich kurz zum Auflachen brachte. Wir waren uns zwar nicht so ähnlich, als wären wir Spiegelbilder, doch man hätte uns sicher für Brüder gehalten.

„Was gibt’s?“

„Gib mir mal ein bisschen Taschengeld.“ Überrascht blickte er mich an, aufgrund dieser Forderung.

„Wir wollen mich bei unseren Händlerzwergen mal ordentlich einkleiden.“ Er nickte und verstand, ehe er den Beutel aus seiner Tasche herausholte.

„Dir ist aber bewusst, dass dies genauso dein Geld ist? Schließlich hast du es zusammengesammelt. Wir können gerne aufteilen.“

„Darauf komme ich noch zurück, allerdings genügt es mir im jetzigen Augenblick, wenn ich von meinem früherem Körper ausbezahlt werde.“ Er schüttelte nur mit dem Kopf, ehe er mir ein paar Münzen in die Hand drückte, und sich die Bardin mit mir in Bewegung setzte.
 

Und wie von mir vermutet, war mein liebenswerter Rotschopf eine großartige Hilfe für mich gewesen. Mir passte meine neue Lederrüstung auf Anhieb, trotz meines kleinen Bäuchleins, und es hielt auch überraschend warm. Auch weitere Kleidungsstücke hatte ich mir zugelegt, doch dies war nicht der Rede wert. Natürlich hatten wir auch schon zuvor gefragt, ob er ein weiteres Zelt über besaß, doch leider war dies nicht der Fall. Also bedeutete es für mich, mit Aidan im gleichen Zelt zu schlafen, wie zuvor besprochen.
 

Meine Augen lagen auf der Decke des Zelts, das leichtes Licht vom Lagerfeuer erhielt. Das war unter normalen Umständen sogar gut, schließlich nervte es nicht und es war nicht zu dunkel. Doch dies war kein normaler Umstand. Denn unter solchen hätte ich schlafen können. Allerdings, wie sollte es auch anders sein, kreisten meine Gedanken umher und von Schlaf finden war keinerlei Spur. Ich hatte meinen Körper wieder. All die Zeit hatte ich mich gefragt, ob ich ihn jemals wiedererhielt, und nun besaß ich ihn. ICH war nun in dieser Welt. Nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Körper.

„Wahnsinn“, sprach ich in die Dunkelheit, ehe ich zu seufzen begann und mir meine Kleidung wieder anzog, und mich schließlich aus dem Zelt begab. Automatisch richtete sich mein Blick gen Himmel. Es war noch dunkel. Geschätzt würde ich behaupten, dass es zwei Uhr in der Nacht war. Galt früher mein erster Blick meinem Handy, um die Zeit zu erkennen, richtete er sich nun als erstes zum Himmel empor.

„Du kannst nicht schlafen.“

Ein blaugraues Paar Augen blickte mich freundlich an, als ich mich ihnen zuwandte. Deren Besitzer saß seelenruhig am Lagerfeuer und schob Nachtwache. Aidan. Auch wenn die Planung für heute anders ausgesehen hatte und jeder verstand, wenn wir es nicht taten, so meldete er sich sogleich freiwillig. Er hätte, laut eigener Aussage, zu lange im Hintergrund agiert. Recht besaß er, aber vermutlich wollte er sogleich auch ein paar Pluspunkte sammeln. Oder er wusste einfach, dass es ihm genauso erging wie mir: Er fand keinen Schlaf.

Mein Haupt schüttelte sich.

„Nein. Mir geht zu viel durch den Kopf.“

„Verständlich. Mir geht es nicht anders.“

Ich nickte. Wir beide steckten im selben Boot.

„Ich vertrete mir etwas die Beine.“ Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, entfernte ich mich vom Lagerfeuer. Von Solona, die den heutigen Abwasch mit Leliana übernehmen wollte, hatte ich vernommen, dass in der Nähe ein kleiner Bach sein sollte. Und nach einem kurzen Fußmarsch hatte ich ihn auch schon gefunden und setzte mich dort hin. Genoss die abendliche Wärme, die auf meiner Haut ruhte, samt dem abkühlendem Wind, der mich streichelte. Die Sterne im Himmel spiegelten sich im Wasser, und es war eine wunderschöne, ruhige Kulisse. Und, hingegen aller Erwartungen, schien hier auch tatsächlich keinerlei Stechmücke auf mich zu warten. Ungewöhnlich. War ich doch sonst ein Magnet, der die kleinen Blutsauger anzog.

Doch mit einem Mal vernahm ich etwas hinter mir, weswegen ich meine Axt samt dem Kurzschwert in die Hände nahm.

„Wuff!“

Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich erkannte, dass es sich hierbei lediglich um Fenrir handelte.

„Hast du mich gesucht?“, fragte ich ihn, als er langsam auf mich zu getrottet kam, und sich direkt neben mich hinlegte, sodass sein Kopf auf meinen Schoss konnte.

„Ich nehme das als ja. Wollte dir keine Sorgen bereiten und deinen Schlaf unterbrechen, Großer.“ Zur Entschuldigung streichelte ich ihn fleißig. Er genoss es sichtlich, und seine Nähe beruhigte mich umso mehr. Ich kannte ihn zwar noch nicht so lange wie Skipper, aber er hatte sich auf mich geprägt, wie es schien. Und Mabari, die ihr Herrchen erwählten … es gab kaum etwas Treueres auf der Welt. Oder Welten, wenn man die meine hinzuzog.

Ja. Welten. Erneut drangen die Erinnerungen an meine Welt in meinen Kopf, die ich so lange versucht hatte zu verdrängen, da es die Zeit nicht zuließ zu trauern. Oder wartete mein Geist insgeheim darauf, bis ich wieder ich selbst gewesen bin? Denn mit einem Mal vernahm ich die Flüssigkeiten, die über meine Wangen wanderten und von den Tränendrüsen weiter produziert wurden. Sie überkamen mich, während weitere Erinnerungen vor meinem geistigen Auge aufblitzten. Über meine Familie. Würde ich sie je wiedersehen? Oder würde sich der Horror, der für mich erschaffen wurde, einmal bewahrheiten? Meine Freunde. Den besten kannte ich seit meinem ersten Jahrzehnt, das ich auf Erden wanderte. Selbst solche Kleinigkeiten, wie meinen Lieblingsfußballverein nicht mehr beim Vollführen ihrer Arbeit zuzusehen, machten mich enorm traurig. Erst wenn man es nicht mehr hat, weiß man zu schätzen, was man schlussendlich alles gehabt hatte. Dieser Wahrheit musste ich mich nun auf grausame Art stellen. Allerdings besaß ich, Flemeth sei Dank, Songs, die aus meiner Welt stammten. An die ich mich immer erinnern können würde, Wort für Wort. Als sie es mir gesagt hatte, erschien es mir nicht so wichtig. Nun erkannte ich, dass diese Liedtexte mit das Einzige waren, das ich noch besaß. Würde ich sie, trotz meiner schlechten Gesangsstimme, irgendwann durch die Welt trällern? Oder sie jemanden trällern lassen? Der wunderschöne Rotschopf drang mir sogleich in meine Gedankenwelt. Vielleicht. Doch dafür würde ich noch einiges überstehen, und noch wichtiger, überleben müssen. Und bei so manch Abenteuer, das uns noch bevorstand, besaß ich meine Zweifel.
 

„Wuff!“ Ich spürte seine Zunge an meiner rechten Hand, während er zu mir hinaufblickte. Fenrir musste gespürt haben, wie es in mir drinnen aussah, wobei man dies auch leicht auf meinem Gesicht erkennen konnte, wenn man dies durch die Dunkelheit hinweg erkennen konnte.

„Danke dir, Großer.“ Sanft streichelte ich über seinen weichen Kopf, und lächelte ihn an. Ja, auf ihn konnte ich mich verlassen.

Chapter 15 ~ Vorbereitung und fereldischer Alkohol

Noch einige Zeit hatte ich mit meinem Wuffi die Zweisamkeit genossen. Ihm trotz meiner nicht vorhandenen Gesangsstimme so manch Song meiner Welt vorgestellt und ihm von meiner Welt berichtet. Anhand der Reaktion seines Schweifs nach zu urteilen, hatte er sich so manches vorstellen können und es gefiel ihm. Und als ich endlich müde wurde und zum Zelt lief, war die Nacht auch viel zu schnell umgegangen. Aidan selbst hatte bis zum Schluss Wache gehalten und mich nur sanft angelächelt, als ich zurückgekehrt war. Was er sich bei diesem Lächeln dachte, oder weswegen er dies tätigte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen.
 

„Also, Alexander …“ Ich schreckte aus meiner Gedankenwelt heraus, in der ich mich mal wieder befand, und blickte den zukünftigen König von Ferelden an. Zumindest wäre er dies, wenn ich ein Wörtchen mitzureden besaß. Absichtlich hatte ich mich bei unserer Reisegruppe recht weit nach hinten fallen lassen, um etwas passiver zu sein und zu beobachten. Um die anderen langsam an meine Nähe zu gewöhnen und dafür zu sorgen, dass nun nicht nur der Körper, sondern auch der richtige Aidan das Zepter der Gruppenführung in Händen hielt. Also musste es etwas sein, das Alistair wichtig war, wenn er sich extra von vorne zu mir nach hinten begab.

„Wie kann ich Euch helfen?“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Man erkannte seine Unsicherheit, wie er nun mit mir umzugehen hatte, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Schließlich ging es mir nicht gerade unähnlich mit den anderen. Sahen sie in mir einen Dämon? Nahmen sie mir krumm, dass ich mich für jemand anderen ausgab? Würden sie mir vertrauen können? Es gab so vieles abzuwägen, dass nicht in meiner, sondern in ihrer Hand lag. Und dieser Umstand gefiel mir ganz und gar nicht. Vielleicht mochte man mich mittlerweile einen Kontrollfreak nennen, aber ich war lieber der Herr über die Situation, als andere über mich urteilen zu lassen. Und in meiner Welt wäre es mir vielleicht sogar egal gewesen, doch hier war ich auf sie angewiesen. Ich besaß keinen Status. Kein Geld. Keinen Namen. Würde mich diese Gruppe verstoßen, wäre dies vermutlich mein Todesurteil. Ein Gedankengang, der mich ängstigte und am Abend zuvor häufiger beschäftigte. Und selbst Fenrirs beruhigendes Abgeschlecke und Winseln konnte mich nicht beruhigen. Auch wenn es zumindest meine Überlebenschancen erhöhte, für den Fall des Abschieds, einen Mabari an meiner Seite zu haben.

„Ihr entschiedet Euch dafür, den Turm zu besuchen, anstelle nach Redcliff zu gehen, da Ihr über die Zukunft Bescheid wisst?“ Irritiert blickte ich ihn an, nun wieder im Hier und Jetzt gelandet, und seine Worte verarbeitend. Ich nickte.

„Genau. Damit die Dämonen nicht Ferelden überrennen und wir sogleich eine Heilerin in der Gruppe haben, die wir dringend gebrauchen können, wie ich selbst schon erkennen durfte.“ Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie besagte Heilerin ihre Ohren spitzte und uns klangheimlich versuchte zuzuhören, während sie mit kleinerem Abstand hinter uns das Schlusslicht der Gruppe bildete.

„Und Ihr wusstet, dass Arl Eamon nicht stirbt.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Exakt. Im Spiel über diese Welt konnte man sogar noch locker die Probleme im Zirkel klären und dann noch zu den Elfen wie auch Zwergen, und der Arl würde noch immer leben. Allerdings ist dies hier die Realität. Kein Spiel. Deshalb wollte ich die Dämonenplage sogleich loswerden, um dem vorzubeugen. Deshalb machen wir uns nun auf den Weg nach Redcliff. Damit wir auch dort kein Risiko eingehen und auch Ihr Euch wieder mehr konzentrieren könnt, belastet es Euch doch offensichtlich.“

„Ich danke Euch“

„Gerne. Allerdings ist dies nun Aidans Entscheidung und nicht mehr in meiner Befehlsgewalt.“ Ich nickte vor zu meinem ehemaligen Körper, der sich derzeit mit Roland und Morrigan unterhielt.

„Dafür, dass er sich nicht umentschied, müsst Ihr ihm danken.“

„Doch er schätzt sicher Eure Meinung. Eure Empfehlung.“ Der legitime Thronfolger Fereldens schenkte mir ein freundliches, aufrichtiges Lächeln.

„Daher wollte ich Euch danken.“

„Okay.“ Ich wurde leicht verlegen, ihn ebenfalls anlächelnd. Ich wusste nicht, was ich hätte anderes auf seine freundlichen Worte erwidern sollen. Abschiede, lobende Worte an meine Person und solcherlei zwischenmenschliche Thematiken waren Dinge, in denen ich stets unsicher wurde. Egal wie geschickt oder ungeschickt ich dies auch zu verbergen wusste, doch es war nun einmal eine meiner vielen Schwächen.

Kurze Zeit liefen wir noch so nebeneinander her, ehe er wieder nach vorne eilte und ich wieder etwas Zeit zum Nachdenken besaß. Dachte ich zumindest.
 

„Das brauchtet Ihr“, vernahm ich in meinem Gehörgang die Stimme der Älteren, und blickte die weißhaarige Magierin verblüfft an, aufgrund dieser Äußerung.

„Schaut nicht so überrascht. Ich bin nicht blind und auch wenn ich mir nicht einmal vorzustellen vermag, wie es wohl sein könnte, in einer völlig anderen Welt aufzuwachen, neben dem Nichts, erkenne ich doch die Gedanken, die Euch offenbar plagen“, erklärte sie, was mich sprachlos machte. Natürlich war Wynne eine weise Frau mit viel Lebenserfahrung, und doch hätte ich mir nicht vorgestellt, dass sie so einfach das Gespräch mit mir begann. Auch wenn sie mir natürlich dankbar war wegen dem Zirkel. Und sie es doch auch war, die mithalf, mich wieder zu mir selbst zu machen.

„Wir sind vielleicht anpassungsfähiger, als Ihr annehmt. Vermutlich braucht Ihr selbst noch etwas Zeit, doch für uns verändert sich nicht viel. Oder war jemand anders zu Euch?“ Ich schüttelte mein Haupt und musste ihr rechtgeben. Vielleicht waren die anderen nicht das Problem, sondern ich selbst, der nicht glauben konnte, Teil solch einer Gruppe zu sein. Dass es möglich wäre, dass mich solche Persönlichkeiten akzeptierten.

„Wenn selbst Alistair erkennt, dass mit mir etwas nicht stimmt, dann muss ich momentan wirklich leicht zu lesen sein.“ Ich schmunzelte nur, was auch die Ältere zu amüsieren schien.

„Wollt Ihr Euch eigentlich wirklich die Bürde aufladen, mit mir ganz hinten zu laufen und auf mich aufzupassen?“, wechselte sie nun das Thema, weswegen ich grinsen musste und ihr in die Augen blickte.

„So hilfsbedürftig seid Ihr nicht, Wynne. Das wissen wir beide. Man muss nicht einmal wie ich über die Zukunft Bescheid wissen, sondern Euch lediglich im Kampf beobachtet haben. Ihr seid eine Meisterin Eures Fachs.“

Ihre Mundwinkel zogen sich in die Höhe.

„Ihr ehrt mich mit Euren Worten. Doch was ist dann die Absicht dahinter, ganz hinten zu laufen?“ Diese neugierige alte Frau.

„Wie Ihr ebenso zutreffend erkannt habt, bin ich es scheinbar, der sich erst einmal an die Situation gewöhnen muss. Deshalb bin ich hier und beobachte. Es gibt vieles, über das ich nachdenken muss. Jetzt, wo ich meinen eigenen Körper besitze, erst recht.“

„Dem bin ich mir sicher. Doch denkt nicht zu viel nach. Ihr seid noch jung. Vor Euch liegt noch Euer gesamtes Leben. Wenn Ihr dieses nur mit Nachdenken verbringt, werdet Ihr am Ende noch so enden wie ich.“

„Erfahren. Mächtig. Und in einer Gruppe, die die Welt retten wird, so dass man über Euch später Lieder singen und Geschichten erzählen wird? Ja. Ganz schlimm, wie Euer Leben verlaufen ist. Ihr habt mein Mitgefühl.“ Kopfschüttelnd lächelte sie mich mit einem wissendem Lächeln an.

