Umwege einer Beziehung von Iwa-chaaan ================================================================================ Kapitel 1: Das Achtelfinale --------------------------- Kapitel 1: Das Achtelfinale Mittwoch, 15.11. Je näher er der Tür kam, desto nervöser wurde Oikawa. Was dahinter lag, würde er zum ersten Mal sehen und er war sich nicht sicher, wie überwältigend es werden würde. Zwar hatte er so etwas Ähnliches schon das ein oder andere Mal erlebt, aber hier in Tokyo war einfach alles eine Nummer größer, spektakulärer. Vor der Doppeltür blieb er stehen und atmete tief durch. Kurz schloss er die Augen und spürte eine vertraute Hand auf seiner Schulter. Es war Hajimes und automatisch legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Die letzten vier Monate waren wie im Flug vergangen und jeder einzelne davon wunderschön. Hörte sich kitschig an? Definitiv! Aber es entsprach einfach den Tatsachen. Die rosarote Brille war noch genauso da wie seit ihrem ersten Kuss im Restaurant Ende Juni. Jetzt hatten sie Mitte November und er fühlte sich noch genauso leicht, dem trüben Wetter zum Trotz. „Bereit?“, wollte Iwa hinter ihm wissen und er drehte sich noch immer lächelnd mit dem Kopf zu ihm um. „Ja“, antwortete er entschlossen, legte die Hände auf die beiden Türklinken und öffnete sie mit Schwung. Ein Schwall lauter Stimmen drang an sein Ohr, Scheinwerfer blendeten ihn für einen kurzen Moment und sein Gehirn brauchte ein paar Sekunden, um die ganzen Eindrücke verarbeiten zu können. Der typische Geruch des Bodens stieg ihm in die Nase, leicht vermischt mit etwas Schweiß, da bereits andere Partien stattgefunden hatten. Sofort spürte der Setter eine Gänsehaut auf seiner Haut. Das hier war die Tokyoter Sporthalle. In der Oberschule hatten sie immer hierhergewollt, um Oberschulmeister zu werden, waren aber an Ushijima gescheitert. Jetzt hatten sie die Chance, Uni Meister zu werden. „Holen wir uns den Sieg!“, rief Oikawa selbstbewusst und das Lächeln wurde noch eine Spur breiter, als die anderen hinter ihm mit einem lautstarken „Ja!“ zustimmten. Der Trainer hatte mit Kuro und ihm abgesprochen, dass er für den Rest der Saison Captain sein sollte und die Katze schien seltsam dankbar für die Ablösung zu sein. Es hatte ihn gewundert, aber da der Middleblocker abgewunken hatte, hatte er nicht weiter nachgehakt. Das war für den Moment auch völlig uninteressant, denn langsam näherte er sich der Bank und die 30.000 Zuschauer jubelten auf, als der Sprecher sie ankündigte. Shit, das war atemberaubend. Seine Nackenhaare stellten sich auf. In einer flüssigen Bewegung ließ Oikawa die Tasche von seiner Schulter gleiten und stellte sie neben der Bank ab. Einmal drehte er sich um sich selbst. 30.000 Menschen. Sie waren hier, um ein gutes Spiel zu sehen. Zu sehen, wie er mit seinem Zuspiel das Team zum Sieg führte. Seine Fingerspitzen kribbelten vor Aufregung. Er wollte endlich aufs Feld und sein Können unter Beweis stellen. Die Jubelrufe hören, weil er einen Punkt vorbereitet oder erzielt hatte. „Waaaaahnsiiinnnnnn“, hauchte Hinata neben ihm mit leuchtenden Augen und Toru beobachtete, wie Bokuto ihm einen Arm um den Nacken legte. „Hammer, oder? Ich genieße das auch jedes Mal aufs Neue!“ „Da kommen Erinnerungen hoch!“, brummte Kuro mit verschränkten Armen etwas weiter und schob schmollend die Unterlippe vor. Auch Inouka schien nicht allzu begeistert zu sein, was Akaashi milde lächeln ließ. „Ja, das war ein krasses Match! Das war echt der Hammer!“, grinste Komi und Akaashi richtete das Wort an Oikawa. Anscheinend sah man ihm seine Verwirrung so deutlich an, dass der Setter ihm erklärte, was los war: „Wir haben in dieser Sporthalle beim Oberschulturnier vor 3 Jahren gespielt. Fukurodani gegen Nekoma und wir konnten es knapp für uns entscheiden. Deswegen sind die Jungs hier so aus dem Häuschen.“ „Ah verstehe. Ist ja auch eine krasse Atmosphäre …“, murmelte Toru, als Iwa neben sich in die Hände klatschte. „In Erinnerungen schwelgen könnt ihr später. Wir haben ein Match zu gewinnen!“ „Aye! Aye!“, riefen die anderen und plötzlich kam Bewegung in die Mannschaft, als sie sich bereit fürs Aufwärmen machten. Zwar hatten sie das in der kleinen Halle nebenan bereits getan, aber vor den Zuschauern gab es immer noch mal eine Runde Angriffe, um für Stimmung zu sorgen. „Hey, ich bin hier der Captain!“, beschwerte sich Oikawa leicht eingeschnappt. Jetzt wollte das Ass auch noch hier das Sagen haben? Das konnte er aber vergessen. Das gab er nur im Bett ab, aber dort dafür sehr gern. Ein zweideutiges Grinsen umspielte seine Lippen bei dem Gedanken, was ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf einbrachte. „Konzentrier dich gefälligst und fang an, Captain!“ Wie er leicht genervt seinen Titel betonte, hatte schon was Niedliches, aber da er sich in der Öffentlichkeit nicht noch mehr Schläge einhandeln wollte, trabte er ans Netz, wo Mako bereits auf ihn wartete, um ihm Bälle zuwerfen zu können. Doch plötzlich brandete Jubel auf, als ihre Gegner in die Halle getrabt kamen. Eine Uni aus dem Norden Tokyos, von der er vorher noch nie etwas gehört hatte, aber wie es aussah, hatten sie hier eine Menge Fans. Finstere, entschlossene Gesichter schauten zu ihnen rüber, was Toru nur ein selbstgefälliges Lächeln aufs Gesicht zauberte. Woher denn die schlechte Laune? Hatten sie etwa jetzt schon Angst vor ihnen? Na umso besser. Dann würden sie es noch leichter haben, sie aus dem Konzept zu bringen. Interessiert hatte sich Oikawa mit Iwa die letzten drei Spiele angeschaut und sie waren zu der Überzeugung gekommen, dass sie wohl mehr wegen des Glücks hier waren als wegen ihrer Fähigkeiten. Trotzdem würden sie aufpassen, um nicht in eine Falle zu tappen. Sie durften schließlich kein einziges Spiel verlieren, sonst waren sie raus und der Traum ausgeträumt. Mit einem Handzeichen signalisierte der Violetthaarige ihrer Managerin, dass er bereit war und spielte nacheinander jedem einen Ball zu, den abwechselnd Komi oder Hayato versuchten anzunehmen. Bei Iwa, Bokuto und Hinata gelang ihnen das allerdings nicht. Sie waren eben ihre besten Angreifer. Grinsend und bestens gelaunt verließen sie das Feld wieder, nachdem sie die Bälle wieder eingeräumt hatten und ihre Gegner begannen mit der Show. Mit verschränkten Armen stand er da, nahm jede Bewegung der Spieler wahr und war sich jetzt sicher, dass das Match für sie kein größeres Problem sein dürfte. Sie waren nicht schlecht – absolut nicht – aber gegen ihr starkes Team hatten sie keine Chance. Mit Bokuto, Hinata und Iwa hatten sie drei variable, schnelle Angreifer und mit Zwei von ihnen konnte er den verrückten Schnellangriff durchführen, der gegen jede Vernunft war und deswegen so effektiv. Kuro, Tsukishima, Matsukawa und Inouka waren die besten Verteidiger, die er kannte. Dank des Extratrainings der Brillenschlange war ihrer aller Timing immer besser geworden und sie hatten auch ihren Körper und ihre Geduld viel besser im Griff. Und wer hätte mal gedacht, dass Tsukishima freiwillig Zusatztraining absolvieren würde, um anderen etwas beizubringen? Dann noch Hayato und Komi, zwei reaktionsschnelle, sichere Liberos, die ebenfalls ganz weit oben mitspielten. Yamaguchi war ihr Aufschlagsass. Neben dem Sprungflatteraufschlag, den er nach unzähligen Trainings abartig gut beherrschte, hatte Iwa ihm auch den normalen Sprungaufschlag beigebracht. So konnte der Grünhaarige abwechslungsreich Punkte erzielen. Dafür hatte die ehemalige Krähe sogar mit Krafttraining angefangen, um – wie Iwa – noch mehr Power in seine Schläge packen zu können. Hanamaki war ihr Allroundtalent. Er konnte angreifen, blocken, setten, Sprungaufschläge. Zusammen mit Yamaguchi bildete er die Kategorie Geheimwaffe. Sollten sie mal in Not kommen, wären die Zwei ihre Lösung, um sich daraus zu befreien. Und dann waren da natürlich noch Akaashi, Kageyama und er. Seit sie sich fürs Achtelfinale qualifiziert hatten, hatten sie sich oft über ihre Methoden unterhalten, sich ausgetauscht und gegenseitig Tipps gegeben. Wie er im Nachhinein durch Zufall erfahren hatte, hatten Hinata, Bokuto und Iwa ihren Anteil daran, dass sie damit angefangen hatten, denn sie hatten sie alle einzeln bearbeitet, damit sie endlich damit anfingen. Zuvor hatte es keinen Grund dafür gegeben, sodass sie die einzige Gruppe gewesen waren, die bisher noch nicht die Köpfe zusammengesteckt hatte. Iwaizumi behauptete ja, dass das daran lag, dass er sich für so gut hielt, dabei stimmte das gar nicht! Er war noch lange nicht am Ende, würde noch so viel lernen können und er wollte es. Unbedingt. Denn nur dann würde er in irgendwann in die Nationalmannschaft aufgenommen werden. Dennoch hatten im Nachhinein betrachtet so einige Gespräche mit Hajime in der letzten Zeit Sinn ergeben. Mit Akaashi hatte er ja noch nie ein Problem gehabt – der zurückhaltende Schwarzhaarige war ihm sympathisch und sie unterhielten sich immer wieder über Volleyball –, aber mit Kageyama war die ganze Situation halt deutlich komplizierter. Seit dem Vorfall in der Mittelschule war ihr Verhältnis angeschlagen und auch wenn sie jetzt seit einem halben Jahr im selben Team waren, hatten sie nie darüber gesprochen. Er hatte sich bisher noch nicht einmal bei Tobio entschuldigt. Sie lebten nebeneinander her. Trotzdem hatte sein Zögling auch nach ihm gesucht, als er nach dem Geständnis weggerannt war. Im Eifer des Gefechts hätte er das umgekehrt genauso getan, aber irgendwie war das von damals noch zwischen ihnen. Doch das war jetzt der falsche Zeitpunkt, um darüber nachzudenken. Sie hatten ein Spiel zu gewinnen! Schulter an Schulter standen sie nebeneinander auf dem Spielfeld, während der Sprecher irgendetwas verkündete. Oikawa hörte ihm nicht zu. Er war in seinem Tunnel, brauchte die volle Konzentration und leerte seinen Kopf von unnötigen Gedanken. Jetzt zählte nur das Zuspiel, der Ball und was der Gegner tat. Alles andere war belanglos. Wie ein Roboter trat er ans Netz heran, begrüßte den gegnerischen Captain, der schweißnasse Hände hatte. So nervös waren sie also? Sehr gut. Das würde vieles einfacher machen. Denn er fühlte nur die Lust, wieder Bälle für seine Angreifer stellen zu können. Neben ihm würden noch Hayato, Kuro, Tsukishima, Hinata, Bokuto und natürlich Iwaizumi auf dem Feld stehen. In den letzten Wochen hatte sich diese Kombination als stärkstes Team herauskristallisiert und sie trainierten mittlerweile auch größtenteils in dieser Konstellation, um ihre Abläufe noch zu perfektionieren. Sie hatten den Aufschlag und Oikawa trabte mit einem Lächeln zurück zu seinem Team, dass bereits auf ihn wartete. Er stellte sich in die Lücke zwischen Iwa und Hayato und der Trainer wies sie noch ein letztes Mal auf Stärken und Schwächen des Gegners hin. Alle zusammen bildeten einen Kreis und Oikawa motivierte sie: „Das hier ist das Achtelfinale! Zum Gewinn der Meisterschaft sind es noch vier Spiele! Geben wir alles, um uns mit dem Titel für unsere Leistungen zu krönen!“ Bokuto und Kuro grinsten sich an, als sie sie riefen: „Für unseren Trainer!“ „Für unseren Trainer!“, wiederholten alle und lösten sich grinsend voneinander. Toru sah den überraschten Blick des alten Mannes, als er sie aufs Feld scheuchte und schmunzelnd schlenderten sie rüber. Sie nahmen ihre Positionen ein und Bokuto durfte als erstes mit seinem Aufschlag beginnen. Der Pfiff des Schiedsrichters durchbrach die Stille, die sich für einen Moment in der Halle ausgebreitet hatte und kurz wanderte sein Blick zu Iwaizumi, der ihn angrinste und ein siegessicheres Lächeln formte sich auf Torus Lippen. Die Lust aufs Spiel war allen anzumerken und wie ein Raubtier verfolgte der Setter den Ball und gab sich ganz dem Spiel hin. Mit 25:19, 25:22 und 25:17 hatten sie den Gegner vom Feld gefegt und das Publikum applaudierte ihnen. Es war mehr ein lockeres Trainingsspiel gewesen und sie hatten nicht einmal den verrückten Schnellangriff benutzt. Man musste ja nicht jedes Mal jeden Joker zeigen, den man hatte. Dann waren Iwas und seine Einschätzung also richtig gewesen, dass sie mehr durch Glück hier gelandet waren. „Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt es ins Viertelfinale geschafft!“, freute sich Mako und reichte ihnen die Flaschen. Dankbar nickte Oikawa ihr zu und grinste seinen Freund an, der neben ihm stand. „Das war ja doch einfacher als befürchtet.“ „Stimmt. Beim nächsten Spiel können wir darauf wohl kaum hoffen. Ab jetzt werden die Leistungskurven nur noch eine Richtung kennen“, mutmaßte Hajime und Komi neben ihm musterte ihn von unten her kurz. „Ja und? Unsere Kurve ist steiler, also mach dich locker! Wir werden uns den Titel holen!“ „Titel! Titel!“, riefen ein paar der Jungs, was Oikawa grinsen ließ. Die Stimmung war wirklich ausgelassen und er genoss es in vollen Zügen. Sie waren ein tolles Team und mittlerweile mochte er sogar Bokuto auf seine eigene Art und Weise. Die Eule konnte ihm den letzten Nerv rauben, aber er hatte das Herz am rechten Fleck und hin und wieder konnte er sogar ernst sein. Ein klarer Einfluss von Akaashi, da war sich Toru sicher. Er schaffte es, die Eule herunterzuholen, seine Energie zu bändigen und das war gut so. Das machte den Umgang mit ihm deutlich leichter. Sie schlenderten gut gelaunt in Richtung der Umkleiden, als sich ihnen eine Gruppe in den Weg stellte, die sie breit angrinste. Was war denn jetzt? Noch bevor Iwa anfangen konnte zu pöbeln und er sah ihm an, dass er genau das wollte, richtete ein blonder Typ das Wort an sie: „Hey Jungs! Beeindruckendes Spiel!“ „Akinori!“, rief Bokuto und schlug mit dem Mann ein. Offenbar kannten sie sich und wer war er? Und die anderen, die bei ihm standen? „Und noch ein paar Katzen. Yamamoto, Lev und Yaku! Wie geht es euch?“, wollte der Eulenkopf wissen. Ah, welche von der Nekoma. Das erklärte natürlich einiges. „Uns geht es gut und euch auch nach dem super Spiel, was?“, erkundigte sich der Zwerg, der wohl Yaku zu sein schien, wenn er die Kopfbewegung von Bokuto richtig gedeutet hatte. Kuro und Inouka begrüßten die vier Jungs ebenfalls, als hinter ihnen noch eine Frau angelaufen kam. „Bruder, du hast deine Jacke liegen lassen!“, rief sie mit starkem Akzent und Toru blinzelte. Holla, was war das denn für eine Schönheit? Wenn er sein Herz nicht schon Iwa geschenkt hätte, hätte er jetzt garantiert versucht, bei ihr zu landen. Und er konnte es keinem verübeln, der das versuchte. Sie war wirklich heiß in ihrer roten Bluse und dem schwarzen, knielangen Rock. Sandalen, die den gleichen Farbton wie die Bluse hatten, rundeten das Outfit zusammen mit passendem Schmuck ab. Ein Mann mit silbernen Haaren und durchdringend grünen Augen nahm lächelnd die Jacke entgegen und noch ehe sich Oikawa weiter Gedanken über grüne Augen machen konnte – er hatte da ein Faible entwickelt –, sprang Hinata plötzlich vor ihn. „Lev! Wie cool, dich wiederzusehen!“ „Ah Hinata! Du bist ja noch so klein wie damals!“, rief er grinsend und die anderen brachen in schallendes Gelächter aus, nur Kageyama war ein braver Freund und schmunzelte kurz hinter vorgehaltener Hand, ehe er hinter die kleine Krähe trat und ihm vertraut die Hände auf die Schultern legte und erwiderte: „Es sollte doch mittlerweile bekannt sein, dass seine Größe keine Rolle spielt, oder Lev?“ Wenn Oikawa sich nicht ganz täuschte, hatte der Schwarzhaarige einen leicht herausfordernden Unterton. Es war irgendwie immer noch seltsam für ihn, Tobio und den kleinen Wirbelwind so vertraut miteinander zu sehen. Denn obwohl sie die Beziehung innerhalb des Teams öffentlich gemacht hatten, zeigten sie sich nach wie vor selten Händchen haltend oder anders intim. „Ja, das stimmt“, stimmte der langgewachsene Mann breit grinsend zu und ergänzte, „Euer Spiel war jedenfalls echt super! Auch wenn die anderen definitiv nicht auf eurem Niveau waren.“ „Euer nächster Gegner steht ebenfalls schon fest“, mischte sich die Blondine ein und hatte so alle Blicke auf sich. „Ach ja? Und wer wird es sein?“, wollte Kuro wissen und stellte sich dicht neben sie. Offenbar versuchte er auf ihr Handydisplay zu linsen, doch sie hielt es grinsend weg. „Nicht so neugierig, Neko-chan!“, flötete sie und hatte das gleiche Lächeln wie ihr Bruder. Es war schon fast gruselig, wie gleich sie in dem Moment aussahen. Die Verwandtschaft konnte keiner der Zwei abstreiten, so viel stand fest. Neben der Katze versammelten sich auch Bokuto, Inouka, Komi und Yamaguchi um die Frau, was Iwaizumi neben ihm zu einem Schmunzeln veranlasste. Himmel, er liebte es, seinen Freund so entspannt und glücklich zu sehen. Noch vor ein paar Monaten hätte er nie damit gerechnet, dass sein Traum doch noch Wahrheit werden würde. Jetzt lebte er ihn und es war noch so viel besser als in seinen wildesten Wunschvorstellungen. Doch nun hatte Oikawa keine Zeit, weiter seinen Gedanken nachzuhängen, denn Alisa – so hieß die Frau anscheinend, jedenfalls fiel der Name immer wieder bei der kleinen Gruppe – verkündete, dass der Favorit im zweiten Match gewonnen hatte. Somit wären sie ihr nächster Gegner und die Stimmung dämpfte sich kurz etwas. Die Uni galt als Turnierfavorit und es würde sicherlich nicht leicht werden, sie zu besiegen. Das war allen klar. „Das nächste Match wird klarmachen, dass wir Titelfavorit sind!“, verkündete der Violetthaarige mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen und ein paar andere stimmten fröhlich zu, während Iwaizumi grinsend die Augen verdrehte. „Lasst uns erstmal den heutigen Sieg feiern, bevor wir uns mit dem nächsten Gegner beschäftigen. Immerhin ist das nächste Match erst in acht Wochen“, erklärte er und einige andere nickten ihm dankbar zu. Es war lustig zu sehen, wie unterschiedlich sie teilweise waren, doch diese Vielfalt machte ihr Team aus. Während die anderen in Gespräche vertieft waren, beobachtete der Setter, wie sich ihm das Ass näherte und dicht neben ihn stellte. Unauffällig beugte er sich etwas vor, sodass diese sündigen Lippen nah an seinem Ohr waren. Toru schluckte, spürte, wie seine Wangen warm wurden. Was kam denn jetzt? „Was hältst du davon, wenn wir den Sieg zu zweit feiern? Du warst so unartig heute, dass ich dir schon wieder Benehmen beibringen muss, Captain.“ Voller Vorfreude klemmte sich Oikawa die Unterlippe zwischen die Zähne und nickte leicht. Kurz schloss er die Augen, spürte den warmen Atem an seinem Ohr und Hals. Das Ass schaffte es wirklich, ihn, um den Finger zu wickeln und wenn er daran dachte, wie sie in den vergangenen Monaten im Bett immer mutiger geworden waren, dann konnte er es kaum erwarten, sich endlich mit Iwaizumi zurückzuziehen und die Zweisamkeit in einem Lovehotel zu genießen. „Oh ja, bi-bitte. Ich werde auch brav sein“, hauchte er leise und spürte kurz einen Klaps auf seinen Hintern. Verdammt, er wollte sofort los. Doch noch bevor er das äußern konnte, wandte sich das Ass an die anderen und verabschiedete ihn und sich, da sie noch eine Verabredung hätten. Die anderen winkten ihnen zu und Iwa und er erwiderten die Geste. Lediglich Mattsun und Makki sahen sie dreckig grinsend an, weil sie ganz genau wussten, dass sie nur eine Verabredung mit sich selbst hatten. Doch Oikawa ignorierte die Zwei und folgte entspannt mit den Händen in den Hosentaschen seinem Freund, der sich auf den Weg in Richtung der Umkleiden machte. Kapitel 2: Wütende Nachrichten ------------------------------ Mittwoch, 15.11. In drei Stunden würde Iwaizumi mit Toru und dem Rest des Teams in der Tokioter Sporthalle stehen und das Achtelfinale bestreiten. Ein Blick auf die Uhr verriet es ihm und das Ass spürte, wie seine Fingerspitzen kribbelten. Er freute sich auf das Spiel – das erste in dieser schon legendären Halle – und wenn seine Recherchen mit Toru nicht ganz falsch waren, dann würden sie das ohne größere Anstrengungen gewinnen können. Gedankenversunken schaute er aus den bodentiefen Fenstern, die rechts und links Sonnenlicht in den Hörsaal ließen. Ein paar von ihnen waren geöffnet, um die letzte Wärme des Jahres hereinzulassen. Vögel zwitscherten und durchbrachen so das gleichmäßige Rascheln der goldenen Baumkronen. Der Herbst war dieses Jahr sehr spät. Am Morgen hatte es geregnet und die Luft roch noch etwas danach, vermischt mit den Düften der anderen Kommilitonen. Aftershaves und Parfums. Wegen des Durchzugs hatte Iwaizumi ständig etwas Neues in der Nase, doch er achtete nicht weiter darauf. Seine Gedanken waren bei Toru, seinem Partner. Nach vier Monaten Beziehung fühlte es sich normal an, ihn als Freund zu bezeichnen und es war eine schöne Zeit. Iwa hatte ihn bereits mehrfach ausgeführt, sie waren im Tokyo Disneyland gewesen und hatten andere Dates gehabt. Der Setter war unglaublich verschmust. Das hatte das Ass so irgendwie nicht erwartet, doch er mochte diese Seite an Oikawa. Wenn sie abends auf einem ihrer Betten lagen, sich noch über den Laptop etwas anschauten und der Violetthaarige seinen Kopf auf seine Brust bettete und ihn streichelte. Es waren ihre ruhigen Momente, die sie sich jeden Abend gönnten, um abzuschalten. Und was ihre gemeinsamen Nächte anging … Iwaizumi spürte eine leichte Röte auf seinen Wangen, wenn er daran dachte. Mittlerweile spielten sie mit Dingen, von denen Hajime nie gedacht hätte, dass er das überhaupt mal tun würde. Aber Toru war, was Sex anging, halt schon um einiges weiter als er und schien sehr genau zu wissen, was ihm gefiel und was nicht. Und er selbst? Himmel, er hatte nie gedacht, WIE intensiv Orgasmen sein konnten. Das war alles komplettes Neuland für ihn, doch inzwischen war er auch mutiger – sicherer – geworden, was seine Wünsche und Vorlieben anging und es war ein großes Glück, dass sie im Bett so harmonierten. Mit Kaori hätte er solche Spiele niemals spielen können. So viel stand fest. „Entschuldige, Iwaizumi?“ Ertappt zuckte das Ass zusammen und fluchte innerlich, weil er gerade knallrot anlief. Warum auch musste er in der Vorlesung so seinen Gedanken nachhängen? Wie peinlich! „Ja, was ist?“, murmelte er nach einem Räuspern leise zurück und tat dabei so, als würde er sich noch etwas Wichtiges notieren müssen. Er musste Zeit schinden, damit sich seine Wangen wieder abkühlen konnten. „Hast du vielleicht einen Kugelschreiber für mich? Meiner ist gerade leer geworden und ich habe leider keinen zweiten dabei. Das wäre sehr nett von dir.“ „Ähm klar, warte kurz. Ich schau, ob ich noch einen habe.“ Das Ass beugte sich dankbar zu seiner Sporttasche runter und wühlte in ihr herum. Irgendwo in der Seitentasche hatte er doch für den Notfall immer einen verstaut. Wo war der denn jetzt? Nach einigem blinden Herumtasten fand er den Metallkugelschreiber und holte ihn aus der Sporttasche. Er reichte ihn seinem Sitznachbarn, der sich mit einem Lächeln bei ihm bedankte und wieder über seinen Notizblock beugte. Fleißig schien er mitzuschreiben, doch nachdem er ein paar Sätze notiert hatte, schaute er noch einmal zu ihm rüber. Wie hieß der Typ noch gleich? Namen waren einfach nicht seine Sache. Dabei saßen sie öfters in Vorlesungen nebeneinander und ab und an unterhielten sie sich auch mal über Dinge und trotzdem fiel es ihm nicht ein. „Ähm, darf ich dir noch eine Frage stellen?“, hörte er die gedämpfte Stimme neben sich und Iwa nickte. Die Hälfte der Vorlesung hatte er eh schon verpasst, weil er in Gedanken gewesen war. Also musste er sie sowieso zu Hause nacharbeiten. Da störte die Unterhaltung auch nicht mehr. „Du bist doch im Volleyballteam, oder?“ „Ja, bin ich. Wieso fragst du?“ „Dann ist Mako eure Managerin, richtig? Die Braunhaarige, die ihre Haare immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat“, beschrieb er sie und Iwaizumi grübelte nebenbei noch immer über seinen Namen. Sie hatten sogar schonmal mit anderen zusammen gelernt, doch es fiel ihm einfach nicht ein. Verflucht noch eins. Nachfragen kam aber nicht in Frage, das war ihm viel zu peinlich. Stattdessen nickte das Ass und sagte: „Ja, das stimmt. Du kennst sie?“ Nervös spielte der Mann mit seinem Kugelschreiber in den Fingern herum. Anscheinend war ihm die Antwort unangenehm, wenn er das Verhalten richtig deutete. „Naja, nicht so direkt. Wir waren schon auf ein paar Partys und haben uns mal unterhalten, aber ich habe mich bisher nicht getraut, sie auf dem Campus anzusprechen.“ „Und wieso das nicht?“ So ganz war ihm noch nicht klar, worauf sein Sitznachbar hinauswollte. War der Name irgendetwas mit Y? Ja, das klang gut … Yuya? Yuuto? Yuuki? … Yuuji! Genau, so hieß er. Yuuji. Genau wie Kaoris bester Freund. Terushima Yuuji. Es war Sonntagmorgen und Iwaizumi gähnte leise, als Sonnenstrahlen durch den Vorhang auf sein Gesicht fielen. Sie hatten ihn geweckt, doch er wollte noch nicht aufstehen. Toru lag halb auf ihm und sabberte leicht auf seine Brust, aber das störte das Ass nicht. Viel mehr fing er an, durch die seidigen Haare zu streichen, was seinem Freund wohlige Laute entlockte, ohne dass er davon aufwachte. Die Geburtstagsfeier tags zuvor war großartig gewesen und bei dem Gedanken daran wurde er noch immer sentimental, obwohl er sonst nicht dazu neigte. Aber in diesem Fall hatten sich Makki und Mattsun selbst übertroffen. Yahaba, Kyotani, Kunimi und Kindaichi wiedergesehen zu haben, war super und dass sogar Hodaka mitgereist war, hatte ihn für Toru so gefreut. Sie hatten sich in der kurzen Zeit wirklich eng angefreundet. Das war gut, denn Oikawa brauchte Menschen, die ihn auffangen konnten, sollten sie sich mal streiten. Und irgendwann würde das sicherlich so weit kommen. Da brauchte er sich nichts vorzumachen. Doch für den Moment genoss er die Ruhe und ließ sich von ihr einlullen. Nach all dem Stress und der Feier gestern war das eine willkommene Abwechslung. Zumal sie auch noch am späten Abend nach Hause zurückgefahren waren. Zwar war Hanamaki hinterm Steuer gewesen, dennoch war es anstrengend gewesen. Ein paar weitere Minuten gab sich Iwaizumi noch der Stimmung hin, kraulte seinen Freund, der sich noch enger an ihn kuschelte, als plötzlich sein Smartphone vibrierte. Nanu? Wer wollte denn da etwas von ihm? Mit zusammengezogenen Augenbrauen drehte er sich leicht und griff umständlich nach seinem Handy, da er Toru nicht wecken wollte. Er entsperrte den Bildschirm, wo ihn ein grinsender Oikawa anschaute und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Auf der Rückfahrt gestern hatte der Setter mit seinem Handy herumgespielt, da seinem eigenen der Akku ausgegangen war. Während Iwa gedöst hatte, hatte sein Freund offenbar ein Selfie gemacht und das als Hintergrundbild eingestellt. Mehrere Nachrichten hatte er seit Freitag bekommen. Da er so viel um die Ohren gehabt hatte, hatte er sein Smartphone stark vernachlässigt, doch nun hatte er die Zeit, sich darum zu kümmern. Schließlich war es erst halb zehn und so tief, wie der Setter schlief, würde er noch länger hier liegen. Ein weiteres Mal vibrierte es in seiner Hand und ein Pop-Up erschien auf seinem Bildschirm. Sofort drückte er darauf und ein SMS Verlauf mit einer unbekannten Handynummer öffnete sich. Freitag, 20.07. 22:39 Uhr: Wie konntest du Kaori das nur antun!? Wir sind noch nicht fertig, du elender Drecksack! Ich hatte dich gewarnt! Terushima Freitag, 20.07 23:14 Uhr: Kaori ist wegen dir am Boden zerstört! Sie war zwei Wochen gar nicht in der Uni! Hast du das überhaupt mitbekommen? Und Mako hast du ihr als Freundin auch noch genommen? Was stimmt nicht mit dir? Dich mach ich fertig! Samstag, 21.07. 17:52 Uhr: Warum antwortest du nicht? Schiss, oder was? Samstag, 21.07. 21:36 Uhr: Hab gefälligst die Eier und antworte mir! Du hast gar nicht den Eindruck gemacht, als wärst du so ein Weichei! Samstag, 21.07. 21:40 Uhr: Ignoranz wird dich auch nicht retten! Du wirst dafür büßen, was du ihr angetan hast. Sie hat dich so sehr geliebt, verdammt! Und du trittst ihre Gefühle einfach mit Füßen, du Arschloch! Sonntag, 22.07. 09:21 Uhr: Wenn du mir bis heute Abend nicht antwortest, werde ich zu dir kommen. Ich werde dich das nicht durchgehen lassen, dass du Kaori so verletzt hast! Du Dreckschwein Sonntag, 22.07. 09:27 Uhr: Willst du mich wirklich ignorieren? Das wird dir nicht helfen, Iwaizumi. Ich kriege dich und dann wirst du deine Strafe bekommen! Wow, was ging denn mit dem? Da war aber jemand sehr auf Krawall gebürstet. Andererseits sollte es ihn nicht weiter wundern. Schon bei Kaoris Geburtstagsfeier war ihm aufgefallen, dass die Beiden sich sehr nahestanden. Aber warum meldete er sich erst jetzt? Ihre Trennung war bereits einen Monat her. Hatte Kaori ihm vorher nichts davon erzählt? Und was schrieb er da? Kaori war zwei Wochen lang gar nicht in der Uni gewesen? Das hatte Iwaizumi wirklich nicht bemerkt und sofort meldete sich alarmiert sein schlechtes Gewissen. Verdammt, so hatte das alles doch auch gar nicht auseinander gehen sollen … Er hatte sie geliebt und sie hatte Schluss gemacht. Und das – seiner Meinung nach – aus einem unsinnigen Grund, doch er hatte ja von ihr auch nicht die ganze Wahrheit erfahren. Offenbar hatte sie sich ja anscheinend nur Oikawa gegenüber gerechtfertigt, aber nicht ihm. Dass es wegen dem Setter zu Ende gegangen war und die anderen Gründe da nur mit reinspielten. „Hey Liebling … Morgen … Alles ok?“, murmelte Toru verschlafen gegen seine Brust und gähnte herzhaft. Dann schaute er ihn müde, aber mit einem zauberhaften Lächeln an und Iwaizumi legte für einen Moment sein Handy beiseite. „Guten Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen?“, fragte er gedämpft und beugte sich zu ihm runter. Sie küssten sich kurz und Iwa strich ihm weiter durch die Haare, sodass Toru leise schnurrende Geräusche von sich gab. „Ja, habe ich. Du auch?“ Das Ass nickte und war in Gedanken doch bei den Nachrichten von Terushima. Er würde sich mit ihm in Verbindung setzen und die Sache aus der Welt schaffen. Nicht, dass es ihn interessierte, was dieser Idiot über ihn dachte, aber er wollte ihm seine Version der Geschichte erzählen. Was er damit machte, war dann sein Ding. Doch er ließ sich nicht als Weichei beschimpfen und einschüchtern erst recht nicht. „Was ist los, Iwa-chan?“ Kurz zuckte er zusammen, weil er seinen Freund doch tatsächlich für den Moment ausgeblendet hatte. Er blickte zu ihm und bemerkte, wie er es sich mit einem Arm auf seiner Brust bequem und den Kopf darauf abgelegt hatte. Seufzend strich sich Iwaizumi einmal kurz durch seine eigenen Haare, dann antwortete er: „Terushima hat mir seit Freitag ein paar unfreundliche Nachrichten geschickt. Anscheinend hat Kaori ihm erst jetzt von unserer Trennung erzählt.“ „Ignorier den Idioten. Den werden wir wahrscheinlich nie wiedersehen“, erwiderte Toru leicht schnippisch, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde mich mit ihm treffen und ihm erzählen, wie es aus meiner Sicht gelaufen ist. Was er mit den Informationen dann anfängt, ist mir egal, aber ich lasse mich nicht von Kaori einfach schlecht reden, nur weil sie sauer auf mich ist.“ Prüfend musterten ihn zwei schokobraune Augen, die noch leicht verschlafen wirkten. Doch Hajime wusste ganz genau, dass es in Torus Kopf gerade ratterte und er hellwach war. Es vergingen ein paar Sekunden, dann nickte der Setter langsam und entgegnete: „In Ordnung. Wenn du das für dich brauchst, dann mach das. Sag Bescheid, wenn ich mitkommen soll.“ „Das kriege ich schon hin, aber danke“, sagte er mit einem kleinen Lächeln und fügte dann hinzu: „Wenn wir noch liegen bleiben wollen, müsste ich mich allerdings etwas drehen. Langsam fängt der Rücken an zu schmerzen.“ „Oh natürlich! Sag das doch eher!“, forderte Toru mit besorgter Stimme und krabbelte von ihm herunter. Sofort spürte das Ass den kühlen Luftzug, der durch den Raum wehte, da das Fenster auf Kipp war und legte sich etwas anders hin. Das Ass zog seinen Freund wieder zu sich runter, der etwas nach oben gerutscht war und die Gelegenheit nutzte, um ihn in einen langen, unschuldigen Kuss zu verwickeln. „Naja, so eine tolle Frau kann man doch nicht einfach so ansprechen!“, murmelte Yuuji neben Iwaizumi und der Braunhaarige schüttelte leicht den Kopf. Wo war er nur wieder mit seinen Gedanken gewesen? Er musste sich wirklich mehr konzentrieren. Andererseits war die Vorlesung fast vorbei, also spielte das jetzt auch keine Rolle mehr. Allerdings war es im Gespräch äußerst unhöflich, so abwesend zu wirken. Doch so wie er angesehen wurde, hatte er nicht so lange mit offenen Augen geschlafen. „Warum schüttelst du denn jetzt den Kopf? Mako ist wundervoll!“ „Sie ist auf jeden Fall eine sehr umsichtige, verantwortungsbewusste Managerin, die sich viel Mühe gibt. Das Kopfschütteln hatte nichts mit dir zu tun“, erklärte Iwa ebenfalls leise und Yuuji nickte langsam neben ihm, musterte ihn nun kritischer. „Kannst du mir vielleicht helfen? Ich meine, wo du sie doch jeden Tag siehst.“ Oha, da ging er ja ganz schön in die Offensive, wenn er so direkt darum bat. Doch er konnte ihm da nicht helfen und das sagte er ihm auch direkt: „Tut mir leid, aber Mako ist bereits vergeben. Daher kann ich dir da nicht helfen.“ „Verdammt, das hätte ich wissen müssen. Wäre auch zu schön gewesen“, nuschelte Yuuji deprimiert und seufzte schwer, als er den Kopf hängen ließ. Aufmunternd klopfte Iwa ihm auf die Schulter und hörte mit einem Ohr, wie der Dozent die Vorlesung beendete. Großartig. Er hatte rein gar nichts mitbekommen. Am Wochenende würde er das nacharbeiten müssen. „Ihr seid ja noch da!“, rief Bokuto grinsend, als er die Tür zur Umkleide öffnete. Iwaizumi war gerade dabei, sich anzuziehen und schaute zur Tür, wo alle nacheinander hereinkamen. Die Stimmung war noch immer ausgelassen, denn sie hatten ihr Spiel souverän gewonnen und waren somit ins Viertelfinale eingezogen. Sollten sie das nächste Spiel gegen den Turnierfavoriten gewinnen, hatten sie realistische Chancen, sich den Titel zu holen. Es wäre für Mattsun, Makki, Toru und ihn der erste und Iwaizumi wollte diese Chance nicht ungenutzt lassen. Sie waren so ein starkes Team, dass sie es schaffen konnten. Davon war er überzeugt. „Konnte ja keiner ahnen, dass ihr euch nicht noch eine Stunde festquatscht“, entgegnete das Ass mit einem Grinsen im Gesicht. „Außerdem sind wir schon so gut wie weg“, ergänzte Toru und zwinkerte frech. Da freute sich jemand auf die Nacht, das wusste Iwa, was ihn schmunzeln ließ. Wobei er generell festgestellt hatte, dass er den Setter recht einfach glücklich machen konnte. Meistens reichte es schon, ihm einen blöden Witz zu erzählen, sodass er anfing zu lachen, was Hajimes Herz erwärmte. Oder aber ihn zu kraulen, was ihn wie eine Katze schnurren ließ. Das klang schon ziemlich putzig. „Na dann mal los mit euch. Nicht, dass eure Verabredung noch warten muss.“ Hayato streckte ihnen die Zunge heraus und grinste so wissend, als er sich seinen Pullover über den Kopf zog. Offenbar hatte man sie längst durchschaut. Naja, dann war das so. Wahrscheinlich würden sie fast alle heute Nacht mit ihren Partnern in der Kiste landen. Wundern würde es Iwaizumi jedenfalls nicht. „Bist du soweit, Iwa-chan?“, wollte Toru neben ihm wissen und war schon aufbruchbereit. Schnell packte das Ass seine letzten Sachen in die Tasche und schulterte sie dann. „Ja, lass uns los“, stimmte Hajime zu und ließ Oikawa vorgehen. Während sie an den anderen vorbei nach draußen schlenderten, verabschiedeten sie sich noch einmal und an der Straße angekommen, hielt Iwaizumi ein Taxi für sie an. Toru kuschelte sich auf dem Rücksitz eng an ihn, als er leicht errötet die Adresse nannte und das Ass konnte nicht abstreiten, dass er sich auf den Abend freute. Kapitel 3: Pure Lust -------------------- Mittwoch, 15.11. „Du warst wirklich eine äußerst angenehme Begleitung“, säuselte Hajime hinter ihm mit dunkler, rauer Stimme an sein Ohr und Toru klemmte sich seine Unterlippe zwischen die Zähne. Diese Stimme. Er liebte es, wenn sie sich so verführerisch anhörte. Es war ihr Spiel, welches sich der Setter gewünscht hatte und Iwaizumi mittlerweile so perfekt umsetzte. Das Ass als Geschäftsmann, er selbst als Escortbegleitung, die so unwiderstehlich war, dass Iwa im Zimmer versuchte, ihn rumzukriegen. Das hatte Toru sich schon früher immer wieder vorgestellt. Dass er für das Ass so heiß war, dass dieser sich nicht zurückhalten konnte, ihn vorsichtig berührte, um ihm nicht zu nahe zu treten und mit Worten und Stimme betörte, bis Oikawa sich darauf einließ, weil er schwach wurde. Meistens fiel es ihm schwer, das Spiel lange aufrechtzuerhalten, denn wie sollte er diesem geborenen Verführer standhalten können? „Das freut mich zu hören. Dann werde ich mich nun verabschieden. Mein Job ist damit ja erledigt.“ Toru wollte sich umdrehen, als sich starke Hände an seine Hüfte legten und sie festhielten. Einen Augenblick hielt der Setter inne, drehte den Kopf, um Iwaizumi anzuschauen, doch dieser beugte sich nach vorn, küsste seinen Hals. Fuck, diese Lippen. Sie fühlten sich so unvergleichlich gut an. Er konnte nie genug von ihnen bekommen. Nie. „Der Job schon … Aber vielleicht möchtest du ja trotzdem noch etwas bleiben. Wir könnten den Abend noch … anderweitig ausklingen lassen“, schnurrte das Ass und leckte über seine empfindliche Halsschlagader hoch zu seinem Ohr, wo er an seinem Ohrläppchen knabberte. Liebevoll, aber fordernd nutzte er seine Zähne und Oikawa wimmerte kurz auf. Er legte seine Hände auf die seines Freundes und versuchte sie hochzuziehen, doch sie blieben, wo sie waren, krallten sich stattdessen noch etwas mehr in seine Hüfte. Verdammt, er wollte sie doch ganz woanders spüren! „Ach so? Und an was hattest du da gedacht?“ Es war nur ein Hauchen, denn zu mehr sah er sich gerade nicht in der Lage. Seine Knie zitterten leicht und seine Hormone fuhren hoch. Obwohl sie noch nicht mal fünf Minuten im Zimmer waren, wollte er Hajime so sehr. Er brachte ihn um seinen Verstand, ließ ihn nicht mehr klar denken. Und dann wieder diese erregte Stimme, die ihm ins Ohr flüsterte: „Ich auf dem Sofa, du auf meinem Schoß, die Augen und Handgelenke verbunden, errötet und stöhnend, nach mehr verlangend. Wie klingt das für dich?“ „Bist du immer so direkt zu deinen Begleitungen?“ „Nein, du bist der erste, der so ein Angebot bekommt“, wisperte Hajime und Toru keuchte leise. Eine Hand löste sich von der Hüfte, strich über seinen Bauch, doch der Setter wollte sie woanders spüren. Also griff er sie und versuchte sie ein zweites Mal zu führen. Zu seinem Glück ließ das Ass es zu und er bewegte die starke Hand langsam nach unten, genoss die Wärme durch den Stoff. Genießend schloss Oikawa die Augen, als er die Hand über seinen Unterleib streicheln ließ und schließlich über seinen halbsteifen Schritt. Leicht öffnete er den Mund, entließ ein Keuchen und lehnte den Kopf an Iwas Schulter. Dieser nutzte die Position aus, pustete leicht über seine Lippen, sodass er sich dahin drehte und sofort spürte er sie. Warm und seidig bewegten sie sich gegen seine, wurden fordernder, bis eine Zunge über seine Unterlippe leckte, um sich Einlass zu verschaffen. Sofort öffnete der Setter willig seinen Mund, doch bevor er Iwa spürte, brummte er gegen die Lippen: „Soll ich das als Einverständnis deuten, dass du noch bleibst?“ Statt einer Antwort stupste Torus Zunge die von Hajime an und das Ass saugte an ihr, ließ ihn ergeben stöhnen, dann begann Iwaizumi genüsslich seine Mundhöhle zu räubern. Die Hand, die er führte, wanderte von sich aus zwischen Oberschenkel und Schritt hin und her und trieb ihn zusätzlich in den süßen Wahnsinn. Vor Erregung konnte Oikawa kaum noch klar denken, was auch sein Freund zu spüren schien, denn dieser nahm die andere Hand von seiner Hüfte und umschlang seinen Bauch, um ihn zu halten. Was hatte er denn noch vor, dass er stehen bleiben sollte? Hoffentlich würden seine Beine nicht einfach abklappen, wenn er weiter so verführt wurde. Sie zitterten doch schon leicht. Wimmernd bemerkte der Violetthaarige, wie sein Schritt nicht weiter beachtet wurde und zu allem Überfluss löste sein Freund auch noch den heißen Kuss. Irritiert öffnete er seine Augen etwas und sah Iwaizumis Handinnenfläche nah vor seinem Gesicht. Ohne dass das Ass etwas sagen musste, streckte der Violetthaarige seine Zunge heraus, leckte über die Hand und befeuchtete sie. Vorfreude breitete sich in ihm aus. Wollte Iwa ihn zuerst befriedigen? Wie genau wollte er es tun? Und wie kam er zu der Ehre? „Bist du immer so brav?“ Der Setter schloss die Augen, musste sich konzentrieren, weil er noch nicht so laut stöhnen wollte. Immerhin hatte sein Freund noch gar nicht richtig angefangen, aber er hing hier schon erregt in seinen Armen und konnte es kaum noch abwarten, seine Hand endlich an seinem Glied zu spüren. „Antworte mir“, forderte Hajime dunkel und er schluckte kurz, ehe er erwiderte: „N-nein, bin ich nicht. … Nicht immer.“ „Ach so? Dafür benimmst du dich gerade sehr gefügig.“ Oikawa hörte das Lächeln aus der Stimmlage und er wollte die Augen wieder öffnen, als er spürte, wie seine Hose ruppig geöffnet wurde. Überrascht keuchte er und die Hose blieb in seinen Kniekehlen hängen. In Erwartung auf das kommende klemmte sich Toru unbewusst wieder die Unterlippe zwischen die Zähne und eine Gänsehaut tauchte auf seiner Haut auf. Ein Arm umschlang erneut seinen Bauch und die andere schob sich tatsächlich in seine Boxer. Gott, das war so gut. Die warmen, angefeuchteten Finger streichelten ihn sanft, umschlossen sein Glied und begannen langsam zu pumpen. Er wollte mehr, war gierig nach den Berührungen und bewegte leicht seine Hüfte, doch Iwa verstärkte seinen Griff um seinen Bauch, hielt ihn eng an sich und er spürte an seinem Po, wie auch sein Freund durch die Situation erregt wurde. Gut so! Es sollte ihn anturnen, wie er hier brav stand und sich ihm hingab. Himmel, diese Hand! Noch immer versuchte er zu stoßen, doch gegen die trainierten Muskeln seines Freundes hatte er keine Chance. Ergeben wimmerte Oikawa, wollte es schneller und fester, aber die Hand bewegte sich gleichmäßig und machte keine Anstalten, ihn erlösen zu wollen. „Iwa bi-bitte …“, hauchte er nach einem Moment. Er wollte den Höhepunkt so sehr, dass er sich nicht mehr zurückhalten konnte. Iwaizumi sollte ihn endlich richtig anfassen, ihn mit seiner Hand über die Klippe befördern. „Was ist denn, Toru?“ „Besorg es mir! Bitte!“, flehte er ungeduldig und schaute seinen Freund mit lustverhangenen Augen an. Noch bevor er schalten konnte, wurden ihm Lippen aufgedrückt und der Setter merkte überfordert, wie ihm nicht nur gierig die Zunge in den Mund geschoben wurde, sondern zeitgleich wurde er schneller und fester massiert. Oh fuck, was machte er mit ihm!? Seine Knie zitterten, doch Hajime hatte ihn fest im Griff, so konnte er sich ganz hingeben, ohne dass er fallen würde. Sein Blut zirkulierte nur noch in seinem Unterleib, seine Gedanken verflogen. Da war nur noch Lust, Begierde. Immer schneller pumpte die Hand seinen Schwanz und verengte sich dabei auch noch. Das fühlte er und es turnte ihn an, wie das Ass ihn zusätzlich mit einem heißen Zungenkuss stimulierte. Bald wäre er soweit. Nur noch ein bisschen schneller, härter, dann würde er kommen. Laut stöhnte er in den Kuss, fordernd, verlangend nach mehr und Iwa gab es ihm. Fuck, er wusste gar nicht, worauf er zuerst reagieren sollte, als sich plötzlich die Finger um seine Spitze verengten. Das war die Stimulation, die er gebraucht hatte. Hajime lockerte seinen Griff um den Bauch etwas, ließ ihn heftig in die Hand stoßen und löste den Kuss, nur um ihm erregt ins Ohr zu stöhnen. „Komm für mich, Toru.“ „Ahhh~ Hajime!“, rief Toru laut, kam in seiner Boxer und spürte, wie sich der heiße Samen in ihr verteilte. In dem befriedigenden Gefühl des Orgasmus gefangen, stieß er noch ein paar Mal in die Hand und gab sich ganz seinen Empfindungen hin. Die Handjobs von Iwa waren jedes Mal aufs Neue etwas Besonderes, auch wenn seine Zunge ungleich geiler war. Doch die bekam er nur zu speziellen Anlässen oder wenn er äußerst brav gewesen war. Für ihn war das in Ordnung, denn so blieb es eine Belohnung und er konnte es noch mehr genießen. Fuck, er genoss es, egal wie das Ass es ihm besorgte. Und sie hatten da schon einiges ausprobiert in den letzten Wochen … „Mach sauber“, knurrte die erregte Stimme und Oikawa blinzelte, entdeckte vor sich Iwas Hand, verschmiert von seinem Sperma. Zärtlich umfasste er das Handgelenk mit seinen Fingern, schloss die Augen erneut und leckte den noch warmen Samen ab. Iwas Mitte presste sich gegen seinen Po, signalisierte ihm, wie es ihn anmachte, dass er so brav der Anweisung folgte. „Ist es so recht?“, hauchte Toru nach einem Moment und schaute dem Ass direkt in die smaragdfarbenen, erregten Augen. Fuck, wie heiß konnte er denn noch aussehen? Im Normalzustand war das Ass ja bereits unwiderstehlich für ihn, aber jetzt? Einen Augenblick würde er noch brauchen, doch dann wollte er nichts sehnlicher, als von ihm genommen zu werden. „Ja. Das hast du sehr gut gemacht. Setzen wir uns aufs Sofa, Toru“, flüsterte Hajime, trat auf seine Hose, die mittlerweile auf dem Boden lag, damit er aus ihr steigen konnte und führte ihn langsam zu dem Stoffsofa, dass in einer Ecke des Raumes stand. Es war ein Zweiermodell, breit genug, um darauf nebeneinander liegen zu können, doch sein Freund hatte ja etwas anderes mit ihm vor und darauf freute er sich ungemein. Zwar liebte es Oikawa am meisten, wenn er von hinten genommen wurde, aber zu sehen, wie Hajime wegen ihm zum Orgasmus kam, war ein Highlight für sich. Der Ausdruck in den Augen, seine Hände, die er immer an seinen Hüften gelegt hatte, wenn er kam, sein Stöhnen. Es kribbelte in seinem Nacken, wenn er daran dachte und er konnte es kaum erwarten, das gleich ein weiteres Mal zu spüren, zu sehen und zu hören. Doch bevor es soweit kommen konnte, gab es da noch etwas, was er tun musste. Als sie vor dem Sofa angekommen waren, drehte sich Toru um, legte die Hände auf die muskulöse Brust, die noch vom Oberteil verdeckt wurde. Auch er hatte noch seinen Pullover an. Iwa hatte ihn kommen lassen, ohne ihn groß zu berühren, denn allein seine Anwesenheit hatte gereicht, um ihn schon scharf zu machen. Danach hatte es nur noch Hand und Stimme gebraucht, um ihn zu befriedigen. Doch nun wollte der Setter das ändern, denn beim Sex wollte er alles in Ruhe erkunden können und da störten Klamotten nun einmal. Also strichen die Finger gemächlich weiter nach unten in Richtung Saum, während sein heißer Freund ihn dabei beobachtete. Seine Wangen wurden unter dem Blick immer wärmer. Himmel, er trieb ihn noch in den süßesten Wahnsinn mit diesen ausdrucksstarken Augen. Seine Finger waren an ihrem Ziel angekommen und bereitwillig hob das Ass die Arme, damit er ihn ausziehen konnte. Gierig besah er sich den Oberkörper, die Unterlippe zwischen den Zähnen und strich federleicht über die weiche Haut mit den trainierten Muskeln darunter. Dieser Körper … In seinem Bekanntenkreis gab es keinen heißeren Typen als Iwaizumi. So viel stand fest. „Mach weiter“, wurde ihm ins Ohr geraunt, doch er wollte den Anblick noch genießen! Die Haut küssen, sie mit seiner Zunge verwöhnen … Also widerstand Toru dem Drang, dem Befehl Folge zu leisten und legte stattdessen seine Lippen an das Schlüsselbein seines Freundes, küsste es und schabte leicht mit den Zähnen darüber. Entschuldigend leckte er über die malträtierte Stelle, was Hajime erregt aufkeuchen ließ. Ja, genau das hatte er erreichen wollen. Er sollte sich nach ihm verzehren, ihn mit allem wollen, was er hatte. Es sollte Iwa genauso gehen wie ihm. Mit einem kleinen, siegessicheren Lächeln wollte er sich weiter zu den Nippeln lecken, als sich eine Hand in seine Haare vergrub und ihn ruckartig etwas zurückzog. Stöhnend hob er den Blick, sah den arroganten Ausdruck in den Augen. „Ich habe gesagt: Mach weiter! Noch einmal werde ich mich nicht wiederholen. Verstanden?“ „J-jawohl“, hauchte Toru überrascht, erwiderte den heißen, gierigen Kuss, den Iwa ihm aufdrückte und seine Hände wanderten von den Schultern über die Brust – einen kurzen Zwischenstopp musste er einfach bei den Nippeln einlegen, was mit einem Keuchen quittiert wurde – weiter zum Bauch, über das trainierte Sixpack bis zum Hosenbund. Ruckartig knöpfte er sie auf, spürte die Spannung, da Iwaizumi bereits hart war und zog sie nach unten. Sofort drückte sich das Glied gegen ihn, da sie so dicht standen und sein Freund stöhnte verwundert auf. Immer wieder war der Setter davon fasziniert, was für eine Anziehung er auf ihn haben musste, wenn er so hart wurde, obwohl Toru nicht einmal groß was getan hatte, außer sich von ihm befriedigen zu lassen. Und so wie es aussah, würde Iwaizumi heute auch keinen Blowjob wollen, was er schon etwas bedauerte, denn bei ihm machte er das so gern. Küsste und leckte ausgiebig die Spitze, ehe Hajime eine Hand auf seinen Hinterkopf legte, damit er ihn endlich komplett in sich aufnahm. Eins der größten Highlights für Toru war es gewesen, als er zeitgleich mit ihm hatte kommen dürfen. Das Gefühl, wie der Braunhaarige in seinem Mund gekommen war, während er sich parallel selbst massiert hatte, war unbeschreiblich gewesen. In seiner Lendengegend kribbelte es langsam wieder, was ihn nicht im Mindesten wunderte. Das Ass hatte diese Wirkung von Anfang an auf ihn. Es war schon fast etwas gruselig, wie heftig er auf ihn reagierte. Obwohl Oikawa dieses Spielchen liebte, wurde er ungeduldig. Zwar brauchte er noch einen Moment, bis er so weit war, genommen zu werden, jedoch zog er trotzdem auch schon Iwa den Boxershort aus. Dabei löste er den Kuss, kniete sich hin, um herauszufinden, ob er es ihm nicht doch noch mit dem Mund besorgen durfte. Wie eine Eins wippte das steife Glied dicht vor seinem Gesicht und bevor Iwaizumi ihn davon abhalten konnte, küsste er die Spitze, was seine Lippen kribbeln ließ. Er wollte diesen Blowjob so sehr, aber sein Freund ließ es nicht zu, zog ihn wieder hoch und so stand er selbst noch in seiner Unterhose vor ihm. Das allerdings auch nur einen Moment, denn Iwaizumi riss ihn an einem Bein einfach auf, was Toru überrascht quietschen ließ. So stark war er!? Dass er seinen Short einfach kaputtriss? Na zum Glück hatte er in seiner Sporttasche noch einen! „He-hey! Sei froh, dass das nicht meine Lieblingsboxer war!“, entfuhr es ihm, was aber nur ein arrogantes Grinsen zur Folge hatte. „Ich glaube, deine Unterwäsche ist gerade dein geringstes Problem.“ Noch während das Ass die letzten Worte sprach, legte er beide Hände auf seinen Hintern und presste ihn an sich. Verblüfft über die Aktion stöhnte er auf, als sein wieder halbsteifes Glied gegen das von Iwa gedrückt wurde. Es pulsierte an seinem Unterleib und die fordernden, massierenden Hände an seinem Hintern waren nahezu göttlich, was seinen Schwanz wieder richtig zum Leben erwachen ließ. „Ich will dich, Toru“, stöhnte Hajime in sein Ohr, knabberte daran und bewegte vorsichtig seine Hüfte, sodass ihre Glieder leicht aneinander gerieben wurden. Erregt keuchte der Setter auf, krallte seine Fingern in die Schultern, da er Angst hatte, dass seine Beine doch noch nachgaben. Das war zu gut, seine Hormone drehten durch. „Dann nimm mich“, entgegnete Oikawa lüstern und fügte nach einem weiteren Stöhnen hinzu: „Bitte!“ „Wer so brav bittet, soll dafür auch belohnt werden“, schnurrte Iwaizumi mit rauer Stimme und ließ ihn kurz los. Der Braunhaarige setzte sich auf das Sofa und musterte ihn ausgiebig. Einen Moment schaute Toru ihn einfach nur an. Der heißeste Mann der Welt saß dort – äußerst erregt – und wollte ihn nageln. Fuck, er war der glücklichste Mensch der Welt. Da er wusste, wie sehr Hajime es liebte, bewegte er sich langsam, bedacht wie eine Raubkatze und beugte sich vor, kratzte mit den Fingernägeln leicht über die Oberschenkel und fixierte die grünen Augen, die ihn anblitzten. Langsam fuhren seine Fingerkuppen weiter nach oben, wanderten dabei zu den Innenseiten und Iwa schloss kurz genießend die Augen, bis er an seinem besten Stück angekommen war. Der Setter hatte keine Möglichkeit, ihn anzufassen, denn sein Freund war schneller, packte seine Handgelenke und zog ihn näher zu sich. Um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen, kniete sich Toru rechts und links von den Beinen auf das Sofa und das Ass zwang ihn dazu, so nah zu rutschen, dass sich ihre Penisse wieder berührten. Himmel, das war zu gut. Wusste er, wie sehr er ihn gerade wieder in den Wahnsinn trieb? Wie er mit ihm spielte? Gott, er liebte es. Und er wollte mehr. Noch viel mehr. „Halt den Hintern hoch.“ Das Klicken einer Gleitgeltube holte Oikawa für einen Moment aus den anregenden Gedanken. „Wo hast du die denn plötzlich her?“, fragte er verwirrt und sah die Tube an, die er in der Hand hatte und gerade was davon auf seiner Handfläche verteilte. „Ich habe sie eben von der Kommode genommen, bevor ich dich hierhergeführt habe und sie dann drauf geschmissen. Hast du das nicht mitbekommen?“, hakte er nach und peinlich berührt schüttelte Toru den Kopf. Das war ihm definitiv entgangen, war mit seinen Gedanken eben woanders gewesen. Da es nichts weiter dazu zu sagen gab, hielt sich Hajime nicht damit auf, sondern legte die wieder geschlossene Tube neben sich und brav hob er seinen Hintern, beobachtete, wie die Hand sich zwischen seine Beine begab, kurz von der Spitze bis zur Wurzel strich, was ihn erregt stöhnen ließ und zuletzt seine Hoden streifte, als die Finger endlich an ihrem Ziel angekommen waren. Voller Vorfreude beugte er seinen Hintern leicht einem entgegen und spürte voller Glück, wie er sich seinem Eingang näherte und dann behutsam in ihn eindrang. Mittlerweile ging das wirklich gut, sodass Iwa nach kurzer Zeit einen zweiten Finger dazu nahm, sie in ihm spreizte, leichte Stoßbewegungen machte und dann noch einen dritten dazu nahm. Als sich das Ass sicher war, dass er genug geweitet war, entzog er ihm die Finger wieder. Jedes Mal fühlte es sich seltsam an, wenn er das tat. Für einen Augenblick war er dann so leer, spürte sich so verlassen. „Nimm das Gel und kümmer dich drum“, verlangte Iwaizumi mit rauer Stimme von ihm und nickend griff der Setter sofort nach der Tube, öffnete sie und verteilte etwas von dem kalten Gel auf seinen Fingern. Wenigstens einmal durfte er das Glied anfassen! Ganz ohne hätte ihm sein Freund auch nicht antun können. Da war er eigen. Schnell rieb er das Gel in seinen Händen warm und umfasste den pulsierenden Schwanz, der ihn gleich wieder in Ektase versetzen würde. Genüsslich rieb er ihn ein, sorgte dafür, dass wirklich überall Gel war, bis Iwa seine Handgelenke packte und mit einer Hand hinter seinem Rücken fixierte. Erst jetzt bemerkte er, dass neben der Tube Gleitgel auch noch ein Seil und eine schwarze Augenbinde lagen. Oh fuck, ja! Stimmt, das hatte er ja vorhin gesagt. Das hatte er ganz vergessen, aber er wollte es unbedingt. Nur schade, dass er dann nicht sehen konnte, wie Iwa kam. Aber bei den intensiven Empfindungen, die die Augenbinde auslösten, würde er das verkraften können. Fachmännisch verschnürte Hajime seine Handgelenke, darauf achtend, dass er sich nicht wehtun konnte und band ihn mit einem arroganten Lächeln die Augenbinde um. Es wurde alles schwarz um ihn herum und seine Haut schien überall zu prickeln. So war das alles noch viel aufregender und er stöhnte verlangend, als Iwas Hände sich auf seinen Hintern legten und ihn führten. Er drückte dabei die Pobacken etwas auseinander, als er ihm signalisierte, sich langsam zu setzen. Sofort spürte er die Spitze an seinem Eingang und keuchend setzte er sich Stück für Stück auf den perfekten Schwanz, während Iwa ihn festhielt, damit er nicht unkontrolliert absackte und sich nachher noch wehtat. Oh, das war so gut. Die großen Hände, die seinen Hintern umfassten, das Glied, dass wie für ihn gemacht zu sein schien und das Keuchen des Asses, dass so heiß klang. „Fang an, Toru. Genieße es, wenigstens etwas Kontrolle zu haben“, schnurrte Iwaizumi an sein Ohr, leckte über den Hals und der Setter wimmerte, als er sich etwas erhob und dann wieder fallen ließ. Wie konnte er sich so gut in ihm anfühlen!? Es war verboten, doch er wollte alles. Vor allem, dass Hajime seinen Vornamen stöhnte, wenn er kam. Also bewegte er sich weiter, während das Ass genüsslich seine Pobacken knetete. Als er sich schneller auf und ab bewegte, verlor er etwas das Gleichgewicht und da seine Hände hinter dem Rücken verbunden waren, konnte er nichts dagegen tun. Allerdings musste er sich auch keine Sorgen machen, denn Iwas Gesicht drückte sich gegen seine Brust und keuchend merkte er, wie Hajime seinen Oberkörper küsste und leckte. Fuck, mit verbundenen Augen war das echt nochmal was anderes. Die ersten Lusttropfen bildeten sich schon, also würde er es nicht mehr lange machen. Eine Hand entfernte sich von seinem Hintern, hielt seinen Oberkörper stabil und er stöhnte mit hoher Stimme auf, als Iwaizumi über seinen linken Nippel leckte und zärtlich hineinbiss, während er zeitgleich seinen Lustpunkt traf. „M-mehr!“, rief er überrascht, voller Lust und Geilheit. Dieses Gefühl war überwältigend und er wollte es wieder und wieder spüren. Hajime sollte ihn hart rannehmen, es ihm richtig besorgen. „Wie heißt das!?“ „Bitte!“, flehte er mit Nachdruck, bewegte sich so weit auf und ab, dass Iwas Glied fast komplett aus ihm glitt, nur um sich im nächsten Augenblick tief in ihm zu versenken. Dabei traf er fast jedes Mal seine Prostata. Es war genau das, was er wollte, was er brauchte, um zum Orgasmus zu kommen. Das Gefühl, seinem Freund ausgeliefert zu sein, tat sein Übriges, um ihn so richtig heiß zu machen. Es turnte ihn so sehr an, wenn er nichts tun konnte. Wenn er auf Iwaizumi vertrauen musste, dass er ihn anfasste, ihn so geil machte, dass er an nichts mehr denken konnte. Und fuck, er beherrschte das wie kaum jemand anderes. Zu seinem Glück kam er seiner Bitte nach, verwöhnte weiterhin abwechselnd seine Nippel, während er sich immer schneller bewegte. Toru kam nicht mehr hinterher, er wollte den Höhepunkt, wollte über die Klippe und Hajime offensichtlich auch, denn auch die zweite Hand verschwand von seinem Hintern. Er wollte frustrierte Laute von sich geben, doch dann spürte er sie an seinem Schwanz, der noch von seinem Sperma ganz glitschig war. „Ahhh~ Ha-hajime!“, stöhnte er ergeben, wusste nicht, wie ihm geschah und nach ein paar weiteren Stößen spritzte er mit hoher Stimme leise schreiend auf Iwas Oberkörper ab. Sein Innerstes verengte sich, was seinen Freund dazu veranlasste, seine Hüfte gegen seine Stöße zu bewegen. „Komm in mir, Hajime! Bitte, tu es!“, wimmerte Toru, spürte die beiden starken Arme um seine Hüfte, wie sie sie nach unten drückte, während Iwaizumi seine hob. Seine Augen rollten nach hinten, zum wiederholten Male hatte er seinen Lustpunkt getroffen und stöhnend fühlte der Setter, wie Hajime in ihm kam. Der heiße Samen wurde in ihn gepumpt, Iwa stöhnte laut seinen Vornamen und stieß ein paar Mal nach, um seinen Orgasmus auszukosten. Das „Toru!“ zu hören, während das Ass gerade in ihm kam, war jedes Mal aufs Neue etwas, was ihm eine Gänsehaut verursachte. So kehlig gestöhnt, voller Leidenschaft und Lust. Es gab nichts Geileres für ihn. Einen Moment lang herrschte Stille zwischen ihnen, nur das hektische Atmen war zu hören. Wie schaffte es das Ass nur jedes Mal, ihn so sehr zu befriedigen? Kein Wunder, dass er nie genug von ihm bekommen konnte! Kapitel 4: Das Angebot ---------------------- Freitag, 17.11. Im Halbkreis standen alle vor dem Trainer, der sie freundlich anlächelte. Nach dem Sieg vom Mittwoch hatte er offenbar noch immer gute Laune. Iwaizumi konnte sich schon denken, woran das lag. Ihre Leistung beim Achtelfinale war äußerst gut gewesen, also rückte der Titel immer näher. „Ich bin sehr zufrieden, wie ihr das Spiel am Mittwoch bestritten habt. Ohne alle Joker ausspielen zu müssen, habt ihr konzentriert angegriffen und verteidigt. Mit dieser Leistung und zusätzlichen Tricks ist der nächste Gegner durchaus zu schlagen. Zeigt mir in den Trainings bis zum Viertelfinale Mitte Januar, dass ihr diesen Titel wollt!“ „Jawohl Trainer!“, riefen alle im Chor, verabschiedeten sich und die Gruppe löste sich langsam auf. Damit war das Training für heute beendet. Ein Blick auf die Uhr über der Tür verriet ihm, dass es bereits kurz nach 22 Uhr war. Ungläubig blinzelte das Ass. So spät schon!? Also ja, sie hatten alle viel Spaß beim Training gehabt, aber dass sie die Zeit so vergessen hatten? Das verwirrte ihn schon, aber sei es drum. Morgen hatten sie frei, also war das schon in Ordnung. „Oikawa? Du bleibst bitte noch kurz hier. Ich muss noch etwas mit dir besprechen.“ Irritiert blieb Iwa stehen, drehte sich zu seinem Freund um, der so verwirrt aussah, wie er sich fühlte. Noch eine Sonderbesprechung? Aber warum? „Geh ruhig vor. Ich komme gleich nach“, sagte Toru leicht lächelnd und kurz zog das Ass die Augenbrauen zusammen. Es deutete nichts darauf hin, dass das Lächeln falsch war oder er sich ernsthaft unwohl fühlte. Also konnte er ihn allein lassen, weshalb er nickte und antwortete: „Ich warte in der Umkleide.“ Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend trottete Hajime den anderen hinterher, die nichts davon mitbekommen zu haben schienen. Alle waren in irgendwelche Gespräche vertieft. „Zum Glück ist morgen Samstag und keine Uni“, murmelte Yamaguchi vor ihm und gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Ausschlafen kannst du trotzdem nicht“, mahnte die Katze grinsend, was ihr Aufschlagsass irritiert den Kopf drehen ließ. „Wieso?“ „Na, Tsukki und ich wollten doch einen Ausflug mit Inouka und dir in den Vergnügungspark machen! Sag jetzt nicht, dass du das vergessen hast!“ „Ach ja! … Ähm, ich meinte: Natürlich habe ich das im Kopf! Was denkst du von mir?“ Ganz rot im Gesicht kratzte sich Yamaguchi verlegen am Hinterkopf, lächelte leicht unsicher und ein paar andere begannen zu lachen. Auch Iwaizumi grinste und musste an ein ähnliches Ereignis mit Toru denken. Vor ein paar Wochen hatten sie einen Zoobesuch geplant, doch Oikawa hatte es komplett vergessen, weil er durch das Training, Abgabe einer Hausarbeit und einer Präsentation voll eingespannt gewesen war. Als Iwa am Vorabend des Ausflugs dann ein paar Brote als Proviant belegt hatte – hin und wieder war Brot eine willkommene Abwechslung zu Reis für ihn –, hatte sich Toru von hinten an ihn gekuschelt und verwirrt gefragt, was er da tue. „Was grinst du denn jetzt so verträumt?“, fragte Tsukishima mit hochgezogener Augenbraue und Iwaizumi räusperte sich kurz, ehe er antwortete: „Toru hat vor einiger Zeit mal genauso reagiert wie unser DJ hier, als er ein Date vergessen hat.“ „Was denn? Die romantische Diva hat ein Date mit dir vergessen?“, mischte sich Makki sichtlich erstaunt ein und drehte sich mit großen Augen zu ihm um. Irgendwie passte der Titel ziemlich gut. Toru war definitiv ein verträumter Romantiker und dramatisch wie eine Diva. Einfach war es mit ihm nie, doch er kannte den Setter nicht anders. Und allein die Vorstellung, dass sich sein Charakter veränderte, löste ein flaues Gefühl in seinem Magen aus. Nein, da ertrug er lieber eventuelle Divenallüren. „Romantische Diva?“, gluckste Inouka grinsend, was die blonde Krähe seine Brille zurechtrücken ließ: „Das passt zum großen König.“ „In der Freizeit ein weinerliches Waschweib zu sein?“, hakte der Rosahaarige kichernd nach und quietschte überrascht auf, als Mattsun ihm in den Hintern zwickte und etwas ins Ohr flüsterte. Wenigstens er schaffte es, Makki etwas zurückzuhalten. Unfassbar, wie frech und unverschämt er sein konnte. Wenn Iwa an ihre Gespräche über … Ach, er sollte da lieber nicht jetzt dran denken. Das war mehr als peinlich gewesen. Sonst würde der Rosahaarige ihn noch mehr aufziehen und darauf hatte er keine Lust. Dennoch musste er zugeben, dass Taka ihm bei den Gesprächen auch geholfen hatte, wenn auch auf seine unverschämte Art und Weise. Mist, jetzt dachte er doch darüber nach. „Was denn? Oikawa wäscht Wäsche zu Hause? Kümmert er sich denn auch ums Staubsaugen und -wischen? Betten beziehen und so?“, schaltete sich Komi ein und Iwa beschloss, dass geradezurücken, bevor noch mehr Gerüchte entstanden. Das Gespräch entwickelte sich dank Hanamaki in die komplett falsche Richtung und das Ass wollte das so nicht stehen lassen. Das wurde Oikawa nicht gerecht. „Toru ist ein hervorragender Koch genauso wie Matsukawa auch. Dafür halten Makki und ich die Küche sauber. Den Rest des Haushalts haben wir ebenfalls aufgeteilt, damit jeder sich gleichermaßen beteiligt.“ „Oha Hanamaki! Hast du deswegen den Antrag angenommen? Damit du nicht hungern musst?“, wollte Inouka glucksend wissen und Angesprochener verzog beleidigt das Gesicht. „Du bist gemein, Iwaizumi! Meinen Ruf zu ruinieren, um den deiner Diva zu retten!“ „Dein Ruf ist doch schon versaut.“ „Yamaguchi! Frechheit, das so zu behaupten!“, empörte sich der Rosahaarige und wandte sich seinem Verlobten zu. „Schatz, sag doch auch mal was! Die sind alle gemein zu mir!“ Mattsun lächelte ihn sanft an, während er ihm durch die kurzen Haare strich. Mit liebevoller Stimme erwiderte er: „Lass dich doch nicht ärgern. Sie kennen dich eben nicht so gut wie ich. Sollen sie doch reden, hm?“ „Ach Schatz, du hast ja recht“, murmelte Makki und schlang beide Arme um Mattsuns Bauch. Während dieser seinem Verlobten über den Rücken strich, beobachtete Iwa, wie Hanamaki tief an der Schulter einatmete und kurz genießend die Augen schloss. Die anderen grinsten sich an, das Ass hingegen lächelte. Die Zwei waren so ein schönes Paar und Makki ebenfalls eine Diva, auch wenn man ihm das nicht so sagen durfte. Zwanzig Minuten später saß Iwaizumi frisch geduscht und angezogen auf einer der Bänke und wartete auf seinen Freund. Eben hatte er noch Kuro, Tsukishima, Bokuto und Akaashi verabschiedet und nun genoss das Ass die Ruhe, die sich im Raum ausgebreitet hatte. Natürlich machte er sich Gedanken, was der Trainer noch mit seinem Freund zu besprechen hatte, doch es war sicherlich nichts Schlimmes. Seine Leistungen in den vergangenen Wochen waren top, also daran gab es nichts zu meckern. Selbst die Brillenschlange, die alles analysierte und mittlerweile Mitspieler auf Dinge ansprach, wenn ihm etwas auffiel, hatte nichts zu Oikawa zu sagen gehabt. Ganz im Gegensatz zu ihm. Jedes Training mäkelte er an seinen Blocks herum, aber verdammt, er konnte seinen Körper halt am Ende eines Spiels nicht mehr so zur Ruhe zwingen, wie dieser Unmensch das konnte! Und das war in diesem Fall ein Kompliment, denn seine Blocks waren selbst in den Verlängerungen der Sätze noch ekelhaft präzise. Absolut bewundernswert anzuschauen. Seit dem geglückten Block gegen Ushijima schienen seine Spielfreude – innerlich hatte er die garantiert – und sein Ehrgeiz geweckt zu sein. Zurück zu seinem Freund, der noch immer durch Abwesenheit glänzte. Nach all dem Leiden der letzten zweieinhalb Jahre hatte Toru alle Freude und Glück verdient. Manchmal, wenn er abends noch wach lag, während der Violetthaarige bereits an ihn gekuschelt eingeschlafen war, dachte er an diese Zeit zurück. Oft war er bei Kleinigkeiten stutzig geworden, ob der Setter nicht doch etwas anderes als Freundschaft für ihn empfand, hatte es aber immer wieder auf seine eigenwillige Art geschoben. Es ärgerte ihn, dass er nie weiter darüber nachgedacht hatte, dann hätte er die Situation vielleicht schon viel früher klären können und Toru hätte nicht so lange gelitten. Stattdessen hatte er all die Gefühle die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt, sich Hoffnungen gemacht, wenn er sich um ihn gekümmert hatte und traurig gewesen, als er mit Kaori zusammengekommen war. Verdammt, er hätte doch nie so wegen ihm leiden sollen! Was er ihm unbewusst alles zugemutet hatte! Regelmäßig meldete sich sein schlechtes Gewissen deswegen, doch leider war es ihm unmöglich, die Vergangenheit zu ändern. Dafür gab er sich nun große Mühe, die Gegenwart so schön wie möglich für ihn zu gestalten. Auch wenn dieser ganze Romantikkrams teilweise etwas übertrieben für ihn war, aber Toru sah ihn immer mit leuchtenden Augen an, wenn sie beim Essen einen Nachtisch zu zweit hatten oder andere kitschige Dinge taten. Weiter kam Iwaizumi nicht mit seinen Gedanken, denn die Tür wurde geöffnet und sofort hob er den Kopf, beobachtete wie sein Freund mit leicht geröteten Wangen den Raum betrat und sich umschaute. Warum war er rot im Gesicht? Was war passiert? Sofort stand das Ass auf und schritt ihm entgegen, bis sie dicht voreinander stehen blieben. „Sind wir allein, Iwa-chan?“, fragte Toru leise und er nickte. „Ja, sind wir. Was ist denn los? Ist irgendwas Schlimmes passiert!?“ „Nein nein! Ganz im Gegenteil!“ Ganz aufgeregt sahen ihn diese braunen Augen an – so hell, als hätte er zweideutige Gedanken –, und die Fragezeichen bei dem Braunhaarigen wurden immer größer. Aber immerhin war nichts Schlimmes passiert, das war schonmal beruhigend. „Sondern?