„Ihr wisst, was ich meine, Alexander. Genießt Euer Leben und verschwendet keine Möglichkeiten.“

„Ich werde darüber nachdenken und danke Euren Worten.“

Und schon schwiegen wir wieder. Und doch hatte sie mich, genauso wie das kurze Gespräch mit Alistair, motiviert. Erfreut. Es gab so vieles, dass ich vielleicht noch öfter durchdenken musste. Dieses Mal mit neuen Erkenntnissen.
 

Wir hatten noch ein gutes Stück zu laufen, ein weiterer Tag war während unserer Reise verstrichen, doch gegen Mittag des nächsten Tages kamen wir auch bereits in Redcliff an. Gemessen an den Freuden, die uns gegen Abend erwarten würden, meiner Meinung nach, noch viel zu wenig Zeit zum Vorbereiten.
 

„Darf ich Euch um ein Gespräch bitten?“ Alistair hatte sich an Aidan gewandt, nachdem er aus einer Mischung aus Nostalgie und Magenschmerzen auf die Burg von Redcliff geblickt hatte, und ging mit diesem ein gutes Stück weiter. Entfernt von den neugierigen Ohren unserer Gefährten. Er würde diesem nun von seiner adeligen Herkunft berichten, doch vermutlich wusste das Aidan bereits durch meine Gedanken. Hatte ich das gedanklich mal erwähnt, als ich Alistair die ersten Male begegnet war? Ich wusste es nicht mehr.

„Ihr wisst bestimmt, was unser Kirchenknabe mit unserem Anführer zu bereden hat, nicht wahr?“ Es war die Stimme der Hexe, die sich an mich gewandt hatte und dafür sorgte, dass ich leicht zusammenzuckte. Wie war sie nur so unauffällig zu mir nach hinten gelangt?

Einen kurzen Moment hatte es gebraucht, in dem ich mich wieder zusammenriss, überrascht war in ihren Augen dank meiner Reaktion keinen Spott vorzufinden, ehe sich in meinem Kopf eine Antwort für sie zu formulieren begann.

„Natürlich. Ihr im Übrigen auch, geht es nur um seine Herkunft. Was mich eher beschäftigt, ist, was uns hier erwarten wird.“ Mein Blick zog sich auf das Schloss, das ich nun auch schemenhaft aus der Entfernung erblickte. Und das, was ich erblickte, war einfach beeindruckend. Schon immer besaß ich ein kleines Faible für solch altertümliche Gemäuer, doch diese Verteidigungsanlage von Burg war wahrlich ein beeindruckendes Stück Architektur. Vermutlich wäre ich noch begeisterter, wenn ich näher dran wäre und nicht von der Horde an Untoten wüsste, die in ihrem Innenleben versammelt war.

Nun schweifte mein Blick etwas Abseits, wo man kleine Teile des Dorfs schon aus dieser Entfernung heraus erkennen konnte. Ob das Dorf in einigen Jahren, wenn der dritte Teil spielte, noch immer so aussehen würde oder ob es sich wohl verändert wie im Spiel? Da fiel mir auch sogleich das Zitat von Isabella aus dem nächsten Teil ein: „Sehen wir nicht alle etwas verändert aus?“ Zumindest sinngemäß.

„Und mit was dürfen wir hier rechnen?“ Offenbar hatte die Dunkelhaarige damit gerechnet, dass ich von mir aus mit der Sprache herausrückte und war es nun Leid zu warten, während sie mich mit erhobenen Brauen und verschränkten Armen beäugte.

„Wir bekommen das ohnehin bald erzählt. Wollt Ihr dieselben Informationen noch einmal erhalten?“

„Weiter geht es!“, vernahm ich Aidans laute Stimme aus der Entfernung, der uns damit signalisierte, dass unsere kurze Rast und seine Unterredung mit Alistair nun vorbei war.

„Nun gut“, grummelte Morrigan. Sie schien mit dem Ergebnis nicht zufrieden zu sein, doch sie hakte nicht nach, da sie so oder so, wie sie durch mich nun wusste, an ihre Informationen gelangen würde. Und so schritt die Gruppe, einer nach dem anderen, immer mehr dem Dorf entgegen.

Alistair, der nun erneut mit Wynne und mir zusammen das Schlusslicht bildete, wirkte sichtlich zufrieden. Er wusste ja schon, dass es ein paar in unserer Truppe gab, die von seiner Abstammung wussten, doch bei Aidan handelte es sich ja dann doch um unseren Anführer. Da war die Erleichterung verständlich.
 

Nur kurze Zeit später waren wir einem Dorfbewohner begegnet. Thomas sein Name, bewaffnet mit einem Bogen, der zitternd auf uns gerichtet wurde. Als klargestellt war, dass von uns keinerlei Bedrohung bestand, bat er uns um Hilfe und setzte meine Gefährten etwas ins Bilde. Sie erfuhren, dass man schon seit Tagen nichts mehr aus dem Schloss hörte, während wir von ihm hinunter ins Dorf gebracht wurden. Genauer gesagt in die Kirche. Dort erwartete uns Bann Teagan, der uns freundlich begrüßte und sobald er Alistair erkannte, noch freudiger zu werden schien. Wie schwer es mir wohl in einigen Jahren fallen wird, ihn einen Schwachkopf zu nennen, aufgrund seiner Meinung gegenüber der Inquisition? Doch das war alles Wunschdenken. An eine Zeit, die noch in ferner Zukunft lag und ich hoffentlich noch erlebte.

Er berichtete uns von den seltsamen Vorkommnissen, dass des Nachts Untote in das Dorf drangen und die Dorfbewohner vor einer fast unmöglich scheinenden Herausforderung stellten: sie zu beseitigen.
 

Wir liefen aus der Kirche heraus und wurden auch sogleich argwöhnisch von den Dorfbewohnern beäugt. Sie wussten immerhin nicht um unsere Absicht. Waren wir freundlich, oder würden sie nun nicht nur nachts eine Bedrohung zu erwarten haben? Die Szenerie in der Kirche selbst hatte mich schon ordentlich zum Schlucken gebracht, war die Trauer und das Leid, das dort herrschte, herzberührend gewesen. Würde es ihnen besser ergehen, wenn wir anstelle zum Turm direkt zu ihnen gegangen wären? Natürlich waren das Fragen der „Was wäre wenn“-Kategorie, doch auch Gedankenspielchen, die ich mit meiner Seele ausmachen musste. Schließlich war ich es, der diese Entscheidung, mit dem Wissen, was hier vor sich ging, traf.

Innerlich fragte ich mich, wie viele wohl diese Nacht überleben würden. Und ob ich …

Mit einem Mal wurde ich sanft gegen die Schulter geknufft, als ich die smaragdgrünen Augen von Solona zu Gesicht bekam. Sie bemerkte meine Verwirrtheit und nickte mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung, und als ich in selbige blickte, erkannte ich die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe auf mir ruhen zu haben. Wie ich meine kleinen Gedankenausflüge verfluchte.

„Bitte?“

„Ich habe dich gefragt, was der Experte vorzuschlagen hat. Also? Meinungen?“ Hoffnungsvoll blickte mich der Couslandspross an, und ich überlegte für einen kurzen Moment, ehe ich nickte.

„Tatsächlich gibt es ein paar Sachen, die ich vorzuschlagen habe. Wir teilen uns auf in verschiedene Gruppen, um schneller die Arbeit zu erledigen. Die Zeit ist ohnehin knapp bemessen, und wenn wir alles zusammen erledigen würden, besäßen wir nicht die nötige Regenerationszeit vor der Schlacht.“ Ich blickte die Mitglieder unserer Gruppe eindringlich an, um ihnen die Wichtigkeit meiner jetzigen Worte zu vermitteln.

„Wenn die Untoten vom Schloss kommen, werden sie von zwei Seiten angreifen. Einmal von oben, dem direktweg über die Mühle, und einmal über das Wasser. Auch wenn Wasser eigentlich Leben bedeutet und somit viele Theorien meiner Welt außer Kraft gesetzt werden, aber was bedeutet schon Logik, wenn …“

„Alexander, Konzentration!“, rief mich Aidan zur eigentlichen Thematik zurück, weswegen ich leicht meinen Kopf schüttelte.

„Sorry. Bin wieder da. Also wie gesagt, zwei Fronten. Oben bei der Mühle sollen Eamons Ritter Stellung beziehen, gemeinsam mit uns. Wir sorgen dafür, dass sie dort aufgehalten werden und gar nicht erst ins Dorf gelangen, während die Miliz sich um die im Dorf kümmert. Allerdings ist die Truppenkraft der Miliz äußerst … bescheiden, um es noch freundlich auszudrücken. Bedeutet: Wir werden sobald wir oben an der Windmühle für Zucht und Ordnung gesorgt haben, hier weiterkämpfen. Das Wichtigste ist eben, dass wir nicht von beiden Fronten in die Zange genommen werden und derweil für Aufstockung der Machtverhältnisse sorgen. Seht sie euch doch mal an.“
 

Meine Gefährten blickten den ungeübten Bauern dabei zu, wie sie ihre Fähigkeiten übten, und ehrlicherweise musste ich gestehen, ziemlich viel Ähnlichkeit zu meinen Kampffähigkeiten zu erkennen, die ich besaß, als ich neu in diese Welt gelangte.

Aus den Gesichtern der anderen konnte ich Verständnis dem gegenüber erkennen, was ich ihnen auszudrücken versuchte.

„Leliana, Ihr und Wynne würdet in der Kirche gute Dienste leisten. Seelischer Beistand täte ihnen gut. Die Ritter Eamons, wenn ich es noch richtig im Kopf habe, wollen ohnehin, dass man den Segen und solche Sticker des Glaubens von der Ehrwürdigen Mutter besorgt. Sprecht eure Erhabenheit darauf an, sie wird wissen, was ihr von ihr wollt. Die Ritter wären somit motivierter in der Schlacht aufgrund der Tatsache, den Segen des Erbauers auf ihrer Seite zu wissen, und das wäre nur zum Vorteil für uns alle. Zudem gibt es dort ein junges rothaariges Fräulein, das ihren Bruder vermisst. Er befindet sich in ihrem Elternhaus im Schrank oben. Das Schwert könnt ihr ihm abkaufen, könnten wir gebrauchen. Unser geschätzter Anführer wird Leliana dafür nun etwas Geld in die Hand drücken.“ In so manch Gesicht konnte ich Erstaunen erkennen, und dann das eine oder andere Schmunzeln. Ja. Vielleicht war ich doch nicht nur der Berater und gab noch nicht gänzlich das Zepter ab, doch Aidan wollte ja, dass ich meine Meinung kundtat.

Zufrieden bemerkte ich, wie er ihr Geld gab, und noch zufriedener, als er die Summe erhöhte, als ich zu räuspern begann. Wir wollen bei solch einem tollen Schwert nicht knausrig sein. Wenn ich mir auch nicht immer alles merken konnte, aber aus irgendeinem Grund wusste ich noch genau, dass es sich dabei um ein Elfenschwert handelte mit grüner Klinge. Veridium.

„Jetzt brauchen wir etwas Muskelkraft. Sten, Alistair, Roland, da hinten müsst ihr über die Stege zwischen den Häusern. Dort befindet sich ein Gemischtwarenladen, in dem sind Ölfässer. Besorgt sie, schließlich sorgen wir mit ihnen bei den lebenden Toten für einen heißen Empfang. Vielleicht findet sich noch etwas anderes, das wir gebrauchen könnten, schaut einfach mal nach. Nehmt im besten Fall noch den ein oder anderen von der Miliz mit.“

Die beiden Menschen nickten, während Sten keine Regung von sich gab. Hätte er etwas zu bemängeln, dann wüsste ich das vermutlich schon.

Und nun gab es noch die letzten Leute, die arbeitslos waren, die ich nun anblickte.

Aidan. Morrigan. Solona.

„Geht dort zum Bürgermeister und besprecht mit ihm ebenfalls die Situation. Aus dem Gespräch sollte sich herauskristallisieren, dass der Schmied nicht ganz in bester Verfassung ist. Solona, überzeugt ihn, seine Arbeit fortzuführen.“

„Wieso ich? Und dann noch alleine?“ Sie war nun überrascht, dass ich sie mit dieser Aufgabe betraute.

„Ihr habt eine große Klappe, die helfen könnte, ihm Hoffnung zu geben. Zudem saht Ihr selbst, wie unsere Werte Morrigan im Nichts versucht hatte, Alistair zu überzeugen.“

„Daran erinnere ich mich noch genau …“, vernahmen wir Alistair, der von der Hexe auch gleich einen grimmigen Blick erntete.

„Und Aidan nimmt Morrigan am besten mit hoch in die Taverne.“

„Ich soll in eine Taverne?“ Nun war es der Wächter, der mich überrascht anblickte.
 

„Stottere ich? JA! Dort wäre es am besten, wenn du den Tavernenbesitzer überredest, Freibier zu verteilen. Die Jungs von der Miliz haben Angst vor der anstehenden Schlacht und müssen sich Mut antrinken, was ihre einzige Chance wäre, den Abend zu überleben. Ob der Besitzer der Taverne selbst mitkämpft, ist dein Bier …“ Einen Moment machte ich eine künstlerische Pause, um zu erkennen, ob jemand meinen kleinen Scherz wegen Tavernenbesitzer und Bier verstand, doch das Publikum war derzeit nicht in Stimmung.

„… und dort wiederum ist es auch gut, dass du Morrigan dabeihast. Dort ist eine verdächtig wirkende Person und Morrigan ist gut im Leute Fertigmachen. Bringt ihn zum Reden, wenn ihr mehr Infos haben wollt. Besonders über die Umstände von Arl Eamons Erkrankung. Und ja, Alistair …“ Aus dem Augenwinkel hatte ich vernommen, wie Alistair etwas in mein Gespräch einwerfen wollte. „… Beeilt Euch und Ihr könnt dabei sein. Ansonsten berichten wir alles. Allgemein würde ich vorschlagen, sobald jeder fertig ist, sich hier zu treffen. Hat jeder seine Aufgabe verstanden?“ Allgemeines Nicken kam zustande, als ich zwei bellende Mäuler vor mir stehen hatte, die mir fast schon vorwurfsvolle Blicke zuwarfen.

„Was beschwert ihr zwei euch eigentlich? Es war doch ohnehin klar, dass du mit mir kommst, Fenrir, und du, Skipper, hilfst beim Einschüchtern an der Seite von Aidan und Morrigan. Zwar wird er spuren, wenn die zwei etwas drohen, weil es ein Feigling ist, allerdings schadet ein Mabari nie. “ An ihren Hinterteilen konnte ich deutlich erkennen, dass auch ihnen meine Anweisungen gefielen.

„Und was machst du?“, erkundigte sich nun mein ehemaliger Körper, dessen Bewusstsein zurückgekehrt war.

„Ich werde kräftige Unterstützung für unsere Miliz Organisieren. Ganz einfach. Sten, für ein paar Minuten bräuchte ich sogar Eure Hilfe, danach könnt Ihr zu Alistair und Roland stoßen. Bis dann Leute und viel Erfolg.“ Und da die Sache für mich nun gegessen war und ich mir sicher war, dass mir auch der Qunari folgte, trennte ich mich von der Gruppe, gefolgt von meinem Vierpfoter und besagtem Hünen, und wir liefen kerzengerade auf das Haus zu, in dem sich Stens Schwert später einmal befindet. Zumindest nahm ich an, dass es dieses Haus war. Es sah zwar alles ein wenig anders aus als in dem ersten Spiel, doch die Orte waren noch immer Original angeordnet wie dort.
 

Ich klopfte an, auch wenn ich wusste, dass niemand reagieren würde. Und wie erwartet, niemand gab auch nur einen Laut von sich. Der Höflichkeit geschuldet klopfte ich sogar ein zweites Mal, doch erneut tat sich nichts, also wandte ich mich an Sten.

„Wärt Ihr so frei?“ Mit meiner Hand deutete ich mit einer schwungvollen Bewegung auf die Tür, und der Muskelberg verstand auch sogleich. Er trat die Tür ein und ich vernahm ein paar erschrockene Laute. Sten ließ mir den Vortritt und dies war auch ganz in meinem Interesse.

Als ich in der Hütte eingetreten war, erkannte ich die Gesichter, welche zu den Schreckenslauten passten. Ein Zwerg in der Mitte, samt seinen Mannen, die in der Rolle seiner Bodyguards dienten.

„Ich grüße Euch, verehrter Zwergenveteran. Wir müssten miteinander reden.“

„Großartig! Eindringlinge! Hoffentlich habt Ihr einen guten Grund, in mein Haus einzubrechen.“

„Ich habe geklopft, vielleicht habt Ihr dies vernommen?“, witzelte ich, was ihn mit den Zähnen knirschen ließ.