“ Um Halt zu finden, krallte Oikawa sich an seinen Schultern fest und reflexartig schlang er seine Arme um die Hüften, um ihn für den Fall der Fälle besser halten zu können. „Bei den letzten Spielen, die wir für die Meisterschaft bestritten haben, waren auch Scouts dabei. Der Trainer wusste das, hat aber nichts gesagt, um uns nicht abzulenken. Und einer von denen war der von den Tokyo Samurais. Die Tokyo Samurais, Iwa-chan! Die beste, japanische Mannschaft, die in den letzten sechs Jahren immer die Meisterschaft gewonnen hat! Und der … der war eben da und hat dem Trainer Aufnahmen von uns gezeigt und ich soll … Iwa-chan, ich soll ab der nächsten Saison für die spielen! Als Setter! Die wollen mir ein Angebot machen!“ Einen Augenblick brauchte das Ass, um die Worte zu verstehen, die Oikawa ihm gerade voller Euphorie an den Kopf geknallt hatte. Ein Talentscout war hier gewesen? Hatte ihm ein Angebot unterbreitet, den Tokyo Samurais als Setter beizutreten? Das war der Wahnsinn! „Das ist großartig, Toru! Ich freu mich so für dich! Ich habe dir doch immer gesagt, dass man deine Leistungen zu würdigen weiß. Wenn das kein Beweis dafür ist! Gibt es denn schon einen Vertrag? Worüber genau habt ihr gesprochen?“, wollte Iwaizumi ungewöhnlich neugierig wissen und umarmte seinen Freund noch fester. Hatte er nicht eben noch daran gedacht, dass Toru alles Freude und Glück verdient hatte? Sein Herz sprudelte über vor Liebe, als er den begeisterten Gesichtsausdruck bei ihm sah und fröhlich plapperte der Setter drauf los, um ihm seine Fragen zu beantworten: „Nein, einen Vertrag gibt es noch nicht, aber der Trainer hat mir eine Visitenkarte gegeben, damit ich mich bei einer Agentur melden kann. Dort kriege ich einen Berater, der mir bei den Vertragsverhandlungen hilft. Der Scout meinte, dass ich ihn sehr mit meinen Leistungen beeindruckt habe und er hat das Achtelfinale gefilmt und dem Trainer der Mannschaft gezeigt und der meinte, dass sie mich unbedingt als Verstärkung fürs Team haben wollen! Iwa-chan, der Trainer der Tokyo Samurais hat mein Spiel gesehen und will mich für sein Team! Ich kann es gar nicht glauben! Die glauben, ich bin gut genug, um bei diesem Topteam spielen zu können! Bei der besten Mannschaft ganz Japans!“ „Ich glaube das nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass du die Tokyo Samurais mit deinem Talent und Können verstärken kannst! Du wirst sie umhauen und deren neuer Stammsetter!“ „Gl-glaubst du wirklich?“, hauchte Toru leise mit großen Augen und statt ihm zu antworten, zog er seinen Freund in einen innigen Kuss. Natürlich würde Toru ihr neuer Stammsetter werden. Das stand für ihn außer Frage. So gut wie er war, konnte er jeden beeindrucken und von sich überzeugen. Der Kuss war unschuldig, aber voller Liebe und Hingabe. Mit jeder Faser seines Körpers strahlte Oikawa pures Glück und Euphorie aus und das ließ Iwaizumi in den Kuss lächeln. Eng kuschelte sich Toru an ihn, löste die Lippen erst von seinen, als er Luft brauchte und kuschelte sich mit dem Gesicht in seine Halsbeuge. „Ich kann es gar nicht fassen. Zwick mich mal, Iwa-chan. Das ist doch gerade wirklich passiert, oder?“ Überrascht quietschte sein Freund auf, als er ihm – wie gewünscht – in den knackigen Hintern zwickte und sagte: „Das ist Realität, Schatz. Und ich bin so stolz auf dich und freue mich so sehr, dass man dein Talent erkennt und weiter fördern möchte. Was hältst du davon, wenn ich dich gleich zur Feier des Tages noch zum Essen einlade? Klingt das nach was?“ „Ich würde lieber Essen bestellen und dann auf dem Sofa kuscheln, wenn das okay ist? In der Öffentlichkeit darf ich ja von dem Angebot nicht schwärmen, aber ich werde dich bestimmt den ganzen Abend damit belästigen!“ Iwaizumi schmunzelte. Ja, das war ihm klar, dass da noch mehr kam, aber er sollte sich alles rosarot ausmalen heute Abend, sich dem Glück hingeben, was er gerade spürte. „Na klar, dann bestellen wir uns was und machen es uns auf dem Sofa bequem. Dann kannst du mich „belästigen“. Also ab unter die Dusche mit dir!“, forderte Hajime mit einem sanften Lächeln und Toru nickte. Sofort lief er los in Richtung der Gemeinschaftsduschen, als das Ass nach ihm rief. „Schatz? Du solltest vielleicht noch Duschgel und Handtücher mitnehmen“, meinte er lächelnd und holte die Sachen kurz aus Torus Sporttasche, um sie ihm zu reichen. „Ähm ja! Na klar!“, stimmte er – kurz überrascht blinzelnd – zu und nahm die Sachen entgegen, dann verschwand er im Nebenraum und nach kurzer Zeit hörte er neben dem Rauschen des Wassers noch ein fröhliches Singen in den schönsten, falschen Tönen. Etwas verloren stand der Braunhaarige da, strich sich durch die Haare und grinste breit. Die Nachricht war vollkommen überraschend gewesen und so langsam erst sackte die Erkenntnis zu ihm durch. Toru hatte ein Angebot von der besten Volleyballmannschaft Japans erhalten. Er würde einen Spielerberater bekommen, um einen Vertrag auszuhandeln. Vielleicht würde er sein Studium abbrechen oder aussetzen, um der Mannschaft beitreten zu können. Und er würde endlich seinen Traum leben können. Sein Magen kribbelte. Es würde eine herausfordernde Zeit für sie beide werden, da es mit vielen Umstellungen einhergehen würde, doch gemeinsam würden sie das schon auf die Reihe kriegen. Und heute Abend sollte sich Toru einfach nur freuen. Das hatte er sich verdient. Kapitel 5: Herr Tanaka ---------------------- Freitag, 17.11. „Es gibt da jemanden, der dich kennenlernen möchte, Oikawa. Also komm bitte mit. Er wartet bei mir im Büro“, erklärte der Trainer mit einem Lächeln auf den Lippen und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Irritiert nickte er kurz, sah seinem Freund hinterher, der mit den anderen in Richtung der Umkleiden verschwand und drehte sich um. Selbstbewusst schritt der Setter hinter ihm her, achtete darauf, einen sicheren Eindruck zu machen. Wer auch immer da war, sollte seine Unsicherheit nicht bemerken. Dennoch ließ ihn die Frage nicht in Ruhe. Wer wollte ihn kennenlernen? Ihm fiel niemand ein, der hierherkommen könnte, um sich ihm vorzustellen. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl dabei. Doch Iwaizumi würde auf ihn warten, also notfalls konnte er jederzeit zu seinem Freund laufen, der ihn beschützen und in den Armen halten würde. Der Weg war nur kurz, da öffnete der Trainer eine Tür und ließ ihn zuerst eintreten. Bisher war der Setter noch nie im Büro gewesen, weshalb er kurz den Blick schweifen ließ. Wenn er sich nicht ganz irrte, war der Raum in etwa so groß wie sein WG Zimmer, doch bei Weitem karger eingerichtet. Was nicht hieß, dass es hier nichts gab. An den Wänden hingen Poster von vergangenen Volleyball Turnieren und auf einer Kommode hinter dem Schreibtisch entdeckte er ein paar Pokale. Ob er sie als Spieler oder Trainer gewonnen hatte? Ansonsten sah alles sehr ordentlich aus, nichts lag herum, alles hatte seinen Platz. Und am Fenster rechts von ihm stand ein Mann. Er war langgewachsen, vielleicht sogar etwas größer als er und von der Statur her erinnerte er ihn an Kana. Der Rücken wirkte drahtig und trainiert und der maßgeschneiderte Anzug saß perfekt. Er musste viel Geld verdienen, wenn er sich so etwas leisten konnte. In seinem Kleiderschrank hing ebenfalls so ein Anzug, den seine Eltern ihm bezahlt hatten und der war alles andere als günstig gewesen. Augenblicklich fragte sich Oikawa, wer der Mann war. Er verbot sich in diesem Moment weiter an Kana zu denken, das würde ihn nur ablenken und wehtun. Also konzentrierte er sich auf den Trainer und folgte ihm, stellte sich mit etwas Abstand neben ihn. „Hallo Haruki, da sind wir.“ Bei den Worten drehte sich der Typ um und lächelte sie beide freundlich an. Irgendwas löste das in dem Setter aus, denn er spürte eine unglaubliche Nervosität in sich. Was er wohl von ihm wollte? Von vorn betrachtet hatte er kaum noch Ähnlichkeit mit dem Tänzer, schoss es ihm sofort durch den Kopf. Wenn er raten müsste, schätzte er ihn auf Anfang bis Mitte vierzig. Er trug einen kurzen Ziegenbart, das Gesicht war etwas hager und die Haare kurz und schwarz. Den aufmerksamen, grauen Augen entging nichts und als er den Trainer mit einem vertrauten Handschlag begrüßte, wirkte er sehr höflich und zurückhaltend. Langsam konnte Toru seine Ungeduld nicht mehr zurückhalten. Er wollte endlich wissen, was los war und dann zu Iwa, um mit ihm noch einen schönen Abend zu verbringen! „Guten Abend. Sie sind Oikawa, nehme ich an?“, fragte der Mann mit einem Lächeln auf den dünnen Lippen, nachdem er sich ihm zugewandt hatte. Reflexartig verbeugte er sich leicht, als er antwortete: „Ja, das ist richtig. Sie wollten mich kennenlernen?“ „Ja. Hat Tarou dir gar nicht gesagt, wer ich bin?“ „Nein, ich dachte mir, dass du das selbst übernehmen möchtest“, erwiderte der Trainer neben ihm und leicht verwirrt schaute er zwischen ihnen hin und her. Offenbar kannten sie sich sehr gut, wenn sie die Vornamen benutzten. Bevor aber weitergesprochen wurde, bat der Trainer ihnen die beiden Stühle an, während er selbst hinter dem Schreibtisch Platz nahm. Sie setzten sich und der Mann holte aus der Innenseite seines Jacketts eine Visitenkarte hervor und reichte sie ihm. Mit beiden Händen nahm Toru sie entgegen und studierte sie. Augenblick wurden seine Hände schweißnass, seine Augen weiteten sich vor Überraschung und für einen kurzen Moment hatte er Angst, dass sein Herz einfach stehen blieb. Auf der Karte stand: Haruki Tanaka, Scout der Tokyo Samurai. Darunter noch die Kontaktdaten. Fuck, war die echt? War der Mann neben ihm wirklich ein Talentscout des besten japanischen Volleyballteams? Und wenn ja, warum wollte er ihn kennenlernen? Doch nicht, um ihn …? Nein, das konnte nicht sein! Es gab noch so viel, was er zu lernen hatte! „Wie du siehst, ist mein Name Haruki Tanaka und ich bin Talentscout der Tokyo Samurais. Als Volleyballer wird dir das Team sicherlich etwas sagen, oder?“ „Ja natürlich! Sie sind seit Jahren das erfolgreichste Team der ersten Volleyballliga! Die letzten fünf Jahre haben sie die Meisterschaft gewonnen und mit einer Unterbrechung vor drei Jahren seit sechs Jahren den Liga Pokal! Mehrere Spieler sind Mitglied der Nationalmannschaft, darunter Niimura, einer der besten Setter der Welt. Bei der Weltmeisterschaft im letzten Jahr war es ihm zu verdanken, dass Japan es bis ins Halbfinale geschafft hat, wo sie leider ausgeschieden sind.“ Er hätte noch weiter von dem Team vorschwärmen können, doch die lächelnden Gesichter der beiden Männer ließen ihn beschämt innehalten. Was Volleyball anging, verlor er jeglichen Anstand und brabbelte einfach drauf los, ohne Punkt und Komma. „Das dachte ich mir. Bestens informiert. Aber nun zu dem Grund, warum ich hier bin. Immerhin ist es schon spät. Tarou hat mich informiert, dass seine Mannschaft dieses Jahr das Potenzial hat, nach langem mal wieder die Uni Meisterschaft zu gewinnen und es ein paar große Talente gibt. Daraufhin habe ich mir drei Spiele von euch angeschaut inklusive des Achtelfinales vor zwei Tagen. Das habe ich aufgezeichnet und dem Trainer gezeigt. Er war sehr angetan von eurer Leistung und insbesondere deine ist ihm ins Auge gefallen. Wir haben uns danach frühere Aufzeichnungen von Spielen angeschaut und festgestellt, dass du genau der Setter bist, den wir in Zukunft brauchen werden. Schließlich ist Niimura nicht mehr der Jüngste und brauchen einen Nachfolger für ihn. Daher möchten wir gern mit dir ab der neuen Saison zusammenarbeiten, um dich für die Position aufzubauen. Bis dahin würdest du weiterhin hier mit dem Team trainieren und hoffentlich die Uni Meisterschaft gewinnen. Wie siehst du das? Hast du Interesse?“ Der Scout schaute ihn musternd an und Oikawa nickte heftig. Ihm fehlten die Worte. DAS japanische Volleyballteam wollte ihn haben? Als Zuspieler? Der Trainer hatte seine Leistung gesehen und sie als gut genug erachtet, um ihn anzuwerben? Er durfte jetzt nicht in Ohnmacht kippen! „Ist das wirklich wahr? Ich zukünftig bei den Tokyo Samurais?“, hauchte er ungläubig und konnte es gar nicht fassen. Das war alles so überwältigend gerade! Sein Herz hämmerte vor Aufregung gegen seinen Brustkorb, seine Wangen wahrscheinlich leicht gerötet, während seine Hände so schwitzig waren, dass er wahrscheinlich nichts mehr halten konnte. Es war ihm unbegreiflich. Er träumte das doch nicht gerade, oder!? Das war einfach zu schön, um wahr zu sein! Wenn das wirklich real war … Seine Fingerspitzen kribbelten. Am liebsten würde er sofort weiter trainieren, doch das wäre nicht gut. Sein Körper brauchte Ruhe, um sich zu regenerieren, das durfte er nicht vergessen. Gott, er musste sich in Zukunft zusammenreißen, damit Iwaizumi ihn nicht wieder anschnauzte und so zur Sau machte wie vor ein paar Monaten, wo sie eine Woche lang nicht richtig miteinander gesprochen hatten. Das wollte er nicht, aber wenn er daran dachte, dass er zu den Tokyo Samurais gehen würde … Da musste er doch in Topform sein! Seine Gedanken purzelten wild durch seinen Kopf und er atmete einmal tief durch, um sich zu fokussieren. „Wenn wir uns für einen Vertrag einig werden, dann ja. Dann ist es wahr.“ Die Stimme des Scouts riss ihn aus seinen Gedanken und auf seinem Körper bildete sich eine Gänsehaut. Am liebsten würde er diesen Tanaka bitten, das noch fünf Mal zu wiederholen, aber er musste jetzt professionell sein, also entgegnete er: „Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen werden. Wie ist denn jetzt das weitere Vorgehen?“ „Tarou wird dir gleich noch eine Visitenkarte von einer Agentur geben. Dort wirst du einen Spielerberater bekommen, der dich bei den Vertragsverhandlungen und anderen Dingen unterstützt. Du wirst dir natürlich überlegen müssen, was mit deinem Studium ist, denn Mitglied des Teams zu werden, bedeutet Profisportler zu werden und das ist ein Vollzeitjob. Ungefähr sechs Wochen nach dem Finale der Uni Meisterschaften würdest du ins Training einsteigen, wenn wir uns für die neue Saison vorbereiten. Sobald du einen Berater hast, wird dieser sich mit uns in Verbindung setzen und wir werden uns alle zusammen zwecks eines Vertrages zusammensetzen. Es wäre dennoch gut, wenn du mir deine Daten zukommen lassen könntest, damit wir schon einmal gewisse Vorbereitungen treffen können.“ Toru nickte verstehend und schaute noch einmal auf die Visitenkarte, die er noch immer in Händen hielt. Zum Glück nur mit den Fingerspitzen, sodass sie noch nicht durchnässt war. „Selbstverständlich.“ „Sehr gut. Also dann, ich freue mich auf deine Mail und hoffentlich auf eine Zusammenarbeit mit dir. Bis dahin viel Erfolg und ein schönes Wochenende“, meinte Herr Tanaka abschließend und alle drei Männer standen auf. Unbewusst wischte sich Oikawa die Hand an seiner Sporthose ab und schüttelte dann die des Scouts zur Verabschiedung. Auch der Trainer verabschiedete sich von dem, doch Toru hörte ihnen nicht richtig zu. Die ganze Situation war zu viel für ihn. Sein armes, kleines Herz kam nicht hinterher und er wollte nur noch zu seinem Freund, sich in seine Arme kuscheln und das irgendwie realisieren. Was würde Iwa wohl zu dem Angebot sagen? Wäre er genauso überwältigt wie er? Würde er sich freuen? Ihm gratulieren? Das interessierte ihn brennend und so bemerkte er erst, dass Herr Tanaka gegangen war, als sich die Tür schloss. Verdammt, das war unhöflich gewesen! Er hatte doch nichts mehr zu ihm gesagt, oder? „Das war eine gelungene Überraschung, was?“, fragte der Trainer mit einem frechen Lächeln auf den Lippen. Noch immer überwältigt nickte Toru wild und antwortete: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Es wäre die größte Ehre, für diesen Verein spielen zu dürfen! Allein schon, dass ihrem Trainer meine Leistung ins Auge gefallen ist, bedeutet mir so viel!“ „Ja, so hast du eben auch ausgesehen“, stimmte der alte Mann schmunzelnd zu und hantierte an seinem Schreibtisch herum. Aus einer der unteren Schubladen holte er ein großes, schwarzes Etui, in dem unzählige Visitenkarten sortiert waren. Mit prüfendem Blick blätterte er darin herum, bis er die gesuchte Karte gefunden hatte. Leise murmelnd, weil sie nicht so leicht herauszuholen war, brauchte er einen Augenblick, ehe er sie an ihn weiterreichte. Oikawa nahm auch diese in die Hand und studierte sie kurz. Der Name der Agentur sagte ihm etwas, denn einige berühmte Spieler arbeiteten mit ihr zusammen. „Am besten rufst du da am Montagmorgen an und sagst ihnen, dass du zu meinem Uni Team gehörst und ein Angebot der Tokyo Samurais erwartest. Dann werden sie dir einen passenden Berater an die Seite stellen, der dir alles Weitere erklären wird, was den Ablauf angeht. Und jetzt los mit dir, hm? Es ist wirklich schon spät.“ „Ja … danke Trainer! Ich werde mich da direkt am Montag drum kümmern“, versprach er und stand auf. Respektvoll verbeugte er sich tief vor ihm, da dem Setter bewusst war, dass der Trainer einen großen Anteil an diesem Angebot hatte und schritt dann zur Tür. Er musste jetzt dringend mit Iwa reden! Normalerweise lagen das Ass und er nebeneinander auf dem Sofa und kuschelten, während sie sich unterhielten oder was anschauten, doch dieses Mal war es etwas anders. Nach dem Essen, dass sie bei Herrn Suzuki gekauft und mitgenommen hatten, hatte sich Iwaizumi wie gewohnt auf das Sofa gelegt, doch Oikawa war noch so in seinen Emotionen gefangen, dass er sich kurzerhand auf seinen Schoß setzte, die Hände auf die muskulöse Brust abstützte und den Blick von seinem Freund mit wahrscheinlich begeisterten Augen erwiderte. „Iwa-chan! Ich kann es immer noch nicht glauben! Ich bei den Tokyo Samurais! Davon habe ich nicht mal gewagt zu träumen!“ „Wieso das denn nicht?“ Zärtlich strich eine Hand über seine leicht erhitzte Wange und das liebevolle Lächeln ließ Oikawas Herz noch schneller schlagen. Noch nie hatte er so viel Liebe, Zuneigung und Hingabe gefühlt wie in den letzten Monaten. Iwa gab sich so viel Mühe, dass sie eine schöne Zeit hatten. Er achtete darauf, dass sie am Wochenende genug Zeit zu Zweit hatten und überlegte sich oft Ausflüge oder andere Dinge, die sie dann gemeinsam unternahmen. Er war so fürsorglich und Toru hatte das Gefühl, sich vollkommen bei ihm fallen lassen zu können. Es war schon fast zu schön, um wahr zu sein. Das durfte niemals enden. „Träumst du, Schatz?“, hakte Hajime schmunzelnd nach und der Setter blinzelte verwirrt. „Wie?“ „Na, ich habe dir eben eine Frage gestellt …“ „Ach so, ja! Ähm also … Wie war das nochmal?“ Seine Wangen glühten, denn er wusste nicht mehr, worum es ging. Viel zu sehr hatte er sich von seinen Gedanken über seinen Freund ablenken lassen. Es war einfach alles großartig! Er hatte den perfekten Mann an seiner Seite und würde bald den perfekten Job haben. Iwaizumi lachte leise vergnügt, aber im Gegensatz zu sonst – wo er gern mal beleidigt war, wenn man ihn auslachte – entlockte es ihm dieses Mal ein Lächeln, denn das Ass lachen zu hören, war mit das schönste, was es zu hören gab. Himmel, er war wirklich bis über beide Ohren verknallt. Und er genoss dieses Gefühl so sehr! „Wieso hast du nie von einem Vertrag bei den Tokyo Samurais geträumt?“, wiederholte Hajime schließlich die Frage und sofort antwortete er: „Na weil es doch schon der Wahnsinn wäre, in die Nationalmannschaft zu kommen! Da kann man doch nicht gleichzeitig davon träumen, auch noch in das beste Ligateam Japans aufgenommen zu werden! Auch wenn ich vielleicht anders auf die Leute wirke, so unverschämt bin ich dann doch nicht. Und Nationalmannschaft wäre mir wichtiger. Das Land bei WM’s und Olympia vertreten zu dürfen! Iwa, es kribbelt mir so sehr in den Fingerspitzen!“ „Ja, ich weiß, Schatz. Aber ich werde dich trotzdem zu deinen Pausen zwingen, damit du dich nicht überanstrengst. Denn sonst war es das mit deinem Traum und das will ich nicht. Dafür bist du schon viel zu weit gekommen“, sagte er sanft und Toru nickte. „Ich versuche mich zu zügeln, versprochen! Ich will nicht noch einmal so einen Streit …“ Leise hauchte er die Worte und sein Gesichtsausdruck wurde etwas trauriger, doch Iwaizumi kam ihm mit dem Kopf entgegen und bewegte zärtlich die Lippen gegen seine. Langsam und gefühlvoll erwiderte der Setter, ließ sich durch den Kuss seine Sorgen nehmen und legte seine Hände auf die Wangen Iwas. Dieser umschlang seinen Nacken, zog ihn mit sich runter und so ließ er sich auf ihn ziehen, legte sich auf seinen durchtrainierten Freund, der den Kuss gar nicht mehr lösen wollte. Doch irgendwann entfernten sie sich etwas, aber nur ein Stück und bei Iwaizumis flüsternder Stimme bekam er eine Gänsehaut: „Ich will auch keinen Streit. Wir kriegen das zusammen schon hin und dann wirst du ab der nächsten Saison die Tokyo Samurais zu ihren Siegen führen, mein Meistersetter.“ Toru klemmte sich die Unterlippe zwischen die Zähne. Das klang so verführerisch. Meistersetter. Er als einer er Gründe, warum die Tokyo Samurais ihren nächsten Titel gewannen. Oh Gott, er konnte es kaum noch erwarten! Kapitel 6: Ruhiger Samstag -------------------------- Samstag, 18.11. Ein Blick auf die Uhr sagte Hajime, dass es gerade einmal kurz nach halb Acht Uhr morgens war. Für seine Verhältnisse war das noch sehr früh und leise gähnend streckte er sich. Sein Freund lag neben ihm, angekuschelt und mit einem Arm auf seinem Oberkörper. Vorsichtig schlängelte sich Iwaizumi unter ihm hervor und setzte sich auf. Er lächelte den Setter verschlafen an und strich ihm kurz durch die Haare, was ein leises, unverständliches Gebrabbel zur Folge hatte. Doch Toru schlummerte leicht sabbernd weiter und das Ass erhob sich langsam, brummte leise, als ein paar Gelenke knackten und trottete in Richtung des Bads, als er aus der Küche Geräusche hörte. Nanu? Waren Matsukawa und Hanamaki bereits zurück? Normalerweise schliefen sie im Lovehotel aus und genossen ihre Zweisamkeit. Es hatte sich im Laufe der Zeit so ergeben, dass sie mindestens jeden Freitag – meist zwei oder drei Mal die Woche – dort übernachteten und im Laufe des Samstags wieder zurückkehrten. Doch es war gerade einmal kurz vor acht Uhr und normalerweise waren sie nicht vor dem Mittag zurück. Gähnend schlurfte Iwaizumi zur Küchentür und schaute in den Raum, wo Matsukawa munter dabei war, ein Frühstück zuzubereiten. „Hey, was machst du denn schon hier?“, wollte er murmelnd wissen und der Schwarzhaarige drehte sich zu ihm um, wirkte etwas überrumpelt von seiner Anwesenheit. „Oh hey. Guten Morgen. Taka trifft sich gerade noch mit seiner Schwester. Sie ist von ihrem halbjährigen Auslandsaufenthalt zurück und die Zwei wollten zusammen frühstücken und den Tag verbringen. Von daher bin ich schon hier“, erklärte er mit einem freundlichen Lächeln und fügte hinzu: „Wie war denn euer Abend? Du siehst irgendwie etwas fertig aus …“ „Ja, bin ich auch, aber positiv, also kein Grund zur Sorge. Den Grund wird dir Toru bestimmt erzählen, sobald er wach ist. Ich werde eben duschen und kannst du mir dann beim Frühstück helfen?“ „Natürlich, mach das“, stimmte er zu und Iwa verschwand im Bad, um sich endlich für den Tag vorzubereiten. Für dieses Wochenende hatten sie noch keine Pläne und nach der Nachricht gestern wollte er den Setter fragen, was genau er machen wollte, um das zu feiern. In Ruhe duschte er sich, machte sich fertig und schlich zurück in sein Zimmer, wo Toru noch immer friedlich tief und fest schlief. Er grinste, als er ein leises Schnarchen hörte und zog sich währenddessen an. Der Setter behauptete seit Jahren steif und fest, dass er nicht schnarchte und einen Moment lang wog er ab, ob er es aufnehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Es reichte ja, wenn er die Wahrheit kannte. Außerdem wäre Oikawa die Aufnahme wahrscheinlich einfach nur super peinlich. Nach Matsukawas Anweisung schnitt Iwaizumi ein paar Minuten später das Gemüse klein und stand neben ihm an der Küchenzeile. Wie ein Profi köchelte der Schwarzhaarige verschiedene Dinge, um ein ausgewogenes Frühstück zu gewährleisten. Gesunde Ernährung stand bei ihnen allen Vier ganz oben, auch wenn Makki und er keine Ahnung hatten, wie man das am besten zubereitete. Doch um für den Tag und das Volleyballtraining fit zu sein, hatten Mattsun und Oikawa einen eigenen Hefter angelegt. Darin waren einige Dutzend Rezepte für Frühstück, Mittagessen und Abendessen, damit es nicht langweilig wurde. Dabei gab es auch viele vertraute Gerichte von zu Hause, denn all ihre Mütter hatten beim Auszug dazu beigetragen, dass sie nicht verhungerten oder nur noch Fertigessen kaufen würden. Außerdem probierten beide regelmäßig neue Gerichte aus, sodass der Ordner immer wieder erweitert wurde. „Hast du heute denn auch noch etwas vor, Mattsun?“ „Ja, ich werde die Zeit nutzen, um ein paar Dinge fürs Studium aufzubereiten. Es gibt da doch ein paar Dinge, die ich mir nochmal anschauen muss. … Und Oikawa und du?“ „Nein, bisher nicht. Mal sehen, worauf er Lust hat, wenn er wach wird“, antwortete Iwa und schob mit dem Messer das geschnittene Gemüse in eine Schüssel. Er bemerkte den prüfenden Blick seines Kumpels, der in der Bewegung innegehalten hatte und schaute zu ihm rüber, als er das Brett und das Messer abgelegt hatte. „Was ist?“ Einen Moment lang taxierten ihn noch die Augen und das Ass war kurz davor, etwas genervtes hinterherzuschieben, als Matsukawa fragte: „Du liebst ihn wirklich sehr, oder?“ „Ja. Was soll die Frage? Worauf willst du hinaus?“ „Ich habe das Gefühl, dass du dein Leben gerade komplett auf Oikawa abstimmst. Ich weiß, dass ihr beide es nicht leicht hattet in letzter Zeit. Besonders Toru hat lange gelitten, aber du musst keine Buße tun, indem du dich jetzt für ihn verbiegst. Du kannst nichts dafür, wie es gelaufen ist. Auf die Dauer wird dich das unglücklich machen und dementsprechend die Beziehung belasten …“ Mit großen Augen schaute der Braunhaarige Issei einen Moment an. Was sagte er da? Dass er sich verbog? Dass er nicht mehr er selbst war? Wollte er das andeuten? „Ich –“, fing Iwa an, hielt dann aber inne und zog die Stirn in Falten. Mattsun hatte recht. Er tat Buße, dafür, dass er Toru so lange unbeabsichtigt hatte leiden lassen. War das falsch? Aber der Setter wirkte so glücklich gerade. Also konnte das doch nicht falsch sein, richtig? Und so sehr verbog er sich jetzt nun auch nicht. Oder? Er war unsicher, denn immerhin war es dem Schwarzhaarigen ja aufgefallen. „Denk in Ruhe darüber nach. Du solltest halt nur aufpassen, damit es nicht irgendwann doch noch zu einem Streit führt. Was ist zum Beispiel mit deinem Gitarrenunterricht? Wolltest du dir da nicht jemanden suchen?“ „Ja, aber das lag nicht an Toru. Mit der Prüfungsphase und Abgabe der Hausarbeit hatte ich auch einfach nicht die Zeit.“ „Aber das ist doch schon fünf Wochen her?“ Meine Güte, was war denn mit Mattsun los, dass er da jetzt so hinterher war? Sein Unmut über das Gespräch stand ihm wohl so offensichtlich ins Gesicht geschrieben, dass Matsukawa eine Augenbraue hob und zu einer weiteren Erklärung ansetzte: „Was ich sagen möchte, ist, dass auch Hanamaki und ich noch eigene Hobbys haben. Und das ist wichtig, denn du hast ja auch deine eigenen Bedürfnisse und die sollen auch in einer Beziehung nicht zu kurz kommen. Ich will dich damit jetzt nicht ärgern, sondern möchte nur, dass du das im Blick behältst. Ihr habt euer Glück verdient und das soll ja noch lange anhalten, hm?“ „Was studierst du noch gleich, Mattsun?“ „Wirtschaft und Management, wieso?“ „Du solltest Paartherapeut werden“, murmelte Iwaizumi und drehte sich um, um vom Schrank ein großes Tablett herunterzuholen. Als Matsukawa darauf antwortete, konnte er das Lächeln deutlich heraushören: „Nein, das mach ich nur für euch. Bei noch mehr Paaren wird mir das zu anstrengend.“ „Na hoffen wir mal, dass wir dich nicht zu oft in Anspruch nehmen müssen“, brummte das Ass und bedankte sich, als der Schwarzhaarige zwei lecker angerichtete Frühstücksportionen auf das Tablett stellte. Es gab Reis, geschmortes Gemüse und dazu noch etwas Fisch. Damit würden sie für den Tag gut vorbereitet sein und er schlenderte in sein Zimmer rüber, wo Toru sich gerade verschlafen über das Gesicht rieb. Auch wenn er das nie gedacht hätte, aber er sah dann schon ziemlich süß aus. „Guten Morgen Iwa-chan“, nuschelte er und gähnte noch einmal herzhaft, ehe sein Blick auf das Tablett fiel. „Frühstück im Bett?“, hakte er sofort – beinahe euphorisch – nach und das Ass lächelte ihn an, als er nickte. „Ja, Mattsun ist schon wieder zurück und daher war er so nett, mir zu helfen.“ In mehrfacher Hinsicht, aber das spielte gerade keine Rolle. Über das Gespräch musste er sich zunächst selbst Gedanken machen, bevor er da vielleicht nochmal mit ihm darüber sprechen würde. Stattdessen positionierte er das Tablett auf dem Bett, nachdem Oikawa sich mit verwuschelten Haaren aufgesetzt hatte und mit glücklichem Blick das Essen studierte. Vorsichtig setzte er sich im Schneidersitz gegenüber hin und sie begannen zu essen. Es war wirklich jedes Mal aufs Neue sehr lecker, was der Schwarzhaarige zubereitete und sie genossen es in Ruhe, als Toru ihn auf einmal ansprach: „Haben wir dieses Wochenende eigentlich etwas vor?“ „Nein, ich war mir nicht sicher, ob du das Angebot heute noch irgendwie feiern wolltest und Sonntag ist Uni Tag. Ich muss da noch einiges aufarbeiten und erledigen.“ „Okay, dann werde ich morgen noch ein bisschen über die Tokyo Samurais recherchieren. Wenn es zu den Verhandlungen kommt, will ich gut vorbereitet sein. Spielerberater hin oder her.“ Hajime nickte zustimmend, denn das war sicherlich eine gute Idee. „Wieso ist Mattsun überhaupt schon wieder hier?“, nahm Oikawa den Gesprächsfaden wieder auf, als sie aufgegessen und er das Tablett auf den Boden gestellt hatte. Sofort wurden ihm zwei Arme um den Bauch geschlungen und der Setter kuschelte sich eng an ihn, wollte wohl noch nicht aufstehen und das Ass ließ es zu und sich wieder in die Kissen sinken. „Er meinte, dass Makkis Schwester wieder da wäre und die Zwei zusammen frühstücken und den Tag verbringen wollten.“ „Ach wie schön! Dann kann er ihr ja auch endlich persönlich von dem Antrag vorschwärmen. Das war schon echt blödes Timing, dass sie eine Woche vor dem Antrag nach Europa geflogen ist.“ „Stimmt, aber die Arbeit ging vor. Außerdem hat sie ja hoch und heilig versprochen, dass sie sich für die Hochzeit freinimmt. Egal, wann sie stattfinden wird“, erwiderte Iwaizumi und konnte sich richtig vorstellen, wie sie mit Händen in den Hüften dastand, Hanamaki anfunkelte und ihm an den Kopf warf, dass er ihr gefälligst rechtzeitig Bescheid geben sollte, damit sie Urlaub einreichen konnte. Vom Charakter her war sie ihrem Bruder halt nicht unähnlich. Auch sie war sehr selbstbewusst und konnte sehr frech werden. „Also Schatz? Was machen wir heute?“ „Kuscheln?“ Oikawa sah ihn mit Kulleraugen von unten her an und das Ass schmunzelte. „Was denn? Einfach faul im Bett liegen bleiben? Wenn Makki heute Abend zurück ist, müssen wir wenigstens rübergehen, damit du den Beiden von dem Angebot erzählen kannst.“ „Klar, das mach ich! Aber bis dahin … Will ich schmusen und entspannen.“ Als Bestätigung, dass das für ihn in Ordnung war, zog er seinen Freund enger an sich, was diesen leise schnurren ließ. Toru entspannte sich vollkommen unter seinen Armen und er strich ihm liebevoll den Rücken rauf und runter. Es war gerade einmal kurz nach 17 Uhr, als Hanamaki zurückkehrte. Toru und er hatten sich mittlerweile auf ein Sofa im Wohnzimmer gelegt und schauten in Ruhe eine Dokumentation über berühmte Herrscher, als der Rosahaarige hereinkam. „Hey zusammen! Na, alles fit? Wart ihr auch artig gestern Abend?“ „Na, du bist ja gut gelaunt. Also war es schön mit deiner Schwester?“, gluckste der Setter und drehte den Kopf auf seiner Brust, um ihn ansehen zu können. Iwaizumi hatte durchaus mitbekommen, dass Oikawa die Fragen gekonnt ignoriert hatte, doch im Gegensatz zu sonst ließ Taka das unkommentiert durchgehen. Entspannt ließ dieser sich auf das zweite Sofa fallen und nickte. „Ja, der Aufenthalt in Großbritannien war ein voller Erfolg! Die Chefs sind sehr zufrieden mit ihr und sie wird sogar in zwei Monaten zur Abteilungsleiterin befördert. Das einzig schlimme dort ist wohl das Essen. Da wird fast alles frittiert und ist superfettig.“ Bei der Erzählung verzogen sie alle Drei das Gesicht. Wie konnte man denn nur fettig essen? Das war ja schrecklich! Makki war aber noch nicht fertig, also setzte er erneut zum Sprechen an, als Matsukawa den Raum betrat. Wahrscheinlich war er durch die plötzlich lauten Stimmen angelockt worden. „Ah hey Schatz! Setz dich, ich erzähle den Turteltäubchen gerade von meiner Schwester! Sie wird bald befördert, weil die Chefs so zufrieden mit ihr sind. Aber das Essen ist wohl eine mittlere Katastrophe mit viel Fett!“ „Das freut mich für deine Schwester. Sie hat sich das verdient, nach allem, was sie für die Firma geleistet hat. Und wie geht es ihr sonst?“ Iwa beobachtete, wie Matsukawa sich zu seinem Verlobten setzte und ihm einen kurzen Kuss gab, dann hob er den Arm und sofort kuschelte sich Makki eng an ihn. Er grinste gut gelaunt und setzte seine Erzählung fort: „Jedenfalls war es wohl abgesehen vom Essen sehr cool und auf jeden Fall einen Urlaub wert. Aber ich habe ihr schon gesagt, dass die Hochzeitsreise woanders hingeht.“ „Gibt es etwa Neuigkeiten!? Ich will alles wissen! Raus damit!“, forderte Toru sofort wissbegierig und stützte sich mit den Händen auf seinen Oberkörper, um sich anders hinzusetzen. Iwa grinste nur, denn nun war es der Setter, der die Zwei so lange löchern würde, bis er jede Antwort hatte, die er haben wollte. Denn der Hochzeit der Beiden fieberte Oikawa wie kein anderer entgegen. „Ja, wir verschicken morgen die Einladungen an alle. Unsere Hochzeit wird am 30.03. stattfinden. An dem Tag hatte Mattsun mir gesagt, dass er sich in mich verliebt hat und deswegen haben wir uns dafür entschieden“, erklärte Taka und Iwaizumis Grinsen wurde noch ein Stück breiter, als er entgegnete: „Wohl eher hast du versteckter Romantiker auf dem Datum beharrt, was?“ Sie hörten alle ein leises „Pöh!“ und Mattsun schmunzelte, als er ihm ein Küsschen auf die Haare gab und das Wort übernahm: „Wir haben uns beide auf das Datum geeinigt und außerdem fällt es in den Beginn der Kirschblütenzeit. Ansonsten planen wir gerade die Feier, die wir noch ausrichten möchten, aber da gibt es noch nichts Konkretes. Und was die Hochzeitsreise angeht, haben wir entschieden, dass wir nach Italien fliegen wollen. Wahrscheinlich machen wir eine Rundreise, um verschiedene Ecken des Landes zu sehen.“ „Italien? Wie kommt ihr darauf?“, fragte Iwa überrascht, da ihm bisher noch nicht aufgefallen war, dass einer von ihnen eine besondere Beziehung zu dem Land hätte. „Seine Großeltern sind schuld! Die waren vor zwanzig Jahren mal in Europa für eine Rundreise und Italien hat ihnen besonders gefallen und sie haben uns beim letzten Besuch so davon vorgeschwärmt und Fotos gezeigt, dass wir uns selbst davon überzeugen wollen“, erläuterte Makki und griff nach den Chips, die auf dem Tisch standen. Genüsslich schob er sich welche in den Mund, während Toru nebenbei nach einer Italien Doku auf YouTube suchte, um sich ein besseres Bild machen zu können. „Aber sag mal, was habt ihr denn noch für Neuigkeiten? Du hast mich da heute Morgen neugierig gemacht.“ Über den Themenwechsel etwas verwundert, schauten alle Matsun an, der wiederum Iwaizumi anschaute. Doch bevor er irgendetwas dazu sagen konnte, meldete sich der Setter zu Wort: „Ihr müsst mir versprechen, dass ihr das für euch behaltet. Davon darf noch niemand erfahren, besonders keiner aus dem Volleyballteam. Versprecht es!“ Verdutzt sahen sich die Verlobten an, dann nickten sie und wandten sich wieder Oikawa zu. „Wir versprechen es“, sagte Hanamaki mit ungewöhnlich ernster Stimme und beruhigt atmete sein Freund neben ihm tief durch. Seine Haltung veränderte sich, er wurde hibbeliger und verkündete stolz: „Ich habe gestern nach dem Training ein Angebot der Tokyo Samurais bekommen, ab der nächsten Saison für sie zu spielen!“ „Ach Quatsch! Echt jetzt!?“, hakte Makki nach. Seine Augen weiteten sich und seine Stimme ungewöhnlich hoch vor Überraschung. „Ja wirklich! Ich kann es ja selbst kaum glauben, aber unser Trainer kennt den Scout und hat wohl gemeint, dass er sich mal Spiele von uns anschauen soll und das hat er dann tatsächlich getan. Das Achtelfinale hat Herr Tanaka – so heißt der Scout – aufgezeichnet und dem Trainer gezeigt und dem fiel tatsächlich meine Leistung auf! Der will mich für sein Team! Das ist so unglaublich! Die Tokyo Samurais!“ Toru strahlte und Iwaizumi strich ihm lächelnd über den angespannten Rücken. Noch immer wirkte er genauso überwältigt wie gestern in der Umkleide und das Ass konnte sich nur ansatzweise vorstellen, wie berauscht er sich von dem Angebot fühlen musste. Die Glückshormone sprudelten jedenfalls noch immer über. Das war nicht zu übersehen. „Krass! Herzlichen Glückwunsch dazu! Dann wirst du also wirklich Profivolleyballer, ja? Ich meine, so ein Angebot darfst du dir nicht entgehen lassen! Die Tokyo Samurais! Das beste Team der Liga! Und die wollen dich! Verdammt, das ist der Wahnsinn! Ich kann es nicht fassen!“, plapperte Hanamaki wild gestikulierend vor sich hin und stand auf. Matsukawa und Oikawa taten es ebenfalls und nacheinander umarmten die Zwei den Setter, während Hajime sich aufsetzte und lächelnd zuschaute. Er hatte ihm schon mehrfach gratuliert, da musste er sich jetzt nicht auch noch in das Gruppenkuscheln einmischen. Sie beglückwünschten ihn, wobei Mattsun etwas zurückhaltender in seiner Freude war. Ob das mit ihrem Gespräch am Morgen zusammenhing? Andererseits interpretierte er da wahrscheinlich zu viel hinein, denn der Schwarzhaarige war schon immer mehr der stillere Typ. Was nicht hieß, dass er sich nicht freute, nur sprudelte es nicht so aus ihm heraus wie bei Makki oder Oikawa. Wahrscheinlich passten die Zwei deswegen so gut zusammen. Taka lockte Issei hin und wieder hervor, während er wiederrum den Rosahaarigen bändigen konnte. „Das müssen wir feiern! Und dann erzählst du uns ganz in Ruhe, was genau da gestern Abend los war!“, forderte Hanamaki und holte sein Smartphone aus der Hosentasche, um Essen zu bestellen. Der Abend war also noch lange nicht vorbei. Kapitel 7: Die Familienbesprechung ---------------------------------- Sonntag, 19.11. Den ganzen Nachmittag und Abend hatten sich Iwa, Mattsun, Makki und er über die Tokyo Samurais, die Hochzeit und Italien unterhalten. Gemeinsam hatten sie sich eine Dokumentation über das Land angeschaut und Toru die Verlobten daraufhin dazu genötigt, dass sie ganz viele Filme drehen und Fotos schießen sollten. Das schien ein sehr interessantes Land zu sein, von dem er unbedingt einen besseren Eindruck gewinnen wollte. Zu seiner Überraschung war besonders Hanamaki Feuer und Flamme und vielleicht hatten sie sich beide etwas in ihre Themen hineingesteigert, doch ihre Partner hatten es mit Fassung ertragen und sie ab und zu etwas auf den Teppich zurückgeholt. Oikawa hatte es sehr genossen und am Abend noch lange mit Hajime gekuschelt und geknutscht. Nun war es Sonntagnachmittag und genauso wie die drei anderen saß er an seinem Schreibtisch und beschäftigte sich mit Unikrams. Zwar würde das wahrscheinlich bald kein Thema mehr für ihn sein, doch bis dahin wollte er vernünftig arbeiten. Sollte es aus irgendwelchen Gründen nicht zu einem Vertrag kommen, würde er sonst dumm dastehen und auf diese Blamage konnte er gut verzichten. Dennoch hielt sich seine Motivation schon in Grenzen, das konnte er nicht leugnen. Immer wieder driftete er in Gedanken ab, wie er in der Tokioter Sporthalle im schwarz-roten Trikot der Tokyo Samurais auflief und dem Angreifer den perfekten Ball zuspielte, sodass sie das Spiel gewannen. Sie klatschten sich alle grinsend ab, das Publikum jubelte über ihren Sieg und auf der Tribüne entdeckte er Hajime, der ihn glücklich anlächelte und den Daumen nach oben zeigte. Sein Herz stolperte vor Freude und er bemerkte, wie er strahlte. Plötzlich schien es, als könnten nach der schweren Zeit alle Träume in Erfüllung gehen. Das Glück durchflutete ihn nach wie vor wie warme Sonnenstrahlen und er war ganz hibbelig. Doch er hatte Iwa versprochen, jetzt nicht mit dem Training zu übertreiben. Ihm war ja selbst klar, dass sein Körper Pausen brauchte, aber er wollte so gern noch Volleyball spielen heute! Schließlich musste er doch in der Form seines Lebens sein, wenn er mit den Tokyo Samurais begann zu trainieren. Egal jetzt. Es würde ihn nur in Schwierigkeiten bringen, wenn er dem Verlangen jetzt nachgab. Oikawa musste noch die letzte Management Vorlesung durcharbeiten und das hatte jetzt Vorrang, so sehr er sich auch anderes wünschte. Also riss er sich zusammen und begann die Folien durchzuarbeiten, damit er möglichst schnell fertig war, auch wenn es ihm schwerfiel, seine Konzentration zusammenzuhalten. Nachher würde er auch noch ein Videotelefonat mit seinen Eltern und seinem Bruder führen. Da wollte er ihnen auch noch davon berichten. Und er wollte noch Mai und Shinichi anrufen, immerhin waren sie so etwas wie seine Zweiteltern, auch wenn er sie nicht mehr mit Mum und Dad ansprach, seit er sich mit seinen eigenen ausgesöhnt hatte. Das kam ihm dann doch seltsam vor. Dann waren alle wichtigen Menschen eingeweiht. Wie sie wohl alle auf die Nachricht reagieren würden? Lächelnd saßen seine Mutter und sein Vater vor der Laptopkamera und winkten ihm zu. „Hallo Toru! Gut siehst du aus!“, meinte seine Mum lächelnd und sein Paps nickte neben ihr. „Danke, ihr aber auch“, erwiderte er grinsend und winkte, als ein zweites Bild erschien mit Takeo, Ayaka und Takeru, der auf dem Schoß seiner Schwägerin saß. „Hallo zusammen!“, rief der Knirps und winkte fröhlich in die Kamera, was seine Eltern und er sofort erwiderten. „Hallo Takeru, alles gut bei dir, großer Mann?“, wollte Kanaye wissen und bekam ein eifriges Nicken. „Ja! Ich bin seit letzter Woche Kapitän unserer Volleyballmannschaft, weil unser bisheriger mit seinen Eltern umziehen musste. Du Toru, kann ich mich bei dir melden, wenn ich da Hilfe brauche?“, wollte er direkt wissen und der Violetthaarige lächelte ihn an. „Na klar doch! Ich bin stolz auf dich, dass du jetzt Kapitän bist und absolut sicher, dass du dieser Aufgabe gewachsen bist! Du wirst das Team zu den nächsten Siegen führen, aber das wichtigste ist, dass ihr alle gemeinsam Spaß habt, hörst du? Setze dich und die anderen nicht zu sehr unter Druck. Das geht nur nach hinten los.“ „Okay! Ich werde darauf achten!“, versprach er mit vor Stolz geschwellter Brust und Ran schmunzelte. „Du warst früher genauso, Toru. Süß zu beobachten, wie ähnlich ihr seid. Mal sehen, ob das so bleibt.“ „Na hoffentlich nicht! Wir sind schließlich beide einzigartig“, meinte der Setter und zwinkerte Takeru zu, der heftig nickte. „Richtig Oma! Ich werde viel cooler sein als Toru!“ Alle lachten gut gelaunt und Ayaka strich ihm liebevoll durch die kurzen Haare, während sein Neffe schmollte, weil er sich nicht ernst genommen fühlte. Das kannte der Setter nur zu gut. „Und wie geht es euch sonst so? Erzählt doch mal!“, forderte Ran neugierig und mit einer Handbewegung bedeutete Oikawa seinem Bruder, anzufangen. Dieser erzählte von seinem Job, der zwar nach wie vor anstrengend war, doch der Boss hatte ein Einsehen mit ihm und sie suchten nach einem Assistenten für ihn, damit er entlastet wurde. Das freute Toru, denn sein Sohn hatte einen Papa verdient, der auch für ihn da war und fit, wenn er Zeit mit ihm verbrachte. Und auch seine Frau wirkte sichtlich entspannter als bei ihrem letzten Videotelefonat. Sie berichtete ihnen von ihrem Halbtagsjob, den sie angefangen hatte und man sah ihr an, wie gut es ihr tat, wieder mehr unter Menschen zu kommen. Da ihre Arbeitszeiten als Verkäuferin auf Takerus Schulzeiten abgestimmt waren, hatte er seine Mutter dennoch immer als Ansprechpartnerin da. Alles im Allem schien es, als wären alle Drei sehr glücklich und das freute Toru. Sie hatten ihr Glück verdient und die Wunden seiner selbst auferlegten Isolation verheilten Stück für Stück. Es gab noch viel zu tun, aber die Calls alle zwei Wochen waren ein schöner Weg, um sich regelmäßig auszutauschen. Und sie hörten auch ihm immer aufmerksam zu, hakten nach, wenn er von etwas erzählte, was sie nicht miterlebt hatten und freuten sich, wenn er von schönen Dingen schwärmte – wie Iwas Liebe zu ihm zum Beispiel. „Und wie geht es dir, Toru?“, wollte Kanaye wissen, nachdem Ayaka und Takeo ihre Erzählungen abgeschlossen hatten. Er wollte gerade den Mund öffnen, als es irgendwo klingelte und sofort stand Ran auf und sagte: „Entschuldigt bitte kurz. Es klingelt gerade bei uns an der Tür! Ich schau eben, wer das ist und dann sind wir soweit!“ Mit den Worten verschwand sie aus dem Bild und Toru wandte sich in der Zwischenzeit seinem Bruder zu. „Ähm, ich weiß, das klingt jetzt wirklich fies, aber ich habe was zu erzählen, was leider noch nichts für Takerus Ohren ist … Entschuldige Kleiner, aber das ist nur was für die Großen.“ „Och manno! Immer diese Erwachsenengespräche! Du bist doof, Toru!“, quengelte Takeru und kletterte sofort von Ayakas Schoß, um zu schmollen. Wie Oikawa schätzte, in seinem Zimmer, wo er die Tür knallen würde, um seinen Unmut nochmal zu verdeutlichen. Keine zehn Sekunden später hörte er ein leises Knallen und der Setter grinste innerlich. Sie waren sich wirklich ähnlich. „Na da bin ich aber echt gespannt, was du zu berichten hast!“, meinte Takeo und er sah den musternden Blick. Dieser typische, scannende Blick des großen Bruders, ob alles in Ordnung war oder ob er irgendwen vermöbeln musste, weil der kleine Bruder Stress hatte. „Es sind großartige Neuigkeiten, aber sie müssen noch geheim bleiben und ich fürchte, dass Takeru das nicht könnte. Deswegen wollte ich, dass er es noch nicht hört“, erklärte der Violetthaarige und setzte sich etwas anders hin, als er eine weitere bekannte Stimme hörte: „Wer darf was noch nicht hören?“ Eine Sekunde später winkte Shinichi hinter seinem Vater in die Kamera und auch Mai erschien neben ihm. „Hallo zusammen“, begrüßte sie alle lächelnd und seine Mutter holte noch zwei Stühle, damit sie sich dazusetzen konnten. „Ist doch in Ordnung, wenn sie dabei sind, oder?“, vergewisserte sich Kanaye und Toru nickte. „Ja, auf jeden Fall! Dann muss ich nachher nicht nochmal telefonieren. Passt also perfekt!“ „Na umso besser. Dann lohnt sich unser Überraschungsbesuch ja doppelt“, freute sich Shinichi und alle grüßten sich kurz, bis es wieder ruhiger wurde und Takeo endlich wissen wollte, was denn nun los war. „Was ich euch jetzt sage, wissen sonst nur Iwa, Makki und Mattsun und muss bis auf Weiteres unbedingt unter uns bleiben!“, schärfte der Setter ihnen ein und alle versprachen, mit niemandem sonst darüber zu reden. Wieder wurde er ganz nervös, was seinen Körper dazu veranlasste, zu schwitzen und seinen Herzschlag zu beschleunigen. Aufgeregt spielte er unter dem Tisch mit seinen Fingern, um sich abzulenken. „Also gut. Nach dem Training Freitagabend hatte ich noch ein Gespräch mit dem Trainer bzw. hat er noch jemanden dazu geholt und ihr glaubt nicht, wen!“ Mai quietschte und hielt sich die Hände vor den Mund. „Jemand von der Nationalmannschaft?“, fragte sie sofort neugierig, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, aber so ähnlich. Die Tokyo Samurais wollen mich nächste Saison in ihrem Team!“ Plötzlich wurde es auf seinen Kopfhörern laut, denn alle quatschten durcheinander, gratulierten, freuten sich und konnten es genauso wenig glauben wie er anfangs. Sein Herzschlag beschleunigte sich noch etwas und Oikawa hatte Angst, dass es wegen Überforderung einfach aufgab, als er sah, wie sich alle freuten und Ran strahlte in die Kamera: „Wir sind so stolz auf dich, mein Sohn! Du hast dieses Angebot so sehr verdient!“ „Ja, das hast du allerdings! Großartig! Von da aus ist ja auch der Weg zur Nationalmannschaft nur ein Katzensprung! Ich habe gerade gestern gelesen, dass viele Spieler der Tokyo Samurais in die Nationalmannschaft aufgenommen werden!“, freute sich Takeo und grinste ihn breit an. „Ach, das hast du gelesen?“, zog Toru ihn schmunzelnd auf und dieser entgegnete pikiert: „Ja, habe ich! Wenn mein kleiner Bruder von seiner Leidenschaft erzählt, will ich schließlich auch verstehen, worum es geht!“ „Er hat sogar extra eine Zeitschrift abonniert, um auf dem Laufenden zu bleiben.“ Ayaka zwinkerte in seine Richtung und er wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte. Das tat Takeo für ihn? Was für eine tolle Geste! Und er hatte so ziemlich keine Ahnung, was sein Job war … Das machte ihm schon ein kleines schlechtes Gewissen, denn offenbar gab sich sein Bruder sehr viel Mühe, die Beziehung zu ihm zu verbessern. Er sollte da auch mehr tun. Das nahm er sich vor! „Und gibt es denn da jetzt schon ein konkretes Angebot? Also ich mein, es ist einfach der Wahnsinn, dass einer des Vereins auf dich zukommt, um dich anzuwerben, aber gibt es da shcon mehr Informationen zu?“, wollte Shinichi wissen und saß mit stolzgeschwellter Brust da, als wäre er sein leiblicher Sohn. „Wahnsinn?“, echoten Mai und Ran und schauten sich grinsend an. „Ja, ist es das etwa nicht?“, hakte er verwirrt nach. „Überhaupt nicht!“, fing Ran an und Mai sprach weiter: „So sehr, wie Toru sich ins Zeug legt und auf diesen Traum hinarbeitet, war es nur eine Frage der Zeit! Schließlich spielt er immer auf höchstem Niveau und das musste den Vereinen doch auch mal auffallen! Dafür haben die sich schon echt Zeit gelassen.“ „Mach dir nichts draus, Shinichi. Ich wollte auch was mit Wahnsinn sagen …“, murmelte Kanaye neben ihm schief grinsend, während dieser abwehrend seine Hände hob. „Okay, okay. Habe ich verstanden und ich stimme zu!“ Sie lachten alle und Toru erklärte ihnen danach in Ruhe, wie das Gespräch verlaufen war und dass es noch nichts Konkretes gab. Ayaka räusperte sich danach kurz und ergriff das Wort: „Du kannst wirklich stolz auf dich sein, Toru, und ich möchte nicht der Spaßverderber sein, aber bedenke bitte auch, was dieser Vertrag bedeuten würde. Du wirst im Licht der Öffentlichkeit stehen, Interviews geben, vielleicht auch Sponsorenverträge bekommen. Besprich dich bitte vorher mit Iwaizumi, wie ihr mit dieser Lage umgehen wollt. Das wird eine große Umstellung für eure Beziehung bedeuten und die ist ja noch sehr frisch. Redet da bitte offen miteinander, was für euch geht und was nicht, damit du das auch mit in die Verhandlungen nehmen kannst. Es wäre schließlich schlimm, wenn eure Beziehung das nicht schaffen würde, weil ihr darüber vorher nicht gesprochen habt.“ Da sagte sie was. In der Tat gab es da noch einiges zu besprechen – dessen war er sich bewusst – und das würde er auch noch mit Hajime tun, damit es späterhin zu keinen Missverständnissen kam. Dafür waren sie noch nicht lang genug zusammen, um das einfach so wegstecken zu können. Es dämpfte seine Freude kurz, doch andererseits war er sich sicher, dass sie das hinbekommen würden. Ein Klopfen an der Tür irritierte den Setter und er wandte den Blick kurz vom Bildschirm ab, ohne den anderen Bescheid zu sagen. „Ja?“ Die Tür ging auf und sein Freund stand da, entspannt in Schlabbershirt und Jogginghose und doch unwiderstehlich sexy für ihn. „Mattsun sagt, dass das Abendessen fertig ist. Kommst du?“ „Ja gleich! Komm kurz her, Schatz! Ich telefoniere gerade mit unseren Eltern“, forderte Toru lächelnd und streckte seine Hand aus. Schief grinsend schlenderte das Ass zu ihm, stellte sich hinter ihn und legte die Hände auf seine Schultern. Augenblicklich bekam Toru eine Gänsehaut und Hajime beugte sich mit dem Kopf vor, sodass er direkt neben seinem war. „Oha, hier ist ja richtig große Runde angesagt. Dann mal Hallo zusammen!“ „Hallo Großer, wie geht es dir?“, fragte Shinichi lächelnd und Toru lehnte sich nach hinten an Iwas Schulter und kuschelte sich sanft an ihn. Er liebte dieses Gefühl von heiler Welt, dass ihn gerade umgab. Am liebsten würde der Violetthaarige die Zeit anhalten, was ihre Verhältnisse zueinander anging. Natürlich wollte er den Vertrag unterschreiben und spielen, aber ansonsten sollte es für immer so friedlich und harmonisch sein wie jetzt. „Bei mir ist alles super. Uni läuft soweit und auch sonst gibt es keine besonderen Vorkommnisse bei mir.“ „Das überlässt du lieber Toru, was?“, vermutete Ayaka schmunzelnd und Hajime nickte. „Ja, reicht ja, wenn ein Leben aufregend für Zwei ist. Aber keine Sorge, ich werde ihn schon bändigen.“ Das Ass grinste und wuschelte ihm durch die Haare, was ihn beleidigt die Wangen blähen ließ. „Na mal sehen, ob ich das zulasse!“ „Ich bin mir sicher, dass du das wirst“, schnurrte er leise in sein Ohr, sodass die anderen ihn nicht hören konnten und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Eine leichte Röte schlich sich auf seine Wangen und auf dem Bildschirm waren sechs grinsende Gesichter. Ihn so vor den anderen in Verlegenheit zu bringen! „Ist denn bei euch auch alles soweit gut?“, wandte sich das Ass wieder den anderen zu und diese berichteten kurz, dass nichts Schlimmes passiert war und es keinen Grund zur Sorge gäbe. Dann verabschiedeten sie sich alle voneinander und kaum, dass der Bildschirm zugeklappt war, gab Hajime ihm noch einen Kuss, dieses Mal aber auf den Mund. „Na los, ich habe Hunger“, murmelte er gegen die Lippen, was den Setter dazu veranlasste, ihm die Arme um den Nacken zu schlingen. „Ja, ist gut“, stimmte Oikawa grinsend zu und löste den Kuss erst, als der Braunhaarige ihm in die Seite zwickte. Kapitel 8: Die Vertretung ------------------------- Mittwoch, 22.11. Der Schweiß rann ihm über die Stirn, die Schläfen und dann zum Kinn, wo er ins Trikot sickerte. Mit einer schnellen Handbewegung wischte er ihn weg und der Blick fixierte Kageyama, der auf der anderen Spielfeldseite mit dem Aufschlag dran war. Es gelang ihm ein perfekter Sprungaufschlag, doch von ihm war das nicht anders zu erwarten gewesen. Iwaizumi stand neben dem Spielfeld und beobachtete das Geschehen – insbesondere seinen schwitzenden Freund – misstrauisch. Mittlerweile trainierten Oikawa, Kageyama, Hinata, Bokuto, Kuro und Tsukishima fast neun Stunden. Das offizielle Training war schon lange vorbei, doch nach jedem Satz wurde eine Revanche der Verlierer gefordert. Sobald dieses Spiel vorbei war, würde er Toru vom Feld schleifen. Ob er wollte oder nicht. Das war Hajime egal. Sein Ehrgeiz, seit er das Angebot bekommen hatte, war so ungesund wie nie zuvor. Nie hätte Iwa gedacht, dass man die Welt um sich herum so ausblenden konnte. Seit Tagen stritten sie nach jedem Training, da Oikawa einfach nicht aufhören wollte. Er hatte jegliches Maß verloren. Es zehrte an seiner Substanz, dass sein Freund nicht mehr aus diesem Tunnel herauskam. Inzwischen glaubte Hajime, dass es schon mehr eine Trotzreaktion auf ihre Streitereien war. Irgendwie entglitt ihm Toru immer mehr und das Ass wusste nicht, wie er wieder zu ihm durchdringen konnte. Es war ja nicht so, dass er ihm etwas Böses wollte. Es war das genaue Gegenteil. Iwaizumi sorgte sich um den Setter, wollte, dass er regelmäßig Pausen nahm, damit sein Körper sich erholen konnte. Die Muskeln brauchten die Ruhe, um sich regenerieren zu können. Ihr letztes Date war außerdem bestimmt schon sechs Wochen her. So genau konnte er das gerade gar nicht sagen. Vielleicht waren es auch fünf oder sieben. „Sie werden sich kaputtmachen … Alle Fünf“, murmelte Akaashi neben ihm traurig und umfasste mit einer Hand einen Ellbogen. Offenbar nahm ihn das genauso mit wie ihn selbst. „Ja …“, stimmte Iwa leise zu und war sich nicht einmal sicher, ob der Setter neben ihm das gehört hatte, da die andern auf dem Spielfeld ihre Befehle riefen. Wie konnten sie diese Dynamik nur durchbrechen? Und wie sollte ihre Beziehung das noch länger schaffen? Langsam gingen ihm die Ideen aus, wie er Oikawa davon überzeugen konnte, kürzer zu treten. Schwer seufzend strich sich das Ass über das Gesicht. Wie konnte er seinem Freund klar machen, dass das hier ihm keine Vorteile brachte? Dass er seinen Körper überanstrengte? Das Ass wusste es nicht. Und was noch schlimmer war: Ihm fehlte allmählich die Energie, um das noch weiter mitmachen zu können. Er wollte nicht dabei zusehen, wie sein Partner sich Stück für Stück kaputt machte. Das würde er nicht verkraften können. In seinen Grübeleien gefangen, hatte er noch immer die Hand auf seinem Gesicht liegen und die Augen geschlossen, als ein markerschütternder Schmerzensschrei durch die Halle schallte. Erschrocken zuckte das Ass zusammen, starrte kurz auf das Spielfeld und rannte sofort zu Oikawa, der sich vor Schmerzen krümmend auf dem Boden lag und sich den Oberschenkel hielt. Mit wild klopfendem Herzen kniete er sich neben ihn und sah, wie er sich auf die Unterlippe biss und Tränen in den Augen hatte. „Toru!“ Panisch schreckte Iwaizumi aus dem Schlaf, die Hand zur Decke ausgestreckt, als wollte er nach dem Traum greifen, um dem Setter noch helfen zu können. Shit. Was war das denn gewesen? Dieser Traum … Er hatte sich so real angefühlt und er glaubte noch den Schrei in seinem Ohr zu hören. Leicht zitternd griff er in das Bettlaken neben sich, doch wie erwartet war es leer. Toru saß bereits in einer Vorlesung, während seine erste ausgefallen war. Irgendwie war er ganz froh darum, denn er wollte nicht, dass Oikawa ihn so fertig sah. Dann müsste er begründen, warum und das würde sicherlich in einer Diskussion enden. Nein, das Thema würde bestimmt sowieso noch mal auf den Tisch kommen und einmal streiten reichte ihm. Dennoch machte er sich Gedanken darum, wie es gar nicht erst so weit kommen konnte. Denn ob ihm das gefiel oder nicht – und das tat es definitiv nicht – so unrealistisch war das Szenario keineswegs. Wenn er ehrlich zu sich war, war es viel zu wahrscheinlich, dass sie früher oder später an diesen Punkt kamen. Dreck, das wollte das Ass nicht. Weder dass sie sich tagelang stritten, noch dass sich Toru bei einem Training verletzte. Langsam setzte sich Iwa auf, strich sich durch die verschwitzten Haare. Wie sollte er seinen Freund darauf ansprechen? Seufzend dachte er daran zurück, wie sie vor ein paar Monaten wegen des Themas schon einmal einen großen Streit gehabt hatten. Um Oikawa zu verdeutlichen, wie sehr ihn das getroffen hatte, hatten sie eine Woche praktisch nicht miteinander gesprochen. Und wieder zusammengefunden hatten sie, weil sich der Setter verletzt hatte … Nein, sie mussten das ohne Verletzung klären. Außerdem hatte Toru ihm am Freitag versprochen, nicht zu übertreiben. Das war zwar lieb von ihm, aber so wie er ihn kannte, schnell vergessen, wenn sein Ehrgeiz erst einmal geweckt war. Verdammt, das Grübeln brachte ihn jetzt auch nicht weiter. Gleich musste auch er zur Uni, also sollte er sich endlich mal aus dem Bett bewegen. Mit schlechter Laune trottete Iwaizumi ins Bad, duschte kalt und machte sich für den Tag bereit. „Oikawa!“, rief Bokuto, während er zum Netz rannte und der Setter spielte ihm einen perfekten Ball zu, den die Eule mühelos in einen Punkt verwandelte. Sie klatschten sich grinsend ab und das Spiel wurde fortgesetzt. Mit verschränkten Armen hatte sich Iwaizumi vor die Trainerbank gestellt und beobachtete die Szenerie misstrauisch. Es war wie in seinem Traum letzte Nacht, nur dass sich Toru und er nicht stritten und das Training noch keine neun Stunden dauerte. „Kann man dir helfen?“, erkundigte sich Akaashi mit gedämpfter Stimme neben ihm. Als sich Iwa zu ihm umdrehte, schaute er ihm direkt in die Augen, die ihn zwar aufmerksam musterten, aber gleichzeitig eine angenehme Ruhe ausstrahlten. Kein Wunder, dass die Eule seit Beginn der Beziehung ruhiger geworden war. „Nein, wieso?“ „Das ganze Training schon siehst du so schlecht gelaunt aus. Wenn du drüber reden möchtest, sag Bescheid.“ Iwaizumi seufzte leicht genervt. „Ich frage mich nur, warum wir schon vor dem offiziellen Training anfangen müssen. Es ist ja nicht so, als hätten wir wegen der Meisterschaft nicht schon sechs Mal die Woche drei Stunden Training und meistens überziehen wir selbst da. Und letztes Wochenende hatten wir schließlich nur frei, weil wir das Achtelfinale gewonnen hatten. Das reicht doch, oder sehe ich das falsch?“ Das Ass wandte den Kopf wieder zum Spiel, wollte den prüfenden Blick der jungen Eule nicht länger sehen. Er kam sich dann immer so durchschaut vor und das war das letzte, was er in dieser Situation wollte. „Naja, Fünf von Sechs, die gerade spielen, wollen das in Zukunft professionell tun und da werden sie in den Vereinen wahrscheinlich noch mehr trainieren. Da schadet es doch nicht, den Körper jetzt schon an das Pensum zu gewöhnen, oder nicht?“, fragte der Setter vorsichtig, was Iwaizumi aber nur ein abfälliges Schnauben entlockte. „In den Vereinen werden sie aber auch von einem professionellen Trainerstab betreut.“ „Iwaizumi, was –?“ Weiter kam Akaashi nicht, denn die Hallentür wurde geräuschvoll aufgerissen. Reflexartig schauten alle hin, sodass der Ball zu Boden fiel und wegkullerte, was sich ungewöhnlich laut anhörte. Im besten Stechschritt kam ein älterer Herr herein. Er trug einen Trainingsanzug, unter dem ein sportlicher Körper zu sein schien. Die dunkelbraunen Augen wirkten in der Entfernung mehr schwarz, die Gesichtszüge waren angespannt und hart. Wer war der Mann? „Hallo Team! Antreten!“, bellte er mit donnernder Stimme, was durch den Hall noch autoritärer und aggressiver klang. Sie tauschten untereinander Blicke aus und trabten dann unruhig zu ihm. Komi, Inouka und Yamaguchi betraten gerade die Halle – waren nicht schon seit über einer Stunde da – und sahen so verwirrt aus, wie das Ass sich fühlte. Eins jedoch war ihm klar. Der Mann war ihm durch und durch unsympathisch. So richtig traute sich niemand, den Mann anzusprechen, während dieser das Klemmbrett vor den Oberkörper hielt und aus einer Hosentasche einen Kugelschreiber hervorholte. Die Stimmung war hochgradig angespannt. „Akaashi?“ „Anwesend!“ „Bokuto?“ „Anwesend!“ „Hanamaki?“ „Bin da!“ Einen kurzen Moment fixierte er den Rosahaarigen, dann fuhr er unbeirrt fort. Der Typ musste bei dem Auftreten auf jeden Fall mal beim Militär gewesen sein, schoss es Hajime durch den Kopf und seufzte innerlich. Das waren ja großartige Aussichten. Als er mit der Liste fertig war, musterte der Trainer jeden eindringlich, durchbohrte sie förmlich mit seinen dunklen Augen und die Stimmung war zum Reißen angespannt. Was sollte das hier werden? Warum war er hier? In einem befehlshaberischen und herrischen Ton bekamen sie die Antworten auf ihre ungestellten Fragen: „Mein Name ist Takahashi und ich werde euch bis Jahresende trainieren. Euer jetziger Trainer hat sich heute Morgen verletzt und die Universität bat mich, die Vertretung zu übernehmen. Deswegen bin ich hier.“ „Waaas? Der Trainer hat sich verletzt? Wie geht es ihm denn?“, wollte Hinata besorgt wissen, doch der alte Mann winkte ab. „Sehe ich aus wie die Auskunft? Seht lieber zu, dass das komplette Team in zehn Minuten aufgewärmt und gedehnt ist!“ Erschrocken, dass er so angefahren worden war, zuckte Hinata zusammen und Iwaizumi sah, dass Kageyama sich einmischen wollte. An seiner Stelle würde er das auch sofort tun, doch Akaashi legte der ehem. Krähe eine Hand auf die Schulter und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Seid ihr taub oder was? Lauft!“, herrschte er sie an und die Gruppe setzte sich geschlossen in Bewegung. „Alter! Was geht denn mit dem?“, brummte Bokuto vor ihm und Kuro neben ihm seufzte. „Ich habe keine Ahnung, Bro!“ „Der soll es wagen, mich einmal anzublaffen“, knurrte Iwa genervt und sah im Augenwinkel, wie Toru zu ihm aufschloss. Seine Miene konnte das Ass gerade nicht richtig deuten, was ihn unbehaglich fühlen ließ. „Toru?“, sprach er ihn mit leiser Stimme an, weil er nicht wollte, dass die anderen das mitbekamen. „Alles gut, Iwa-chan!“ Liebevoll wurde er angelächelt, jedoch glaubte Iwaizumi ihm kein Wort. Dafür kannte er den Setter zu lange und zu gut. Nach außen mochte er sich nun so geben, um keine Schwäche zuzugeben, doch in seinem Inneren war Oikawa ein sehr sensibler und empfindsamer Mensch, der sich Worte von anderen sehr zu Herzen nahm. Außerdem war sich das Ass noch nicht sicher, ob das Lächeln echt war oder nicht. Fiel es ihm so schwer, das zu deuten, weil sie jetzt ein Paar waren? Oder weil er es schon länger nicht mehr gezeigt hatte? Es war zum Haare raufen! „Lüg mich nicht an, Oikawa“, forderte er und klang pissiger als beabsichtigt. „Ich werde mich von dem nicht unterbuttern lassen. Immerhin habe ich Freitag die Bestätigung gekommen, dass ich außerordentlich gut bin. Außerdem würdest du doch im Notfall hinter mir stehen, oder nicht?“ Nein, das würde er nicht. Das Ass würde sich vor ihn stellen, ihn beschützen und den Ärger von seinem Freund fernhalten. Um es ihn Akaashis Worten auszudrücken, als sie sich kennengelernt hatten: Er war Schild und Schwert des großen Königs. Doch das sagte er nicht, er tat sich noch immer schwer, so kitschige Dinge zu äußern – erst recht, wenn sie in der Öffentlichkeit waren. Bei ihren Familien oder Makki und Mattsun war das noch was anderes, aber hier? Wo auch noch dieser komische Trainer da war? Irgendwie kam er sich gerade schon dämlich genug vor, diese Gedanken überhaupt zu haben. Egal jetzt. „Natürlich! Trotzdem dürften die Wochen besonders anstrengend werden, wenn der sich die ganze Zeit so aufführt.“ „Ja, leicht wird es nicht. Aber Iwa?“ Kurz irritiert, weil Oikawa nicht wie sonst Iwa-chan zu ihm sagte, schaute er zu seinem Freund rüber, der ihn argwöhnisch taxierte. „Ich merke schon den ganzen Tag, dass du nicht gut drauf bist und ich wollte dich erst zu Hause darauf ansprechen, aber eins sage ich dir jetzt schon: Unterstelle mir nie wieder, dass ich dich anlüge. Egal, welche Laune du hast.“ Unbewusst zuckte Iwa leicht zusammen. In diesem Moment war der Setter ganz der König des Spielfelds: Selbstbewusst und absolut sicher in seinem Auftreten. Und er hatte recht. Voreilig – wie vor ihrer Beziehung – hatte er ihn der Lüge bezichtigt, doch im Gegensatz zu damals, wo er ihm zusätzlich noch meist einen Ball an den Kopf geworfen hatte, steckte Toru das nicht mehr kommentarlos weg. Das war auch gut so, denn dann hatte er dazu gelernt. Nach all der Zeit, wo er so viele Dinge in sich hineingefressen hatte, sollte er nun offen und ehrlich mit ihm reden. „Entschuldige, das war wirklich nicht fair von mir. Ich werde in Zukunft darauf achten“, versprach Hajime, während die anderen stehen blieben. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass sie ihre Runden fertig gelaufen hatten und als sie sich im Kreis aufstellten, lächelte Toru ihn liebevoll an. In dem Blick war so viel Zuneigung, dass sich sein Herzschlag automatisch beschleunigte. Am liebsten hätte das Ass ihn umarmt und geküsst, doch erstens tat er das in der Öffentlichkeit noch immer nicht so oft und zum anderen traute er dem Trainer nicht. Also erwiderte Iwaizumi den Blick mit hoffentlich genauso viel Liebe, wobei er spürte, dass sich sofort seine Wangen erwärmten. Kurz war er knallrot, da war er sich sicher. Das Grinsen von Hayato und Kuro sprach Bände. Doch zum Glück erhob Komi das Wort, um mit den Dehnübungen zu beginnen. Kapitel 9: Unerwartete Begegnung -------------------------------- Donnerstag, 23.11. „Iwa-chan?“, fragte Toru und öffnete die Zimmertür nach einem Moment, da keine Reaktion kam. Er lugte hinein und entdeckte seinen Freund mit Kopfhörern in den Ohren am Schreibtisch sitzend. Finger trommelten leicht auf die Tischplatte, die andere Hand ließ den Kugelschreiber gegen die leicht rauen, unwiderstehlichen Lippen tippen. Anscheinend grübelte das Ass über etwas, während seine Augen den Laptopmonitor fixierten. Bei dem Anblick erinnerte sich der Setter daran, wie Iwa ihn vor ein paar Monaten richtig angeschnauzt hatte, als er mit der Hand vor seinem Gesicht herumgewedelt hatte. Dabei war er mit guter Laune hereingekommen, denn er hatte für sie gekocht, doch Hajime hatte sich so verjagt, dass er ihn regelrecht angebrüllt hatte. Da Oikawa auf eine Wiederholung gut verzichten konnte und er Iwas Smartphone auf dem Tisch liegen sah, schrieb er ihm eine Nachricht. Toru: Darf ich reinkommen, Iwa-chan? Eine Sekunde später blinkte das Handy auf und sofort wandten sich die smaragdgrünen Augen dem kleinen Bildschirm zu. Er las die Nachricht, drehte den Kopf zu ihm und nahm dabei in einer fließenden Bewegung die Kopfhörer aus den Ohren. „Klar, was gibt es denn?“, erkundigte sich Hajime lächelnd und rutschte mit dem Drehstuhl etwas nach hinten, damit er sich zu ihm drehen konnte. „Ich habe noch etwas für das Abendessen vergessen zu kaufen und flitze noch eben los. Brauchst du noch was?“ Er stellte sich vor das Ass und beobachtete, wie dieser die Arme um seinen Bauch schlang und ihn an sich zog. Lächelnd spürte Toru, wie das Ass tief einatmete und zärtlich strich er ihm durch die kurzen, seidigen Haare. Sie waren noch leicht feucht vom Duschen nach dem Training und im Gegensatz zu ihm, der selbst dann noch seine Haare stylte, hingen die von Iwa nur herunter. Nach dem Sport war er meist zu faul, sie noch mal zu frisieren, außer sie hatten noch etwas vor. „Nein danke, ich habe alles. Was gibt es denn Leckeres?“, wollte Iwaizumi neugierig wissen. „Das wirst du sehen, wenn es auf dem Tisch steht, Iwa-chan!“, flötete der Setter gut gelaunt und wollte ihm ein Küsschen auf die Haare geben, als ihm in den Hintern gekniffen wurde. Erschrocken quietschte er kurz auf und das Ass grinste ihn von unten her an. „Hey!“ „Was hey!? Wer so frech ist, muss mit der Reaktion leben“, erwiderte das Ass schmunzelnd und Oikawa schob schmollend die Unterlippe hervor. Immer wurde das an seinem armen Hintern ausgelassen! Trotzdem konnte er nicht widerstehen, als der Braunhaarige den Kopf nach oben streckte und sich an seiner Unterlippe festsaugte. Genüsslich erwiderte er den Kuss, aber sie verzichteten auf einen Zungenkuss, da er sich dann immer so schlecht beherrschen konnte. Was das anging, war er einfach nach seinem Freund süchtig. „Also bis gleich“, schnurrte Oikawa in den Kuss, ehe er ihn löste und Iwa nickte. „Ja, bis gleich. Pass auf dich auf.“ Er lächelte ihn an und Toru setzte sich gerade in Bewegung, als er einen Klaps auf seinen Hintern spürte. Unfassbar, der Mann! Fröhlich summend schlenderte der Setter die Straße entlang und nach wie vor war er noch von den Glückshormonen durchströmt. Nächste Woche hatte er einen Termin in der Agentur. Das hatte am Montagmorgen alles einwandfrei geklappt und die Dame am Telefon war sehr nett und geduldig, da er noch sehr nervös gewesen war. Iwa würde ihn auch dazu begleiten, dafür hatten sie den Termin extra so gelegt und Oikawa war unendlich froh für diese Unterstützung. Während er wahrscheinlich nur aufgeregt und nervös dasitzen würde und nicht glauben könnte, dass das gerade wirklich geschah, würde Iwa die wichtigen Fragen stellen und ihm den Rücken stärken, wenn er etwas sagen sollte. Gemeinsam waren sie ein unschlagbares Team. Vielleicht fühlte er sich deswegen noch, als würde er auf Wolke Sieben laufen und das selige Lächeln nie wieder seine Lippen verlassen. Dennoch war er sich auch bewusst, dass es nicht leicht werden würde. Ayaka hatte recht. Die Beziehung mit Hajime würde sich stark verändern, wenn er im Profiverein spielte. Er wäre nicht mehr so viel zu Hause, hätte Auswärtsspiele, Trainingscamps und er würde im Licht der Öffentlichkeit stehen. Volleyball war nach Baseball der beliebteste Mannschaftssport und viele kannten die Mitglieder der Tokyo Samurais. Er würde nach Spielen Journalisten Rede und Antwort stehen und Fans ihn möglicherweise auf der Straße erkennen und um Autogramme und Fotos bitten. Shit, das fühlte sich seltsam an, aber es kribbelte in seinen Fingerspitzen! Er wollte endlich allen zeigen, dass er der beste Setter war. Dass er das Angebot zurecht bekommen hatte und er ein würdiges Mitglied der Nationalmannschaft wäre. Oikawa konnte es kaum noch erwarten, bis es soweit war! Das einzige, was seine Laune derzeit dämpfen konnte, war ihr Interims Coach in der Uni. Der war über alle Maßen unfreundlich, streng und herrisch. Jeglicher Spaß, der sonst bei ihren Trainings aufkam, war wie weggewischt. Beim alten Coach konnten sie sogar mal herumalbern, wenn ihnen danach war, solange sie es nur kurz taten und sich danach wieder konzentrierten. Doch nun trauten sie sich nicht einmal zu husten, da sie dafür angeschnauzt werden könnten. Seitdem kostete den Setter das Training mehr Kraft als sonst und er hoffte, dass der Trainer der Tokyo Samurais nicht auch so ein Mann des Militärs war. Das wäre schlimm für ihn, das konnte er nicht leugnen. „Toru? Bist du das?“ Sein Herz setzte einen Schlag aus und reflexartig blieb er stehen. War das möglich? Gehörte die Stimme wirklich zu IHM? Um ihn herum tobte das Leben, Menschen schlenderten an ihm vorbei, unterhielten sich oder hatten Kopfhörer in den Ohren, die Autos schoben sich Stück für Stück neben ihm her und trotzdem hatte er die Stimme geradezu laut und deutlich gehört. Unter Tausenden würde er sie wiedererkennen. Sie ging ihm förmlich unter die Haut. Am liebsten hätte er so getan, als ob er es nicht gehört hätte, aber er war schon stehen geblieben und außerdem war es ihm gegenüber unfair. Schließlich hatte er ihn praktisch auf Händen getragen, während er … Sein Magen zog sich zusammen und Toru scheuchte die Gedanken beiseite. Das half ihm jetzt auch nicht weiter. Wie in Zeitlupe drehte sich Oikawa zu der Stimme um, versuchte sich auf den Anblick vorzubereiten, doch er scheiterte kläglich. Zwei bis drei Meter vor ihm stand er. In einem perfekt geschnittenen, knielangen Mantel in einem dunklen Grau, das seine Augen so hervorragend betonte. Durchdringend musterten sie ihn, während der Setter kurz an den Körper darunter denken musste. Trainiert, schlank, drahtig. Wie ein Raubtier. Absolut heiß. „Hallo Kana“, hauchte er mit brüchiger Stimme und war sich nicht einmal sicher, ob er das überhaupt gehört hatte. Vielleicht war die Umgebung auch zu laut und hatte seine Worte verschluckt. Sein Herz schlug so schnell und unruhig verlagerte Oikawa sein Gewicht von einem Bein auf das andere. War es nicht besser für sie, wenn sie einfach weiter ihrer Wege gingen? Das hier würde doch nur zu noch mehr Schmerz führen, oder? Trotzdem konnte der Violetthaarige den Blick nicht von diesen stahlgrauen Augen lösen. Er konnte förmlich den tosenden Sturm in ihnen sehen und dennoch war ihm vollkommen unklar, was in dem Tänzer vor sich ging. Andererseits … Wollte er das wissen? Verdammt. Bilder blitzten durch seine Gedanken. Wie sie eng miteinander getanzt hatten. Der Kuss im Club. Das Gespräch vor der Wohnung. Wie Kana ihn begehrt und verführt hatte wie noch niemand zuvor. Himmel, der Sex mit ihm gehörte zum Besten, was er bis dahin erlebt hatte. Nur Iwa konnte da mithalten … „Wie geht es dir, Toru?“ Noch immer schnurrte er den Namen mehr, als ihn auszusprechen und auf Oikawa bildete sich eine Gänsehaut. Die bekam er jedes Mal, wenn er seinen Vornamen aussprach. Es verlieh dem Tänzer erst recht die Aura eines Raubkaters. Mist, er sollte nicht mehr so über ihn denken. Er war mit Hajime in einer sehr glücklichen Beziehung und er wollte niemand anderen, aber Kana hatte es geschafft, ihn zu betören, ihn um den Finger zu wickeln. Einen Moment lang dachte er über die Frage nach – wie ehrlich sollte er sein? –, dann antwortete er: „Es geht mir gut. Ich bin jetzt Kapitän der Uni Mannschaft und wir sind ins Viertelfinale der Meisterschaften eingezogen. Also ich kann mich nicht beschweren. Wie geht es dir?“ Es war in seinen Augen erbärmlich, doch er schaffte es nicht, Kana von seiner Beziehung zu erzählen. Er wirkte irgendwie so angeschlagen und da wollte er kein Öl ins Feuer gießen. Die Situation zwischen ihnen war schon seltsam genug. „Gerade nicht so gut, aber es werden sicher auch wieder bessere Zeiten kommen. Mit Hajime läuft es wenigstens gut?“, hakte der Tänzer nach und hatte so einen seltsamen Unterton in der Stimme, den Oikawa nicht richtig deuten konnte. Eifersucht? Genervt? Traurig? Warum taten sie sich das hier überhaupt an? Warum war er nicht einfach weitergegangen? Es war doch alles geklärt, also warum standen sie hier und versuchten sich zu unterhalten? Noch bevor sich der Setter Worte zurechtlegen konnte, hörte er seine Stimme sagen: „Oh, das tut mir leid. Was ist denn los, wenn ich fragen darf?“ Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Nein! Was hatte er da gesagt? Das … das lief in die komplett falsche Richtung! Nachher verstand Kana das noch falsch. Es ging ihn nichts mehr an und er sollte es ruhen lassen. Andererseits tat es ihm weh, ihn so zu sehen. Er war ein leidenschaftlicher, wunderbarer Mensch und sollte glücklich sein, sollte einen Partner an seiner Seite haben, der ihn wertschätzte und liebte. Nicht so wie er, der sein Herz längst an jemand anderen verloren hatte. Das kleine Lächeln, das Kana ihm schenkte, ließ sein Herz einen Schlag aussetzen. Nein, nein, nein! Blödes Herz! Das sollte es nicht tun. „A-also du musst es mir natürlich nicht sagen. I-ich – Das ist …“, schob Oikawa hinterher und biss sich nervös auf die Unterlippe. Er redete sich um Kopf und Kragen, verdammt! „Mein Tanzpartner hat letzte Woche die Zusammenarbeit mit mir beendet, weil sein Freund eifersüchtig ist. Ich kann deswegen nicht an der diesjährigen WM teilnehmen, die nächste Woche startet.“ „Wie? Aber tanzt ihr nicht schon seit fünf Jahren zusammen? Ist er nicht schon drei Jahren mit seinem Freund zusammen? Und ausgerechnet jetzt – so kurz vor der WM – macht er einen Rückzieher?“ Kana nickte. In seiner Überraschung hatte Toru den Blick gehoben, sah seinem Exfreund ins Gesicht und bemerkte die tiefen Augenringe. Das Grau wirkte stumpf, der Glanz fehlte. Die Wangen schienen leicht eingefallen und war er dünner geworden? So erschöpft und müde war der Mann ein Schatten seiner selbst. Die ganze Sache tat dem Setter so leid, denn er wusste, wie wichtig ihm die WM war. Sie hatten oft über ihre sportlichen Ziele gesprochen und da war für Kana die WM der nächste Schritt gewesen. All seine Zeit hatte er in das Training gesteckt, seine Choreographie mit seinem Partner verfeinert und studiert. Manchmal war er so fertig gewesen, dass er nur neben Toru aufs Sofa gefallen war und sofort eingeschlafen. Der Setter hatte damit kein Problem gehabt, hatte sich meist daneben eingerollt und selbst geschlafen. Es war wirklich eine einmalige Zeit gewesen … Unruhig kaute Oikawa auf seiner Unterlippe herum. Sollte er noch etwas dazu sagen? Und wenn ja, was? Andererseits betrachtet, gab es dazu nur eins zu sagen: „So kurz vor der WM? Was ist er denn für ein Arsch!? Er wusste doch, wie wichtig dir das ist! Außerdem wollte er doch selbst dran teilnehmen! Ihr hättet das doch nach der WM in Ruhe tun können“, polterte Toru, konnte nicht fassen, dass der Typ – von dem Kana stets respektvoll gesprochen hatte, dem er vertraut hatte! – so etwas Mieses abgezogen hatte. Plötzlich überwand Kana die Distanz mit zwei Schritten und umarmte ihn. Fest wurde er an den drahtigen Körper gedrückt, der ihm noch immer so vertraut war. Sofort stieg ihm der leicht herbe Geruch in die Nase und Toru musste gegen den Drang ankämpfen, sich fallen zu lassen, es zu genießen. Was sollte er denn jetzt tun? Ihn auch umarmen? Würde er das falsch verstehen? Empfand der Tänzer noch mehr für ihn? Nach allem, was war? Mit wackeligen Beinen ließ sich Toru auf die Sitzbank fallen und schaute sich in dem Cafe um, doch er nahm nichts wahr. Er würde gleich mit Kana Schluss machen. Dem Mann, der ihm alles gegeben hatte, vor den Kopf stoßen, weil seine Liebe für Iwaizumi übermächtig war. Weil er Kana deswegen betrogen hatte. So jemanden wie ihn hatte dieser wunderbare Mann nicht verdient. Shit. Oikawa vergrub die Hände in seinen Haaren und starrte die Tischplatte an. Noch nie war es ihm so schwergefallen, mit einer Person zu brechen. Sie zu verletzen, weil er die Gefühle nicht mehr erwidern konnte. Dabei war sich der Setter nicht einmal sicher, ob er nicht trotz allem noch Gefühle für ihn hatte, aber die für Iwa einfach stärker waren. Die Bedienung blieb neben ihm stehen und sprach ihn an. Höflich hob er den Kopf und sah sie an, dann bestellte er ein kleines Glas stilles Wasser. Alles andere würde sein Magen nicht mitmachen. Da war sich Oikawa sicher. Allein schon von den verschiedenen Gerüchen hier – Kuchen, Torte, Kaffee und anderes – wurde ihm schlecht. Fuck, wenn das so weiterging, musste Mattsun ihn hier abholen und nach Hause bringen. Die Bedienung brachte ihm kurze Zeit später das Wasser und am Eingang entdeckte er einen gutgelaunten Kana. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Anblick. Er wollte ihn nicht unglücklich machen. Verdammt, er konnte das nicht. „Hallo Toru! Schön, dich doch noch zu sehen. Wie war die Party? Hast du beim Tanzen anderen den Kopf verdreht?“, neckte er ihn grinsend. Elegant nahm der Tänzer gegenüber von ihm Platz und wollte ihm einen Kuss geben, doch Oikawa zog den Kopf zurück. „Hallo Kana. Ich muss mit dir reden.“ „Was gibt es denn? Ist etwas Schlimmes passiert? Brauchst du Hilfe?“ Verzweifelt senkte der Setter den Blick, konnte ihm nicht länger in die Augen schauen. Sie waren so besorgt, weil es ihm schlecht gehen könnte. Das hatte er nicht verdient. Er hatte ihn betrogen, hatte sein Herz von Anfang an jemand anderem geschenkt und sich dennoch auf ihn eingelassen. Er war so verlogen. „Kana, ich … Ich habe dich betrogen …“, wisperte er leise und krallte seine Finger ineinander. Er wartete auf den Wutausbruch, aber irgendwie kam nichts. Er schaffte es aber auch nicht, ihn anzuschauen. Die verletzten Augen zu sehen, wäre zu viel für ihn. „Du hast was?“, bohrte er nach einer gefühlten Ewigkeit nach. „Ich habe Iwaizumi bei der Party einen geblasen.“ „Iwaizumi!? Deinem besten Freund? Warum?“ Toru atmete tief durch, er zitterte überall, aber er musste Kana die Wahrheit sagen. Das war er ihm schuldig. Fuck, er musste das irgendwie hinkriegen. „I-ich … Seit fast drei Jahren bin ich … bin ich in ihn verliebt. Er weiß davon nichts. Wir sind so eng befreundet und haben so viel gemeinsam erlebt, dass ich mich bisher nicht getraut habe, ihm die Wahrheit zu offenbaren. Ich könnte es nicht verkraften, ihn zu verlieren. Aber –“ „Und wie kam es dann dazu, dass du ihm einen geblasen hast!?“, funkte Kana dazwischen und schaffte es zwar, die Stimme gedämpft zu halten, aber sie zitterte vor Wut. Und der Schwarzhaarige hatte jedes Recht dazu, auf ihn sauer zu sein. „D-du weißt ja, dass er ja wieder Single ist. Und in der Uni hatte Kaori mich nochmal angesprochen und mir den wahren Grund für die Trennung gesagt. Sie hat es beendet, weil sie glaubt, dass Iwa in mich verliebt ist, aber es selbst noch nicht gemerkt hat. Ich konnte nicht fassen, was sie mir da erzählt hat und Samstag kam das ganze Team, um ihn abzulenken und aufzumuntern. Deswegen sind wir alle in einen Club gegangen und Iwa und ich haben ziemlich viel getrunken und miteinander getanzt und irgendwann … Naja, irgendwann ist es passiert …“ „Das ist nicht dein Ernst! Und was sagt er dazu!?“ „Er kann das noch nicht richtig verarbeiten und ist aus dem Zimmer gerauscht, als ich ihm den Blowjob gestanden habe. Er hatte einen Filmriss …“ Schwer seufzend raufte sich Kana die Haare. Diese weichen, seidigen Haare, die so wunderbar nach dem Blütenshampoo dufteten. „Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte der Tänzer und atmete ein paar Mal tief durch. Die Luft war so angespannt, dass Toru sich daran erinnern musste, selbst auch zu atmen. Er traute sich nicht, einen Muskel zu bewegen, weil Kana so eine aggressive Ausstrahlung hatte. Doch da musste er jetzt irgendwie durch. Fast schon verzweifelt krallte er seine Finger um das Wasserglas, hatte noch nicht einen Schluck getrunken und hoffte, dass es ihm den nötigen Halt geben konnte, den er gerade so dringend brauchte. „Sieh mich an, Toru.“ Schwer schluckend hob der Setter langsam den Blick und zuckte leicht zusammen, als er in das aufgewühlte Sturmgrau sah. „J-ja?“, hauchte er leise und unsicher und versuchte die Tränen wegzublinzeln. „Hast du mir gerade offenbart, dass du von Anfang an jemand anderen geliebt hast? Dass ich nur ein Lückenfüller war, weil du nicht den Arsch in der Hose hattest, deiner Liebe die Wahrheit zu sagen? Ist es das, worum es hier geht!? Denn dann spielt der Blowjob keine Rolle mehr. Dann hast du mich von Anfang an betrogen.“ Die Stimme klang so kalt, so gefühllos, dass es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief. Die Tränen ließen sich immer schwerer verscheuchen und Oikawa hustete leicht, als er etwas erwidern wollte. Seine Hand zitterte so stark, als er einen Schluck trank und aus Angst, dass er das Glas aus Versehen fallen ließ, umschloss er es auch mit der zweiten. „N-nein, du warst nicht nur ein Lückenfüller. Ja, ich bin schon so lange in Iwaizumi verliebt, aber mit dir hatte ich das Gefühl, dass ich den Absprung schaffen könnte. Dass ich nur dich liebe und Iwa als meinen besten Freund behalten könnte, ohne noch etwas für ihn zu empfinden. Du bist ein wunder–“ „Ich will das nicht hören!“, würgte Kana ihn ab und sprang geradezu vom Stuhl. „Kana, bitte!“ „Nein Toru! Was erwartest du denn bitte von mir!? Ich habe mich in dich verliebt! Weil ich dachte, dass du ein toller Mensch bist und wir auf einer ähnlichen Wellenlänge sind. Jedes Mal, wenn wir uns treffen – getroffen haben –, habe ich mich darauf gefreut und mein Herz hat höhergeschlagen, wenn ich dich zum Lachen gebracht habe oder du mich leuchtenden Augen angeschaut hast. Und jetzt ist alles eine Lüge!? Das … Ich kann das nicht fassen. Nach langer Zeit hatte ich endlich wieder das Gefühl, einen Partner gefunden zu haben und jetzt war ich doch nur ein Ersatz. Ich kann das nicht, Toru. Schreib mich nicht mehr an und versuche auch sonst nicht, mit mir Kontakt aufzunehmen.“ Mit diesen Worten rauschte er mit stolzen Schritten aus dem Cafe und ließ ihn allein zurück. „Ich vermisse dich, Toru … So sehr“, wisperte die kratzige Stimme in sein Ohr und Oikawa spürte die Tränen in sich aufkommen. Nein, das hier war falsch. Er liebte Iwaizumi und Kana würde noch jemanden finden, der ihn liebte und all das gab, was er brauchte. Vorsichtig schob er den Tänzer etwas von sich, ohne ihn umarmt zu haben und schaute ihm in die Augen. „Bitte Kana … Halte dich nicht mit mir auf. Ich habe dir so sehr wehgetan, dass du mich verachten solltest. Du wirst noch einen tollen Partner finden, der dich liebt und wertschätzt und all das geben kann, was ich nicht konnte. Dass die WM für dich ins Wasser fällt, tut mir aufrichtig leid, aber du wirst noch allen zeigen, dass du der weltbeste Tänzer bist. Gib nicht auf. Halte den Kopf oben und du wirst die Chancen erkennen, die dir gegeben werden. Lebe wohl.“ Ohne weiter auf eine Reaktion zu warten, drehte sich Oikawa um und schritt davon. Kana musste ihn vergessen. Und er selbst durfte sich nicht an der Vergangenheit aufhalten. Er war glücklich. Kapitel 10: Spontaner Lovehotel-Besuch -------------------------------------- Donnerstag, 23.11. Etwas unruhig schaute Iwaizumi auf das Display seines Smartphones. Der Supermarkt war fünf Minuten von ihrer Wohnung entfernt, aber Toru war bereits eine halbe Stunde unterwegs. Wenn er in dem Laden nicht alles bekommen hätte, hätte er sich gemeldet, dass er noch weitermüsste und es deswegen länger dauern würde. Doch das Ass hatte keine Nachricht erhalten. War also etwas passiert? Sollte er ihn anschreiben? Aber er wollte den Setter auch nicht nerven oder ihm das Gefühl geben, dass er ihn kontrollierte. Bestimmt hatte er nur eine Nachbarin getroffen und sich mit ihr festgequatscht. Das wäre nichts Neues. Sich den Nacken reibend, weil er so lange vor dem Laptop gesessen hatte, schlenderte er ins Wohnzimmer und ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen. Makki und Mattsun hatten sich ins Zimmer des Schwarzhaarigen zurückgezogen und kuschelten vermutlich gerade miteinander. Die Zwei waren absolut verschmust und hin und wieder zog er sie gern damit auf, wenn sie es sich auf einem der Sofas bequem gemacht hatten. In letzter Zeit hatten sie sich deswegen anscheinend immer öfters in eins ihrer Zimmer zurückgezogen, um Ruhe zu haben. Dem Ass sollte es egal sein, so konnte er es sich wenigstens auf dem großen gemütlich machen. Seufzend checkte er nochmal seine Nachrichten, aber da war nichts. Ob er sich vielleicht doch melden sollte? Gerade hatte er den Chat mit Toru geöffnet, als das Ass hörte, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Schnell stand er auf und kam seinem Freund entgegen, der die Einkaufstüte auf den Boden abstellte und ihn kurz mit einem seltsam emotionalen Blick musterte. „Toru! Da bist du ja wieder!“, murmelte er und umarmte seinen Freund, der ihn direkt fordernd küsste. Nanu? Was war denn da los? So offensiv war er sonst eher selten, doch das Ass ließ sich darauf ein, genoss diesen intensiven Kuss, den sie erst lösten, als sie Luft holen mussten. „Ich will dich“, raunte Oikawa in sein Ohr und seine Augen weiteten sich leicht vor Überraschung. Normalerweise war er derjenige, der ihm solche Dinge ins Ohr flüsterte. Den Setter turnte es an, wenn er das tat und so war es irgendwie noch komischer, dass jetzt von Toru zu hören. „Was ist denn los mit dir?“, murmelte Hajime daher leicht irritiert und spürte die so vertrauten Hände an seiner Hüfte. Langsam schoben sie sich unter sein Oberteil und die warme Haut streichelte über seine Seiten nach oben. Bevor sie sich in Richtung Brust bewegen konnten, umfasste er die Handgelenke durch den Stoff und fixierte sie. Da kamen ihm seine regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio definitiv zugute. „Gefällt dir das nicht? Wenn ich so offensiv bin?“, stellte Toru unsicher die Gegenfrage und musterte ihn mit diesen leicht karamellfarbenen Augen. Anscheinend suchte er in seinem Gesicht nach einer Erklärung für sein Verhalten. Bevor nachher Matsukawa oder Hanamaki noch aus ihrem Zimmer kamen, antwortete er: „Doch schon, es ist nur … ungewohnt. Außerdem weißt du doch, dass hier nichts läuft, wenn die anderen Zwei da sind.“ „Dann lass uns nochmal los.“ „Jetzt noch?“, hakte Iwa nach und seufzte innerlich. Was war denn jetzt mit seinem Freund? Das hatte doch einen Grund, oder? Dieses ungewöhnliche Verhalten, das er gerade an den Tag legte. Die Finger bewegten sich zart auf seiner Haut, da der Setter nicht mehr bewegen konnte, wovon sich seine Nackenhärchen aufstellten. Es war so angenehm und irgendwo war er neugierig, welche Seite der Violetthaarige ihm noch zeigen wollte. Das beinahe schon schüchterne Nicken und wie sich der Setter erwartungsvoll die Unterlippe zwischen die Zähne klemmte, ließen Iwa schließlich seine Lippen dicht neben Torus Ohr schweben und er raunte verführerisch: „Dann hoffe ich, dass sich der Ausflug auch lohnen wird.“ „Das wird er“, hörte er das leise Hauchen und Hajime griff in Oikawas Haare, zog den Kopf leicht zurück und küsste ihn fordernd. Es war die Einwilligung, dass sie heute auswärts schlafen würden, denn Iwaizumi hatte keine Lust, noch mitten in der Nacht nach Hause zu fahren, wenn er morgen Uni hatte. „Dann bezahlst du aber das Essen“, neckte er den Setter und Toru stimmte grinsend zu. Eine halbe Stunde später öffnete Iwaizumi das Hotelzimmer, als er bereits eine Hand spürte, die fordernd über seine Pobacke streichelte. Konnte er es so wenig erwarten? Diese Ungeduld machte ihn schon an, das konnte er nicht leugnen. Kaum, dass er den Raum betreten hatte, schob Oikawa ihn weiter rein und trat mit einem Fuß die Tür hinter sich zu. „Verzeih mir meinen unangekündigten Besuch, aber ich hatte so eine Sehnsucht“, wisperte eine erregte Stimme an sein Ohr und Iwa grinste schief. Wie sehr er auf dieses Rollenspiel abfuhr, war schon spannend zu beobachten, aber gut. Das Spiel würde er zu seinen Gunsten spielen. Also drehte er sich schnell um und presste den überraschten Setter gegen die Wand, lehnte sich mit einem Unterarm neben den Kopf. „Ob ich dir das verzeihen kann, weiß ich noch nicht. Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht genug Arbeit auf dem Schreibtisch liegen.“ „Ich werde es wiedergutmachen. Versprochen“, hauchte Toru und fing gierig seine Lippen ein, verwickelte ihn in einen dreckigen Kuss, den Hajime nur allzu gern erwiderte. Auch entging ihm nicht, dass die Hände in seine Boxershort geschoben wurden. Fordernd streichelten sie über seinen Hintern und drückten seinen Unterkörper gegen den von Toru, der verlangend in den Kuss keuchte. Offenbar wollte er sich nicht lang mit einem Vorspiel aufhalten, so wie er sich an ihm rieb und die Beule immer deutlicher wurde. „Wow, du musst mich ja wirklich sehr vermisst haben“, raunte er ihm leicht keuchend ins Ohr. Sie hatten den Kuss lösen müssen, um wieder zu Atem zu kommen und Iwa beschloss, dass er die Führung lang genug abgegeben hatte. Es wurde Zeit, ihm zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Also löste er sich von der Wand, packte Oikawa an der Hüfte und dirigierte ihn weiter in den Raum. „Und was hast du jetzt vor?“ „Dir das geben, was du so dringend willst.“ Grob zog er ihm das Oberteil über den Kopf, nachdem Toru brav die Arme gehoben hatte. Er pfefferte es auf den Boden, während das Ass mit der anderen Hand gegen den trainierten Oberkörper schlug. Überrascht fiel Oikawa nach hinten auf das Bett und schaute ihn mit großen Augen an. Schnell zog sich Iwa seinen Pullover aus und krabbelte wie ein Raubtier über den erregten Setter. Er liebte es, wenn er das tat und kaum, dass er am Kopf angekommen war, wurde er geküsst. Zeitgleich wanderten die Hände über seinen Oberkörper und Hajime keuchte. Er mochte dieses Gefühl, so sehr begehrt zu werden, dass Toru nicht an sich halten konnte. Heute war anscheinend ein besonderer Tag, so wie er sich benahm. Ihm sollte das nur recht sein, denn so lernte er noch eine neue Seite seines Freundes kennen. Trotzdem wurde es Zeit, weiterzumachen. Iwaizumi wollte Oikawa. Wollte ihn nehmen und zum Stöhnen bringen. Also küsste und leckte er sich über den mittlerweile so vertrauten Körper. Manchmal fragte er sich im Stillen, warum ihm vorher noch nicht aufgefallen war, wie heiß sein Freund eigentlich war. Aber vielleicht hatte es seine Gründe, warum alles genauso gekommen war. Es spielte jetzt auch keine Rolle, denn es gab Wichtigeres, mit dem er sich beschäftigen musste. Nein, wollte. Leicht verspielt stupste er mit der Zungenspitze eine Knospe an, lauschte Torus erregtem Keuchen und nach einem zweiten Lecken saugte er fordernd an ihr. Seine Hände fixierten die Hüfte des Setters, der sich willig unter ihm wand und verlockende Töne von sich gab. Mit dem anderen Nippel ging er genauso um, ehe er sich weiter über den Bauch küsste, jeden Muskel mit seinen Lippen begehrte und die Zunge schließlich in den Bauchnabel tauchte, was den Violetthaarigen immer besonders stöhnen ließ. Es war Musik in seinen Ohren. „I-iwa“, hörte er die verführerische Stimme seines Freundes, doch das Ass ließ sich nicht beirren. Er hatte sich ihm zu fügen und das wusste er auch. Also hob Iwaizumi seinen Kopf, musterte den heißen und willigen Körper unter sich und blieb einen Moment an den karamellfarbigen Augen hängen, die gierig zurückschauten. Die Röte auf seinen Wangen ließ ihn unwiderstehlich aussehen und das Ass rutschte vom Bett und holte aus ihrer Tasche das Gleitgel. Die ganze Zeit schon bemerkte er sein Glied, dass sich gegen sein Gefängnis drängte und raus wollte. Fuck, Torus Offensive hatte ihn selbst schon ganz heiß gemacht. Er wollte ihn so sehr. An der Bettkante blieb er stehen, schaute auf Oikawa herab, während in einer Hand das Gleitgel war. Er könnte ihn stundenlang anschauen, wie er da lag, darauf wartete, dass er ihn zum Orgasmus brachte, weil es das einzige war, woran der Setter in dem Moment denken konnte. „Sei brav, Toru“, schnurrte er und der Violetthaarige verstand sofort. Er rappelte sich auf, kniete sich auf dem Bett vor ihm und klemmte sich die Unterlippe zwischen die Zähne, als seine Hände den Knopf der Hose öffneten. Ein leises Keuchen entwich seinen Lippen, als sein Penis aus dem Gefängnis entlassen wurde und er strich Toru durch die seidigen Haare, als dieser die Hose herunterzog und sich danach aufmerksam seiner Boxershort zuwandte. Doch statt sie ihm auszuziehen, leckte er über den Stoff die Konturen seines Gliedes nach und Iwaizumi stöhnte genüsslich auf. Es war so anregend für ihn, wenn Oikawa das tat. So gab er sich dem hin, führte mit der Hand den Kopf etwas, bis seine Erregung langsam auf die Probe gestellt wurde. Dann fasste er fest in den Haarschopf, sorgte dafür, dass Toru ihm in die Augen schauen musste und knurrte: „Mach weiter oder deine Belohnung fällt aus.“ Eine Hand umfasste seinen Schwanz durch den Stoff, deutete Pumpbewegungen an, als sein Freund erwiderte: „Wie du wünschst.“ Sofort wanderte der Blick wieder zu seinem besten Stück und die Hand löste sich von seinem Glied, was ihn kurz frustriert seufzen ließ. Er sollte sich beeilen, denn er war so erregt, dass er nicht mehr ewig durchhalten würde. Dabei wollte er nichts sehnlicher, als sich in Toru versenken, ihn zum Schreien bringen und sehen, wie er wegen ihm zum Höhepunkt kam. Verspielt zog Toru an seiner Boxer, ehe er sie ihm langsam auszog und gierig seinen Schwanz musterte, der vor Erregung leicht wippte. Noch bevor er ihn warnen konnte, küsste der Setter seine Spitze, was ihn laut stöhnen ließ. Er beobachtete ihn dabei, wie seine Lippen sich um seine Eichel stülpten und dann wieder zurückzogen. Immer wieder spürte er die Zungenspitze und das Ass merkte, dass er kurz davor zu kommen. Also zog er den Kopf zurück, knurrte dunkel, was Oikawa alarmiert zu ihm nach oben schauen ließ. „Ganz schön mutig. Wenn du jetzt nicht brav bist, werde ich in deinem Mund kommen und dich nicht ficken, klar!?“ „Ver-verstanden“, hauchte Toru verführerisch und verlagerte sein Gewicht ungeduldig von einem Knie aufs andere. „Gut, dann weiter.“ Er drückte ihm das Gleitgel in die Hand und sah dabei zu, wie dieser etwas davon auf seinen Händen verteilte und erwärmte, ehe er sein Glied damit eincremte. Er verkniff sich jegliches Stöhnen, was ihm schwerfiel und ließ es zu, als Oikawa seine rechte Hand ebenfalls mit dem Gel eincremte. Dann warf er die wieder verschlossene Tube in Richtung der Tasche und legte sich wieder auf das Bett, spreizte sofort bereitwillig seine Beine. Sein Penis pulsierte bei dem Anblick und das Ass verlor keine weitere Zeit, als er sich zwischen sie kniete und Toru weitete. Mittlerweile hatte er so viel Übung, dass er genau wusste, worauf er achten musste und wie er seine Finger zu bewegen hatte, um ihn bestmöglich vorzubereiten. So dauerte es nicht lang, bis sein Freund anfing, ungeduldig gegen ihn zu stoßen und Iwa entzog ihm seine Finger. „Bitte nimm mich.“ Toru schaute ihm direkt in die Augen, seine Wangen gerötet und absolut bereit für das, was kam. Ohne etwas zu erwidern, griff er ein Kissen, das er unter Torus Hintern legte, sodass er etwas erhöht war. Dann positionierte er sich zwischen den Beinen, hielt sein Glied fest, als er es gegen den geweiteten Eingang drückte. Sie stöhnten beide laut auf, während er sich Stück für Stück in seinen Freund versenkte. Es war jedes Mal aufs Neue ein berauschendes Gefühl, diese Enge um sich zu spüren. Einen kurzen Augenblick hielten sie inne, als er in ihm war, dann begann er zu stoßen und Oikawa keuchte immer lauter. Um eine bessere Kontrolle zu haben, hielt sich Iwaizumi an den Schultern fest, da Torus Beine sich um seine Hüfte geschlungen hatten. Immer schneller und tiefer stieß er zu, suchte den Punkt, der den Setter schreien lasen würde. Er wollte es hören. Das leise Schreien, wenn er die Prostata getroffen hatte und Toru nicht an sich halten konnte. „Tiefer … Härter … Bi-bitte!“, brachte der Violetthaarige zwischen dem Stöhnen hervor und Iwa verlagerte sein Gewicht etwas, umfasste die Hüfte und gab ihm das, was er wollte. Oikawa bog den Rücken leicht durch, sodass er noch tiefer stoßen konnte und überrascht schrie er leise auf. Ah, da war er ja endlich. Der Punkt, der ihn Sterne sehen ließ. „Pump deinen Schwanz“, befahl das Ass, doch Toru kam dem nicht sofort nach. Stattdessen schaute er ihn mit großen Augen an, doch Iwa wurde ungeduldig. Er wollte selber kommen. In dieser süßen Enge, die ihn umgab. Verdammt, er konnte sich kaum noch zurückhalten. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass der Setter das tun sollte und die letzten Male war das auch kein Problem gewesen. „Na los!“, forderte er mit Nachdruck und ergeben folgte Toru endlich seiner Anweisung und fasste sich selbst an. Ungeniert schaute er ihm dabei zu, während er immer wieder den Lustpunkt traf. Sie waren beide kurz davor, dass spürte der Braunhaarige ganz deutlich. Und Oikawa konnte wohl auch nicht mehr warten, denn Iwa sah, wie er sich fester umfasste, um sich über die Klippe zu stoßen. Also bewegte er sich schnell und tief in ihm, bis er einen leisen Schrei hörte und sah, wie der Setter auf seinem Oberkörper kam. Augenblicklich verengte er sich um ihn herum und es brauchte nur noch ein paar Stöße, bis Iwaizumi sich tief in Toru erlöste. Es war immer wieder ein absolut berauschendes Gefühl, in ihm zu kommen und Oikawa wimmerte leise unter ihm. Mit glänzenden Augen schaute er ihn an, als er keuchend die Stirn gegen die Brust lehnte. Liebevoll strich sein Freund ihm durch die Haare und sie verharrten einen Moment so, bis sie beide zu Atem gekommen waren. Dann leckte das Ass noch den Samen vom Oberkörper, lauschte den leisen Keuchen und verwickelte ihn danach in einen innigen Kuss, wo Toru sich selbst schmecken konnte. Er liebte diese Augenblicke direkt nach dem Sex, wenn sie beide vollkommen im Einklang waren, sich der besonderen Stimmung hingaben, die sie umfing. Etwas später lagen sie frisch geduscht und aneinander gekuschelt auf dem großen Doppelbett und Toru hatte seinen Kopf auf dem Oberarm abgelegt. Es war einfach angenehm, so dazuliegen und zu entspannen, doch noch immer schwirrte Iwaizumi diese Frage in seinem Kopf herum und er beschloss, einfach danach zu fragen. Immerhin wollte Toru, dass er offener über seine Gedanken und Gefühle sprach und er wollte sich bemühen, das auch in die Tat umzusetzen. „Warum hast du vorhin eigentlich so lange zum Einkaufen gebraucht? Ich hatte schon angefangen, mir Sorgen zu machen.“ Dabei drehte er seinen Kopf, um Oikawa in die Augen schauen zu können. „Ich bin noch Kana begegnet“, antwortete er ohne Umschweife und Iwa hatte das Gefühl, als hätte er ihm gerade in die Magengrube getreten. „Das ist nicht dein Ernst!“, rief er und entzog Toru den Arm, auf dem er lag. Doch er kam nicht weit, denn wie aus dem Nichts packte der Setter seine Schultern und setzte sich auf ihn. Jedoch ließ er ihn nicht zu Wort kommen, sondern meckerte weiter: „War das der Grund, warum du eben so offensiv warst? Warum du zur Abwechslung mal die Führung übernommen hast!?“ „Beruhige dich bitte, Hajime. Ja, es war sehr komisch, ihn wiederzusehen, aber ich bin in dich verliebt. Ich will dich.“ „Trotzdem ein komischer Zufall, dass du mich nach dem Treffen so überfällst“, brummte Iwa unnachgiebig. War das zu fassen? Von allen Leuten, die es hätten sein können, ausgerechnet der Tänzer? Das schmeckte ihm gar nicht und er würde jetzt dafür sorgen, dass Kana sah, dass Oikawa nicht mehr zu haben war. Also zog er den Kopf des verdutzten Setters zu sich runter und saugte sich an seinem Hals fest, was diesen überrascht keuchen ließ. „I-Iwa-chan?“, hauchte Toru fragend und kuschelte sich noch enger an ihn. Zufrieden betrachtete das Ass nach einem Moment den lilanen Fleck unterhalb des Ohrläppchens und küsste ihn noch einmal, dann ließ er den Kopf zurück ins Kissen fallen und musterte seinen Freund, der mit den Fingern nach seinem Werk tastete. „Er soll sehen, dass du vergeben bist“, grummelte er und empfing ein liebevolles Lächeln. „Aber Schatz! Es ist Ende November und ich trage einen Schal draußen“, entgegnete er schmunzelnd und Iwa schnaubte. Mist, das hatte er vergessen. „Du musst dir keine Sorgen machen, Hajime. Ich will nichts mehr von ihm. Auch wenn ich nicht leugnen kann, dass er mir gerade schon sehr leidtut. Sein Tanzpartner hat ihn sitzen lassen, sodass er nicht an der WM teilnehmen kann und wie es aussieht, hat er noch Gefühle für mich.“ Der Setter seufzte leise auf seinem Schoß und Hajime lupfte eine Augenbraue. „Der soll dich einmal komisch anschauen, Toru. Ich garantiere dir, dass der dann ein Problem bekommt“, versprach Iwaizumi schlecht gelaunt und musterte seinen Freund, der ihm zärtlich über die Wange strich. Automatisch lehnte er sich in die Hand, genoss die Zuwendung und lauschte Oikawas sanfter Stimme: „Ich denke, dass er begriffen hat, dass es für mich nur noch dich gibt, Schatz. Als ob ich dich nach all der Zeit jetzt wegen ihm fallenlassen würde …“ „Kann man doch nicht wissen. Vielleicht ist das mit mir ja doch nicht so, wie du es dir ausgemalt hast und Kana kann dir mehr das geben, was du brauchst.“ „Du redest Unsinn. Wenn ich wirklich so unglücklich wäre, hätte ich dir das schon längst gesagt. Es ist noch besser als in meinen Träumen, also mach dir keinen Kopf. Auch wenn es schon ein bisschen süß ist, wie eifersüchtig du bist“, neckte ihn Toru lächelnd und noch bevor er schmollen konnte, wurden ihm die weichen Lippen zärtlich auf seine gedrückt. Es war ein sinnlicher, liebevoller Kuss, der seinen Zorn verrauchen ließ und den Abend irgendwie abrundete. Kapitel 11: Der Beschützerinstinkt ---------------------------------- Freitag, 24.11. Leise murrend erwachte Toru aus seinem Schlaf und kuschelte sich noch etwas an Iwas Brust, auf der sein Kopf gebettet war. Sie war das perfekte Kopfkissen und er war noch nicht bereit, das herzugeben. Außerdem war das leise gleichmäßige Atmen seines Freundes und die sonstige Stille so angenehm, dass er noch ein wenig vor sich hindöste. Dabei ließ er den gestrigen Tag noch einmal Revue passieren. Die Uni war wie immer gewesen, da hatte es keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Vielleicht würde sich das Thema ja eh bald erledigt haben. Seine Fingerspitzen kribbelten bei dem Gedanken, dass er nächste Woche den Termin mit der Agentur hatte. Bis dahin musste er noch unbedingt mit Iwaizumi gesprochen haben. Schließlich sollte auch er mit seinem Beruf klarkommen und ihre Beziehung nicht darunter leiden. Was den Setter zu gestern Abend führte. Erst diese komische Begegnung mit Kana, die ihn viel zu tief berührt hatte und dann das Geständnis, dass der Tänzer noch immer in ihn verliebt war, obwohl er ihn so hintergangen hatte. Das hatte ihn sogar in seinen Träumen letzte Nacht beschäftigt, auch wenn er nicht mehr so ganz wusste, was genau da passiert war. Doch auch wenn das mit Kana etwas Besonderes gewesen war und er sich ihm noch immer irgendwie verbunden fühlte, war Iwa seine große Liebe, die er um keinen Preis aufgeben würde. Die Zeit mit ihm, ihre enge Verbundenheit waren so innig, dass er das nie wieder missen wollte. Die Eifersucht, die das Ass ihm gezeigt hatte, hatte ihm gezeigt, wie sehr auch Hajime ihn liebte und das ließ sein Herz automatisch schneller schlagen. Bis vor ein paar Monaten hätte er nie zu hoffen gewagt, dass er auf einen anderen Mann eifersüchtig werden würde, weil er sich in ihn verliebt hatte. Glücklich kuschelte sich der Setter noch etwas enger an Iwa, der im Schlaf seinen Arm auf seinen Rücken legte. Lächelnd strich Toru über den Oberkörper und küsste vorsichtig die Brust unter sich. Seine Schmetterlinge drehten seit dem ersten Kuss ihre Extrarunden und er wollte, dass das nie wieder aufhörte. Das war vielleicht kitschig und leider illusorisch, aber Wünsche durfte man jawohl noch haben! „Hey“, murmelte Iwa verschlafen und die Hand wanderte hoch zu seinem Kopf, wo er ihm durch die Haare strich. Leise schnurrend genoss er die Zärtlichkeit, ehe er sich weiter nach oben kämpfte und seinem Freund einen liebevollen guten Morgen Kuss gab. „Hey Schatz. Gut geschlafen?“ „Ja, du auch?“, nuschelte er und drehte den Kopf zur Seite, gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Geradezu himmlisch“, erwiderte er mit einem Zwinkern und empfing ein schiefes Lächeln. Wahrscheinlich hielt er ihn gerade für übertrieben, aber das störte ihn nicht. Hajime wusste, dass er das gern mal tat, also war das nichts Neues. Etwas unkoordiniert tastete der Braunhaarige nach seinem Smartphone auf dem Nachttisch, das prompt anfing zu klingeln. Es war sein Wecker und erschrocken zuckte das Ass zischend zusammen. Damit er es nicht aus Versehen fallen ließ, hielt Toru seine Hand unter das Handy, während Iwa es sich vors Gesicht hielt und den Wecker deaktivierte. „Bist du schon lange wach?“, wollte er wissen und legte es wieder zurück, musterte ihn danach aufmerksam. „Ein paar Minuten vielleicht, alles gut“, erklärte Oikawa und setzte sich langsam auf. Er griff sein eigenes Handy und stellte mit einem Stirnrunzeln fest, dass er offenbar vergessen hatte, seinen Wecker zu aktivieren. Sonst hätte dieser nämlich schon vor zehn Minuten geklingelt. Naja, so dramatisch war das nicht, aber er musste jetzt aufstehen und duschen. Denn zu spät kommen wollte er nicht. Es war wichtig, anderen zu zeigen, dass man zuverlässig war und diesen Eindruck wollte er unbedingt aufrechterhalten. Auch wenn es äußerst verlockend war, hier noch weiter mit seinem Schatz zu kuscheln, wenn er sich den so verschlafen unter sich besah. Das war schon eine sehr reizvolle Vorstellung, doch der Setter wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als er einen Klaps an seinem Po spürte. Überrascht keuchte er auf und suchte den Blick Hajimes, der ihn verschlafen grinsend erwiderte. „Na los, hoch mit dir. Du brauchst länger im Bad als ich.“ „Pöh! Wenn du mich loswerden willst!“, maulte Toru, reckte das Kinn und krabbelte leise kichernd aus dem Bett. „Ja, will ich. Dann kann ich wenigstens deinen knackigen Arsch sehen.“ „Ach darum geht es dir? Nicht um meinen umwerfenden Charakter? Mein einzigartiges Charisma?“, neckte Oikawa ihn und wackelte verspielt mit seinem Hinterteil, während er sich der Badtür näherte. Er spürte förmlich den anzüglichen Blick seines Freundes auf sich, wie er jede Regung wahrnahm und er bekam eine Gänsehaut auf seinem Körper. Es war so aufregend, so von ihm begehrt zu werden. Aber Toru musste jetzt einen klaren Kopf behalten und duschen gehen. Alles weitere konnten sie noch heute Abend machen. „Gerade ja“, entgegnete das Ass frech und Oikawa schüttelte grinsend den Kopf, als er an der Tür angekommen war. Unfassbar! „Dann bis gleich“, schnurrte Toru und verschwand in dem großen Badezimmer, indem es eine geräumige Dusche und sogar eine Badewanne für Zwei gab. Ob das was für Iwa wäre? In der Badewanne hatte er selbst auch noch nicht ausprobiert, aber ihm gefiel der Gedanke. Sehr sogar. Kurz hatte er überlegt, Iwa auch zum Aufstehen zu nötigen, doch sein Freund sollte sich noch etwas entspannen, wenn er die Zeit hatte. Und gemeinsam duschen würde jetzt wahrscheinlich nur in unanständigen Dingen enden. Also war das so vielleicht besser. Kurz schaute er gewohnheitsmäßig in den Spiegel und stoppte in seiner Bewegung, als er den Knutschfleck entdeckte. Es war das spontane Zeichen Iwaizumis, dass er zu ihm gehörte. Dass sich andere von ihm fernhalten sollten. Gedankenverloren strich er mit zwei Fingern über das Mal und lächelte selig. Es war so putzig gewesen, wie er gebrummt hatte, als ihm klar geworden war, dass das auf der Straße niemand sehen würde. Seine Liebe war in diesem Moment so übergeschwappt, dass er sich hatte zurückhalten müssen, Hajime nicht einfach zu Tode zu knuddeln. Wie viel Liebe konnte man für einen Menschen empfinden? Nach dem Duschen war auch Iwaizumi ins Bad gekommen und hatte sich unter die Dusche gestellt, während Oikawa sich gestylt hatte. Danach waren sie entspannt nebeneinander zur Uni spaziert, hatten sich unterwegs noch ein Frühstück besorgt und über dies und jenes unterhalten. Wie es der Zufall so wollte, waren sie auf dem Campus Gelände noch Makki und Mattsun begegnet, die ihnen breit grinsend entgegengekommen waren. Nach dem üblichen Aufziehen seitens der Beiden waren sie zu ihren Vorlesungen aufgebrochen und diese verliefen wie jeden Tag recht ruhig und Toru machte sich fleißig Notizen, um alles in Ruhe aufarbeiten zu können. Zwar war es noch etwas hin bis zu den nächsten Prüfungen, aber alle Vier hatten sich darauf eingependelt, lieber regelmäßig etwas zu machen, als späterhin in Stress zu geraten, was das Lernen anging. Das klappte zwar auch nicht immer, aber sie versuchten, sich daran zu halten. Etwas unwohl wurde dem Setter zumute, als er sich auf den Weg zur Halle machte. Das Training mit diesem Interimscoach war mehr als unangenehm. Der Mann verstand sich überhaupt nicht darauf, Rücksicht zu nehmen oder das Team anzuleiten. Stattdessen brüllte er nur seine Befehle und machte diejenigen rund, die nicht ihre Bestleistung zeigten. Zum Glück war er selbst bisher nicht in den Fokus des Trainers geraten, aber viele andere hatten schon den Zorn zu spüren bekommen, darunter Kuro, Bokuto, Komi und Yamaguchi. Er hatte Iwaizumi zurückhalten müssen, nicht einzugreifen, weil er sonst nur Ärger auf sich gezogen hätte. Das hätte niemanden weitergebracht und sie waren als Team stark genug, um das auch so durchzustehen. Davon war er überzeugt. In der Kabine hatten sie die anderen wiederaufgebaut, was aber in Kuros Fall gar nicht nötig gewesen war. Viel mehr war er kurz davor gewesen, selbst den Trainer anzuschreien, doch zum Glück hatte er das nicht getan. So wie der alte Mann drauf war, hätte er sonst richtig Ärger bekommen. Als hätte Torus sechster Sinn es erahnt, ging das Ende des Trainings furchtbar schief. Er war etwas unkonzentriert gewesen, weil er darüber nachgedacht hatte, wann er mit Iwa das klärende Gespräch wegen der Agentur führen wollte. Deswegen hatte er nicht jeden Ball zu 100% getroffen, aber die Angreifer konnten seine Bälle trotzdem schlagen, sodass niemand meckerte. Doch dem Trainer war das nicht entgangen und zusammen mit Hayato und Inouka gehörte er heute zu denjenigen, der vor aller Augen rundgemacht wurde. Er zitterte, hatte die Hände zu Fäusten geballt, den Kopf gesenkt und biss sich auf die Unterlippe, als die donnernde Stimme des Trainers über ihn hinwegfegte: „Was war das denn für eine Luschenleistung heute!? War das euer Ernst? So werdet ihr schon im nächsten Spiel hochkant aus dem Turnier fliegen! Das war ja peinlich! So etwas Schlechtes habe ich schon lange nicht mehr sehen müssen! Hayato, weißt du, was ein Hechtbagger ist? So wie du dich heute bewegt hast, solltest du noch mal im Lehrbuch nachschlagen, wie der auszusehen hat! Und du, Inouka? Deine Blocks sind grottenschlecht gewesen! Hast du überhaupt Muskeln in deinen Armen? Weißt du, wie man die benutzt? Und was ist mit dir, Oikawa? Nennt man dich nicht den großen König des Spielfelds? Den Dirigenten? Vielleicht solltest du lieber Balljunge werden! Das scheint mir ein passender Job für dich zu sein! Das –“ „Jetzt halten Sie mal die Luft an!“, brüllte Iwaizumi und ruckartig drehte der Setter den Kopf zu seinem Freund, der sich zwischen den anderen hindurchschob und sich vor ihn stellte. „Iwa, nein …“, wisperte er leise und griff nach seinem Trikot, doch das Ass ließ sich nicht davon abbringen. „Was sagst du da!?“, knurrte der Trainer gefährlich und funkelte seinen Freund mit blitzenden Augen an. Nein, das war nicht gut. Er würde das schon ertragen können. Ihm war doch mittlerweile klar, dass er nicht jeden Tag Höchstleistungen zeigen konnte und dass Iwaizumi und die anderen für ihn da waren. Es war zwar nicht schön, aber er würde das hinkriegen. Das war den Ärger nicht wert! „Ich habe gesagt, dass Sie die Luft anhalten sollen. Jeder hat mal aus verschiedenen Gründen einen Tag, wo es nicht so gut läuft. Das heißt nicht, dass sie nicht spielen können. Und wenn sie mir jetzt sagen wollen, dass Sie es schaffen, jeden Tag 100% zu geben, dann glaube ich Ihnen das nicht. Dann wären Sie nämlich übermenschlich. Also beruhigen Sie sich und bewerten unsere Leistungen bitte etwas objektiver!“, forderte Iwa und blieb mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihnen stehen. Seine ganze Ausstrahlung war aggressiv und herausfordernd und Toru zupfte nachdrücklicher an dem Trikot, doch sein Freund reagierte nicht. Er fixierte geradezu den alten Mann, der ihn wie einen vorlauten Bengel musterte, dem man Manieren beibringen musste. Nein, nein, nein. Das lief hier alles so schief! Es war ja wirklich süß von ihm, dass er sich so beschützend vor ihn stellte und ihm helfen wollte, aber so würde er bestimmt nur großen Ärger bekommen! Das sollte er nicht … Nicht wegen ihm. „Na, du traust dich ja was! Redest du so respektlos auch mit deinen Eltern?“ „Nein, brauche ich nicht, da die sich benehmen können“, schoss das Ass zurück und hilfesuchend schaute sich der Violetthaarige um. Alle starrten gebannt auf das Geschehen, aber keiner mischte sich ein. Warum denn nicht? Die mussten doch auch wissen, dass das nur Ärger geben würde! „Iwa-chan … Bitte. Hör auf …“, wisperte er leise, damit der Trainer es nicht hören konnte, doch das Ass ignorierte ihn noch immer. So hilflos war er sich lange nicht mehr vorgekommen, doch er traute sich auch nicht, das Wort an den Coach zu richten. Er war nicht so stark wie Iwa und konnte ihm Paroli bieten und er hasste es, wenn man ihn anblaffte oder anschrie. Also konnte er nur weiterzusehen, wie das Unglück seinen Lauf nahm. „Na warte. Dir werde ich noch Respekt lehren. Das wird ein Nachspiel haben! Verlass dich drauf!“, brüllte der Trainer den Braunhaarigen an, doch er zuckte nicht einmal. Stattdessen stand Iwaizumi selbstbewusst und mit geradem Rücken vor ihm, während er erschrocken über die plötzlich so laute Stimme zusammenzuckte. So ein Mist! Das würde richtig Ärger geben! „Gehen wir.“ Hajime drehte sich zu ihm um, legte ihm eine Hand auf den oberen Rücken und schob ihn in Richtung der Umkleide. Der Trainer sagte noch irgendetwas, doch Oikawa konzentrierte sich nur auf seinen Freund, der aussah, als würde er jede Sekunde ausrasten und eine Prügelei anfangen. Erst, als sie im Raum angekommen waren, schien sich das Ass etwas zu entspannen, doch da hatte sich der Setter getäuscht, denn er regte sich jetzt richtig auf: „Was fällt diesem Mistkerl eigentlich ein!? Wie ist der bitte schön mit der Einstellung Trainer geworden? Wenn der noch einmal irgendjemanden aus dem Team blöd anmacht, werde ich mir den Arsch greifen. Das kann doch alles nicht sein Ernst sein! Der muss doch auch gecheckt haben, dass man heutzutage nicht mehr so mit Leuten umgeht! Fuck, der regt mich so auf!“ Wutentbrannt warf Iwaizumi seine Tasche quer durch den Raum und schnaufte. Unsicher wusste Toru nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Natürlich war er auch schon früher mal an die Decke gegangen, aber nie so extrem und nie, um ihn zu verteidigen. Und es war das erste Mal, seit sie ein Paar waren. „Ich verstehe, dass der Typ dich triggert, aber du wirst jetzt richtig Stress bekommen …“ „Ja, na und? Als ob mich der Stress interessiert, wenn der Typ so mit uns umspringt! Der sollte den Ärger bekommen!“ „Das ist ja richtig, aber du weißt doch, wie es läuft. Ich bin dir dankbar, dass du mir helfen wolltest, aber …“ „Toru, was ist los mit dir? Irgendjemand musste dem Kerl doch mal die Meinung sagen!“ Wow, da war ja jemand immer noch auf 180. Irgendwie musste er ihn besänftigen, bevor die anderen hereinkamen, denn das konnte nicht mehr lange dauern. Und sie mussten darüber sprechen, wenn sich sein Freund abgekühlt hatte und seine Worte wieder richtig bei ihm ankamen. Jetzt war das sinnlos. Vorsichtig näherte er sich ihm und strich ihm sanft über die Wange. Die grünen Augen taxierten ihn, wurden allmählich ruhiger und verloren ihre aggressive Ausstrahlung. Vielleicht war es in solchen Situationen bei Iwa wie mit einem Tier, also murmelte der Setter: „Schließ bitte die Augen, Schatz.“ Ohne zu zögern, kam Hajime seiner Aufforderung nach und atmete tief durch. Die angespannten Muskeln lockerten sich langsam und liebevoll strich Toru mit den Händen über die Oberarme, massierte sie ein wenig. Gleichzeitig suchten seine Lippen die des Asses und sanft berührte er sie, bewegte sie hauchzart und lächelte, da Iwaizumi den Kuss genauso zärtlich erwiderte. Die Wut fiel von ihm ab, seine Ausstrahlung wurde wieder ruhig und ausgeglichen und die starken Arme zogen ihn in eine enge Umarmung. „Danke“, murmelte Iwa gegen seine Lippen, saugte leicht an seiner Unterlippe und Oikawa schnurrte leise. „Immer Schatz“, erwiderte er und kuschelte sich an seinen Freund. Noch ein paar Augenblicke konnten sie sich der Ruhe hingeben, dann hörten sie viele Schritte auf dem Gang. Der Trainer hatte also den Rest für heute aus dem Training entlassen. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Das Thema war definitiv noch nicht beendet. Kapitel 12: Ein Abschied ------------------------ Freitag, 24.11. / Samstag, 25.11. Er hatte rotgesehen. Iwaizumi konnte sich nicht daran erinnern, bei einer Respektperson mal so ausgerastet zu sein. Doch dieser alte Mann, der die anderen grundlos zur Sau machte, hatte etwas tief in ihm getriggert, gegen das er nicht angekommen war. Als er dann auch noch bemerkt hatte, wie Toru es mitnahm, hatte er nicht mehr an sich halten können. Hajime hatte den Streit nicht mal richtig mitbekommen, war so in seiner Wut gefangen gewesen, dass er einfach nur geredet und gehandelt hatte. Natürlich hatte Oikawa im Nachhinein recht, dass er dafür auch Konsequenzen zu spüren bekommen würde, doch damit konnte er leben. Er hoffte nur, dass der Typ sich in Zukunft wenigstens ein bisschen zurückhalten würde. Dann hätte sich der Streit für ihn gelohnt. „Hey Iwaizumi“, rief Kuro und kam auf ihn zu, während er sich gerade seinen Pullover überzog. „Was gibt es?“, brummte er, hatte keine Lust, sich jetzt großartig zu unterhalten. Zwar hatte Toru es geschafft, ihn wieder zu besänftigen, wofür er mehr als dankbar war, aber seine Laune war noch immer stark angeknackst und er wollte nur nach Hause und sich ablenken. Mit den anderen Drei einen Film oder eine Serie schauen oder so. „Was auch immer es für eine Strafe gibt, du wirst nicht der einzige sein, der sie bekommt“, verkündete er grinsend und irritiert hob das Ass eine Augenbraue. Was sollte das denn heißen? „Wie meinen?“ „Als ihr die Halle verlassen habt, fragte der Trainer, ob noch jemand etwas zu sagen hätte und Kuro und Kageyama meinten zu ihm, dass sie es genauso sehen wie du und der Alte drohte ihnen ebenfalls mit Konsequenzen“, erklärte Yamaguchi neben ihm und Iwa nickte langsam. „Danke Jungs, aber ich hätte das auch allein geschafft.“ Etwas irritiert war er ja schon, dass der Setter der Krähen sich ebenfalls eingemischt hatte. Eigentlich hatte er ihn nicht für jemanden gehalten, der gegen einen Trainer arbeitete. Bei der Katze hingegen wunderte es ihn kein bisschen. Eigentlich war es schon fast verwunderlich, dass er nicht schon früher was gesagt hatte. Makki hätte bestimmt auch sofort etwas gesagt, aber wahrscheinlich war Mattsun schnell genug gewesen und hatte ihn abgelenkt, damit er sich nicht auch noch in die Scheiße ritt. Es reichte ja schon, dass er das getan hatte. Was er wohl für eine Strafe bekam? Seine würde mit Sicherheit am krassesten ausfallen. Immerhin hatte er den Streit aktiv angezettelt und gegen den Trainer gewettert. Shit, das war wirklich nicht so schlau gewesen. Ernsthaft bereuen tat er das trotzdem nicht. Es wäre besser gewesen, wenn er das diplomatischer rübergebracht hätte, aber die Kritik an sich war berechtigt. So viel war für ihn klar und das würde er auch jedem anderen gegenüber sagen. „Ja, das hat man gesehen“, murmelte Kageyama anerkennend in seine Richtung und fügte hinzu: „Trotzdem sind wir ein Team und stehen zusammen. Und du hattest ja mit allem recht. Vielleicht merkt der Trainer ja, wenn mehrere sich melden, dass er sich mäßigen muss.“ „Schön wärs“, seufzte Kuro und Iwaizumi hörte förmlich das „aber Hoffnung habe ich keine.“. Er selbst hatte leider auch keine. Wahrscheinlich würde er zu ihnen Drei in Zukunft noch fieser sein und dafür möglicherweise die anderen etwas aus den Augen verlieren. Das wäre dann noch die gute Variante. Aber nun gut, spekulieren brachte sie jetzt auch nicht weiter und er hatte sich endlich fertig angezogen. „Also wir sehen uns dann morgen beim Training“, murmelte Iwaizumi und wollte schonmal rausgehen, um dort auf die anderen Drei zu warten. Die Stimmung war so seltsam und er brauchte frische Luft, auch wenn diese ziemlich kalt war. Schließlich war Ende November. „Ähm nein, das hat der Trainer abgesagt. Er meinte, wir sollten unsere Gemüter abkühlen und deswegen würde das nächste Training erst am Montag stattfinden“, erläuterte Akaashi und Iwaizumi brummte. Der einzige, der sich abkühlen musste, war der Trainer. Das war jawohl klar. „Alles klar, dann schönes Wochenende euch und wir sehen uns Montag.“ Die anderen winkten ihm, verabschiedeten sich und das Ass verließ die Sporthalle und atmete draußen tief durch. So hatte er sich seinen Freitagabend nicht vorgestellt … Die Musik dröhnte aus den Dolby Surround Lautsprechern im Wohnzimmer und der Bass wummerte treibend durch den Raum und die Wände. Bunte Lichtstrahler, die auf den obersten Regalen angebracht waren, tauchten den großen Raum in immer wechselnde Farben und durch die Discokugel wurden die Strahlen noch zusätzlich gebrochen, um Clubatmosphäre zu simulieren. Das Ass musste zugeben, dass das auch durchaus gut klappte. Die Mischung aus Parfums, Aftershaves und Alkohol erinnerte Iwaizumi an vergangene Partys und er schlängelte sich leicht grinsend durch die kleinen Grüppchen, die sich überall verstreut hatten, aus dem Zimmer, um zur Küche zu gelangen. Seinen Freund und seine Mitbewohner hatte er bereits vor einigen Minuten im Gedränge der anderen Studenten verloren. Irgendwie würde er sie früher oder später schon wieder einsammeln. Hoffte er zumindest, denn so voll, wie es war, wuchsen seine Zweifel, sie wiederzufinden, von Sekunde zu Sekunde. Es war eine spontane Aktion gewesen, hierher zu kommen, da jeder von ihnen von Mitstudenten angeschrieben worden war, dass heute Abend bei einem Kommilitonen eine große Party stattfinden sollte. Wie sich herausgestellt hatte, war es das klassische Szenario, wo die Eltern auf Reisen waren. Also hatte der Typ, mit dem Matsukawa eine Vorlesung gemeinsam hatte, einige eingeladen und diese wiederum noch andere mitgebracht, sodass gefühlt niemand mehr ins Haus passte. Iwaizumi musste aber zugeben, dass die Hütte ganz schön was hermachte. Soweit er das beurteilen konnte, gab es noch zwei Stockwerke und die Inneneinrichtung war ein Mix auf Tradition und Moderne. Kaum, dass er vorhin den Flur betreten hatte – als es noch nicht so voll gewesen war – , hatte er sich wohl gefühlt. Er mochte dieses Ambiente unsagbar gern. Die Krönung war natürlich der große Garten inklusive einem Pool, der aber aufgrund der Jahreszeit leer war. Sommerpartys wären hier sicherlich der Knaller, schoss es ihm grinsend durch den Kopf, während er sich an einem knutschenden Pärchen vorbeischob. Himmel, die Küche war angrenzend zum Wohnzimmer und er brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis er endlich die Tür erreicht hatte! Wie viele Menschen waren überhaupt da? Es würde ihn nicht wundern, wenn es an die 100 wären. Wie sollte er da seinen Freund finden? „Hey Iwaizumi! Cool, dass du auch da bist!“ Yuuji, sein Unikumpel, tauchte neben ihm auf und grinsend schlugen sie die Fäuste gegeneinander. „Hi. Wenn du mich schon einlädst, lasse ich mir das nicht entgehen“, rief er über die noch immer laute Musik hinweg. „Super Sache! Auch noch was trinken?“ „Ja, irgendwie ist plötzlich das Glas immer leer! Ich weiß auch nicht, wie das passieren kann!“, feixte er und schwenkte das leere Glas auf Augenhöhe, um seine Worte zu verdeutlichen. Yuuji streckte ihm frech die Zunge heraus und hob auch seinen Becher, in dem nichts mehr war. Gemeinsam kämpften sie sich zum Tresen vor, hinter dem zwei Jungs standen, die die improvisierte Bar schmissen. Da alle – wie vom Hausherrn gefordert – Getränke und Snacks mitgebracht hatten, gab es beides im Überfluss und so ließen sie sich neue Drinks mixen. Entspannt schaute sich das Ass derweil um und zog die Stirn in Falten, als er an einer Wand eine Frau entdeckte, die offenbar von einem Typen belagert wurde. Der Typ hatte sie zwischen sich und der Wand eingesperrt und machte ihr eine Flucht so unmöglich. Zwar konnte er sonst nicht viel sehen, aber da sie nicht herumknutschten und er ein komisches Gefühl hatte, beschloss Hajime, nachzusehen und – wenn nötig – dazwischenzugehen. „Hey, pass mal bitte kurz auf meinen Drink auf“, forderte er mit lauter Stimme von Yuuji und dieser nickte überrascht, als sich das Ass auch schon in Bewegung setzte. Zu seinem Glück musste er sich nur durch eine Gruppe schlängeln und war schon bei den Zwei angekommen. Die Frau versuchte den Mann wegzudrücken und sie hatte dabei den Kopf gesenkt, sodass er ihr Gesicht im Halbdunkel nicht sehen konnte. Ohne Vorwarnung riss er den Mann an der Schulter zu sich nach hinten, damit er von dem Mädchen wegkam. Unwirsch versuchte der Kerl seine Hand abzuschütteln, aber er hielt ihn stur fest. Belästigung war ein absolutes no-go in seinen Augen und das würde er dem Kerl jetzt auch verdeutlichen. „Verpiss dich! Merkst du nicht, dass sie nichts von dir will!?“, blaffte er ihn an und fixierte seine Augen auf den Mann, der ihn hämisch angrinste. „Woher willst du das beurteilen können, Schwuchtel? Halt lieber deinen Arsch für andere Typen hin und lass mich das hier in Ruhe regeln!“ Nein, er sollte ihn nicht schlagen. Das würde ihm nur Probleme einbringen. Er stand über der Beleidigung, weil der Typ überhaupt keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Außerdem war er betrunken und wusste nicht, was er da faselte. Das musste er sich nur vor Augen führen. Wie ein Mantra wiederholte er das drei Mal in Gedanken. „Sieh zu, dass du Land gewinnst oder ich werde dir Beine machen“, drohte er statt ihn sofort zu schlagen, doch natürlich verstand der Typ das als Aufforderung und stellte sich mit breiter Brust vor ihn. Seine dunkelbraunen Augen schauten ihn voller Wut an und er lupfte eine Augenbraue. „Was?“, hakte Iwaizumi aggressiv nach und ballte seine rechte Hand zur Faust, um notfalls schnell reagieren zu können. Eine falsche Bewegung und der würde ein nettes Veilchen kassieren. „Geh mir aus dem Weg, Homo!“ „Nein. Du wirst die Frau in Ruhe lassen. Und jetzt verschwinde aus meinem Blickfeld!“ Wie es kommen musste, hatte sein Gegenüber keine Lust mehr auf eine Diskussion und griff ihn direkt an. Doch statt eines Faustschlages, mit dem er gerechnet hatte, schubste er ihn und für einen Augenblick verlor er das Gleichgewicht, sodass er nach hinten taumelte und mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Sofort war der Typ zur Stelle und nahm ihm seine Fluchtmöglichkeiten. Nicht, dass er das vorgehabt hätte. Mit so einem Möchtegern würde er ohne Probleme fertig werden, aber bevor er doch noch zuschlug – die ersten schauten schon zu ihnen rüber – beschloss er, eine andere Taktik zu versuchen. Mit den Fäusten könnte er das klären, wenn das nicht half. „Wow, so nah traust du dich an einen schwulen Mann heran? Das ist gewagt. Ich könnte unlautere Gedanken bekommen“, schnurrte er laut und grinste ihn überheblich an. Augenblicklich trat der Mann zurück, als würde er sich an ihm verbrennen und als sich Iwa von der Wand abstieß, verschwand der Typ mit einem angewiderten Gesichtsausdruck aus dem Raum. Geradezu fluchtartig, wenn er das so beobachtete. Homophober Idiot. Seufzend wandte er sich der jungen Frau zu, die er komplett ausgeblendet hatte und seine Augen weiteten sich vor Überraschung. An der Wand stand Kaori, die Arme vor dem Körper, als müsste sie sich noch immer schützen, und musterte ihn aufmerksam. Sie war bedrängt geworden? Das Ass brauchte einen Augenblick, um seine Sprache wiederzufinden und er fragte mit lauter Stimme, damit sie ihn auch verstand: „Alles in Ordnung soweit?“ Wahrscheinlich sah sie ihm seine Unsicherheit an, denn er hatte das Gefühl, dass er nur noch aus diesem Gefühl bestand. Wie sollte er mit ihr umgehen? Wie reagierte sie auf ihn? Erinnerungen an ihre Beziehung tauchten vor seinem inneren Auge. War das, um ihn zu ärgern? Um ihm zu zeigen, was er alles verloren hatte? Dieser Sommer war wirklich verrückt gewesen. Sie nickte und machte einen Schritt auf ihn zu, sodass sie eng beieinanderstanden und mit einer Hand an der Wand, um sich abzustützen, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und sagte: „Danke für deine Hilfe, Hajime! Der Typ war wirklich zudringlich und unangenehm … Wie … wie geht es dir? Läuft es gut mit Toru?“ Er konnte ihre Tonlage nicht richtig einschätzen und das machte ihn gerade verrückt, weil er nicht wusste, was er sagen konnte und was nicht. Trotz allem, was vorgefallen war, wollte er ihr nicht wehtun und so nickte er langsam und entgegnete: „Mir geht es gut und mit Toru läuft es auch soweit.“ Was sollte er ihr auch großartig anderes sagen? Sie würde doch keine Einzelheiten wissen wollen? Das war doch nur so ein Höflichkeitsgerede, weil er ihr geholfen hatte. Oder? „Wollen wir kurz draußen reden? Da ist es etwas ruhiger …“, erkundigte sie sich und ihre Stimme klang leicht kratzig. Verdammt, sollte er zustimmen? Ablehnen? Wollte sie einfach nur reden? Oder gab es da was anderes? Immer mehr Fragen tauchten in seinem Kopf auf, als auf einmal Yuuji neben ihm auftauchte. „Hier, dein Drink! Ich habe ihn beschützt, du Held!“, meinte er grinsend und drückte ihm das volle Glas in die Hand. Dann verschwand er auch schon im Flur in die Tiefen des Hauses. „Na dann los!“, forderte seine Ex und elegant schlängelte sie sich durch die Feiernden hindurch, während er ihr seufzend folgte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ein knielanges Kleid mit etwas Ausschnitt trug. Genauso, wie er Kleider an Frauen mochte. Im Sommer hatte sie oft solche angehabt und jetzt schien es mit dicker Leggins auch noch zu gehen. Wahrscheinlich gab es an der Garderobe noch einen dicken, langen Mantel, der ihr gehörte. Sie öffnete die Terrassentür im Wohnzimmer und als er ebenfalls hindurchgeschlüpft war, schloss sie diese wieder. Hier war es wenigstens leiser und abgesehen von ein paar Rauchern auch deutlich leerer. An den seitlichen Gittern, wo von außen Efeu wuchs, wenn er das richtig erkannte, waren Lichterketten befestigt worden, somit war der gesamte Bereich in ein angenehmes Licht getaucht. „Ist dir das nicht zu kalt?“, wollte Hajime plötzlich wissen, da ihm auffiel, dass das Kleid gar keine Ärmel hatte. Es war Ende November und schon nach Mitternacht und die Temperaturen im einstelligen Bereich, wenn er die Wettervorhersage noch richtig im Kopf hatte. Sie sollte sich schließlich nicht erkälten. „Für den Moment geht es schon, alles gut. Ich wollte auch nur kurz mit dir reden“, sagte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und rieb sich doch die Oberarme. Unbewusst schaute er sich um, aber seine Jacke war ebenfalls in den Tiefen der Garderobe und ansonsten trug er nur ein Hemd, also hatte er nichts, was er ihr anbieten konnte. „Sollen wir nicht vielleicht doch lieber rein?“, hakte er besorgt nach und musterte sie, aber sie schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Was ich sagen wollte … Ich habe mitbekommen, dass Toru dir von unserem Gespräch erzählt hat …“ „Du meinst, dass du ihm den wahren Grund für die Trennung erzählt hast?“, brummte er missmutig und nahm einen großen Schluck seines Drinks, um die Bitterkeit herunterzuspülen. Das lag ihm nach wie vor schwer im Magen. Kaori nickte langsam und kaute einen Moment auf ihrer Unterlippe herum, ehe sie den Mund erneut öffnete: „Ja genau. I-ich … Mein erster Freund ist mit einer Frau durchgebrannt, nachdem sie über ein viertel Jahr eine Affäre hatten. Ich habe das damals durch Liebesbriefe herausgefunden, die ich beim Aufräumen gefunden hatte. Daher bin ich was solche Briefe angeht, sehr empfindlich …“ „Das –“ „Warte bitte. Ich bin noch nicht fertig“, murmelte sie und schweren Herzens hielt er die Klappe, damit sie weitersprechen konnte. „Ich weiß, dass du ein treuer Mann bist, aber diese Angst ist einfach irrational. Bei dem Brief hat es einfach bei mir ausgesetzt. … Dann die Sache mit dem Unfall. Ich glaube dir, dass es keine böse Absicht war, dass du dich nicht gemeldet hast. Aber ich war so enttäuscht und … Und ich möchte mir nicht jedes Mal Sorgen machen müssen, wenn du dich mal nicht meldest, dass du dann in irgendeinem Krankenhaus liegst. Aber der entscheidende Punkt, warum ich mich für die Trennung entschieden habe, ist die Sache mit Toru. Die anderen Sachen hätten wir vielleicht noch irgendwie mit viel Arbeit meistern können, aber ich hatte das Gefühl, dass du an Oikawa viel mehr Interesse hast, als dir selbst bewusst war. Ich weiß, dass ich dir das hätte sagen müssen damals … A-aber ich konnte nicht. Ich habe dich geliebt und es zerriss mir das Herz, Schluss zu machen, aber ich musste auch an mich denken. Mit einem Freund zusammen zu sein, der sich nur nicht bewusst war, dass er jemand anderen liebt, konnte ich nicht. Dennoch hätte ich dir die Gründe sagen müssen, das tut mir leid.