„Das gibt Euch noch lange nicht das Recht, wie es Euch passt, in mein Heim einzudringen! Und nun raus!“

„Ich kann nicht gehen, bevor ich mein Anliegen an Euch brachte. Ich bin, hingegen meines Auftretens, nur zum Sprechen hier. Die Miliz braucht Eure Erfahrung. Wenn Ihr nicht helft, sterben sie.“

„Was kümmert es mich? Das Dorf hat auch nie etwas für mich getan. Außerdem gewinnt man mit den Anfängern dort draußen keine Schlacht. Meine Männer und ich haben genug Vorräte, und wissen, wie man mit Waffen umgeht.“

„Könnte man Euch vielleicht überreden, Eure Waffen samt Fähigkeiten in den Dienst der Miliz zu bringen?“ Ein schurkisches Lächeln legte sich auf seine Gesichtszüge. Das Händlerleben und dementsprechend das Verhandeln lag diesen kleinen Wieseln, die sich Zwerge nannten, einfach im Blut.

„Möglicherweise. Was schwebt Euch den vor?“

„Ich könnte mit Bann Teagan sprechen. Mich für Euch verbürgen. Er stünde in Eurer Schuld, wenn Ihr heute Nacht helft.“

„Wirklich? Und wer seid Ihr, um solch Stellung gegenüber Teagan zu haben, dass er dies akzeptiert?“

„Ein Gefährte eines Grauen Wächters. Es würde sich durchaus für Euch lohnen. Ihr würdet auch als Held dieses Dorfes angesehen werden. Wenn dies alles nicht einen besonderen Reiz für Euch ausmacht, dann weiß ich auch nicht.“

Für einen Moment überlegte er. Er musterte mich, und sein geübtes Auge als Zwergenveteran erkannte auch sogleich, dass ich gegen ihn keinerlei Chance in einem Zweikampf besäße, doch als er seinen Blick auf unseren Qunari wie auch meinen Mabari richtete, erkannte er, dass etwas an meiner Aussage stimmen musste. Nicht ohne Grund würde solch ein Koloss an meiner Seite stehen, weil hochwohlgeboren schien ich von meinem Äußeren her auch nicht zu sein.

„Nun gut. Sagt Teagan, dass ich dabei bin. Für den Moment.“ Ein Nicken meinerseits, und er wandte sich von mir ab. Aus seiner Sicht war das Gespräch beendet, und da er zeitlich noch nicht im Besitz von Stens Schwert sein konnte, genügte auch für mich diese Unterredung für den Moment.
 


 

Also schritten wir hinaus, und Sten wie auch ich trennten uns voneinander. Lediglich mein treuer Gefährte Fenrir war noch an meiner Seite. Und während ich meinen Weg hinauf in die Taverne tätigte, sah ich unsere Gefährten, wie sie durch die verschiedenen Orte wuselten. Fleißig, wie sie waren, gingen sie den ihnen zugetragenen Aufgaben nach. Auch ich hielt mein Wort, wandte mich an den Bann und berichtete ihm von meinem Deal mit Dwyn. Dieser selbst wies mich an Murdock, den Bürgermeister des Dorfs, und auch ihm teilte ich es mit. Und gerade, als ich hoch zur erwähnten Taverne wollte, kamen mir Morrigan und Aidan entgegen. Sie berichteten mir, dass sie ihre Aufgaben auch erfüllt hatten und sie nun verstanden, was vor sich ging. Loghain, der Arl Eamon vergiften ließ, um keinen legitimen Anspruchseigner auf den Thron von Ferelden gegen sich zu haben. Seine Tochter, die offiziell als Witwe des Königs momentan herrschte, und er der im Hintergrund die Fäden zog. Klug gedacht vom Teyrn, allerdings sollte man stets dafür sorgen, dass man auch Angestellte für solch wichtige Aufgaben besitzt, die diese richtig auszuführen wissen.

Als sie mir zu Ende berichteten, sagte ich ihnen, dass ich noch etwas gucken wollte. Doch die Wahrheit bestand daraus, dass ich vor der nahenden Schlacht, wie die Dorfbewohner, Angst besaß. Also tat ich das, was ich am besten konnte …
 

„Ihr seid also ein Gefährte des Wächters?“, wurde mir die Frage gestellt, während ich einen weiteren Schluck des Gebräus vor mir in meine Kehle kippte. Ich schüttelte mich, als der Geschmack meine zugehörigen Knospen traf und ich nun zum ersten Mal selbstständig definieren durfte, was die Leute in Ferelden unter Alkohol verstanden. Als Bier konnte man diese Plörre nicht betiteln, doch seinen Zweck erfüllte es sicherlich. Und des Geschmacks wegen trank ich es ja ohnehin nicht, sondern für die Wirkung, die es erzielen sollte.

„Ja. Auch wenn man es meinem Hund hier mehr zutraut als mir“, lachte ich humorlos auf, während ich kurzzeitig auf den Vierbeiner unter meinem Tisch blickte, der sich dort hingelegt hatte und mit seinem Kopf, halb schläfrig, den Gang zu unserem Tisch beobachtete.

„Ach, ich bin mir sicher, dass Ihr auch einen wichtigen Job innehabt.“ Die Kellnerin lächelte mich aufmunternd an, was mich zumindest leicht schmunzeln ließ. Süßer Versuch.

„Danke. Alexander.“

„Bella.“ Ich wusste ihren Namen zwar bereits, wieder eine dieser unwichtigen Informationen aus dem Spiel, die ich noch in Erinnerung besaß, doch ich nickte. Wie so oft konnte ich ja nicht Bescheid geben, dass ich dies bereits wusste.

„Während Ihr nun unsere Schankkünste testet, wo sind Eure Gefährten?“

„Die? Die sind unten und tätigen die letzten Vorbereitungen auf die Schlacht. Ich habe es vor, den Männern dort hinten gleichzutun.“ Mit meinem Kopf nickte ich an den Tisch der Männer auf der anderen Seite des Raumes, die wie ich alles andere als begeistert sind auf die kommende Schlacht.

„Mut antrinken.“

„Erste Schlacht heute Abend?“ Ich wägte ab. An und für sich war es nicht die erste. Im Körper von Aidan hatte ich unzählige Kämpfe bereits hinter mir, besonders Übungskämpfe, doch auch viele, die auf Leben und Tod basierten. Im Nichts hatte ich auch in meinem eigenen Körper gekämpft, doch das Nichts war halt was vollkommen anderes als die Realität dieser Welt.

„Kann man so sagen.“

„Dann bekommt Ihr den Fusel auch umsonst, wie die anderen. Mein Chef ist mal in Spendierlaune dank Eures Freundes, das sollte man nutzen.“ Sie zwinkerte, was mich leicht auflachen ließ.

„Habt Dank, schöne Frau.“ Ich zwinkerte nun auch dem Rotschopf zu, was sie lächeln ließ.

„Hm. Wie es scheint, habt Ihr es häufiger mit hübschen Frauen zu tun.“

„Bitte?“ Nun wusste ich nicht, was sie meinte, ehe sie zum Bereich des Eingangs nickte.

„Nun, eine scheint Euch gesucht zu haben.“

Ich folgte ihrem Blick und tatsächlich. Die Bardin hatte sich kurz in der Taverne umgeblickt, bis sie mit ihren Augen das Gesuchte gefunden hatte. Oder denjenigen. Mich.

„Oh“, war das einzige Intelligente, was ich äußerte, ehe Bella ein „Ich mach Ihr mal einen Krug fertig“ von sich gab und aus meinem Augenwinkel verschwand. Und während der eine Rotschopf von mir und meinem Tisch verschwand, gesellte sich der neue hinzu.
 

„Was tut Ihr hier?“ Ich weiß, dass man manchmal die offensichtlichsten Dinge fragte, doch das war nicht ihr Ernst, oder?

„Jedenfalls keine Lyriumpreise studieren.“ Ich hob meinen Krug, leerte ihn in einem Zug und aus der Entfernung nickte ich schon Bella zu, die meinen Blick erwidert hatte. Auch sie nickte und verstand von daher.

„Ich bin dabei, mir Mut anzutrinken.“

„Ihr fürchtet Euch.“

„Scheiße JA!“, offenbarte ich ihr meinen Gemütszustand, doch sie beäugte mich weiter seelenruhig. Jede meiner Bewegungen. Sie versuchte zu verstehen, was in meinem Kopf vor sich ging. Wie eine Art Psychologe. Und ich machte den Fehler, auch noch ein Getränk zu mir zu nehmen, das meine Zunge lösen konnte, wenn ich es übertrieb.

„Aber Ihr habt doch schon gekämpft. Oft. Gegen alle möglichen Wesen“, wies sie auf den Fehler in meiner Logik hin, doch so einfach war es nun ja auch nicht.

„Ja. Als Aidan. Nicht als Alexander. Und das im Nichts war etwas anderes, da es meine Seele war, nicht mein Körper. Das ist der entscheidende Unterschied.“

„Weshalb genau?“

„In seinem Körper war ich größer. Stärker. Geschützter. Es wirkte wie ein Traum, in dem ich mutig sein konnte. Im Nichts ebenso. Ihr wart dort. Habt das Gefühl bemerkt. Verspürt. Wisst daher, was ich meine. Nun bin ich wieder ich selbst. Nun wirkt alles ebenso wie ein Traum, doch nicht alles auf die angenehme Art. Heute zum Beispiel. So viel Schrecken. Das Leid der Bewohner, und was heute Nacht geschehen wird.“ Während meinen Ausführungen nickte sie des Öfteren und schien mich zu verstehen. Sie machte ihren Job als Psychologin bisher wirklich gut.

„Und dafür braucht Ihr Alkohol.“ Es war keine Frage. Eine bloße Feststellung.

Bella war mittlerweile herangetreten und hatte uns die Krüge vor die Nase gestellt, und mit einem Lächeln während meinen Ausführungen, übermittelte ich ihr meinen Dank.

„Aye. Zumindest diese Pisse, die man hier Alkohol schimpft.“ Leliana schmunzelte aufgrund meines Satzes.

„Eures ist also besser?“

„Viel besser. Ich stamme aus dem Bierbrauerland meiner Welt. Es liegt uns in den Genen, die Qualität eines Bieres zu erkennen, wenn man so möchte. Wir verkaufen und trinken so viele verschiedene Biersorten, dass wenn man jeden Tag ein anderes trinken würde, wäre man mindestens 13 Jahre am Trinken. Und ich untertreibe sicherlich noch reichlich.“ Sie wirkte erstaunt.

„Das ist wirklich eine Menge!“

„Oh ja. Und vieles davon schmeckt auch.“ Nun schien sich ein schurkischer Ausdruck auf ihr Gesicht zu legen, und sie ihre Chance zu wittern.

„Erzählt mir von Eurer Welt. Und Euren Sorgen. Manchmal hilft es, darüber zu sprechen. Meist sogar besser als jegliches Getränk.“ Sie blickte nur für einen Augenblick auf meinen Krug, und doch wusste ich, dass sie es zwar nicht sonderlich förderlich fand, dass ich vor der Schlacht trank, dies, des Umstands bedingt, jedoch durchaus verstand.

„Ist es die rechte Zeit dafür?“ Sie zuckte lediglich mit ihren Schultern.

„Nun. Ihr trinkt und wir müssen auf die Nacht warten. Es scheint mir keinen besseren Augenblick zu geben als jetzt.“

„Wieso?“
 

Hatte ich schon den schurkischen Ausdruck auf ihrem Gesicht erwähnt? Denn wäre dieser mir nicht zuvor aufgefallen, jetzt verbarg sie ihn nicht einmal mehr, denn sie schien sich ihre Argumente bereits bestens zurechtgelegt zu haben.

„Wenn ich Euch vertrauen soll, und das tue ich, möchte ich gerne mehr von Euch erfahren. Oder Eurer Welt. Das ist alles“, setzte sie an, um mich zu bestärken.

„Ich denke, Ihr wisst einiges über mich. Also wäre es nur fair.“ Selbstzufrieden lehnte sich die ehemalige Schwester in ihrem Stuhl zurück, legte einen Arm um die Lehne und wartete ab.
 

Ich gab mich geschlagen. Doch womit sollte ich anfangen? Sorgen? Meine Welt? Für einen Moment schloss ich die Augen und versuchte mir selbst klar zu machen, worum es mir genau ging. Was meine Sorgen war. Was ich mir von der Seele sprechen wollen würde.

„Jetzt, wo unsere Körper sich voneinander getrennt haben, kann ich auch wirklich wieder ich selbst sein.“ Meine Augenlieder öffneten sich wieder, während ich meinem Gesprächspartner ins Gesicht blickte. Versuchte dort Emotionen herauslesen zu können, die sich vielleicht bildeten.

„Wart Ihr vorher jemand anderes?“ Neugierde blitzte in ihren Augen auf. Ich jedoch winkte einfach ab.

„Nicht vollkommen. Ich habe mich nur ab und an zügeln müssen für den Fall einer Körpertrennung. Wollte ich Aidan ja schließlich nicht in einem schlechten Licht dastehen lassen.“

„Das ist überaus freundlich gedacht.“

„Ich weiß. Ich bin einfach entzückend.“ Ihre Mundwinkel schoben sich nach oben, als sie meine Aussage vernahm. Und während sie dies beibehielt, wollte die neugierige Seite von ihr weiterhin gefüttert werden.

„Was genau meint Ihr damit, Aidan nicht in einem schlechten Licht dastehen zu lassen?“ Ernst blickte ich ihr in die Augen, bedacht darauf, meine nächsten Worte mit äußerster Sorgfalt zu wählen.

„Ich habe einen überaus schwarzen Humor und kann auch sehr gnadenlos sein, wenn es denn sein muss. Ich betrachte mich selbst als einen schlechten Menschen und konnte mich selbst noch nie wirklich ausstehen. Wenn ich die Möglichkeit einer Körpertrennung nicht in Betracht gezogen hätte, hätte ich vielleicht hin und wieder anders reagiert, als ich es schließlich getan habe. Auch zu Eurem Missfallen.“

„Ich kenne das Gefühl, sich selbst nicht zu gefallen.“ Auch in ihrem Gesicht hatte sich nun die Ernüchterung breit gemacht, als sie über meine Worte nachdachte. Und zum ersten Mal nahm sie nun einen wirklichen, tiefen Schluck ihres Getränks.

„Ich weiß, Leliana“, gab ich ihr zu verstehen, dass sie meinetwegen nicht weiter auszupacken brauchte, waren mir die Umstände, die sie ansprach, genauestens bekannt.

„Manchmal vergesse ich, mit wem ich mich hier unterhalte.“

„Bin ich etwa so unwichtig?“, tat ich gespielt empört, doch meinen Scherz hatte sie offenkundig falsch verstanden. Augenblicklich schaute sie mich erschrocken an und schüttelte so schnell, wie ich es von ihr noch nie zuvor gesehen hatte, ihr Haupt. Als wollte sie bei mir unter keinen Umständen einen falschen Eindruck hinterlassen. Seltsam.

„Nein. Keineswegs. Ich wollte Euch damit zu verstehen geben … Ihr seid so natürlich in meiner Nähe, dass ich von Zeit zu Zeit vergesse, über welch enormes Wissen Ihr verfügt.“ Mich ehrten diese Worte. Es wirkte für sie also mittlerweile vertraut, mich in ihrer Nähe zu wissen? Das war … Ich schüttelte mein Haupt. Wollte im Hier und Jetzt bleiben, und mich nicht von Worten umgarnen lassen, aus welch wunderschönem Mund sie auch immer ausgesprochen wurden.

„Es wäre so einfach, mein Wissen zu nutzen, um jedem von Euch Honig um den Mund zu schmieren und Euer Vertrauen zu erlangen.“

„Doch das tut Ihr nicht.“ Sie lächelte mich freundlich an.

„Ihr seid nicht solch schlechter Mensch, wie Ihr Euch selbst eingesteht. Schon alleine, dass Ihr mir dies gegenüber offenbart, beweist es doch schon.“

„Was nicht ist, kann ja noch werden“, sprach ich in meinen noch nicht vorhandenen Bart hinein.

„Potenzial zum Barden hätte ich, oder was meint Ihr?“, witzelte ich, doch zweifelnd hoben sich ihre Brauen.

„Wenn sich Euer Kampfgeschickt bessert und Ihr an Eurem Minenspiel arbeitet, dann vielleicht.“

Nun war wieder einmal die Überraschung zugegen in meinem Gesicht. Wieso blieb sie nicht, so häufig, wie sie mich besuchte?