“ Sie schaute ihn unsicher an und der Braunhaarige wusste gar nicht, was er sagen sollte. Nie und nimmer hatte er nach der Trennung damit gerechnet, dass sie sich bei ihm entschuldige würde. Er fühlte sich überfordert und konnte nicht sofort reagieren. Seine Gedanken überschlugen sich und doch merkte er, dass er nichts mehr für sie empfand. Nach der Entschuldigung war er nicht einmal mehr wütend, es war einfach nichts. Als wäre sie eine gute Bekannte, zu der er kein besonderes Verhältnis hatte. Vielleicht war das das gute an diesem Gespräch. Der saubere Abschluss für eine tolle Zeit, die abgelaufen war. Trotzdem musste er jetzt noch was sagen. Immerhin war sie auch über ihren Schatten gesprungen. „Damals war ich wirklich wütend, dass du alles abgeblockt hast und als Toru mir erzählt hat, dass du mit ihm gesprochen hast, war ich gekränkt, denn immerhin sollte doch ich derjenige sein, der die Gründe kannte. Andererseits hätte ich dich wahrscheinlich für verrückt erklärt, wenn du es mir gesagt hättest, also … Ich bin niemand, der sich so groß an vergangenen Sachen aufhält. Danke für deine Entschuldigung, damit habe ich absolut nicht gerechnet. Ich bin nicht mehr böse auf dich, wenn es dir darum gehen sollte. Es war eine tolle Zeit und ich bereue sie nicht.“ „Ich auch nicht. Toru und dir alles Gute, ja? Darf ich … darf ich noch eine letzte Umarmung haben?“, fragte sie und er nickte sofort. Wenn sie das für den Abschluss brauchte, sollte sie das auch bekommen. Mit einem großen Schritt überwand sie die Distanz und er öffnete seine Arme, legte sie um sie. Es fühlte sich vertraut an, aber nun hatte er den endgültigen Beweis. Er fühlte nichts mehr für sie. Es war abgeschlossen. Einen Moment blieben sie so stehen, Kaori kuschelte sich eng an ihn und Hajime ließ ihr den Moment, hoffte, dass sie nicht so sehr fror. Ewig konnten sie nicht hier draußen bleiben. Plötzlich wurde die Tür lautstark aufgerissen und heftig zuckte Kaori in seinen Armen zusammen. Irritiert drehte das Ass den Kopf und sah in das wütende Gesicht von Terushima und das leicht geschockte von Oikawa. Oh nein, die Zwei verstanden das hier doch nicht falsch, oder!? Kapitel 13: Doppelte Eifersucht ------------------------------- Samstag, 25.11. / Sonntag, 26.11. Der Alkohol machte sich allmählich bei ihm bemerkbar und grinsend tanzte Oikawa mit Makki, während dessen Verlobter versuchte, neue Getränke für sie zu organisieren. Nur für einen kurzen Moment hatte er Hajime aus den Augen gelassen und prompt war er irgendwo verloren gegangen, doch nach dem Tanz würde er ihn suchen, um noch Zeit mit ihm verbringen zu können. Schließlich wollte er die Nacht auch mit seinem Freund genießen können! Die Musik wechselte und augenblicklich fand er sich im Club wieder, als er so eng mit Hajime getanzt hatte und ihm einen geblasen. Der Anfang von allem. Ob sie den Remix von Yamaguchi spielten? Er fühlte sich so daran erinnert und je mehr Erinnerungen in ihm hochkamen, desto mehr wünschte er sich, dass sein Freund bei ihm war. „Ich such mal Hajime! Bis später!“, rief der Setter über die Musik hinweg und Makki nickte breit grinsend. Was der schon wieder dachte! Als ob er hier, wo jederzeit irgendwer … Also wirklich! Die Röte schoss ihm ins Gesicht und kurz den Kopf schüttelnd schaute er sich um, doch die bekannten braunen, kurzen Haare waren nirgendwo zu sehen. Wie sollte er ihn denn in diesem Haus finden? Nicht nur, dass es groß war, nein es war mittlerweile auch noch echt voll! Irgendwie versuchte er sich durch die tanzende und knutschende Masse zu bewegen, was gar nicht so einfach war. Es hatte richtiges Clubfeeling mit verschiedenfarbigen Strahlern an der Decke, der lauten Musik, den Drinks und den vielen Menschen. Er kämpfte sich weiter und ließ immer wieder den Blick schweifen, doch von seinem Schatz fehlte jede Spur. Menno, wo steckte er denn jetzt? Sie wollten doch gemeinsam auf die Party! Miteinander tanzen, etwas trinken und ganz viel Spaß haben! Also ganz harmlosen natürlich, denn alles andere war nichts für hier. Sondern fürs Love Hotel. Nicht, dass er abgeneigt wäre. Iwa konnte ihn wahrscheinlich in jeder Lebenslage verführen und er würde sich drauf einlassen. Aber dafür müsste er ihn erst einmal finden! Je länger der Setter nach ihm fahndete, desto genervter war er. Das konnte doch nicht sein! Irgendwo musste Hajime doch stecken! „Hey! Du bist Oikawa, oder?“ Irritiert, dass er seinen Namen hörte, drehte sich der Violetthaarige um und suchte nach dem Mann, der ihn angesprochen hatte, als neben ihm jemand stehen blieb. „Stimmt, und du bist?“ „Ich heiße Yuuji und bin in gemeinsamen Vorlesungen mit Iwaizumi.“ „Ah, dann hast du ihn gesehen?“, fragte er deutlich besser gelaunt und der Gegenüber nickte. „Ja, er hat gerade noch einem Mädchen geholfen und die wollten glaube ich raus, wenn ich das richtig verstanden habe.“ Raus? Wie raus? Was wollten die denn da? Gott, seine Gedanken verselbstständigten sich in atemberaubender Geschwindigkeit und sein Magen zog sich zusammen. Verdammt, dafür gab es gar keinen Grund! Hatte er nicht noch Kaori dafür gerügt, dass sie dem loyalsten und treuesten Mann misstraute? Warum tat er das dann jetzt? Er war ein Idiot, aber irgendwie war er ganz unruhig. Das kam doch nicht aus dem Nichts, oder!? „W-wo geht es denn hier nach draußen?“, wollte er leicht verunsichert wissen und hörte, wie seine Stimmlage viel zu hoch war. Er musste sich beruhigen. Ganz dringend, denn es war alles gut. Er war mit ihm zusammen und Iwa hatte nie Andeutungen gemacht, dass er wieder auf Mädchen umsteigen wollte und das hätte er ihm längst gesagt, wenn es so wäre! Dieser Yuuji erklärte ihm knapp, wie er zur Terrasse gelangte und der Setter bedankte sich bei ihm, dann schlängelte er sich durch die Gruppen in Richtung Tür. Im Augenwinkel bemerkte er, dass sich dieser noch jemand anderes näherte und als er den Blick auf die Person legte, stellte er erstaunt fest, dass es sich dabei um Terushima handelte. Fuck, dann war Kaori auch hier? Dann hatte Iwa ihr geholfen? Wobei? Ihm wurde schlecht und Toru erwiderte das knappe Nicken Terushimas, als dieser schon die Tür öffnete und nach draußen schaute. Oikawa stellte sich neben ihn und tatsächlich stand dort Hajime, die Arme um Kaori gelegt, die sich schamlos an seinen Freund kuschelte. Er konnte es nicht fassen! Für einen Moment war er wirklich sprachlos. Sie waren seit fünf Monaten getrennt, hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt – selbst in der Uni war sie ihm stets strikt aus dem Weg gegangen – und jetzt kuschelten sie auf der Terrasse!? Warum? Gab es da doch noch Gefühle? Wollte sie ihn zurück? Aber warum hatte Iwa sie umarmt? Das konnte doch nicht wahr sein! Das DURFTE nicht wahr sein! „Kaori, was soll das?“, machte er sie an und noch bevor sie etwas erwidern konnte, hörte er Terushimas Stimme neben sich. „Iwaizumi verdammt! Lass sie in Ruhe!“ Sie wechselten beide einen bösen Blick miteinander und traten ebenfalls nach draußen. Die kalte spät novemberliche Luft umfing ihn sofort und durch die feucht warme Saunaluft im Inneren fröstelte ihm. „Yuuji, Oikawa! Das ist nicht, wonach es aussieht“, rechtfertigte sich die Brünette und löste sich endlich aus den Armen von Iwaizumi. Mit Blicken trackierte er sie. Wie konnte sie hier draußen mit ihm stehen und kuscheln? Und warum hatte sich sein Ass darauf eingelassen? Das passte gar nicht zu ihm! Und zu allem Überfluss schenkte Hajime ihm nicht einmal seine Aufmerksamkeit, sondern fixierte Terushima mit seinen Smaragden. Der Setter konnte nicht glauben, was gerade geschah. Er fühlte sich so seltsam gerade, so … enttäuscht irgendwie. „Im Gegensatz zu dir, der sich wahrscheinlich gerade vergnügt hat, habe ich Kaori vor einem zudringlichen Typen beschützt. Solltest du das nicht tun? Als ihr bester Freund?“, ging Iwaizumi direkt in den Gegenangriff über und schnaubte abfällig. Wie fast immer, wenn sein Freund genervt war, verschränkte dieser die Arme vor der Brust und signalisierte durch und durch Ablehnung. „Und danach machst du dich gleich ran, oder was!?“, knurrte der Undercut neben ihm und auch Oikawa beobachtete die Situation kritisch. Es schmeckte ihm gar nicht, dass sich die Zwei so nah gewesen waren. Dennoch hielt sich der Setter noch aus dem Gespräch heraus und schaute stattdessen dem Streit der beiden Männer zu. Er war noch zu fassungslos, um sich einzumischen. Aus seinem Mund würde wahrscheinlich nur sinnloses Gebrabbel kommen und das war nicht besonders effektiv. „Bullshit!“, polterte das Ass, strich sich einmal genervt durch die Haare und fuhr mit ruhigerer Stimme fort, „Wir hatten ein abschließendes Gespräch und sie bat um eine letzte Umarmung. Das ist alles. Wir sind getrennt und dabei bleibt es.“ Kaori nickte neben ihm und wandte sich dann noch einmal dem Braunhaarigen zu. Sie schien extra laut zu sprechen, damit Terushima und er sie ebenfalls verstehen konnten. Was kam denn jetzt noch? „Ich wünsche dir alles, alles Gute, Hajime. Auf dass du immer glücklich sein wirst und deine Träume in Erfüllung gehen. Es war schön mit dir. Bis ähm … Bis dann.“ Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen, gab ihm ein Küsschen auf die Wange und drehte sich dann zu ihrem besten Freund um. Oikawa zog die Augenbrauen zusammen. Vor seinen Augen auch noch ein Kuss auf die Wange? Was war das jetzt? Das Abschiedsküsschen? Toru hoffte es so sehr, denn sie sollte nie wieder in Iwas Nähe auftauchen! Sie waren getrennt und das Ass gehörte an seine Seite. „Ich wünsche dir auch nur das Beste. Du hast es dir verdient. Bis dann“, erwiderte Hajime und Torus Wut verpuffte etwas, weil die Stimme seines Freundes so neutral klang. Ohne Wehmut, ohne Groll, ohne Sehnsucht. Also doch wirklich nur ein Abschied? Sie nickte, trat zu ihnen und mit einem traurigen Blick musterte sie ihn und sagte leise: „Kümmere dich gut um ihn, Oikawa. Er hat alles Glück verdient.“ Überrascht, dass sie so eine Forderung an ihn stellte, nickte er ihr zu und sie zog Terushima wieder mit ins Haus, wo sie zwischen den Feiernden verschwanden. In diesem Moment fühlte sich der Setter irgendwie ganz seltsam. Sie liebte ihn noch, oder? Der Blick hatte alles gesagt und trotzdem hatte sie ihn ziehen lassen, damit sie miteinander glücklich werden konnten. Das nötigte ihm so viel Respekt ab. Auf das eigene Glück zu verzichten, damit die Liebe mit dem Wunschpartner zusammen sein konnte, musste eine verdammt harte Entscheidung sein. Er könnte das nicht, da war sich Oikawa ziemlich sicher. Sein Blick wanderte zu seinem Freund, der ein paar Schritte entfernt stand und nach dem Trubel eben einen entspannten Eindruck machte und ihn leicht anlächelte. Er streckte die Hand nach ihm aus und zögernd schritt Oikawa auf ihn zu und ergriff sie. Sofort wurde er schwungvoll gezogen und landete in den muskulösen Armen seines Freundes. Er wollte eigentlich zickig sein, weil ihm die Situation, wie er ihn mit Kaori gefunden hatte, unbehaglich gewesen war, aber Kaoris Selbstlosigkeit ließ ihn innehalten. Es war ein Abschied gewesen und nach der turbulenten Trennung hatten sie sich das verdient. Und Iwa wirkte richtig zufrieden. Das war doch das wichtigste. „Du musst nicht eifersüchtig sein, Schatz. Ich habe ihr lediglich mit einem Typen geholfen und danach hat sie mir nochmal persönlich gesagt, warum sie sich damals getrennt hat. Zum Abschluss wollte sie noch eine letzte Umarmung, das war alles.“ „Alles gut, Schatz. Schon in Ordnung“, beruhigte er ihn und kuschelte sie eng an ihn. Er nahm den herben Duft in sich auf und seine verspannten Muskeln lockerten sich augenblicklich. Iwaizumi war bei ihm und würde das auch bleiben. Dessen konnte er sich sicher sein. Liebevoll strichen die Arme über seinen Rücken und sie gaben sich der ruhigen Atmosphäre hin, die hier draußen herrschte, obwohl es allmählich kalt wurde. Das war in seinen Augen sehr bedauerlich, denn er hätte gern noch die Atmosphäre genossen und gekuschelt, obwohl er das Gefühl hatte, dass die Raucher ein paar Meter weiter über sie tuschelten. Aber die Musik übertönte ihre Worte, sodass er sich nicht ganz sicher war. Wundern würde es ihn leider nicht und je länger er sich mit dem Thema in Gedanken beschäftigte, desto mehr wollte er wieder zurück ins Haus. „Lass uns wieder rein. Mir wird kalt …“, murmelte Toru daher und Hajime nickte sofort. „Na klar, ich könnte auch mal wieder Wärme vertragen.“ Kurze Zeit später schlängelten sie sich Händchenhaltend durch das Wohnzimmer, damit sie sich nicht erneut verloren. Der Setter steuerte auf das Esszimmer zu, weil da die Musik noch immer laut zu hören, aber es zumindest eben noch etwas leerer gewesen war. Hier im Wohnzimmer gab es einfach gar keinen Platz mehr. Doch kaum, dass sie sich an einer offenen Tür vorbeischieben wollten, bemerkten sie einen kleinen Aufruhr. Gab es Streit im Gang? Reflexartig sah der Violetthaarige in den Flur, der ebenfalls von vielen Menschen belagert wurde und er wollte schon weitergehen, als er bekannte schwarze und rosane Haare entdeckte. Was war denn da los? Hatten Makki und Mattsun Ärger? Fragend schaute er zu Iwa, der ihm zunickte und das Ass übernahm nun die Führung und bahnte ihnen einen Weg. Was Oikawa dann sah, irritierte ihn zutiefst. War es normalerweise Hanamaki, der in Streit verwickelt war, war es dieses Mal Matsukawa, der einen Typen an die Wand drängte und eine noch nie dagewesene aggressive Ausstrahlung hatte. Was war denn nur passiert? Sie kämpften sich weiter zu ihren Kumpels rüber und während Iwaizumi sich in Stellung brachte, um Matsukawa notfalls von größeren Dummheiten abzuhalten, stellte er sich zu ihrem rosahaarigen Kumpel, der seltsam zerknirscht wirkte. „Was ist los?“, fragte Oikawa direkt und Makki schaute weiter seinen Verlobten an, während er berichtete: „Der Typ da hat mich den ganzen Abend schon angegraben und Mattsun und ich haben ihm mehrfach versucht zu erklären, dass ich bereits vergeben bin, als der Typ mir auf den Hintern gehauen hat, weil er wohl dachte, dass Issei nicht da ist. Der kam aber gerade von der Toilette wieder, hatte die Schnauze voll und ihn deswegen so an die Wand gepinnt.“ Der Violetthaarige bekam große Augen, als der Schwarzhaarige vor ihm gegen die Wand schlug – direkt neben den Kopf des etwas kleineren Mannes. Dieser zuckte sichtlich zusammen, aber Issei war anscheinend noch nicht fertig. „Wage es nie wieder, meinen Verlobten anzufassen, anzusprechen oder auch nur anzuschauen. Hast du das verstanden!?“ Verängstigt nickte der Typ mehrfach und Matsukawa schnaubte verächtlich. „Dann verpiss dich und trau dich nie wieder in unsere Nähe.“ „Ja-jawohl!“ Nach einem Schritt zurück seines Kumpels, verschwand der Kerl in einem atemberaubenden Tempo zwischen den anderen Feiernden und Toru konnte es ihm nicht übelnehmen. So hatte er den Schwarzhaarigen auch noch nicht erlebt und allein schon wegen seiner Größe hatte er eine imposante Ausstrahlung, wenn er so geladen war. In Gedanken machte sich der Setter eine Notiz, Mattsun niemals ernsthaft wütend zu machen. Da bekam man ja Angst! Iwa sprach kurz mit ihm, was er aber nicht hörte, und die Stimmung schien sich wieder etwas zu bessern, als sich die Zwei ihnen zuwandten und Makki seinem Verlobten einen Kuss auf die Wange gab. „Mein Held.“ „Der einzige, der dich anfassen darf, bin ich“, brummte Issei noch leicht genervt und Taka lächelte ihn liebevoll an. „Das ist allerdings wahr.“ „Wollen wir uns dann langsam auf den Weg nach Hause machen? Irgendwie war die Party nicht so gut, wie ich erwartet habe“, meinte Iwaizumi und die anderen Drei nickten zustimmend. Es war zu voll, die Sache mit Kaori und jetzt noch mit ihren Kumpels … Das reichte für eine Nacht! „Ihr wollt schon los?“, fragte eine Stimme von der Treppe, die direkt neben ihnen war und irritiert drehte sich Oikawa um. Es war der Mitstudent von seinem Freund, an dessen Namen er sich gerade nicht erinnern konnte. In all der Aufregung hatte er ihn vergessen. „Hey Yuuji. Ja, wir hauen ab. Das war spannend genug hier. Wir sehen uns Montag! Dir noch viel Spaß!“, verabschiedete sich Hajime und schlug mit dem Typen ein. Ach ja, so hieß er. Er nickte ihm lediglich zu und griff demonstrativ nach der Hand des Asses, was dieser sofort zuließ. Der Student schien das nicht zu bemerken, denn der winkte ihnen nur gut gelaunt und schob sich dann hinter ihnen durch eine kleine Gruppe, um weiter zu feiern. Es dauerte etwas, bis sie ihre Jacken und Mäntel im Durcheinander der Garderobe gefunden hatten, anschließend verließen sie das Haus und die kalte Novemberluft zog an ihren Klamotten. Es war wirklich kalt und der Setter kuschelte sich noch enger an seinen Partner. Ein Blick auf sein Smartphone verriet ihm, dass es schon nach zwei Uhr war und sie noch ungefähr eine dreiviertel Stunde nach Hause schlendern mussten, da die Bahnen nicht fuhren. Doch mit einem Arm von Hajime um seine Schultern konnte er sich deutlich schlimmeres vorstellen. Kapitel 14: Wichtige Gespräche ------------------------------ Sonntag, 26.11. „Hallo Jungs, einmal wie immer?“, erkundigte sich Herr Suzuki, nachdem er jeden von ihnen einmal umarmt hatte und sie nickten lächelnd. „Sehr gern!“, sagte Toru noch und Makki, Mattsun, sein Freund und er setzten sich wie immer an den einzigen Tisch, an den vier Menschen passten. Der Laden war so klein, dass man ansonsten nur noch am Tresen oder an einem der zwei Zweiertische sitzen konnte. Wie Iwa aus Gesprächen beim Volleyballtraining wusste, kamen auch Bokuto, Akaashi, Tsukishima und Kuro regelmäßig hierher, doch zum Glück hatten sie sich bisher noch nie um den Tisch zanken müssen. Wenn er so darüber nachdachte, könnte nicht einmal die gesamte Volleyballmannschaft hier einen Sitzplatz bekommen. Das also zur Größe … Dennoch gab es hier seines Erachtens nach das weltbeste Sushi und Sashimi. Zumindest hatte das Ass noch kein Besseres gefunden. „Ich muss ja gestehen, dass ich echt froh bin, dass wir nicht so lang auf der Party waren … Hier mit Katernachwehen zu sitzen, hätte ich keine Lust draufgehabt“, murmelte Makki und gähnte herzhaft hinter vorgehaltener Hand. „Das war aber auch echt nicht unsere Nacht! Was war da überhaupt mit diesem Typen? Du hast mir schon etwas Angst gemacht, Mattsun!“ Oikawa schaute zu ihrem schwarzhaarigen Kumpel, der ihnen mit seinem Verlobten gegenübersaß. Ihm schien es mehr als unangenehm zu sein, dass das Thema aufgewärmt wurde. Die leichte Rötung auf seinen Wangen und das kurze unruhige Trommeln der Finger auf dem Tisch sprachen Bände. Zugegebenermaßen interessierte Iwaizumi das aber auch, sodass er ebenfalls seinen Blick zu ihm wandern ließ. „Seit wir angekommen waren, hat sich der Kerl immer wieder an Taka herangemacht und ich habe ihm drei Mal sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er zu mir gehört. Makki hat ihm sogar den Verlobungsring unter die Nase gehalten und als ich von der Toilette wiederkam, hat der gerade Taka an den Hintern gegrabscht. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht und ich musste ihm ernsthaft klarmachen, dass er sich fernhalten sollte. Eigentlich ist es überhaupt nicht meine Art, so aus der Haut zu fahren, aber anders hätte der das ja nie verstanden!“ „Oh man, ich wäre schon beim zweiten Mal ausgerastet“, brummte Iwa und die anderen Drei grinsten ihn kurz wissend an. Sein Geduldsfaden war halt nur einen Bruchteil so lang wie der ihres Ruhepols. Das war aber auch schon immer so gewesen und wahrscheinlich würde es so bleiben. Da brauchte sich das Ass nichts vorzumachen. „Du auf jeden Fall, ja“, stimmte Makki grinsend zu und wollte noch etwas sagen, als Herr Suzuki an ihrem Tisch auftauchte, in den Händen zwei große Sushiplatten. Sofort lief Iwa das Wasser im Mund zusammen. Er freute sich immer auf ihre gemeinsamen Essen hier, denn es war stets gemütlich und lecker. Was wollte man mehr? „Die Getränke kommen auch sofort! Die hätte ich beinahe vergessen, sowas aber auch … Werde ich doch alt mit meinen 76 Jahren?“ Die letzten Worte brummelte er nur vor sich hin und er drehte sich bereits um, als Toru ihm ein ehrliches Lächeln zeigte und erwiderte gut gelaunt: „Ach Quatsch, Sie sehen aus und benehmen sich wie Mitte 40! Also kein Grund zur Sorge! Jeder vergisst doch mal was!“ „Ich bin unsicher, ob das schon unter „Schleimen“ fällt, mein Junge.“ Das glückliche Lächeln des Chefkochs sprach Bände und Mattsun korrigierte: „Schleimen wäre, wenn er Mitte Dreißig gesagt hätte. So ist es ein nettes Kompliment!“ Makki und er nickten zustimmend und grinsend und Kopf schüttelnd verschwand Herr Suzuki erneut im hinteren Teil des Geschäfts, um ihre Getränke zu holen. So lange warteten sie noch mit dem Essen und Iwas Gedanken wanderten auf verschlungenen Pfaden zum Interimscoach. Kaum, dass der Gedanke da war, verschlechterte sich seine Laune. Gestern hatte er noch eine Email von der Universität erhalten, dass er sich Montagmorgen um 7:30 Uhr vor dem Direktorenzimmer einzufinden hatte. Der Trainer hatte also keine Eier in der Hose gehabt, die Sache selbst zu klären, sondern sofort das Direktorat eingeschaltet. Das machte eine mögliche Strafe noch schlimmer, da brauchte er sich nichts vorzumachen. Also hatte er heute Morgen nach dem Lesen seine Eltern angerufen, um sie auf eventuelle schlechte Nachrichten vorzubereiten. Natürlich waren sie nicht begeistert davon, dass er sich diesen Termin eingehandelt hatte, doch nachdem er ihnen die Situation mit dem Trainer erklärt hatte, hatten sie es verstanden. Sein Dad hatte sogar gesagt, dass er genauso reagiert hätte, was seine Mum nur genervt schnaufen und irgendwas von „Männern“ und „Beschützerinstinkt“ murmeln ließ. Er war ja selbst nicht stolz drauf, dass er sich sogar dem Direktor gegenüber rechtfertigen musste, aber was hätte er denn tun sollen? Weiter zuschauen, wie die anderen schikaniert wurden? Sich irgendwann selbst runtermachen lassen, nur weil er mal einen schlechten Tag hatte? Nein, er hatte einschreiten müssen und sein Paps hatte versprochen, sich notfalls darum zu kümmern, wenn die Strafe übertrieben war. Bis dahin sollte er das Essen genießen und sich mit seinen Freunden ablenken. Morgenfrüh würde es noch unschön genug werden. „Woran denkst du?“, flüsterte Toru und hatte sich zu ihm hinübergebeugt. „An die Email heute Morgen und das Telefonat mit meinen Eltern“, antwortete er und konnte nicht verhindern, dass er sehr genervt klang. Es zeugte halt seines Erachtens nicht gerade von Größe, wenn man als Respektperson – und als die wollte der Trainer ja wahrgenommen werden – es nicht schaffte, so eine Auseinandersetzung selbst zu klären. Hätte er sich vorher schon drei Mal oder so mit ihm angelegt, hätte er den Schritt nachvollziehen können, aber so? Oikawas Gesichtsausdruck veränderte sich und Hajime war nicht ganz klar, was in ihm vorging. Lang und breit hatten sie gestern Morgen noch über seinen Ausraster gesprochen und was der Setter davon hielt. Iwaizumi hatte verstanden, dass Toru ihm dankbar war, aber nicht wollte, dass er wegen ihm so einen Stress bekam. Trotzdem hatte er ihm nicht versprechen können, dass er das nicht wieder tun würde. Wenn es seinen Freunden schlecht ging, tat er nun einmal alles, um ihnen zu helfen. Und unter gegebenen Umständen verlor er dabei auch die Beherrschung, so wie es Freitag passiert war. Zwar hatte sein Freund deswegen irgendwie geknickt gewirkt, aber er hatte ihm versichert, dass er sich bestmöglich zügeln würde, um nicht noch einmal in so einen Schlamassel zu geraten. Jetzt – nach der Email – war es zu einem ernsthaften Problem geworden. Und dennoch war ihm nicht mehr möglich gewesen. Schließlich gab er keine beruhigenden Versprechen ab, von denen er wusste, dass er sie wahrscheinlich nicht einhalten konnte. Damit tat er weder ihm noch sich selbst einen Gefallen. Und er kannte sich, was dieses Punkt anging, halt auch selbst sehr gut. „Ich hoffe, dass der Direktor versteht, dass der Coach nicht unschuldig ist“, nuschelte Toru und seufzte leise. Sein besorgtes Gesicht löste in Iwa den Wunsch aus, ihn beschützend in den Arm zu nehmen. Er sollte nicht wegen ihm so aussehen. „Wer flüstert, der lügt“, brabbelte Makki plötzlich grinsend und musterte sie abwechselnd mit wachen Augen. Der Blick machte deutlich, dass sie sich um eine Antwort kaum drücken konnten, solange sie ihn nicht zufriedenstellte. Deswegen entschied sich das Ass, direkt zu sagen, was Sache war. Es gab keinen Grund, ihnen das zu verschweigen. Herr Suzuki stellte ihnen lächelnd ihre Getränke hin, sie bedankten sich kurz und verschwand wieder an seinen angestammten Platz hinter der Theke, um sich um andere Gäste zu kümmern, die gerade den laden betreten hatten. „Ich habe eine Email bekommen, dass ich morgen um 7:30 Uhr beim Direktor sitzen muss wegen des Streits mit dem Coach …“ „Beim Direktor?“, hakte Mattsun mit hochgezogener Augenbraue nach und nahm das erste Sushi, um mit dem Essen zu beginnen. Auch Iwa nahm sich eins von seiner gemeinsamen Platte mit Toru und nickte leicht. „Ja. Offenbar ist Herr Tanaka sofort zu ihm gerannt, anstatt das mit uns persönlich zu regeln …“ „Feigling“, murmelte Taka, während sein Freund leise seufzte. „Er ist halt ein Mann der alten Schule. Einer, der sich strikt an Hierarchien hält …“ „Merkt man. Ich hoffe nur, der Direktor ist fair bei der Strafe!“, mischte sich der Setter ein und die anderen stimmten ihm zu. Eine gute Stunde später saßen sie satt in ihren Stühlen zurückgelehnt da und hingen entspannt ihren Gedanken nach. Sie ließen sich von der angenehmen Atmosphäre einfangen und dröselten einen Moment vor sich hin. Irgendwann war es Hanamaki, der wieder Bewegung in ihr Gespräch brachte, als er kurz zu seinem Verlobten herüberschaute und dieser ihm zunickte. Da war doch was im Busch, oder? Oikawa, der sich gegen ihn gelehnt hatte, schien das auch so zu sehen, denn er öffnete zuerst seinen Mund: „Ist irgendwas? Ihr wirkt so geheimnisvoll gerade …“ „Tja, das kannst eben nicht nur du“, entgegnete der Rosahaarige spitz und Iwa hob fragend eine Augenbraue. So zickig reagierte er? Dann musste es etwas Ernstes sein. „Dass wir hier zwei Diven haben, wissen Mattsun und ich ja schon länger. Also was gibt es?“, bohrte das Ass nach und empfing gleich zwei eingeschnappte Blicke. „Was denn? Ich dachte, das hätten wir schon lange geklärt“, verteidigte er sich, was seinen Freund nur leise brummeln ließ. Mit der leicht vorgeschobenen Unterlippe sah er schon fast eher süß aus und ernstnehmen konnte er ihn so auch nicht richtig. „Egal jetzt. Um deine Frage zu beantworten: Ja, es ist etwas. Issei und ich haben uns überlegt, ob wir nach einer eigenen Wohnung schauen wollen.“ „Wie?“, hakte Toru überrascht nach und setzte sich kerzengerade auf. Noch bevor einer ihrer Freunde das näher erläutern konnte, brabbelte der Setter bereits weiter: „Aber wieso? Es ist doch gut so, wie es ist! Oder nicht? Wir sind doch gar nicht laut und tragen unseren Teil zum Haushalt bei. Gibt es sonst ein Problem, worüber ihr noch nicht gesprochen habt? Wir –“ „Schatz, lass sie das doch erstmal erklären, hm?“, unterbrach Hajime ihn sanft und streichelte ihm über den Hinterkopf. Geradezu hilfesuchend sah er ihn an und er zog seinen verloren aussehnenden Freund an sich, was Toru sofort nutzte, um sich eng an ihn zu kuscheln. „Das hat nichts damit zu tun, dass ihr zu laut wärt oder mit dem Haushalt. Wir haben nur einfach festgestellt, dass wir auch mal gern eine Wohnung betreten wollen, wo wir wissen, dass dort niemand ist. Im Frühjahr wollen wir heiraten und irgendwie gehört eine eigene Wohnung dazu. Und ihr wollt doch bestimmt auch mal eure Ruhe vor uns haben, wo ihr jetzt ein Paar seid, oder? Das ist vollkommen in Ordnung und deswegen haben wir uns darüber unterhalten, nach einer Wohnung zu suchen. Natürlich hier in der Nähe und ohne Zeitdruck“, erklärte Mattsun in Ruhe und Iwaizumi nickte. Er konnte das verstehen. Den Bund der Ehe einzugehen, war ein großer Schritt und es war nachvollziehbar, dass sie ihren eigenen Rückzugsort haben wollten. Und jetzt, da auch Toru und er ein Paar waren, war es hin und wieder wirklich schön, auch mal Ruhe zu haben, ohne Angst haben zu müssen, dass jederzeit die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. „Meinen Segen habt ihr. Sucht euch eure perfekte Wohnung ganz in Ruhe und übereilt nichts. Wir werden euch schon nicht rausschmeißen.“ Das Ass grinste sie frech an, doch Toru schien sich nicht mit dem Gedanken anfreunden zu können. „Ich weiß nicht … Das wird so seltsam … Und was sollen wir mit vier Zimmern? Werden unsere Eltern überhaupt zwei Wohnungen finanzieren? Es ist doch cool, so wie es ist.“ „Wir werden ja nicht aus der Welt sein. Und ein Zimmer zumindest wird hoffentlich ein Gästezimmer, falls wir doch mal bei euch übernachten“, versuchte Taka die Laune zu heben, doch so richtig schien das nicht zu funktionieren. Oikawa hatte die Unterlippe wie ein schmollendes Kind vorgeschoben und tat sich schwer damit, Gefallen an der Vorstellung zu finden. „Sieh es doch mal so, Schatz … Wir hätten dann letztens nicht ins Lovehotel fahren müssen, sondern hätten in der Wohnung …“, hauchte Iwa mit gedämpfter Stimme in sein Ohr und ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. Er wüsste schon, was er andeuten wollte. „Ja schon, aber findest du es nicht auch seltsam? Bin ich der einzige, der das nicht will?“, entgegnete der Setter halb verzweifelt und setzte sich auf, entfernte sich wieder von ihm und Iwaizumi seufzte leise. „Es ist doch nicht so, dass sie uns ihre Freundschaft kündigen. Es geht nur um räumliche Trennung und einem Ehepaar willst du das doch nicht verwehren, oder?“ „Nein, will ich nicht, aber … Ach, das ist doch komisch!“, beschwerte er sich und verschränkte die Arme. „Wir besprechen das einfach noch mal später, hm? Dann könnt ihr euch da nochmal in Ruhe Gedanken zu machen und dann schauen wir, wie wir das am besten regeln. Ist das in Ordnung für euch?“ Wie immer war es Matsukawa, der die Wogen versuchte zu glätten und sie nickten alle, da eine weitere Diskussion jetzt zu nichts führen würde. Mit dicken Kissen im Rücken und unter flauschigen Decken hatten sie es sich auf dem großen Sofa bequem gemacht. Auf dem Tisch standen zwei Tassen heißer Tee und klein geschnittenes Gemüse zum Naschen bereit, sodass sie den Sonntagabend ganz entspannt hier verbringen konnten. Matsukawa und Hanamaki waren noch rausgegangen, weil sie irgendetwas vorgehabt hatten. Nach der Diskussion vorhin beim Essen war das vielleicht nicht das schlechteste. Für seinen Freund war es offenbar ein schwer zu ertragender Gedanke, dass sie einmal in getrennten Wohnungen leben würden. Dabei war es für die Verlobten der nächste logische Schritt. Vielleicht brauchte er nur etwas Zeit, um sich damit vertraut zu machen und das zu akzeptieren. Hajime hoffte darauf, denn es wäre schade, wenn es deswegen zu einem richtigen Streit kommen würde. „Du Iwa-chan?“ Der Setter hatte die Fernbedienung gegriffen und den Ton leiser gestellt, sodass die Serie, die sie schauten, zu einem Hintergrundrauschen wurde. In den letzten Minuten hatte er sowieso nichts mitbekommen, weil er in seinem Kopf ganz woanders gewesen war. „Ja? Was ist denn?“ Er schaute zu Toru runter, der sich an seinen Oberkörper gekuschelt hatte, während Iwaizumi den Arm auf die Rückenlehne abgelegt hatte. Dieser hob den Kopf, schien das aber unbequem zu finden und rutschte weiter nach oben, sodass sie auf Augenhöhe saßen. „Es geht um den Termin bei der Agentur nächste Woche.“ „Was ist damit? Ich komme doch mit. Bist du schon sehr nervös?“, erkundigte sich Hajime und bekam ein Nicken als Antwort. Das Ass hatte ja vermutet, dass er ihn noch mal auf die Wohnungssache ansprechen wollte, doch er hatte sich wohl geirrt. „Ja, das bin ich. Aber darauf will ich gerade nicht hinaus. Sie sollen mir ja bei den Vertragsverhandlungen helfen und ich möchte denen ein paar Dinge mitgeben, die sie dabei beachten sollen. Und das möchte ich mit dir besprechen. Immerhin wird das auch unsere Beziehung verändern, wenn ich den Vertrag bekomme. Aber das soll zu unseren Gunsten geschehen, damit wir beide weiterhin glücklich sind.“ Ein Kribbeln schlich sich die Wirbelsäule hinauf zu seinem Nacken und unwillkürlich lächelte Iwaizumi. Er wollte das vorher mit ihm besprechen? Um ehrlich zu sein, hatte er selbst sich darüber noch kaum Gedanken gemacht, aber er hatte recht. Es wäre ein tiefer Einschnitt und sie mussten sich darauf vorbereiten, damit das nicht in einer Katastrophe endete. „Das klingt, als hättest du dir da schon Gedanken zu gemacht?“ Toru nickte und griff nach seinem Smartphone, wo er die Notiz-App öffnete. Schon seit längerem nutzte er sie für Einkaufslisten oder um Gedanken im Notfall festhalten zu können. „Ja, ich habe mich mal schlau gemacht und inkl. Trainingscamps und Auswärtsspiele werde ich ungefähr drei Monate des Jahres nicht zu Hause sein. Natürlich ist das nicht am Stück, aber wir werden öfters mal in getrennten Betten schlafen müssen. Das passt mir persönlich zwar gar nicht, aber ich fürchte, daran können wir nichts ändern …“ „Stimmt, da lässt sich nichts dran machen. Wie lange ist denn so ein Trainingscamp von denen?“ „Also die Saison beginnt ja immer im April und im März gibt es immer eins für drei oder vier Wochen, je nach Spielplan. Das wird schrecklich, Iwa-chan! Aber ich habe gelesen, dass auch die Partner regelmäßig zu Besuch kommen dürfen, also werden wir das schon irgendwie überleben. Und im September gibt es dann noch ein zweites, bevor die alles entscheidende Phase der Saison beginnt. Das ist immer drei Wochen lang und jedes Wochenende dürfen die Partner das Team besuchen. Ansonsten sind die Auswärtsspiele rund um Tokyo so geplant, dass man nach dem Spiel noch nach Hause fährt. Was aber außerhalb ist, ist mit Hotelnächten verbunden und das können bis zu zwei Nächte sein. Also Tag vorher hin, dann das Spiel und tags darauf wieder zurück.“ Wow, da hatte sich ja jemand richtig reingelesen, wie die Abläufe so waren. Das schien sauber recherchiert und wie es aussah, war Oikawa noch gar nicht fertig. Dennoch wollte das Ass an dieser Stelle kurz einhaken. „Das klingt aber noch machbar. Auch wenn die Trainingscamps echt lang werden können … Aber wenn an Wochenenden Besuch erlaubt ist, wird das schon werden.“ „Ja, das wird echt hart, Iwa-chan!“, jammerte Toru geschlagen und ließ sich prompt wieder gegen ihn sinken, als würde das Camp bereits morgen losgehen und er brauchte noch schnell seine Kuscheleinheiten. Liebevoll kraulte er seinen Nacken und forderte ihn auf, weiter zu erzählen. „Ein weiterer Punkt ist natürlich, dass ich im Licht der Öffentlichkeit stehen werde. Sobald ein Vertrag unterschrieben wurde, wird eine Pressemeldung rausgegeben, doch oft berichten die Medien auch schon vorher über potenzielle Neuzugänge. Es könnte also sein, dass hartnäckige Journalisten mit dir reden wollen. Aber ich will unsere Privatsphäre auf jeden Fall – so gut es geht – schützen und im Vertrag eine Klausel haben, dass ich nicht zu irgendwelchem Schwachsinn verpflichtet werden kann.“ Das war wohl der größte Knackpunkt. In Zukunft würde Toru wahrscheinlich auf der Straße erkannt werden, Menschen würden Autogramme haben wollen und Erinnerungsfotos. Mit Pech würde es Fans geben, die dabei übertrieben und noch weitergingen. Vielleicht gäbe es auch Sponsoringverträge und er würde Toru im Fernsehen oder in der Werbung sehen. Diese Gedanken waren irgendwie so komisch, aber bald wahrscheinlich die Realität. Es war schon krass, wie sich ein Leben durch eine Begegnung so verändern konnte. Und er musste sich damit irgendwie arrangieren, denn er wollte nicht in die Öffentlichkeit. Aufmerksamkeit zu bekommen, ging ihm ja schon bei seinem Geburtstag auf die Eier. Also konnte er das? Kapitel 15: Die Gerüchteküche ----------------------------- Sonntag, 26.11. / Montag, 27.11. Unruhig kaute Oikawa auf seiner Unterlippe herum und wartete auf eine Reaktion seitens Hajime. Für ihn war das sicherlich der größte Knackpunkt, dass er in Zukunft in der Öffentlichkeit stehen würde. Iwa war schon immer derjenige gewesen, der ihm die Bühne überlassen hatte, während er selbst lieber im Hintergrund geblieben war. Er mochte es ja schon nicht, wenn man ihn an seinem Geburtstag hochleben ließ. Da erreichte er bereits eine Grenze, wo es ihm unangenehm wurde. Doch nun, wenn er den Vertrag bekam, ging es um eine nationale Bekanntheit und sollte das mit der Nationalmannschaft irgendwann ebenfalls klappen, dann wäre sogar eine internationale Anerkennung drin! Voller Vorfreude kribbelte es erneut in seinen Fingerspitzen und ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Er würde allen zeigen, wie gut und variabel sein Spiel war, sodass sie als Team in der Lage waren, jeden Gegner zu besiegen! Dann erst der Liga Pokal, die asiatische Champions League und dann die Nationalmannschaft! Asiatische Meisterschaften, Weltmeisterschaften, Olympia! Der Traum eines jeden Sportlers! Da wollte er hin. Das war der größte Traum, den der Setter hatte. Dafür riss er sich täglich den Arsch auf, trainierte bis zum Umfallen. Er wollte das Team zum olympischen Gold führen! „Träumst du, Toru?“, hakte Iwaizumi neben ihm amüsiert nach und er räusperte sich leicht errötet. „So offensichtlich?“ „Schon ja. Du warst doch in Gedanken gerade bestimmt bei einer WM oder Olympia, oder?“ „Ganz vielleicht könntest du damit recht haben“, gab Oikawa mit etwas zu hoher Stimme zu und musterte seinen Freund, dessen smaragdgrüne Augen ihn liebevoll anstrahlten. Sofort schlug sein Herz schneller und die Schmetterlinge flogen aufgeregt in seinem Bauch herum. „Aber … Nochmal zurück zum Thema, ja? Wirst du damit klarkommen? Dass ich – wie heißt das so schön? – eine Person des öffentlichen Lebens sein werde?“ Er wollte ihm noch sagen, dass er ehrlich zu ihm sein sollte, doch Oikawa schluckte diese Forderung herunter. Iwaizumi war immer ehrlich zu ihm und er würde es auch jetzt sein. Da brauchte er ihn nicht zu ermahnen. „Begeistert bin ich von der Vorstellung nicht“, murmelte Iwa seufzend und rieb sich den Nacken, fügte dann jedoch hinzu: „Aber solange ich mich von dem Zirkus fernhalten kann, werde ich damit schon klarkommen, denke ich. Ich meine, es gibt ja viele Profisportler, wo man die Partner gar nicht kennt und so möchte ich das auch halten.“ „Na klar. Ich werde auch immer darauf achten, dass man dich in Ruhe lässt. Aber wie ist das mit der Sportlergala einmal im Jahr? Würdest du … Würdest du mich dahin begleiten?“ Vor ein paar Wochen hatte er davon geträumt. Wie Hajime und er Arm in Arm über den roten Teppich gelaufen waren, sich hatten fotografieren lassen und Fragen der Reporter beantwortet hatten. Also er hatte mit ihnen gesprochen und Iwa nur ab und zu einen kurzen Kommentar eingestreut, aber das war so auch vollkommen in Ordnung gewesen. Sie hatten sich mit anderen Sportlern unterhalten und ausgetauscht und seine große Liebe hatte ihn in aller Öffentlichkeit geküsst, als er den Preis als bester Sportler des Jahres kriegen sollte. Allein bei dem Gedanken an den Traum wurde er ganz aufgeregt. Iwa, der seine Liebe für ihn in aller Öffentlichkeit zeigte. Das wünschte er sich! „Ja, das würde ich. Solange ich nicht groß reden muss, bin ich gern bereit, dich dahin zu begleiten.“ Iwaizumis Zusage holte ihn aus seinem Wunschtraum zurück und noch ehe das Ass reagieren konnte, fiel er ihm um den Hals und drückte ihm fordernd die Lippen auf. Er würde das wirklich für ihn tun? Obwohl er da von Fotografen und Journalisten umgeben sein würde? Womit hatte er diesen großartigen Mann verdient, der für ihn sogar seine Komfortzone verließ? Sein Herz sprudelte über vor Liebe, während sie sich innig küssten, ohne dass es zu einem Zungenkuss wurde. Sie genossen diese Spätherbststimmung, das Kuscheln unter den flauschigen Decken, heiße Tees und das Zusammensein. Es war wirklich perfekt. Und auch die kommenden Herausforderungen würden sie meistern, auch wenn es unter Umständen nicht leicht werden würde, aber sie vertrauten einander und das war das wichtigste. Davon war Oikawa überzeugt. „Aber trotzdem müssen wir uns eins versprechen, Iwa-chan …“, hauchte er gegen die samtigen Lippen und löste sich nur widerwillig von seinem Freund, doch das folgende war ihm sehr wichtig und er wollte ihm dabei in die Augen schauen können. „Was denn?“, hakte dieser mit leicht gehobener Augenbraue nach und Toru verschränkte seinen kleinen Finger mit dem Hajimes, der das sichtlich belächelte. Sollte er ihn doch für kindisch halten, aber solche Versprechen durfte man nicht brechen! Das war eisernes Gesetz. „Hiermit verspreche ich, dass ich über alle meine Bedenken, Sorgen und Gefühle spreche, wenn ich den Vertrag habe, um Missverständnisse und schlechte Laune zu vermeiden!“ „Toru, du weißt doch, dass ich –“ „Bitte Hajime. Versprich es mir. Ich weiß, dass du ehrlich zu mir bist, aber wir dürfen uns nichts vormachen. Das wird bestimmt total anders, als wir das jetzt glauben und wer weiß, was die Zukunft bringt. Ich möchte einfach die Gewissheit haben, okay?“ Das Ass seufzte leise, schaute ihm dann aber in die Augen, als er sagte: „Ich verspreche, dass ich dir offen und ehrlich sagen werde, wenn ich mich unwohl fühle oder es ein Problem gibt.“ „Danke Iwa-chan.“ Er lächelte ihn an und gab ihm noch ein Küsschen auf die weiche Haut der Wange. Ihm war ja klar, dass sein Freund nicht für so einen „Kinderkram“ zu haben war, aber ihm war das wichtig. Immerhin hatten sie überhaupt keine Ahnung, worauf sie sich da einließen. Das musste ihnen bewusst sein. „Ich will auf keinen Fall, dass meine Karriere wegen irgendeinem Grund zwischen uns steht, hörst du? Ich möchte das beides unter einen Hut bekommen“, setzte Toru nach und kuschelte sich wieder an das Ass, das seinen Arm hob, damit er es sich bequem machen konnte. „Es ehrt dich, dass du dir so viele Gedanken machst, aber wir werden das schon auf die Reihe kriegen. Solange wir miteinander reden, werden wir Wege finden, um mit den neuen Herausforderungen klarzukommen, hm?“ Glücklich nickte Toru, hatte den Kopf an die bequeme Brust gelehnt und schnurrte leise, als Iwaizumi mit den Fingern durch seine Haare strich. Vielleicht machte er sich ja zu viele Gedanken über die Situation, aber der Gedanke, dass er sich für eins von Beidem entscheiden müsste – Freund oder Karriere – machte ihm eine höllische Angst. Und er wüsste nicht, wofür er sich entscheiden sollte. Doch er wollte sich nicht über ungelegte Eier Gedanken machen, das tat er schon oft genug und meist bekam er davon nur Kopfschmerzen. Mit Iwa an seiner Seite fühlte er sich unbesiegbar und er freute sich auf die kommende Zeit. Das würde sicherlich aufregend werden! „Hey, ist alles in Ordnung bei dir?“, murmelte eine Stimme leise neben ihm und unwirsch drehte der Setter den Kopf. Sora, ein Kommilitone, der meistens in den Vorlesungen neben ihm saß, schaute ihn besorgt an. Er erinnerte ihn etwas an Yamaguchi, war ebenfalls ein sehr ruhiger und unscheinbarer Typ und hatte Sommersprossen im Gesicht. Doch wenn man jemanden zum Reden brauchte oder man etwas nicht verstanden, war er da und half einem. Das war Toru schon das ein oder andere Mal aufgefallen. „Ja, wieso?“, hakte er vielleicht etwas spitz nach, aber was sollte er tun? Iwaizumi saß gerade beim Direktor! Seine Nerven waren so angespannt. Welche Strafe würde er bekommen? Würde der Direktor das Verhalten zumindest verstehen, wenn Iwa es erklärte? Oder würde er wegen Unverständnis noch viel schlimmeren Ärger bekommen? Und das nur, weil er ihm hatte helfen wollen! Das war so unfair … Doch er war zu schwach gewesen, um sich zu wehren. Wie schon als kleine Kinder hatte Hajime das gemerkt und sich schützend vor ihn gestellt und den Ärger riskiert. Verdammt, er musste endlich lernen, sich selbst zu verteidigen! So ging das doch nicht … Bei den Tokyo Samurais würde er sich schließlich auch selbst rechtfertigen müssen, ohne dass ihm jemand half. Er war so ein Weichei. Das konnte so nicht weitergehen! „Naja, du schaust ungefähr alle fünf Sekunden auf dein Handy … Und wir sind gerade mal zehn Minuten in der Vorlesung.“ Gott, zehn Minuten war Iwa schon drinnen? Wie lange würde es wohl brauchen, bis er eine Nachricht bekam? Hoffentlich nicht zu lange, denn er konnte sich überhaupt nicht konzentrieren. „Ist eine private Sache … Aber kannst du mir vielleicht nach der Vorlesung noch mal Stichworte geben, die ich durcharbeiten muss?“ „Ja klar, kann ich machen. Hat das zufälligerweise mit Iwaizumi zu tun? Du bist doch mit ihm zusammen, oder?“ „Was? Wieso?“ Mist, seine Stimmlage war viel zu hoch und seine großen Augen viel zu verräterisch. Aber wie kam er plötzlich darauf? Also sie machten aus ihrer Liebe kein Geheimnis, das war wohl so, aber sie knutschten auch nicht mitten auf dem Campus herum. „Naja, seit dem Auftritt mit dem Sportwagen vor ein paar Monaten brodelt die Gerüchteküche. Angeblich ist das Volleyballteam mehr der Schwulentreff des Campus. Außerdem hat sich Iwaizumi doch mit diesem Vertretungstrainer angelegt und sitzt deswegen beim Direktor, weshalb du so nervös bist, oder nicht?“ Zur Hölle, so sahen die anderen Studenten das Volleyballteam!? Dem Setter lief es eiskalt den Rücken herunter. Wieso wusste er das nicht? Woher kamen diese Gerüchte? Und warum wusste Sora, dass sein Freund beim Direktor saß? In seinem Kopf türmten sich immer mehr Fragen, doch bevor er sich soweit sortiert hatte, dass er sie nacheinander stellen konnte, kicherte es hinter ihm und mit wild klopfendem Herzen drehte er den Kopf etwas, wo ein anderer Student saß, dessen Gesicht und Namen er nicht kannte. „Spielt ihr da überhaupt Volleyball oder geht es da anders heiß her?“ „Halt die Klappe, Idiot!“, zischte Sora neben ihm und Toru schluckte trocken. Wie kam es, dass er bisher noch nicht mit sowas konfrontiert worden war? Bis jetzt hatten ihn alle mit diesem Thema in Frieden gelassen oder hatten sie einfach nur so hinter seinem Rücken getuschelt, dass er das nicht mitbekommen hatte? Nein, das konnte doch nicht sein, oder? „Was denn? Ist doch nur eine Frage!“ In diesem Moment wünschte sich der Violetthaarige nichts Sehnlicher, als dass sein Freund an seiner Seite war und den Typen verbal in den Boden rammte, damit er die Klappe hielt. Diese homophoben Anschuldigungen wollte er sich nicht geben. Es war doch egal, dass er einen Mann liebte, solange er zufrieden war! Und es war nun einmal eine Tatsache, dass keine Frau der Welt ihn so glücklich machen konnte, wie Hajime es tat. „Woher kommen denn diese Gerüchte!?“, wisperte Toru an Sora gewandt, achtete aber genau darauf, so leise zu sprechen, dass der Typ hinter ihm das nicht hören konnte. Dementsprechend musste er sich konzentrieren, die Antwort zu hören, da der Dozent unbeirrt irgendetwas über Führungsqualitäten lehrte. „Die gibt es schon seit Jahren, aber seit Iwaizumis Auftritt, wo ihr euch geküsst habt, und einer Campus Party, wo Kuro und dieser Blonde und Bokuto und Akaashi rumgeknutscht haben, habt ihr den Ruf als Schwulentreff und Bumsbude weg. Doch das wird alles brav hinter euren Rücken besprochen. Betrifft aber nicht nur euch, keine Sorge. Ähnliche Gerüchte gibt es auch beim Fußball und Basketball. Du weißt doch, dass die Leute alle keine Hobbys haben und sich deswegen das Maul zerreißen. Aber was ist denn da mit Iwaizumi los? Er gilt doch eigentlich als ruhiger Typ, an dem dumme Sprüche meistens abprallen und als Rebell ist er bisher auch noch nicht wirklich in Erscheinung getreten …“ Du meine Güte! Diese Gerüchte gab es? Also ja, sie hatten sich vor der Uni geküsst an seinem Geburtstag, aber er hatte sich nie weiter Gedanken darüber gemacht, was die anderen danach darüber denken könnten. Shit, so sahen ihn die Menschen hier? Seine Hände waren schweißnass und erschrocken zuckte er leicht zusammen, als ihm deswegen der Kugelschreiber aus der Hand fiel. Reflexartig beugte sich der Setter unter den Tisch, um diesen aufzuheben, als er einen leisen Pfiff vernahm. „Oha, willst du gleich beweisen, dass die Gerüchte wahr sind? Wagemutig, während der Vorlesung einen zu blasen, findest du nicht, Oikawa?“, hörte er die arrogante Stimme des Idioten hinter sich und sofort wollte er sich wieder erheben, weshalb er mit dem Hinterkopf gegen die Tischplatte knallte. „Au!“ Fuck! Das durfte doch nicht wahr sein! Die Tränen schossen ihm in die Augen und ihm war bewusst, dass das nicht nur wegen des pochenden Schmerzes in seinem Hinterkopf war. Er wollte nicht, dass ihn die Leute so sahen. Seine sexuelle Orientierung spielte doch keine Rolle! Sie sollten ihn wegen seines Charakters sehen, der nicht perfekt war, aber er hatte nun mal keinen anderen. Und sie sollten seine Leistung als Setter des Volleyballteams anerkennen! Alles andere konnte ihnen doch egal sein. Er interessierte sich schließlich auch nicht dafür, wer mit wem in die Kiste sprang und ob das gesellschaftsfähig war oder nicht! Sora diskutierte noch mit dem Typen, aber Oikawa hörte ihnen nicht mehr zu. Er setzte sich wieder vernünftig hin und starrte stur an die große Tafel hinter dem Dozenten. Warum musste dieses Gespräch so verlaufen sein? Auf die ganzen Informationen hätte er gut verzichten können. So eine Scheiße. Als würde es nicht schon reichen, dass die Leute auf der Straße immer wieder komisch zu ihnen herübersahen, wenn sie Arm in Arm spazieren gingen. Das Vibrieren seines Smartphones riss ihn abrupt aus seinen düsteren Gedanken und seine Hand schnellte zu dem kleinen Gerät. Mit zittrigen Fingern entsperrte er den Bildschirm, ignorierte das leise Johlen, als der Kerl sein Hintergrundbild sah, wo Iwaizumi schief grinste, als Toru ihm ein Küsschen auf die Schläfe gab. Es war eins seiner Lieblingsbilder, die er mit ihm hatte und er schämte sich nicht dafür. Da konnten die anderen ihn noch so anmachen, dass er einen Mann liebte. Die hatten einfach alle keine Ahnung! Die Nachricht war tatsächlich von Hajime und er atmete tief durch, dann las er sie. Kapitel 16: Das Direktorengespräch ---------------------------------- Montag, 27.11. 7:25 Uhr klopfte Iwaizumi beim Sekretariat an, hinter dem sich das Büro des Direktors befand. Auch wenn er sich keiner großen Schuld bewusst war, spürte er dennoch einen Klotz in seinem Magen. Der hatte vorhin auch schon verhindert, dass er was gegessen hatte. Sobald er wusste, wie die Strafe ausfallen würde, würde der Hunger wahrscheinlich von selbst kommen. Bis dahin bestand sein Magen nur aus einem Knoten. Von innen her hörte das Ass eine Frauenstimme, die ihn hereinbat und gerade drückte er die Türklinke herunter, als er weitere Schritte im Gang hörte. Automatisch drehte er den Kopf, war neugierig, wer um diese Zeit noch hier war und entdeckte Kuro und Kageyama, die sich unterhielten. Ach ja, die Zwei waren ja ebenfalls dabei. Das hatte er in seinem Gedankenkarussell ganz vergessen. Was zuletzt daran gelegen hatte, dass Toru gefühlt fast noch nervöser wegen der Sache war als er selbst. Heute Morgen hatte er auch keinen Bissen herunterbekommen und er hatte unbedingt vor dem Sekretariat auf ihn warten wollen. Es hatte den Braunhaarigen einige Überredungskunst gekostet, den Setter davon zu überzeugen, dass er sich in seine Vorlesung setzen sollte. Sobald Iwaizumi fertig war, würde er ihm eine Nachricht schicken. Das hatte er versprechen müssen und nur äußerst widerwillig war Oikawa in einen anderen Gang abgebogen. „Hey, du bist ja schon da“, grüßte ihn Kuro mit einem Grinsen und sie klatschten kurz ab. Die Tür war lediglich angelehnt und nachdem er auch Kageyama mit einem Nicken begrüßt hatte – der Schwarzhaarige hatte eine ganz seltsame Ausstrahlung, die er nicht einzuordnen wusste –, öffnete er die Tür ganz und trat an den Tresen. Der Raum war spärlich eingerichtet. Im hinteren Bereich gab es zwei Schreibtische, die sich gegenüberstanden und auf dem Fensterbrett stand eine einzelne Zimmerpflanze. Allerdings schien diese allmählich aufzugeben, so wie sie die Blätter hängen ließ und sich ein paar bereits verfärbt hatten. Wie es aussah, hatten die Damen hier andere Prioritäten, als sich um die Pflanze zu kümmern. Die war irgendwie auch das einzige, dass einen etwas persönlichen Eindruck vermittelte. Ansonsten gab es an den Wänden Regale, gefüllt mit zig Ordnern und ein eingerahmtes Zertifikat neben dem Fenster, welches diese Universität als besonders fortschrittlich auszeichnete. Was das genau bedeuten sollte, war Iwaizumi ein Rätsel, aber darum ging es ja jetzt nicht. Das schlimmste in Iwas Augen war aber, dass absolut alles in diesem Raum sämtliche Töne von grau und braun abdeckten. Wie gesagt, das Grün der Pflanze war etwas Besonderes hier. „Sind Sie die Herren Iwaizumi, Kageyama und Kuro?“, fragte eine überraschend junge Frau und leicht irritiert nickten sie. Normalerweise gab es hier einen strengen Hausdrachen, der den kompletten Laden fest im Griff hatte und jeder Student hatte mindestens Respekt – die meisten eher Angst – vor ihr. Umso erstaunlicher war, dass nun eine junge Blondine hinter dem Tresen auftauchte, die sie kurz anlächelte und dann einen Bogen ausfüllte. „Sehr gut. Der Direktor schätzt Pünktlichkeit. Einen Moment bitte. Ich frage kurz an, ob er schon bereit ist.“ Mit diesen Worten öffnete sie die Schwingtür, die neben dem Tresen angebaut worden war und bis zur Hüfte hoch war und schritt in ihrem Kostüm an ihnen vorbei zur Tür. Sein Blick fiel auf die Pumps, die sie trug, und mal wieder fragte er sich, wie man auf solchen Dingern überhaupt laufen konnte. „Gefällt sie dir?“, wisperte Kuro grinsend neben ihm und Iwa stöhnte genervt, während er mit den Augen rollte. „Nein, ich frage mich nur, wie man auf diesen Highheels laufen kann.“ „Ach, das ist gar nicht so schwer“, erwiderte die Katze vergnügt und das Ass wollte gerade nachhaken, woher er das wusste, als sie ins Büro gerufen wurden. Vielleicht wollte er das auch lieber gar nicht erfahren und es war besser, dass er nicht dazu kam, nachzufragen. Dem Nekoma Captain traute er einiges zu. Schweigend traten sie ein und Iwaizumi kam nicht umhin, den Kopf zu drehen, um sich genauer umzuschauen. Immerhin war das sein erster und hoffentlich auch letzter Besuch hier. So trist das Sekretariat war, so beeindruckend war das Büro des Direktors. Natürlich war ihm klar, dass er als oberste Person des Campus nicht in einem 0815 Raum sitzen würde, aber das hier hatte schon mehr europäischen Adelsflair. Wer auch immer das eingerichtet hatte, musste ein großer Fan dieser Kultur gewesen sein. Direkt vor ihnen stand ein dunkler, mit Ornamenten verzierter, Schreibtisch auf einem wertvollen Teppich. Das grün-goldene Muster passte gut zu dem hellen Parkettboden. Hinter dem Schreibtisch gab es eine große Fensterfront, von der aus man eine perfekte Aussicht über den gesamten Campus hatte. Dahinter konnte man noch die Skyline von Shibuya erkennen. Wenn die Sonne schien, musste es beeindruckend sein, herauszuschauen. Immerhin befanden sie sich auch im achten Stock. Auf der rechten Seite waren Regale in die Wand eingelassen und Iwaizumi entdeckte die gleichen Ornamente, wie sie auf dem Schreibtisch zu sehen waren. Beeindruckt wanderte sein Blick weiter zur anderen Seite und dort gab es eine Sofaecke mit zwei sehr teuer aussehenden Zweiersofas und einem Glastisch dazwischen. Darauf eine Karaffe mit Wasser und zwei Gläsern. Die waren bestimmt aus Kristall, schoss es ihm durch den Kopf und das Räuspern des Direktors lenkte seine Aufmerksamkeit sofort auf ihn. Mit den Händen ineinander verschränkt auf dem Schoß saß der ältere Mann da und musterte sie. Fast zeitgleich verbeugten sie sich und grüßten synchron: „Guten Morgen, Herr Direktor!“ „Guten Morgen, meine Herren. Setzen Sie sich bitte.“ Mit einer knappen Handbewegung deutete er auf die drei gepolsterten Holzstühle vor sich und sie nahmen Platz. „Wer von Ihnen ist Herr Iwaizumi?“ „Das bin ich, Herr Direktor“, antwortete das Ass und bemerkte umgehend den durchdringenden Blick der dunkelbraunen Augen. Sie wirkten härter und unnachgiebiger als die von Toru und waren auch von der Grundfarbe her viel dunkler. Sie erinnerten ihn an die des Interimscoaches. Das war kein gutes Zeichen, oder? „Erläutere mir bitte, was sich am Freitagabend zugetragen hat.“ „Jawohl Direktor. Es war das dritte Training, welches wir mit dem neuen Trainer hatten und vom ersten Tag an hat er nach jedem Training die – in seinen Augen – drei Schwächsten auserwählt und sie vor uns allen runtergemacht und beleidigt.“ „Was meinst du damit?“ Unruhig rutschte er leicht auf dem Stuhl hin und her. Er konnte den Mann vor sich nicht einschätzen und das missfiel ihm zutiefst. Dennoch entgegnete er ruhig: „Ich meine, dass er zum Beispiel sagt, dass wir keine Muskeln hätten, dass wir die einfachsten Dinge nicht hinkriegen und es eine Schande wäre, was wir zusammenspielen würden. Natürlich ist mir bewusst, dass keiner von uns perfekt ist, aber jeder hat mal einen schlechten Tag. Niemand kann durchgehend 100% leisten und das habe ich ihm auch gesagt. Meine Tonlage war definitiv nicht die richtige und das tut mir leid. Ich hätte das anders sagen müssen, aber beim Inhalt meiner Kritik bleibe ich.“ Das war ihm wichtig. Er sah ein, dass er sich – was seine Ausdrucksweise und Stimmlage anging – nicht korrekt verhalten hatte, aber die Kritik an sich, wie er mit ihnen umging, dabei blieb er. Und das würde er auch nicht zurücknehmen. Da konnten sie sonst etwas von ihm verlangen. Das war ihm egal. Es war für ihn wichtig und er würde zu seinen Worten stehen. „Was sagen Sie dazu, meine Herren?“, wollte der Direktor nach einem langen Moment des Schweigens wissen und das erste Mal wandte er die Augen von ihm ab. Seine Muskeln entspannten sich kurz etwas, denn es war schwer, unter dem strengen Blick ruhig zu bleiben. Das würde sicherlich eine saftige Strafe geben, dessen war sich das Ass mit einem Mal sicher. Wahrscheinlich war der Direktor genauso ein Fan von Erziehung und Lehren, wie dieser Trainer es war, und dann hatte er jetzt ein Problem. Er zwang sich dazu, weiter geradeaus zu schauen – fixierte einen Punkt an dem schwarzen Lederdrehstuhl –, als er Kageyamas Stimme hörte. „Wenn Iwaizumi nicht das Wort erhoben hätte, hätte ich das getan. Seine Lehrweise ist nicht mehr zeitgemäß und es hemmt unsere Entwicklung. So werden wir nur schlechter und nicht besser.“ Oha. Was auch immer bei ihm am Wochenende passiert war, es konnte nichts Gutes gewesen sein, so abgeklärt, wie er klang. Ob er nach dem Gespräch mal fragen sollte, was passiert war? „Ich kann mich den Beiden nur anschließen. Diese Schuldzuweisungen helfen uns nicht weiter. Wenn eine Leistung dauerhaft absackt, muss man als Trainer natürlich schauen, wo das Problem liegt, aber auch das geht nur in einem persönlichen Gespräch und in einer freundlichen Tonlage. Unsere Vertretung aber scheint nur auf Krawall gebürstet zu sein und das stört den Teamfrieden immens“, erklärte Kuro sachlich und Iwa nickte gedankenverloren zu den Worten. Das sah er auch so und auch Kageyama bekräftigte noch einmal, dass das der einzige Weg als Trainer sei und dass ihr bisheriger dies auch sehr gut umgesetzt hätte. Deswegen waren sie schließlich bis ins Viertelfinale gekommen. „Meine Herren. Ich werde den Vorwürfen nachgehen lassen, um einen Eindruck der Trainingsmethoden zu gewinnen. In welchem Umfang dies geschehen wird, werde ich an dieser Stelle nicht verraten, aber solch schwere Anschuldigungen kann ich nicht einfach so stehenlassen. Was Sie betrifft, Iwaizumi, kann ich Ihr respektloses Verhalten einer Autoritätsperson gegenüber dennoch nicht tolerieren. Deswegen sind Sie bis Ende des Jahres vom Training ausgeschlossen und ich erwarte, dass Sie sich vor der Mannschaft beim Trainer für Ihr Verhalten entschuldigen. Die anderen beiden Herren werden verwarnt. Sie können gehen.“ Iwaizumi atmete innerlich durch. Trainingsausschluss bis Jahresende war zwar nicht schön, aber aushaltbar. Dann würde er eben nur an den Sondertrainings teilnehmen, die sie oft noch nach den offiziellen machten, wenn der Trainer bereits gegangen war. Das war okay. Seine Befürchtung, dass er für den Rest der Saison gesperrt werden würde, hatte sich zum Glück nicht bewahrheitet. Es wäre schlimm gewesen, wenn er nicht mehr am Turnier hätte teilnehmen können. Außerdem war er gespannt, ob der Trainer vielleicht auch noch Ärger bekommen würde, wenn der Direktor erfuhr, wie es neuerdings beim Volleyballteam zuging. Die Entschuldigung vor der Mannschaft war zu erwarten gewesen, aber er würde seine Worte dieses Mal mit Bedacht wählen, um sich nicht komplett zu entschuldigen. Das hatte der Direktor schließlich auch nicht explizit verlangt. Sie verabschiedeten sich vom Direktor und draußen auf dem Gang schrieb Hajime zuallererst Toru, der wahrscheinlich schon in seiner Vorlesung durchgedreht war. Dabei hatte das Gespräch gerade einmal etwas über eine viertel Stunde gedauert, aber so wie er seinen Freund kannte, hatte es sich für ihn wahrscheinlich wie eine Ewigkeit angefühlt. Hajime: Ich bin glimpflich davongekommen. Trainingsausschluss bis Ende des Jahres und Entschuldigung vor dem Team beim Trainer. Wir sehen uns später, Schatz. Hajime Dann steckte er das Handy wieder weg und schlenderte mit den anderen Beiden durch die Gänge des Gebäudes. Sie mussten alle Drei in eins der anderen und ihre Vorlesungen begannen zum Glück erst in einer halben Stunde. Er wollte gerade etwas zu den anderen beiden sagen, als die Katze schon das Wort ergriff. „Ich muss noch kurz was erledigen. Wir sehen uns nachher!“, verabschiedete sich Kuro plötzlich und bog schnellen Schrittes in einen Gang ab. Okay? Was auch immer … Sein Blick wanderte zu Kageyama, der mit störrischem Gesichtsausdruck neben ihm her schlenderte. Okay, der ließ ja jede Milch sauer werden. Was war denn da los? „Wie war dein Wochenende?“, wollte das Ass wissen und hörte ein abschätziges Schnauben. „Eine Katastrophe.“ „Wieso das?“ „Weil! …“ Der Schwarzhaarige blieb stehen und Iwaizumi tat es ihm gleich. Er wartete ab, dass sein Gegenüber weitersprach und nachdem er mit sich gerungen hatte, seufzte er und forderte: „Das bleibt unter uns. Nur unter uns.“ „Klar, kein Problem. Du weißt doch, dass ich keine Labertasche bin.“ Kageyama nickte und setzte sich langsam wieder in Bewegung. „Weißt du noch bei Oikawas und deiner Geburtstagsparty? Wir hatten doch über das Thema Hochzeit gesprochen …“ Gott, hatten sie das? Hajime durchforstete seine Erinnerungen, die größtenteils mit Toru zusammenhingen, doch dann kamen da Bilder in ihm hoch. Tobio, ein paar andere und er hatten zusammen aufgeräumt und da war das Thema in der Küche aufgekommen. „Ja, Mattsun wollte Hinata doch aushorchen deswegen … Kein zufriedenstellendes Ergebnis bekommen?“ „Naja, Matsukawa konnte da wohl auch nicht so recht etwas erreichen und Samstagabend habe ich Shoyo einen Antrag gemacht, da ich ihn gern heiraten möchte. Dafür habe ich extra unsere Familien zusammengeholt und ich habe ihm den in der Karasuno Sporthalle gemacht, wo wir uns kennengelernt haben.“ Oh oh, Iwaizumi ahnte Schlimmes und er sollte leider recht behalten. „Er hat abgelehnt?“, fragte er murmelnd nach, da von dem Schwarzhaarigen nichts mehr kam. Erst nickte dieser nur, dann fuhr er nach einer Pause fort: „Ja. Er war vollkommen überfordert von der Situation und stammelte nur, dass er zu jung sei und gar nicht wüsste, ob er überhaupt irgendwann mal heiraten wollen würde oder nicht. Jetzt jedenfalls wollte er sich noch nicht so eng binden. Was aber nichts daran ändern würde, dass er mich liebt.“ Autsch, das war bestimmt ein Tritt in die Eier für den Setter gewesen und dann auch noch vor den Verwandten. Und das, wo Kageyama genau wie er, nur sehr selten ehrlich vor anderen über seine Gefühle sprach. Das war sicherlich eine Brandmarkung für ihn und so schnell würde er sich zu etwas nicht mehr hinreißen lassen. Dabei war das schon eine passende Idee gewesen, den Antrag in der Sporthalle zu machen und bestimmt war sie geschmückt worden. Der Abend musste wirklich für alle Beteiligten ein Reinfall gewesen sein. Kein Wunder, dass er so schlechte Laune hatte. „Fuck, das tut mir leid. Das muss echt beschissen gewesen sein.“ „Ja, da sagst du was …“, brummte er neben ihm und kickte einen Stein vor sich her, da sie das Gebäude mittlerweile verlassen hatten. Sichtlich irritiert beobachtete das Ass, wie Toru über das Gelände auf ihn zugelaufen kam. Hatte er nicht noch seine Vorlesung? War etwas passiert? „Schatz! Was heißt hier glimpflich davongekommen!? Trainingsausschluss???“, rief Oikawa aufgeregt und blieb leicht keuchend vor ihm stehen. Sein Blick wanderte kurz zu Kageyama, der ihm zunickte und sich zum Gehen abwenden wollte, als das Ass ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Meld dich, okay?“ „Ja, ist gut. Danke … Bis später.“ Dann verschwand der Schwarzhaarige mit hängenden Schultern in Richtung eines Gebäudes, um zu seiner Vorlesung zu gehen. Zumindest vermutete er das. „Alles okay?“ „Er hatte ein beschissenes Wochenende“, erwiderte Iwaizumi vage und musterte seinen Freund, der vollkommen durch den Wind wirkte. „Und was ist mit dir? Hast du nicht noch Vorlesung?“ „Ich konnte nicht da bleiben … Sora gibt mir nachher alles Wichtige, damit ich das nacharbeiten kann.“ „Hm? Aber warum konntest du da nicht bleiben? Was ist passiert?“ „Wusstest du, was man über unser Team sagt? Dass wir der ‚Schwulentreff‘ sind und eine ‚Bumsbude‘?“, wollte Toru wissen und Iwa hob eine Augenbraue. Das sagte man über sie? Herrje, was für Idioten. Aber natürlich gab es auch über ihre Mannschaft solche Gerüchte. Beim Fußball hatte er das schon mal mitbekommen, also warum sollte es bei ihnen anders sein? „Lass dich davon nicht ärgern, Schatz. Sollen sie sich doch das Maul zerreißen. Das wichtigste ist, dass wir die Wahrheit kennen. Und sobald wir die Meisterschaft geholt haben, werden die Arschlöcher verstummen und einsehen müssen, dass wir auch spielen können.“ „Ja, das ist ja richtig … Aber warum?“, jammerte Toru und kuschelte sich an ihn, atmete tief durch und hielt sich an seinem Mantel fest. Es war zwar nicht so kalt heute, aber er liebte diesen schwarzen, knielangen Mantel. Er war nicht allzu dick und somit perfekt für dieses Wetter, denn immerhin war es trocken. „Weil sie sonst nichts zu tun haben. Na komm, gehen wir rein … Bis zur Vorlesung ist noch etwas Zeit“, schlug Hajime lächelnd vor und strich ihm über den Kopf. „In Ordnung. Aber wie ist das denn jetzt beim Direktor gelaufen? Bist du wirklich vom Training ausgeschlossen? Das kannst du mir nicht antun!“ Arm in Arm schlenderten sie über das fast menschenleere Gelände und Iwaizumi berichtete in allen Details von dem Gespräch. Toru hörte ihm aufmerksam zu, schnaubte aber am Ende. „Dass du tatsächlich suspendiert wirst! Ich fasse es nicht!“ „Hey, immerhin nur bis Ende des Jahres. Das sind fünf Wochen. Und ich kann ja an den Sondertrainings teilnehmen, wenn der Trainer weg ist. Das kriegen wir schon hin. Und ich werde natürlich immer auf der Bank sitzen, um ein Auge auf dich zu haben, okay? Vielleicht wird die Strafe ja auch verkürzt, wenn der Direktor mitbekommt, dass unser derzeitiger Trainer so ein Arschloch ist.“ „Ich hoffe es. Ohne dich auf dem Feld zu stehen, ist so seltsam. Und wir müssen doch gemeinsam den Titel holen!“ Schmollend schaute der Violetthaarige zu ihm und mit den geblähten Wangen und der vorgeschobenen Unterlippe sah er schon ziemlich niedlich aus. Das dachte er in letzter Zeit wirklich oft, schoss es ihm durch den Kopf. „Das werden wir, du Meistersetter.“ „Gut!“ In der Umkleide erklärte Iwaizumi auch den anderen, wie das Gespräch verlaufen war und welche Strafe er erhalten hatte. Sie sollten sich nicht wundern, dass er nur die Schuhe auszog, aber ansonsten in seinen Straßenklamotten blieb. Das Team regte sich darüber auf, wie der Direktor dazu kam, ihn bis Ende des Jahres aus dem Spiel zu nehmen, was ihn lächeln ließ. Es war schön zu sehen, was für einen Rückhalt er im Team hatte und wie eng sie zusammenstanden. Das war wichtig, wenn sie den Titel holen wollten und das würden sie. So viel stand fest. Kuro und Bokuto waren es, die die anderen dazu überredeten, beim Training nur noch 70% zu zeigen, damit sie genug Power hatten, danach noch mit ihm zu trainieren. Es war ein Zufall, dass das Ass neben der Tür zur Halle stand und als Hayato auf ihn zukam, um rauszugehen, hielt er die Hand hoch und sie klatschten ab. So ergab es sich, dass Hajime erst als letzter die Kabine – zusammen mit Oikawa – verließ, damit alle mit ihm einklatschen konnten. Der Trainer erwartete sie bereits in der Halle und zielstrebig schritt er auf ihn zu. „Trainer Tanaka“, sprach er ihn höflich an und nach einem missbilligen Blick nickte dieser und das Ass fuhr fort: „Ich möchte hiermit um Entschuldigung bitten, dass ich mich bei meiner Kritik im Ton und in der Wortwahl vergriffen habe. Das wird in Zukunft nicht mehr vorkommen.“ „Ich weiß. Setz dich auf die Bank und der Rest läuft zehn Runden. Na los!“, rief der Coach, aber zu Iwas Beruhigung klang die Stimme nicht mehr so aggressiv wie zuvor. Vielleicht hatte der Streit ja doch etwas gebracht. Kapitel 17: Der Schlag ---------------------- Dienstag, 28.11. Schulter an Schulter standen sie vor dem Bürogebäude, das gefühlt bis in den Himmel ragte. Es war einer dieser Wolkenkratzer in Shibuya, die auf Postkarten zu sehen waren, in der die Agentur war. „Iwa-chan …“, hauchte er und spürte, wie seine Hand gedrückt wurde. Sie war schweißnass vor Aufregung, doch Hajime hielt sie trotzdem weiter fest. Wie nervös konnte man sein? Gestern Abend hatte er extra noch Notizen gemacht, damit er nichts vergaß und dennoch fühlten sich seine Knie weich wie Wackelpudding an. „Ich bin bei dir und wir schaffen das zusammen.