„Ihr könnt mich lesen?“

„Besser, als Ihr denkt, schlechter, als es mir lieb wäre. Vielleicht mein Gegensatz zu Eurem Wissen.“

„Vielleicht.“
 

Ich hatte ihr noch so einiges aus meiner Welt erklärt. Auch die Fragen, die sie aufgrund meines Szenarios im Nichts besaß. Es gab einiges, das sie zum Schmunzeln brachte. Vieles, das ihre Augen weiten ließ und noch mehr, dass sie hin und wieder erschrak, dass so etwas überhaupt möglich war. Doch die Stimmung kippte, als sie mich wegen des Alkohols fragte, ob es mir nicht besser helfen würde, nüchtern gegen diese Monster anzutreten.
 

„Wisst Ihr, es gab Zeiten, in denen wollte ich anstatt nüchtern lieber tot sein. Diese Tage besaß wohl jeder schon in seinem Leben. Heute ist einer dieser Tage, an denen ich abwäge, wie lukrativ Letzteres sei.“

„Sagt so etwas Bedrückendes bitte nicht. Ihr seid uns wichtig und wir wollen nicht, dass Euch etwas geschieht.“ Der Schreck, der sich auf ihrem Gesicht abzeichnete… er musste doch ernst sein. Konnte sie so gut schauspielern, oder schreckten sie solch Gedankenspielchen tatsächlich? Dachte ich in dieser Hinsicht zu sehr an die Leliana, die sie einmal werden würde, anstelle der, die sie derzeitig war?

Mit einer Hand hielt ich den Griff des Krugs fest, während ich mit der anderen über den Rand strich.

„Bin ich denn Euch wichtig?“

„Ja!“ Kein Zögern. Nicht einen Augenblick. Wie aus der Pistole geschossen erklang ihre Aussage, und mein Herz hatte einen kleinen Hüpfer gemacht.

„Ich weiß nicht, ob Ihr das nur sagt, um mich positiv zu stimmen, oder dies tatsächlich ernst meint, und doch habt Ihr keinerlei Ahnung, wie glücklich mich dieses einzelne kleine Wort macht.“ Ich musste – dem Alkohol, den ich nicht mehr gewohnt war, geschuldet – wie ein Idiot grinsen. Freute mich aus einem mir unverständlichen Grund wie ein kleines Schulmädchen. Sah bestimmt aus wie solch ein liebeskranker Kasper.

Doch auch ich besaß eine Frage an Leliana, die mir just in diesem Moment einfiel. Also konnte meine zweite Pubertät, die sich in diesem Moment offenbarte, warten.
 

„Wie habt Ihr es eigentlich geschafft, nach all dem Scheiß, der Euch wiederfahren ist, solch Optimist zu bleiben?“ Sie war für einen Moment überrumpelt von der plötzlichen Frage. Wo sie wohl herkam, fragte sie sich sicherlich. Doch dann schien sie ehrlich zu überlegen, während sie nachdenklich zur Decke blickte. Solch kleine Gesten machten diese Bardin menschlich … oder wägten ihr Gegenüber in Sicherheit.

„Das bin ich nicht immer. Doch früher überwältigte mich die Trauer.“

„Und Wut.“ Sie nickte.

„Und Wut. Enttäuschung. Was Ihr für negative Gefühle noch alles aufzählen wollt, ich hatte genug von Ihnen, die ich mein Eigen nannte. Doch durch meine Zeit in der Kirche lernte ich, mit mir selbst ins Reine zu gelangen. Der Gesang des Lichts. Die Geschichten über Andraste und andere Heilige, die von den Schwestern so wundervoll erzählt wurden. Mutter Dorothea brachte mir auch vieles bei und war schließlich der Hauptgrund, weswegen ich nicht mehr der Mensch bin, der ich zuvor noch gewesen war.“

„Bewundernswert.“ Ich meinte es ernst. Es war toll, wie sie geschafft hatte, mit sich in dieser Hinsicht ins Reine zu kommen. Nicht stets von Wut zerfressen zu sein, wie es ihre einstige Gefährtin Marjolaine eben war.

„Danke. Doch Ihr hattet sicherlich auch genug Schicksalsschläge in Eurem Leben? Gerade nach Eurem getätigten Satz.“

„Wer hat sie nicht?“, stellte ich ihr die Frage entgegen. Weder in dieser noch in meiner Welt. Ich kannte fast niemanden, dem das Schicksal nicht schon einmal Scheiße zu fressen gab.

„Wie seid Ihr davon losgekommen?“

„Bin ich nicht.“ Erneut hoben sich ihre Brauen, doch dieses Mal, weil meine gute Freundin Überraschung bei ihr zu Gast war.

„Aber es muss doch etwas gegeben haben, das Euch half.“ Ich hob meinen Krug.

„Alkohol. Selbstmitleid und jede Menge Alkohol. Nikotin, also Tabak, ebenfalls.“

„Ein ungesunder Lebensstil.“ Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Sagte ich nicht bereits, dass es Tage gab, an denen ich statt nüchtern viel lieber tot sein wollte?“ Nun schwiegen wir. Ja, diese düsteren Gespräche ruinieren auch jegliches Gesprächsthema.

Also musste ich mich auf den Alkohol konzentrieren, ehe die Bardin ein neues Thema begann. Und gerade als ich erneut meinen Krug ansetzen wollte, stellte ich fest, dass dieser leer war. Auch Lelianas schien geleert worden zu sein.

„Ist Euer Krug leer?“ Sie nickte.

„Ja, aber keine Umstä…“

„Ich hole Euch was Neues.“ Ehe sie ihren Satz beenden konnte, hielt ich ihren Krug auch schon in Händen, wie auch den meinen.

Meine Beine trugen mich an die Theke, an der mich Bella bereits erwartete.

„Alles zur Zufriedenheit?“

„Natürlich, ich bin pflegeleicht.“ Ich streckte ihr kurz die Zunge heraus, ehe ich ihr die zwei Krüge vor die Nase stellte.

„Bitte zwei neue. Könntet Ihr allerdings ihren mit Wein befüllen. Und wenn möglich, etwas Honig hinzufügen?“

„Sie ist Euch wichtig, was?“ Mit den Zähnen biss ich mir sanft auf die Oberlippe. Ich dachte für einen Moment nach. Liebste Videospielefigur. Fast immer meine Romanze in diesem Spiel. Wunderschöne Frau. Sehr intelligent und äußerst verschlagen. Vor der Konsole hatte ich mir oft erhofft, solch eine Frau kennenzulernen, und sie einmal meine Partnerin fürs Leben nennen zu dürfen. Doch hier? Hatte ich einen Crush, oder dachte ich nur mit meinem Freund, der mich jeden Morgen freudig begrüßte?

„Vermutlich mehr, als ich mir selbst eingestehen möchte.“ War meine neutrale Antwort, die wohl mehr über meine Gefühle verriet als angenommen.

„Süß.“ Der erste Krug war bereits vor mich gestellt worden, und ich schaute ihr zu, wie sie den zweiten mit den von mir beauftragen Wünschen befüllte. Auch, wie es sich gehörte, bedankte ich mich freundlich und gesellte mich wieder zurück zu meiner Gefährtin und Fenrir, der schon eine ganze Weile unter dem Tisch zu schlafen schien und vor sich eine Wasserschale stehen hatte, die ihm Bella besorgt hatte.
 

„Habt Dank.“

„Gerne“, kam es freundlich von mir, während ich dabei zusah, wie Leliana ihren Krug zur Hand und die ersten Schlucke zu sich nahm. Ein wohliger und zufriedener Laut erklang, während sie überrascht, allerdings lächelnd, den Krug wieder absetzte.

„Das ist Wein … mit Honig. Ihr wisst selbst so etwas Belangloses über mich?“ Oh. Daran hatte ich gar nicht gedacht. In meiner Welt hatte ich mir dieses Wissen einfach gemerkt, was Cole im dritten Teil ausgesprochen hatte, da es eben in Zusammenhang mit meinem Lieblingscharakter Leliana stand. Allerdings vor ihr schoss ich mir damit ins eigene Bein. Wie sollte ich das nur erklären?

„Ähm … scheint so.“ Super Alexander. Super.

„Ich dachte, Ihr merkt Euch lediglich wichtige Sachen über uns?“ Ihr Schmunzeln, mit dem sie mich aus der Reserve locken wollte, hätte wohl kaum noch breiter werden können.

„Für mich ist … manchmal merke ich mir auch Kleinigkeiten.“

„Ihr seid verlegen. Manchmal könnt Ihr ganz süß sein, wisst Ihr das?“ Zur Antwort erhielt sie ein kleines Grummeln meinerseits, was sie herzhaft auflachen ließ. Diesen Laut würde ich gerne öfter hören. Öfter … meinetwegen. Doch dazwischen lag noch so vieles. Heute Abend zum Beispiel eine Horde Untoter. Dann gab es noch die Dunkle Brut. Drachen. Fanatiker. Werwölfe. Und vieles mehr. Zudem war ja auch bedenklich wie lange ich, angenommen ich überlebte all dies, mit Leliana reisen konnte. Nach diesem Abenteuer wäre vielleicht das nächste Mal erst bei der Inquisition. Und da war sie bei weitem nicht mehr dieses lebhafte und freudige Geschöpf, das sie derzeitig vor mir war.
 

„Was beschäftigt Euch?“ Mal wieder hatte sie die Sorgen in meinem Gesicht herauslesen können und wollte wissen, was mir durch den Kopf ging. Ich seufzte. Nicht genervt. Angestrengt. Als wäre ich durch das Nachdenken über die Zukunft und meiner Planung um Jahrzehnte gealtert.

„Nicht nur das hier. Sollte ich unser Abenteuer durch eine glückliche Fügung oder den Segen des Erbauers überleben, gibt es noch jede Menge Scheiße, die ich beachten muss. Orte, an denen ich sein werde. Es wird so vieles geben, das ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, aber für das größere Wohl tätigen muss.“

„Ich kann Euch helfen. Lasst mich Euch helfen, damit Ihr Euch dieser Last nicht alleine stellen müsst.“ Ich erkannte, dass sie es ernst meinte. Dieser Eifer des Handelns und des Beschützens, den sie ausstrahlte. Doch genau dies verwunderte mich. Wir kannten uns nicht einmal eine Woche. Wie konnte sie sich schon so sehr für mich einsetzen? Mir helfen wollen?

„Wieso wollt Ihr mir helfen?“

„Weil ich Euch mag.“ Erneut dieser Sprung in meinem Herz. Erneut diese Schnelligkeit, mit der sie dies aussprach.

„Und niemand sollte alleine das Gewicht der Welt auf seinen Schultern tragen. Deshalb sind wir hier ja auch eine Gruppe, die sich der Verderbnis stellt, und nicht unsere Grauen Wächter alleine.“

Ihre Worte… stimmten.

„Es ist … sinnig. Bei diesem Abenteuer werde ich Euch sicherlich ab und an zu Rate ziehen.“

„Wie mit Morrigans Buch.“ Ich nickte.

„Wie mit Morrigans Buch. Und Euch sogar sagen wozu. Das nächste Abenteuer, nach diesem, da könnt Ihr mir nicht helfen. Doch das danach, da weiß ich, seid Ihr selbst vor Ort. Dort wird Euer Einfluss und Eure Hilfe sogar unabdingbar sein.“

„Ich werde also mächtig werden?“ Sie grinste, als sie diese Schlussfolgerung aus meinen Worten herauslas und mir offenbarte, dass sie verstand.

„Das seid Ihr schon jetzt, merkt Ihr dies etwa nicht?“ Meine blaugrauen trafen auf ihre blauen Augen. Wir beide taten uns im Thema Verwunderung nichts. Ich, da ich es nicht glauben konnte, dass sie es nicht merkte und sie, da sie nicht wusste, was ich ihr damit versuchte zu sagen.

„Inwiefern?“, bestätigte sie meinen Verdacht, nicht zu verstehen, was ich meinte.

„In erster Linie das Offensichtliche. Ihr seid die beste Bogenschützin, die ich kenne, eine ausgezeichnete Spionin, die an Infos allerhand gelangt und Schlösser so einfach knackt, als würde sie in ein Buch schreiben.“ Sie schien aufgrund der Komplimente, die ich ihr gegenüber tätigte, leicht verlegen zu werden, doch sie konnte diesen Umstand deutlich besser kaschieren als ich.

„Und die nicht sichtbaren?“ Nun, sie war zwar verlegen, aber Schmeicheleien gefielen trotz allem auch ihr.

„Euer Charakter und Euer Äußeres.“

„Was ist mit meinem Charakter und Aussehen?“

„Ich sagte schon bei unserem ersten Gespräch am Lagerfeuer, tut nicht so unwissentlich. Mit Eurem Charakter schafft Ihr es, andere für Euch einzunehmen und nach Euer Pfeife tanzen zu lassen, da Ihr recht schnell lesen könnt, mit welcher Art Person Ihr es bei Eurem Gegenüber zu tun habt. Euch der Situation anpasst. In passende Rollen begebt. Und Euer Äußeres … nun, da habe ich doch schon genug Komplimente getätigt.“

„Und? Habe ich Euch auch bereits für mich eingenommen?“ Sie spielte die Unschuldige. Ließ diese Frage wie eine nebensächliche wirken, die man einfach so in ein Gespräch hineinwarf, doch wir beide wussten, dass sie dringlich eine Antwort darüber erfahren wollte.
 

Ein freudloser Lacher entwich meiner Kehle, als ich sie mit meinem Augenwerk fest fixierte.

„Mehr als Ihr wisst und mir lieb ist. Ich steh auf Rotschöpfe. Eure strahlend blauen Augen auf mich gerichtet fesseln mich und Euer Charakter löst, wie in diesem Gespräch, meine Zunge besser, als es jedes Getränk dieser oder meiner Welt je könnte. Ihr wisst gar nicht, welch Bedeutung Ihr als Mensch im Speziellen, durch meine Herkunft, auf mich habt.“

„Dann lasst es mich wissen“, sprach sie sanft, fast schon flüsternd, zu mir. Ich selbst griff nach meinem Krug.

„Vielleicht beim nächsten Mal.“ Und schon nahm ich den Saft, der für so manch Peinlichkeit in meinem Leben sorgte, zu mir. Leliana wirkte nicht böse, dass ich ihr diese Antwort verwehrte. Nein. Vielmehr schien ich nun eine andere Frage in ihr ausgelöst zu haben, weswegen sie ihren Kopf auf ihrem Arm stützte und mich erneut aus unschuldigen und neugierigen Augen anblickte. Als wäre sie ein Enkelkind, das nach den Geschichten ihres Großvaters fragte.

„Weshalb erzählt Ihr mir eigentlich, wie leicht ich Euch unter Kontrolle halten könnte, wenn ich nur wollte?“

„Vielleicht sagt mir der Gedanke zu, von einer Schönheit wie Euch kontrolliert zu werden“, kam es trocken von mir, während ich mit den Schultern zuckte.

„Und? Tut er das?“ Nun lächelte ich lediglich schelmisch.

„Das bleibt mein kleines Geheimnis, bis wir uns besser kennen. Doch vielleicht ist der Hauptgrund auch, dass ich Euch kenne. Zumindest in dieser Angelegenheit. Ihr würdet dieses Wissen nie ausnutzen, wenn es nicht dringend notwendig wäre. Und da ich mit Euch später einen guten Draht haben möchte, ist etwas Wahrheit und Vertrauen notwendig, nicht wahr?“

„Mir kommt es bereits so vor, als hätten wir einen guten Draht zueinander.“ Zum Glück hatte ich in diesem Moment nichts getrunken, sonst wäre es auf dem Tisch gelandet. Ich wusste, dass sie es freundlich meinte, doch diese Aussage konnte auch zweideutig interpretiert werden, als eine Art Anmache. Und das aus ihrem Mund … nun, nicht ohne Grund war ich ihr kleiner Fanboy, sie mein liebster Spielecharakter und mein Herz schon die ganze Zeit am Hüpfen, wenn sie etwas Positives über mich sagte. Allerdings, auch wenn ich wusste, dass sie mich lesen konnte, wollte ich den Coolen weiterhin mimen. Es ihr nicht so einfach machen, auch wenn dieses Vorhaben bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

„Hm. Das kann allerdings auch einfach nur der Alkohol sein, der mich in Eurer Gegenwart mutig werden lässt.“ Sie wirkte wieder amüsiert.

„Schüchtere ich Euch etwa so sehr ein?“

„Diese Antwort beantworte ich mit zwei Worten. Mehr Bier!“
 

Noch eine ganze Weile befanden wir uns in der Taverne. Doch ich trank nicht nur Alkohol die ganze Zeit, schließlich war ich nicht wahnsinnig. Etwas, um besser in den vermutlichen Tod zu kommen, doch wollte ich diesen Viechern einen anständigen Kampf liefern, also hatte ich auch Wasser zu mir genommen, das mich schließlich auch erfrischte. Doch als es so langsam dunkel wurde, war es auch für uns an der Zeit, zu unserer Gruppe zu stoßen.

Chapter 16 ~ Die Schlacht um Redcliffe

Als wir zu unserer Truppe gestoßen waren, hatten wir nur bemerkt, wie sich die meisten zurückgezogen hatten, und versuchten etwas Schlaf zu bekommen. Immerhin war es ein langer Tag für sie alle gewesen, und bis zur Nacht, in der diese wandelnden Leichen auftauchen würden, dauerte es noch etwas.

Alistair zum Beispiel, der gegen eine Wand gelehnt lag. Aidan hingegen hatte uns nur zugenickt, und daher suchten auch wir uns einen guten Platz. Leliana blieb, zu meiner Verwunderung, nahe bei mir, während ich mich auf den Boden legte und Fenrir als Kopfkissen benutzte. Meinem Stinker schien das nichts auszumachen. Es hatte schon seine Vorteile, wenn der eigene Hund so groß war. Allerdings bemerkte ich, ihn bald einmal baden zu müssen.
 

„Nervös?“ Aidan hatte sich nach einer für mich unendlich lang wirkenden Zeit des Nachdenkens zu mir gesellt. Er setzte sich neben mich auf den Boden und meine Augen, die gen Himmel starrten, blickten nun zu meinem ehemaligen Spiegelbild.

„Ja.“ Die kurze, knappe und ehrliche Antwort.

„Kannst nicht schlafen?“ War dies nicht offensichtlich? Doch ich vermutete eher, dass er bemerkte, was in mir vorging. Mein langes Fortbleiben mit der Bardin. Ich, der einzige von uns beiden, der nervös war, während sie schräg hinter mir zu schlafen schien. Ich bezweifelte es allerdings. Die war doch stetig wachsam wie ein Luchs. Aidan wollte mich sicherlich einfach nur ablenken, um mir die Nervosität zu nehmen.

„Nein. Würde am liebsten jetzt schon in den Kampf ziehen.“ In den Augen von Aidan vernahm ich Überraschung.

„Du erschienst mir nicht so mordlüstern.“

„Darum geht es mir ja auch nicht.“ Ich seufzte.

„Ich will den Scheiß nur so schnell wie möglich hinter mir haben.“ Mein Blick ging zurück gen Himmel.

„So oder so.“ Wir beide schwiegen. Er wusste, was ich meinte. Entweder überlebte ich und hatte den Mist hinter mit, oder ich war tot. Von weltlichen Belangen nicht mehr betroffen.

Ich setzte mich auf und just in diesem Moment wedelte er mit einer Hand vor seinem Gesicht herum, und einem Lächeln auf eben diesem.

„Hast du getrunken?“ Ich war mir sicher, dass er die Antwort bereits kannte, doch wie ich es bereits vermutete: Er wollte mich in ein Gespräch verwickeln.

„Ja.“

„Wieso?“ Ernst blickte ich ihm in die Augen.

„Weil ich das brauche.“

„Du hast Angst.“

„Ja.“ Ich fühlte mich an das Gespräch mit Leliana erinnert, welche die gleiche Feststellung machte.

„Wieso?“ Unsere Augen waren noch immer aufeinander gerichtet. Niemand blickte weg.

„Der erste Kampf in meinem eigenen Körper. Andere Sichtweise.“ Ein Nicken seinerseits gab mir zu erkennen, dass er verstand.

„Erst jetzt fühlt es sich real an“, sprach er selbstständig aus, was mir nun die absolute Gewissheit gab, dass er verstand, wie es mir ergehen musste. Ich nickte lediglich.

„Verstehe. Kannst du trotzdem kämpfen? Zur Not schicken wir dich in die Kirche.“

„Es mag der erste richtige Kampf in meinem Körper sein, doch durch die Kampfpraxis in deinem Körper bin ich gewiss kein Anfänger mehr.“

„Es liegt keine Schande darin, sich auch einmal zurückzuziehen, wenn man sich seiner Sache nicht ganz sicher ist.“ Es waren wahre Worte. Nett gemeint. Und doch schüttelte ich verneinend mein Haupt.

„Ich weiß. Doch ich wurde sicherlich nicht aus Sympathie in diese Welt geschickt, weswegen auch immer. Es gibt Dinge, denen muss man entgegentreten, wie gerne man ihnen auch aus dem Weg gehen würde. Heute Nacht … ich kann euch nicht im Stich lassen. Zudem will ich von euch lernen. Euch nicht beobachten. Und das kann ich nur durch solche Situationen, wo es um Leben oder Tod geht.“ Ein Lächeln zierte sein Gesicht, während er wie ein stolzer Bruder auf mich blickte. Beziehungsweise stellte ich es mir so vor, besaß ich keine Brüder, außer denen, die ich mir in meinem Freundeskreis ausgewählt hatte. Wobei … ich hatte Aidan. Ich lebte lange Zeit in seinem Körper. Er kannte mich wohl besser, als es bisher irgendjemand tat. Und wir hatten bei unserer Trennung behauptet, dass wir an und für sich wie Brüder wären. Er kam dieser Definition wohl am wahrscheinlichsten. Aidan Cousland. Mein Bruder.

„Ich glaube an dich.“ Ich konnte es mir nicht erklären, doch dieser Satz, samt meiner Gedanken, ihn als vollwertigen Bruder zu sehen, fühlte sich irgendwie beruhigend an.
 

„Aber auch ich bin aufgeregt.“

„Bitte?“ Nun lag Verwirrung in meinem Blick, während mein Alter Ego in den Himmel blickte.

„Wie auf das Leben kann man unmöglich vollständig auf den Kampf vorbereitet sein. Vater sagte mir dies gerne, wenn wir über die Schlacht sprachen.“ Bryce Cousland. Ja. Es stimmte. In der Zeit, als er seine Truppen mobilisierte, um sie für den Kampf gegen die dunkle Brut zu sammeln, hatte er dies ab und an gesagt. Stets geschmückt mit einem tiefen Seufzer, der einem andeutete, dass er den stetigen Krieg leid war. Man konnte es ihm nicht verübeln, schließlich hatte er damals im Krieg gegen Orlais, als König Maric seinen Anspruch auf Ferelden erhob, gekämpft. Er hatte bereits die Monstrosität des Krieges erlebt. Doch vor seinen Mannen war er stets der aufrechte Anführer, der er sein musste. Eine hohe Bürde. Eine Bürde, die sich meines Kenntnisstandes auch König Cailan auferlegt hatte. Wohl das Schicksal eines jeden Anführers.

Mein Blick glitt auf die verschiedenen Mitglieder unserer Truppe. Fenrir, der hinter mir döste. Skipper, der es meinem Hund neben Aidan gleichtat. Roland, der quer auf dem Boden lag und schlief. Sten, der wachsam wie eine Statue auf den See blickte und wohl jede Unregelmäßigkeit erkennen würde. Alistair, der an der Wand lag, allerdings die Augen offenhielt und in seinen eigenen Gedanken vertieft zu sein schien. Solona und Wynne unterhielten sich, während sie offenkundig ihre Ausrüstung überprüften. Von Morrigan war weit und breit nichts zu sehen, doch ich vermutete, dass sie in der Nähe, in der Gestalt eines Tieres, herumstreunen würde. Leliana war wie bereits erwähnt schräg hinter mir, ihr Haupt auf einer Tasche gebettet, so dass sie schlafen konnte, was sie vielleicht tat oder auch nicht. Meine eigene kleine Schrödingers Leliana.

Und dann war da noch Aidan, der mich nun nur noch umso breiter anlächelte. Schließlich hatte er meinen Blick erkannt.

„Offenbar willst du mir doch nicht so leicht das Zepter übergeben“, lachte er leicht, als ich ihn überrascht anblickte.

„Ist schon okay. Es ist ohnehin besser, wenn ich mich mit dir austausche über unsere Mission. Müssen wir zwei halt stets eine Einigung erzielen, sonst zerreißen wir die Gruppe.“ Er lachte. Er war um so vieles lockerer, als ich ihn mir jemals hatte erträumen können. Vielleicht sagte ihm auch der Gedanke mehr zu, die Verantwortung zu teilen, anstelle selbstständig für jeden möglichen Fehler schuldig gemacht zu werden. Das konnte durchaus befreiend sein. Halbes Leid ist geteiltes Leid, hieß es doch so schön.

„Offenkundig habe ich mein Ziel hier erreicht und dich auf andere Gedanken bringen können. Ich werde mich dann mal empfehlen.“ Aidan lächelte, als er aufstand, doch ich hielt ihn noch kurz an seiner Hand fest, weswegen er für den Moment überrascht wirkte.

„Ziel auf ihre Köpfe. Und sag das auch den anderen.“

„Ist das ihre Schwachstelle?“, fragte er mich, als ich lediglich mit den Schultern zuckte.

„Keine Ahnung. Aber man sagt bei Zombies soll man auf den Kopf zielen. Und das sind sowas wie Zombies, also wandelnde Leichen. Schaden kann es jedenfalls nicht.“ Er wirkte erneut amüsiert, doch er nickte nur, ehe er mit einem „Danke“ verschwand.
 


 

Die Nacht brach an, und jeder von uns stand auf. Weder Aidan noch ich brauchten etwas an die anderen zu richten. Sie hatten schon das passende Gefühl für die Situation. Die verschollene Morrigan wartete bereits oben auf uns, abseits der Ritter, die sich auch langsam in Stellung begaben. Einige wenige schliffen noch ihr Schwert zurecht, allerdings waren auch sie darauf gefasst, jeden Augenblick ihre Tätigkeit zu unterbrechen und loszuschlagen. Die Ölfässer waren bereits ausgeleert worden, so dass sich vor uns ein Ölteppich erstreckte. Das Öl brauchte nur noch von den Bogenschützen angezündet werden.

Alles war bereit und mir ging so langsam die Pumpe.

„Ich werde auf Euch aufpassen.“ Die Stimme drang in meinen Gehörgang, ehe ich in das mir zugewandte blaue Paar Augen blickte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Ähm … danke.“ Man, ich war wahrlich ein wortgewandter Mensch.

„Gerne.“ Sie schenkte mir ein ermutigendes Lächeln, doch da bemerkte ich auch schon etwas Feuchtes an meiner linken Hand.

„Wuff.“ Fenrir hatte ebenso wie Leliana meine Bedenken … meine Nervosität gespürt, und mir von daher gezeigt, dass er für mich da ist.

„Ich glaube, da will noch jemand ausdrücken, dass er Euch beschützen wird.“

„Ja. Danke, Großer.“ Natürlich streichelte ich meinen Vierbeiner, der treu an meiner Seite war.

„Wuff.“

„Fernkampf. Tank. Anfänger der Schurkenklasse. Klingt nach einem guten kleinen Trupp.“ Ich schmunzelte nun.

„Tank? Schurkenklasse?“ Verlegen kratzte ich mir den Kopf, an einem Versuch arbeitend, es ihr zu erklären, ehe ich mein Haupt schüttelte.

„Ja. Das mit den Klassen werde ich Euch ein anderes Mal erklären.“

„Gerne. Es gibt noch so vieles, dass ich über Euch wissen wollen würde.“ Weiterhin lag dieses ermutigende Lächeln in ihrem Gesicht, während sie mich mit freudigen Augen anblickte.

„So interessant bin ich nicht.“

„Im Gespräch habt Ihr mir einen völlig anderen Eindruck vermittelt.“

„Habe ich.“ Sie nickte.

„Und wie!“

„Dann weiß ich zumindest, dass Ihr dank Eures Wissensdurstes einen guten Grund habt, mich am Leben zu erhalten. Das ist erleichternd.“ Sie wollte etwas erwidern, doch dann erkannte sie mein Gesicht. Erkannte, dass es ein Witz war, den ich tätigte, da ich mal wieder überfordert war, auf die mir schmeichelnden Worte zu reagieren.
 

„Sie kommen“, sagte ich zu mir selbst, als wir den aufkommenden Nebel sahen. Die trampelnden Schritte wahrnahmen.

Schreckensschreie drangen vom Dorf zu uns hinauf, was mir aufzeigte, dass sie zeitgleich von beiden Seiten angriffen. Wie im Spiel, sie wollten uns in die Zange nehmen.

Wir selbst hatten uns alle in Stellung begeben. Jeder hatte seine Waffen gezogen, und machte sich bereit für die Schlacht. Neben mir standen die Ritter, während Aidan, Alistair und Roland direkt vor mir standen. Sie hatten Schilde. Ich nicht. Daher waren sie dafür da, sie zunächst abzufangen und dann abzustechen. Ich selbst für das Hacken und Stechen, auch wenn meine Waffen nicht solch enorme Reichweite besaßen. Auch Fenrir war knurrend neben mir. Er blieb der Tatsache treu, mich beschützen zu wollen.

Mit etwas Abstand standen die Magierinnen an der linken und die Bogenschützen an der rechten Seite von uns. Ich besaß keinerlei Zweifel daran, dass Leliana mich im Auge behielt.

„ARHU!“ Ich schlug meine Waffen aneinander. Ließ ein kleines bisschen Zeit verstreichen.

„ARHU!“ Erneut tat ich das. Ich musste mich motivieren und beruhigen. Und es half, mein Kurzschwert gegen meine Axt zu schlagen und den Klang des Metalls zu hören. Besäße ich ein Schild, hätte ich dagegen getrommelt, was besser gepasst hätte, während ich wie gerade den Schlachtruf der Spartaner benutzte.

Aidan blickte mir fest in die Augen, als er über die Schulter schaute und dabei erkannte, wie es mich offenkundig zu beruhigen schien. Für einen Moment schien es mir, als hätte ich einen Aha-Effekt bei ihm erkannt. Und dann schlug er, synchron zu meinem Schlag auf die Waffen, auf sein Schild mit dem Knauf seines Schwertes. Nicht so schwer, dass es dem Schild schaden zufügte, sondern lediglich mit genug Kraft, so dass man den Schlag vernahm.

„ARHU!“ Wir waren zu zweit. Dann zu dritt. Viert. Und auf einmal taten es alle Soldaten und unsere Krieger, die zwei Waffen oder über ein Schild verfügten. Selbst unsere Hunde bellten im Takt mit. Wieso sie es taten? Ich wusste es nicht. Doch sie waren ebenfalls nervös, und vielleicht griffen sie nach dem Strohhalm, den ich ihnen reichte, um mutiger in den Kampf zu ziehen.

Mittlerweile sahen wir die Monstrositäten, die auf uns zukamen. Sie schlurften und gaben monströse, unnatürliche Töne von sich. Und auch ihr Verwesungsduft war ihnen eindeutig voraus. Wenn ich nicht so sehr auf sie konzentriert gewesen wäre, und meine Mut-mach-Methodik tätigen würde, hätte ich sicherlich mit Übelkeit kämpfen müssen. Oder hätte gezittert. Doch mein Gehirn war wie auf Leerlauf. Ich lebte im Hier und Jetzt und war tatsächlich im Kampfmodus. Lag es vielleicht auch daran, dass die Situation so unreal für mein Gehirn erschien, so dass ich es noch nicht realisierte und dies erst nach dem Kampf checken würde? Schließlich stolperten und röchelten hier gerade Zombies auf uns zu.

Aidan hob seinen Schwertarm, während die Bogenschützen ihre brennenden Pfeile anspannten. Er besaß das Kommando, da er besser zu sehen war von seiner Position aus.

Lediglich einer der Pfeile brauchte den Ölteppich treffen, alle anderen konnten diese Monster verbrennen, ich hätte nichts dagegen.

„Haltet stand! Für Redcliff! Für Arl Eamon!“, rief Ser Perth seinen Rittern zu.

Sie liefen weiter auf uns zu. Weiter trommelten wir. Wir waren eine angespannte und doch, so schien es, furchtlose Truppe.