“ Hektisch nickte Toru, atmete bewusst ein und aus und strich über seinen Mantel. Sein Freund hatte recht. Gemeinsam würden sie das souverän über die Bühne bringen und danach noch einen schönen Abend verbringen, sich darüber freuen, dass er einen Berater haben würde, der ihm half. Entschlossen betrat Oikawa mit Iwaizumi an seiner Seite die Lobby. An einer Tafel neben den Fahrstühlen stellten sie fest, dass insgesamt zwölf Firmen hier ansässig waren und die Agentur im vierzehnten Stock war. Von da aus hatte man bestimmt eine atemberaubende Aussicht! Im Aufzug kuschelte sich Toru noch einmal eng an Hajime, saugte den Geruch in sich auf, um sich zu beruhigen und konzentrierte sich dabei auf das gleichmäßige Streicheln an seinem Rücken. Er war nicht allein und Iwa würde ihm den Rücken stärken. Es würde super werden. Wie ein Mantra wiederholte er die Worte, bis das Ass ihn vorsichtig etwas wegdrückte und murmelte, dass er seinen knielangen Mantel ausziehen wollte. Der Setter nickte zustimmend und beobachtete, wie er sich den Mantel auszog, der seine Figur so wunderbar betonte. Darunter kam ein maßgeschneiderter, dunkelblauer Anzug zum Vorschein. Iwaizumi hatte darauf bestanden, dass sie beide so aufgetakelt auftauchten, um einen professionellen Eindruck zu hinterlassen. Also hatte er auch seinen an – graue Nadelstreifen –, der ihm zum Glück noch wie angegossen passte. Nicht auszudenken, wenn das nicht mehr der Fall wäre. Der war sehr teuer gewesen! „Wir sind da …“, murmelte sein Freund plötzlich, gab ihm flüchtig ein Küsschen auf die gestylten Haare und Toru streckte den Rücken durch. Jetzt musste er einen selbstbewussten Eindruck machen. Das war das A und O. Die Aufzugtüren öffneten sich und vor ihnen war ein kurzer, aus Glaswänden bestehender, Gang. Links von ihnen waren Büros der Agentur, vor ihnen der Empfang und rechts von ihnen die perfekte Aussicht über die Wohnviertel Shibuyas. Am liebsten hätte er sich vor die Fensterfront gestellt und den Blick schweifen lassen. Mit einer Hand auf dem oberen Rücken schob Hajime ihn langsam weiter Richtung der Tür zum Empfang und mit seinem Mantra in Gedanken betrat der Setter es. Meine Güte, am liebsten würde er wegrennen, weil er so durch den Wind war. Dabei war das ein durch und durch positiver Termin, aber diese Nervosität brachte ihn um den Verstand. „Ha-hallo. Mein Name ist Toru Oikawa und ich habe um 18 Uhr einen Termin bei Herrn Shimura“, stellte er sich dem jungen Mann vor, der in einem perfekt sitzenden Anzug an einem hellen Schreibtisch saß. Generell war hier alles mit dezenten, freundlichen Farben versehen. Blau- und Grüntöne waren Hauptbestandteil der Dekorationen, während die Wände in einem hellen Gelb gestrichen worden waren. Es wirkte alles sehr modern und doch irgendwie gemütlich. Es war schwer zu beschreiben, oder viel mehr war er viel zu aufgeregt, um sich alles genau anzuschauen. Mit Glück würde er ja noch öfters herkommen und konnte sich dann einen genaueren Eindruck machen. „Ah, schön, Sie kennenzulernen, Herr Oikawa. Herr Shimura ist leider gerade noch in einem Gespräch, aber folgen Sie mir doch bitte.“ Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen stand der Mann auf und Iwa und er tauschten einen kurzen, überraschten Blick aus. Der Empfangschef – so stand es auf seinem Namensschild – war genauso lang wie sie und könnte auch locker als Topmodel arbeiten. Hohe Wangenknochen, feine Gesichtszüge, ein strahlendes Blau als Augenfarbe und die anscheinend perfekte Figur für Anzüge machten ihn zum Traumkandidaten für jede Modelagentur. Dessen war sich der Setter sicher. Er führte sie einen lichtdurchfluteten Gang entlang, wobei die Wände zu den Büros hier nicht mehr durchsichtig waren. Wahrscheinlich waren hier die Berater, die sich um die Topstars kümmerten und laut Homepage gab es davon einige. „Bitte nehmen Sie noch einen Moment Platz. Herr Shimura wird Sie hier abholen, sobald er soweit ist.“ Ihnen wurde eine Tür aufgehalten und freundlich nickend und sich bedankend betraten sie den Raum dahinter. Torus Augen weiteten sich etwas, denn er hatte in etwa ein Wartezimmer wie bei einer Arztpraxis erwartet, doch er konnte nicht mehr daneben liegen. Es war ein großer Raum mit mehreren Sofas, die zu insgesamt fünf Sitzgelegenheiten angeordnet worden waren. An einer Wand stand eine Kommode, auf der es zwei sündhaft teure Kaffeeautomaten gab und wenn er das richtig sah, war in der Kommode noch ein Kühlschrank integriert worden. An den Wänden hingen Gemälde des Fuji, die wahrscheinlich unbezahlbar waren und hinter der Fensterfront gab es noch einen großen Balkon, auf dem mehrere kleine Tische mit Stühlen drapiert worden waren. Wahrscheinlich für die Gäste, die im Sommer kamen und lieber draußen warten wollten. Es war durch und durch eine Lounge und die ganzen anderen Deko Elemente wie Blumenvasen, Bilderrahmen und anderes nahm der Setter noch nicht mal richtig wahr. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt worden. „Wow krass …“, nuschelte Toru und blinzelte mehrfach, während er noch immer wie angewurzelt dastand. „Na komm, steh hier nicht rum wie eine Salzsäule. Setzen wir uns. Möchtest du etwas trinken?“ „Ja, kann man hier auch einen Kräutertee bekommen?“, fragte Oikawa verunsichert und schaute fragend zu den Kaffeemaschinen. Kaffee wäre jetzt nicht das richtige für ihn. Dann würde er vor Aufregung und Koffein richtig durchdrehen. „Ich schau mal. Setz du dich mal lieber, bevor du noch umkippst“, murmelte Iwa mit einem unwiderstehlichen Lächeln auf den Lippen und so tat der Violetthaarige, wie ihm geheißen. Sein Freund studierte die Maschinen, griff nach zwei Bechern und drückte ziemlich fachmännisch auf den Knöpfen herum. Wie es schien, hatte er Glück und konnte gleich noch einen Tee trinken. Das war genau das richtige für seine überspannten Nerven. Fünf Minuten später hielt er seinen Teebecher in den Händen und nahm den Duft der Kräuter in sich auf. Es gab kaum etwas Besseres als Kräutertee, dessen war sich der Setter absolut sicher. Und ein von Hajime zubereiteter war das Beste überhaupt. Leider half es nicht so sehr, seine Nervosität in den Griff zu kriegen, wie er gehofft hatte, aber da konnte man nichts machen. Es war halt eine Ausnahmesituation und da musste er jetzt durch. Überrascht hörten sie plötzlich vor der Tür Stimmen und reflexartig schauten sie beide hin, als die Tür aufging und eine bekannte Stimme sagte: „Danke dir, aber ich komme schon zurecht. Wegen des Verkehrs bin ich extra früher aufgebrochen und habe ein Buch mitgenommen.“ Das Blut gefror in Oikawas Adern, als doch tatsächlich DER Mann den Raum betrat. Die Stimme hätte er unter Millionen wiedererkannt und seine Hände krampften sich um die Tasse. Sein Blick wanderte einmal über ihn. Noch immer kräftig gebaut stand ihm der dunkelbraune Anzug, den er trug, überraschend gut, wie ihm auffiel. Nicht, dass er ihn vorher jemals in so einem Outfit gesehen hätte. Die Haare noch immer halblang und zur Seite gekämmt, die Augen durchdringend wie je und eh. Wie lange hatten sie sich jetzt nicht mehr gesehen? Fast drei Jahre? Und trotzdem sah der Arsch noch immer so aus wie damals. „Ushijima?“, hakte Iwaizumi nach und versuchte betont gelangweilt zu klingen, was ihm relativ gut gelang. Oikawa hörte die Verwunderung aber deutlich heraus. Offenbar hatte auch sein Freund nicht damit gerechnet, ihm hier zu begegnen. „Oha, wen haben wir denn da? Den großen König und sein Gefolge … Etwa auch auf dem Weg in den Profisport?“ „Selten dämliche Frage, wenn wir hier sind, oder?“, schoss Iwa genervt zurück, was den Arsch aber nur abfällig grinsen ließ, als er erwiderte: „Ich habe gehört, sie suchen auch noch Verstärkung für den Empfang.“ „Ach, deswegen bist du also hier? Es wird auch Zeit, dass du endlich mal einen vernünftigen Beruf erlernst.“ Die Zwei funkelten sich genervt an, bis Ushijima den Blick zu ihm wandern ließ. Verdammt, musste ausgerechnet der hier auftauchen? Hätte es nicht auch irgendjemand anderes sein können? Es war doch zum Kotzen. Und vor allem konnte er ihm genüsslich unter die Nase reiben, dass er bereits den Sprung zur Nationalmannschaft geschafft hatte. Toru erinnerte sich noch genau, wie sie zu Viert über der Volleyballzeitschrift gehangen und sich darüber aufgeregt, dass die ausgerechnet diesen Arsch aufgenommen hatten. Selbst Mattsun war überraschend deutlich in seiner Wortwahl geworden. „Und du? Hat es dir die Sprache verschlagen?“ Als wäre er nicht würdig, drehte sich der Kerl dreist um, um sich an der Kaffeemaschine zu schaffen zu machen. Unhöflicher Arsch! Iwaizumi anschauen und ihn ignorieren, oder was!? Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Iwas smaragdgrüne Augen durchbohrten ihn förmlich, um ihn zu warnen, dass er nichts Falsches sagen oder machen sollte und er schnaubte leise. Wer hatte denn hier rumgezickt? „Ich wüsste nicht, was wir zu reden hätten“, gab er schnippisch zurück und wandte sich wieder seiner Teetasse zu. Der Typ sollte ihn einfach in Ruhe lassen. „Ach nicht? Dann hast du dir den Traum der Nationalmannschaft also endlich aus dem Kopf geschlagen?“ „Niemals! Ich werde aufgenommen und dann werde ich dir im Training so lange die Bälle stellen, bis du erschöpft aufgibst. Und ich werde das Team zu Olympiagold führen!“, versprach er und war vor Aufregung aufgesprungen. Er starrte Ushijima böse an, der sich entspannt an die Kommode gelehnt hatte und mit vor der Brust verschränkten Armen amüsiert lächelte. „Du willst mich auspowern?“ „Du wirst keinen Muskel mehr bewegen können, du Arsch!“ „Ach so? Das wäre aber nicht förderlich, wenn du uns zu Olympia führen willst. Da werden wir nämlich zusammenarbeiten müssen. Und das ist der Grund, warum du nicht aufgenommen werden wirst. Weil du dich von deinen Gefühlen leiten lässt und nicht mit mir zusammenarbeiten könntest. Spätestens bei einem Probetraining würde das den Verantwortlichen auffallen und der Traum ausgeträumt, was wirklich schade wäre, denn du hast Potenzial.“ „Wer weiß, ob sie dann nicht lieber dich rausschmeißen“, brummte Iwaizumi, der noch immer auf dem Sofa saß und das Geschehen aufmerksam beobachtete. Ach scheiße, warum regte er sich überhaupt auf? Zum Glück kam in dem Augenblick Herr Shimura herein und stellte sich ihnen vor. Er war etwas kleiner als Iwa und der Figur nach zu urteilen, hatte er nie Sport betrieben oder das vor einiger Zeit aufgegeben. Was nicht hieß, dass er dick war, aber ein kleiner Bauch war schon zu sehen und auch die Wangen waren schon ziemlich pausbäckig. Die blonden Haare waren etwas länger als die von seinem Freund und die Gesichtszüge freundlich. Es schien, als hätten sie Glück gehabt, was den Berater anging. „Hallo, meine Herren. Mein Name ist Shimura. Und Sie sind Herr Oikawa, richtig?“, wandte er sich lächelnd direkt an ihn und er nickte. „Ja, das ist richtig. Und das Iwaizumi, mein –“ „Ich bin der beste Freund“, beendete dieser leicht lächelnd seinen Satz und irritiert musterte er das Ass von der Seite her. Wie? Der beste Freund? Aber er war doch sein Partner! Warum sagte er das jetzt nicht? Er versuchte den Stich in seinem Herzen zu ignorieren, aber es fiel ihm so verdammt schwer. Schämte sich Hajime für ihn? Wollte er die Beziehung doch lieber geheim halten? Aber er hatte nie so etwas in diese Richtung angedeutet. Es ging ihm einfach nicht in den Kopf, warum er das gesagt hatte! „Das ist doch großartig gelaufen! Wir werden den Vertrag von Mattsuns Vater prüfen lassen und dann steht dem nichts mehr im Wege. Ich freu mich so sehr für dich, Toru! Du wirst einen Berater haben!“, sagte sein Freund lächelnd, als sie das Gebäude verlassen hatten. Er schien sich aufrichtig zu freuen, doch er konnte das nicht. Ja, er hatte einen Vertrag in seiner Tasche und würde den Matsukawas Dad geben, damit er einen Blick darauf warf und dieser Herr Shimura schien wirklich nett zu sein und seine Bedenken, die er geäußert hatte, ernst zu nehmen, aber all das hatte er nur so nebenbei wahrgenommen. Der Setter verstand einfach nicht, warum ihn sein Freund verleugnet hatte. Das tat nach wie vor weh und er konnte sich keinen Reim darauf machen. „Jetzt freu dich doch mal, Schatz! Bald wirst du über deinen ersten Vertrag verhandeln!“ „Ich möchte nach Hause, Hajime …“, murmelte er erschöpft und schaute zu Boden, da er dem prüfenden Blick nicht standhalten konnte. Dem war sich der Setter bewusst. Und er hatte keine Lust, hier draußen auf der Straße einen Streit anzufangen. Das ging schließlich niemanden etwas an. „Was ist denn los, Toru? Passt dir was an dem Berater nicht? Er hat doch einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht, auch wenn ich im ersten Moment schon Zweifel hatte …“ „Lass uns bitte zu Hause reden, okay?“ „Okay …“, stimmte Iwa zweifelnd zu und der Heimweg, wo sie sich anschwiegen und nicht berührten, zog sich unendlich. Aber er konnte gerade nicht auf gute Laune machen. Sie hatten sich doch gerade erst vor zwei Tagen geschworen, ehrlich miteinander zu bleiben und deswegen musste er das zu Hause ansprechen. Aber eben auch erst da, denn er würde bestimmt ziemlich zickig werden, das war ihm klar, und hier auf der Straße war so ein Streit nicht angebracht. Zwanzig schrecklich lange Minuten später waren sie zu Hause angekommen und kaum, dass Iwaizumi die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, blubberte er schon los: „Was sollte das vorhin bitte!? Du mein BESTER Freund? Warum verleugnest du mich? Ich dachte, du liebst mich! Und bei diesem Termin, von dem du ganz genau wusstest, wie wichtig er mir ist, stellst du dich als bester Freund vor! Du bist doch mein Partner, oder nicht?“ Sein Körper begann zu zittern und er schaffte es nur mit Mühe, die Knoten seiner Lederhalbschuhe zu lösen, um sie auszuziehen. Iwaizumi war etwas schneller damit, doch er blieb neben ihm stehen und antwortete ruhig: „Zum einen kam mir Herr Shimura im ersten Augenblick etwas komisch vor und zum anderen war Ushijima noch im Raum. Du bist doch gestern zu mir angekommen, weil du es in der Vorlesung nicht mehr ausgehalten hast wegen der Idioten, die nur scheiße über uns erzählen. Wolltest du, dass dein zukünftiger Berater nachher auch so über dich denkt? Ich wollte einfach nur Rücksicht nehmen!“ „Indem du mich verleugnest, ohne das vorher mit mir zu besprechen? Scheiße, ich habe kaum etwas von dem Gespräch mitbekommen, weil ich mich die ganze Zeit gefragt habe, warum du das gesagt hast!“ Der Setter atmete genervt durch und setzte nach: „Schämst du dich für mich, Hajime?“ „So ein Bullshit!“ Iwas Stimme war laut geworden und Toru zuckte überrascht zusammen. Er hasste es so sehr, wenn er aggressiv angegangen wurde. Und die Frage war doch berechtigt! Sonst hätte er doch zu ihm gestanden und sich als Partner vorgestellt! „Aber warum hast du das dann gesagt? Ich verstehe es einfach nicht! Wenn du vor anderen nicht zu mir stehen kannst, dann …“ „Dann was!?“, bohrte das Ass sofort nach und Oikawa biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe er weitersprach: „Dann frage ich mich, was das hier überhaupt für einen Sinn hat!“ Klatsch! Seine Wange begann zu glühen und Toru brauchte einen Moment, um zu realisieren, was gerade passiert war. Hajime hatte ihn geschlagen. Er hatte ihm eine Ohrfeige gegeben. Das … Das hatte er nicht wirklich getan. Erschrocken starrten sie sich an – die Zeit stand für einen kurzen Moment still und er hätte eine Stecknadel fallen hören können – und seine Finger tasteten nach der Stelle, die vom Schlag schmerzte. Das konnte nicht sein. Das … Nein, das war nicht geschehen! Das durfte nicht! „Toru, das –!“, setzte das Ass erschrocken – beinahe panisch – an und wollte ihn mit der anderen Hand berühren, doch seine Reflexe waren schneller und der Setter rannte in sein Zimmer, schloss die Tür mit einem lauten Knall. Zitternd lehnte sein Körper an der Tür. Schmerzhaft klopfte sein Herz gegen den Brustkorb und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Was war das nur für ein Nachmittag!? Wie konnte plötzlich alles so den Bach heruntergehen? Seine Beine gaben nach und der Violetthaarige ließ sich an der Tür nach unten sinken. Er hörte die hektischen Schritte seines Freundes auf dem Flur und er zuckte erschrocken zusammen, als er laut gegen die Tür klopfte. „Toru bitte! I-ich, verdammt, das wollte ich nicht! Lass uns reden! Bitte!“ Verzweifelt kamen die Worte aus dem Mund, aber er konnte jetzt nicht. Alles in ihm sträubte sich dagegen und so rief er mit letzter Kraft: „Nein! Nicht jetzt! Lass mich allein!“ Vor Angst hielt er die Luft an, lauschte angestrengt und atmete tief durch, als Makki und Mattsun im Flur auftauchten und sich alle Schritte von seinem Zimmer entfernten. Seine Wange pulsierte, wurde ganz heiß und die Tränen liefen still. Das Ass war ja schon immer impulsiv gewesen, aber nie – nie im Leben – hätte er gedacht, dass es einmal so weit kommen würde. Verzweifelt rieb er sich mit beiden Händen über die schmerzende Wange. Es sollte aufhören! Das Gefühl sollte verschwinden! Kapitel 18: Die Verzweiflung ---------------------------- Dienstag, 28.11. / Mittwoch, 29.11. Wie hatte das passieren können? So eine verdammte Scheiße! Das hatte er nicht gewollt! Nie und nimmer hatte er ihn schlagen wollen! Fuck. Was sollte er jetzt tun? Wie konnte er das wieder geradebiegen? Zitternd vor Wut auf sich selbst und Verzweiflung hatte er sich von Makki und Mattsun ins Wohnzimmer bringen lassen, wo er nun Furchen in den Teppich trat. Unwirsch raufte er sich die Haare, versuchte irgendwie zur Ruhe zu kommen, doch es brodelte in ihm. Er fühlte sich wie in einem schlechten Traum. Dabei war Toru kurz davor, einen Vertrag mit einem Spielerberater abzuschließen. Dann könnten die Verhandlungen mit den Tokyo Samurais losgehen und bald würde er für sie auf dem Feld stehen können und um die Ligameisterschaft spielen. Damit wäre er seinem Traum einen großen Schritt weiter. Doch nun war das alles plötzlich unbedeutend. Er hatte es zerstört. Er allein. Ohne nachzudenken, griff er das leere Glas vom Tisch und schmiss es gegen die leere Wand. Lautstark zerbarst es in viele Scherben, die sich auf dem Boden verteilten und die Wut zog sich bei dem Anblick allmählich zurück. Wie hatte es nur so weit kommen können? Das war doch …! Mit den Nerven am Ende ließ er sich auf das kleine Sofa sinken und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Irgendwie musste er das wiedergutmachen. Wie hatte ihm nur die Hand ausrutschen können? Würde Toru ihm das verzeihen können? Dass er ihn geschlagen hatte? „Shit, das habe ich nicht gewollt!“ „Was genau ist denn passiert?“, fragte Hanamaki ruhig nach, als er wiederkam und stellte ihm ein Glas Wasser auf den Couchtisch. Doch er hatte keinen Durst. Stattdessen legte er die Fingerspitzen aneinander und die Daumen unter das Kinn, sodass Mund und Nase zwischen seinen Händen waren. Unbewusst nahm er wahr, dass Mattsun mit Kehrschaufel und Handfeger an ihnen vorbeischritt, um die Scherben aufzusammeln. Fuck, er hätte das doch auch gleich erledigt, doch er brachte kein Wort heraus. Ihm blieben die Worte förmlich im Hals stecken. Einen Moment lang musste er sich noch sammeln, dann erklärte das Ass seinem Kumpel die Lage: „Als wir uns mit dem Spielberater bekannt gemacht haben, habe ich mich als bester Freund und nicht als Partner vorgestellt. Der Typ hat uns auf eine Weise angeschaut, dass ich es für besser hielt. Irgendetwas schien mit ihm nicht zu stimmen. Außerdem war auch noch Ushijima im Raum, der anscheinend auch bei der Agentur seinen Berater hat. Toru hat das aber in den vollkommen falschen Hals bekommen. Dabei wollte ich nur Rücksicht auf ihn nehmen, weil er doch gestern von den Gerüchten gehört hat, die es über uns Volleyballer gibt.“ „Ja, das hattet ihr ja gestern Abend noch erzählt“, erinnerte sich Makki und schaute ihn mit so einem besorgten Blick an, dass ihm schlecht wurde. Wenn der Rosahaarige schon so aussah, war er dem Weltuntergang näher, als ihm lieb war. „Na auf jeden Fall haben wir eben deswegen gestritten, weil Toru jetzt denkt, dass ich mich für ihn schäme, was absoluter Unsinn ist! Ich wollte nur nicht, dass der Typ falsch von Oikawa denkt. Immerhin kennt er ihn noch nicht und weiß ihn nicht einzuschätzen und wir ihn nicht. Wenn es eine gewisse Vertrauensbasis gibt, können wir ihm das ja noch erzählen. Das wäre ja kein Problem. Ich wollte ihm doch nichts Böses!“ „Und deswegen hat er sich jetzt in sein Zimmer verbarrikadiert?“, wollte Makki wissen und beschämt schüttelte er den Kopf. Er fühlte sich so unwohl, zuzugeben, dass ihm die Sicherungen durchgebrannt waren. Shit, das konnte doch nicht wahr sein! Aber er musste das jetzt sagen. Es gehörte zu der Geschichte dazu und Hanamaki würde ihn dafür nicht verurteilen, sondern ihm helfen, das irgendwie wieder zu richten. Darauf hoffte Iwa inständig. Es musste einen Weg geben, dass Toru ihm das verzieh. Und wenn das Monate dauern sollte, dann würde er so lange warten, bis er wieder bereit war, einen Schritt auf ihn zuzugehen. Aber er konnte ihn nicht aufgeben. Nicht nach allem, was war und was er für ihn empfand. „Verletzt, wie er war, hat er gleich die ganze Beziehung in Frage gestellt und mir ist … Mir ist … Fuck.“ Sein Körper zitterte leicht und er atmete viel zu hektisch, weshalb er innerlich bis zehn zählte und bewusst auf seine Atmung achtete. Dann fuhr er fort: „Mir ist die Hand ausgerutscht. … Ich habe ihm eine Backpfeife gegeben.“ Zum ersten Mal öffnete er die Augen und schaute zu Makki, der einen für ihn undeutbaren Blick mit Mattsun wechselte, der wieder in der Tür aufgetaucht war. Sein Magen verkrampfte und ihm wurde kotzübel. Scheiße, was hatte er getan!? „I-ich … Als er das gesagt hat … Dass er sich fragt, was für einen Sinn unsere Beziehung dann noch hätte, hat etwas in mir ausgesetzt. Ich war so verletzt, dass er deswegen gleich an der gesamten Beziehung zweifelt und im nächsten Augenblick hörte ich nur das Klatschen und spürte den Schmerz in der Handfläche. Fuck, das kribbelt immer noch!“ Er rieb die Hände gegeneinander, um das Gefühl loszuwerden, doch es schien nicht zu verschwinden. Vielleicht war das seine Strafe, dass er das für immer spüren sollte. Shit, was sollte er denn jetzt tun? Er wollte Toru in den Arm nehmen, ihn trösten und für ihn da sein. Ihm versichern, dass er nie wieder die Hand gegen ihn erheben würde und sein Blumenshampoo einatmen. Matsukawas Worte ließen ihn komplett zusammensinken: „Oikawa möchte nicht mal mit mir reden. Ich fürchte, wir werden ihn bis morgen in Ruhe lassen müssen und dann schauen, wie es ihm geht.“ Eiskalt lief es ihm den Rücken runter und mit Tränen in den Augen starrte er seine Freunde an. „Ich wollte das nicht!“, rief er verzweifelt und zuckte zusammen, als Makki ihm mit durchdringendem Blick eine Hand auf den Unterarm legte und leicht zudrückte. „Das glaube ich dir. Aber so etwas ist nicht mal eben wiedergutzumachen. Ihr braucht jetzt Beide Zeit, um euch zu beruhigen. Gib Toru bis morgen Zeit, das zu verarbeiten. Es ist viel passiert heute.“ „Nein, ich muss das irgendwie wieder hinbiegen. Was kann ich tun, damit er mir das verzeiht?“ Wie sollte er sich denn jetzt beruhigen? Das war doch nicht sein Ernst! Er hatte gerade die Beziehung zerstört! Es musste doch etwas geben, womit er Stück für Stück wieder Pluspunkte aufbauen konnte. Seine Hände zitterten und er war so aufgewühlt, dass er erst gar nicht merkte, wie sich Matsukawa auf seine andere Seite setzte. „Trink einen Schluck, Iwaizumi“, forderte er sanft und hielt ihm das Glas vor das Gesicht. Langsam und vorsichtig griff er mit beiden Händen danach und trank ein paar Schlucke, konzentrierte sich auf das kühle Nass, dass seine Speiseröhre hinabfloss. Dann atmete er tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Wie hatte das nur so eskalieren können? „Lass uns noch kurz auf den Balkon rausgehen. Da kannst du frische Luft einatmen, okay?“, schlug der Schwarzhaarige vor und Iwa nickte leicht, stellte vorsichtig das Glas wieder auf den Tisch. „Schatz, magst du bitte in der Küche die Suppe regelmäßig umrühren?“ „Na klar, mach ich“, versprach Makki tonlos und verschwand in der Küche, während Mattsun ihm aufhalf und ihn auf den Balkon führte, wo ihm zuallererst die kalte Abendluft entgegenschlug. Sie wirkte wie ein eiskalter Waschlappen und seine Nerven beruhigten sich weiter. Er würde das schon hinkriegen. Irgendwie würde er Toru beweisen, dass er ihn liebte und dass er um ihn kämpfen würde, dass es ihm unendlich leidtat. Es war ihm noch immer unbegreiflich, wie er ihn hatte schlagen können und unbewusst rieb er weiterhin die Handflächen gegeneinander, doch das Kribbeln hielt sich hartnäckig. „Toru hat an der Beziehung im Allgemeinen gezweifelt?“, hakte Matsukawa mit seiner beruhigenden Stimme nach und schaute ihn leicht besorgt an. Obwohl Iwaizumi für gewöhnlich eher mit Hanamaki über persönliche Dinge sprach, war er gerade froh, dass er mit ihm rausgegangen war. Seine ausgeglichene und bedachte Ausstrahlung war gerade genau das, was er brauchte, um sich selbst wieder zu erden. Angespannt nickte er knapp. „Wenn du vor anderen nicht zu mir stehen kannst, dann frage ich mich, was das hier für einen Sinn hat. Das waren seine Worte gewesen.“ Er umfasste das Geländer und zischte kurz leise, als die Eiseskälte der Metallstange durch seine Haut zog und es sich fast anfühlte, als würde sie ihn verbrennen. Es beendete das Kribbeln in seiner Handinnenfläche, wofür er mehr als dankbar war. Zu wissen, dass er das getan hatte, war schon schrecklich genug. Die verzweifelte Stimme Torus, als er ihm das an den Kopf geknallt hatte, hatte er noch immer im Ohr und wieder spürte das Ass die Tränen in den Augen. Er ließ den Kopf hängen und streckte den Rücken durch, versuchte seine Gedanken zu ordnen, die wirr herumkreisten. „Und das, weil du dich als bester Freund und nicht als Partner vorgestellt hast, ja?“, hakte Mattsun weiter nach, da er ja versucht hatte, mit Toru zu reden und deswegen nicht alles vom Gespräch mit Makki mitbekommen hatte. Wieder nickte er. „Entschuldige, ich will dich nicht nerven, aber warum hast du das getan? Gab es einen bestimmten Grund dafür?“ In Ruhe erläuterte er auch dem Schwarzhaarigen noch einmal, was ihn dazu bewogen hatte und nachdenklich nickte dieser, als er zu Ende gesprochen hatte. Einen Moment lang hingen sie beide ihren Gedanken nach, dann stellte Iwa die Frage, die ihm unter den Nägeln brannte: „War das falsch? Hätte ich mich so oder so als Freund vorstellen sollen? Egal, was der Berater dann denkt?“ Eine furchtbare Ewigkeit – in der Realität wahrscheinlich nicht mal eine Minute – musterte Issei ihn, dachte über die Frage nach, ehe er ruhig und mit bedachten Worten antwortete. „Ich denke nicht, dass das falsch war. Homosexualität ist nun einmal noch immer ein schwieriges Thema auch in der heutigen Zeit. Aber ihr hättet da vorher drüber reden müssen, damit es nicht zu diesem Missverständnis kommt. Versetze dich in Torus Lage. Ihr habt euch abgesprochen, was euch wichtig ist und da wurde das nicht thematisiert. Dann steht ihr vor dem Berater und plötzlich wird aus dem Freund – dem Partner – der beste Freund. Wie würdest du dich da fühlen?“ „Beschissen“, murmelte Iwaizumi und strich sich mit den kalten Händen über das Gesicht. Fuck, natürlich musste er sich verarscht vorkommen. Warum auch hatten sie das nicht abgesprochen? „Ich will ehrlich zu dir sein. Einfach wird es nicht, Toru wieder zurückzuerobern. Nicht nur, dass sein Vertrauen einen großen Knacks bekommen hat, weil du ihn vor Fremden verleugnet hast, sondern da ist noch die Backpfeife.“ „Sag doch, wie es ist, Mattsun. Ich habe ihn geschlagen. Vor Wut … Weil ich nicht fassen konnte, dass er ernsthaft an der Beziehung zweifelt. Ich wollte ihn doch nur beschützen …“ Matsukawa legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte kurz zu. „Leg dich schlafen. Jetzt wirst du erst recht keinen klaren Gedanken mehr zusammenbekommen.“ Hajime nickte langsam, blieb aber noch einen Augenblick lang draußen stehen, während der Schwarzhaarige wieder in die warme Wohnung verschwand. Dieses Mal hatte er es richtig verbockt. Unbewusst, was die Sache irgendwie noch viel schlimmer machte. Statt ihn zu beschützen und von weiteren dummen Kommentaren fernzuhalten, hatte er Toru tief verletzt und das nicht nur seelisch, sondern auch noch körperlich. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, schoss es ihm durch den Kopf und shit, das beschrieb seine Situation perfekt. Aber sie würden das schaffen, oder? Irgendwie … Sie mussten. Er liebte Toru und wenn er daran dachte, dass er das erste Mal seit Monaten allein in seinem Bett schlafen würde, wurde ihm ganz mulmig zumute. Lange vor dem Wecker wachte das Ass auf und fühlte sich gerädert. Ein Alptraum hatte den nächsten gejagt und jetzt beschloss er, wach zu bleiben. Schlafen war sinnlos, denn er würde nur wieder von einem schrecklichen Streit träumen, wo er Toru schlug und dieser ihn aus der Wohnung schmiss. Nein, das brauchte er kein fünftes Mal. Verzweifelt schaute er auf sein Smartphone und die Uhr zeigte ihm 4:39 Uhr an. Na großartig. Sein Wecker würde erst um 6 Uhr klingeln. Was sollte er bis dahin tun? Seufzend entsperrte er den Bildschirm und sein Herz zog sich schmerzend zusammen, als er das Hintergrundbild sah. Lachend strahlte Toru in die Kamera, während er im Hintergrund grinsend, aber mit Händen in den Hüften dastand. Er wusste noch genau, wie es zu dem Bild gekommen war. Nach den Prüfungen im Sommer waren sie für drei Tage ans Meer gefahren und da hatte der Setter sein Handy genommen und Fotos mit gemacht, als er auf dem Handtuch eingedöst war. Kaum, dass er wach geworden war, weil Toru ein Selfie gemacht hatte, wie er ihn wach küsste, war er wie ein Kleinkind aufgesprungen und kichernd weggerannt. Dabei hatte er das Foto gemacht und Hajime liebte es, weil der Violetthaarige so glücklich und gelöst aussah. Verdammt, er hatte das so unbedacht einfach aufs Spiel gesetzt mit seinem falschen Beschützerinstinkt! Wie hatte er nur so dumm sein können? Ihm war kotzübel und er schmiss das Handy neben sich aufs Bett, konnte den Anblick gerade nicht mehr ertragen. Er wollte neben ihm liegen, mit ihm kuscheln und zuhören, wie sich Toru seine Zeit bei den Tokyo Samurais ausmalte. Stattdessen lag er allein in seinem Bett, dass ihm plötzlich viel zu groß vorkam und bildete sich ein, zu frieren, obwohl es angenehm warm im Raum war. So eine Scheiße! Das durfte alles nicht wahr sein. Wie konnte er das nur wieder glattbügeln? Er brauchte einen Plan. Und einen verflucht guten noch dazu. Er konnte ihn nicht aufgeben. Nicht nach allem, was war. Und er meinte nicht, dass Toru seine Liebe für ihn so lange geheim gehalten hatte, sondern weil er die letzten Monate mit der Diva so sehr genossen hatte. Das konnte er nicht einfach aufgeben. Mit zittrigen Beinen stand das Ass auf und stellte sich unter die Dusche. Er stellte das Wasser auf eiskalt und atmete hektisch ein, als die Eiseskälte ihm umfing, doch er brauchte das jetzt, um einen klaren Kopf zu bekommen. Doch als ein Stechen sich in seinem Kopf bemerkbar machte und seine Zähne leicht klapperten, drehte er die Temperatur Stück für Stück wärmer, bis es angenehm wurde. Wie aus dem Nichts musste er an Kageyama denken, der gerade auch eine schwere Zeit durchmachte, wo sein so gut geplanter Antrag ins Wasser gefallen war. Wenn Iwa so darüber nachdachte, hätte er nicht gedacht, dass Hinata den Schwanz einziehen würde. Die Zwei wirkten immer so glücklich, dass er alles darauf verwettet hätte, dass er annehmen würde. Seine Gedanken wanderten weiter, wie Hinata sich bei Toru wegen des Unfalls beim Spiel vor ein paar Monaten entschuldigt hatte. Er hatte extra Milchbrötchen mitgebracht, um ihn milde zu stimmen. Bei der Hausparty damals … Gott, es kam ihm vor, als wäre das schon Jahre her. Milchbrötchen. Eine Idee breitete sich in seinem Kopf aus und auch, wenn das nicht reichen würde, wäre das sicherlich ein Anfang, um Toru davon zu überzeugen, dass er ihn liebte und es ihm leidtat. Uni würde er heute sowieso nicht auf die Reihe kriegen. Yuuji war sicherlich so nett, ihm seine Notizen zur Verfügung zu stellen, damit er das späterhin aufarbeiten konnte. Also duschte er sich schnell und machte sich fertig. Schritt eins, um Toru zurückzuerobern, begann. Kapitel 19: Selbstgebackene Milchbrötchen ----------------------------------------- Mittwoch, 29.11. Hatte er jemals so schlecht geschlafen? Ihm fiel keine Nacht ein. Selbst, als er Iwa bei der Party einen geblasen und es ihm gebeichtet hatte, war die Nacht danach nicht so schrecklich gewesen wie die letzte. Immer wieder hatte er geträumt, wie Hajime ihn geschlagen hatte, weil er so wütend auf ihn gewesen war. Sofort nach dem Schlag war er jedes Mal wach geworden und doch irgendwann wieder eingeschlafen. Erholt hatte sich aber weder sein Körper noch sein Geist. Am liebsten hätte Oikawa sich in seinem Bett verkrochen und es nicht verlassen, aber er sollte sich schon fertig machen, wenn Hodaka gleich klingelte, oder? Es war halb Zehn und er hatte sich am Morgen im Gruppenchat und beim Sekretariat krankgemeldet. Iwaizumi hatte sich daraufhin nicht gemeldet, nur Matsukawa hatte ihm gute Besserung gewünscht. Konnte es noch schlimmer kommen? Das Klingeln der Tür riss ihn aus seinen deprimierenden Gedanken und vorsichtig stand er auf. Da er weder ein Abendessen noch ein Frühstück gehabt hatte, fühlte er sich etwas wackelig auf den Beinen. Sein Kumpel war offenbar zwanzig Minuten zu früh dran – hatte wohl eine Bahn vorher bekommen, daher hatte er es nicht mehr geschafft, sich zu duschen oder anzuziehen, doch es störte ihn nicht mal. Dann sollte Hodaka ihn eben so sehen. Gestern Abend hatte er ihn noch vom Bett aus angerufen, total verheult und runter mit den Nerven, weil er sich einfach nicht hatte beruhigen können. Zu seinem Glück hatte der Blondschopf diese Woche Urlaub, sodass er ihm lange zugehört hatte und versprochen, dass er ihn heute besuchen würde, um ihm zu helfen. Nur mit Alienboxer und Schlabbertop bekleidet öffnete er die Wohnungstür, als er Schritte aus dem Treppenhaus hörte und Hodaka kam mit einem Beutel über der Schulter herein. „Hey …“, murmelte er leise und schloss hinter ihm die Tür. „Hey. Ich habe eine Kleinigkeit zum Frühstücken mitgebracht. Dachte mir, du hast bestimmt noch nichts gegessen …“ „Stimmt. Danke …“ „Leg dich schonmal aufs Sofa, hm? Ich weiß ja, wo alles ist …“ Hodaka lächelte ihn leicht aufmunternd an und steuerte zielstrebig die Küche an, nachdem er seine Schuhe ausgezogen hatte. Toru nickte nur und ließ sich kraftlos auf das große Sofa fallen. Es war unhöflich, den Gast alles machen zu lassen, das war ihm auch bewusst, aber er fühlte sich so schwach und leer. Und Hodaka würde es ihm bestimmt nicht übelnehmen, wenn er das so anbot. Tief atmete er durch und sofort roch er den herben Eigengeruch von Iwa. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er erkannte die Lieblingsdecke des Asses, die unter seinem Kopf lag. Halb verzweifelt vergrub er sein Gesicht darin, wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er hier wäre und sich um ihn kümmerte. Doch was er ihm angetan hatte, war nicht so einfach zu verzeihen. Nicht nur, dass er sich verraten vorkam – was schon schlimm genug war – er hatte auch noch die Hand gegen ihn erhoben. Beides ließ ihn noch immer fassungslos werden. „Hier … Dein Frühstück“, murmelte Hodaka gedämpft und Toru hob leicht den Kopf, als er das leichte Lächeln sah, mit dem er bedacht wurde. In der Hand hatte der Blondschopf eine Packung Meloneneis und in der anderen einen Löffel. Langsam setzte sich der Setter auf und griff beides. Hodaka verstand ihn. Der wusste, was er brauchte und leise schniefend öffnete er die Eispackung. „Das ist genau das richtige jetzt“, nuschelte er und stopfte sich einen Löffel mit Eis in den Mund. „Das dachte ich mir. Was bei meinen kleinen Schwestern funktioniert, kann bei dir nicht falsch sein“, meinte er mit einem Schmunzeln und Toru ignorierte den frechen Kommentar. Dafür war das Eis gerade zu lecker. „Gibt es irgendetwas Neues?“, erkundigte sich Hodaka nach einer Weile und Toru schüttelte den Kopf, während er sich noch immer am Eis zu schaffen machte. „Nein, nicht wirklich. Ich habe heute Morgen in die Gruppe geschrieben, dass ich heute zu Hause bleibe, aber Iwa hat nicht darauf reagiert. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll … Letzte Nacht war die Hölle. Ich hatte nur Alpträume und fühle mich so gerädert. Es war die erste Nacht ohne Iwa an meiner Seite, seit wir zusammengekommen sind und ich habe mich so allein gefühlt. Das Bett war plötzlich drei Mal so groß wie sonst. Aber das kann ich ihm nicht so einfach verzeihen. Er hat mich verleugnet und … geschlagen …“ Als er ihn im Sommer das erste Mal geschlagen hatte, hatte Toru ihm das verzeihen können. Er war in Panik gewesen, weil er kopflos weggerannt war und Iwaizumi Angst gehabt hatte, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Das hatte er abhaken können. Auch sein Schlag in der Mittelschule, als er Kageyama hatte schlagen wollen, war etwas anderes gewesen. Da hatte er den Jüngeren verteidigt. Dieses Mal jedoch … Er hatte ihn aus der Wut heraus geschlagen und das konnte er nicht einfach so beiseite wischen. Toru wollte nicht jedes Mal bei einem Streit Angst haben, dass sein Freund handgreiflich wurde. Dass er die Stimme erhob, war schon schrecklich genug. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er das getan hat! Nie und nimmer hätte ich ihm das zugetraut! So, wie er sich sonst um dich kümmert … Ich bin zutiefst enttäuscht von ihm. Und das „nur“, weil du zurecht Zweifel an der Beziehung hast, da er sich vor diesem Berater als bester Freund vorgestellt hat?“ Toru nickte. Er konnte es ja selbst kaum glauben. Sein Freund hatte ihn tatsächlich verleugnet, dabei hatte er ihm immer beteuert, wie sehr er ihn liebte. Seit gestern Abend fragte er sich, wie viel Liebe das wirklich war und wie viel davon Iwas schlechtes Gewissen, weil er seine Gefühle so lange mit sich herumgetragen hatte. Vielleicht war er ja deswegen mit ihm zusammen. Um ihm ein gutes Gefühl zu geben nach all der Zeit, wo er so gelitten hatte und in Wirklichkeit empfand er gar nicht so viel, wie er ihm glauben machen wollte. Nein, das würde Hajime nicht tun. Oder? Nach dem Streit gestern wusste er nicht mehr, wozu er fähig war und wozu nicht. „Aber ich … Ich kann mich doch nicht in ihm getäuscht haben, oder? Er liebt mich doch, oder? War ich blind in den letzten Monaten?“ Er hörte die eigene Verzweiflung in seiner Stimme. Plötzlich stand alles in Frage. Und das tat so weh. Er wollte nicht glauben, dass die letzten Monate eine Lüge waren. Das würde er nicht verkraften. „Nein, ich glaube nicht, dass du blind warst, Toru. Ich bin mir sicher, dass er dich liebt. Aber ihr müsst darüber reden, wie er so ausrasten konnte. Was genau ihn so getriggert hat. Und dann musst du dir klar werden, ob dir die Begründung reicht, um ihm verzeihen zu können. Oder ob er irgendetwas tun kann, um dein Vertrauen zurückzugewinnen. Aber ich denke nicht, dass er dir was vorgemacht hat. Warum er dich aber verleugnet hat, ist mir auch nicht klar …“ „Er meinte, dass im ersten Moment irgendetwas an Herrn Shimura komisch gewesen wäre. Und Ushijima war ja auch noch im Raum …“ In seiner Verzweiflung gestern Abend hatte Toru ihm von dem Angebot und allem berichtet, auch die Vorgeschichte mit Ushiwaka, damit Hodaka alle zusammenhänge verstehen konnte. Zwar hatte er eigentlich nicht vorgehabt, ihm von dem Geheimnis bezüglich des Angebots zu erzählen, aber er war so durch den Wind gewesen, dass ihm alles nur so herausgesprudelt war. „Hm, hattest du auch das Gefühl, dass der Berater irgendwie seltsam war?“, fragte Hodaka nach und zog die Beine an und griff nach einer Decke, machte es sich gemütlich. Oikawa hatte den Mund schon geöffnet, um etwas zu sagen, als er sich die Situation noch mal vor Augen führte. War ihm etwas an Herrn Shimura aufgefallen? Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Begegnung. Er war so aufgeregt gewesen, dass er vielleicht nicht alles mitbekommen hatte. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, war das Lächeln doch irgendwie aufgesetzt gewesen, oder? Wollte er jetzt etwas sehen, weil Iwa glaubte, etwas bemerkt zu haben? Der Setter war so unsicher und öffnete seufzend er die Augen. „Ich weiß es nicht. In dem Augenblick war ich so nervös. Vielleicht hat Iwa recht und der war vielleicht seltsam, vielleicht hat er sich auch geirrt. Keine Ahnung …“ Genervt und verzweifelt stellte er die leere Eisverpackung mit dem Löffel darin auf den Tisch und kuschelte sich in Iwaizumis Decke. Sein Magen tat vom vielem Eis weh, doch es kümmerte ihn nicht. Sein seelischer Schmerz war viel schlimmer. Wie sollte er die Wunden jemals heilen lassen? Konnte er das? Und was würde Hajime tun? Sich von ihm abwenden? Um ihn kämpfen? „Versuch noch etwas zu schlafen. Du siehst so fertig aus … Ich werde hier bleiben und leise den Fernseher laufen lassen, okay?“, schlug Hodaka vor und Toru nickte nur. Reden war so anstrengend und er war wirklich fertig. Vielleicht konnte er sich jetzt erholen, wo er da war und würde nicht nur von Alpträumen geplagt werden. Leise Stimmen holten ihn langsam aus dem Schlaf und unwillig öffnete Toru etwas die Augen. Sie waren ganz verklebt, weil er anscheinend noch mal im Schlaf geweint hatte. Wenigstens konnte er sich nicht daran erinnern, was er geträumt hatte. Und er fühlte sich auch etwas besser als vorhin noch. „Hey, guten Morgen …“, flüsterte Matsukawa mit seiner ruhigen Stimme und setzte sich auf die Sofakante wie eine besorgte Mutter, die nach ihrem Kind schauen wollte. Und da er sich wie ein gebeutelter, kleiner Junge fühlte, rollte er sich um Mattsun zusammen, dessen ausgeglichene Ausstrahlung ihn magisch anzog, und gab sich den zärtlichen Berührungen hin, als der Schwarzhaarige ihm vorsichtig durch die Haare strich. Das war genau das, was er gerade brauchte. Und so schlummerte er wieder halb ein, bis er plötzlich Iwaizumis Stimme hörte. Beinahe panisch schoss er mit dem Kopf hoch und starrte zur Balkontür, wo das Ass gerade wieder hereinkam, ihn aber nicht anschaute. Dahinter war Hodaka und lächelte ihn leicht an. „Hey, du bist ja wach.“ „Wie lange habe ich geschlafen?“, wollte er mit kratziger Stimme wissen und erschrak, als er auf die Uhr über der Tür schaute. Es war kurz nach 17 Uhr. „Oh nein! Schon so spät!? Hodaka, es tut mir leid! Du hättest mich doch –!“ „Mach dir keinen Kopf, Toru. Du hast den Schlaf gebraucht. Das ist in Ordnung, hörst du?“ Der Setter nickte und schaute unsicher zu Iwaizumi, der genauso wirkte. Er konnte ihm ansehen, wie schwer ihm das alles fiel, aber so einfach war das nun einmal nicht, auch wenn er sich das wünschte. „Können wir …“, begann das Ass leise zu reden und räusperte sich. „Können wir reden?“ Konnten sie das? „Wir sind in der Küche und werden die Tür nur anlehnen, okay?“, schlug Hodaka vor und er nickte. Das war ein guter Kompromiss. Damit konnte er leben. Trotzdem fühlte es sich irgendwie komisch an, als Matsukawa aufstand und es kurz kühl wurde. Schnell kuschelte er sich wieder in die Decke und bemerkte Iwas leichtes Lächeln, da es seine Lieblingsdecke war. Die Tür wurde leise angelehnt und Toru hatte sich aufgesetzt, schaute Iwaizumi an, der mit einer Hand hinter dem Rücken vor dem Couchtisch stand und so verloren wirkte, dass er ihn am liebsten umarmt hätte. Aber er konnte das gerade nicht, denn er hatte gleich zwei Grenzen überschritten und so sehr er ihn liebte, musste dieser begreifen, dass er das nie wieder tun durfte. Nie, nie wieder. „Ich weiß, dass ich gestern zwei große Fehler gemacht habe. Dass ich unsere Beziehung vor Herrn Shimura verleugnet habe, habe ich nicht aus Böswilligkeit getan, sondern weil er mir im ersten Moment suspekt vorkam. Wir kennen ihn nicht und deswegen wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen. Immerhin können wir ihm bei späteren Treffen immer noch die Wahrheit sagen. Ich möchte nicht, dass unsere Beziehung deiner Karriere im Weg steht und da du Montag wegen der Gerüchte in der Uni so fertig warst, wollte ich kein Risiko eingehen. Wir hätten das vorher besprechen müssen, damit ich dich nicht so damit überrumpel, aber ich habe mir da keine Gedanken vorher drüber gemacht. Für mich war es immer normal, dass wir uns als Paar vorstellen. Bisher habe ich das schließlich so gehandhabt. Deswegen habe ich daran nicht gedacht. Das tut mir unendlich leid.“ Toru öffnete den Mund, weil er etwas dazu sagen wollte, doch Hajime sprach weiter, bevor er einen Ton herausgebracht hatte. „Warte bitte noch. Ich bin noch nicht fertig.“ Knapp nickte er und schloss seinen Mund wieder, dann fuhr das Ass fort: „Ich wollte dir nicht so vor den Kopf stoßen und verstehe, dass du enttäuscht und wütend über meine Reaktion warst. Das war nicht meine Absicht. Was den Streit danach angeht … Niemals … Nie-, nie-, niemals hätte ich dich schlagen dürfen. In dem Moment, wo du unsere komplette Beziehung in Frage gestellt hast, hat irgendetwas in mir ausgesetzt. Ich weiß nicht, was, aber ich konnte nicht glauben, was ich da gehört habe und plötzlich hörte ich das Klatschen und spürte das Kribbeln in meiner Handfläche. Ich konnte selbst nicht glauben, was ich getan habe und ich schäme mich so sehr dafür. Bitte vergib mir. Natürlich geht das nicht sofort, das ist mir bewusst. Aber ich will mit dir zusammen sein und die letzte Nacht war der reinste Alptraum. Ich werde um uns kämpfen, denn ich will dich nicht verlieren. Du bist mir viel zu wichtig. Ich … Toru, ich liebe dich.“ Die Augen Oikawas weiteten sich. Was hatte er da gesagt? Aufgeregt schaute er zu ihm auf und wisperte: „Sag das nochmal.“ „Ich liebe dich, Toru.“ Ob er ihm das auch noch hundert weitere Male sagen würde? Verdammt, bisher hatte keiner von ihnen diese drei Worte in den Mund genommen. Sie hatten immer gesagt, dass sie verliebt waren, aber das jetzt so von ihm zu hören. Sein Magen kribbelte und ein Teil der Verzweiflung und des Schmerzes fiel von ihm ab. Doch damit konnte das Ass nicht alles wiedergutmachen. Dafür wogen die Verleugnung und der Schlag viel zu schwer. Trotzdem war die Entschuldigung, von der er sicher war, dass sie ernst gemeint war, und das Liebesgeständnis ein Anfang in die richtige Richtung und dem Setter wurde klar, wie viel er ihm bedeuten musste, wenn er es schaffte, sich alles so von der Seele zu reden. Das war nämlich nicht selbstverständlich bei ihm. Offenbar nahm er ihr Versprechen vom Sonntag genauso ernst wie er selbst. Das war gut. „Wenn du … Wenn du eine Pause willst, dann verstehe ich das.“ „Nein!“, rief er und Hajimes Augen wurden groß vor Überraschung. „Wir sind zusammen, aber ich brauche noch Zeit, das zu verarbeiten. Den Punkt, dass du dich als bester Freund vorgestellt hast, verstehe ich mittlerweile. Du warst da objektiver als ich und hast eine gute Menschenkenntnis. Für mich war es wie ein Schlag in die Magengrube. Aber ich war auch so nervös in dem Moment, dass mir nichts an Herrn Shimura aufgefallen wäre, selbst wenn es offensichtlich gewesen wäre. Aber der Schlag … Der hat mich wirklich erschüttert. Ich weiß, dass du impulsiv bist und den Schlag damals, als ich weggelaufen war, konnte ich nachvollziehen, weil du in Panik warst. Aber das jetzt … Du hast mich geschlagen, weil du wütend warst. Muss ich bei jedem Streit Angst haben, dass du mich angreifst?“ „Nein! Nein, ich … Das wird nicht wieder vorkommen. Das verspreche ich.“ Er hielt seine freie Hand hin und spreizte den kleinen Finger ab, was Toru milde lächeln ließ. Es war eine süße Geste und er rappelte sich soweit auf, dass er seinen kleinen Finger mit ihm verschränken konnte. „Ich verspreche es“, hauchte Hajime und er nickte, schaute die beiden Finger an. Dort, wo sich ihre Haut berührte, kribbelte es und am liebsten hätte er ihn zu sich gezogen, aber etwas in ihm sträubte sich, also ließ er ihn wieder los und zog sich zurück. „Gib mir noch Zeit, ja? Wir müssen da beizeiten noch mal in Ruhe drüber reden. Und ich möchte, dass dann Mattsun dabei ist …“ „Na klar. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst. Und wenn du das möchtest, können wir mit Matsukawa zusammen reden.“ Hajime atmete tief durch und fügte hinzu: „Ich ähm … Ich habe auch noch was für dich …“ Unsicher zog er die zweite Hand hervor und hielt eine Papiertüte in der Hand. Es war so eine, wie man sie beim Bäcker bekam und als das Ass sie auf den Tisch legte, hatte Oikawa eine starke Vermutung, was sich darin befand. Neugierig griff er danach und schaute hinein. Sofort stieg ihm der Duft von frisch gebackenen Milchbrötchen in die Nase und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Das war das erste Mal, dass er sich zu diesem Mittel genötigt sah. „Die hast du für mich gekauft?“, hakte Toru nach und holte eins der Brötchen hervor. Obwohl ihm das Eis und die Situation noch schwer im Magen lagen, wollte er zumindest einmal abbeißen und probieren. „Ähm nein, die habe ich selbst gebacken.“ „Du? Gebacken?“ Das hatte er getan? „Ja, also mit Matsukawas Hilfe. Ich war den ganzen Tag in der Küche der Uni. Es gibt doch diese eine, die nur bei Events genutzt wird, die man buchen kann und zum Glück war die heute frei. Am Ende war Matsukawa so nett, mir ein bisschen zu helfen, weil ich kein Händchen fürs Backen habe, aber ich glaube, die da sind ganz gut geworden. Also … hoffe ich zumindest.“ Noch immer ungläubig schaute er seinen Freund an, der unruhig dastand und ohne etwas zu sagen, biss er in das Brötchen hinein. Es war nicht so perfekt wie das seiner Mama oder seiner zweiten Mama, aber es war lecker und es war von Hajime selbst gebacken. Der, der sich um jegliche Aktivitäten, die mit Kochen oder Backen zu tun hatten, drückte, hatte den ganzen Tag in der Küche gestanden, um ihm diese herzustellen. Er war wirklich süß und er würde diese Brötchen besonders genießen. „Ich ähm … Ich lasse dich dann noch etwas allein, ja?“ „Schlaf gut, Iwa-chan. Ruh dich aus, du siehst echt fertig aus …“ Hajime nickte und wandte sich zum Gehen, als der Setter noch einmal das Wort ergriff: „Wir schaffen das zusammen, hörst du? Ich liebe dich auch.“ An der Tür angekommen, drehte sich der Braunhaarige noch einmal zu ihm und nickte. „Ich hoffe, sie schmecken dir.“ „Sie sind wunderbar.“ Kapitel 20: Die Rechtfertigungen -------------------------------- Mittwoch, 29.11. / Donnerstag, 30.11. Es war ihm ein absolutes Rätsel, wie Menschen die Backkunst beherrschen konnten. Seit fünf Stunden war er dabei, diese verflixten Brötchen zu backen, aber es klappte einfach nicht. Und jedes Mal war es irgendetwas anderes, was schief ging und nie wusste er, wo das Problem war. Mittlerweile war er der Verzweiflung nahe, aber er durfte jetzt nicht aufgeben. Er war von dieser Idee überzeugt, weil Toru niemals damit rechnen würde, dass er sich für ihn in eine Küche stellte und backte. Je länger das hier dauerte, desto klarer wurde ihm aber auch, warum er das bisher immer vermieden hatte. Das Rezept, so klar es geschrieben war, war ein Text mit sieben Siegeln für ihn und er war so fertig, dass er eben Matsukawa geschrieben und um Hilfe gebeten hatte. Leider hatte er noch keine Antwort bekommen, weil dieser noch in seiner Vorlesung saß und sein Handy dann immer in der Tasche war, um sich nicht ablenken zu können. Sein Studium nahm der Schwarzhaarige sehr ernst. So versuchte Iwaizumi also den siebten Teig exakt nach Vorgaben herzustellen und gab mit den Nerven am Ende auf, da er noch immer nicht aussah wie auf dem Foto. Was machte er nur falsch? Geschlagen, weil er es nicht auf die Reihe bekam, ließ er sich an der Küchenzeile herunterrutschen und hockte mit angezogenen Beinen auf dem Boden. Toru war heute zu Hause geblieben. Das hatte er vorhin der Gruppe geschrieben und sein Herz war in die Hose gesackt. Wegen ihm verließ er heute nicht das Haus. Weil er innerhalb eines halben Tages so viel falsch gemacht hatte wie in seinem bisherigen Leben noch nicht. Fuck, hoffentlich würde Toru ihm irgendwann verzeihen können. Er starrte seine Handfläche an, mit der er gestern zugeschlagen hatte. Sofort fing seine Hand an zu zittern und er konnte es selbst nicht glauben. Wie hatte es so in ihm aussetzen können, dass das geschehen konnte? Es war ihm unbegreiflich. Er schloss die Finger zu einer Faust. Das durfte nie wieder passieren. Egal, wie sehr sie sich stritten, durfte er nicht handgreiflich werden. Dass ihm das überhaupt passiert war. Er schämte sich in Grund und Boden deswegen. Und wie musste Oikawa sich deswegen erst fühlen? Von ihm so erniedrigt zu werden? Fuck, ihm wurde schlecht. Er zog die Beine enger an seinen Körper und schlang die Arme herum. Würde der Setter ihm jemals vergeben können? „Also so backt man aber keine Milchbrötchen …“, drang Matsukawas Stimme an sein Ohr und das Ass hob den Kopf. Wie lange hatte er hier gehockt? War er eingedöst? „Glaubst du, dass er mir verzeihen kann? Irgendwann?“, fragte er, ohne sich zu bewegen. Ihm fehlte gerade die Kraft, um aufstehen zu können. Das war alles der reinste Alptraum. Und er war daran schuld. Da gab es nichts dran zu rütteln. Dabei war das Ass sonst immer der, der nichts von Selbstmitleid hielt, aber in diesem Fall kam er dagegen gar nicht an. Mattsun stellte die Tasche auf einem der Tische ab, die in einer Ecke des Raumes standen und hockte sich vor ihn. Einen Moment lang schauten ihn die Augen einfach nur an und er zwang sich dazu, den Blick zu erwidern, dann sagte Issei: „Ja, das glaube ich. Ihr liebt euch und werdet das gemeinsam schaffen. Aber ihr werdet Geduld brauchen und müsst aufeinander Rücksicht nehmen. Leicht wird es nicht, denn die Wunden sind tief. Doch das heißt nicht, dass ihr keine gemeinsame Zukunft haben könnt. Und die Idee, dass du ihm die Milchbrötchen backen willst, ist wirklich süß. Das wird ihm gefallen, da bin ich mir sicher. Also komm. Zeig mir mal, wie du es bisher versucht hast und dann werden wir das schon hinkriegen.“ Der Schwarzhaarige stand wieder auf und hielt ihm eine Hand hin, die das Ass sofort ergriff und sich aufhelfen ließ. Während dieser sich einen Eindruck seiner bisherigen Arbeit machte, brauchte Hajime noch einen Moment, bis er sich soweit gesammelt hatte, um weiter machen zu können. „Danke, dass du hier bist und mir hilfst. Allein würde ich das wahrscheinlich in drei Jahren nicht auf die Reihe kriegen …“ „Schon gut. Ich habe dir die Verzweiflung gestern schon angesehen und möchte dir helfen. Es ist schrecklich, dass es überhaupt einmal dazu gekommen ist, doch ich glaube bei dir daran, dass es bei dem einen Mal bleibt. Sollte es das nicht, kann ich dir das nicht durchgehen lassen. Eine zweite Chance hast du in meinen Augen aber verdient. Mit Makki solltest du allerdings noch mal in Ruhe reden …“ „Mit Makki?“, hakte er überrascht nach und der Schwarzhaarige nickte, während er mit aufmerksamen Augen das ausgedruckte Rezept studierte. Als er heute Morgen im Sekretariat die Küche gebucht hatte, war die Dame so nett, das für ihn auszudrucken. Es war dieselbe, die Kuro, Kageyama und ihn zum Direktor durchgelassen hatte. Ob der Drache Urlaub hatte? „Ja. Es hat ihn viel Energie gekostet, dir so gut zuzureden gestern und dass er es überhaupt getan hat, liegt daran, dass du ihm wichtig bist. Ich weiß nicht, ob er dir das erzählen will, aber es gibt da eine unschöne Geschichte, weshalb er mit Schlägen große Probleme hat. Deswegen hatte ich ihn auch in die Küche geschickt.“ „Verstehe … Dann werde ich das natürlich noch tun“, sagte er und stellte sich auch wieder an die Küchenzeile. Wenn Hanamaki die Sache an etwas erinnerte, dann wollte er das klären, denn der Rosahaarige war auch ihm als Freund sehr wichtig. Sie waren doch eine Vierer Clique und er wollte nicht schuld daran sein, dass diese zerbrach. Wie ihm auffiel, hatte Issei die Sachen nach irgendwas sortiert und musterte ihn nun einen Augenblick. Mattsun würde ihm aus seiner Misere helfen und das beruhigte das Ass zutiefst. Er würde seine zweite Chance nutzen. „Also. Lass uns anfangen, ja?“ Am Ende hatte er acht Brötchen zubereiten können und Matsukawa und er hatten sich jeweils eins genommen, um zu probieren. Zu seiner Überraschung schmeckten sie seines Erachtens gut, doch das Rezept war ziemlicher Mist! Mattsun hatte ihm hier und da noch Tipps gegeben, da die Angaben mehr so Schätzsachen waren und noch anderes und so war es doch kein Wunder, dass ihm der Teig nicht richtig gelungen war! Aber er wollte sich nicht weiter darüber aufregen, sondern packte die Brötchen in eine Tüte und räumte die Küche auf. Matsukawa half ihm dabei, obwohl er ihm gesagt hatte, dass er das nicht brauchte. Da sich der Sturkopf aber nicht davon abbringen ließ, waren sie recht schnell mit Putzen fertig und Iwaizumi brachte noch den Schlüssel ins Sekretariat zurück. Am Eingang des Unigeländes entdeckte er die beiden Verlobten miteinander redend und schaute irritiert auf die Uhr. „In 10 Minuten beginnt doch das Training? Geht ihr nicht hin?“ „Nein, bei der Aufregung haben wir entschieden, dem heute auch fernzubleiben“, erklärte Mattsun und langsam setzten sie sich in Bewegung. „Ach ähm Makki … Wegen gestern …“ „Wie konntest du ihn schlagen!? Das war doch wohl nicht dein Ernst!“, platzte es aus dem Rosahaarigen heraus und schaute ihn vorwurfsvoll an. Überrascht zuckte er zusammen und senkte den Kopf, schaute auf den Steinboden, über den er schlenderte. „Ich … ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte. Das habe ich nicht gewollt. Ich liebe Toru und wollte ihm niemals wehtun. Weder durch den Schlag, noch durch meine Worte vor Herrn Shimura.“ Hanamaki schnaufte genervt und er konnte den prüfenden Blick deutlich wahrnehmen. Er fühlte sich so unwohl gerade – wie ein geprügelter Hund – aber das hatte er verdient und deswegen sagte er nichts dazu. „An Torus Stelle würde ich dir das nicht verzeihen.“ Die Worte trafen ihn unvermittelt und Hajime schluckte. Erschrocken blieb er stehen und brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Makki hatte recht. Warum sollte er ihm das jemals vergeben? Er hatte ihn tätlich angegriffen, die Hand gegen ihn erhoben. Was war er nur für ein Mensch? Er erkannte sich selbst nicht wieder. „Schatz …“, murmelte Matsukawa, doch Hanamaki stemmte eine Hand in die Hüfte, während er mit der anderen auf ihn zeigte. Das Ass sah zu ihm auf und der Rosahaarige ergriff das Wort erneut: „Hör zu. Mein erster Freund hat mich in einem Streit geschlagen und ich habe ihn sofort abserviert, obwohl ich dachte, dass er der richtige gewesen sei, denn körperliche Gewalt ist das Letzte in einer Beziehung. Ich würde auch Issei sofort fallen lassen, auch wenn es mir mein Herz brechen würde, sollte er mich jemals schlagen. Also bete zu den Göttern, dass Toru nachsichtiger ist als ich. Und wenn dir das nochmal passiert, sind wir die längste Zeit Freunde gewesen. Hast du das verstanden, Hajime?“ „J-ja. Laut und deutlich.“ „Gut. Ach und eins noch: Sage mir nie wieder, dass dir die Hand ausgerutscht wäre. Die rutscht nicht einfach so aus, klar? Du hast ihn geschlagen, da helfen auch so beschönigende Worte nichts. Tat bleibt Tat“, sagte Hanamaki entschieden und Iwa nickte, wollte noch etwas dazu sagen, doch sein Kumpel schnitt ihm das Wort ab: „Gut. Dann lasst uns endlich nach Hause.“ Makki setzte sich wieder in Bewegung und Mattsun musterte ihn kurz besorgt, doch mit einem Wink gab er ihm zu verstehen, dass er sich um seinen Verlobten kümmern sollte. Nachdenklich schlenderte Iwaizumi hinter den Beiden her, die sich unterhielten, doch er hörte ihnen nicht zu. Die Worte des Rosahaarigen machten ihm Angst. Sah Toru das genauso? Hatte er verloren, noch bevor er den Kampf begonnen hatte? Ihm wurde eiskalt und er vergrub die Hände in seinen Manteltaschen. Nein, so durfte er nicht denken. Irgendwie musste er den Setter davon überzeugen, dass er das nie wieder tun würde und dass er ihn aufrichtig liebte. Sie hatten doch noch so viele gemeinsame Pläne. Er studierte wegen ihm Medizin, um ihm immer helfen zu können. Und jetzt hatte er in zwei Momenten absolut alles aufs Spiel gesetzt, ihn verletzt. So eine Scheiße … Zuhause angekommen lugte Hodakas Kopf durch die Wohnzimmertür und das Ass war erleichtert, ihn zu sehen. Oikawa war den Tag über nicht allein gewesen, das war gut. Sowieso war er einmal mehr froh, dass der Violetthaarige in dem Blondschopf einen so guten Freund gefunden hatte. Verständlicherweise schaute dieser ihn aber argwöhnisch an. Verübeln konnte er es ihm nicht. „Hallo … Toru schläft noch. Kann ich dich sprechen, Iwaizumi?“ „Na klar …“ Zwar hatte er prinzipiell keine Lust, die ganze Geschichte noch einmal durchzukauen, doch bei ihm würde er eine Ausnahme machen. Schließlich hatte er sich um seinen Freund gekümmert. Hoffentlich war er das noch … Oder würde es wieder werden. Sein Freund. Er folgte dem jungen Verkäufer auf den Balkon und musterte auf dem Weg kurz den schlafenden Oikawa auf dem Sofa. Er sah so fertig, aber irgendwie auch halbwegs friedlich, aus. Hoffentlich hatte er sich etwas erholen können. Bestimmt war seine Nacht noch schlimmer gewesen als seine eigene. Hodaka lehnte leise die Balkontür an und stellte sich mit etwas Abstand neben ihn, sah ihn aufmerksam an und fragte: „Also was genau ist passiert?“ In Ruhe und ausführlich berichtete er ihm, wie alles abgelaufen war, wobei das Ass es nicht schaffte, ihn die ganze Zeit über anzuschauen. Immer wieder ließ er den Blick schweifen oder schaute auf den Boden oder auf seine Hände. Das war so aufwühlend für ihn und es einer ihm recht unbekannten Person zu erzählen, machte es für ihn nur um einiges schwieriger. Dennoch riss er sich zusammen, auch wenn ihm immer wieder Worte im Halse stecken blieben. Er musste jetzt stark sein und das durchziehen. Ruhig lauschte Hodaka ihm, nickte ab und zu oder zog die Stirn in Falten. Er zeigte ihm die Tüte mit den Milchbrötchen, die er noch in der Hand hatte und seufzte leise, als er seine Erzählung beendet hatte. „Ich bin beruhigt, dass du dich so sehr dafür schämst und es dir so sehr leidtut. Ich hatte mir gestern Abend, als Toru mich so verzweifelt und verheult angerufen hatte, ernsthaft Sorgen gemacht, dass du komplett durchgedreht bist. Die Milchbrötchen sind sicherlich ein Anfang, um deinen guten Willen zu zeigen, aber was hast du noch vor? Das wird nicht reichen. Das ist dir doch auch klar, oder?“ Hajime nickte. Das war ihm durchaus bewusst und er hatte beim verzweifelten Versuch, die Brötchen zu backen, einen weiteren Plan gefasst. Einen, der ihn viel abverlangen würde und von dem er nicht wusste, was da am Ende bei herauskommen würde. Murmelnd erwiderte das Ass: „Natürlich ist mir das auch klar. Wenn ich gleich hoffentlich kurz mit Toru reden konnte, will ich danach noch mit meinem Vater telefonieren. Er kennt Telefonnummern von Selbsthilfegruppen, wo man sich melden kann, wenn man Hilfe braucht. Die gibt es nämlich nicht nur für Opfer, sondern auch für Täter. Da will ich mich melden. Nie wieder will ich meine Hand gegen jemanden erheben, auch nicht im Streit …“ Anscheinend zufrieden nickte Hodaka und lächelte sogar leicht. „Das ist gut. Die können dir Strategien näherbringen, wie du so eine Situation besser in den Griff kriegst – ohne Gewalt – oder sie gar nicht erst zustande kommt. Ich denke, dass Toru und du das hinkriegen werden, wenn du das mit der Selbsthilfegruppe ernstnimmst. Trotzdem wirst du erst einmal unter meiner Beobachtung stehen. Auch mir ist klar, dass Toru mit seinen Allüren nicht immer einfach ist, aber er ist dennoch ein wundervoller Mensch, der sein Glück verdient hat.“ „Ich weiß. Das musst du mir nicht sagen …“, murmelte Iwaizumi deprimiert und ließ den Blick schweifen. Er wusste doch am besten, was der Setter für ein Mensch war und er wollte ihn doch auch glücklich machen! Nach dem Gespräch mit Toru, das in seinen Augen viel besser gelaufen war, als er gewagt hatte, zu träumen, ließ er sich erschöpft auf sein Bett fallen. Ihm hätten vor Erschöpfung und Müdigkeit sofort die Augen zufallen können, doch er zwang sich dazu, noch etwas wach zu bleiben, denn er musste seinen Vater noch anrufen. Auch das Gespräch wäre schrecklich, würde er doch vor ihm zugeben müssen, dass er Toru geschlagen hatte. Die Scham brannte in seinem Bauch, wenn er daran dachte, aber er brauchte die Telefonnummern. Als Arzt hatte sein Vater da Verbindungen. Er wollte sich ändern und Oikawa zeigen, dass er seine Worte auch ernst meinte. Also wählte er mit zittrigen Fingern die Telefonnummer von zu Hause und ihm stockte der Atem, als er die bekannte Stimme seines Papas ein paar Sekunden später hören konnte. „Hajime, schön von dir zu hören! Wie geht es dir?“ „Beschissen Dad …“ Shit, was würde er nur von ihm denken? Dass er einen Sohn hatte, der im Streit die Fassung verlor? „Oh oh, was ist denn passiert? Das letzte Mal, als du so geantwortet hast, hat Toru dich im Club geküsst, als du noch dachtest, ihr wärt Brüder …“ „Dieses Mal ist es wirklich schrecklich. Ich schäme mich so sehr … Und ich brauche deine Hilfe“, nuschelte er kraftlos und konnte hören, wie Shinichi durch das Haus schritt. „Was ist denn los?“, hakte er besorgt nach und das letzte bisschen Frechheit war gänzlich aus seiner Stimme verschwunden. Stattdessen war da nur Irritation und Sorge. „Ich … Gestern hatte Toru seinen Termin bei der Agentur wegen des Spielerberaters und mir war der im ersten Augenblick irgendwie suspekt. Deswegen habe ich mich als besten Freund vorgestellt und nicht als Partner. Ich hatte das Gefühl, dass das besser wäre. Toru fühlte sich deswegen total vor den Kopf gestoßen, weil wir das vorher nicht abgesprochen hatten und als wir wieder zu Hause waren, haben wir uns deswegen gestritten. Als er meinte, ob die ganze Beziehung dann überhaupt noch einen Sinn hätte, hat irgendetwas in mir ausgesetzt und ich habe … Ich habe ihn …“ „Geschlagen?“, half ihm sein Vater auf die Sprünge und Iwa nickte, was Shinichi logischerweise aber nicht sehen konnte. „J-ja … Plötzlich hörte ich nur das Klatschen und meine Handinnenfläche hat gebrannt. Im nächsten Augenblick rannte Toru in sein Zimmer.“ Einen Augenblick herrschte Schweigen in der Leitung und Hajime hielt es nicht aus, weshalb er aufgeregt weitersprach: „Ich wollte das nicht! Ich liebe ihn doch! Aber als er alles angezweifelt hat, dann war ich so schockiert und ich … ich … Im nächsten Augenblick war es schon zu spät! Du hast doch diese Telefonnummern von den Selbsthilfegruppen, oder? Ab und an kommen doch auch Leute in die Praxis, die geschlagen wurden und du kannst ihnen helfen. Du meintest mal, solche Gruppen gibt es auch für die Täter. Ich möchte dahin und mich ändern. Das darf nie wieder passieren.“ „Das willst du machen?“, fragte sein Vater mit überraschter Stimme nach und er antwortete sofort: „Ja unbedingt. Ich habe Toru so wehgetan und ich schäme mich so sehr, dass das passiert ist. Ich will das in den Griff kriegen. Das bin ich ihm schuldig und ich will wieder in den Spiegel schauen können. Es heißt doch immer, die haben Strategien, damit es nicht soweit kommt und die will ich lernen.“ „Ich bin stolz auf dich, dass du das tun möchtest. Das erfordert sehr viel Mut und ich werde dir eine Email mit allen möglichen Selbsthilfegruppen zuschicken. Aber ich bin auch schockiert, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Da will ich ehrlich zu dir sein, Hajime. Das hätte ich dir nicht zugetraut.“ Ergeben senkte das Ass den Kopf, raufte sich die Haare. Er hätte das doch auch nie gedacht! Aber es beruhigte ihn, dass sein Papa Kontaktdaten hatte, die er ihm geben konnte. Mit Hilfe der Gruppe würde er das in den Griff kriegen, auch wenn es bestimmt nicht einfach werden würde. „Ich doch auch nicht …“, hauchte er halb verzweifelt und wischte sich die aufkommenden Tränen weg. Er war ein einziges Nervenbündel seit gestern. „Wir reden da nochmal drüber, ja? Du hörst dich echt fertig an und so wie ich dich kenne, wirst du letzte Nacht kein Auge zubekommen haben. Vielleicht kommen deine Mum und ich dich am Wochenende besuchen. Dann können wir da noch mal in Ruhe drüber sprechen.“ „Ja, ist okay. Bis dahin weiß ich vielleicht auch schon, wann ich in eine Gruppe aufgenommen werden kann. Danke Dad.“ „Natürlich, aber jetzt schlaf dich aus. Ich werde gleich noch Toru anrufen und fragen, wie es ihm geht“, erklärte Shinichi und Hajime lächelte leicht. Er war noch immer darüber beruhigt, dass seine Eltern den Setter genauso unterstützten wie ihn und es war gut, wenn er sich bei ihm meldete. Dann hatte der Setter noch eine weitere Ansprechperson. „Mach das. Er wird sich bestimmt freuen, von euch zu hören. Aber bitte behalte das mit der Selbsthilfegruppe noch für dich, ja? Ich möchte ihm das sagen, wenn ich mich da gemeldet habe und genaueres weiß.