„JETZT!“ Aidan schwang seinen Arm herunter und der Pfeilhagel überströmte die Feinde wie eine kleine Flutwelle. Wir waren nicht so viele Männer, und doch effizient genug, so hofften wir. Sie besaßen die Quantität mit ihren schwerfälligen, fast auseinanderfallenden Körpern. Wir die Qualität aufgrund unserer Erfahrung und der besseren … nun ja, Qualität des Körpers eben. Und wir hofften sehr, dass die Qualität sich, wie zumeist, durchsetzen würde.

Einige fielen den Pfeilen zum Opfer, andere den Flammen, die nun explosiv in die Höhe stiegen und die Nacht wie eine plötzlich auftauchende Sonne erhellten.
 

Doch die Untoten ließen sich nur bedingt von dem Feuer aufhalten. Es war an der Zeit zu kämpfen. Unsere vorderste Frontreihe hob die Schilder und versetzten ihren Körper in einen besseren, festen Stand. Stabiler. Ein einzelner Zombie würde sie niemals umwerfen können, doch wenn ich eines aus Zombiefilmen gelernt hatte, dann war es die aneinanderreihenden Massen dieser untoten Mistviecher. Als die ersten Geister in den verfallenen Körpern gegen die Schilder prallten, kletterte ich irgendwie an Aidan vorbei, um den Kopf des Wesens zu treffen. Sogleich ein sauberer Schnitt. Ihre Körper waren weich. Man sollte sich von ihnen nicht erwischen lassen, doch erledigen konnte man sie gut.

„Was täte ich nur für einen gescheiten Speer“, entkam es meinen Lippen. Als man mir die Taktik verriet, hatte ich sogleich auf Speere plädiert, doch offenbar besaßen sie diese oben im Schloss. Das, was diesen am nächsten kam, wäre eine Mistgaben gewesen, aber jetzt im Ernst: Ich würde nicht mit einer Mistgabel in den Kampf ziehen.
 


 

So schnetzelten wir noch einige Zeit die Geister nieder, die den Berg herunter in die Stadt steigen wollten, bis sie endlich vertrieben waren. Doch es galt nun keine Verschnaufpause zu tätigen, sondern es gab noch Arbeit für uns. Die Dorfbewohner mussten gerettet werden.

„Ihr bleibt hier, falls sie es noch einmal probieren! Wenn Ihr es für sicher erachtet, stoßt zu uns, denn wir werden Euch gebrauchen können. Wir gehen nach unten und helfen den Dorfbewohnern!“, kam es nun ungewohnt befehlerisch von mir an Ser Perth, der lediglich nickte und seine Männer dazu antrieb, wachsam zu bleiben sowie Stellung zu beziehen.

„Ihr schlagt Euch gut, dafür dass Ihr Euch so viele Sorgen gemacht habt“, drang die Stimme des Rotschopfes an mein Ohr, während wir herunterrannten.

„Das, was Ihr soeben tätigt, werte Leliana, ist das Schicksal wortwörtlich herauszufordern. Das ist immer unklug.“

Sie blickte mir für einen Augenblick, den ich sie angeschaut hatte, während sie neben mir herrannte, in die Augen. Erkannte wohlmöglich, wie ernst es mir in dieser Hinsicht war. Ich war abergläubig. Als mein Vater Trainer eines Fußballvereins war, einer Sportart meiner Welt, hatte ich an jedem Spieltag eine Bockwurst gegessen und wir gewannen. An den beiden Tagen, wo ich keine aß, spielten wir lediglich unentschieden. Und was das Schicksal herauszufordern betraf, da hatte ich genug Beispiele alleine aus fiktiven Werken, die mich vorsichtig machen ließen. Eine gesunde Arroganz, wenn man etwas gut kann? Gerne. Sätze sagen wie: „Was soll denn jetzt noch passieren?“ BLOSS NICHT!

Wortlos liefen wir den kurzen Weg weiter hinunter, und sahen sie auch schon.

Ich erkannte, dass Aidan den Tavernenbesitzer wohl dazu gebracht hatte mitzukämpfen, denn dieser lag bereits tot am Boden, während die übrigen Kämpfer umzingelt waren. Also gute Nachrichten: Bella besaß nun eine Taverne. Zumindest ein Toter, den ich mir nicht ankreiden konnte. Wobei … ich fand sicherlich eine Lösung, ihn auch mir anzuheften, selbst wenn es nur die Tatsache war, Aidan entscheiden zu lassen.

Dwynn schlug sich gut samt seiner Schläger. Der Bürgermeister jedoch war bereits umzingelt. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie unsere Bardin bereits mehrere Pfeile aus dem Köcher zog und einen nach dem anderen auf dessen Feinde niederregnen ließ, so dass sie einfach umfielen. Zurück in ihrer Welt dem Nichts.

Auch Morrigans Feuerball verfehlte seine Wirkung nicht, als er am Ufer exakt dort, wo die wandelnden Leichen auftauchten, explodierte. Oder Wynns Steinfaust und Solonas Blitze, die sie zerrissen oder zerbröseln ließen. Unsere Fernkämpfer überzeugten auf ganzer Linie. Also war es an der Zeit für uns Nahkämpfer, ebenfalls nachzulegen. Und wer wäre für den Startschuss begabter gewesen als unser Qunari? Mit seiner Streitaxt zerteilte er sie wie Stoffpuppen und sorgte für einen gewaltigen Lärm. Unsere Gegner wären durchaus beeindruckt gewesen, wenn sie menschlich wären und in Maßstäben, wie wir denken würden. Doch das waren Geister im Körper von Kadavern. Für sie wäre es auch logisch, wenn ein Taucher an der Decke hing, oder Alistair tatsächlich von fliegenden Hunden aufgezogen worden wäre. Apropos Alistair, dieser schlug mit seinem Schild über die Strenge. Und damit meine ich lediglich, dass er mit seinem Schild diese Ungetüme verprügelte. Aidan und Roland nutzten ihre Schilde als Rammböcke, und führten dann bei den taumelnden oder gerade aufstehenden Feinden den Gnadenstoß aus. Unsere Hunde rissen ihnen auch sämtliche Körperteile vom Körper, so dass sie sich nicht mehr bewegen konnten. Und ich? Ich trat, schlug, zerteilte und stach. Stets darauf bedacht, mich nicht umzingeln oder überrennen zu lassen.
 

Kämpfen war anstrengend. Ermüdend. Wenn man dies mit hoher Konzentration auch noch mehrere Stunden tätigen musste, umso mehr. Ich wusste nicht, wie lange wir dies bereits alle taten, doch es kam wie eine Ewigkeit vor. Ich besaß die Hoffnung, dass es bald mal zu Ende ging.

„So oder so“, kamen wieder einmal meine Gedanken durch, die mich innerlich seufzen ließen. Mein inneres Ich war wahrlich ein Optimist. Nicht.

„JETZT REICHT ES MIR!“, hörte ich einen Aufschrei von Morrigan, der mich, als ich meinen nahegelegensten Gegner niederstreckte, zu der Schwarzhaarigen blicken ließ. Ich hatte mit allem gerechnet. Einem gewaltigen Feuersturm. Einem Blitzeinschlag, aber als sie unmenschlich weit hochsprang, und sich ihre Form verformte, weiteten sich meine Augen. Schweiß, der dieses Mal nichts mit der Anstrengung zu tun hatte, lief an mir herab. Mein Körper war wie paralysiert. Gelähmt.

Morrigan war nun riesig. Schwarz am ganzen Körper. Hatte mehrere und lange Beine. Viele Augen. Und Zangen am Mund.

Die wunderschöne Hexe der Wildnis war zu dem geworden, was ich in dieser Welt am meisten fürchtete.

„Spinne“, drang es piepsig von mir. Mit dem Schrecken in den Augen beobachtete ich das riesige Insekt, wie es einen Gegner nach dem anderen zertrampelte, verschlang, zerteilte oder in einem Netz einsponn, um sich wenige Augenblicke später um ihn zu kümmern. Ich konnte meine Augen nicht von ihr ablassen, so sehr ich es auch versuchte. Viel zu groß war mein innerer Fluchtinstinkt, der wissen wollte, wo sich die riesige Spinne befand, um in die entgegengesetzte Richtung rennen zu können. Ich wusste, dass es sich um Morrigan handelte. Dass sie eine Freundin ist. Gar eine wunderschöne Erscheinung, mit der ich auch gerne … nun ja, ich war nun eben nicht blind bei dieser ungezähmten Schönheit. Doch eine Phobie ist eben eine Phobie. Und ich war Arachnophobiker. Bei kleineren Weberknechten kein Problem, die konnte ich töten. Bei Größeren und Dickeren jedoch gab es Probleme. Bei Handgroßen wäre ich bereits gerannt, fühlte ich mich ja schon im Zoo unwohl in ihrer Nähe. Konnte mir kaum Fotos von diesen anblicken, ohne einen kurzen Schock zu bekommen und zu realisieren, dass sie eben nur auf einem Foto und nicht wirklich vor mir waren. Aber Morrigan hier und jetzt …

„Alexander!“ Ich spürte, wie ich eine Ohrfeige erhielt und aus meinem Schock befreit wurde. Leliana war bei mir. Aidan auch. Und Fenrir. Sorgenvoll blickten sie mich an, während ich im Hintergrund den Jubel der Männer vernahm. Alles brannte an diesem Platz, einige hatten ihr Leben verloren, allerdings kamen offenbar keine Leichen mehr aus dem See heraus. Die riesige Spinne kümmerte sich gerade um die letzten Reste und ich bemerkte auch schon wieder von meiner Phobie gefangen genommen zu werden, als Leliana mich am Körper rüttelte.

„Was ist mit Euch?“

„I-ich.“ Toll, Alexander. Jetzt wissen sie natürlich sofort, was mit dir los ist. Nicht. Doch Aidan folgte meinem geschockten Blick, und als er Morrigan in Spinnengestalt in dieser Richtung wahrnahm, zählte er eins und eins zusammen.

„Du hast Angst vor Spinnen.“ Leliana blickte Aidan kurz überrascht an, ehe ihr besorgter Blick wieder mir galt.

„Stimmt dies?“ Ich nickte. Und als sich Morrigan nun wieder zurückverwandelte, winkte Aidan sie zu uns. Die Hexe kam auch sogleich verwirrt auf uns zu.

„Was ist? Falls er einen Heiler braucht, solltet Ihr Euch eher an die anderen beiden Magierinnen wenden“ Ihr entging mein kreidebleiches Gesicht nicht, und ich erkannte in dem ihren eine fragende Augenbraue, die sie in die Höhe zog.

„Arachnophobiker“, kam sie jedoch selbst auf den Gedankengang, was ich mit einem Nicken, wie zuvor bei den beiden anderen, bestätigte.

„Verstehe. Dann können wir von Glück reden, bisher keiner Spinne begegnet zu sein.“ Danke, Morrigan. Wirklich. Ich habe ein paar Wunden am Körper, möge ihr jemand Salz reichen?

„Versucht bitte diese Form in Zukunft außerhalb seiner Nähe zu benutzen, wenn überhaupt nötig. Verstanden?“ Augenrollend nickte die Hexe.

„Wenn es denn sein muss. Ich bin noch immer der Meinung, dass man am ehesten eine Angst oder Phobie bekämpft, indem man sich dieser stellt. Was wäre denn gewesen, wenn der Dämon im Nichts diese Angst gegen ihn verwendet hätte?“

„Das war es aber nicht und darum geht es auch nicht. Es geht um das Verständnis, das wir einander aufbringen. Indem Ihr diese Form verwendet habt, war er so in Panik, dass er beinahe gestorben wäre, wenn ich kein Auge auf ihn gehabt hätte“, giftete Leliana die Schwarzhaarige an. Und tatsächlich. Erst jetzt vernahm ich die verwesten Körper, die zu meinen Füßen, mit Pfeil im Kopf, lagen.

„Meinetwegen. Solltet Ihr Eure Panik jedoch an der Wurzel packen wollen, fragt nur.“ Sie wandte sich ein letztes Mal an mich, ehe sie auch schon davon schritt.

Chapter 17 ~ Von Ehrungen und alten Bekanntschaften

Mir ging es schlecht. Der Duft der wandelnden Leichen, der schon eine Weile in meiner Nase lag, wurde nun, nachdem die Schlacht vorbei war, so richtig wahrgenommen. Doch es ging sogar noch schlimmer, schließlich waren einige von diesen auch noch verbrannt. Ein abscheulicher, grauenhafter und gar unerträglicher Geruch. Dieses alles gepaart mit dem Schock von Morrigans Verwandlung, die meine Phobie getriggert hatte… man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich hundsmiserabel fühlte.

„Geht es etwas?“ Da war sie wieder. Leliana. An meiner Seite. Auch Fenrir winselte leicht, da er sich Sorgen um mich machte, so wie ich mich nun, wankelnd, von dem Ort der Schlacht entfernte. Leliana dicht an meiner Seite, bereit, mich Schwankenden etwas bei möglichem Gleichgewichtsverlust abzufangen.

Die meisten waren bereits in der Kirche, um den Bewohnern Redcliffs die frohe Kunde zu übermitteln, doch ich wollte nur meine Ruhe. Keine Leute um mich haben. Ich wusste, dass ich dies brauchte, um meine Übelkeit loszuwerden. Meinen Kontrollverlust. Ruhe und frische Luft waren die besten Hilfen, redete ich mir zumindest schon immer ein.

Der Rotschopf hatte zunächst Wynne gerufen, die mir helfen sollte, doch ich winkte ab. Sollte sie sich lieber um die ernsthaft Verletzten kümmern. Schließlich wusste ich am besten, wie mein Zustand wieder normalisiert wird, und außer Erbrechen und Kopfschmerzen würde mir nichts passieren. Doch die Bardin wollte weiterhin ein Auge auf mich haben. Irgendwie war es süß, wie sie sich um mich sorgte. Mein persönlicher rothaariger Schutzengel. Im wahrsten Sinne des Wortes, schließlich hatte sie mich ja beschützt, als die Untoten meine Schockstarre ausnutzen wollten.

Und mit einem Mal spürte ich den Druck. Wie eine Kanonenkugel kam mir mein Erbrochenes hoch, während ich mich an einer Hauswand abstützte. Wunderbar. Für einen kurzen Moment war der Verwesungsgeruch dem der frischen Luft gewichen, und nun lag der meines verdauten Eintopfs, den wir zum Frühstück schnabuliert hatten, in der Luft. In die andere Richtung war er mir deutlich lieber.

„Kann natürlich auch der Alkohol sein, der mich begrüßt“, sprach ich außerhalb meiner kurzen Schnappatmung aus, als ich die Flüssigkeit vor mir genauer studierte. Witze machen in beschissenen Situationen? Genau mein Ding.

„Was murmelt Ihr da nur vor Euch hin?“, kam es amüsiert von Leliana, die mir gerade sanft über den Rücken strich und den Eindruck erweckte, meine Hypothese darüber, was es nun schließlich war, was ich soeben erbrochen hatte, genau gehört zu haben.

„Unter normalen Umständen würde ich es vermutlich genießen, dass du mich streichelst, aber hier und jetzt würde ich dich bitten …“, ein Rülpser entwich meiner Kehle, „… Fehlalarm. Jedenfalls bitte nicht zuschauen. Ist mir peinlich genug.“

Sie kicherte nur leicht, als sie ihre Position veränderte und mich weiterhin sanft streichelte.

„Du kannst jedenfalls schon einmal normal reden“, stellte sie fest.

Und tatsächlich hatte ich mich nur noch einmal übergeben müssen, und besaß dann ein befreiendes Gefühl. Der Druck, den ich verspürte und mir ein Kloß im Hals war, war mit herausgekommen. Wortwörtlich. Vermutlich würde ich ab und an noch an dieses ekelhafte Spinnenaussehen denken müssen, allerdings normalisierte sich mein Körper auch wieder. Der kalte Angstschweiß floss nicht mehr wie ein Bach meine Stirn und sämtlichen anderen Körperregionen herunter. Zum Glück hatte ich mich auch nicht eingenässt, was der Panik wegen eindeutig hätte passieren können. Und auch die Kurzatmigkeit war vorbei. Allerdings war auch das Adrenalin bedingt der Schlacht und meines Fluchtgefühls geschwunden, und mir wurde für einen Moment schwarz vor Augen, so dass ich mich nun kräftiger gegen die Hauswand lehnte. In Lelianas Blick, den ich durch die hellen Flammen in der Entfernung etwas erkennen konnte, lag Sorge.

„Also mit dem Mundgulli werde ich heute niemanden küssen können, selbst wenn sich die Gelegenheit ergäbe. Also halt du besser etwas Abstand“, lachte ich leicht, die Situation auflockern wollend, was mir auch gelang. Sie schmunzelte, und die Sorge in ihrem Blick war ein wenig gelindert.