“ „In Ordnung. Ich schreibe dir dann heute Abend noch die Email und wann wir dich besuchen kommen. Gute Nacht, mein Sohn.“ „Gute Nacht, Papa. Grüß Mama von mir. Ich habe euch lieb.“ „Wir dich auch, Großer. Egal, was kommt.“ Iwa legte erschöpft auf und schaffte es noch nicht einmal, das Handy aus der Hand zu legen, da war er schon eingeschlafen. Die letzten beiden Tage forderten ihren Tribut und so schlief er kurze Zeit später tief und fest. Kapitel 21: Erneute Annäherung ------------------------------ Mittwoch, 29.11. / Donnerstag, 30.11. „Ich danke dir, dass du immer für mich da bist. Wenn ich dir mal irgendwie helfen kann, sag mir sofort Bescheid, ja? Ich werde da sein“, versprach Toru leicht lächelnd und umarmte Hodaka, der sich gerade die Stiefel angezogen hatte. So ärgerlich sein Sportunfall damals auch gewesen sein mag, mittlerweile war er schon fast dankbar dafür, dass das passiert war. Ansonsten hätte er diesen wunderbaren, tollen Freund vielleicht nie kennengelernt. Und das wäre wirklich tragisch. In den letzten Monaten war er immer für ihn da gewesen und es war so beruhigend für ihn, dass es da jederzeit jemanden gab, der ihm den Rücken hielt. Der Blondschopf erwiderte die Umarmung und entgegnete: „Ich sage Bescheid, versprochen. Halt den Kopf oben! Ihr bekommt das schon hin. Ansonsten wünsche ich dir erst einmal ganz viel Erfolg, was den Vertrag und die Verhandlungen angeht! Halte mich unbedingt auf dem Laufenden, ja? Und ich werde schweigen wie ein Grab!“ Toru nickte lächelnd und sicherte ihm zu, ihm zu berichten, sobald es Neuigkeiten gab. Dann verließ er die Wohnung und Toru schloss hinter ihm die Tür, als in der Wohnung ein Smartphone klingelte. Schnell stellte er fest, dass es sein eigenes war und er wuselte in sein Zimmer, wo es auf dem Nachtschrank lag, klingelte und vibrierte. Auf dem Display stand Shinichis Name und leicht irritiert nahm er ab. „Hallo Shinichi. Was gibt es?“ „Hallo Toru. Wie geht es dir, Großer? Hajime hat mich eben angerufen und mir erzählt, was passiert ist … Brauchst du Hilfe? Können wir etwas für dich tun?“ Unruhig begann Oikawa unbewusst auf seiner Unterlippe herumzukauen. Ihm war nicht ganz klar, wie er den Ton seines Ersatzdads einzuordnen hatte. Immerhin war er Hajimes Vater und rief ihn an, um Hilfe anzubieten? Das war total nett und ihm wurde klar, dass sich das Ass seinem Vater anvertraut hatte, was er gut fand. Iwa stand seinen Eltern so nah und dass er sich traute, dieses unangenehme Thema bei ihnen anzusprechen, machte ihm deutlich, wie wichtig Hajime das war, sich zu ändern. Und es fühlte sich gut an, dass er direkt als nächstes angerufen wurde. Shinichi und Mai waren eben sehr besondere Menschen! „N-nein. Er hat sich vorhin bei mir entschuldigt. Und ich glaube ihm, dass er das ernst meint. Natürlich ist jetzt nicht alles wieder gut, aber wir arbeiten daran. Ich habe gestern Abend vielleicht auch etwas überreagiert. Meine Nerven waren nicht die Besten nach dem Gespräch und dem ganzen Chaos, dass Hajime sich nicht als Partner vorgestellt hatte …“ „Nein, Toru. Kein Satz – kein WORT – rechtfertigt körperliche Gewalt. Egal, was man wann, wo und wie sagt, ist das kein Grund, gegen jemanden die Hand zu erheben. Merk dir das, Toru. Hajime muss lernen, sich in solchen Situationen zu zügeln. Es wird nicht euer letzter Streit gewesen sein und auch, wenn ich glaube, dass ihr das hinbekommen könnt, darfst du ihn nicht in Schutz nehmen, hörst du? Ich weiß, dass du ihn aus tiefstem Herzen liebst, aber dennoch muss er für seine Taten geradestehen.“ Wow, so deutlich und so hart in seiner Meinung hatte er Shinichi bisher nur äußerst selten gehört. Gerade fiel ihm nicht einmal eine Situation ein, wo er so festgelegt war. Ob er da Erfahrungen gesammelt hatte, dass er da so kategorisch war? Der Setter traute sich nicht nachzufragen, sondern entgegnete: „Ich bin sicher, dass er das tun wird. Wie gesagt, es ist jetzt nicht alles gut, nur weil er sich entschuldigt und erklärt hat. Wobei ich sagen muss, dass die Entschuldigung wirklich gut schmeckt …“ „Schmeckt? Hat er gekocht? Dann ist es ja fast ein Wunder, dass du noch nicht im Krankenhaus liegst“, murmelte Shinichi und Toru glaubte ein kleines Grinsen aus der Stimmlage herauszuhören. Er hoffte es, denn er war doch Hajimes Vater und sollte ihn unterstützen. Das hatte er schließlich bisher immer getan und wegen so einem Fehler – so schwerwiegend er auch war – sollte er ihn nicht verstoßen oder so. Das wäre schrecklich! „Nein nein, er hat gebacken. Den ganzen Tag hat er versucht, Milchbrötchen zu backen und mit ein paar kleinen Tipps von Mattsun ist ihm das sogar ziemlich gut gelungen. Natürlich sind sie nicht so perfekt wie von Mai oder Mum, aber sie können sich durchaus mit ihnen messen.“ Leicht lächelnd schlenderte er zurück ins Wohnzimmer, wo die Tüte noch auf dem Couchtisch lag. Er nahm sie vom Tisch und verschwand zurück in sein Zimmer, wo er sich auf sein Bett fallen ließ, nachdem er seine Tür geschlossen hatte. Es war noch nicht allzu spät und nach dem Telefonat wollte er noch etwas entspannen und dabei noch ein oder zwei Brötchen vernaschen. „Ich hätte nicht gedacht, dass er sich zu so etwas hinreißen lässt, wo er die Küche sonst nur zum Putzen aufsucht …“ „Ich auch nicht, aber es zeigt mir schon, wie wichtig ich ihm bin. Ich habe eben noch kurz mit Mattsun gesprochen und der meinte zu mir, dass Iwa den ganzen Tag in der Uni Küche verbracht hätte und wohl mindestens acht Teige angerührt, die aber nichts geworden waren und ihn schließlich um Hilfe gebeten hätte. Und mit ein paar kleinen Profi Tipps hätte er es wohl hinbekommen. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis es annähernd wieder so ist wie vorher, aber wir werden das zusammen schaffen. Helft ihr ihm bitte auch, ja? Wir sind doch eine große Familie …“ „Hm? Versteh mich nicht falsch, Toru. Selbstverständlich unterstützen wir Hajime und helfen ihm. Er ist unser Sohn und wir lieben ihn, aber ich habe in meiner Praxis hin und wieder auch mal mit Leuten zu tun, die zu Hause geschlagen werden und den Absprung nicht schaffen. Sie rechtfertigen die Schläge, die ihnen angetan werden. Der Partner hätte einen besonders anstrengenden Tag gehabt, man wäre zu schusselig gewesen. Du glaubst nicht, was da für Ausreden kommen und ich möchte einfach nicht, dass du das auch tust. Es ist jetzt ein Mal passiert, was schlimm ist und Hajime muss einen Weg finden, dass es nie wieder soweit kommt.“ „Ja, du hast recht“, stimmte Oikawa zu und schaute die Brötchen an. Er wollte wirklich nicht so eine Person werden, die anderen gegenüber rechtfertigte, warum Iwa sich nicht zusammenreißen konnte. Und es war nun mal eine Tatsache, dass das Ass sehr impulsiv werden konnte. Doch irgendwie würden sie das gemeinsam schon hinkriegen. Es gab immer Wege und bei der Entschuldigung war ihm klar geworden, wie sehr Iwaizumi selbst mit dem Schlag zu hadern hatte. Seine Ausstrahlung, seine Haltung, die Augen, die Stimme, die Worte. Hatte er jemals vorher das Wort „schämen“ in den Mund genommen? Er wusste es nicht, aber es spielte jetzt auch keine Rolle. Der Setter wollte in die Zukunft schauen und die war mit dem Braunhaarigen an seiner Seite. Mit vielen Gesprächen mit Mattsun und vielleicht auch Iwas Eltern würden sie das hinkriegen. Die garantiert noch kommende schöne Zeit mit seinem Ass war es wert, dass auf sich zu nehmen. Shinichi schien nebenbei noch auf einer Tastatur zu tippen, als er die ruhige, tiefe Stimme erneut hörte und Oikawa sich erneut auf das Telefonat konzentrierte. „Aber noch mal was anderes, Toru … Wie ist denn das Gespräch mit dem Berater verlaufen? Konntet ihr euch einigen?“ „Ich habe einen Vertrag bekommen, ja. Und den will ich gleich noch Mattsuns Dad zuschicken, damit er sich den anschauen kann. Prinzipiell ist das echt gut gelaufen, sofern ich mich daran erinnern kann. Nach Iwas Aussage, dass er mein bester Freund sei, war ich danach doch ziemlich in Gedanken … Dennoch habe ich darauf geachtet, alles Wichtige vorzutragen und Herr Shimura war mit den Dingen auch einverstanden. Also gehe ich davon aus, dass der Vertrag in Ordnung ist und wenn ich ihn unterschrieben zurückgegeben habe, wird er sich mit den Tokyo Samurais in Verbindung setzen.“ „Das klingt gut! Ich freu mich so für dich und drücke dir alle Daumen, dass das großartig wird!“, versprach Shinichi, was Toru grinsen ließ. Es würde einfach nur der Wahnsinn werden! Davon war der Setter überzeugt und wie immer, wenn er an das Thema dachte, begannen seine Fingerspitzen zu kribbeln. Er konnte es kaum noch abwarten, doch er musste sich gedulden. Alles brauchte schließlich seine Zeit und sein Hauptaugenmerk galt derzeit noch der Uni Meisterschaft. Die wollte er auf jeden Fall gewinnen! Das würde ihm auch bei den Tokyo Samurais Rückenwind geben. Außerdem würde er ihn mit seinen drei Freunden und einem großartigen Team gewinnen. „Danke! Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte den Vertrag jetzt noch abschicken, nachdem ich das gestern nicht mehr getan habe, ja?“ „Natürlich, mach das! Und wenn sonst irgendetwas anliegt, kannst du Mai oder mich jederzeit anrufen, hörst du? Wir sind für dich genauso da wie für Hajime auch.“ „Ich weiß, danke. Also bis dann, ja?“ „Bis dann, Großer! Liebe Grüße auch von Mai, die kommt gerade rein.“ „Grüß sie lieb zurück und wir hören uns.“ Toru legte lächelnd auf und seufzte. Ihm wurde gerade sehr bewusst, wie wichtig Hodaka für ihn geworden war. Mit ihm als Außenstehenden konnte er am einfachsten über alle Themen sprechen. Nicht eine Sekunde lang hatte er daran gedacht, Iwas Eltern oder gar seine eigenen anzurufen, um ihnen davon zu erzählen, da ihm das Thema viel zu heikel gewesen wäre. Ihm war ja noch nicht einmal klar, ob er Kanaye und Ran jemals davon berichten würde … Dass ihr Sohn von seinem Freund geschlagen worden war. Die waren dann doch bestimmt total wütend auf Hajime. Zwar zurecht, aber er wollte keinen Streit bei seinen Verwandten und Freunden. So ein Mist! Was sollte er da tun? Iwas Eltern wussten ja nun Bescheid, da das Ass selbst bei ihnen angerufen hatte, um das loszuwerden. Er fand es bewundernswert, dass er so ein enges Verhältnis zu ihnen hatte, dass Hajime ihnen sogar so eine Sache anvertraute. Doch ob Oikawa das seinen eigenen irgendwann erzählen würde oder nicht, wusste er noch nicht. Erst einmal nahm der Setter den Vertrag vom Schreibtisch und scannte ihn ein. Das hatte jetzt Priorität. Über alles Weitere konnte er sich auch später noch Gedanken machen. Der Violetthaarige schrieb noch einen kleinen Text in die Email und schickte diese dann samt Anhang weg. Ein bisschen nervös war er nun doch, ob alles in Ordnung mit dem Papier war oder nicht. Er verstand einfach zu wenig davon, um das beurteilen zu können. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es noch relativ früh am Abend war und der Setter griff seinen Laptop und die Milchbrötchen und machte es sich auf seinem Bett gemütlich. Zwar war es nach wie vor seltsam, hier allein zu liegen, jedoch würde Hajime bestimmt schon schlafen, so fertig, wie er ausgesehen hatte. Unruhig erwachte Oikawa aus dem Schlaf und blinzelte mehrfach. Offenbar war er beim Serie schauen eingeschlafen und der Laptop mittlerweile ausgegangen. Das war gut und verschlafen wuchtete er ihn auf seinen Schreibtisch, der am Kopfende stand. Die Tüte mit den letzten beiden Milchbrötchen legte er ebenfalls dort ab und drehte sich auf die Seite. Der Bildschirm seines Smartphones zeigte 2:09 Uhr an und er hätte noch etwa 6 Stunden, die er schlafen könnte. Einen Moment haderte Toru mit sich, dann griff er entschlossen Decke und Kissen und schlich sich in Iwas Zimmer. Sein Freund drehte sich in dem Moment von einer Seite auf die andere, brummte unverständliche Worte. Er schien einen Alptraum zu haben und vorsichtig näherte er sich dem Bett, setzte sich langsam auf die Kante und sofort hörte das Ass auf, sich zu bewegen. Hatte er selbst im Schlaf Angst, dass er ihm noch mal wehtun könnte? Irgendwie zauberte ihm der Gedanke ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Ja, es wäre morgen früh nicht alles wieder gut und es würde noch einiges an Zeit und Geduld brauchen, bis das Vertrauen wieder da war, doch er konnte nun mal an ihn gekuschelt besser schlafen. Und guter Schlaf war wichtig. Also legte er seine Sachen vorsichtig neben dem Braunhaarigen ab und krabbelte zu ihm unter die Decke und lächelte, als Iwaizumi sich sofort sanft an ihn kuschelte und ihm einen Arm auf die Hüfte legte. „Toru?“, brummte er verschlafen und liebevoll strich er seinem Freund einmal federleicht über die Wange. „Schlaf weiter, Schatz.“ „Mhmm.“ Das Kopfkissen bettete er auf Iwas Arm, doch bevor er sich dort hinlegte, kuschelte er seine Nase in das Schlafshirt des Asses und atmete tief durch. Ja, hier gehörte er hin. Selig lächelnd legte er seinen Kopf nun an die dafür vorgesehene Stelle ab und es dauerte nur wenige Minuten, ehe auch der Setter wieder tief und fest schlief. Unsanft riss ihn ein Wecker aus dem Schlaf und grummelnd kuschelte er sich näher an die Wärmequelle. Es war doch bestimmt noch viel zu früh, um aufzustehen! Wer hatte eigentlich diese Mistdinger namens Wecker erfunden? Den sollte man erschlagen! „Toru?“, fragte eine verschlafene Stimme, doch Angesprochener vergrub seinen Kopf irgendwo zwischen einem Oberkörper und einer Matratze. Er war doch noch so müde. Dennoch schnurrte er leise, als er eine streichelnde Hand an seinem Rücken spürte und leicht sabbernd krallte er eine Hand in das Shirt seines Freundes. Er sollte nur nicht aufhören. Das war so gemütlich. Und draußen war es eh nur kalt und nass, wenn er das leise Klopfen am Fenster richtig interpretierte. Nein, das war definitiv ein Tag, um zu Hause zu bleiben. „Hey Toru …“, wisperte Hajime nach einer Weile ein zweites Mal, aber der Setter ignorierte es frech. Irgendwann würde er ihn doch schlafen lassen, oder? „Ich weiß, dass du nicht aufstehen möchtest, aber wir müssen zur Uni …“ „Ist es wirklich schon so spät?“, maulte Toru gegen den Oberkörper und bewegte sich mit dem Kopf leicht nach oben, um ihn zerknautscht und verschlafen anzuschauen. Spätestens dann musste er doch Mitleid haben! Das hatte Iwaizumi offensichtlich auch, so wie er ihn anschaute und einen Moment zögerte die Hand über seinem Gesicht, sodass Oikawa sie griff und auf seine Wange legte. Dahin, wo er geschlagen wurde. Von dieser Hand. „Warum bist du hier?“, wisperte Hajime leise und der Violetthaarige spürte das Zucken der Hand, weil das Ass sie wegziehen wollte, aber er hielt sie, wo sie war. Er sollte keine Angst haben, ihn zu berühren. Und schlagen würde er ihn nicht noch einmal, das war sich der Setter absolut sicher. So geprügelt und geschlagen, wie er ihn ansah, nahm ihn das ganze fast mehr mit als ihn. Zärtlich streichelte Oikawa die Hand, führte sie zu seinem Mund und küsste sie, während er den Blickkontakt mit seinem Freund aufrechterhielt, der das mit immer größer werdenden Augen beobachtete und sich nicht traute, etwas zu sagen. „Ich liebe dich, Hajime. Und ich fühle mich an deiner Seite wohl. Natürlich macht es den Schlag nicht ungeschehen und es wird dauern, bis das Vertrauen wieder zurück ist, aber ich weiß, dass wir das zusammen schaffen werden. Wie wir alles seit der Grundschule gemeinsam geschafft haben.“ Das hatte Hajime damals auch zu ihm gesagt, als sie sich wegen des Liebesgeständnisses ausgesprochen hatten und daran glaubte er nach wie vor. Iwa nickte knapp, konnte gerade nichts sagen und Toru beugte sich vor und küsste die leicht rauen Lippen, die er so begehrte. Es dauerte etwas, ehe sich das Ass traute, zu erwidern und für einen Augenblick blieben sie einfach knutschend liegen, wobei Iwaizumi vor Erleichterung leicht zitterte. „Hey Oikawa, was ist los?”, fragte Kuro keuchend in einer Pause und stellte sich neben ihn. Sie tranken etwas und Torus Blick wanderte zu Iwaizumi, der auf der anderen Seite des Netzes auf einer Bank saß und sich mit Kageyama unterhielt. Makki und Mattsun hatten ihn überreden müssen, herzukommen, doch es schien ihm gutzutun und das beruhigte ihn sehr. Es wäre nicht gut, wenn sich das Ass zu Hause einigelte und nur an den Problemen knabberte. Das würde ihm nur noch mehr zu schaffen machen. „Gerade etwas schwierig mit Iwa …“, entgegnete der Violetthaarige und riss sich von dem Anblick los und sah zur Katze, der ihn prüfend musterte. Die wachen Augen taxierten ihn förmlich, suchten nach irgendetwas. Es wurde dem Setter schnell unangenehm und so drehte er sich etwas weg, verwehrte Kuro, ihn weiter so anschauen zu können und dieser fragte mit so einem komischen Unterton: „Kann man euch helfen?“ „Lieb von dir, Kitty-chan, aber wir werden das hinbekommen. Wenn ich reden möchte, sage ich dir Bescheid. Aber du könntest mir vielleicht einen Gefallen tun …“ „Klar, worum geht es?“ „Könntest du dich um Iwa kümmern? Morgenabend vielleicht etwas mit ihm unternehmen? Er kann die Ablenkung gut gebrauchen und ich bin mit Hodaka verabredet, weil er meine Hilfe braucht.“ Sein Kumpel hatte ihm während seiner Vorlesung geschrieben, dass er ihn morgen brauche und ohne weiter zu fragen, hatte Oikawa sofort zugesagt. So wie der Blonde immer für ihn da war, wollte er es auch für ihn sein. Also würde sich der Setter morgen Abend nach dem Training gleich auf den Weg machen und zum ersten Mal hatte er die Gelegenheit, sich die Wohnung von ihm anzuschauen. Bisher waren sie irgendwie noch gar nicht dazu gekommen. Er war schon neugierig, wie er so wohnte. „Du hast Glück. Tsukishima hat unser Date für morgen abgesagt, weil er zu seinem Bruder muss. Ich habe also Zeit, mich um deine bessere Hälfte zu kümmern. Soll ich das mit ihm bequatschen oder einfach vor der Tür stehen?“, hakte Kuro nach und stellte seine Trinkflasche wieder auf der Bank ab. Der Trainer beendete gerade lautstark die Pause und Toru entgegnete auf dem Weg zum Spielfeld: „Spontan ist in dem Fall glaube ich besser.“ Die Katze nickte und mit einem letzten Blick zu Iwaizumi, der ihn leicht lächelnd musterte, folgte er weiter dem Training. Kapitel 22: Bier trinken ------------------------ Freitag, 01.12. Es war ein seltsames Gefühl, als einziger die Wohnung zu betreten. Makki und Mattsun hatten ihren Dateabend und Toru war auf dem Weg zu Hodaka, um ihm bei etwas zu helfen. Worum es ging, war noch nicht bekannt. Hoffentlich war es nichts allzu Ernstes. Der Blondschopf war echt in Ordnung und Iwa war froh, dass Oikawa und er sich angefreundet hatten. Nun, da der Violetthaarige und er ein Paar waren, konnte Hodaka die Rolle des besten Freundes anscheinend sehr gut ausfüllen, so oft, wie er ihn anrief und um Hilfe bat, wenn es Ärger gab. Nicht, dass der Setter auch enge Verbindungen zu ihren Mitbewohnern hatte, aber Makki war ihm oft zu frech und Mattsun wollte er nicht immer mit allem belasten, da er doch mit der Hochzeit und dem Studium schon so viel zu tun hatte. Das hatte Oikawa ihm vor einiger Zeit einmal beim Kuscheln erzählt, da er neugierig gewesen war, und Hajime hatte gelächelt, dass er so viel Rücksicht auf den Schwarzhaarigen nahm. Das Ass hätte also den Abend für sich allein und normalerweise wäre das gar kein Problem. Iwaizumi mochte es hin und wieder, Ruhe zu haben und sich selbst ordnen zu können. Aber heute war er nicht sicher, ob das wirklich so gut war. Die Woche hatte ihm sehr zu schaffen gemacht. Daran änderte auch nichts, dass die Verlobten ihn gestern Mittag noch überredet hatten, dem Volleyballtraining beizuwohnen. In der Kabine hatte er dem Team gesagt, dass er sich leicht angeschlagen fühlte und deswegen in den nächsten Tagen nicht an eventuellen Sondertrainings teilnehmen würde. Ein paar hatten ihn kritisch beäugt, aber alle zugenickt und ihm gute Besserung gewünscht. Warum es ihm so schlecht ging, war eine Sache zwischen Toru und ihm und es war ihm viel zu unangenehm, um mit jemand anderem darüber zu reden, auch wenn Mattsun ihm das ans Herz gelegt hatte. Bestimmt konnte er das auch mit jedem aus dem Team, aber so nah fühlte er sich ihnen nicht. Am Donnerstag hatte sich das Ass jedoch noch kurz mit Kageyama unterhalten, denn die erste Hälfte des Trainings hatte er sehr durch den Wind gewirkt. Auch am Montag war das der Fall gewesen, was ihn nicht weiter gewundert hatte, da die Enttäuschung über den abgelehnten Antrag noch besonders frisch gewesen war. Aus einzelnen Gesprächen in der Kabine hatte er herausgehört, dass es Dienstag und Mittwoch nicht besser gewesen war und deshalb hatte er ihn in der Pause beiseite gezogen. Der Setter hatte ihm anvertraut, dass das Verhältnis zu Hinata ziemlich abgekühlt war. Es war nicht leicht für sie und da der quirlige Orangenkopf die ganze Woche schon nur so vor Unsicherheit strotzte, war es kein Wunder, dass es Kageyama nicht besser erging. Schließlich musste er mit der Ablehnung des Antrages klarkommen, den er sorgfältig geplant hatte. Iwa war sich nicht sicher, wie er mit so einer Situation umgehen würde. Hoffentlich musste er das auch nie. Dennoch hatte ihm der Schwarzhaarige versichert, dass er weiter mit Hinata zusammen sein wollte, nur brauchte er eben noch Zeit, das zu verarbeiten. Das Ass hatte ihm weitere Hilfe angeboten, wenn er diese benötigen sollte, denn er hatte Mitleid mit ihm und wollte ihn unterstützen. Höflich hatte er sich danach nach seinem Wohlbefinden erkundigt und ob er Hilfe benötigte, da er ja Bescheid gesagt hatte, dass er nicht auf der Höhe war, aber Iwaizumi hatte nicht den Mut gehabt, ihm die Wahrheit zu sagen. In der Halle sowieso schon gar nicht. Dafür schämte er sich viel zu sehr und außerdem war das kein Thema, was man mal eben in einer Pause besprechen konnte. Wahrscheinlich würde er das schon kaum hinbekommen, wenn er bei der Selbsthilfegruppe war. In Gedanken versunken hatte er seine Tasche mittlerweile in seinem Zimmer abgelegt und sich aufs Sofa fallen lassen. Ihm war unklar, was er mit der Zeit anfangen sollte und gelangweilt zappte er durch das Fernsehen, doch da gab es absolut nichts, was ihn interessierte. Also startete er Netflix, was ihn aber auch nicht zufriedenstellte. Genervt machte er den Fernseher wieder aus und legte sich unter die kuschelige Decke und starrte nach draußen. Es war bewölkt, regnete aber gerade nicht und seufzend vegetierte das Ass vor sich hin, ließ die Gedanken kommen und gehen. Plötzlich klingelte es an der Tür und erschrocken fuhr Hajime zusammen. Ein schneller Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er eingeschlafen sein musste, denn es war fast eine ganze Stunde vergangen. Grummelnd, weil er keine Lust auf irgendjemanden hatte, der keinen Schlüssel zu dieser Wohnung besaß, stand er auf und schlurfte durch den Flur. Wer auch immer es war, er würde jeden abwimmeln, der ihm auf die Eier gehen wollte. So viel stand fest. Seufzend drückte er auf den Summer und kurze Zeit später hörte er Schritte, die näherkamen. Zu seiner Überraschung war es Kuro, der auf ihn zuschritt und er war sogar allein. Das war schon eine Seltenheit, ähnlich wie bei ihm in den letzten Monaten. Dennoch konnte das Ass nicht behaupten, dass er sich freute, ihn zu sehen. Das lag nicht an ihm im Speziellen, sondern an seiner allgemeinen Stimmung. Dementsprechend genervt sprach er ihn auch an: „Hey Kuro. Was willst du?“ „Hi. Na, du hast ja gute Laune … Ganz allein?“ „Jep, alle ausgeflogen …“ „Oh okay. Ich dachte, ich könnte mich heute mal bei euch einquartieren. Tsukishima musste nach Miyagi und Bokuto und Akaashi haben irgendein Date. Ich weiß irgendwie nichts mit mir anzufangen und hatte die Hoffnung, dass ihr das ändern könntet.“ Iwa seufzte und aus einem Impuls heraus winkte er ihn herein. Obwohl ihm eigentlich nicht der Sinn nach Gesellschaft stand, wollte er die Katze auch nicht einfach wieder davonjagen, wenn er schon mal hierhergekommen war. Vielleicht konnten sie sich ja gegenseitig etwas die Laune heben. Hoffen konnte er ja. Kuro bedankte sich, während er an ihm vorbeischritt und sich im Flur die Schuhe auszog. Als guter Gastgeber, was ihm seine Mutter immer eingebläut hatte, holte er ein Glas und zwei verschiedene Getränke und ein paar Snacks, die er fand und brachte alles ins Wohnzimmer, wo sich der Schwarzhaarige auf das kleine Sofa gesetzt hatte. Er selbst machte sich auf dem großen lang und schaute zu ihm rüber. „Und wie kommt es, dass du hier allein bist?“, fragte Kuro nach einem Moment der Stille und Hajime erklärte ihm, dass ihre Verlobten ebenfalls ein Date hatten und dass Toru Hodaka bei einem Problem half, von dem er nichts Genaueres wusste. „Ah verstehe“, murmelte er und griff nach ein paar Chips. In der Stille hörte sich das Knabbern ungewöhnlich laut an und Hajime fühlte, wie unsicher er war. Sollte er vielleicht mit ihm über seine Situation reden? Doch lieber rausschmeißen, weil er keinen Kopf für Besuch hatte? Mit ihm rausgehen und einen trinken oder so? Ihm war überhaupt nicht klar, welche Überlegung ihm am liebsten war und Kuro schien seine Unsicherheit zu bemerken, denn er musterte ihn mit diesen stechenden, goldenen Augen. Flüchtig dachte er daran, ihn zu fragen, was er dachte, aber Iwa ließ es dann doch bleiben. Er musste nicht alles wissen und er war derzeit angeschlagen genug, auch wenn er das nicht zugeben mochte. „Kannst du eine Serie empfehlen?“, fragte die Katze auf einmal und das Ass war so verwirrt, dass er ihn ungläubig anblinzelte. Was wollte er? „Sieh mich doch nicht an wie ein Alien. Ihr habt doch wohl auch Netflix und Amazon Prime, oder nicht? Was schaust du zurzeit? Oder bist du mehr der Filmtyp?“ „Ähm nein nein. Ich schau auch gern Serien. War nur grade in Gedanken ganz woanders“, brummte Iwaizumi und griff nach der Fernbedienung, um den Fernseher erneut anzuschalten, als er hinzufügte, „Allerdings weiß ich nicht, ob ich so richtig aufnahmefähig bin.“ „Wenn nicht, dann sag Bescheid. Wir können sonst auch was Essen oder trinken gehen, wenn dir da der Sinn nachsteht. Ich bin für alles offen“, entgegnete Kuro und für einen Moment überlegte er. War ihm das lieber? Immerhin war Freitag und morgen … Shit, morgen kamen seine Eltern zu Besuch, um mit ihm über seinen Ausraster sprechen. Auf einmal war der Gedanke, einen trinken zu gehen, überaus verlockend und so wunderte es das Ass auch nicht, als sie sich zehn Minuten später ihre dicken Mäntel anzogen und die Wohnung verließen. Nicht allzu weit von der Wohnung entfernt, gab es eine gemütliche Kneipe, in der er bereits ein paar Mal gewesen war. Die Einrichtung war recht rustikal, komplett aus Holz und nur ein paar Schritte von der Tür entfernt, war ein langer Tresen, an dem ungefähr zehn Leute Platz fanden. Rechts und links öffnete sich der Gang in zwei große Räume mit großen und kleinen Tischen, Sitznischen und im hinteren Bereich einem Billardtisch und einem Tischkicker. Der rechte Bereich war durch Türen abgegrenzt, da dort die Raucher sitzen konnten, während der linke offenstand. Iwaizumi war froh, diese Bar gefunden zu haben, denn die meisten anderen hatten nur einen Raum und der war für Raucher ebenso wie für Nichtraucher, was für ihn – der diesen Geruch überhaupt nicht abkonnte – nicht entspannend war. Daher mied er alle kleinen Kneipen und suchte explizit nach welchen, die sich an Nichtraucher wandten. Kuro und er suchten sich einen kleinen Zweiertisch, der sogar am Fenster stand und bestellten sich ein Bier, als sie anfingen, sich über Volleyball zu unterhalten. Es tat gut, über etwas komplett Belangloses zu reden und es lenkte ihn von seinen Sorgen ab, bis er dabei war, sein drittes Bier zu trinken. Mittlerweile hatten sie alle möglichen Themen angeschnitten und waren gerade bei Geschichten aus ihrer Oberschulzeit angekommen, als sein Smartphone in der Hosentasche vibrierte. Reflexartig holte er es heraus und nahm unbewusst zur Kenntnis, dass es bereits kurz vor Mitternacht war. Das eigentlich interessante aber war die Nachricht, die ihm sein Freund geschrieben hatte. Toru: Hey Schatz, Hodaka konnte ich etwas helfen, aber es ist schon so spät, dass ich heute bei ihm übernachte. Wir sehen uns dann morgen früh, ja? Schlaf schön, Schatz! Ich liebe dich, Toru Iwa schluckte und fühlte sich in dem Moment so seltsam. Aber warum? Er konnte seine eigenen Gefühle gerade nicht ordnen. Vielleicht lag es am Alkohol, der durch seine Gedanken und sein Blut waberte oder aber er war einfach noch schlecht darin, seine eigenen Gefühle zu deuten. Auch das wäre ja nichts Neues, schoss es ihm bitter durch den Kopf. „Was ist los, Iwaizumi?“, holte ihn Kuro in die Realität zurück und ihm wäre beinahe das Handy vor Schreck aus der Hand gefallen. „Ich ähm … Toru hat mir geschrieben. Ich antworte ihm kurz …“, murmelte er und drückte auf den entsprechenden Button, als er die Katze erwidern hörte: „Das ist doch kein Grund, so angespannt zu schauen oder gibt es eine ernste Krise zwischen euch? Warst du deswegen Mittwoch nicht beim Training?“ Iwa nickte zögernd, während er tippte. Hajime: Alles klar, mach das. Grüß ihn von mir! Gute Nacht und ich liebe dich auch, Hajime Schnell steckte er es danach wieder weg, da er es gerade irgendwie als unhöflich empfand, es auf den Tisch zu legen und seufzte tief. „Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst. Aber ich habe ein offenes Ohr, wenn du es brauchst.“ „Ich habe Toru geschlagen“, platzte es unkontrolliert aus ihm heraus und erschrocken starrte er die Katze mit halb offenem Mund an. Fuck! Das hatte er so gar nicht sagen wollen! Warum hatte er auch schon sein viertes Bier vor sich stehen? Und wieso war das auch schon wieder halb leer? „Du hast was!? Wie kam es dazu? Ihr habt doch immer so eng gewirkt! Alter, das ist verdammt krass!“, murmelte Kuro aufgewühlt, die Augen durchdringend auf ihn gerichtet und Iwa senkte den Kopf, als er berichtete: „Wie du weißt, habe ich kein Problem damit, dass Oikawa und ich uns in der Öffentlichkeit zeigen und diese ganzen homophoben Arschlöcher können mir den Rücken runterrutschen. Am Dienstag hatte Toru einen Termin und ich habe ihn dahin begleitet, weil er sehr wichtig für ihn ist. Und der Typ, mit dem er den hatte, kam mir anfangs irgendwie komisch vor, weshalb ich mich als sein bester Freund vorgestellt habe. Wir hatten das vorher aber nicht abgesprochen und ihn hat das verständlicherweise komplett aus dem Konzept gebracht. Wegen des Termins war er schon so aufgeregt, dass ihm der Kerl ganz normal erschienen war. Als wir später zu Hause waren, hat Toru mich deswegen konfrontiert, warum ich nicht zu ihm stehen könne und ich habe versucht, es ihm zu erklären, aber dann … Dann hat er …“ Das Ass zitterte und nahm einen großen Schluck des Biers und raufte sich die Haare. Dann fuhr er fort, „In seiner Enttäuschung hat er unsere ganze Beziehung in Frage gestellt und im nächsten Augenblick hörte ich das Klatschen und meine Handinnenfläche kribbelte vom Schlag. Als er das gesagt hat, hat irgendwas in mir ausgesetzt. Ich kann es ja selbst nicht glauben, dass es so weit kommen konnte! Ich weiß ja, dass er gern mal überdramatisiert, aber in dem Augenblick … Ich wusste erst, was passiert war, als ich es hörte und meine Hand spürte! Fuck, mir ist so schlecht …“ Er verzog das Gesicht und nahm noch einen weiteren Schluck, obwohl sein Magen ein einziger Knoten war. Jetzt hatte er es doch erzählt. Einem Außenstehenden. Der Gedanke ließ ihn ganz unruhig werden, denn er fühlte sich angreifbar, verwundbar und es gab kaum etwas, was ihn mehr störte und verunsicherte. „Oh shit, das ist natürlich übel. Kein Wunder, dass ihr Zwei Mittwoch nicht da wart und ihr euch danach so komisch benommen habt. Bei Kageyama und Hinata scheint ja auch seit dieser Woche der Wurm drin zu sein … Aber nachdem, wie ich dich kennengelernt habe und was du eben erzählt hast, kann ich mir vorstellen, wie heftig es für dich gewesen sein muss, dass er beim ersten großen Streit direkt alles in Frage stellt. Klar war das Mist, dass ihr das nicht vorher abgesprochen hattet, aber nach allem, was dieses Jahr passiert ist, sollte Oikawa doch wissen, dass du ihn liebst und immer zu ihm stehst. Ich meine, ihr habt euch an seinem Geburtstag öffentlich vor der Uni geküsst. Das war jawohl das Statement schlechthin. Was nicht heißt, dass du richtig scheiße gebaut hast! Mann, wie konntest du ihn schlagen? Das ist echt heftig! Das hätte ich dir gar nicht zugetraut!“ „Weiß ich doch selbst, verdammt! Ich habe das doch nicht gewollt! Toru tickt da einfach anders und eigentlich ist er ziemlich unsicher, deswegen reagiert er bei solchen Dingen auch sofort über. Auch wenn er beim Volleyball das Sagen hat und Autorität ausstrahlt, ist er außerhalb nur einen Bruchteil so selbstbewusst. Er nimmt sich jedes Wort zu Herzen und für ihn war das ein Schlag in die Magengrube, dass ich mich nicht als sein Partner vorgestellt habe.“ Das Bier war leer und er wollte ein weiteres ordern, aber als Bedienung an ihren Tisch trat, war Kuro schneller und sagte: „Wir hätten gern beide noch ein alkoholfreies Bier, vielen Dank.“ Alkoholfrei? Was sollte das denn jetzt? Er brummte nur kurz, sagte aber nichts weiter, als die Dame ihn anschaute. Wahrscheinlich war es besser so, bevor er sich unnötig zulaufen ließ. Das würde ihm morgen nur Ärger einbringen, wenn seine Eltern kamen. „Ja, aber wenn du das weißt, dann verstehe ich noch weniger, wie es so bei dir aussetzen konnte! Seid ihr überhaupt noch zusammen? Oder hat Oikawa sofort Schluss gemacht? Verstehen könnte ich das sofort.“ „N-nein, wir sind noch zusammen. Aber es ist halt verdammt schwer gerade. Ich fühle mich absolut beschissen deswegen und wünschte, ich könnte es irgendwie rückgängig machen. Ich will doch kein Schläger sein! Und trotzdem hält Toru an uns fest. Daran, dass wir das schaffen können … Ich weiß gar nicht, was ich darüber denken soll“, nuschelte er und starrte sein leeres Glas an. Hatte er das verdient? So viel Liebe von seinem Freund, dass er bereit war, ihm eine zweite Chance zu geben? „Wenigstens bereust du es zutiefst. Ich meine, all das rechtfertigt natürlich nicht, dass du ihn geschlagen hast. Das ist für eine Beziehung eine schwere Sache, die nicht leicht zu kitten ist. Das wird für euch beide sehr, sehr schwer, wieder Vertrauen aufzubauen.“ „Du meinst Toru …“, korrigierte das Ass und nickte der Bedienung zu, die ihnen ihr alkoholfreies Bier hinstellte. Es war wirklich besser, dass er nicht noch mehr trank. Das würde ihn morgen böse auf die Füße fallen. „Nein, ich meine euch beide, denn es ist offensichtlich, dass du Vertrauen in dich selbst eingebüßt hast. Und auch das ist für eine funktionierende Beziehung wichtig und auch Oikawa wird daran weiter arbeiten müssen. Damit ihr ebenbürtig seid und eure Verbindung weiter funktionieren kann.“ Iwa nickte leicht, obwohl die Worte jetzt noch nicht so viel Sinn für ihn ergaben, aber er war auch nicht mehr so aufnahmebereit, um das jetzt noch zu verstehen. „Hatten Tsukishima und du schon mal richtig Streit?“, fragte er stattdessen, da die Katze bis zu dem Zeitpunkt, wo die Brillenschlange in der Halle aufgetaucht war, nicht mal erwähnt hatte, dass er überhaupt in einer Beziehung war. „Natürlich hatten wir den. Und damals hätte ich ihn beinahe auch geschlagen, aber habe gerade noch die Kurve bekommen und habe stattdessen die Wohnung verlassen …“ Wow, er war auch schon mal kurz davor gewesen? Das konnte er sich bei der ruhigen und meist gut gelaunten Katze gar nicht so recht vorstellen. „Was war passiert? Wenn ich fragen darf …“ „Klar darfst du. Ich habe Tsukki hin und wieder mal zu Partys mitgeschleppt, wenn er in Tokyo war, damit er auch mal unter Leute kam. Er ist ja nicht so der Partygänger, was ja auch in Ordnung ist, aber ab und zu muss doch jeder mal raus. Na jedenfalls hatte ich ihn auf einer Feier aus den Augen verloren und eine halbe Stunde oder so haben wir gebraucht, um uns wiederzufinden. Danach hat er sich irgendwie seltsam benommen, aber er meinte nur, dass das am Alkohol liegen würde. Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, dass er wirklich nicht so viel abkann, doch am nächsten Tag traf mich der Schlag. Auf einem Video, dass während der Party gemacht worden war, war im Hintergrund zu sehen, wie Tsukki und ein anderer Typ rumgeknutscht hatten und das nicht zu knapp. Du kannst dir meine Begeisterung vorstellen …“ Oh ja, die dürfte sich arg in Grenzen gehalten haben. Das würde ihm nicht anders gehen. Ein Tritt in die Eier war da deutlich angenehmer. „Ich habe ihn damit konfrontiert und warum er mir das nicht sofort gesagt hatte und er stotterte, dass er Angst gehabt hätte, dass ich ihn deswegen verlassen würde. Er war betrunken und hatte es nicht geschafft, sich gegen die Avancen zu wehren. Zumal Tsukkis Sozialkompetenz ja auch nicht die ausgeprägteste ist … Es war ein fieser Streit mit Worten unter der Gürtellinie auf beiden Seiten. Ich war so wütend und enttäuscht, dass ich die Tür knallend die Wohnung verlassen hatte, bevor es auch so eskaliert wäre. Die nächsten Wochen waren schlimm, aber mit Geduld, Reden und Verständnis haben wir es hinbekommen und so beschissen das auch war, hat es uns enger zusammengeschweißt, dass wir es gemeinsam gemeistert haben. Ich bin mir sicher, dass eure Liebe auch stark genug ist, um das zu schaffen, aber leicht wird es nicht. Es wird euch Beiden viel Kraft kosten, aber ihr könnt das packen, wenn ihr das wirklich wollt.“ Das hoffte Iwaizumi. Dass sie es auch schaffen konnten, denn obwohl er so lange gebraucht hatte, seine Gefühle zu entdecken, war für ihn der Gedanke unerträglich, ihn wegen dieser Sache zu verlieren. Das musste er unter allen Umständen verhindern. „Was hast du denn vor, damit es beim nächsten Streit nicht mehr dazukommt? Ich meine, dir wird doch klar sein, dass das nicht eure letzte Auseinandersetzung gewesen sein wird … Wie willst du verhindern, dass du dann wieder zuschlägst?“, bohrte die Katze weiter nach und unruhig rutschte das Ass auf seinem Stuhl herum. Sein Blick flackerte zum Fenster. Draußen war es stockdunkel und neben der Straßenbeleuchtung buhlten vereinzelte Neonreklamen um seine Aufmerksamkeit. Trotz des Alkoholgehalts in seinem Blut war er unsicher, ob er ihm das auch noch erzählen sollte. Er hatte sich doch schon so angreifbar gemacht und würde Kuro diesen Schritt verstehen? Viele sahen solche Gruppen ja als Idiotentreff und er wusste ja auch gar nicht, ob es ihm wirklich helfen würde. Shit, er legte sich hier irgendwelche Ausreden zurecht, aber vielleicht war es gut, wenn er auch jemanden außerhalb der WG hatte, mit dem er reden konnte. Also kratzte er seinen Mut zusammen und berichtete von seinem Plan, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Die Augen seines Gegenübers weiteten sich etwas und einen unangenehmen Moment lang herrschte Stille zwischen ihnen. Die Stimmen der anderen Gäste konnten nicht darüber hinwegtäuschen, wie peinlich Iwaizumi die Situation gerade war und er wollte noch etwas hinterherschieben, als Kuro endlich reagierte: „Wow, meinen Respekt. Das ist bestimmt keine leichte Entscheidung gewesen. Aber ich finde es gut. Zieh das durch! Die werden dir bestimmt mit Strategien helfen können.“ „Ich hoffe es. Danke dir fürs Zuhören, Kuro und deine Geschichte. Das … Es tat doch gut, das mal loszuwerden …“, murmelte er und trank sein Bier. Matsukawa hatte natürlich wie immer recht gehabt. Der Gedanke ließ ihn leicht lächeln und seine Augen suchten die der Katze, die ihn angrinste. „Ich bin da, wenn du das brauchst, Bro.“ Kapitel 23: Schmerzhafter Verlust --------------------------------- Freitag, 01.12. Leicht staunend stand Oikawa vor einem großen Mietshaus und studierte die Klingelschilder. Hodaka musste im siebten Stock wohnen, wenn er das richtig sah und insgeheim fragte er sich, wie er sich eine Wohnung in so einer guten Lage finanzieren konnte. Verdiente er als Verkäufer so gut? Also er wusste ja, dass er seinen Job hervorragend erledigte, aber das hier war bei weitem nicht die günstigste Gegend zum Wohnen. Naja, sei es drum. Ging ihn ja schlussendlich auch nichts an. Entschlossen betätigte er den Klingelknopf und schaute auf sein Smartphone. Kuro hatte ihm geschrieben, dass er sich auf den Weg zu Iwaizumi machte und erleichtert lächelte er leicht. So wie er seinen Freund kannte, wäre es nicht gut, wenn er heute Abend allein war und die Katze konnte ihn bestimmt auf andere Gedanken bringen. Obwohl der Schlag noch immer zwischen ihnen stand und es noch einige Zeit dauern würde, bis es wieder annähernd normal wurde, wollte er nicht, dass es ihm schlecht ging. Die ganze Sache nahm das Ass so mit und er hatte ihn noch nie in seinem Leben so fertig – so verunsichert – erlebt. Es tat ihm in der Seele weh, doch er konnte ihm da gerade nicht helfen. Hajime musste für sich Wege finden, wie er seine Wut in solchen Situationen kanalisieren konnte, damit so etwas nie wieder passierte. Ansonsten wäre eine Trennung unvermeidlich und allein bei dem Gedanken wurde ihm schlecht. So weit durfte es nicht kommen! Irgendwie musste Iwa das geregelt kriegen, damit sie wieder richtig glücklich werden konnten. Erschrocken zuckte der Setter zusammen, als die Gegensprechanlage kurz knisterte und Hodakas Stimme zu hören war. „Toru?“ „Ja, ich bin‘s!“, entgegnete er schnell und sofort ertönte der Summer. „Einmal in den siebten Stock!“, klärte sein Kumpel ihn auf und schnell schob Oikawa die Tür auf, stutzte über die komisch klingende Stimme seines Kumpels. Oder hatte das nur an der Gegensprechanlage gelegen? Naja, er würde es gleich wissen! Zielstrebig schritt er auf den Fahrstuhl zu. So fit er zwar war, hatte er jetzt doch keine Lust, all die Treppen hinaufzugehen. Hajime hätte sich bestimmt dazu hinreißen lassen, so gern, wie er auch ins Fitnessstudio ging, aber für ihn war Treppenlaufen irgendwie kein Vergnügen. Zumal er dann auch immer Angst bekam, ob sein Knie anfangen würde, zu schmerzen. Nein, mit dem blöden Ding sollte er sich jetzt nicht beschäftigen … Die Aufzugtüren öffneten sich und er trat ein. Oben angekommen, betrat er einen hellen Flur und schaute sich kurz um, als er Hodaka auf der linken Seite in einer Tür stehen sah. Sofort schlenderte er ihm entgegen und sie umarmten sich kurz zur Begrüßung. „Komm doch rein“, bat Hodaka leicht lächelnd und machte eine einladende Geste. Freundlich nickend trat der Setter ein, zog erst einmal seine Schuhe aus und betrat den schmalen Flur. Rechts und links waren jeweils eine Tür und Hodaka öffnete die rechte, sodass er ihm folgte. Dahinter war ein geräumiges Zimmer inklusive einer Kochnische mit Tresen. Für eine Person war das sicherlich eine praktische Sache. Ein Bereich auf der linken Seite war durch einen Vorhang verdeckt, direkt gegenüber der Tür gab es ein Fenster und darunter ein sehr bequem aussehendes Sofa mit vielen Kissen und Decken. Das war genau seine Sache – so kuschelig und plüschig! An den Wänden hingen neben einem kleinen Fernseher auch noch Poster von Fußballern und Turnieren, darunter ein Plakat der WM 2002, die in Japan und Südkorea stattgefunden hatte. Toru erinnerte sich daran, wie der Blondschopf ihm von seiner Leidenschaft vorgeschwärmt hatte. In dem Moment hatte er sich ihm so nah gefühlt, ohne aber wirklich verliebt gewesen zu sein. Er freute sich schon darauf, wenn er endlich die Möglichkeit haben würde, die Trainerschule zu besuchen, damit er seinem Traum einen weiteren Schritt näherkam. „Setz dich und mach es dir bequem. Möchtest du etwas trinken? Tee? Limo? Bier?” „Tee klingt super”, entgegnete Oikawa lächelnd und setzte sich auf das Sofa und fühlte sich sofort von Wärme umgeben. Er liebte dieses Gefühl, in Flausch zu versinken, wenn es draußen dunkel, kalt und ungemütlich war. Hodaka bereitete ihm einen gut duftenden Tee zu und holte sich selbst eine Dose Bier aus dem Kühlschrank. Dann kam er mit Beidem zu ihm zurück und ließ sich neben ihn fallen, nachdem er alles auf dem Tisch abgestellt hatte. Einen Moment lang musterte der Setter seinen Kumpel intensiv und ihm fiel auf, dass seine Augenringe ziemlich dunkel waren. Also hatte er nicht gut geschlafen die letzten Nächte? Langsam machte er sich ernsthaft Sorgen. Er war auch ungewöhnlich ruhig. Zwar war er generell eher der zurückhaltende Typ, aber so still hatte er den Blondschopf noch nicht erlebt. Wie es schien, war er tief in Gedanken versunken und Oikawa ließ ihm seine Zeit, obwohl es ihn einiges an Geduld kostete, ihn nicht auszufragen. Doch früher hatte er immer wieder die Erfahrung gemacht, dass wenn er sich nach anderen erkundigt hatte, er immer zu ungeduldig war und die Leute deswegen auf ihn pissig. Das war auch einer der Gründe, warum er im Laufe der Mittelschule aufgehört hatte, sich um andere zu kümmern. Wenn er es versucht hatte, war das recht oft in Streits geendet und irgendwann hatte er da keine Lust mehr drauf gehabt. Schließlich hatte er Iwa an seiner Seite und den Rest der Zeit fast nur mit Volleyball verbracht. Doch Hodaka war ihm wichtig geworden, deswegen versuchte er sich jetzt zurückzuhalten, um ihm nicht auf die Nerven zu gehen, aber er war ganz unruhig! Wie sollte er denn helfen, wenn er nicht wusste, worum es ging? Mist, er musste sich beruhigen. Wenn Hodaka ihm alles erzählte und er selbst dann ein Nervenbündel war, würde er ihm auch keine Unterstützung sein. Und er wollte es dieses Mal richtig machen! Also griff der Setter nach der Teetasse und hielt sie einen Moment lang in seinen Händen, fühlte, wie die Wärme durch die Haut in seinen Körper kroch und er seufzte wohlig auf. Konnte es etwas Besseres geben, als abends mit einer heißen Tasse Tee in der Hand auf einer flauschigen Couch zu sitzen, während es draußen kalt und ungemütlich war? Wenn es Hodaka nicht so schlecht gehen würde, könnte das ein richtig gemütlicher Abend werden! „Meine Eltern hassen mich jetzt und mit Yumi habe ich es mir auch verscherzt …“, hörte er die Stimme neben sich murmeln und der Violetthaarige schaute zu ihm rüber, wie er die Unterarme auf seine Oberschenkel gestützt und den Kopf gesenkt hatte. Er sah wie ein Häufchen Elend aus und Toru stellte die Tasse wieder ab, griff eine kuschelig aussehende Decke von der Rückenlehne und legte sie um die Schultern des Blondschopfes. Er ließ die Arme auf seinem Rücken liegen, rutschte etwas an ihn heran und fragte mit gedämpfter Stimme: „Mit Yumi? Deiner kleinen Schwester? Wieso? Und warum sollten dich deine Eltern jetzt hassen?“ Verwirrt schaute er zu Hodaka, der sich einen Moment lang nicht regte. Dann ließ er sich gegen ihn sinken und irritiert zog er ihn an sich, strich ihm über den Hinterkopf, wie Iwa das immer bei ihm tat, wenn es ihm schlecht ging. „Mittwoch hatte meine Mutter Geburtstag und nachdem ich bei dir los bin, bin ich zu meinen Eltern gefahren. Gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar und zwei Freunden meiner Mum waren wir Kinder natürlich auch beim Abendessen dabei. Beim Nachtisch kam das Thema Familie auf und sie gingen mir wieder auf die Nerven, dass ich mir eine Freundin suchen sollte, um endlich eine Familie zu gründen. Ich weiß gar nicht mehr warum, aber irgendwie ließen sie sich plötzlich über gleichgeschlechtliche Liebe aus. Mittlerweile kann ich das gut ignorieren, aber Yumi ist plötzlich explodiert. Sie wollte mir helfen und ist aufgesprungen, hat Homosexuelle in Schutz genommen und meine Eltern waren vollkommen pikiert, wie sie dazu käme. Bevor ich es verhindern konnte, polterte Yumi, dass sie mich ja auch lieben würden, obwohl ich schwul sei. Und damit war die Katastrophe perfekt …“ Oh fuck! Das war tatsächlich eine riesengroße Tragödie, die da über ihn hereingebrochen war. Kein Wunder, dass er so fertig war! Wenn er daran dachte, wie das damals bei ihm schief gegangen war … Andererseits hatte der Setter sich selbst dazu entschieden, sich bei seinen Eltern zu outen. Hodaka hatte diese Wahl nicht gehabt. Auch wenn Yumi es offenbar nur gut gemeint hatte, war das furchtbar schiefgelaufen. So ungewollt in diese Situation geworfen zu werden und das auch noch zusätzlich vor Freunden der Familie, musste ihm den Boden unter den Füßen weggezogen haben und reflexartig umarmte er den Blondschopf noch etwas fester. „Shit! Das ist wirklich eine schreckliche Situation …“, murmelte Oikawa mitfühlend und strich ihm weiter über den Rücken. „J-ja … Die Freunde sind sofort gegangen und meine Eltern sind ausgerastet, sobald die Tür geschlossen war. Ich wurde offiziell enterbt und als Schande aus der Familie geworfen und ich war so wütend in dem Augenblick, dass ich danach noch Yumi angebrüllt habe … Sie weiß, wie unsere Eltern zu dem Thema stehen und hat mich so ans Messer geliefert! Natürlich weiß ich, dass sie das nicht böse gemeint hat – ganz im Gegenteil, doch jetzt habe ich keine Familie mehr. All die Jahre hatte ich es geheim halten können. Freundinnen von mir haben sich als Partnerinnen ausgegeben und nach unterschiedlicher Zeit habe ich die Trennung bekanntgegeben und so konnte ich in Ruhe mein Leben leben, ohne meine Eltern einweihen zu müssen. Jetzt bin ich allein …“ „Kam es für dich nie in Frage, dich vor ihnen zu outen? Vielleicht hätten sie sich dem Thema langsam annähern und mehr Verständnis entwickeln können“, fragte Toru leise und vorsichtig nach, jedoch schüttelte Hodaka sofort den Kopf. Seine Eltern mussten extrem konservativ sein, wenn er es für immer verheimlichen wollte. Dabei kamen solche Geheimnisse doch immer ans Licht, oder? Trotzdem stand es ihm nicht zu, über die Entscheidung zu urteilen. Viel wichtiger war, jetzt für ihn da zu sein und ihm zu helfen. Vor allem wollte der Setter daran arbeiten, dass sich Hodaka und Yumi vertrugen! Natürlich war es furchtbar, dass sie das erzählt hatte, aber die Zwei waren so eng miteinander und sie hatte es ja nicht aus Böswilligkeit getan. Ihm war klar, dass es dauern würde, bis sie sich wieder richtig annäherten, aber er wollte das versuchen. Es würde seinem Kumpel bestimmt guttun, wenn er das mit ihr klären konnte und sie sich versöhnten. „Und du bist dir sicher, dass deine Eltern dich wirklich nie wiedersehen wollen? Entschuldige, ich will da nicht so drauf herumreiten, aber ich kann mir das gar nicht vorstellen.“ Toru konnte es nicht so recht glauben. Vielleicht brauchten sie ja nur Zeit, um sich mit dem Gedanken vertraut zu machen! Konnte doch sein, oder? „Ihre letzten Worte an mich waren: Du bist nicht länger unser Sohn. Wir werden veranlassen, dass das Testament geändert wird und verfügen, dass du das Grundstück nicht mehr betreten darfst. Deine restlichen Sachen werden wir dir zuschicken.“ Hodakas Stimme war kurz davor zu brechen, doch er räusperte sich und fügte murmelnd hinzu: „Die Worte haben sich eingebrannt, genauso wie die entsetzten Gesichter. Jedes Mal, wenn ich schlafen will, habe ich Alp –“ Es klingelte an der Tür und sie schauten sich kurz an. „Soll ich mich darum kümmern und verscheuchen, wer auch immer das ist?“, fragte Oikawa und Hodaka setzte sich auf, nickte langsam. „Ja bitte. Ich will jetzt wirklich keinen Besuch sehen …“ Er nickte zustimmend und stand auf, schlenderte zur Wohnungstür und hörte von draußen Geräusche. Nanu? Ein Nachbar? Schnell öffnete er die Tür, wappnete sich in Gedanken und legte sich ein paar Ausreden zurecht, warum Hodaka gerade nicht zu sprechen war. Doch alle Gedanken waren weg, als er den Besuch vor der Tür erkannte. Es war Yumi, mit verweintem Gesicht und vor Unsicherheit unruhig von einem Bein auf das andere tippelnd. „Oikawa!“, hauchte sie überrascht, hustete sofort und er lehnte die Tür an, stellte sich zu ihr nach draußen. „Will er … Will er mich nicht sehen? Ich wollte ihn nicht verraten! Er ist doch mein Bruder … Ich hab ihn so lieb und es tut mir so leid! Das habe ich alles nicht gewollt! Aber die anderen haben so viel Unsinn über – naja, du weißt schon – geredet und ich habe das nicht mehr ausgehalten! Irgendjemand musste ihnen doch mal die Meinung geigen! Und ich … Ich … Ich habe alles kaputt gemacht!“, platzte es aus ihr heraus und verzweifelt brach sie erneut in Tränen aus. Voller Mitgefühl umarmte er sie und sie krallte sich geradezu in sein Oberteil, um Halt zu finden. Beruhigend strich er ihr über den Rücken und murmelte: „Er weiß, dass du es nicht böse gemeint hast. Es war eine emotionale Ausnahmesituation … Ich denke, es ist gut, dass du hergekommen bist. Ich kann notfalls zwischen euch vermitteln, also lass uns reingehen, hm? Ihr werdet das gemeinsam schaffen, auch wenn das vielleicht lange Zeit braucht, bis Hodaka wieder Vertrauen fassen kann …“ „I-ist gut … Danke, dass du für ihn da bist! Und dabei bist …“ „Na klar. Er ist ja auch immer für mich da, wenn ich ein Problem habe. Das gehört zu einer Freundschaft dazu“, erwiderte er leicht lächelnd und musste doch zugeben, dass ihn die letzten Monate verändert hatten. Früher war er zwischenzeitlich egoistischer gewesen, hatte nicht so viel Rücksicht auf andere genommen, doch seit der Uni hatte es angefangen, sich erneut zu ändern. Besonders natürlich seit diesem Frühling, als ihr Volleyballteam mit den vier Krähen irgendwie vollständig geworden war. Sie halfen sich gegenseitig und Toru war klar geworden, dass auch er seinen Beitrag abseits des Feldes zu leisten hatte und da sie ihm auch alle geholfen hatten, als er weggerannt war, wollte er das auch zurückgeben. Gott, das war noch kein Jahr her. Dabei fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Zeit war schon etwas Seltsames … Behutsam schob der Setter Yumi in die Wohnung und trat an ihr vorbei, um Hodaka vorzuwarnen. Er hörte, wie sie die Wohnungstür schloss und das Mädchen hinter ihm stehen blieb. „Hey, ich hab den Besuch doch hereingelassen …“, fing Oikawa ruhig an und wurde stirnrunzelnd angeschaut. Das warum war ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, doch bevor er sich erklären konnte, quetschte sich Yumi an ihm vorbei und er konnte gerade nicht einschätzen, was in seinem Kumpel vorging. „Bitte vergib mir, großer Bruder! Es tut mir so leid! Ich wollte dich nie verraten! Aber die anderen haben so viel Unsinn geredet und ich war so wütend! Ich konnte das doch alles nicht so stehen lassen. Das war alles nur Quatsch, was sie da geredet haben und ich wollte nur dagegenhalten, aber dich doch nicht verraten! Plötzlich waren die Worte einfach raus und ich konnte selbst nicht glauben, dass mir das passiert ist. Du bist mir so wichtig, Hodaka! Und ich habe dich so enttäuscht … I-ich verstehe, we-wenn du mir das nicht verzeihen kannst“, plapperte Yumi mit tränenerstickter Stimme drauf los und sackte vor ihrem Bruder auf die Knie und vergrub das Gesicht in ihren Händen, als sie weitersprach: „Das hätte mir niemals passieren dürfen! Ich habe versucht, mit unseren Eltern zu reden, aber wir dürfen nicht mal mehr deinen Namen erwähnen. Ich habe alles kaputt gemacht! Es ist meine Schuld!“ „Nein. Nein, hör auf, Yumi … Du kannst nichts dafür, dass unsere Eltern so konservativ sind“, murmelte Hodaka, raufte sich angestrengt die Haare. Sein Blick wanderte unsicher zu ihm und Toru nickte ihm leicht lächelnd zu. Es war nicht zu übersehen, dass Yumi das alles aus tiefstem Herzen bereute und er hatte es selbst gesagt. Keiner von ihnen konnte etwas dafür, dass die Eltern nicht damit klarkamen. Dass sie ihren Sohn nur darauf reduzierten. Was natürlich nichts daran änderte, dass sie sein Vertrauen missbraucht hatte, aber die Zeit würde zumindest diese Wunde heilen lassen. Davon war er überzeugt. Vielleicht würde Hodaka nicht mehr jedes Geheimnis mit ihr teilen, aber sie würden sich wieder zusammenraufen. Zufrieden beobachtete der Setter, wie sich der Blondschopf vom Sofa rutschen ließ und seine kleine Schwester in eine Umarmung zog. Das herzzerreißende Weinen der Zwei erfüllte die Wohnung und in diesem Moment kam er sich so fehl am Platz vor, doch er konnte sich jetzt nicht einfach davonstehlen. Da er aber auch nicht weiter dumm rumstehen wollte, beschloss er, etwas für die Beiden vorzubereiten. Möglichst leise suchte er alle Sachen in der kleinen Küche zusammen und zu seinem Glück fand er alles, sodass er sich an die Arbeit machen konnte, während die anderen sich allmählich etwas beruhigten. Kurz bevor er fertig war, schnieften sie hinter ihm und putzten sich die Nasen. Dann hörte er Hodakas kratzige Stimme: „Was machst du da?“ „Einen Moment noch, dann seht ihr es“, versprach Toru lächelnd, verfeinerte noch kurz sein Werk und drehte sich dann mit zwei großen Bechern um, die mit heißer Schokolade mit Sahne gefüllt waren. Als Kind hatte seine Mama das immer gemacht, wenn er traurig gewesen war und die Zwei waren es definitiv. Schokolade half in solchen Momenten immer, alte Weisheit! „Ein Kakao?“, schniefte die kleine Schwester hilflos und Oikawa nickte lächelnd, reichte ihnen vorsichtig die Tassen. Dann nahm er die Decken und Kissen vom Sofa und sie machten es sich auf dem Boden bequem. Während Toru seinen Tee genoss, schlürften Hodaka und Yumi ihre heißen Schokoladen und alle schwiegen. Die Atmosphäre war längst nicht so unangenehm, wie er befürchtet hatte und dennoch waren sie am Anfang eines noch langen Weges. So wie Iwa und er auch … Aber am Ende würden sie es alle Vier schaffen und glücklich werden. Daran glaubte Toru ganz fest. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bereits kurz vor Mitternacht war und er sprach kurz mit Hodaka, dass er hier schlafen konnte, denn er hatte keine Lust, jetzt noch rauszugehen. Es war nur kalt und irgendwann hatte es angefangen zu regnen! Also schrieb er seinem Freund schnell eine Nachricht, dass er erst morgen früh wieder nach Hause zurückkehren würde und sofort bekam er eine Antwort, was ihn lächeln ließ. Hoffentlich konnte Kuro ihn gut ablenken. Das war für ihn wichtig, dessen war sich der Setter absolut sicher. Wie von Hajime gewollt, grüßte er Hodaka von ihm und gemeinsam mit Yumi machten sie es sich alle Drei auf dem Sofa unter Decken bequem und schauten noch etwas fern. An Schlaf war nach all der Aufregung überhaupt nicht zu denken. Irgendwann jedoch wurde es neben ihm ruhiger und lächelnd stellte er fest, dass die Geschwister friedlich eingeschlafen waren. Yumis Kopf lehnte an Hodakas Schulter und Toru zog die Decken nach oben, damit sie nicht froren. Dann machte er den Fernseher aus und es sich ebenfalls gemütlich. Es dauerte nicht lang, bis auch er nach dem aufregenden Abend ins Reich der Träume abdriftete. Kapitel 24: Der Elternbesuch ---------------------------- Samstag, 02.12. Schweigend saß und aß Iwaizumi am Küchentisch und lauschte dem Gespräch der anderen Drei, die sich über Italien unterhielten. Mattsun und Makki hatten eben die Flüge für ihre Reise gebucht und Toru währenddessen auf dem Sofa gelegen und sich eine weitere Dokumentation darüber angeschaut. Er selbst hingegen hatte erst in seinem Zimmer noch etwas auf dem Fahrrad trainiert und danach auf seinem Bett noch an seinem Laptop herum gedaddelt. Es gab da so ein simples Aufbauspiel, das er hin und wieder mal anwarf, wenn er Langeweile hatte. Seit er Toru geschlagen hatte, war irgendwie der Wurm drin. Das lag zum einen an Hanamakis stechendem Blick, wenn sie sich sahen und zum anderen an ihm selbst. Ihm war einfach nicht klar, wie er sich jetzt verhalten sollte. Er bereute es zutiefst und obwohl Oikawa sich in der zweiten Nacht zu ihm gelegt hatte, war alles irgendwie unsicher. Es war zum Haare raufen und wie immer, wenn er nicht wusste, was er tun sollte, zog er sich zurück. Noch schlimmer war aber, dass ihn dieses Mal keiner ins Wohnzimmer holte, wie sie es sonst getan hätten. Den ganzen Morgen hatte er unbewusst darauf gewartet, denn alle Drei waren schon seit 9 Uhr wieder zurück, doch niemand kam zu ihm. Sie ließen ihm seinen Freiraum, von dem er keine Ahnung hatte, was er damit anfangen sollte. Das verunsicherte ihn noch mehr und ließ ihn wie einen Außenseiter fühlen. Es war schrecklich. Aber … Irgendwie hatte er das doch auch verdient. Wer so eine scheiße anstellte, musste mit den Konsequenzen leben und bei Makkis Erfahrung in der Vergangenheit konnte er ihm nicht übelnehmen, dass er ihn wahrscheinlich sogar mied. Mattsun kümmerte sich selbstverständlich um seinen Verlobten, auch das war vollkommen in Ordnung und Toru legte sich zwar abends zu ihm schlafen und in diesen Augenblicken war auch alles in Ordnung, aber tagsüber waren da Vibes, die er nicht zu deuten wusste. Zu allem Überfluss würden gleich auch noch seine Eltern auf der Matte stehen und mit ihm reden wollen. Er war sich nicht sicher, ob er die Kraft dafür hatte, so angeschlagen, wie er sich fühlte. Darum drücken kam aber auf gar keinen Fall in Frage. Dann war da auch noch das Gespräch mit Kuro gestern Abend gewesen. Dem Ass war nicht klar, ob er es jetzt gut fand, dass die Katze es wusste oder ob er sich deswegen verfluchen sollte. Verdammt, wie konnte er nur so unsicher sein bei allem und jedem! Damit ging er sich schon selbst auf die Eier. Das musste zwingend wieder besser werden, bevor er wegen sich selbst schlechte Laune bekam. Genug jetzt davon. Bevor es hier voll wurde, wollte er seinen Freunden noch etwas mitteilen. Also wartete er ab, bis bei den anderen Drei eine kurze Gesprächspause entstand und räusperte sich leise. Sofort schauten ihn sechs Augen an und unruhig rutschte er auf seinem Stuhl herum. Er hasste es, so im Fokus zu stehen. „Ich ähm … Ich möchte euch noch etwas mitteilen“, murmelte er unsicher und Toru legte ihm liebevoll lächelnd eine Hand auf seine und streichelte sie. Er wollte ihm Mut machen, aber die Geste ließ ihn noch nervöser werden. Makkis zweifelnder Blick half da auch nicht wirklich. Nur Mattsun sah ihn an wie immer. Vielleicht konnte er aber auch gar nicht anders schauen. Wer wusste das schon? „Hau raus“, forderte der Rosahaarige und trank einen Schluck seines Kaffees. Das Ass atmete tief durch und kratzte seinen Mut zusammen, dann erklärte er: „Ich habe Mittwochabend noch mit meinem Vater telefoniert und als Arzt hat er hin und wieder auch mal mit Fällen häuslicher Gewalt zu tun.“ „Hajime“, unterbrach ihn sein Freund besorgt und drückte ein weiteres Mal seine Hand, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, Toru. Es ist, wie es ist. Ich war wütend und verletzt und habe dich geschlagen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und das war nicht so wie beim Volleyball, wenn du mir auf die Nerven gegangen bist und ich dich mit einem Volleyball abgeworfen habe. Das … Ich habe Angst vor mir selbst. Ich will dir nicht wehtun, egal wie sehr wir streiten. Und deswegen habe ich meinen Vater gebeten, mir Telefonnummern von Selbsthilfegruppen zu schicken.“ Alle Drei hoben fast gleichzeitig die Augenbrauen und für einen kurzen Moment spürte er, wie seine Mundwinkel zuckten. So einträchtig sah man die Drei auch nur selten. „Selbsthilfegruppe?“, echote Hanamaki und er nickte. „Ja. Ich habe mich bereits bei den drei Gruppen gemeldet und bei der einen habe ich in zwei Wochen einen Termin. Bei den anderen stehe ich auf einer Warteliste. Das erste Treffen findet nur mit dem Leiter statt, um sich kennenzulernen und einschätzen zu können, wie die Lage ist. Und dann wird entschieden, wie man am besten vorgeht. Also welche Gruppe und so …“ „Dir ist das echt ernst, oder?“, hakte Makki weiter nach und musterte ihn ruhig, während er kurz auf Torus Hand schaute, die ihn streichelte. Dann schaute er seinen Kumpel an, nickte ihm zu und murmelte: „Ja, auf jeden Fall. Das darf nie wieder passieren. Ich … Ich will so nicht ausrasten. Das hat mir selbst Angst gemacht.“ „Ich finde das sehr gut, dass du das tun willst und bereits die Gruppen abtelefoniert hast. Das ist bestimmt nicht leicht für dich und wenn du Hilfe brauchst, kannst du dich jederzeit an uns wenden. Wir stehen dir zur Seite“, meinte Mattsun lächelnd und sogar die Mundwinkel des Rosahaarigen fanden den Weg nach oben, als er zustimmte: „Jep. Dass du die Eier hast, das anzugehen, hat Respekt und Hilfe verdient. Trotzdem wirst du unter meiner Beobachtung stehen und wehe, du nimmst das nicht ernst.“ Iwaizumi räusperte sich, weil er den Kloß in seinem Hals loswerden wollte, doch stattdessen spürte er, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten. Fuck, sie waren wirklich die besten Freunde, die man haben konnte. Ehe sie noch sehen konnten, wie sehr ihn das mitnahm, vergrub er das Gesicht in seinen Händen und versuchte durchzuatmen, konnte das Zittern aber nicht verhindern. Er hörte, wie ein Stuhl verschoben wurde und spürte neben sich einen Körper, der ihn beschützend umarmte. Der so vertraute Duft nach Blumenduschgel stieg ihm in die Nase und er vergrub seinen Kopf in der Halsbeuge. Die Anspannung fiel von ihm ab. Die anderen akzeptierten ihn noch immer, auch wenn Makki noch skeptisch war, aber das konnte er verstehen. Er würde ihm beweisen, dass er es absolut ernst meinte. Am meisten aber wurde ihm in dem Augenblick bewusst, dass er weiterhin einen Freund hatte. Und dafür war das Ass unendlich dankbar. Er würde die Chance nutzen, um seine Impulsivität in den Griff zu kriegen. „Wir sind für dich da, Schatz. Zusammen werden wir das schaffen, hm?“ Beruhigend streichelte eine Hand über seinen Hinterkopf, die andere über seinen oberen Rücken. Es war alles zu viel gerade und er war froh, dass Toru da war, um ihn zu beruhigen und zu unterstützen. Ihm war nicht klar, wie lange er sich da so vergraben hatte und Oikawa immer wieder leise zu ihm gesprochen hatte, bis er sich soweit gefangen hatte, dass er die anderen erneut anschauen konnte. Sie lächelten ihn aufmunternd an und er versuchte das zu erwidern, aber Makki brach nur in schallendes Gelächter aus. Toru kicherte dicht neben ihm und sogar Matsukawa schmunzelte, als er ihn anschaute. Himmel, sah der Versuch seines Lächelns so grotesk aus, wie es sich anfühlte? Bei dem Lachen der anderen löste sich etwas in ihm und auch er begann leise zu kichern. Es tat gut, das mal wieder tun zu können und er schöpfte neue Kraft. „Nein, ich werde nicht gehen.“ „Toru?“, hakte Shinichi überrascht nach. „Ich weiß, dass ihr mit ihm reden wollt, aber Hajime nimmt die Sache schon so sehr mit. Ihr habt ihn die letzten Tage nicht erlebt und ich lasse ihn nicht allein, wenn er so sehr mit sich selbst zu kämpfen hat“, erklärte der Setter entschieden und setzte sich demonstrativ neben ihn auf das Sofa. Sein Dad musterte ihn argwöhnisch und Iwa wollte etwas sagen, aber der Violetthaarige hatte recht. Er würde sich wirklich wohler fühlen, wenn er blieb. Ihm war klar, dass seine Eltern ihm nichts Böses wollten oder so, aber das Gespräch mit seinen Freunden beim Brunchen vorhin hatte ihn schon so viele Nerven gekostet. Es würde dauern, bis sich das wieder so weit gebessert hatte, dass er solche Kämpfe wieder allein austragen konnte. Mai lächelte verständnisvoll und sagte sanft: „Das ist schon in Ordnung. Wir können auch gern zu Viert reden. Es ist sehr löblich, dass du dich so um ihn kümmerst, wenn es ihm schlecht geht. Dennoch besorgt uns die ganze Situation auch sehr … Deswegen sind wir schließlich hierhergefahren.“ „Mich doch auch! Ich habe ihn doch nie schlagen wollen!“, platzte es empört aus ihm heraus und sofort begann er zu zittern. Das Thema machte ihn fertig und er war froh, wenn er das nicht mehr überall doppelt und dreifach erklären musste. Ihm war doch klar, was er getan hatte und er wollte es ja auch ändern! „Wie ist es denn dazu gekommen, wenn ich fragen darf?“, wollte seine Mum wissen und setzte sich auf seine andere Seite, strich ihm sanft über den Rücken. Das Ass atmete tief durch, als Toru sie anschaute und alles ruhig berichtete. Es war irgendwie komisch, dass aus seiner Sicht zu hören und wie er das alles betrachtete. Wobei er nichts beschönigte, was auch gut so war. Denn es gab da nichts dran schön zu reden. „Du hast Milchbrötchen gebacken, Schatz?“ Mehr als irritiert musterte ihn seine Mutter und ihre Augen wurden vor Unglauben größer, als er nickte. „Ja. Ich weiß doch, wie sehr er die liebt. Und weil ich mich sonst immer um alles drücke, was mit Kochen und Backen zu tun hat, wollte ich ihn so überraschen. Doch diese Rezepte sind zu ungenau und ich habe es einfach nicht hinbekommen … Am Nachmittag habe ich dann Mattsun um Hilfe gebeten, obwohl ich das allein hinkriegen wollte und er hat mir ein paar Tipps gegeben, sodass ich dann doch noch welche hinbekommen habe, die glaub ich ganz gut waren.“ „Für einen ersten Versuch sind sie echt super gelungen! Natürlich nicht so gut wie deine, Mai, aber du musst dich da nicht verstecken, Schatz“, erwiderte Oikawa lächelnd und seine Mum fragte direkt nach, ob noch welche da seien und Toru stand kurz auf, um das letzte zu holen, damit sie es sich teilen konnten. „Hast du schon telefoniert?