„So redest du also in deiner Welt? Mundgulli? Was soll das bedeuten?“ Ich stockte. Warte. Hatten wir uns etwa die ganze Zeit bereits geduzt? Meine verdammte Art, wenn es mir schlecht ging, war mir schon früher zum Verhängnis geworden für Tätigkeiten, die ich nicht wollte. Aussagen und Aktionen. Besonders, wenn ich plötzlich jedem sagte, dass ich ihn oder sie lieb hatte. Ich dachte nicht mehr über meine Worte nach, sondern sprach so, wie mir der Schnabel gewachsen war. Meist aus Spaß oder wahrheitsgetreu. So wie ich es stets bei meinen Freunden und Verwandten tat. Bei den Personen, bei denen die Verletzlichkeit meinerseits, wenn ich diese Seite überhaupt jemandem offenbarte und mich nicht in die Einsamkeit verzog, zugeben konnte.
 

Sie musste mir angesehen haben, dass ich mich unwohl fühlte, doch sie schwieg. Wartete auf eine Antwort.

„Ja, so rede ich in meiner Welt. Versuche meist so schnell wie möglich mein Umfeld, Leute, die ich mag, zu duzen, die dies meist dann auch einfach tätigen. Mundgulli bedeutet sowas wie Mundgeruch, den ich zweifelsohne habe. Erbrochenes riecht eben nicht wie Rosenblätter. Oder Pfefferminze.“ Sie nickte. Ich hatte ihre Frage beantwortet.

„Also magst du mich?“ Solch eine unschuldige Frage, während sie mich mit schiefgelegtem Kopf anlächelte. Sie wusste genau, dass ich sie mochte. Körperlich wie auch charakterlich. Schließlich hatte ich fast schon Lobeshymnen auf ihre Person gehalten, als wir gemeinsam in der Taverne Zeit verbrachten.

„So rede ich übrigens auch, wenn es mir schlecht geht, wie Euch soeben aufgefallen sein dürfte. Unbedacht meiner Worte.“ Ihr Blick wurde finster. Traurig, wollte ich fast meinen.

„Wir wechseln also wieder?“ Ich seufzte. Kann die mal aufhören, mich in ernste Gespräche zu verwickeln, während ich gerade wieder fit werde?

„Wenn es Euch … dich nicht stört, können wir auch die persönlichere Anrede belassen. Dir dürfte bewusst sein, wie sehr ich dich schätze. Und fürchte.“ Ich stieß mich nun lachend von der Wand ab und lief einen Umweg zur Kirche. Zumindest vermutete ich, dass es einen geben musste, denn zu riskieren, dass mein Bauch noch einmal aufgrund des Geruchs rebelliert, wollte ich nicht. Mein Blick lag, während ich weiterlief, für den Moment auf Fenrir, der hechelnd neben mir her trottete. Wie der das alles nur ertragen konnte mit solch einer Nase? War dieser oder der Geruch im Turm für ihn schlimmer? Wieder einmal sah ich die Feinheit seiner Nase als Fluch und nicht als Segen an.
 

Desto mehr wir liefen, desto besser ging es mir wieder. Die frische Nachtluft war wahrlich ein Segen. Und auch meine Suche nach einem anderen Weg zur Kirche war von Erfolg gekrönt. Wir hatten zwar dabei kurzzeitig klettern müssen, doch wir besaßen unseren Erfolg. Über Fenrirs Ideenreichtum, was man als Sprungschanze benutzen konnte, seine Sprunghöhe und ---weite, konnte ich lediglich staunen.

„Da seid ihr ja.“ Aidan kam auf uns zu, als wir in sein Blickfeld gerieten. Ich jedoch ging an ihm vorbei, an meine Tasche, und nahm mir meine Feldflasche. Wasser tat gut und würde mir helfen, den Geschmack im Mund etwas mehr zu ertragen. Ich trank. Gurgelte. Spuckte. Leliana derweil berichtete meinem großen-kleinen Bruder, was passiert war.

„Also geht es dir jetzt besser?“ Ich schloss gerade meine Flasche, als er an mich herantrat.

„Sieht wohl so aus. Leliana ist eine gute Krankenschwester.“ Ich zwinkerte dem Brünetten zu, der nur schmunzelte.

„Leliana.“ Angesprochene blickte mich fragend an.

„Danke übrigens. Für’s Leben retten, als ich im Schock war. Für’s eben auf mich aufpassen. Und für’s Zuhören.“

„Zuhören?“ Ich nickte hoch zur Taverne.

„Irgendwie schaffst du es, in meinen schwachen Momenten bei mir zu sein und Informationen herauszulocken. Gewollt wie auch ungewollt.“ Sie lächelte nur, ob meines Satzes wegen oder weil ich beim Duzen blieb, blieb ihr kleines Geheimnis. Vielleicht lag es sogar an beidem.

„Du?“ Aidan blickte mich verwundert an.

„Der Rotschopf weiß mir den Kopf zu verdrehen.“ Beide lachten. Es war schön, selbst zu lachen und andere lachen zu hören, nach dem Schrecken, den wir heute Nacht erlebt hatten. Wandelnde Leichensäcke. In meiner Welt hatte ich ja oft mit Zombieinvasionen gerechnet, oder vielmehr gehofft. War das doch sogar eine Verschwörungstheorie für den sogenannten Weltuntergang, den die Maya für das Jahr 2012 angekündigt hatten. An diesem Tag war es legitim für mich, ein scharfes Messer dabei zu haben, schließlich frühstückten wir in der Schule. Doch die Zombies kamen nicht. Vielleicht war das auch besser so, denn sonst wäre ich nicht hierher geraten. Wüsste nicht so detailliert über die Zukunft Bescheid, wie ich es nun tat, schließlich habe ich in den darauffolgenden Jahren viele Infos über diese Welt erhalten. Habe die Bücher mehrmals gelesen. Die Spiele unzählige Male durchgezockt. Nächte, Freunde und Schulnoten hatten darunter gelitten. Fandiskussionen in Foren über verschiedene Charaktere und Thematiken dieser Welt wurden gelesen und vorgefertigte Meinungen meinerseits revidiert oder gefestigt.

„Alexander?“ Ich schüttelte mein Haupt und blickte in mein ehemaliges Paar Seelenspiegel.

„Was gibt es?“

„Ich wollte mit dir über morgen sprechen. Auf ein Glas?“ Nun lag es an ihm, hoch zur Taverne zu nicken, und ich lächelte. Mit meinem ehemaligen Selbst und nun Bruder einen trinken gehen? Das alles, nachdem man eine Schlacht erfolgreich geschlagen und überlebt hatte?

„Unbedingt.“
 


 

Mein Schädel brummte. Kopfschmerz begrüßte mich, während ein stechender Schmerz folgte, als ich zu unvorsichtig meine Augen öffnete und vom Sonnenlicht geweckt wurde.

„Fuck!“, entwich es grummelnd meiner Kehle und meine Ohren vernahmen ein Fiepsen. Etwas Nasses drang auf mein Gesicht. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe ich feststellte, dass es sich hierbei einfach nur um die Zunge Fenrirs handelte. Mein treuer Hund war aber auch einfach immer bei mir. Sympathisch und eine Eigenschaft, die ich sehr an ihm liebte. Allerdings in meiner derzeitigen Gemütsverfassung war es störend.

„Hau ab!“, kam es genervt von mir, als ich den Hund etwas von mir wegschob.

„So unfreundlich, und das im Haus des Erbauers?“, erklang eine weibliche, amüsierte Stimme. Langsam blinzelte ich, um nicht wieder vom Licht Schmerzen zu erhalten, und erkennen zu können, was in meiner Umgebung geschah. Als ich dies nach wenigen Augenblicken auch wieder konnte, erkannte ich tatsächlich, in der Kirche zu sein. Dort, wo wir Teagan begegnet waren. Um mich herum lagen viele Menschen. Männer, Frauen und Kinder. Ob es Flüchtlinge waren oder einfach Menschen, die zu sehr in den Becher geschaut hatten, so wie ich offenbar, wusste ich nicht. Die Person hingegen, die mich auf meine liebreizende morgendliche Art hinwies, war nahe bei mir, an eine Säule gelehnt. Solona. Ihr lag wieder einmal der Schelm im Gesicht, ehe sie aus heiterem Himmel eine Feldflasche zu mir warf, die ich mit Müh und Not auffing. Schließlich rechnete ich nicht damit und war auch in der bedrohlichen Lage sie entweder zu fangen, oder mir den Zorn der noch schlafenden Meute anzueignen.

„Fangen könnt Ihr schon einmal.“

„Ach haltet die Klappe, Blondie.“ Ich öffnete die Feldflasche, und genoss das Wasser, das nun meine Kehle herunterrieselte. Der Geschmack von Alkohol war deutlich in meinem Mund vorzufinden. Wie viel hatte ich getrunken? An die Schlacht konnte ich mich erinnern. Danach war vieles nur noch als Überbleibsel vorhanden. Ich war im Schockzustand gewesen. Leliana war bei mir. Sie und ich duzten uns nun. Aidan hatte mich mit hoch in die Taverne geschleppt, aber was danach geschah, geschweige denn wie ich an diesen Ort gelangte … keine Ahnung.

Ich schloss die Feldflasche und merkte die Anstrengung in meinen Knochen, die mich heimsuchte. Stundenlanger Überlebenskampf strengte eben an. Mein Körper war noch nicht für größere Gefechte ausgereift, wie ich nun deutlich bemerkte. Meine Ausdauer war wohl eine der vielen Sachen, an denen ich zu arbeiten hatte. Und dazu noch das Trinken … wie hielt Oghren das nur aus? In ein paar Monaten würde ich ihn vielleicht danach fragen können.

Meine Augen suchten etwas, an dem ich mich hochziehen konnte, als ich nur den Vierbeiner neben mir erblickte. Also hielt ich mich an seiner Hüfte fest und zog mich hoch. Solona lachte und Fenrir blickte mich verwirrt an, als mein Vorhaben von Erfolg gekrönt war. Zum Glück waren Mabari schwerer und standfester als andere Hunde.

„Danke, Großer.“ Ich umarmte kurz seinen Hals, streichelte diesen auch, was ihm zu gefallen schien, und schnappte mir die Feldflasche, die ich auf dem Boden abgestellt hatte.

„Hier.“ Und schon war sie wieder bei der Besitzerin angelangt, die sie so gelassen auffing, als hätte sie im Zirkel stetig mit ihren Kollegen Flaschen herumgeworfen. Vielleicht taten sie dies ja sogar, wenn sie nicht gerade dabei waren, zu studieren oder den Blicken der Templer zu entfliehen.
 

Als ich aus der Kirche getreten war, bemerkte ich, dass es vermutlich noch nicht lange hell war. Manch einer meiner Kameraden hatte sich sein Zelt aufgebaut und schlief noch in diesem. Meine Tasche selbst lag noch immer an dem Ort, an dem ich sie zurückgelassen hatte, samt meiner Waffen. Nun, vermutlich dachte ich mir, dass man uns ohnehin nicht angriff, da ich ja die Zukunft kannte.

„Er ist ja früher auf den Beinen als angenommen.“

„Fenrir hat geholfen“, lachte Solona nur, als uns Aidan entgegenkam.

„Sag mir bitte, dass ich nichts Blödes tat.“

„Du siehst sowas von kaputt aus“, lachte er nun, ehe er mir mit einem Nicken zu verstehen gab, ihm zu folgen. Und das tat ich auch, dicht gefolgt von der Magierin und meinem Hund.

Wir näherten uns einem Brunnen, bei dem ein Eimer stand.

„Du kannst dich an nichts mehr erinnern?“

„Den Kampf, meine Panikattacke und bis zu dem Zeitpunkt, als du vorschlugst, dass wir reden würden, das weiß ich alles noch. Denke ich. Lediglich das Trinken mit dir dort oben ist mir entfallen. Vergiss nicht, dass du so gut durchhältst, da ich in dem Jahr deine Leber trainiert habe.“ Er musste lachen, als der letzte Teil meines Satzes ausgesprochen wurde.

„Du warst ganz lieb“, meinte nun Solona, die sich an den Brunnen lehnte.

„Warst du etwa auch dort?“ Die Blonde nickte.

„Ja. Aber erst, als Fenrir mich abholte.“ Warte was? Wieso hatte sie mein Hund abgeholt? Und wofür genau?

„Die meisten von uns gingen recht schnell schlafen, waren sie angestrengt vom gesamten Tag gestern. Ich war die Einzige, die noch wach war. Glaube ich zumindest, abgesehen von Sten. Der Qunari ist schon die ganze Nacht am See. Entweder will er den Magieturm böse angucken, oder die eventuellen übrigen Untoten, die im Wasser lauern könnten, einschüchtern.“ Ich wusch mir mein Gesicht, als Aidan nun begann, die Ausführungen zu erzählen.

„Wir tranken ein paar Gläser. Du warntest mich, was uns im Schloss erwartet. Besonders, wenn wir im Innenhof angekommen sind.“ Ja. An dieses Mistvieh wollte ich jetzt nicht denken. Das würde uns im Normalzustand schon viel abverlangen, doch wir waren jetzt auch noch erschöpft. Ein ebenso spaßiger Tag wie zuvor stand uns bevor. Jippie.

„Auch benanntest du mir den Vorteil, dass wir nun Solona bei uns besitzen. Eine Träumerin, die wir besonders heute gebrauchen können.“ Der Couslandsprössling gab mir einen vielsagenden Blick, der mir zu verstehen gab, dass er den Grund wusste, wieso sie gebraucht werden würde. Also hatte ich ihm das Ganze mit Connor erzählt. Wenigstens würde er vorbereitet sein. Und vielleicht hatte er die anderen auch etwas vorgewarnt, was umso besser wäre.

„Ach, nur für heute ist es ein Vorteil, mich an eurer Seite zu haben? Wisst ihr zwei, wie verletzend das ist?“ Sie tat verletzt, doch letztlich konnte sie sich das Grinsen nicht verkneifen. Eindeutige sarkastische Hawke Gene. Ich zwinkerte ihr schmunzelnd zu, ehe ich wieder zu meinem Bruder blickte.

„Und als es für dich genug war, du mir erzähltest, dass du nun richtig müde wärst und hinunter zum Schlafen wolltest, ließ ich Fenrir Solona rufen. Also nicht sie speziell, sondern eine Person, die noch wach war. Als du dann weg warst, sprach ich noch ein wenig mit dem Bann.“ Teagan war also auch bei der Feier gewesen? Nun, wirklich was zum Feiern gab es noch nicht. Wir hatten diese Wesen zurückgedrängt, doch wenn wir den Dämonen von Connor nicht loswurden, würden diese Leichen in den nächsten Tagen erneut angreifen.
 

„Und dann kamen wir hoch, mit Skipper im Schlepptau, der mit Fenrir spielen wollte.“ Jetzt wo sie es ansprach, wo war der Mabari eigentlich?

„Skipper ist noch in meinem Zelt, falls du fragen wolltest. Entweder das oder er sucht Morrigan.“

„Ah, sind wir schon beim toten Hasen in der Unterwäsche angelangt?“ Beide warfen mir Blicke zu, als hätten sie sich verhört.

„Fragt nicht“, grinste ich jetzt nur, ehe ich mir den Wassereimer über den Kopf schüttete. Ich stank vom Kampf. Meine Frisur war morgens schon immer beschissen und heute würde ich zu einem ordentlichen Waschalltag an einem Fluss nicht mehr kommen. In diesen See hier wollte ich schließlich, um ehrlich zu sein, nicht steigen. Grund? Nun, zum einen war das noch immer der See, in welchem die Magier was auch immer sicherlich entsorgen würden, und zum anderen waren am Vortag daraus Leichen gekommen. Was wäre, wenn ich sie aktivierte, wenn ich mich dort wusch? Ich besaß ja schon ein ungutes Gefühl, wenn ich im Meer oder an einem See nicht mehr stehen konnte und nicht wusste, was sich unter mir befand. Sollte ich jetzt auch noch komplett Angst vorm Wasser bekommen? Nein, da war mir das Waschen mit dem Eimer lieber. Da wurde jetzt mit einem Mal auch die Kleidung etwas gewaschen.
 


 

Es verging einige Zeit. Zeit, in der immer mehr Menschen aufgestanden waren. Und sie alle versammelten sich auf dem Dorfplatz vor der Kirche. Die ehrwürdige Mutter Hannah und Bann Teagan hielten dort eine Rede ab, während unser Trupp an ihrer Seite stand.