“, wollte sein Vater wissen, kaum dass sein Freund den Raum verlassen hatte und Iwa nickte, ohne ihn anzuschauen. „Ja, erzähle ich euch gleich …“ Seine Mum musterte ihren Mann streng und Hajime beobachtete, wie Shinichi ihrem Blick auswich. Offenbar war sein Vater doch ziemlich angespannt, dass sie nicht allein reden konnten. Die Anspannung, die er ausstrahlte, war förmlich greifbar. Dabei gehörte der Setter doch sowieso schon zur Familie. Also warum tat er sich damit so schwer? Und er selbst war nach wie vor mehr als froh, dass er hier nicht allein sitzen musste. Toru gab ihm die nötige Kraft, das Thema immer und immer wieder aufzuwärmen, auch wenn das jetzt hoffentlich erst mal das letzte Mal war, bis er den Termin bei der Gruppe hatte. Er wollte wieder nach vorn schauen und weitermachen, denn es brachte ihn nicht weiter, wenn er sich nur noch mit diesem Thema beschäftigte. Seine Uni hatte die vergangenen Tage schon genug darunter gelitten – vom Volleyballtraining einmal ganz abgesehen. Und seit heute Morgen, wo er sich mit seinen Freunden ausgesprochen hatte, hatte er das Gefühl, dass er wieder starten konnte. Zu seinem Glück kam Oikawa bereits zurück und nahm eng neben ihm Platz, sodass sich ihre Beine berührten. Es war sein Zeichen, dass er für ihn da war, dass er ihn beschützen würde und augenblicklich entspannten sich seine Muskeln wieder etwas. Der Blick seines Vaters hatte ihn unbewusst verkrampfen lassen. „Das ist wirklich gut, Schatz! Für dein erstes Mal und nur mit ein paar Tipps. Vielleicht solltest du öfters mal backen!“, urteilte seine Mum überrascht und lächelte ihn so liebevoll an, wie es wahrscheinlich nur Mütter konnten. Trotzdem wusste Hajime, dass er sie enttäuscht hatte, auch ohne, dass sie es aussprach. Er konnte es in ihren Augen sehen und er schämte sich dafür, dass er ihr so einen Kummer bereitete. Sie sollte stolz auf ihn sein können, stattdessen hatte er versagt. Verdammt, er wollte endlich wieder nach vorn schauen, an sich arbeiten, aber diese deprimierenden Gedanken kehrten immer wieder zu ihm zurück! Dennoch. Seine Eltern würden ihn nicht fallen lassen und ihm helfen, dass er sich ändern konnte und das war ihm so wichtig. „Um Gottes Willen, nein. Die Aktion hat mich genug Nerven gekostet. Das ist nicht mein Gebiet …“, stellte Iwaizumi – die Gedanken in die hinterste Ecke schiebend – klar, was seine Mum und Oikawa kurz kichern ließ. Ihm war ja noch immer schleierhaft, wie man das gern tun konnte. Aber das war ein anderes Thema und da sein Dad das eben schon ungeduldig angeschnitten hatte, berichtete er von seinen Anrufen bei den Selbsthilfegruppen und wie die nächsten Schritte waren. „Das hört sich gut an, mein Sohn. Ich bin wirklich stolz auf dich, dass du das Thema so konsequent angehst, auch wenn das viel Kraft kostet und unangenehm ist. Selbstverständlich werden wir dich auf diesem Weg unterstützen und wie immer kannst du dich jederzeit melden. Ich hatte kurzfristig Angst, dass du das nur so sagst, um mich zu beruhigen und dich doch nicht da gemeldet hast. Daher war ich vielleicht etwas angespannt eben. Entschuldige, aber ich habe mir die Tage viele Gedanken gemacht, ob wir vielleicht auch etwas falsch –“ „Nein, habt ihr nicht“, unterbrach Iwaizumi ihn und senkte den Blick, als er hinzufügte: „Das habe ich verbockt. Da habt ihr nichts mit zu tun. Und mit eurer Hilfe werde ich das in den Griff kriegen.“ „Ja, das wirst du“, stimmte Toru zu und gab ihm ein Küsschen auf die Schläfe, während er eine Hand auf seinem Oberschenkel abgelegt hatte. Seine Eltern stimmten lächelnd zu, als sie vom Flur her hörten, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Offenbar hatten Mattsun und Makki nach drei Stunden ihren Ausflug beendet. Sie steckten kurz den Kopf herein und grüßten alle freundlich. „Bleibt ihr noch zum Essen?“, wollte Issei wissen und Mai erwiderte: „Nein nein, ihr könnt nur für euch kochen. Wir müssen uns gleich wieder auf den Weg machen. Morgen kommen meine Eltern zu Besuch und da müssen wir halbwegs fit sein.“ „Alles klar, dann liebe Grüße an die Zwei.“ Makki winkte und schloss die Tür wieder. Iwa war dankbar, dass das Gespräch sich nur noch um seine Großeltern, das Studium und Torus Vertrag drehte, den er heute Morgen von Isseis Dad zurückbekommen hatte. Offenbar war da alles in Ordnung und sein Freund wollte ihn gleich noch unterschrieben an die Agentur zurückschicken. Iwa freute sich so für ihn, dass es da endlich weiterging und bald die Vertragsverhandlungen losgehen konnten. Während sich auch seine Eltern sehr darüber freuten, war Hajime dankbar, dass er etwas abschalten konnte. Ab jetzt würde er nach vorn schauen. Kapitel 25: Das Geständnis -------------------------- Sonntag, 03.12. / Freitag, 08.12. „Was ist los mit dir, Oikawa? Konzentrier dich! Das Training geht noch eine Stunde!“, rief der Coach genervt und Toru versenkte den Ball mit einem kräftigen Schlag im gegnerischen Feld. Konnte der nicht mal die Klappe halten? Der Setter schob genervt die Unterlippe vor, als er sich umdrehte und seinem Freund eine Grimasse schnitt. Dieser lächelte ihn liebevoll an und nickte ihm zu, dass er sich nicht nerven lassen sollte und er versuchte es ja, aber diese ständigen Zwischenrufe gingen ihm auf die Eier! Immerhin war es seit Iwas Verteidigung besser geworden, doch mögen würde er diesen Mann nicht mehr. So viel war klar. Er konnte es kaum erwarten, dass ihr alter Trainer wieder da war. Schließlich wollten sie auch für ihn die Meisterschaft holen, damit er danach in Ruhe in Rente gehen konnte. Das hatte dieser sich verdient. Aber nun musste der Setter erst einmal das Training hinter sich bringen. Wie vor der Entschuldigung von Hajime abgemacht, zeigte das Team seitdem eine solide, aber keine überragende Leistung beim Training. Stattdessen spielten sie locker runter, bis der offizielle Teil vorüber war und der Trainer weg, dann zog sich sein Freund schnell um und sie hängten noch eine ausgedehnte Session hinten dran. Seit Montag war er wieder ins Training eingestiegen und er merkte, wie gut es seinem Freund tat, dass er sich auf dem Feld auspowern konnte. Bei ihrem Sondertraining half ihnen Mako, machte sich Notizen und zeichnete ihr Training sogar mit einer Kamera auf. Oikawa, Kuro, Bokuto und Mako würden sich morgen treffen, um das Material auszuwerten und zusammenzuschneiden, um es dann mit dem Team zu besprechen. Eigentlich hatte er das ja jeden Abend tun wollen, aber aufgrund des Extratrainings kamen sie sowieso schon nicht mehr vor 23 Uhr nach Hause und somit hatten sie das auf das Wochenende verschoben. Der Setter freute sich auf dieses Treffen, denn sie würden selbst an ihrer Leistung arbeiten und alle waren sehr konsequent, produktiv und konstruktiv bei der Sache. So machte es ihm noch mehr Spaß, diese Gruppe als Captain anzuführen. Es war wirklich ein Glücksfall, dass sie alle so gut miteinander zurechtkamen. Das restliche Training über brachten sie hinter sich und heute gab es kein Sondertraining, da Iwaizumi noch etwas mit ihm unternehmen wollte. Was genau wusste Oikawa nicht, aber er freute sich darauf. Die Woche war komisch genug gewesen bzw. die letzten eineinhalb Wochen. So lange war der Streit schon her. Sie waren beide so unsicher im Umgang miteinander und er zickte deutlich mehr herum, das konnte er nicht abstreiten. Es waren Kleinigkeiten, die ihn wieder aufregten, wie die Socken, die er regelmäßig unter den Decken auf dem Sofa fand. Oder dass Iwa wahllos seine Sachen im Bad abstellte, dabei hatte jeder seinen Bereich, wo er sich ausbreiten durfte! Die letzten Monate hatte er das klaglos einfach aufgeräumt, da er sich in den zweieinhalb Jahren des Zusammenlebens daran gewöhnt hatte, doch diese Woche hatte er seinen Freund deswegen angemacht, was dieser ruhig über sich hatte ergehen lassen. Hoffentlich würde es bald wieder entspannt zwischen ihnen werden, wenn Iwa erst einmal die Selbsthilfegruppe besuchte. Matsukawa gab ihm das Gefühl, dass sie das schaffen konnten, unterstützte sie beide, wie er wusste und er war dem Schwarzhaarigen unglaublich dankbar dafür. Erst am Sonntag hatten sie sich lange und intensiv über den Streit unterhalten, über die Gefühle und Ängste, die er deswegen hatte und insgeheim glaubte der Setter, dass sein Mitbewohner in Wirklichkeit Psychologie studierte. Das mit Wirtschaft und Management war nur eine Ausrede, damit ihn nicht jeder nach Rat fragte. Andererseits funktionierte das so gar nicht, denn es wandten sich trotzdem viele an Issei, wenn sie Schwierigkeiten hatte. Und dann war da noch Montagabend gewesen, der ihn noch immer beschäftigte … Gemütlich lag der Violetthaarige neben seinem Freund, der ihm mit einer Hand den Nacken massierte, während Toru noch die letzte Seite des Kapitels las. Es war die Autobiographie von Steve Jobs, die der Dozent ihnen empfohlen hatte und Oikawa hatte sich daraufhin das Buch gekauft, um es zu studieren. Doch jetzt wollte er noch mit seinem Ass kuscheln. Denn so komisch die Tage auch sein mochten, die Abende liebte der Setter sehr, wenn sie sich gegenseitig streichelten, kuschelten und rumknutschten. Ganz unschuldig, sehr liebevoll. Das waren die Momente, in denen Toru all seine Probleme vergaß, einfach nur das Jetzt genoss. Obwohl es schon irgendwie seltsam war, dass sie hier so in Eintracht liegen konnten, während die Tage so kompliziert waren. War es die Müdigkeit? Die ruhige Atmosphäre des Abends? Der vertraute Geruch, der die Bettwäsche umgab? Oikawa wusste es nicht, aber unbewusst war er schon froh, dass er diese Zeit mit Hajime hatte. Ihm war schleierhaft, warum er die Frage jetzt schon stellte, aber sie schwirrte gerade in seinem Kopf herum, also erkundigte er sich: „Hast du eigentlich etwas für das Wochenende geplant?“ „Schatz, wir haben Montag“, erinnerte ihn Hajime schmunzelnd und strich ihm über die Haare. „Ja und? Du planst doch gern voraus.“ „Das stimmt schon, aber was das angeht, Toru …“ Das Ass strich sich durch die Haare und seufzte leise. Nanu? Stimmte etwas nicht? „Was ist los, Schatz? Sprich bitte mit mir“, forderte er ihn sanft auf und legte eine Hand an seine Wange. Vielleicht war jetzt der beste Zeitpunkt, um Dinge anzusprechen, wo sie eh gerade ihre Schwierigkeiten hatten. Dann hätten sie einen Neustart, wo sie besser auf die Bedürfnisse des anderen eingehen konnten. Hajime musterte ihn mit seinen Smaragden, die direkt in ihn hineinzusehen schienen, als er unruhig versuchte, sich zu erklären: „Naja, ich habe das Gefühl, dass …“ Frustriert seufzte er kurz, dann fuhr er mit ruhigerer Stimme fort: „Seit wir zusammen sind, habe ich fast alle Ausflüge und Wochenenden geplant und ich frage mich, ob du nicht auch mal Ideen hast, was du mit mir unternehmen willst.“ Oh … Da hatte er nicht unrecht. Die Wünsche, die er bisher geäußert hatte, was ihre Freizeitplanung anging, waren zahlenmäßig nicht weiter erwähnenswert. Irgendwie hatte es sich so ergeben, dass Hajime das übernommen hatte und er hatte sich darauf ausgeruht, dass er sich schon um ihre gemeinsame Freizeit kümmern würde. Dabei gab es noch Dinge, die er unbedingt noch mit ihm machen wollte. Disneyland, die Universalstudios in Osaka, Matsue, Takayama, verschiedene Museen, Schreine und Tempel in und um Tokyo. Es war ja nicht so, als gäbe es hier nichts zu entdecken. In Zukunft würde er sich da mehr einmischen. Hajime sollte nicht das Gefühl haben, dass das alles nur an ihm lag. „Du hast recht. Ich habe mich immer darauf verlassen, dass du etwas für unsere Freizeit planst, aber in Zukunft werde ich da mehr mitmischen. Es gibt schließlich noch so viel zu entdecken!“ „Ja, da hast du recht“, stimmte Hajime lächelnd zu und schien erleichtert zu sein. Er selbst war das auch, denn Iwa lernte immer besser, sich die Probleme und Wünsche von der Seele zu reden und dass, obwohl es gerade so anstrengend zwischen ihnen war. Das beruhigte ihn, denn dann konnten sie in Zukunft noch besser zusammenleben. Und das wollte er ihm auch sagen, also öffnete er den Mund und die Worte kamen wie von selbst: „Ich bin wirklich froh, dass du mir das gesagt hast. Ich weiß, dass es derzeit nicht leicht ist, aber dass du trotzdem mit mir über deine Wünsche sprichst, macht mich froh. Besonders, weil ich weiß, wie schwer es dir fällt.“ Toru hob den Kopf etwas an und drückte seinem Freund die Lippen auf, der knallrot angelaufen war. Offenbar war ihm das mehr als peinlich, dass er ihm das gesagt hatte. Dabei war er nur ehrlich und das war doch so wichtig in einer Beziehung. Geradezu schüchtern erwiderte das Ass den Kuss und Toru verlor sich ein wenig in diesem und den Händen, die ihm so sanft über den Rücken und die Seiten streichelten. Zielstrebig schritt der Setter auf Iwaizumi zu, der sich noch mit Mako unterhielt. Ihre Haltungen wirkten irgendwie angespannt und plötzlich fragte er sich, worüber sich die Zwei unterhielten. Als er näherkam, schnappte er ein paar Gesprächsfetzen auf und Toru fühlte sich auf einmal unwohl, sie zu stören, aber sie hatten ihn bereits bemerkt. „ … nicht, was mit Kaori nicht stimmt, aber ich habe damit abgeschlossen.“ Mako seufzte und strich sich durch die Haare, als ihre Augen zu ihm schauten und sie lächelte. „Ah Toru, da bist du ja. Du wirst schon sehnsüchtig erwartet.“ „Du aber auch. Hayato denkt, du bist schon draußen“, entgegnete er leicht lächelnd und sie hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund. „Oh je! Ich ähm … Mach mich dann mal auf den Weg. Viel Spaß euch heute Abend noch und wir sehen uns!“, rief sie und lief schon winkend an ihm vorbei. Iwa und er sahen ihr nach und das Ass grinste leicht, als er ihn besorgt musterte. „Ihr habt über Kaori gesprochen?“, platzte es aus ihm heraus und er fühlte sich so nervös. Gerade konnte er den Blick seines Gegenübers nicht richtig deuten. Nahm er ihm die Frage übel? Aber sie hatten doch nicht getuschelt! Seine Unruhe war unbegründet, denn Iwaizumi nickte und erklärte, während er auf die Tür zuschlenderte: „Ja. Ich hatte sie gefragt, wie es bei ihr läuft, da sie ja ursprünglich beste Freundinnen waren, doch das hat sich wohl erledigt. Mako ist so enttäuscht von ihr, dass sie mir den wahren Grund der Trennung so lange vorenthalten hat und Kaori hat ihr im Streit wohl alte Kleinigkeiten vorgeworfen und Mako war es zu blöd geworden. Jetzt sind wohl Kaori und Yukie beste Freundinnen, aber Mako ist mit Hayato glücklich und hat noch andere Freundinnen, wie sie mir versicherte. Also kein Grund zur Sorge.“ Toru nickte nachdenklich. Stimmt, im Sommer hatte ihre Beziehung ihren Anfang genommen, alös Mako ja Hayato gefragt hatte, ob sie bei ihm unterkommen könnte, da sie sich mit Kaori gestritten hätte. Er erinnerte sich so genau daran, weil sie genau in dem Moment hereingeplatzt war, als er Iwa die komplette Wahrheit hatte erzählen wollen. Und zusätzlich hatte sie ihm noch seine Übernachtungsmöglichkeit vor der Nase weggeschnappt. Zum Glück ist das ja für alle gut ausgegangen. „Was hast du jetzt eigentlich noch mit mir vor?“, fragte der Setter neugierig, ließ das Thema Ex-Freundin ruhen und musterte seinen Freund von der Seite her. Das leicht amüsierte, aber auch geheimnisvolle Lächeln ließ sein Herz höherschlagen. Eine Überraschung? „Das wirst du sehen, sobald wir da sind“, prophezeite Hajime und spreizte seinen Arm leicht ab, sodass sich Toru gemütlich einhakte. Sie unterhielten sich entspannt über verschiedene Themen, während die kalte Luft an ihren Mänteln zog und die Neonlichter der Werbetafeln ihre Augen blendeten. So spät abends wirkten sie noch greller und funkelnder. Zwar liebte der Setter den Sommer, die Wärme und die Sonne, aber konnte auch dem Winter viel abgewinnen, wenn man sich unter der Decke zusammenkuschelte, gemeinsam heißen Tee trank und natürlich auch die Weihnachtsgeschenke. Zwar hatte er gelesen, dass das Fest in anderen Teilen der Welt viel größer gefeiert wurde, doch er mochte es auch hier zu feiern. Denn hier war es eben mehr ein Pärchenfest und der Gedanke, dass es sein erstes Weihnachten mit Hajime als Freund sein würde, ließ sein Herz höherschlagen. Er wollte das genießen, einen tollen Tag mit ihm verbringen, auch wenn sie gerade zu kämpfen hatten. Vielleicht war es eine weitere Gelegenheit, um sich wieder anzunähern. Das wäre schön. „Na? Wovon träumst du gerade?“, murmelte Iwa grinsend und führte ihn über die Shibuya Crossing, die noch immer super voll war und weiter die Shoppingstraße entlang. Wo wollte er nur mit ihm hin? Er war doch so neugierig! „Von dir, wie immer“, entgegnete er und streckte ihm frech die Zunge heraus. Zu seiner Überraschung lachte das Ass kurz leise und automatisch beschleunigte sich sein Herzschlag. Er liebte es, ihn lachen zu hören. Das musste er unbedingt öfters hinkriegen! Entspannt schlenderten sie weiter, auch wenn der Setter immer wieder komische Blicke glaubte zu sehen oder dass Leute plötzlich anfingen zu tuscheln. War das wegen des Uni Gesprächs? Bildete er sich das ein? Oder hatten die Leute wirklich ein Problem damit, sie so zu sehen? Aber wenn dem so war, warum denn nur? Es ging sie doch nichts an, mit wem er glücklich war! Die sollten sich um ihre eigenen Probleme kümmern! Aus Protest kuschelte er sich noch enger an Hajime, der das mit einer hochgezogenen Augenbraue zur Kenntnis nahm, aber nichts dazu sagte. Stattdessen legte er ihm einen Arm um die Taille, da es so gemütlicher war und Toru freute sich, dass er kein Problem damit hatte. Wahrscheinlich würde das Ass sich eher mit anderen anlegen, die ihnen dumm kamen. Was das anging, war er durch und durch ein Beschützer. Und es war einer der Punkte, den er an ihm liebte. Er war der Fels in der Brandung, an den man sich anlehnen konnte. „Ach so, bevor ich es vergesse …“, begann sein Freund und Toru drehte seinen Kopf leicht, um ihn besser anschauen zu können. Erst, als sie sich in Augen schauten, sprach Iwa nach einem Moment weiter: „Ich möchte mir einen Gitarrenlehrer suchen. Seit der Geburtstagsfeier steht euer Geschenk in meinem Zimmer herum und ab und zu spiele ich zwar auf sie, aber ich möchte das endlich richtig lernen.“ „Na klar, mach das! Und dann kannst du mir im Sommer am Strand abends romantische Lieder vorsingen! Das wird so schön!“, ermunterte er ihn und träumte von lauen Sommernächten im noch warmen Sand. Nur sie beide, Iwa mit der Gitarre und sang ihm Liebeslieder. Hach, hoffentlich wurde es bald wieder warm! „Toru“, brummte Hajime warnend, doch er konnte das Glucksen ganz klar heraushören! „Ich habe vom Gitarre spielen gesprochen, nicht vom Singen üben.“ „Singen kannst du ja auch schon! Mach dir da keinen Kopf!“ Frech grinste er ihn an und das Ass rollte mit den Augen, hatte die Mundwinkel aber oben. Endlich mal sah er wieder richtig gelöst aus! Er hatte es geschafft! Seine Schmetterlinge flogen wild umher und sein Herz schlug vor lauter Liebe schneller. So in Gedanken hatte er gar nicht mitbekommen, dass sie den belebten Teil Shibuyas verlassen hatten und nun durch das ruhige Wohnviertel schlenderten. Im Gegensatz zum Großteil Tokyos, wo alles dicht an dicht erbaut worden war, um jeden Zentimeter zu nutzen, gab es hier richtige Grundstücke mit Garten. Es war definitiv ein Nobelviertel und wahrscheinlich musste man zigfacher Millionär sein, um hier auf eine Warteliste für ein Grundstück gesetzt zu werden. Anders konnte er sich das nicht vorstellen. Auf der linken Seite schien es einen kleinen Park zu geben und Hajime führte ihn zielstrebig dorthin. Mit einem Mal war die Stadt weit weg. Keine Neonlichter, kein Lärm, kein Beton. Nur das dunkle Grün der Bäume und Sträucher, über ihnen der Himmel, der trotz keiner Wolken keine Sterne zeigte. Dafür war der Lichtsmog einfach zu extrem. Was das anging, bevorzugte Toru seine Heimat. Da konnte man kurz auf die Felder radeln und dort hatte man die schönste Sicht auf den Nachthimmel, der sich in all seiner Pracht über ihnen erstreckte. Ihm kamen kitschige Gedanken, als sein Freund ihn weiter in den Park führte, der nur spärlich beleuchtet war und deswegen auch etwas gruselig wirkte, was ihn unruhig werden ließ. Aber im Notfall würde Hajime das schon regeln! Ein leises Plätschern unterbrach seine Horrorvorstellungen, was hier alles passieren konnte und interessiert schaute er sich um, als sie eine kleine Treppe hinabschlenderten. An deren Ende war ein kleiner Platz mit einer Bank, darum mehrere Blumenbeete, die im Frühling und Sommer bestimmt wunderschön aussahen. Dahinter war ein Teich, der ruhig dalag und die Laternen spiegelte. In der Mitte war eine winzige Insel, auf der ein kleiner überbedachter, steinerner Buddha stand und ein Bonsai. Es war wirklich schön hier und aufgeregt schaute er sich um. All die Klischee Horrorängste waren vom leichten Wind davongetragen worden und er konzentrierte sich auf die romantische Stimmung, die gerade in ihm hochkroch. Wie fand das Ass nur immer diese wundervollen Orte, die ihn so begeisterten? Hatte er da irgendeinen Trick, den er nicht kannte? „Toru?“, wisperte er leise neben ihm und er drehte den Kopf, schaute in die grünen Augen, in denen sich das Licht einer Laterne spiegelte. Seine Wangen waren von der Kälte gerötet und er war nervös. Das sah er ihm an der roten Nasenspitze an. Womit wollte er ihn denn dieses Mal überraschen? „Was gibt es denn?“, fragte er neugierig und spürte die warmen Hände auf seinen ausgekühlten Wangen. Im Gegensatz zu ihm, der bei der Jahreszeit immer Handschuhe trug, brauchte Iwaizumi schon Minusgrade, um überhaupt darüber nachzudenken. „Ich weiß, dass es gerade nicht leicht ist und ich bin unendlich froh, dass du mir diese zweite Chance gibst –“ „Aber das –“, unterbrach Toru ihn, verstummte aber, als ihm ein Finger auf die Lippen gelegt wurde und lauschte weiter: „Eigentlich wollte ich bis Weihnachten damit warten, aber ich bin doch selbst zu ungeduldig geworden und verdammt, wegen dir werde ich immer kitschiger –“ „Romantischer!“ „Wie auch immer … Was ich sagen will, ist … Also ich habe das zwar schon, aber irgendwie war das überhaupt nicht so, wie ich das wollte und deswegen …“ „Jetzt komm zum Punkt, Schatz!“, forderte er kichernd gegen den Finger und konnte das Schmunzeln nicht lassen, weil sein Freund so um den heißen Brei herumredete. Er hatte doch begriffen, dass er ihm noch einmal die drei entscheidenden Worte sagen wollte und er wollte sie hören! Unbedingt. Und es gefiel ihm, dass er seine romantische Ader entdeckte. Daran konnte er sich wirklich gewöhnen. „Jetzt sei doch nicht so ungeduldig!“, schoss Iwa schnaubend zurück, musste dann aber auch grinsen und sagte liebevoll: „Ich liebe dich, Toru.“ „Ich dich auch, Hajime“, erwiderte Oikawa sofort und lehnte sich gegen die Hände, um ihn zu küssen und genoss diese sündigen Lippen, die ihn wie kein anderer verführen konnten. Das Ass war also selbst so ungeduldig geworden, dass er nicht bis Weihnachten hatte warten wollen, um ihm das nochmal in Ruhe zu sagen? Das war schon echt süß! Glücklich schlang er ihm die Arme um den Nacken und spürte die trainierten seines Freundes um seine Hüfte. Am liebsten würde er die ganze Nacht hier mit ihm bleiben, küssen und auf der Bank kuscheln, wenn es nicht so verdammt kalt wäre. So aber beschlossen sie nach dem Kuss, sich auf den Heimweg zu machen und Toru glaubte auf Wolke Sieben zu schweben. Kapitel 26: Ungebetener Besuch ------------------------------ Sonntag, 10.12. Gut gelaunt öffnete Iwaizumi die Haustür und hielt sie Hanamaki auf, der – wie er selbst – eine große Tüte dabei hatte. Sie waren den halben Tag lang Weihnachtsgeschenke einkaufen gewesen und es war überraschend unkompliziert verlaufen. Beide hatten einen groben Plan für ihre Partner und Familien gehabt und so mussten sie „nur noch“ die richtigen Geschäfte finden. Zu ihrem Glück hatte es diese auch gegeben und so waren sie nun bester Laune. Andererseits wäre es irgendwie auch unmöglich, dass es in Tokyo nicht die richtigen Läden gab, oder? Wenn Iwaizumi das korrekt im Kopf hatte, war das hier der größte Ballungsraum der Welt, also musste es ja auch für alles einen passenden Ort geben. Der Setter würde sich bestimmt über sein Geschenk freuen, da war sich das Ass sehr sicher. Und es war ein weiteres Zeichen seiner Liebe und dass er an sich arbeiten wollte. Für ihn und für sich selbst. Ein weiterer Grund für sein Stimmungshoch war ein klärendes und befreiendes Gespräch mit dem Rosahaarigen gewesen. Beim Mittagessen in einem Ramenladen hatten sie sich in Ruhe über die letzten Wochen unterhalten und Makki hatte ihm sogar die Geschichte von damals offenbart. In einer langen Version und nicht die kurze, die er vor den Kopf geknallt bekommen hatte. Nun konnte er noch besser nachvollziehen, warum ihm das Thema so nahe ging. Natürlich stand er trotz dessen weiterhin unter Beobachtung, aber das war vollkommen in Ordnung. Vielleicht war das sogar richtig gut, im Hinterkopf zu wissen, dass es Leute gab, die merken würden, wenn er nachließ. Es war eine Motivation, immer weiter an sich zu arbeiten, damit er mit seinem Freund glücklich werden konnte. Darum ging es. Dass er wieder in den Spiegel schauen und mit Toru zusammen sein konnte. „Oh, Post? Und keine Rechnung? Dann bestimmt noch eine Antwort auf die Einladung“, murmelte Makki, der sich am Briefkasten zu schaffen machte und nahm den Briefumschlag mit nach oben. „Ach ja, wie sind eigentlich die Rückmeldungen zu eurer Hochzeit?“, fragte Iwa interessiert nach. Zu seiner Schande musste er gestehen, dass er in letzter Zeit kaum etwas mitbekommen hatte. Zu sehr war er mit sich selbst beschäftigt gewesen und Dienstag hatte er den Termin bei der Selbsthilfegruppe. Da wurde er schon nervös, wenn er nur daran dachte. „Bisher nur Zusagen und zwei Selbsteinladungen“, entgegnete der Rosahaarige breit grinsend und er hob eine Augenbraue. „Zwei Selbsteinladungen?“ „Ja, deine Großeltern haben sich mit einem Brief gemeldet, in dem sie schrieben, dass Mai ihnen von der Hochzeit berichtet hätte und sie gern dabei wären. Zwar hätten wir bisher leider nicht so viel miteinander zu tun gehabt, abgesehen von vier oder fünf Feiern, wo wir auch dabei waren, aber sie würden uns sehr sympathisch finden und würden daher gern an diesem freudigen Ereignis teilhaben.“ „Oh, wie peinlich“, brummte Hajime leicht errötet, während er die Wohnungstür aufschloss und spürte eine Hand auf seiner Schulter. „Ach Quatsch, Issei und ich fanden das total süß und natürlich haben sie dann nachträglich noch eine Einladung erhalten und vorgestern kam dann ein weiterer Brief mit einem großen Danke und so. Total niedlich! Wir fanden das wundervoll und es ist doch toll, dass sie sich darauf freuen.“ „Man könnte glatt meinen, du wirst noch zu einem Romantiker“, zog er ihn grinsend auf und wurde sofort mit einem empörten Gesichtsausdruck angeschaut. „Ach, aber du!? Oikawa hat mir gestern noch von deiner Freitagabendaktion erzählt!“, schoss er sofort zurück, was das Ass nur brummend zur Kenntnis nahm. Verdammt, da hatte sein Kumpel nicht unrecht. Er wusste ja, wie sehr Toru auf den Kitschkram stand und plante deswegen solche Ausflüge. Und zu seiner eigenen Schande musste er gestehen, dass es nicht so schlimm war, wie er immer befürchtet hatte. Trotzdem wollte er sich da etwas von distanzieren, denn immer öfters schwirrten ihm Mattsuns Worte im Kopf herum, dass er sich für den Setter verbog und das wollte er nicht. Nicht, dass sie sich am Ende deswegen noch stritten. Sie packten ihre Tüten weg, damit ihre Partner nichts davon mitbekamen und schlenderten dann ins Wohnzimmer, um es sich noch etwas bequem zu machen. „Gerade sind wir beide hoffnungslos, oder?“, seufzte Makki schließlich und ließ sich wie ein Sack Reis auf das Sofa fallen. Iwa grinste schief, als er sich daneben setzte und die Füße auf den Couchtisch legte. Ihre Freunde waren offenbar noch unterwegs und deswegen genossen sie ihre Ruhe umso mehr, denn Taka tat es ihm gleich. Wenn die anderen Beiden heimkamen, mussten sie sie unbedingt wieder runternehmen, denn die Zwei konnten das nicht ausstehen, wenn sie das taten. „Da sagst du was …“, murmelte Hajime und neugierig wurde neben ihm der Brief geöffnet. Während Hanamaki diesen las, checkte er seine Nachrichten auf seinem Smartphone und schrieb mit Yahaba, der gerade ebenfalls online war. Sie tauschten sich über die Uni aus und was sie sonst gerade noch so um die Ohren hatten, wobei Iwaizumi nichts von der Selbsthilfegruppe oder dem großen Streit erwähnte. Auch das Angebot von Toru war noch immer ein großes Geheimnis, das es zu bewahren galt. Makki begann neben ihm zu kichern und irritiert hob Iwa eine Augenbraue, als er zu ihm herüberschaute. „Hier, sieh dir das an!“, forderte der Rosahaarige und drückte ihm dabei grinsend den Zettel in die Hand. Er legte sein Smartphone auf die Couchlehne neben sich und nahm dann das Blatt, las die Zeilen, die von Makkis Schwester stammten. „Taka-chan, ich bin schwer enttäuscht von dir! Es ist ja okay, dass ich die Einladung traditionell per Brief erhalte, aber die sieht ja garantiert wie alle anderen aus! Du hättest wenigstens drauf herummalen können oder so, damit sie etwas Besonderes ist :P Du weißt doch, ich bin einmalig, kleiner Bruder! Aber zurück zum Thema! Ich freue mich drauf, dich bei der Hochzeit in einem Prinzessinnenkleid zu sehen und wehe, ich bin nicht Teil des Vorbereitungskommitees! Für die Deko habe ich ein paar spezielle Ideen für euch zwei Hübschen! Also hiermit bestätige ich, dass ich euch bei der Zeremonie auf jeden Fall mit meiner Anwesenheit beglücken werde! Ich hab dich lieb, Taka-chan Grüße an deine bessere Hälfte ;D Leugnen ist zwecklos! Chiyo“ „Das ist so typisch für sie!“, stellte Iwaizumi schmunzelnd fest und reichte den Brief zurück. Die ältere Schwester von Hanamaki war so eine quirlige, extravagante Frau, die eine individuelle Einladung haben wollte. Eigentlich schon erstaunlich, dass Makki das nicht berücksichtigt hatte oder der Rosahaarige hatte es auf so eine Reaktion angelegt. Auch das war natürlich möglich. Takahiro spielte gern mal mit ihr, um sie zu ärgern. Was das anging, war er eben ein typischer kleiner Bruder. „Ja, ich wusste, dass sie so reagieren würde. Aber als ob ich ein Kleid zur Hochzeit tragen würde! Das müsste wenn ganz klar Mattsun tun!“ „Ach so? Dabei habe ich auch das Gefühl, dass er insgeheim die Hosen anhat.“ „Wie? Nein nein nein, das seht ihr falsch! Issei tut vielleicht so, aber in Wirklichkeit habe ich die Hosen an“, bestimmte Makki so vehement, dass Iwa grinsen musste. Alle wussten, dass Mattsun sich am besten darauf verstand, ihn zu beruhigen und wie es schien, verstand sich der Schwarzhaarige ebenfalls darauf, seinem Verlobten das Gefühl zu geben, die Hosen anzuhaben. Na solange sie glücklich waren, spielte das ja prinzipiell auch keine Rolle. „Dann kommt das vielleicht nur nicht immer so rüber“, beschwichtigte der Braunhaarige schmunzelnd und hob abwehrend die Hände, als Makki ihn argwöhnisch musterte. Anscheinend war ihm die Tatsache recht wichtig, dass der Eindruck so erhalten blieb. Für das Ass wiederum war das relativ egal, solange er mit Toru glücklich war. Schlussendlich wechselte das auch immer wieder und so war es in Ordnung. Wenn einer zu dominant wurde, war das auch nicht gut. Sowieso musste er erst einmal seine Aggressionen in den Griff kriegen … Aber das war jetzt nicht das Thema und Iwaizumi wollte die Stimmung nicht ruinieren, weil er seinen Gedanken nachhing. Dafür war er zu froh, dass er mit dem Rosahaarigen wieder halbwegs normal umgehen konnte. „Du Iwaizumi?“ Fragend schaute Takahiro zu ihm rüber und er bedeutete ihm, dass er zuhörte. Als hätte er seine Gedanken gerade gelesen, erkundigte er sich: „Hast du Angst vor der Selbsthilfegruppe?“ „Ich ähm …“, fing das Ass an, hielt aber doch inne. Hatte er das? Nein, so weit würde er nicht gehen. Aber freuen tat er sich auch nicht wirklich. „Nein, das nicht. Aber ich fühle mich schon unwohl. Du weißt, wie schwer es mir fällt, mit anderen über mich zu reden. Bei Toru geht es mittlerweile recht gut und bei Mattsun und dir auch, aber das war es dann auch so ziemlich. Dennoch weiß ich, dass es mir helfen wird und deswegen will ich mir alle Mühe geben, über alles zu reden, was der Psychologe wissen möchte. Ich werde das durchziehen, auch wenn es hart wird.“ „Du kannst vor oder nach den Terminen mit mir reden, wenn du das brauchst.“ „Danke Makki. Das weiß ich zu schätzen.“ Kurz bevor es dunkel wurde, waren Matsukawa und Oikawa zurück und sie schafften es gerade noch rechtzeitig, ihre Füße vom Couchtisch zu nehmen, als die Zwei reinlugten und sie fröhlich begrüßten. Anscheinend war ihr Shopping ebenfalls erfolgreich verlaufen – hatte ja auch lange genug gedauert – und nachdem Toru seine Einkäufe verstaut hatte, kam er zu ihm und setzte sich eng an ihn. Ihre Freunde wollten noch etwas wegen der Hochzeit besprechen und zogen sich daher in eins ihrer Zimmer zurück und so hatten die Beiden ihre Ruhe. Sie unterhielten sich über ihre Ausflüge und er versicherte dem Setter, dass er sich mit Makki ausgesprochen hatte. Dabei ging er aber nicht auf seine Geschichte ein, denn der Rosahaarige musste selbst wissen, ob er sie auch mit Toru teilen wollte oder nicht. Sein Freund sah beruhigt aus und um es noch gemütlicher zu haben, legten sie sich auf das Sofa und sofort kuschelte sich der Violetthaarige eng an. Leicht lächelnd über die Offensive strich er ihm über den Rücken und so dösten sie beide vor sich hin, genossen die Nähe zum anderen, als irgendwann sein Magen begann zu knurren. „Soll ich Essen machen?“, fragte Toru schmunzelnd und Hajime kratzte sich verlegen am Hinterkopf, als er zustimmte. Es war schade, dass er dafür aufstehen musste, denn das Ass hätte gern noch etwas gekuschelt, aber sein Magen hatte da andere Pläne. Mit gemischten Gefühlen schaute er Oikawa hinterher und sein Blick blieb an dem knackigen Hintern hängen, der von der Jeans so perfekt in Szene gesetzt wurde. Seit seinem Schlag hatten sie keinen Sex mehr gehabt und Iwaizumi würde einen Teufel tun, danach zu fragen. Er war schon unsicher genug, wenn sie abends zusammen im Bett lagen und kuschelten oder so wie eben. Hoffentlich würde die Gruppe ihm helfen können. Er machte sich allerdings keine Illusionen, dass das ein Selbstläufer werden würde. Er würde mit Fremden über seine Gefühle sprechen müssen und das war ein echter Knackpunkt für ihn. Er war froh, dass er das mittlerweile bei Matsukawa und Hanamaki hinbekam, zumindest was bestimmte Themen anging und am besten schaffte er das bei Toru, aber vor Unbekannten? Shit, ihm wurde ganz mulmig zumute. Selbst bei Kuro hatte er Alkohol gebraucht, um sich öffnen zu können, aber für seinen Freund würde er das hinkriegen. Bestimmt konnte der Leiter der Gruppe ihm Tipps oder so geben, wie es ihm vielleicht etwas leichter fiel. Darauf hoffte das Ass. Das plötzliche Klingeln der Wohnungstür riss ihn aus seiner Gedankenwelt und etwas träge richtete er sich auf. Wer das wohl war? Soweit Iwa wusste, war kein Besuch angekündigt … „Ich geh schon“, rief er in Richtung Küche und schlenderte zur Wohnungstür. Makki und Mattsun würden wohl eh nicht aus ihrem Zimmer kommen, da sie in ihre Planungen vertieft waren. Da die Gegensprechanlage defekt war und erst morgen erneuert werden würde, konnte er nur auf den Summer drücken und musste abwarten, bis die Person oben angekommen war. Entspannt lehnte er sich an den Türrahmen der Wohnungstür und wartete geduldig, bis er näherkommende Schritte aus dem Treppenhaus hörte. Da sie im dritten Stock wohnten, nahmen viele dafür nicht den Aufzug. Sobald er allerdings erkannte, WER da gerade auf ihn zukam, wäre er am liebsten in der Wohnung verschwunden und hätte die Tür abgeschlossen. Seine Muskeln verkrampften und er streckte den Rücken durch, als mit etwa zwei Metern Abstand Kana vor ihm stehen blieb. „Hallo Iwaizumi. Ist Toru da?“ „Was willst du?“, blaffte er ihn an, verschränkte die Arme vor der Brust und machte keinen Hehl aus seinem Unmut. Der Tänzer hatte keinen Grund, zu ihnen zu kommen. Er sollte die Vergangenheit ruhen lassen. Doch Kana ließ sich nicht von ihm beeindrucken, sondern stand ebenfalls gerade vor ihm und musterte ihn ruhig, als er entgegnete: „Ich möchte mit Toru sprechen. Ist er da?“ Warum hatte er seine Hände hinter dem Körper? Versteckte er da etwas? Konnte er ihn nicht einfach wegschicken? Nein, das musste Oikawa selbst entscheiden. So sehr es ihn auch störte, und verdammt, der Kerl reizte alles in ihm, es war nicht seine Sache. „Ihr seid kein Paar mehr. Kapier das endlich und lass uns in Ruhe!“ Abfällig schnaufte der Tänzer und sah ihn mit einem arroganten Gesichtsausdruck an. Der Kerl trieb ihn noch zur Weißglut! Der sollte einfach weggehen und sich nie wieder melden. „Ist Toru also da?“ „Bleib hier. Ich frag ihn eben. Ein falscher Blick von dir und du wirst heute Abend mit der Zahnbürste ins Leere stochern, ist das klar!?“ Ohne eine Reaktion abzuwarten, verschwand er in der Wohnung, schloss die Tür und marschierte in die Küche, wo Oikawa gerade dabei war, Gemüse zu dünsten. „Und? Wer war das?“ „Es ist Kana. Er steht noch vor der Tür …“, brummte das Ass und beobachtete, wie die Gesichtszüge seines Freundes kurz entglitten. Doch so schnell, wie die Überraschung zu gesehen gewesen war, war sie auch wieder weg und seufzend hielt er ihm den Holzlöffel hin. „Ich kläre das eben. Rühr du das Gemüse um, ja?“ „Moment noch …“, schnaufte Hajime, zog seinen Freund eng an sich und nutzte den Überraschungsmoment, um ihm einen lilanen Knutschfleck am Hals zu verpassen. Da Toru keinen Rollkragen trug, würde der elende Tänzer das sehen. Und weil Iwaizumi wirklich pissig war und sein Freund kurz keuchte, machte er ihm auf der anderen Seite gleich noch einen zweiten. Das sollte doch Zeichen genug sein, oder? Schweigend griff er danach nach dem Küchenutensil und positionierte sich vor der Pfanne, auf der ein Deckel war. Kurz beobachtete der Violetthaarige ihn dabei, schien zu überrascht, um richtig darauf reagieren zu können, doch dann verschwand er leise murmelnd in den Flur und Iwa musste sich zusammenreißen, nicht hinterher zu gehen. Fuck, der Typ wollte doch noch was von Toru! Aber dieser würde ihn doch nicht betrügen. Oder ihm etwas vormachen. Nicht, nachdem er so lange seine Liebe zu ihm geheim gehalten hatte. Aber … Gerade war es auch nicht leicht und vielleicht haderte Oikawa doch viel mehr an dem Schlag, als er ihm gegenüber zugab. Er könnte es ihm nicht mal übelnehmen! Nein nein nein, so durfte er nicht denken. Er musste seinem Freund vertrauen. Doch konnte er Kana trauen? Vielleicht griff dieser ja zu unlauteren Methoden. Das war sogar sehr wahrscheinlich, so wie er an der Sache festhielt. Shit, er konnte hier doch nicht ruhig rumstehen und kochen, während sich der Arsch ungeniert an seinen Freund ranmachte! Also nahm er das Gemüse, dass er in seinen Gedanken umgerührt hatte, von der Herdplatte und marschierte in den Flur, wo die Wohnungstür angelehnt war. Er konnte ihre Stimmen hören und für einen winzigen Augenblick spielte er mit dem Gedanken zu lauschen, doch das wäre Oikawa gegenüber nicht fair. Entschlossen öffnete das Ass die Tür und entdeckte Kana, der ihn missbilligend musterte. In den Händen hielt er einen großen Rosenstrauß und darin konnte er einen Briefumschlag ausmachen. Das war doch nicht sein Ernst, oder? Dem Setter hinter seinem Rücken auch noch einen Brief zu geben, wo er garantiert um eine zweite Chance bat, obwohl er wusste, dass er in einer Beziehung war? „ – mich vergessen“, hörte er Toru sagen und er nickte hinter ihm, als der Violetthaarige sich zu ihm umdrehte. „Schatz, das Gemüse“, murmelte Oikawa in einer für ihn undeutbaren Tonlage und Iwaizumi taxierte die braunen Augen, die sich in sein Innerstes zu bohren schienen. „Habe ich vom Herd genommen, damit nichts anbrennt …“, entgegnete er ebenfalls leise und Kana seufzte laut und theatralisch, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Ich werde mich dann verabschieden. Bitte überlege es dir noch einmal. Du weißt ja, wo du mich finden kannst. Nimm bitte den Blumenstrauß an, Toru. Ich weiß doch, dass es deine Lieblingsblumen sind.“ „Als ob es dir um die Blumen gehen würde. Du willst nur, dass er den Brief liest, den du dazwischen versteckt hast und das mehr schlecht als recht“, mischte sich Iwaizumi schnaubend ein und stellte sich neben seinen Freund, der wortlos zwischen ihnen hin und her schaute. Der Kerl sollte sich einfach verpissen. Hatten die Knutschflecke denn nicht gereicht, um zu zeigen, dass er abgeschrieben war? „Es ist mir egal, ob in diesem Strauß etwas drin ist oder nicht. Ich werde die Blumen nicht annehmen, Kana. Wie ich eben schon gesagt habe, liebe ich dich nicht mehr und deswegen wird es kein Aufleben unserer Beziehung geben. Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft und dass du einen tollen Partner finden wirst, aber jetzt geh bitte.“ „So einfach lässt du mich also abblitzen? Habe ich dir nicht mehr bedeutet, als so eine lasche Abfuhr?“, wollte der Schwarzhaarige wissen und Toru seufzte genervt, strich sich durch die Haare und fixierte den Tänzer mit seinen Augen. Anscheinend hatte er es geschafft, ihn anzupissen, sehr gut! „Ich wiederhole mich nicht gern, Kana. Geh. Es ist aus. Du siehst, dass ich in einer Beziehung bin und ich liebe Hajime. Für dich gibt es hier nichts mehr zu holen. Und jetzt entschuldige uns. Wir haben Hunger.“ Dann drehte sich der Setter um und verschwand in der Wohnung. Kurz musterte er den Tänzer noch einmal, der mehr als zerknirscht aussah. Sollte er nur! Vielleicht hatte er ja jetzt endlich verstanden, dass ihre Liebe der Vergangenheit angehörte. So schritt er hinter seinem Freund her und schloss hinter sich die Tür. Bevor er irgendetwas sagen konnte, drehte sich Toru ruckartig zu ihm um und spießte ihn förmlich mit seinen Augen auf. „Was sollte das, Hajime? Ich hätte ihn auch ohne dich weggeschickt“, giftete er. „Ich weiß, aber ich traue ihm einfach nicht. Er würde dich doch vor der Tür küssen, wenn du ihm solche Signale gesendet hättest, während ich in der Küche stehe …“ „Mag sein, dass er das tun würde, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass ich ihm solche Signale senden würde, oder?“ Oh oh, den lauernden Unterton hatte er gehört und er musste seine Worte jetzt weise wählen, sonst hätten sie direkt den nächsten Streit. Da war sich Iwaizumi absolut sicher und das wollte er wenn möglich vermeiden. „Nein, das nicht. Ich … Verdammt, ich bin einfach noch durch den Wind. Wegen Dienstag und weil alles gerade so komisch ist. Ich habe einfach so große Angst, dich zu verlieren, wo wir uns doch gefunden haben. Und das zwischen Kana und dir war nun mal auch etwas Besonderes, oder nicht?“ „Ja, das war es, aber es ist Vergangenheit. Ich weiß, dass es zurzeit nicht einfach ist, aber wir müssen uns schon vertrauen können, Hajime.“ Wahrscheinlich stand er da gerade wie ein geprügelter Hund, als er nickte und den Boden anschaute. Verdammt, jetzt hatte er Oikawas Laune ganz verdorben. Dabei war das doch nichts gegen ihn, aber Kana hatte ja gezeigt, dass er bereit war, mit allen Mitteln zu kämpfen! Da musste er doch aufpassen, oder nicht? Seufzend verschwand der Setter in Richtung Küche und unsicher folgte er ihm. Sollte er noch etwas sagen? Nein, das würde wahrscheinlich alles nur schlimmer machen. Gerade schien er da nicht das beste Händchen für zu haben. Na hoffentlich würde zumindest die Sache mit Kana ab jetzt endgültig geklärt sein. Die Abfuhr war mehr als deutlich. Dann hätte das hier wenigstens etwas Gutes, dachte Iwaizumi bitter. „Deckst du den Tisch für uns beide? Das Essen ist gleich fertig.“ Fachmännisch kochte der Setter ungerührt weiter, aber die Anspannung war nicht zu übersehen. Es arbeitete in ihm und das Ass würde wirklich gern mit ihm reden und die Sache klären, aber er hatte solche Angst, alles nur noch schlimmer zu machen. Das wollte er auf keinen Fall. Die Lage war schon beschissen genug, da musste er nicht noch Öl ins Feuer gießen. Schweigend holte er Teller und Stäbchen heraus und deckte den Tisch, während Toru das Essen würzte. Wie ein einziges Klingeln den Tag so beschissen werden lassen konnte! Das war doch unglaublich, schoss es ihm durch den Kopf. Kapitel 27: Unangenehmes Abendessen ----------------------------------- Sonntag, 10.12. Das Klingeln der Tür überraschte den Setter, denn eigentlich war nichts mehr geplant. Ihre Verlobten waren noch mit Hochzeitsplanungen beschäftigt und hatten nicht erwähnt, dass sie noch jemanden erwarteten. Beim Shoppen hatte Issei ihm erzählt, dass sie einen Veranstaltungsraum in Shibuya gebucht hatten. Er war im 30ten Stock eines Wolkenkratzers und man sollte von dort aus einen direkten Blick auf den Fuji haben. Das klang so großartig! Und wie süß waren Iwas Großeltern, dass sie in einem Brief darum baten, auch teilnehmen zu dürfen? Das war wirklich niedlich und er freute sich, sie dort wiedersehen zu können. Die letzte Feier, wo so viele Familienmitglieder anwesend waren, war Neujahr gewesen. Stimmt ja! Wie sie den Tag dieses Jahr verbringen wollten, stand noch gar nicht fest. Da musste er bald noch mal die anderen fragen. Ansonsten schienen die Planungen gut voranzukommen und Mattsun wollte mit ihm und einem Kommilitonen Anfang nächsten Jahres nach dem perfekten Anzug schauen. Hach, da freute sich Toru drauf! Sie würden in Erinnerungen und Träumen schwelgen und sich die ganze Zeremonie in rosarot ausmalen! Das würde ein ganz besonderer Tag werden und Oikawa freute sich jetzt schon so sehr darauf. „Ich geh schon“, rief Iwa, unterbrach so seine Gedanken und Toru lächelte, während er das restliche Gemüse kleinschnitt. Sollte er mal nachschauen, wer da störte. Vielleicht brauchte ja ein Nachbar Hilfe oder so. In seinen Träumereien vertieft, hatte der Setter das Klingeln schon fast wieder vergessen, als sein Schatz die Küche nach ein paar Minuten betrat und ohne den Blick von der Pfanne abzuwenden, fragte er: „Und? Wer war das?“ „Es ist Kana. Er steht noch vor der Tür …“ Wie? Kana? Hier? Aber warum? Mehr als verwirrt schaute er seinen Freund an, der sehr unzufrieden aussah. Bestimmt sah er in ihm einen Konkurrenten, dabei gab es dafür keinen Grund. Als würde er Iwaizumi nach allem, was er durchgemacht hatte, einfach so verlassen. Jetzt, wo er ihn endlich von sich überzeugt hatte und sie ein Paar waren. Auch wenn sie es seit dem Streit nicht leicht hatten, aber Oikawa würde dennoch niemand anderen an seiner Seite haben wollen. Doch nun musste er sich erst einmal um den Tänzer vor der Tür kümmern. Er musste begreifen, dass es Aus war. Der Setter hielt Iwa den Holzkochlöffel hin und sagte: „Ich rede kurz mit ihm. Rühr du das Gemüse um, ja?“ „Moment noch“, brummte sein Freund schlecht gelaunt und im nächsten Augenblick spürte er erst zwei Hände, die ihn an der Hüfte festhielten und warme Lippen an seinem Hals. Machte er ihm etwa … einen Knutschfleck? Verlangend saugte das Ass an seiner Haut, reizte sie leicht mit den Zähnen und leckte danach über die geschundene Stelle. Ein leises, überraschtes Keuchen entwich seinen Lippen, was das Ass wohl dazu veranlasste, ihm auf der anderen Seite gleich noch einen zweiten zu verpassen. Sofort kribbelte es an seinem Körper und er legte den Kopf leicht schief, um Hajime mehr Fläche zu bieten. Automatisch schloss er die Augen, um die Liebkosung noch intensiver wahrnehmen zu können und er ließ sich in den Augenblick fallen. Seit dem Schlag war es die erste intimere Berührung. Sein Freund war so verunsichert und Toru wollte ihn nicht überfallen und überfordern, indem er sich schamlos an ihn heranmachte. Das war nicht fair und die Situation war so schon schlimm genug. Aber warum tat er das denn jetzt? Einen Moment lang musste sich Oikawa durch seine vernebelten Gedanken kämpfen, dann fiel es ihm wieder ein. Nach dem ersten Treffen war das ja auch seine Wahl gewesen, um allen klarzumachen, dass er vergeben war. Schweigend nahm das Ass danach den Kochlöffel entgegen und nahm seine Position ein. Oikawa glaubte noch ein leises, gebrummtes: „Jetzt kannst du gehen“ zu hören, war aber nicht sicher, ob er sich das vielleicht eingebildet hatte. Innerlich seufzend, weil Kana leider noch nicht begriffen hatte, dass Schluss war, schritt er zur Wohnungstür und öffnete sie. Das Kribbeln von den Küssen war noch immer nicht ganz weg, doch er musste sich jetzt konzentrieren, durfte keine falschen Signale senden. Im Gang stand Kana, etwas unsicher – was so gar nicht zu ihm passte – und doch begannen seine Augen etwas zu leuchten, als er ihn bemerkte. „Toru. Wie schön, dich zu sehen. Ich hatte schon befürchtet, Iwaizumi würde dich nicht informieren, dass ich da bin.“ „So ist er nicht“, verteidigte Oikawa seinen Freund mit leicht genervter Stimme und zog die Augenbrauen zusammen, als der Tänzer seine Arme bewegte und ein großer Rosenstrauß zum Vorschein kam. Er musste zugeben, dass er wirklich wunderschön aussah und es war schon so lange her, dass er einen bekommen hatte. Dennoch konnte er sich nicht darüber freuen, geschweige denn ihn annehmen. Zum einen Iwa zuliebe und zum anderen, weil er damit Kana Hoffnung machen würde. Ob Hajime ihm auch mal einen schenken würde? Einfach so? Himmel, da konnte er sich ein anderes Mal Gedanken darüber machen. Jetzt gab es wichtigeres. „Der ist für dich. Ich hoffe, er gefällt dir.“ „Kana, das ist lieb von dir, aber es ist vorbei. Das musst du verstehen. Ich bin in einer Beziehung, wie du siehst.“ Es fiel ihm nicht leicht, das zu sagen, denn er wollte den Tänzer nicht so verletzen, wo es ihm gerade eh nicht so gut ging, aber anders schien er es nicht zu begreifen. Dann musste er leider so hart zu ihm sein. Die Vorstellung, dass sie miteinander befreundet sein könnten, war damit jedenfalls auch dahin. Erst jetzt schien sein Gegenüber die Knutschflecken zu bemerken und er schnaubte abfällig. Vielleicht war es wirklich so am besten für ihn zu begreifen, dass er mit Hajime in einer Beziehung war und er keine Chance mehr hatte. Zweifelnd beobachtete der Setter, wie Kana einen Schritt auf ihn zumachen wollte, es dann aber doch ließ. Seine Stimme brach halb, als er flehte: „Ich bitte dich, Toru. Es kann dir nicht egal sein, was wir hatten. Das war –“ „Es war schön, Kana, aber es ist vorbei. Ich liebe Hajime und möchte mit ihm den Rest meines Lebens verbringen. Du musst mich vergessen.“ Die Haltung des Tänzers veränderte sich plötzlich, wurde aggressiver und hatte er beim Reden gerade die Tür gehört? Mit einem unguten Gefühl drehte sich der Violetthaarige um und tatsächlich stand da das Ass. Warum war er hier? Glaubte er nicht, dass er selbst mit seinem Ex fertig werden könnte? „Schatz, das Gemüse …“, hörte er sich leise sagen und wusste nicht, was er davon halten sollte, dass Iwa hier war und nicht in der Küche. „Habe ich vom Herd genommen, damit nichts anbrennt …“, antwortete er mit gedämpfter Stimme. Der Violetthaarige verkniff es sich, den Kopf zu schütteln und wollte etwas sagen, als Kana sich laut räusperte und reflexartig drehte er sich wieder zu ihm um. „Ich werde mich dann verabschieden. Bitte überlege es dir noch einmal. Du weißt ja, wo du mich finden kannst. Nimm bitte den Blumenstrauß an, Toru. Ich weiß doch, dass es deine Lieblingsblumen sind.“ „Als ob es dir um die Blumen gehen würde. Du willst nur, dass er den Brief liest, den du dazwischen versteckt hast und das mehr schlecht als recht.“ Die Stimme seines Freundes klang hart und unnachgiebig und schweigend schaute er zwischen ihnen hin und her. Zugegebenermaßen war ihm der Brief noch nicht aufgefallen, aber als er den Strauß genauer musterte, entdeckte auch Oikawa einen weißen Umschlag. Verdammt, die Situation war doch gerade schon schwer genug, da brauchte er nicht noch zusätzlichen Stress durch seinen Ex. „Es ist mir egal, ob in diesem Strauß etwas drin ist oder nicht. Ich werde die Blumen nicht annehmen, Kana. Wie ich eben schon gesagt habe, liebe ich dich nicht mehr und deswegen wird es kein Aufleben unserer Beziehung geben. Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft und dass du einen tollen Partner finden wirst, aber jetzt geh bitte.“ Es war seltsam, die eigene Stimme so kalt und abweisend zu hören, denn es kam zum Glück nur äußerst selten vor, dass er so sprechen musste. In diesem Fall schien ihm aber wohl keine andere Wahl zu bleiben. Die ganze Situation triggerte ihn und dass wegen beiden Männern, die anwesend waren. „So einfach lässt du mich also abblitzen? Habe ich dir nicht mehr bedeutet, als so eine lasche Abfuhr?“ Meine Güte, hörte er ihm überhaupt zu? Mittlerweile war er nur noch genervt und seufzte dementsprechend auf. Er machte keinen Hehl aus seiner Laune. Unwirsch fuhr er sich durch die Haare und musterte Kana eingehend. Seine Haltung war kämpferisch – trotz allem – und deswegen entschied sich der Setter dafür, eine letzte Ansage zu machen und dann zu gehen. Sein Magen meldete sich auch so langsam zu Wort und er hatte einfach keine Lust mehr, sich weiter mit ihm zu beschäftigen. Er hatte andere – wichtigere – Dinge im Kopf, die seiner Aufmerksamkeit bedurften. „Ich wiederhole mich nicht gern, Kana. Geh. Es ist aus. Du siehst, dass ich in einer Beziehung bin und ich liebe Hajime. Für dich gibt es hier nichts mehr zu holen. Und jetzt entschuldige uns. Wir haben Hunger.“ Dann drehte sich Oikawa um und verschwand in der Wohnung. Iwaizumi und Kana würden hoffentlich keine Prügelei hinter seinem Rücken anfangen. Und wenn doch, würde er wahrscheinlich richtig explodieren. Hinter sich hörte er Schritte und kurz darauf wurde die Tür geschlossen. Sie hatten sich also ohne Verletzungen voneinander verabschiedet, immerhin etwas, dachte er grimmig. Es war ja nicht so, als hätte sein Freund eine Aufgabe gehabt. Er hätte das selbst klären können. Toru war wütend auf das Ass, denn es gab keinen Grund, ihm zu misstrauen. Was dachte Hajime denn von ihm? Dass er auf jegliche Avancen einging, nur weil da mal was zwischen ihnen gewesen war? Nein, das durfte nicht sein. Sie vertrauten sich doch, oder? Immerhin glaubte er fest daran, dass Iwa ihn nicht noch ein zweites Mal schlagen würde. Sonst hätte er die Beziehung doch längst beendet! Da konnte das Ass doch auch daran glauben, dass er ihm nicht fremdging, auch wenn sein Ex vor der Tür stand. Zumal es ja das Dümmste wäre, dass direkt vor der Wohnungstür zu machen, wenn der Freund drinnen war! „Was sollte das, Hajime? Ich hätte ihn auch ohne dich weggeschickt.“ Die Worte waren raus, bevor er darüber nachgedacht hatte und er hörte selbst, wie extrem genervt er klang. Aber was sollte er tun? Das Misstrauen war offensichtlich und was das Thema anging, war Toru eigen. „Ich weiß, aber ich traue ihm einfach nicht. Er würde dich doch vor der Tür küssen, wenn du ihm solche Signale gesendet hättest, während ich in der Küche stehe …“, rechtfertigte sich Iwaizumi und hörte er da etwas Unsicherheit in der Stimme? Zurecht, wenn er so einen Unsinn redete! „Mag sein, dass er das tun würde, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass ich ihm solche Signale senden würde, oder?“ Das war doch die Höhe! So etwas unterstellte er ihm indirekt? Nach allem, was in den letzten Tagen passiert war? Er war ganz kurz davor, auszurasten. Und zwar so richtig, um Iwaizumi klarzumachen, dass er sich hier auf ganz, ganz dünnem Eis bewegte. Er wollte die Beziehung mit ihm, liebte ihn trotz allem, was geschehen war, aber gerade war irgendwie der Wurm drin. Ihre Sicherheit war seit dem Schlag weg und sie mussten sich diese wieder zurückerkämpfen. Und da waren solche Kommentare alles andere als hilfreich! „Nein, das nicht. Ich … Verdammt, ich bin einfach noch durch den Wind. Wegen Dienstag und weil alles gerade so komisch ist. Ich habe einfach so große Angst, dich zu verlieren, wo wir uns doch gefunden haben. Und das zwischen Kana und dir war nun mal auch etwas Besonderes, oder nicht?“ „Ja, das war es, aber es ist Vergangenheit. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber wir müssen uns schon vertrauen können, Hajime.“ Prüfend sah er das Ass an, dass mit gesenktem Kopf dastand und nickte. Na hoffentlich hieß die Haltung, dass er seinen Fehler eingesehen hatte. Und so wütend er auf ihn war, innerlich spürte er einen kleinen Stich, dass sein selbstbewusster Freund wie ein geprügelter Hund dastand. Das war nicht der Iwaizumi, den er kannte. Hoffentlich würde ihm die Selbsthilfegruppe helfen, zu seiner alten Selbstsicherheit zurückzufinden. Das würde einiges leichter machen. Trotzdem musste er ihn jetzt etwas schmoren lassen. Es gab ein paar Punkte, wo er eigen war und das hatte der Braunhaarige zu begreifen. Seufzend verschwand der Setter in der Küche. Langsam bekam er Hunger und es wurde Zeit, das Essen fertig zu kochen. Vor der Küchenzeile angekommen, begann Toru wieder an dem Essen zu arbeiten. Es war in seinen Augen bezeichnend, dass Iwa nicht weiter auf das Gespräch einging. Fiel ihm nichts dazu ein? Vertraute er ihm nicht? Wie sollte er das Schweigen interpretieren? Fuck, sein Kopf platzte gleich, wenn das so weiterging! „Deckst du den Tisch für uns beide? Das Essen ist gleich fertig“, bat er so neutral wie möglich und konzentrierte sich darauf, fertig zu kochen. Zum Glück war das Essen fast fertig, denn sein Magen knurrte und dass trotz dieser unangenehmen Situation. Das hieß schon etwas. Er hörte, wie Iwaizumi sich an die Arbeit machte und er würzte noch das Gemüse. Dazu gab es Räucherlachs und Reisbällchen, von denen Mattsun gestern zu viele gemacht hatte. Fünf Minuten später saßen sie schweigend beim Essen, was Toru anstrengte, denn es gab so vieles zu bereden anscheinend. Doch sein Freund schien tief in seine Gedanken versunken zu sein. Sollte er das Thema noch mal aufwärmen? Er war unsicher, aber er wollte das nicht herunterspielen, indem er schwieg, denn das Misstrauen traf ihn tief. Obwohl er schon verstand, dass Hajime in einer Ausnahmesituation war und deswegen empfindlicher. Mist, was sollte er tun? Jetzt war er selbst so abgelenkt, dass er aufschreckte, als Iwa eine Hand auf seine legte. Überrascht zog der Setter sie reflexartig weg und Toru starrte sie kurz an. Die Haut prickelte, wo die weiche, warme seines Freundes ihn berührt hatte. Dann hob Oikawa den Blick, schaute den Braunhaarigen an, der ihn verunsichert musterte. „Ich wollte nicht …“, fing Hajime unsicher an und legte seine Hand neben seinen Teller zurück. „Entschuldige, ich war in Gedanken …“, murmelte Toru leise. Es war keine böse Absicht gewesen, dass er sie weggezogen hatte, mehr ein Reflex. Wirklich! „Das habe ich gemerkt … Ich weiß, dass ich keinen Grund habe, dir zu misstrauen. Aber Kana ist eben ein sehr offensiver Typ … Und es ist ja nun offensichtlich, dass er noch starke Gefühle für dich hat. In der Küche habe ich darüber nachgedacht und dann hat sich alles in meinem Kopf verselbstständigt und ich musste nachsehen. Das war blöd von mir.“ Himmel, würde er sich je richtig daran gewöhnen, dass das Ass so offen über seine Gedanken und Gefühle sprach? Das war so ein starker Kontrast zu früher. Da war Toru schon froh gewesen, wenn er erfahren hatte, ob ihm das Essen geschmeckt hatte oder nicht. „Stimmt, das war es. Nach allem, was passiert ist, gibt es doch keinen Grund, mir zu misstrauen, oder?“, schoss er eingeschnappt zurück und schüttelte innerlich den Kopf. Verdammt, das hatte er gar nicht sagen wollen! Aber Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit nagten schnell an ihm. Und dann auch noch von Hajime … Siedend heiß wurde ihm plötzlich klar, dass diese durchaus berechtigt sein konnten. Er war mit Kana in der Kiste gelandet, obwohl er in sein Ass verliebt gewesen war. War das nicht auch eine Form des Betrugs? Und er hatte Iwa einen geblasen, obwohl er schon so etwas wie in einer Beziehung mit Kana gewesen war. Scheiße, er war wirklich ein Arsch. Und sein Schatz hatte allen Grund, nervös zu sein, doch er hatte all die Jahre nur ihn gewollt! Also würde er das jetzt doch nicht durch irgendetwas aufs Spiel setzen. Iwaizumi – seine große Liebe – würde er niemals betrügen. Es gab nur ihn für den Setter und wenn sie an sich arbeiteten, würde das auch immer so bleiben. Davon war Toru überzeugt. Aber vielleicht war Iwa die Sache auch bewusst und deswegen war er so misstrauisch? Shit, dann konnte er es ihm nicht einmal übelnehmen. Was für eine verdrehte Situation. Verdammte Scheiße. Vielleicht sollte er doch noch etwas sagen. Aber was genau? Er dachte darüber nach, damit er nicht aus Versehen etwas Falsches sagte. Seufzend stellte das Ass sein Glas auf den Tisch und schaute auf seinen halbleeren Teller, als er sagte: „Da hast du recht. Es gibt keinen Grund, dir zu misstrauen. Du warst immer für mich da. Ich werde es wiedergutmachen, versprochen. Aber jetzt möchte ich mich hinlegen. Ich bin müde …“ Noch bevor Oikawa sich Worte zurechtgelegt hatte – er verkniff sich, einfach drauf loszureden, da das bisher nicht gut gewesen war –, war das Ass aufgestanden und wünschte ihm eine gute Nacht. Dann verschwand er aus der Küche und ein paar Sekunden später hörte er, wie eine Tür leise geschlossen wurde. Mist, so hatte er ihn nicht angehen wollen! Eigentlich müsste er sich entschuldigen. Frustriert, dass der Sonntagabend sich zu so einem Reinfall entwickelt hatte, lehnte er sich zurück und starrte an die Decke. Sie hatten doch so gemütlich auf dem Sofa gelegen und gekuschelt. Und er hatte zwei Knutschflecken von seinem Freund … Und dennoch war jetzt alles irgendwie noch schwieriger. Kapitel 28: Das Kennenlerngespräch ---------------------------------- Dienstag, 12.12. Das Büro der Selbsthilfegruppe war zwanzig Minuten Fußweg von der Wohnung entfernt. Es war ein relativ kleines, unscheinbar aussehendes Haus, dass zwischen zwei Wolkenkratzern hervorlugte. Durch die Enge wirkte es geradezu gequetscht und vollkommen fehl am Platz. Unruhig stand Iwaizumi vor der Haustür und starrte die Klingel an, als würde sie dann von sich aus ertönen, ohne dass er sich bewegen müsste. Shit, er fühlte sich an den Moment erinnert, als er sich damals bei Kaori hatte entschuldigen wollen. Da hatte er auch wie so ein Idiot vor der Tür herumgestanden, bis Mako ihn schließlich gefunden und mit reingenommen hatte. Jetzt aber würde hier niemand auftauchen, um ihm den entscheidenden Schubs zu geben. Fuck, was würde ihn erwarten? Er müsste über sich reden, über seine Gefühle, über den Schlag. Konnte er das? Mit Toru ging es mittlerweile wirklich gut und auch mit Matsukawa und Hanamaki fiel es ihm seit einiger Zeit deutlich leichter, aber sonst? Nein, er konnte das nicht. Warum sollte er fremden Menschen seine Geschichte erzählen? Ihnen beichten, wie er sich fühlte oder in bestimmten Situationen gefühlt hatte? Das war seine Sache. Es war doch dämlich, hier zu stehen. Eine Kurzschlussreaktion, weil er Angst vor sich selbst bekommen hatte. Die Erfahrung würde reichen, um es nicht zu wiederholen. Entschlossen drehte sich das Ass von der Tür weg und verharrte auf der letzten Treppenstufe, die zum Weg hinabführte. Wenn er so darüber nachdachte, war er schon immer ein impulsiver Mensch gewesen. Wie oft hatte er Oikawa einen Ball an den Hinterkopf geworfen oder ihm einen Klaps gegeben, weil er ihm mit seiner Attitüde auf die Eier gegangen war? Und konnte er wirklich garantieren, dass ihm im Streit nicht doch noch einmal die Hand ausrutschte? Oikawa wusste ganz genau, wie er ihn triggern konnte und wenn er in Rage war, nutzte der Setter das gern mal aus. Seine Gedanken wanderten zu Hanamaki, als er das dachte. Hände rutschten nicht aus. Er hatte ihn geschlagen. Fuck! Es war richtig, dass er hier war. Und er musste das durchziehen. Toru verließ sich darauf, dass er das tat und nicht nur er. Auch Mattsun, Makki und seine Eltern. Selbst Hodaka und Kuro. Er konnte doch jetzt nicht kneifen. Vielleicht konnte er so auch wieder etwas gutmachen, was das Aufeinandertreffen mit Kana anging. Sie hatten seitdem nicht mehr über den Vorfall gesprochen, aber er hing noch immer zwischen ihnen. Das fühlte Iwaizumi, dabei hatte er nicht unbedingt das beste Gespür für so etwas. Aber Hajime wusste nicht, wie er das Thema anfangen sollte, ohne sich wieder weiter in die scheiße zu reiten. Toru war so genervt wie selten gewesen und je mehr er gesprochen hatte, desto schlimmer war es geworden. Daher klammerte er das Thema aus, aber irgendwie musste er das nochmal regeln, damit wenigstens das aus der Welt geräumt werden konnte. Nun aber zunächst zu seinem Termin … Er lenkte sich schon wieder ab. Bevor er es sich wieder anders überlegte, trat er zurück an die Haustür und klingelte. Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann hörte er im Inneren Schritte und in diesem Augenblick hätte er sich wahrscheinlich übergeben, wenn er denn heute schon etwas gegessen hätte. Sein Magen krampfte sich zusammen, seine Hände waren schweißnass und er musste den Fluchtreflex mit aller Macht unterdrücken. Zitterte er? Das Ass fühlte sich, als würde ihm die Luft abgeschnürt und er verzweifelt nach ihr schnappen, um nicht ohnmächtig zu werden. Die Tür wurde geöffnet und seine Augen weiteten sich. Der Mann, der vor ihm stand, war wahrscheinlich ungefähr Mitte Dreißig, hatte kinnlange Haare, die von einem Stirnband aus dem Gesicht gehalten wurden und eine weite Jeans und ein ausgewaschenes T-Shirt einer Metalband an, die er nicht kannte. Im Gegensatz zu seiner lockeren Erscheinung und dem freundlichen Lächeln auf den Lippen waren seine hellblauen Augen geradezu stechend und schienen direkt in ihn hineinzusehen. Es war ihm unangenehm, weshalb er unbewusst das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Er sollte ihn nicht so anschauen. So direkt, als würde er gerade in ihm lesen wie in der Tageszeitung. „Guten Tag, sind Sie Herr Iwaizumi?“, erkundigte sich der Mann höflich mit einer überraschend sonoren Stimme. Irgendwie hatte er etwas erwartet, eher eine etwas hellere Stimme. Was war das für ein Typ? Das Ass spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten und alles in ihm schrie nach Alarm, doch er kämpfte es nieder und nickte langsam. „Ja, ich habe um 18 Uhr einen Termin bei Herrn Yoshida.“ „Das bin ich. Kommen Sie doch bitte herein.“ Nervös marschierte er an dem Mann, der ihn mit einer einladenden Geste hereinbat, vorbei ins Innere. Es wirkte mehr wie ein Wohnhaus, so mit Fotos und Postern an den Wänden, Blumensträußen in Vasen und anderen Dekoelementen im Flur. Die blumenförmige Deckenlampe tauchte alles in ein angenehm warmes Licht und ein Gefühl von Heimeligkeit umfing ihn. Bei genauerem Hinsehen bemerkte das Ass, dass die Wände in einem sehr hellen Grün gestrichen worden waren und tiefer im Haus hörte er Geräusche oder waren es leise Stimmen? Waren da noch andere Personen? Rechts und links führten hellbraune, westliche Türen in weitere Zimmer und etwas ungeschickt wich Iwaizumi zur Seite, als Herr Yoshida die Tür geschlossen hatte und an ihm vorbeirauschte. „Folgen Sie mir bitte.“ Schnellen Schrittes, um nicht den Anschluss zu verlieren, wuselte Iwa hinter dem Mann her, der – wie er feststellte – etwas kürzer als er selbst war. Am Ende des Flures war auf der linken Seite eine Treppe, die in den ersten Stock führte und genau darauf steuerte Herr Yoshida zu. Oben angekommen, war der Flur noch ein bisschen schmaler, da Kommoden und Stapel von Büchern den Weg verengten. Absurderweise fragte sich Hajime, ob das mit den Vorschriften für das Rettungswesen kompatibel war, was er hier sah und er schüttelte den Kopf. Himmel, er musste sich konzentrieren. Das hier war wichtig. Vor ihnen war eine weiß lackierte Tür, die der Leiter öffnete und das Ass staunte, als er durch sie hindurchtrat. Vor ihm erstreckte sich ein großer Raum mit einer Glasfassade, die den Blick auf eine Dachterrasse mit vielen Pflanzen, einem Tisch und zwei gemütlich aussehenden Sesseln freigab. Dahinter war ein kleiner Park, der eine perfekte Aussicht in diesem Großstadtdschungel war und einen Moment lang fixierte er seine Augen darauf. Da könnte er auch mit Toru sitzen und sich kuschelnd die Zeit vertreiben. Im Frühling und Sommer war das bestimmt großartig, wenn die Vögel zwitscherten, Insekten summten und die Pflanzen blühten. „Ein schöner Ausblick, nicht wahr?“ Die dunkle Stimme Herrn Yoshidas erfüllte den Raum und Iwa schüttelte kurz den Kopf und sah sich um, als er erwiderte: „Ja, das sieht wirklich toll aus.“ Aber auch der Raum hatte ein gemütliches Flair. Im Gegensatz zu den Fluren waren es hier geradezu spärlich eingerichtet, denn auf der linken Seite gab es lediglich eine kleine Sofaecke mit einer Kommode daneben, auf der eine Kaffeemaschine und weitere Getränke standen, dazu noch Becher und Gläser und sah er da einen Teller mit Gebäck? Gegenüberliegend stand ein Schreibtisch, schlicht und dennoch irgendwie elegant. Er war gefühlt nur halb so groß wie der des Uni Direktors. Davor standen zwei Stühle und an der Wand dahinter ein großes Bücherregal, in dem die Bücher nach Alphabet des Autors sortiert waren, wie er nach einem prüfenden Blick feststellte. Guter Mann, Sortierung war das halbe Leben. Hier waren die Wände in einem hellen Blau gehalten, auf dem Boden lagen unter der Sitzecke und unter dem Schreibtisch jeweils dunkelblaue Teppiche und statt Fotos und Postern hingen Landschaftsgemälde. Es war ganz offensichtlich das Arbeitszimmer und dennoch fühlte sich Iwaizumi irgendwie wohl. Es gefiel ihm, dass es so weiträumig und ordentlich war. „Wollen wir uns setzen?