„Der Morgen dämmert und wir haben die Nacht überlebt! Der Sieg ist unser!“

Die Menge jubelte, und einigen schien der Kater in diesem Moment sogar egal zu sein, den sie sich in der Nacht zuvor zugezogen hatten.

„Und obgleich der Sieg viel gekostet hat, müssen wir bedenken, dass wir alle nicht hier stünden ohne den Heldenmut der guten Leute neben mir.“ Er richtete sich lächelnd an Aidan.

„Danke, guter Herr! Der Erbauer hat auf uns herabgelächelt, als er Euch in unserer dunkelsten Stunde zu uns geschickt hat.“ Am Ende seines Satzes senkte der Bann sogar vor ihm sein Haupt, um seinen Respekt auszusprechen.

„Ich danke Euch, Bann, doch der meiste Dank gilt wohl unserem Taktiker, wegen dem wir so gut vorbereitet waren und Maßnahmen vorbereiteten zur Bekämpfung dieser Kreaturen.“

Ohne mich wehren zu können, wurde ich schließlich von seiner Geste völlig überrumpelt, schob mich der Wächter mit einem Arm zu sich vor. Hielt mich mit seinem rechten Arm gefangen und präsentierte mich dem Bann und den Leuten wie ein stolzer Vater, der seinen Erben vorstellen wollte.

„Dann möchte ich auch Euch noch einmal ganz besonders danken, Herr …“

„Alexander. Alexander Cousland.“ Als hätte mir Leliana wie am Vorabend eine Ohrfeige gegeben, blickte ich Aidan völlig erschrocken an, der mir mit einem Lächeln entgegenblickte.

„Mein älterer Bruder.“

„Oh, noch ein Cousland?“ Der Bann war überrascht, doch dann schüttelte er amüsiert sein Haupt, ehe er den frischgebackenen Couslandbruder, also mich, anblickte.

„Alexander Cousland, Ihr habt durch Eure Maßnahmen jede Menge Leben gerettet. Euch gebührt mein aufrichtiger Dank.“ Dann wandte er sich wieder seinem Volk zu.

Ich selbst realisierte nur noch, wie mich Aidan wieder neben sich bugsierte, war ich noch immer viel zu überrascht von dem, was soeben geschehen war. Aidan hatte soeben dafür gesorgt, dass ich als Alexander Cousland bekannt werden würde. Also, dass ich … adoptiert wurde.
 

„Kommst du?“ Leliana stupste mich leicht an, weswegen ich nun zu ihr blickte. Die Rede war offenbar vorbei, und auch unser Trupp lief bereits hoch zur Mühle. War ich so sehr mal wieder in Gedanken gewesen?

„Klar.“ Ich lächelte sie an und nun folgten auch wir der Truppe.
 

Einen kurzen Spaziergang weiter und wir waren wieder dort, wo am Abend zuvor der Angriff begonnen hatte. Bei der Mühle.

„Von hier aus sieht das Schloss völlig ruhig aus“, murmelte der Bann vor sich hin. Aidan und ich waren an seiner Seite, schließlich wollte der Bann reden und Aidan hatte mich ja bereits als Taktiker vorgestellt, also war es auch nicht verkehrt, wenn ich dabei wäre.

Der Bruder des Arls wandte sich zu uns um.

„Wir sollten den Angriffsplan besprechen.“ Mit seinem Kopf nickte er hinüber zur Mühle.

„Es gibt im Inneren der Mühle einen Geheimgang. Ein Tunnel, der direkt ins Schloss führt. Wenn Ihr mit einem kleinen Trupp dort hineinschleichen und das Tor öffnen könntet…“ Er stockte, als er an uns vorbeiblickte. Ich wusste, was nun der Fall war, und armeverschränkend drehte ich mich um. Vermutlich sah ich sogar ein wenig gelangweilt aus, als ich die Frau samt der Wache beobachtete, wie sie den Hügel hinunterrannte.

Eine Frau im mittleren Alter. Zum Zopf gebundenes, rostrotes Haar. Edle Gewänder. Orlaisianerin.

Meine Aufmerksamkeit legte sich, während der Bann an mir vorbeilief, auf Alistair, der eine steinige Miene besaß. Ein Ausdruck, der an sich nicht zu dem sonst so lustigen Tollpatsch passte. Bei den Gefühlen, die ihm allerdings hochkommen mussten, wenn er diese Frau sah, nur allzu verständlich.

Ich persönlich wandte mich ab und blickte nun selbst aufs Schloss, wie es zuvor der Schwager von Arlessa Isolde tat. Ich kannte niemanden, und hatte auch noch nie gelesen, dass jemand die Arlessa mochte, aus meiner Welt, und auch mir ging es ähnlich, also brauchte ich ihr auch nicht zuhören. Gerade wenn ich doch wusste, was sie sagen würde.

„A-Alistair?“, vernahm ich die erschrockene Stimme Isoldes. Hatte er sich also bemerkbar gemacht. Mir persönlich wäre es lieber gewesen, wenn ich jetzt schon einmal die Falltür suchen konnte, damit wir schneller loslegten, doch wäre es gegenüber der Frau zu auffällig. Sie würde uns vielleicht noch verraten, wenn sie davon wüsste. Oder die mitgereisten Wachen an ihrer Seite. Allerdings musste ich im Augenblick auch wie der beschissenste Taktiker der Welt rüberkommen. Schließlich hätte ich dastehen sollen und die Szenerie verfolgen. Einen Plan schmieden anhand der mir wohlmöglich offenbarten Informationen, doch das tat ich nicht. Vielmehr weil ich eben schon einen Plan besaß. Wusste, welche Mitglieder durch den Geheimgang mitgehen sollten. Welche Gefahren uns bevorstanden.
 

Ich vernahm nach kurzer Zeit, wie die Alessa und der Bann samt den Wachen verschwanden, und sich die Truppe umdrehte und auf mich zukam.

„Das riecht nach einer Falle“, waren die ersten Worte, als Aidan mir gegenüberstand. Ich nickte.

„Weil es auch eine ist. Hab dir doch von dem Dämonenbalg erzählt. Und da wir nicht sonderlich viel Zeit haben und es ein schmaler Gang ist, wüsste ich, wen wir mitnehmen.“ Er nickte nun. Vertraute darauf, dass ich eine gute Wahl traf.

„Wir zwei schon einmal. Dann eine Frau, die Schlösser knacken kann, wäre praktisch.“

„Leliana.“ Angesprochene kam näher zu uns. Es fühlte sich an wie die Teamauswahl in der Schulzeit früher, wenn man zum Beispiel Fußball spielte, nur dass ich es war, der auswählte, und niemand sonst.

„Alistair kennt sich im Schloss aus.“

Auch das war eine logische Wahl, und der Fast-Templer trat zu uns.

„Und als letztes Solona.“

„Weil wir eine Magierin gebrauchen könnten, oder wegen ihrer speziellen Eigenschaft?“

„Von den beiden Möglichkeiten Ersteres. Doch es gibt noch einen speziellen Grund.“

„Wenn du das sagst.“ Er wandte sich zu den üblichen Gefährten. Fragte nicht nach. Nahm es einfach so hin. Dies alles heute schon war ein enormer Vertrauensbeweis, den er mir schenkte. Etwas, das mir aufzeigte, dass er seine Worte mir gegenüber ernst meinte. Mich als Bruder sah. Als Cousland.

„Und ihr macht euch vor dem Tor bereit. Es wird zu einem Kampf kommen, sobald ihr durch das Tor getreten seid.“ Unsere Gefährten bestätigten, dass sie verstanden, und machten sich in die Richtung auf, in die soeben die Familie Arl Eamons aufgebrochen war.

„Du hast den Ring?“ Aidan öffnete seine rechte Hand, in der dieser Gegenstand vorzufinden war.

„Gut. Dann lasst uns keinerlei Zeit verschwenden.“
 


 

Für einen Laien wäre es schon einfach gewesen, den Geheimgang innerhalb der Mühle zu finden, doch dank einer Expertin wie Leliana, die in so etwas bereits geübte Augen besaß, war es ein Kinderspiel. Und dank Solona besaßen wir Licht, ohne eine Fackel zu benutzen, was ein schwieriges Unterfangen gewesen wäre, bei diesen schmalen Treppen, die hinunterführten.

„Wenn man den Geruch von heute Nacht hiermit vergleicht, ist das hier gar nicht so schlimm.“

Alistair konnte manchmal ein wahrer Optimist sein. Und doch roch es sehr. Modrig, handelte es sich schließlich um einen sehr alten Geheimgang, der schon längere Zeit nicht mehr benutzt wurde, wie es den Anschein machte. Und dieser führte direkt in die Kerker, also umso einladender als ohnehin schon … nicht.

Der Weg bis zu besagtem Kerker dauerte schon seine Zeit, doch nichts, was zu anstrengend gewesen wäre.

„Nein! Bleibt weg von mir!“ Der panische Ruf einer Stimme erklang, als wir unser Ziel erreicht hatten. Im Schein des magischen Lichts konnte ich Solonas Gesicht erkennen.

Überraschung. Irritation. Wut. Sie wechselte ihren Gesichtsausdruck binnen Sekunden, ehe sie sich in Bewegung setzte. Wir anderen taten es ihr natürlich gleich. Wir traten aus dem schmalen Gang und gerade, als wir uns in Bewegung setzten wollten, die beiden wandelnden Leichen, die wir erkannten und vor einer Zelle ausharten, waren sie auch schon in Flammen gehüllt und fielen zu Boden. Solona hatte nicht lange gefackelt. Das tat sie im Übrigen auch nach ihrer Brutzel-Aktion nicht, ging sie schnellen Schrittes und zielbewusst zur Tür der Zelle und starrte hinein.

„IHR!“ Es lag so viel Zorn in ihren Worten. Aidan blickte mich lediglich an und erkannte, wie ich mein Lächeln nicht unterdrücken konnte. Ja, er wusste nun, dass dieser spezielle Grund eingetreten war. Und auch wir traten zur Zellentür und sahen ihn. Ein Mann mit schwarzem, ungepflegtem Haar und zerlumpter Robe saß hinter der Tür auf dem Boden, und starrte Solona ungläubig an. Er schien durchaus schon den einen oder anderen Tag die Gastfreundschaft der Alessa genießen zu dürfen.

„Solona? Seid Ihr es wirklich, oder spielt mir der Erbauer einen bösen Streich?“ Die Magierin ballte ihre Hände zu Fäusten.

„Ich bin es wirklich. Auch wenn ich vielleicht nicht mehr ich selbst wäre, hätte mich die Vorsicht nicht übermannt und dem ersten Verzauberer über Euren dümmlichen Plan berichtet. ICH WÄRE BEINAHE BESÄNFTIGT WORDEN WEGEN EUCH!“ Wütend knallte sie ihre Hände gegen die Zellentür, während sie hasserfüllt in seine Augen blickte. Verständlich. Doch nun war genug. Ich schritt zur Magierin und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Er ist es nicht wert, dass Ihr Euch weiter über ihn ärgert. Seht ihn Euch nur an. Und betrachtet Euch. Wer brachte es weiter, seit ihr den Zirkel verlassen habt? Er, der nun hier hinter Gittern ist. Ein Verbrecher. Oder Ihr, diejenige, die mit Grauen Wächtern reist?“ Sie hörte mir zu. Ihre Hände, die sich fest an die Gitterstäbe geklammert hatten, lockerten sich.

„Ihr … Ihr seid Graue Wächter?“ Nun wandte ich mich an ihn.

„Unsere männlichen Begleiter, ja. Aber zu Euch kommen wir noch.“ Erneut blickte ich zu Solona. Wartete, bis sie etwas sagte. Kurz blickte sie zu ihrem einstigen Freund, schüttelte ihr Haupt und spuckte auf den Boden. Ganz klare Botschaft: Er war ihre Spucke nicht wert.

Jowan begann, sich etwas zu entspannen, als er seine wütende Kindheitsfreundin aus Zirkeltagen nicht mehr so nah vor sich besaß. Doch keine Ruhe für die Verruchten.

„Alistair, Ihr dürft auch gleich, wenn ihr wollt.“ Mit einer einladenden Handbewegung deutete ich zur Zelle, als ich mich dem Sohn Marics widmete. Doch der Beinahe-Templer blickte mich nur verwirrt an. Wusste ja nicht, was ich wusste.

„Klein-Connor ist ein Magier, und er sein Lehrer.“

„Connor? Ein Magier? Das glaube ich nicht!“, äußerte sich Alistair entsetzt. Er wusste, was dies bedeutete. Der Erbe des Arls wäre nicht in der Lage, die Ländereien für sich zu beanspruchen, und würde in den Zirkel geschickt werden. Ein neuer Erbe musste her, ansonsten war es das mit diesem Zweig des Stammbaums.

„Leider ist er das. Und auch für dieses ganze Durcheinander mitverantwortlich. Allerdings ist er hier mindestens genauso schuldig.“ Mit dem Daumen deutete ich auf den Gefangenen.

„Er hat im Auftrag Loghains, den Arl, vergiften lassen. Connor, der seinen Vater retten wollte, ging aufgrund dessen dann einen Vertrag mit einem Dämonen ein. Und das Ergebnis haben wir hier.“ Mit dem Kopf nickte ich zu den Leichensäcken, die völlig verbrannt wurden.

„IHR HABT WAS?“ Gerade noch so konnte ich dem Blonden ausweichen, der es so wie Solona händelte. Es war nur natürlich, dass er so wütend war. Schließlich war es zwischen ihm und dem Arl schon immer etwas Besonderes gewesen.

Mein Blick glitt von Alistair zu den Leichen toter Soldaten, die den Schlüssel besitzen mussten, um diese Zelle zu öffnen. Doch eine Hand samt dem Schlüssel drängte sich in mein Sichtfeld. Lelianas Hand. Sie lächelte mich an, während ich dankbar lächelnd diesen entgegennahm und ihr zunickte. Wieder gesellte ich mich fast vor die Zelle, so dass ich Jowan anblicken konnte. Alistair selbst hatte auch eingesehen, dass es nichts brachte, von außerhalb des Gitters Verwünschungen auszusprechen, daher ging er schnaubend und mit anmerkendem Zorn ein paar Schritte zur Seite.
 

„Woher wisst Ihr all dies?“, drang seine Stimme in mein Ohr.

„Ich habe so meine Quellen. Woher genau hat Euch nicht zu interessieren. Was wir nun mit Euch machen, das ist eine andere Sache.“

In meiner Hand hielt ich den Schlüssel, offen für alle sichtbar und grinste nun wieder.

„Solona. Alistair. Jowan. Was sollen wir hiermit machen?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SoulMaka
2021-03-23T00:42:14+00:00 23.03.2021 01:42
Ich glaube ich habe es schonmal gesagt aber das ist und bleibt einfach ein geile Geschichte. Die Art und Weise wie du mit Leichtigkeit alle bis jetzt drei Dargon Age Teile miteinander verschmelzt und jede kleine bis große Abweichung und Detail super einbindest wodurch es glaubhaft und real wird ist wer Wahnsinn. Man hat wirklich das Gefühl man ist hautnah dabei und erlebt es aus erster Hand statt nur als Zuschauer dabei zu sein. Und hey was ist das denn für eine geile Wendung jetzt gibt es von fast allen einen zweiten Paart sei es bei denn Hunden, denn Magiern oder beim Hauptcharakter selber xD, und was seine Spinnenphobie angeht da hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert da ich Spinnen einfach nichts abgewinnen kann ein panische Angst bei größeren Objekten bekommen X,D. Ich freue mich jetzt schon darauf wie es weitergeht ^^
LG SoulMaka ^^
Von:  SoulMaka
2020-10-26T16:22:58+00:00 26.10.2020 17:22
WOW... das nenn ich mal gut geschrieben. Auch dein Schreibstiel ist super man kommt gut mit wenn du von jetzt in die Vergangenheit und zurück springst. Ich muss sagen solch bis jetzt gute Geschichte von Dragon Age habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Mach weiter so ^^ ich freu mich schon darauf wenn es weiter geht.
LG SoulMaka ^^
Antwort von: abgemeldet
28.10.2020 17:26
Hallo SoulMaka :)
Vielen Dank für dieses mega liebe und motivierende Kommentar *-* Ich gebe mein bestes das der Eindruck bei dir auch weiterhin so bleibt und das ich auch bald wieder das nächste Kapitel posten kann :)
LG Wise Boy :)


Zurück