“ „Ja, sehr gern.“ Er nahm auf dem Sofa Platz, während Herr Yoshida noch nach Getränken fragte und ihm kurze Zeit später einen Früchtetee hinstellte. Von seinem Schreibtisch holte er noch einen Block und einen Kugelschreiber und als er sich auf einen Sessel hingesetzt hatte, erkundigte sich der Leiter freundlich nach seinem Wohlbefinden. Schlagartig war seine Nervosität wieder da, sein Körper reagierte unmittelbar und ließ seine Handinnenflächen schwitzig werden, sein Magen zog sich zusammen und er atmete schneller. Jetzt ganz ruhig. Er konnte das. Es war ein Kennenlerngespräch. Nichts Schlimmes. „Duzen Sie mich doch bitte, das wäre mir lieber, wenn das in Ordnung ist“, bat er leise und Herr Yoshida nickte. „Ich ähm … kann wohl nicht bestreiten, dass ich sehr nervös bin“, brummte er unsicher und schaute auf seine Hände, die er zu Fäusten geballt auf seinen Oberschenkeln abgelegt hatte. „Das ist in Ordnung. Jeder ist aufgeregt, wenn er hierherkommt. Das ist schließlich ein großer Schritt. Was erhoffst du dir davon, an der Selbsthilfegruppe teilzunehmen? Erzähle mir bitte von deinen Erwartungen und Wünschen.“ Die brummige Stimme Herrn Yoshidas hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn und seine verkrampften Finger lösten sich etwas, blieben aber noch in der Fausthaltung, als er antwortete: „Ich erhoffe mir von der Gruppe, mich darüber austauschen zu können, wie andere ihre Wut in Stresssituationen zügeln können. Welche Mittel und Wege es gibt, die Aggression in andere Kanäle zu leiten, um nicht mehr auszurasten. Außerdem vielleicht noch Tipps, wie man besser sagen kann, was man fühlt und wie es einem geht, ohne dass sich der andere angegriffen fühlt. Es ist mir klar, dass diese Zeit sehr nervenaufreibend und schwierig für mich werden wird, denn mir fällt es schwer, über mich selbst zu sprechen. Aber wie ich im Telefonat bereits gesagt habe, habe ich im Streit meinen Freund geschlagen und das will ich nie wieder tun. Und auch erst danach ist mir so richtig bewusst geworden, wie impulsiv ich eigentlich bin. Vorher habe ich mir da nie Gedanken drüber gemacht.“ „Sich selbst dieser Tatsache bewusst zu werden, ist schon sehr viel wert und ein sehr guter Start. Und sich mit anderen auszutauschen, wertvoll und wichtig. Damit ich mir ein besseres Bild machen kann, wäre es hilfreich, wenn du mir mehr über dich erzählst. Ist das in Ordnung für dich?“ „Ich versuche es“, murmelte Hajime nervös und trank einen Schluck seines Tees, um sich zu wappnen. Er konnte das. Toru und die anderen glaubten an ihn. „Was genau möchten Sie denn wissen?“, hakte er nach und nahm seinen Mut zusammen und schaute den leicht lächelnden Mann an, der sich nebenbei Notizen aufschrieb. Was da wohl stand? Was für ein Idiot und Weichei er war? Fuck, ihm flatterten die Nerven. Das war doch scheiße! Sein Fluchtreflex meldete sich mit aller Kraft zurück und reflexartig schaute er sich um. Es war wie ein Zwang, als ob er gefangen war und einen Ausweg finden musste. Nein, so durfte er das nicht sehen. Wann immer er wollte, konnte er das abbrechen und Herr Yoshida würde ihn gehen lassen. Es war richtig, was er hier tat und er würde das durchziehen. Im Laufe der Zeit würde es bestimmt besser werden. Er musste nur durchhalten. Für sich selbst. Für Toru. „Erzähl mir, wovon du möchtest. Es ist dir überlassen, was du berichten möchtest.“ Okay, das war gut. Damit konnte er arbeiten. „Ich kenne Toru schon, seit ich 4 Jahre alt bin. Damals war ihm ein Volleyball ins Wasser gefallen und er sah so traurig aus, wie er da am Ufer gestanden hatte. Kurzentschlossen bin ich in den See gesprungen und habe ihm den Ball zurückgeholt. So haben wir uns kennengelernt. Wir sind dann sogar in der gleichen Klasse in der Grundschule gewesen. Unsere Klassenlehrerin hat uns nebeneinandergesetzt und so haben wir uns immer besser kennengelernt. Wir sind ziemlich unterschiedlich, denn während ich eher schweigsam bin und schnell mal genervt, ist er eine Diva, die sich jedes Wort zu Herzen nimmt und unendlich viel plappern kann, wenn ihm danach ist. Tratsch ist sein liebstes Hobby und wenn es nicht nach seiner Pfeife geht, kann er schnell mal schmollen. Trotzdem wurden wir beste Freunde und er hat mich dazu überredet, Volleyball zu spielen und das tun wir seitdem immer im selben Team. Allerdings strebt er eine Profikarriere an, während ich mein Medizin Studium beenden will und danach noch Sportmedizin dranhängen, um ihn richtig betreuen zu können, wenn er für die Nationalmannschaft auf dem Feld steht. Naja und dann gibt es da noch Hanamaki und Matsukawa. Wir haben sie zu Beginn der Oberschule kennengelernt, da sie ebenfalls Volleyball spielen und schnell sind wir zu einer Viererclique geworden, die viel gemeinsam unternimmt. Die Zwei sind vor über drei Jahren zusammengekommen und sehr glücklich miteinander. Nächstes Jahr wollen sie heiraten, nachdem Mattsun ihm im Frühjahr einen Antrag gemacht hatte. Mit den Beiden leben wir auch in einer WG, aber sie möchten ausziehen. Das verstehe ich sehr gut, schließlich will man mit der Ehe auch seine Ruhe und Unabhängigkeit haben, aber Toru scheint sich etwas schwer damit zu tun. Er ist ein Gewohnheitsmensch, der in seinem privaten Umfeld nur ungern so große Veränderungen hat. Himmel, ich komme vom Thema ab, tut mir leid. Jedenfalls war Toru zwei Jahre in mich verliebt, ohne dass ich es gemerkt habe. Für mich war er viele Jahre lang mehr wie ein Bruder, den ich nie hatte – ich bin Einzelkind –, doch Anfang des Sommers passierten mehrere Dinge und plötzlich war ich mit der Tatsache konfrontiert, dass er mich schon so lange liebte. Es war absolut überfordernd für mich, doch er ist mir so wichtig und ich konnte ihn nicht einfach zurückweisen. Es hat etwas gedauert, aber mittlerweile bin ich froh, dass wir zusammengefunden haben. Ich bin glücklich mit ihm und kann mir niemand anderen an meiner Seite vorstellen. Aber vor zwei Wochen …“ Er hielt inne, als die Erinnerungen an den Streit hochkamen und unbewusst rieb er sich mit den Fingern über die Handinnenfläche, die Oikawa verletzt hatte. Er musste darüber sprechen, aber ihm fehlten die richtigen Worte. Gab es überhaupt welche, die seinem Bedauern gerecht wurden? Er war unsicher. Der Geruch des Tees von Herrn Yoshida stieg ihm plötzlich in die Nase und einzelne Bilder durchzuckten sein Gedächtnis. Da war ein Glas Saft, das umgekippt war, ein Heft, das deswegen nass geworden war und eine Gestalt. Dann war es weg – so schnell, wie es gekommen war. Was … was war das gewesen? Eine vergessene Erinnerung? Seine linke Wange begann zu glühen und er zitterte leicht. Plötzlich fühlte er sich wie ein Kind und das verschwommene Gesicht eines Erwachsenen tauchte vor ihm auf. Wer war das? Was war passiert? Er hatte geweint … Das hatte er bisher nur selten getan. Etwas musste ihn zu Tode geschockt haben, doch je mehr er sich daran erinnern wollte, desto mehr verschwanden die einzelnen Bilder erneut im Nichts. Es war zum Verrückt werden! „Iwaizumi?“ Besorgt drang die Stimme des Leiters zu ihm durch und erschrocken japste er nach Luft, als er den Mann mit großen Augen ansah. Die Erinnerung war weg, hinterließ in ihm ein seltsames Gefühl. Einsamkeit, Angst, Kälte. Was war das nur gewesen? Gab es Erinnerungen, die er unbewusst verdrängt hatte? Und wenn ja, was trug er dann noch mit sich herum, von dem er keine Ahnung mehr hatte? Der Gedanke machte ihm Angst und er war sich unsicher, ob er bereit dafür war. Leicht verzweifelt griff er mit zitternden Händen seine Teetasse und hielt sie fest umklammert, als er einen Schluck trank und dankbar konzentrierte er sich auf das Gefühl des warmen Wassers in seinem Mund, als Herr Yoshida sich räusperte und das Wort ergriff: „Geht es dir wieder etwas besser? Magst du darüber sprechen?“ Die Tasse noch in den Händen starrte er den Tee darin an. Sein bleiches Gesicht spiegelte sich darin und er erschrak, wie schwach er gerade aussah. Das war doch nicht mehr er! Zurück zur Frage … Konnte er darüber reden? Wollte er das? Verdammt, er fühlte sich so seltsam, aber vielleicht konnte der Leiter ihm helfen, das einzuordnen. „Ich hatte gerade kurz das Gefühl, mich an etwas zu erinnern. Aber vielleicht war das auch nur Einbildung“, brummte das Ass und musterte ein weiteres Mal das Spiegelbild in der Tasse, dann fuhr er fort. Er musste das jetzt aussprechen, sonst würde er das nie tun. Erinnerungen hin oder her. „Was ich eigentlich erzählen wollte … Vor zwei Wochen hatte Toru einen wichtigen Termin und ich habe ihn dahin begleitet. Vorher hatten wir einige Dinge abgesprochen, die uns in der Beziehung wichtig sind, doch der Typ, mit dem er den Termin hatte, kam mir im ersten Moment suspekt vor und ich habe mich als besten Freund vorgestellt. Das war komplett aus dem Bauch heraus, weil ich ein schlechtes Gefühl hatte, und Toru fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet und in dem Augenblick hatte er das heruntergeschluckt, aber zu Hause haben wir deswegen gestritten. Er hielt mir vor, dass ich mich für ihn schämen würde, was kompletter Unsinn ist, aber er war so verletzt. Toru nimmt sich Worte immer sehr zu Herzen und übertreibt auch in solchen Situationen, aber plötzlich fragte er, welchen Sinn unsere Beziehung hätte, wenn ich nicht zu ihm stehen könne. Es war wie ein Tritt in die Eier für mich und ich konnte nicht glauben, was er da sagte. Noch bevor ich wusste, was ich sagen wollte, hörte ich schon das Klatschen und spürte das Kribbeln in meiner Handfläche. Ich war so entsetzt und geschockt von mir selbst. Toru ist sofort in sein Zimmer gerannt und wollte den Abend natürlich nicht mit mir reden. Es war so … Seitdem habe ich Angst vor mir selbst. Ich will nicht so ausrasten, wenn wir streiten. Ich liebe ihn und ich will mich mit ihm streiten können, ohne handgreiflich zu werden. Denn es war zwar unser erster großer Streit, aber ja mit Sicherheit nicht der letzte … So schön das auch wäre.“ Nervös löste Iwaizumi den Blick von der Teetasse, hatte die ganze Zeit über gehört, wie sich der Therapeut fleißig Notizen gemacht hatte. Auch jetzt schrieb er noch die letzten Dinge auf, ehe die wachsamen Augen zu ihm herüberschauten. Der Knoten in seinem Magen wurde tonnenschwer. Was dachte der Leiter von ihm? Kapitel 29: Der Weihnachtsmarktbesuch (Neu!) -------------------------------------------- Dienstag, 12.12. / Freitag, 15.12. „Hey Oikawa, hast du kurz einen Moment?“, erkundigte sich der Rosahaarige und stand im Türrahmen. Überrascht sah der Setter zu ihm, da er bis eben noch Sachen für die Uni überarbeitet und nicht damit gerechnet hatte, dass Takahiro mit ihm sprechen wollte. Das taten sie unter vier Augen nämlich sehr selten. Natürlich nickte Oikawa und sein Kumpel trat ein, schloss sogar die Tür hinter sich, also musste es ernst sein. „Was gibt es denn, Makki?“, fragte er lächelnd und drehte sich auf seinem Stuhl zur Seite, um ihm seine ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Anscheinend schien es ihm etwas unangenehm zu sein, denn er setzte sich schweigend auf das Bett und zog die Beine an, ehe er seine Augen auf ihn heftete und das Wort ergriff: „Ich weiß, dass wir in den letzten Wochen nicht so viel miteinander zu tun hatten. Aber seit dem Streit von Iwaizumi und dir musste ich mich erst mit Isseis Hilfe selbst wieder ordnen. Das ganze hat einige Erinnerungen wach gerufen … Tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich da war …“ Huch? Wo kam das denn jetzt her? Er hätte mit vielem gerechnet, aber damit so gar nicht. Ihm war doch klar, dass er eher mit Iwa zu tun hatte und das war auch vollkommen in Ordnung so. Denn wenn er wirklich mit ihm reden wollte, konnte er das jederzeit tun. Das war immer so gewesen und von daher hatte er sich da gar keine weiteren Gedanken drüber gemacht. „Du musst dich nicht entschuldigen. Du warst schon immer etwas enger mit Hajime und ich mit Issei. Das ist doch alles gut. Aber was meinst du mit „selbst wieder ordnen“?“ „Vor Mattsun hatte ich schon einen Freund, im letzten Jahr der Mittelschule. Wir waren ein dreiviertel Jahr zusammen und anfangs war es richtig gut. Wir haben so beide entdeckt, dass wir nur an Männern interessiert waren und mit ihm hatte ich auch meinen ersten Sex. Doch er war auch recht eifersüchtig … Eines Abends waren wir in einem Club – hatten uns illegal reingeschlichen – und als er auf Toilette war, hatte mich ein Mitschüler angesprochen. Wir unterhielten uns nett und mussten über eine alte Geschichte lachen, als mein Ex zurückkam und vor Eifersucht regelrecht explodiert ist. Draußen haben wir uns angeschrien, doch er wollte nicht verstehen, dass er das falsch interpretiert hatte. Die Worte wurden immer unfreundlicher und plötzlich hat er mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Geschockt habe ich ihn angeschaut, wie er bebend dastand und habe sofort Schluss gemacht. Ich bin weggerannt zu einer Bushaltestelle, nach Hause gefahren und habe ihn überall blockiert. Da er auf eine andere Schule ging, habe ich ihn seitdem nie wiedergesehen.“ Toru schluckte. Oh nein, deswegen hatte er sich neu ordnen müssen? Das war ja kein Wunder. Bestimmt hatte das all die Erinnerungen hervorgeholt. Dass Takahiro, der immer so frech war, so eine Geschichte mit sich herumtrug, hätte er ehrlich gesagt nie vermutet. Dafür wirkte er viel zu selbstbewusst und sicher. Eher hatte Oikawa angenommen, dass er zurückschlagen und ihn bepöbeln würde. Er musste sich vor Augen führen, dass die Sache Ende der Mittelschule war. Damals war Makki wohl noch nicht so wie jetzt gewesen. „Das ist eine schlimme Geschichte, Taka-chan. Tut mir leid, dass du so etwas erleben musstest. Ich bin froh, dass du Mattsun gefunden hast. Ihr werdet sicher bis zum Ende glücklich sein. Aber du … Also du unterstützt Hajime dabei, dass er das mit der Selbsthilfegruppe schafft, oder? Ich meine, er gibt sehr viel auf deine Meinung“, erkundigte sich der Setter unsicher. Das war für den Rosahaarigen bestimmt eine sehr schwere Situation. Himmel, warum war denn jetzt alles so kompliziert? Taka seufzte, strich sich durch die kurzen Haare und entgegnete: „Ich bin wahnsinnig enttäuscht von ihm, dass er dich geschlagen hat. Impulsivität hin oder her. Das ist eine sehr schwerwiegende Sache. Aber ich rechne ihm sehr hoch an, dass er diese Gruppe besuchen will, um sich zu ändern, damit das nicht mehr vorkommt. Wir haben uns ein paar Mal darüber unterhalten, seitdem das passiert ist und er weiß, dass ich ihn unter strenger Beobachtung habe. Doch wenn du ihm die zweite Chance geben willst, dann will ich das auch tun …“ „Danke Taka-chan. Das bedeutet mir wirklich viel!“ „Ja, ich weiß“, murmelte Makki leicht lächelnd und wollte anscheinend noch etwas sagen, als es an der Tür klopfte. „Herein!“, rief der Rosahaarige und im Türrahmen erschien Hajime, sein Gesichtsausdruck gerade für ihn undeutbar. „Hallo Toru, ich bin wieder da – Oh, ich wollte euch nicht stören. Dann geh ich mal in mein Zimmer … Bis später, ja?“ Die Tür wurde wieder geschlossen, bevor Oikawa reagieren konnte und der Setter blinzelte kurz. „Das Gespräch war wohl ziemlich anstrengend für ihn. Geh und kümmere dich um deinen Freund, hm? Er scheint dich zu brauchen.“ „Danke. Achso und eins noch. Falls Hajime mich aus irgendeinem Grund noch ein zweites Mal schlagen sollte, werde ich mich sofort von ihm trennen, auch wenn es mir wahrscheinlich das Herz brechen würde.“ Überrascht weiteten sich die Augen des Rosahaarigen und perplex nickte er. Hatte er wirklich geglaubt, dass er sich alles von seinem Ass gefallen lassen würde? Nein, so weit ging seine Liebe auch nicht. Einen Rest Selbstachtung hatte er dann auch noch. Sie standen beide auf, verließen sein Zimmer und während Taka in Richtung Wohnzimmer verschwand, wo er den Fernseher leise hören konnte, bog er in Richtung Iwas Zimmer ab. Zweimal klopfte er an, dann öffnete er die Tür. Sein Freund saß auf dem Bett, schaute nach draußen und schweigend nahm er dicht neben ihm Platz. „Hey Schatz … Wie war es?“, wollte Toru mit gedämpfter Stimme wissen, da es ihm irgendwie falsch erschien, laut zu sprechen. „Anstrengend …“, murmelte Iwa und wandte sich ihm zu. Er wirkte in der Tat angeschlagen und der Setter merkte, wie Sorge in ihm hochkroch. Das Ass war doch sein Fels in der Brandung, sein Rückgrat und er konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so von der Rolle erlebt zu haben. Das passte gar nicht zu ihm, auch wenn er selbstverständlich verstand, warum es ihm so dreckig ging. Und jetzt, wo Iwaizumi sich einer fremden Person öffnen sollte, war es wahrscheinlich besonders schlimm für ihn. Liebevoll zog er ihn in eine Umarmung, streichelte über seinen Rücken und ließ ihm die Zeit, um zu entscheiden, ob er noch mehr erzählen wollte oder nicht. Es war seine Entscheidung und auch, wenn er furchtbar neugierig deswegen war, wollte er ihn nicht nerven oder in die Enge drängen, wenn das Ass lieber nichts weiter dazu sagen wollte. Irgendwann löste sich sein Freund von ihm, bettete seinen Kopf auf seinem Schoß und schaute ihm nicht direkt in die Augen, sondern daneben an die Wand, als er berichtete: „Anfangs war es noch ok. Er fragte mich, was ich von der Gruppe erwarte und ich sollte von mir erzählen. Das war auch soweit in Ordnung. Ich habe ihm erzählt, wie wir uns kennengelernt haben und auch von Makki und Mattsun, aber einem Unbekannten von dem Streit zu berichten … Von dem Schlag … Das hat mich einiges an Überwindung gekostet. Doch Herr Yoshida scheint recht nett zu sein und auch geduldig. Daher konnte ich mich halbwegs öffnen … Als er jedoch forderte, ihm genau zu erzählen, wie ich mich in dem Moment gefühlt habe, war das sehr anstrengend. Aber ich werde das schaffen. Schließlich habe ich ein klares Ziel vor Augen.“ Hajime gab sich seiner streichelnden Hand hin, die zärtlich über Stirn und Haare strich, während er ihm lauschte und Oikawa begann bei den letzten Worten zu lächeln. „Du bist sehr stark, dass du dich dem stellst, Schatz. Ich bin stolz auf dich und mit den anderen und mir zusammen wirst du es schaffen. Davon bin ich fest überzeugt.“ Behutsam drückte ihn eine Hand am Hinterkopf nach unten und zärtlich küssten sie sich. Es war ein langsamer, sanfter Kuss, in den sich der Setter fallen ließ. All die Sorgen und Probleme verschwanden in diesem Augenblick und er hoffte, dass sie wegbleiben würden – für immer. Daraus wurde aber nichts, als Iwa den Kuss löste und ihn ein weiteres Mal ansprach: „Es tut mir leid, dass ich am Sonntag gezweifelt habe. Als Kana aufgetaucht war und ich allein in der Küche stand, –“ Das Ass hielt mitten im Satz inne, als er ihm einen Finger auf die warmen, weichen Lippen legte. „Es ist in Ordnung. Ich habe gestern noch viel darüber nachgedacht, aber wahrscheinlich hätte ich ähnlich gehandelt. Immerhin habe ich Kana ja mit dir betrogen, sowohl emotional als auch körperlich, als ich dir bei der Party einen geblasen habe. Also kann ich schon verstehen, dass du Zweifel hattest. Wir waren Sonntag beide wegen Kana genervt, also lass uns die Sache dabei belassen, hm? Ich denke, du weißt jetzt, dass ich nichts mehr von ihm will und irgendwie war es im Nachhinein betrachtet auch schön, dass du eifersüchtig warst. Es zeigt mir schließlich, wie wichtig ich dir bin und das macht mich glücklich.“ „Du bist mir das wichtigste“, entgegnete Iwa sofort und Torus Augen wurden groß. Das kam schnell und überzeugend. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er lächelte Hajime liebevoll an. „Du bist mir auch das wichtigste, Iwa-chan.“ „Iwa-chan! Der Vertrag ist in Ordnung! Mattsuns Papa hat mir gerade eine Email geschickt!“, rief Toru fröhlich und sprang seinem Freund förmlich in die Arme, als dieser sich eigentlich seinen Mantel anziehen wollte. „Das ist ja großartig!“ Breit grinsend schaute das Ass zu ihm und umarmte ihn fest. „Ich bin so stolz auf dich, Toru. Du kämpfst unermüdlich für deinen Traum und dies ist der nächste Schritt zur Erfüllung.“ „Ist das nicht schon die Erfüllung? Kann ich wirklich noch mehr verlangen?“, hauchte Oikawa, genoss die feste Umarmung und schloss die Augen. Der herbe Geruch Iwas stieg ihm in die Nase und betörte ihn auf seine ganz eigene Art und Weise. Er vermisste intime Berührungen mit ihm, den Sex, wollte seinen verschwitzten Körper an seinem spüren und seine erregte Stimme. Fuck, er musste sich ablenken. Schließlich wollten sie gleich noch los! „Natürlich kannst du das! Du willst doch in die Nationalmannschaft! Zur WM und zu Olympia! Das wirst du schaffen! Das weiß ich!“ Die mutmachenden Worte seines Schatzes ließen ihn lächeln und er nickte, hatte die Augen aber noch immer geschlossen. Er fühlte sich Iwa wieder nah und hoffte darauf, dass der Ausflug sie noch weiter zusammenschweißte. Damit bald wieder Normalität zwischen ihnen herrschte. Er schien etwas zu träumen, denn er zuckte zusammen, als er erneut die gedämpfte Stimme seines Freundes an sein Ohr drang: „Willst du nicht noch kurz deinen Berater anrufen und Bescheid sagen, dass du unterschreiben möchtest? Dann kann er einen offiziellen Termin machen.“ „Au ja, das mach ich!“ Bevor er sich aber ganz von seinem Ass lösen konnte, hielt dieser ihn mit seinen trainierten Armen fest und gab ihm einen liebevollen Kuss. Ganz unschuldig, voller Liebe, Respekt und Stolz. Augenblicklich schmolz Toru dahin, wollte, dass dieser Kuss nie endete, doch Iwa löste ihn und lächelte, als er murmelte: „Na komm. Zeit zum Telefonieren und dann müssen wir los, sonst kommen wir noch zu spät.“ Das bezaubernde Lächeln ließ sein Herz stolpern und glücklich nickte der Setter. Mit bester Laune nahm er sein Smartphone, um sich bei seinem Berater zu melden. Hoffentlich hatte er kurz Zeit zum Reden! Es war eine Weile her, dass sie alle zusammen etwas unternommen hatten, doch Hinata und Bokuto hatten sie alle nach dem Training dazu überredet, dass sie sich zu Hause nur kurz frisch machten und dann noch mal trafen. Die Eule hatte ihnen erzählt, dass es in Europa Tradition sei, dass man in der Firma oder im Verein eine Weihnachtsfeier vor dem eigentlichen Weihnachtsfest machte und da es einen superschönen Weihnachtsmarkt nicht weit von ihm gäbe, wäre das doch die Gelegenheit, diese Tradition bei ihnen einzuführen. Obwohl anfangs nicht viele begeistert waren – abgesehen von Toru, Bokuto und Hinata nur Mako und Inouka – bekamen sie alle überredet und abgesehen von Komi, Yamaguchi und Inouka – die anscheinend aus unerfindlichen Gründen noch immer Single waren – schlenderten alle Arm in Arm durch die Straßen, was ihnen oft komische Blicke einbrachte und viel Getuschel, doch Oikawa versuchte es so gut es ging, zu ignorieren. Sie waren ignorant und dumm in seinen Augen und dennoch traf es ihn, so ausgegrenzt zu werden, nur weil er Liebe für einen Mann empfand. Es war doch das wichtigste, dass man einen Partner an seiner Seite hatte, den man aus tiefstem Herzen liebte, egal ob es jemand des gleichen Geschlechts war oder nicht. Unbewusst kuschelte er sich enger an Iwaizumi, der seit dem Gespräch mit Herrn Yoshida noch stiller war als so schon. Er schien stark in sich gekehrt zu sein, um die Dinge, die bei dem Gespräch herausgekommen waren, zu verarbeiten. Zwar hatte er ihm ja kurz von dem Gespräch erzählt und sie hatten auch die Sache vom Sonntag geklärt, aber anscheinend waren da noch Sachen, über die er noch nicht reden konnte oder wollte. Das war in Ordnung für den Setter und er ließ ihm seinen Freiraum, wusste, dass es sinnlos war, ihn mit Fragen zu löchern. Wenn das Ass etwas hatte, würde er auf ihn zukommen. Das hatte er jetzt schon oft genug bewiesen. Leicht lächelnd schaute Hajime zu ihm, als er seine Absichten, zu kuscheln, erkannte und gab ihm ein Küsschen auf die Schläfe. Sofort schlug sein Herz schneller und seine Wangen wurden warm, obwohl es mittlerweile ziemlich kalt geworden war. Er konnte seinen Atem sehen, so sehr war es abgekühlt. Dennoch mochte Oikawa die Weihnachtszeit und zu seinem Glück war er in dieser Gruppe nicht der einzige, auch wenn das besonders Iwaizumi, Tsukishima, Kageyama und Komi ziemlich auf die Eier zu gehen schien, doch das ignorierte er geflissentlich. Es war auch das einzige Fest, dass er mit Hanamaki zusammen zu Hause gestaltete, denn obwohl Weihnachten in Europa eine ganz andere Bedeutung hatte, dekorierten sie die Wohnung inklusive einer Plastiktanne mit Kugeln und Lametta, die sie vor ihrem ersten Fest in der WG gekauft hatten. Außerdem kochte er ein richtiges Festmahl, damit sie es sich auch gemeinsam schmecken lassen konnten. Und Matsukawa machte immer ein großartiges, absolut zauberhaftes Dessert, auf welches er sich immer besonders freute! Ansonsten war das Fest in Japan eher eine Datingveranstaltung. Während es in anderen Teilen der Welt ein großes Familienfest war, war es hier mehr etwas, wo man die Zeit mit seinem Partner verbrachte oder datete. Das Fest der Liebe eben. Hier war es das Neujahrsfest, dass mit den Familien gefeiert wurde und wo es große Essen gab. Doch Makki und er hatten sich durchgesetzt, aus beiden Festen das Beste zu nehmen, um es zur großartigsten WG Feier zu machen, die dann eine Woche dauerte. Und deswegen freute sich der Setter umso mehr, dass sie nun mit dem Volleyballteam einen Weihnachtsmarkt besuchten, um eine schöne gemeinsame Zeit zu verbringen. Ein Glück, dass Hinata, Bokuto, Inouka und Mako auch Fans von Weihnachten waren! Das machte es für ihn deutlich leichter. „Du grinst wie ein Honigkuchenpferd.“ Sein Freund schmunzelte und Toru räusperte sich, ignorierte den vergnügten Gesichtsausdruck von Kuro, der das offenbar mitbekommen hatte. „Immerhin bin ich das heißeste Honigkuchenpferd“, gab er spitz zurück und hörte Kuros Lachen, was das Ass anzustecken schien, denn auch er konnte es nicht unterdrücken. Sein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich und er bekam eine Gänsehaut, denn es war einige Tage her, dass er es das letzte Mal gehört hatte. Dabei gab es kaum etwas schöneres für ihn. „Das solltest du öfters tun“, sagte er daher lächelnd, nachdem sich Iwa wieder beruhigt hatte und empfing einen irritierten Blick. „Was meinst du?“ „Lachen. Das macht dich unwiderstehlich“, erklärte er mit einem Zwinkern und nun war er es, der ihm ein Küsschen auf die Wange gab. „Du spinnst, Schatz.“ „Das –“, fing Oikawa an, hielt aber erschrocken inne. Er hatte sagen wollen, dass das wenn nur an den Bällen liegen konnte, die er ihm über die Jahre an den Kopf geworfen hatte, doch diesen Spaß würde das Ass jetzt nicht verstehen können. Zum Glück hatte er sich bremsen können! Es war nicht böse gemeint – ganz im Gegenteil –, aber Hajime hatte gerade genug damit zu kämpfen. Und er wollte nicht wegen eines unbedachten Spruchs die Stimmung ruinieren. Sein Freund hob eine Augenbraue, da er einfach mitten im Reden gestoppt hatte und fieberhaft suchte er nach etwas, was er sagen konnte, als Mako auf einmal an Oikawas Mantel zupfte. Irritiert drehte er den Kopf und sie biss sich vor lauter Vorfreude auf die Unterlippe. „Sieh nur, Oikawa! Die haben gebrannte Mandeln und Schokofrüchte!“ Erst gestern hatten sie sich nach dem Training über Weihnachtssüßigkeiten unterhalten und er liebte gebrannte Mandeln! „Wirklich? Lass uns hin!“, meinte er aufgeregt und löste sich von Hajime, gab ihm einen kurzen Kuss und lief mit den Worten: „Sorry, aber die sind knackiger als du!“ auf den festlich geschmückten Stand zu. „Dir zeige ich noch, wie knackig ich bin, du Früchtchen!“, rief Iwa schmunzelnd und Kopf schüttelnd hinter ihm her und Makki sagte irgendwas dazu, was er aber nicht mehr verstand, da er schon zu weit weg war. Er war froh, dass dem Braunhaarigen der Ausflug zu gefallen schien, auch wenn Weihnachten nicht so sein Thema war. Bei all dem Stress, der gerade herrschte – Trainingsausschluss, die Schwierigkeiten ihrer Beziehung und die Selbsthilfegruppe – brauchte er bestimmt diese Abwechslung, musste sich ablenken können, um nicht durchzudrehen. Und er wollte ihm dabei helfen, also kaufte er neben einer Packung gebrannter Mandeln noch eine Schokobanane, denn Iwaizumi mochte beides, also konnte die Kombination nicht schlecht sein. Glücklich kam er auf ihn zugelaufen, die Kälte wehte ihm um die Nase und verschiedenste Düfte kämpften um seine Gunst. Er wusste gar nicht, wo er mit Essen anfangen sollte und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Heute Abend würde er genießen. Sowohl mit seinen Freunden, als auch mit seinem Partner und das mit leckerem Essen und Getränken. Kapitel 30: Gemeinsamer Glühwein (Neu!) --------------------------------------- Freitag, 15.12. Mit geradezu leuchtenden Augen hielt Oikawa ihm die mit Schokolade überzogene Banane hin und etwas skeptisch nahm das Ass sie entgegen. Schmeckte so etwas? Also er mochte sowohl Bananen als auch ab und zu Schokolade, aber die Kombination war ihm bisher noch nicht untergekommen. „Probier mal! Das wirst du garantiert mögen!“ Voller Enthusiasmus wurde er angestrahlt und durch die von der Kälte geröteten Wangen sah Toru besonders süß aus. Der Braunhaarige merkte, wie seine Mundwinkel automatisch begannen nach oben zu wandern und er probierte, was der Setter ihm mitgebracht hatte. Zu seiner Überraschung war das wirklich lecker und genüsslich biss er von der Banane ab, was Oikawas Augen größer werden ließ. Stimmte etwas nicht? Hatte er geglaubt, dass es ihm doch nicht schmeckte? Er war verwirrt und als er aufgekaut hatte, hob er eine Augenbraue, doch Toru schüttelte entschieden den Kopf und räusperte sich. Waren seine Wangen noch dunkler geworden? Oder irrte er sich? „Was ähm … Was hältst du davon? Schmeckt gut?“, hakte er mit leicht piepsiger Stimme nach und Iwaizumi musterte seinen Freund einen Moment lang, dann nickte er. „Ja, hätte ich nicht gedacht, aber es ist sehr lecker. Danke dafür, Schatz.“ Er gab ihm ein Küsschen auf die Wange, empfing ein breites Grinsen, und legte ihm einen Arm um die Hüfte, als sie gemütlich weiterschlenderten. Die anderen hatten sich in der Nähe verteilt, schauten sich die Auslagen der Buden an, die dicht an dicht gedrängt dastanden. Neben all den Süßigkeiten, warmen Mahlzeiten und Getränken aller Art – Glühwein, Tee, Kakao, Kaffee und Bier hauptsächlich – gab es viel Schmuck, Weihnachtsdeko, Kinderspielzeug und Souvenirs zu kaufen. Um ehrlich zu sein, fühlte sich Iwa fast erschlagen von all den Eindrücken. Denn für die Kinder und solche, die es im Herzen geblieben waren, gab es noch ein paar Fahrgeschäfte inklusive lauter Musik, die aus den Boxen dröhnte. Last Christmas und so … „Oh, sieh mal, Iwa-chan!“ Ruckartig wurde er nach links gezogen und er hatte nicht mal Zeit zum Meckern, da war er schon bei einer reich geschmückten Bude angekommen, wo er nicht sagen konnte, was zum Verkauf stand und was zur Dekoration gehörte. „Der dunkelgrüne Schal ist doch was für dich! Der passt perfekt zu deinen wunderschönen Augen und betont sie bestimmt“, erklärte er und deutete auf einen – wie auf dem Schild stand – handgestrickten, gemusterten Schal in einem dunklen Grün, das er in der Tat sehr schön fand. Ob das aber zu seinen Augen passte, war ihm nicht klar. Mit solchen Dingen beschäftigte er sich nicht. Da war Oikawa der Experte. „Oh ja, ihr Freund hat ganz recht!“, sagte die ältere Dame, der anscheinend der Stand gehörte und leicht verwirrt schaute er zu ihr und beobachtete, wie sie den Schal in die Hand nahm und ihm reichte. „Hier, sehen Sie selbst. Rechts von Ihnen ist ein Spiegel aufgehängt.“ „Vielen Dank!“ Oikawa lächelte die Frau freundlich an, griff nach dem Stück und bereitwillig ließ er sich von ihm drehen, damit er sich selbst davon überzeugen konnte, dass Schal und Augenfarbe zusammenpassten. Er war da, wie schon erwähnt, kein Profi, aber ihm gefiel das Stück und bei einer Berührung stellte er fest, dass die Wolle superweich war. „Wie teuer ist er denn?“, erkundigte sich das Ass und sah den Triumph bei seinem Freund. Wie konnte man sich so darüber freuen, dass er sich einen Schal kaufen wollte? Es war ihm ein Rätsel und für einen Moment war er abgelenkt, sodass er kurz blinzelnd einen violetten Schal im selben Muster anschaute, den die Dame ihm entgegenhielt. „Vielleicht möchtet ihr ja Partnerlook haben? Junge Leute machen das doch heutzutage so, oder?“ Sie schauten sich kurz an, verwirrt darüber, dass sie darauf angesprochen wurden und die Verkäuferin kicherte amüsiert hinter vorgehaltener Hand: „Verzeiht, aber ich habe euch eben Arm in Arm gesehen und bei zwei Männern ist das doch ein eindeutiges Zeichen für eine Partnerschaft, oder?“ „Ja schon, aber … Sie haben damit kein Problem?“, hakte Toru misstrauisch nach und nahm den Schal, während er der Antwort lauschte: „Nein, warum sollte es? Es ist doch an euch zu entscheiden, wer euch guttut und mit wem ihr eure Zeit verbringen wollt. Schließlich lebe ich ja nicht dein Leben, oder? Und schick ist dein Freund ja.“ Sie zwinkerte und Hajime spürte sofort, wie seine Wangen heiß wurden. Hoffentlich konnte man das nicht sehen. Die ganze Sache war ihm mehr als unangenehm, aber Oikawa war Feuer und Flamme und nickte wild. „Nicht wahr? Aber das ist nur die Krönung, denn er ist der treueste und liebevollste Beschützer und Freund, den man sich vorstellen kann!“ „Toru …“, brummte er peinlich berührt, aber der Setter bekam es nicht mit oder ignorierte ihn, als er seinen Oberarm umschlang und hinzufügte: „Wir nehmen beide Schals! Wie viel macht das?“ Selig lächelte die ältere Dame und obwohl sie mit ihrer Strategie Erfolg hatte und zwei Stück verkaufte, glaubte Iwaizumi dennoch, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen. Sie machte so einen in sich ruhenden Eindruck und er wünschte sich, er könnte etwas davon abbekommen. Vielleicht wäre er dann nicht so impulsiv. Würde Toru nicht … Unwirsch schüttelte er den Kopf. Darüber sollte er sich jetzt nun wirklich keine Gedanken machen. „Alles in Ordnung, Schatz?“ „Ja, ich musste nur gerade an etwas denken“, erwiderte er mit einem leichten Lächeln und holte sein Portemonnaie heraus. „Das macht dann 3.500 Yen bitte.“ Irritiert rechnete Hajime kurz im Kopf. Laut Schild kostete ein Schal 2.000 Yen, also etwas stimmte an dieser Rechnung nicht. „Aber hier steht doch, dass …“ „Das ist schon in Ordnung“, unterbrach sie ihn, aber er schüttelte abwehrend den Kopf und reichte ihr 4.000 Yen. „Nein, das kommt gar nicht in Frage. Das sind selbstgestrickte Schals und da steckt viel Arbeit drin, also zahle ich auch den vollen Preis.“ „Ich wusste doch, dass die Zwei bei euch in den besten Händen sind. Und lasst euch nichts einreden. Ihr seid süß zusammen“, erwiderte sie und reichte ihnen die zwei Schals in einer Tüte. Toru nahm sie entgegen und nickte. „Wir geben unser Bestes. Einen schönen Abend noch!“ Sie verabschiedeten sich und der Setter hakte sich sofort wieder bei ihm ein, als Kuro von einem großen Essensstand aus zu ihnen winkte. Sie schlängelten sich durch die Besucher, die gefühlt immer zahlreicher wurden und die Katze grinste. „Wie ich sehe, hat sich der Ausflug für euch schon gelohnt. Aber jetzt kommt mit!“ Hajime wollte gerade fragen, wohin, als sich der Schwarzhaarige wieder umdrehte und sich an den Stehtischen vorbei schob, die ausnahmslos alle besetzt waren. Die Lautstärke war fast ohrenbetäubend, da sich die kleineren und größeren Gruppen trotz der gespielten Musik unterhielten und so war das Ass froh, als die Katze sie in ein Zelt führte, dass im hinteren Teil des Weihnachtsmarktes war. Dort war auch das restliche Team und nach einem kurzen Blick stellte er fest, dass auch zwei ihm unbekannte Frauen, die sich verdächtig ähnlich sahen, bei Inouka waren. „Wer sind denn die beiden Ladys da bei unserem Inouka?“, wollte Oikawa neben ihm neugierig wissen und Kuro grinste. „Das könnt ihr ihn doch auch selbst fragen.“ „Okay, machen wir!“ Iwa rollte leicht lächelnd mit den Augen. Es war unfassbar, was für eine Tratschtante er werden konnte, wenn er Neuigkeiten witterte, insbesondere wenn es dabei um etwaige Beziehungen ging. Entspannt schlenderten sie zu den anderen und grüßten sich kurz, als Toru sich von ihm löste und zu Inouka schritt. Um eventuelle Peinlichkeiten zu verhindern oder zumindest einzugrenzen, folgte er ihm und stellte sich neben ihn, als sie am Tisch angekommen waren. „Hallo die Damen“, begrüßte er sie freundlich und die Zwei sahen ihn kurz mit großen Augen an, dann lächelten sie leicht schüchtern. „Du bist Toru Oikawa, oder?“, fragte die eine und Iwaizumi fragte sich, ob man sie irgendwie auseinanderhalten konnte. Für ihn war das gerade ein Ding der Unmöglichkeit. „Ja, das ist richtig und mit wem habe ich die Ehre?“ „Das ist Hana, meine Freundin und ihre Zwillingsschwester Ran. Sie wollten auch unbedingt auf den Weihnachtsmarkt und daher haben wir uns hier getroffen. Ich hoffe, das ist in Ordnung?“ „Freut mich, euch kennenzulernen! Ich wusste ja gar nicht, dass du vergeben bist, Inou-chan! Darf man fragen wie lange schon?“ „Toru …“, murmelte Iwa neben ihm und zog ihn etwas enger an sich, um ihn vielleicht von den anderen abzulenken. Seine Neugier war jedoch ungebremst, wie immer in solchen Fällen und manchmal konnte er da sehr penetrant werden. „Wir sind seit zwei Monaten zusammen, also alles noch sehr frisch, aber wir kennen uns schon eine halbe Ewigkeit. Wir wohnen nicht weit voneinander entfernt“, entgegnete Hana freundlich und ihr Blick wanderte zu ihm rüber. „Und du bist?“ „Ich bin Hajime Iwaizumi, Torus Freund“, antwortete er höflich und die Schwester entgegnete sofort: „Ah, du warst das Ass der Aoba Johsai, richtig?“ „Ja, das stimmt.“ „Wie cool! Wir spielen auch Volleyball in der Freizeit und wir haben ein paar Artikel über Oikawa und dich gelesen“, erklärte sie und er kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf. Ihm war noch immer schleierhaft, wieso er sich in der Oberschule von Toru hatte überreden lassen, der Volleyball Zeitschrift ein paar Interviews zu geben. Das war doch nun so gar nicht seine Art, aber sein Freund war eben schon damals sehr überzeugend gewesen. „Wir fühlen uns geehrt, dass ihr in Tokyo von uns gehört habt!“, freute sich der Setter ehrlich und Iwa lächelte, als er ihn anstupste. „Na komm, Schatz. Schauen wir nach Makki und Mattsun, hm?“ „Ach, die kommen auch allein klar!“, grinste ihn der Violetthaarige an und Iwa schnaubte kurz. „Entschuldigt, aber wir suchen noch nach zwei Freunden. Bis später, ja?“, wandte sich Hajime direkt an Inouka und die beiden Mädels und alle Drei nickten leicht grinsend. Unfassbar, wie frech sein Freund werden konnte, wenn es um die Beziehungen anderer Leute ging. Um ihn in Bewegung zu bringen, kniff er ihm in den knackigen Hintern, was Toru empört aufquietschen ließ und das Ass nutzte den Moment und zog ihn mit. „Das war fies, Iwa-chan! Mein armer Hintern! Warum willst du denn unbedingt zu den anderen?“ „Lass Inouka und seiner Freundin doch etwas Privatsphäre, Schatz. Wir können uns nachher immer noch mit ihnen unterhalten, hm? Und ich würde mich gern etwas hinsetzen und Glühwein trinken.“ „Na gut“, gab Oikawa klein bei und griff seine Hand. Irgendwie war es ungewohnt, Händchen haltend mit ihm in der Öffentlichkeit herumzulaufen. Wenn schlenderten sie meist dicht nebeneinander oder Arm in Arm, aber so taten sie das sehr selten. Das Zelt war ziemlich groß und es tummelten sich viele weitere Gäste, sodass sie sich zwischen den Tischen hindurchschlängelten mussten, um zu Makki und Mattsun zu kommen. „Ah, sieh mal, Iwa-chan! Yamaguchi nutzt wohl auch die Gunst der Stunde“, kicherte Toru plötzlich neben ihm und das Ass ließ kurz den Blick schweifen, bis er ihn am Tisch von Inouka und den beiden Mädels entdeckte. „Yamaguchi ist einfach nur nett und will nicht, dass Ran wie ein fünftes Rad am Wagen allein dasitzt“, erklärte Iwaizumi und war froh, als er nach zwei weiteren Tischen endlich den von ihren Kumpels erreicht hatte. „Auf unsere erste Weihnachtsfeier!“, rief Mako gut gelaunt und hielt ihren Becher hoch. Die Stimmung war gut, als sie alle ihre Glühweine serviert bekommen hatten und mit Einverständnis der Kellner hatten sie ein paar Tische zusammengeschoben, sodass sie an einer Art Tafel sitzen konnten. Ein wenig erinnerte es das Ass an den Sommer, als sie alle zusammen gegessen hatten, nachdem sie Toru zum Glück unversehrt gefunden hatten. Nur dass es da deutlich wärmer gewesen war und nicht eisig kalt wie jetzt, aber gut, es war auch schon Dezember. Im Chor riefen sie „Kanpai!“ und genossen den Glühwein, der – wie Iwa fand – richtig gut war. „Und? Habt ihr Pläne für Weihnachten?“, wollte Komi wissen und schaute interessiert in die Runde. Nacheinander berichteten sie von ihren Plänen, die sich im Grunde genommen nicht allzu stark unterschieden. Essen gehen mit dem Partner, davor oder danach vielleicht noch etwas unternehmen und wie Kuro es so schön formulierte: „Zum Schluss der Liebe noch den nötigen Respekt zollen.“ Das versaute Grinsen, dass er dabei offenbarte, ließ keine Fehlinterpretation zu, was die meisten lachen ließ, während Tsukishima nur genervt mit den Augen rollte. „Habt ihr denn auch schon alle Geschenke?“, neckte sie ihre Managerin und streckte einem erschrocken aussehenden Kageyama die Zunge heraus. Offenbar hatte er noch kein Geschenk, aber auch Hinata wirkte so, als hätte er das vergessen. Andererseits war sich das Ass nicht sicher, ob es unbewusst nicht Absicht war, dass sie noch nichts geholt hatten. Vielleicht sollte er Kageyama nochmal auf die Situation ansprechen? Verständlicherweise war er nach dem abgelehnten Antrag nicht bester Laune und seit dem Streit mit Oikawa hatte er ihn etwas aus den Augen verloren. „Naja, noch hast du ja etwas Zeit“, munterte Mattsun den Setter mit einem Lächeln auf, da sie nebeneinander Platz genommen hatten und dieser nickte leicht abwesend. Unruhig saß Hinata daneben und die Spannung war zum Reißen gespannt. Fragend schauten Yamaguchi und Tsukishima zwischen den Beiden hin und her, als Iwaizumi beschloss, die Zwei aus ihrer misslichen Lage zu befreien. „Habt ihr das von Ushijima eigentlich in der Monthly Volleyball gelesen?“, fragte er interessiert und schaute die Zwei an, die gegenüber von ihm Platz genommen hatten und sofort hatte er Shoyos Aufmerksamkeit, der die freie Hand zu einer Faust ballte. „Ja natürlich! Der Arsch! Nicht nur, dass der schon in der Nationalmannschaft spielen darf, ab nächster Saison wird er für die Yokohama Lions spielen! Eins der besten Teams der Liga! Und dann guckt der auch noch so blöd auf dem Foto!“, regte sich der Wirbelwind auf und verschüttete dabei einen Teil seines Glühweins, der auf seinem Mantel landete. „Ach scheiße!“, fluchte er und blähte genervt die Wangen auf. Doch es waren Yamaguchi und Mako, die ihm halfen und nicht Kageyama, der nur den Kopf schüttelte und einen weiteren Schluck trank. Es bildeten sich wieder mehrere Gesprächsgrüppchen und Hajime nutzte die Gelegenheit und stand auf. Mit einem kurzen Nicken bedeutete er Kageyama, ihm nach draußen zu folgen und sofort erhob sich dieser ebenfalls und folgte ihm. Da sich der Setter ihm anvertraut hatte, wollte er ihn danach nicht einfach hängen lassen, auch wenn er andere Dinge im Kopf hatte. Sie schlängelten sich zwischen den anderen Besuchern hindurch, bis sie neben der Bude eine etwas ruhigere Gegend gefunden hatten. „Immer noch dicke Luft?“, erkundigte sich Iwaizumi, schaute ihn musternd an und beobachtete, wie sich der Setter seufzend durch die Haare strich. Wo er ihn jetzt aus der Nähe betrachten konnte, wirkte der Schwarzhaarige erschöpft, unausgeschlafen und irgendwie älter als noch vor ein paar Wochen. Die ganze Sache schien ihn weit mehr mitzunehmen, als es den Anschein hatte. Kageyama hatte auch noch nie den Eindruck gemacht, als würde er offen über sich und seine Gefühle sprechen. Das konnte Iwa gut nachvollziehen. Er brauchte dafür schließlich auch Alkohol oder einen triftigen Grund … „Ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll. Und Shoyo ist seitdem so unsicher … Wir haben irgendwie unsere Leichtigkeit verloren. Alles scheint irgendwie schief zu gehen.“ „Das kenne ich“, brummte das Ass und stemmte eine Hand in die Hüfte. Sein Blick wanderte über den Platz vor ihnen und gut gelaunten Pärchen, die Arm in Arm oder Händchen haltend an ihnen vorbeischlenderten. Es wirkte alles so friedlich und harmonisch hier. Es war schön und Hajime genoss es, aber gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass ihn das Glück nicht richtig im Inneren erreichte, es ihn nicht berührte. Es war schwer zu beschreiben. Kageyamas Stimme riss ihn auf einmal aus seinen Gedanken: „Auch Ärger?“ „Ja, aber das liegt nicht an ihm …“ Der Setter neben ihm nickte langsam und zu seinem Glück fragte er nicht weiter nach. Dafür war das Ass mehr als dankbar, denn er hätte es ihm nicht sagen können. Die Scham war zu groß. „Aber Shoyo und ich wollen das irgendwie auf die Reihe bekommen. Dafür haben wir schon zu viel mitgemacht. Oikawa und du auch, oder?“ „Ja, wir werden das schaffen. Aufgeben kommt nicht in Frage“, stimmte Iwaizumi selbstbewusst zu. Er würde das mit der Selbsthilfegruppe schaffen und seine Aggressionen in den Griff kriegen. Außerdem war die Sache mit Kana nach dem letzten Treffen hoffentlich endlich erledigt und sie konnten zur Ruhe kommen. Und im Hinterkopf schwirrte noch der Streit mit dem Interimscoach, sodass er nicht am offiziellen Training teilnehmen konnte. Derzeit war wirklich der Wurm drin. Sein Blick wanderte automatisch zu Kageyama, der seinen Glühwein mitgenommen hatte und einen Schluck trank. Ihm musste so viel an dem kleinen Wirbelwind liegen, wenn er so um ihn kämpfte und ihm wurde wieder einmal bewusst, wie wenig er ihn kannte, obwohl sie sich schon in der Mittelschule kennengelernt hatten. Dabei war er ihm nicht mal unsympathisch oder so, aber wegen der Rivalität, die Oikawa ausgerufen hatte, hatte er nie so richtig mit ihm zu tun gehabt. Sein schlechtes Gewissen übermannte ihn plötzlich wie eine Flutwelle und für einen Moment rieb sich Hajime die Nasenwurzel, musste sich kurz ordnen. Damals hatte er Toru das erste Mal geschlagen, sogar mit der Faust, weil er nicht hatte fassen können, dass er den zwei Jahre jüngeren Tobio hatte angreifen wollen. Was war nur in ihn gefahren damals? „Ist alles in Ordnung, Iwaizumi?“ „Ja, ähm nein … Also …“, stammelte das Ass und seufzte angestrengt. Sollte er das jetzt ansprechen? Sich entschuldigen? Aber würde Kageyama wollen, dass er das Thema jetzt aufwärmte? Die Fragen verwirrten ihn und er wusste nicht, was er tun sollte, als ihm der Setter die Entscheidung abnahm. „Lass uns wieder reingehen. Die anderen warten bestimmt … Aber danke fürs Reden. Das ist sehr nett von dir.“ „Ja klar. Du kannst dich immer melden, wenn was ist.“ Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen nickte er ihm zu und machte sich auf den Weg zurück ins Innere des Zeltes. Hajime wiederum blieb noch einen Moment unsicher stehen, beobachtete die glücklichen Menschen, die um ihn herum waren und verspürte eine Sehnsucht danach, als er Tobio doch folgte. Kapitel 31: Kleine Diskussion (Neu!) ------------------------------------ Freitag, 15.12. Lächelnd nahm Kuro neben ihm Platz, kurz nachdem Iwaizumi und Kageyama nach draußen gegangen waren. Worüber die Zwei wohl zu reden hatten, dass sie sich zurückzogen? Neugierig war er ja schon, denn bisher hatten die Zwei nicht den Eindruck gemacht, als würden sie Geheimnisse teilen. Andererseits hatten sie sich auch nach dem Gespräch mit dem Direktor noch unterhalten und Tobio-chan hatte seitdem keinen guten Eindruck mehr gemacht. Er war nachlässig im Training, unkonzentriert und mit Chibi-chan schien nichts so richtig zu klappen, doch egal wer ihn fragte: Er beteuerte immer, dass es nichts Schlimmes sei und es ihm bald wieder gut ginge. Auch der orangene Wirbelwind blockte jegliche Gesprächsversuche ab. Das war alles sehr untypisch für sie, aber Toru hatte selbst genug um die Ohren, um das nur am Rande wahrzunehmen und sich nicht weiter zu kümmern. „Hey Oikawa, wie geht es dir?“ „Gut und dir, Kitty-chan?“ Toru hatte sich an ein Ende der Tafel gesetzt, wo es etwas ruhiger war, um seiner Mum kurz eine Nachricht zu schicken. Sie wollte wissen, wie es ihm ging und ob es Neuigkeiten bezüglich des Beraters gab, doch er beschloss, ihr nachher zu Hause zu schreiben, wenn er Ruhe hatte. Hier konnte er sich nicht konzentrieren. Also verstaute er sein Smartphone in der Hosentasche und wandte sich lächelnd ganz der Katze zu. „Auch gut. Ich mag den Weihnachtsmarkt hier.“ „Ja, ich auch!“ „Aber ich wollte auch kurz die Chance nutzen, um mit dir zu reden. Die Woche war schon wieder so vollgestopft, dass ich es vorher leider nicht geschafft habe und dich erwischt man so schlecht allein.“ Oikawa wollte erst etwas zurück pieksen, doch das vergnügte Grinsen Kuros ließ ihn innehalten und so nickte er nur, als Zeichen, dass er ihm weiter zuhören würde. „Also ich war ja wie versprochen mit deiner besseren Hälfte ein Bierchen trinken, um ihn abzulenken und ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass er mir die Wahrheit über euren Streit erzählt – oder sollte ich besser sagen gebeichtet? – hat. Ich muss zugeben, dass mich die Sache anfangs echt aus den Socken gehauen hat. Ich hoffe, deine Familie und Makki und Mattsun fangen dich gut auf, sonst kannst du dich auch gern an mich wenden. Jedenfalls habe ich auch ein Auge auf ihn, um sicherzugehen, dass er keinen weiteren Mist anstellt, denn das ist echt eine harte Nummer.“ Überrumpelt von diesem plötzlichen Themenwechsel wurden seine Augen groß und der Setter brauchte einen Moment, um das Gesagte einzuordnen. Dann sah er sich verstohlen um, aber niemand schien auf sie zu achten. Zum Glück! Er wollte nicht, dass das Thema öffentlich wurde. Für Iwaizumi war das schon schwer genug und er sollte seine Ruhe haben, damit er sich auf die Selbsthilfegruppe konzentrieren konnte. „Er hat es dir wirklich erzählt?“, hakte Toru überrascht , aber mit leiser Stimme nach. Kuro nickte, trank einen Schluck seines Glühweins und erklärte: „Ja, es platzte förmlich aus ihm heraus, nachdem er ein Bier getrunken hatte. Ich habe ihm angesehen, wie sehr es ihn belastet und er sich schämt, aber trotzdem spricht ihn das nicht von seiner Schuld frei. Natürlich erzähle ich niemandem davon, aber wenn er noch mal sowas macht, hat er ein Problem mit mir. Und wenn du reden willst, bin ich da.“ Reflexartig nickte Oikawa, musste noch verdauen, dass sein Freund sich tatsächlich auch der Katze geöffnet hatte. Als er ihn darum gebeten hatte, mit ihm einen Abend zu verbringen, hatte der Setter geglaubt, dass das eine gute Ablenkung wäre, aber nicht, dass Iwaizumi sich tatsächlich dazu durchringen würde. Es war ein weiteres Zeichen, wie sehr er mit der Sache zu kämpfen hatte. Und gleichzeitig schlug sein Herz etwas schneller, dass das Ass über seinen Schatten sprang, lernte, sich Hilfe bei anderen zu holen und über seine Probleme zu reden, auch wenn sie noch so unangenehm waren. „Gut, ich wollte das nur eben angesprochen haben. Dann noch viel Spaß, ja?“ Grinsend stand Kuro wieder auf und Toru lächelte ihn dankbar an, versicherte, dass er sich bei ihm melden würde, wenn etwas sein sollte und schaute ihm nach, als er sich von hinten an Tsukishima anschlich und ihn umarmte. Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht, denn überraschenderweise passten die Katze und die Krähe sehr gut zusammen. Sie ergänzten sich so perfekt. „Na, was schaust du so verträumt?“, wollte eine bekannte Stimme nah an seinem Ohr wissen und sofort bekam der Violetthaarige eine Gänsehaut. Er kuschelte sich an Iwaizumi, der ihm die Hände auf die Schultern legte und leicht massierte. Himmel, er konnte das so gut. Warum waren sie jetzt nicht zu Hause und er konnte sich so richtig durchkneten lassen? Eigentlich bräuchte er gar keinen Physiotherapeuten. Wobei er bei Iwa zu schnell auf unanständige Gedanken kam, wenn dieser ihn so verwöhnte. „Ich musste an dich denken“, schnurrte er und hörte das Ass belustigt schnauben. Entspannt gab er sich den Berührungen hin, schloss die Augen und blendete all die Stimmen, das Klirren der Becher und Gläser und die zauberhaften Düfte von Glühwein, Zimt, Keksen und anderen Leckereien aus. Jetzt zählte nur sein Freund, der ihm seine Aufmerksamkeit schenkte und sich so liebevoll um ihn kümmerte. „Hey! Schlafen kannst du später, Oikawa! Wir wollen weiter!“, rief Bokuto grinsend und reflexartig schlug Angesprochener die Augen auf und sah nur einen Tisch weiter das breit grinsende Gesicht der Eule. Er streckte sich ausgiebig und legte dann einen Arm um Akaashis Schultern, der seinen Freund leicht anlächelte und etwas sagte, was der Setter aber nicht verstand. Mussten sie echt schon weiter? Es war doch so gemütlich gerade! Unzufrieden schob er die Unterlippe vor, als Iwa auch noch aufhörte, ihn zu massieren. So ein Mist! Seufzend trank er den lauwarmen Rest seines Glühweins aus und verzog leicht das Gesicht. „Na, nur noch lauwarm?“, fragte Hajime grinsend nach und Oikawa schüttelte angewidert den Kopf. Glühwein war doch nur lecker, wenn er noch heiß war! „Ekelhaft!“, stieß er aus und streckte die Zunge heraus. Sein Freund legte ihm einen Arm um die Hüfte, gab ihm ein Küsschen auf die Schläfe und schob ihn langsam vor, damit sie endlich den anderen folgten. Was sie wohl noch vorhatten? Gab es auf dem Markt noch etwas Spannendes? Die Luft draußen war eisig kalt und der Setter schüttelte sich kurz, zog den Schal noch etwas höher. „So schön Weihnachten auch ist … Ich will, dass es wieder warm wird!“, quengelte er leidend und erwartete, dass Hajime etwas dazu sagte, doch es war eine andere, bekannte Stimme, die er wahrnahm. „Dann muss Iwaizumi dir wohl besser einheizen, was?“ Frech grinsend tauchten Makki und Mattsun neben ihnen auf und empört entgegnete er dem Rosahaarigen: „Aber doch nicht hier, Makki!“ Ihre Freunde lachten nur, während Toru die Wärme auf seinen Wangen spürte. Und natürlich mussten sich jetzt auch noch andere aus dem Team umdrehen, sodass er seinen Kopf an Iwas Halsbeuge versteckte. Ihm war das alles so unangenehm gerade! „Was haltet ihr davon, wenn wir noch zum Riesenrad gehen?“, wollte Yamaguchi plötzlich wissen, lenkte zum Glück vom Thema ab und Komi grinste, während Hinata verwirrt zu der Krähe hinüberschaute. „Hier ist doch gar kein Riesenrad“, entgegnete er und legte den Kopf schief, wie er es immer tat, wenn er etwas nicht verstand. „Drüben am Fluss ist eins. Es gehört offiziell noch zum Weihnachtsmarkt, aber der Spot ist hinter den Wolkenkratzern deutlich romantischer, deswegen wurde es dort aufgebaut“, erläuterte Komi dem Kurzen und dieser nickte wild. „Also ich bin raus. Ich habe Höhenangst …“, meldete sich Inouka zu Wort und wurde mit großen Augen von Hana angeschaut. „Wie? Aber ich dachte, wir fahren gemeinsam! Immerhin gibt es da auch nur Zweiergondeln …“, entgegnete sie und Oikawa, der noch immer eng an seinen Freund gekuschelt war, beobachtete, wie ihr Teamkollege stammelnd versuchte, sich aus der Nummer herauszureden, also Kuro und Bokuto sich vor ihn stellten. Zunächst war es die Katze, die das Wort ergriff: „Du kannst ihr doch nicht DAS Weihnachtsereignis schlechthin vorenthalten! Ich bin mir sicher, dass du deine Angst überwinden kannst.“ „Genau! Und Hana wird dir sicherlich dabei helfen! Es wird super cool, das verspreche ich dir!“ Unsicher wog Inouka ab, Toru sah ihm die Angst förmlich an und aus einem Impuls heraus löste sich der Setter von Iwa und schritt zu ihm. Er legte der Katze eine Hand auf die Schulter, sodass er sich seiner Aufmerksamkeit sicher sein konnte und sagte ruhig: „Hey, wenn du wirklich so eine Angst davor hast, ist das in Ordnung. Ich glaube, Hana würde es zwar sehr schade finden, aber verstehen, wenn du dir das nicht zutraust wegen deiner Höhenangst. Lass dir von den Zwei nichts einreden, wenn du dich damit so unwohl fühlst …“ „Er hat recht. Wenn du es nicht möchtest, dann ist es in Ordnung, Sou“, stimmte seine Freundin zu und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Bist du wirklich sicher? Ich meine das nicht böse oder so, aber allein der Gedanke an die Höhe!“ „Schon gut. Wir holen uns dann noch was Süßes und setzen uns an den Fluss, ja?“, fragte sie mit einem Lächeln nach und er nickte ihr dankbar zu. Die Zwei unterhielten sich noch weiter, doch Oikawa drehte seinen Kopf und war von dem liebevollen Lächeln verzaubert, das ihm sein Freund schenkte. Hajime stand drei oder vier Schritte entfernt und Toru konnte den Blick einfach nicht lösen, als das Ass eine Hand ausstreckte. Sofort bewegten sich seine Beine und er ergriff die Hand, verschränkte die Finger mit seinen. Während seine Hände wegen der Temperaturen kühl waren, war die von Hajime angenehm warm und das Gefühl durchströmte seinen gesamten Körper. Eine Gänsehaut kroch seinen Rücken hinab und er lehnte den Kopf an Iwas Schulter. „So einfühlsam kenne ich dich ja gar nicht“, murmelte die dunkle Stimme leicht belustigt an sein Ohr und der Setter schaute empört auf. „Ich kann sehr wohl nett sein! Aber nicht jeder hat meine Nettigkeit verdient!“ Beleidigt blähte er die Wangen. Wie konnte Hajime so etwas sagen! Er sah halt nicht ein, zu jedem gleich nett zu sein. Wozu? Zu ihm waren ja auch nicht immer alle nett. Das hatte er als Kind bereits begriffen und so musste sich jeder erst einmal vor ihm beweisen, damit er auch nett wurde. Vorher war er halt nur höflich, das war doch okay! „Zwischen nett und einfühlsam ist ein Unterschied, Toru. Nimm das Kompliment doch einfach an, hm?“ Liebevoll lächelte sein Freund ihn an und der Setter überlegte einen Moment. War er sonst nicht einfühlsam? Wie meinte das Ass denn jetzt? Aber er benahm sich doch nicht immer wie ein Arsch! Da konnte er dieses „Kompliment“ doch nicht einfach annehmen und sich auch noch drüber freuen. Frustriert seufzte er und wollte sich von Hajime lösen, als dieser sich zu ihm drehte. Er löste seine Hand aus seiner und legte beide Hände auf seine Hüfte, fixierte ihn geradezu. „Ich wollte dich damit wirklich nicht ärgern, Toru. Ich finde es gut, dass du Inouka so unterstützt hast. Lass uns auch in das Riesenrad steigen, hm?“ „Ich hab dich schon verstanden, Hajime. Dass ich mich sonst wie ein Arsch benehme“, zickte er und hob die Nase. War das zu fassen, dass er so über ihn dachte? Das war ganz schön frech! Dabei sollte doch zumindest Iwaizumi ihn besser kennen. Was war nur los zwischen ihnen? Hilflosigkeit und Enttäuschung breitete sich in ihm aus und er senkte den Kopf, seufzte leise. „Hey hey, jetzt beruhig dich mal. Wir sind hier, um Spaß zu haben!“ Bokuto grinste sie breit an und er wollte schon etwas erwidern, als das Ass neben ihm den Kopf schüttelte und sagte: „Lass uns bitte kurz. Wir kommen gleich nach, ja?“ Überrascht nickte die Eule und ließ sich von Akaashi mitziehen, der sie entschuldigend anlächelte und versicherte, dass sie sich alle Zeit lassen konnten. Der Junge war auch so herzensgut und wie er es schaffte, diesen überdrehten Mann ruhig zu bekommen, war ihm nach wie vor ein Rätsel. „Schatz, hör mir bitte zu …“, begann Hajime und hob seine Hände, um sie ihm auf die Wangen zu legen. Die warme, weiche Haut verursachte eine Gänsehaut bei ihm und er konnte nicht anders, als in diesen smaragdgrünen Augen zu versinken. Sie zogen ihn in den Bann und dennoch konnte er sich dieses Mal nicht so freuen. Dafür war die Enttäuschung zu groß. „Was denn?“, brummte Oikawa beleidigt und das Ass holte kurz Luft, dann erklärte er: „Du hast dich verändert, Toru. Und ich finde das super, denn so entdecke ich immer wieder neue Seiten an dir. Es war wirklich nicht böse gemeint, als ich meinte, dass du einfühlsam bist. Natürlich warst du das auch schon früher, aber du hast das nicht so offen gezeigt und Inouka gehört ja nicht zu unseren engsten Freunden.“ Na gut, das war nicht falsch. Die Katze gehörte wirklich nicht zu ihren engsten Freunden und vielleicht war er wirklich nicht immer der netteste. Aber trotzdem hatte ihn der Kommentar irgendwie getroffen. Und das musste er ihm jetzt sagen, denn sie hatten sich geschworen, ehrlich zu sein. Fuck, wieso lief der Abend plötzlich so komisch? „Das verstehe ich, aber mich hat das trotzdem irgendwie getroffen … Tut mir leid, ich wollte den Abend nicht ruinieren. Irgendwie bin ich zurzeit empfindlicher.“ „Nein, mir tut es leid, dass ich so unbedacht gesprochen habe. Ich wollte dich niemals verletzen. Lass uns ins Riesenrad gehen und die Aussicht genießen, hm?“, fragte Iwaizumi und zeigte ihm ein kleines Lächeln, was beim Setter dazu führte, dass sein Herz schneller schlug. Himmel, er liebte diesen Mann. Wie er sich mittlerweile sofort entschuldigen konnte, wie er auf ihn Rücksicht nahm und es ihm recht machen wollte. Und er verbreitete hier schlechte Laune. Mist, er schämte sich dafür. Der Abend war doch viel zu schön, um jetzt so schlechte Laune zu haben. „Ja, machen wir das. Ich liebe dich, Hajime.“ „Ich dich auch, Toru“, erwiderte das Ass sofort und gab ihm einen innigen Kuss. Um sie herum tobte noch immer das Leben, obwohl sie mittlerweile am Rand des Weihnachtsmarktes waren. Doch auch hier waren viele Leute, die Gerüche von Essen und Trinken buhlten weiter um seine Aufmerksamkeit und der Wind pfiff an ihnen vorbei. Aber wichtig war nur der Mann vor ihm. Seine Präsenz war so überwältigend für ihn und gleichzeitig so voller Liebe und Rücksicht und er drückte sich an ihn, legte die Arme um den Bauch und kuschelte einfach. Er drückte sein Gesicht in die Halsbeuge, sog den herben Duft seines Freundes in sich auf und fühlte sich sicher, geborgen. „Na komm, lass uns zu den anderen aufschließen, hm? Zuhause kuscheln wir weiter“, brummte das Ass gedämpft in sein Ohr, damit er sich nicht über seine laute Stimme erschreckte. Rücksichtnahme, wie er eben schon gedacht hatte. Wieder glücklich löste sich Oikawa von ihm, sorgte dafür, dass Iwa einen Arm um seine Hüfte legte und sie machten sich auf den Weg zu den anderen. Auf das Riesenrad freute er sich nämlich richtig doll! Kapitel 32: Das Riesenrad (Neu!) -------------------------------- Freitag, 15.12. Iwaizumi bezahlte die beiden Eintrittskarten und bedankte sich bei der jungen Verkäuferin. Er war froh, dass er dieses doofe Missverständnis hatte aus der Welt schaffen können. Warum verstand sein Freund zurzeit nur alles falsch, was er sagte? Er war doch so froh, dass der Abend so schön war, obwohl er wahrscheinlich nie ein großer Fan von Weihnachtsmärkten werden würde. Es war so voll und die vielen lauten Stimmen ruinierten in seinen Augen die Stimmung. Die Musik machte jedes Gespräch fast unmöglich und die vielen unterschiedlichen Gerüche überforderten seine Nase, die am liebsten gestreikt hätte. Doch nun schob er die Gedanken beiseite und zog Toru eng an sich, als dieser strahlend an dem Riesenrad hochblickte, das so nah noch gigantischer wirkte. Die kleinen Kabinen waren von außen weihnachtlich mit geschmückten Weihnachtsbäumen, Weihnachtsmännern und Rentieren bemalt worden und aus den Lautsprechern dröhnten Weihnachtslieder aus verschiedenen Ländern. „Das sieht schon echt gemütlich aus und die Sitze drinnen sind mit Kunstfell bezogen, als würde man auf einem Rentier sitzen“, erklärte Taka hinter ihnen und das Ass drehte sich amüsiert um. „Ach so? Schon hier gewesen?“ Der Rosahaarige blinzelte ihn überrascht an. Anscheinend war er davon ausgegangen, dass die Musik ihn übertönen würde, doch da hatte er sich geirrt. „Vielleicht“, schnappte Makki zurück und Mattsun nickte neben ihm grinsend, was ihm einen Klaps auf den Hintern einbrachte. Iwaizumi lächelte, ihre Verlobten waren bestens gelaunt, so gut gelaunt, wie sie waren und sich gegenseitig aufzogen und er freute sich noch immer so für die Beiden. Niemand hatte es mehr verdient, glücklich zu sein, als sie. „Schatz, schläfst du? Wir sind dran!“, riss ihn Toru aus seinen Tagträumen und irritiert drehte er sich zu ihm um. In der Tat waren die anderen Jungs bereits in Zweier Kabinen und er schritt mit Toru zum Geländer, wo gerade die nächste anhielt. Sie stiegen ein und das Ass stellte fest, dass Makki wirklich schon hier gewesen sein musste, denn die Sitze waren mit Kunstfell bezogen worden. Oikawa staunte ebenfalls, strich über das Fell, als sich die Gondel mit einem Ruck in Bewegung setzte. Da sich sein Freund noch nicht hingesetzt hatte, kam er aus dem Gleichgewicht und reflexartig griff Iwa ihn um den Bauch und zog ihn zu sich auf den Schoß. Leicht gerötet schaute der Setter zu ihm und lächelte, als er es sich auf seinen Beinen gemütlich gemacht hatte. „Solltest du nicht lieber nach draußen schauen?“, murmelte Iwaizumi leise, weil er die Stimmung nicht ruinieren wollte und das Lächeln wurde eine Spur breiter. „Aber diese Aussicht gefällt mir viel besser.“ Belustigt schnaubte Hajime, war das doch so typisch Oikawa. Aber sie waren hier, um die Aussicht auf den Fluss und die gegenüberliegende Skyline zu genießen, also drehte er seinen Freund etwas, sodass sein Rücken an seinen Oberkörper lehnte. Entspannt legte Iwa seinen Kopf auf die Schulter vor sich und brummte zufrieden: „Mich kannst du auch ein andernmal noch anschauen.“ „Na gut. … Oh, sieh mal, Iwa-chan!“ Mit leuchtenden Augen zeigte der Setter aus dem seitlichen Fenster und er schaute automatisch in die Richtung. Sie waren noch nicht sehr hoch und auf dem Fluss waren weihnachtlich beleuchtete Ausflugsboote zu sehen. Die Bäume, die an Ufer standen, hatten ebenfalls Lichterketten in ihren kargen Baumkronen und ein paar Buden waren aufgestellt worden, wo Inouka wahrscheinlich gerade was zu essen und zu trinken für seine Freundin kaufte. „Was gibt es denn, Schatz?“, erkundigte sich das Ass und schlang seine Arme um den trainierten Bauch seines Freundes. Er war ganz fasziniert von etwas und brauchte einen Moment, ehe er auf ihn reagierte und entgegnete: „Na da drüben! Das flache Boot. Weißt du noch, als wir in der Mittelschule waren? Da wurde von so einem Boot Feuerwerk gezündet! Damals im Mizunomori Park in Sendai, wo wir nach einem Sieg in der Sporthalle noch hingegangen waren. Das war so schön damals!“ „Ach ja, ich erinnere mich. Du hattest mich dahingeschleppt, weil wir noch Zeit bis zur Abfahrt hatten. Und du wärst beinahe in den See gefallen, weil du unbedingt dieses „supercoole“ Selfie machen wolltest.“ „Das hättest du auch weglassen können“, schmollte Toru, doch Hajime entlockte das nur ein Glucksen. Immerhin hatte er ihn damals mit einem beherzten Griff vor dem Nasswerden bewahrt, also war nichts Dramatisches passiert. Und das Feuerwerk war in der Tat ganz nett anzuschauen gewesen. Er hätte sich nur gewünscht, nicht so unter Zeitdruck gewesen zu sein. Das hatte ihn gestresst, weil er ja gleichzeitig auch noch auf Oikawa hatte aufpassen müssen. So war das Feuerwerk etwas in den Hintergrund gerückt. Das restliche Team war in der Zwischenzeit lieber in der Stadt shoppen gewesen und wenn er das mit einem Ohr mal mitbekommen hatte, hatte es damals schon Gerüchte gewesen, dass sie ein Paar waren. Wenn sie wüssten, dass sie erst dieses Jahr richtig lagen. Der Gedanke ließ ihn grinsen. „Jetzt grins nicht so doof, Iwa-chan! Es sollte eben perfekt aussehen!“, rechtfertigte sich sein Freund, der nicht wissen konnte, dass er in Gedanken schon ganz woanders war. „Weiß ich doch, Schatz. Und das Foto, dass wir gemacht haben, sieht doch auch cool aus, oder nicht?“ „Ja, das stimmt. Ich würde mir das gern noch mal anschauen. Wenn ich das richtig im Kopf habe, findet das Feuerwerk jährlich statt. Ich glaube, das werde ich mal für nächstes Jahr für uns planen!“, verkündete der Setter und schaute ihn freudestrahlend direkt an. Überrascht nickte das Ass leicht, spürte, wie seine Wangen warm wurden, weil Toru so schön in dem Augenblick aussah. Und sein Herz schlug schneller, denn ihm wurde bewusst, dass Oikawa sich an ihr Gespräch erinnerte. Dass er das Gefühl hatte, dass er die ganze Freizeitplanung allein machte. Gut, heute Abend waren das Toru, Mako, Hinata und Bokuto hauptsächlich gewesen, aber ihre sonstige Freizeitgestaltung war bisher doch seine Sache gewesen. „Ich freu mich drauf“, murmelte das Ass lächelnd. Sie sahen sich in die Augen und es war einer dieser Momente, wo alles bedeutungslos wurde und die Zeit stehen zu bleiben schien. Unbewusst näherte er sich seinem Freund mit dem Kopf und Toru tat es ihm gleich. Es war ein zärtlicher, liebevoller Kuss, den Hajime sehr genoss. Die Sorgen und Ängste waren fort, während er ihn so nah wie möglich an sich zog. Sie zuckten beide zusammen, als das bekannte Geräusch einer startenden Rakete zu hören war und sofort lösten sie sich. Nebeneinander hockten sie sich mit den Knien auf das Kunstfell und schauten nach draußen, die Hände aufeinandergelegt und bestaunten das Feuerwerk, dass vor ihren Augen gezündet wurde. In allen Farben und Formen wurde der Himmel erleuchtet und Iwa hörte von der Seite leise Laute, die Oikawas Bestaunen ausdrücken sollten. Lächelnd wandte er den Blick, schaute zu Toru, in dessen Augen sich das Feuerwerk spiegelte. Fuck, wie hatte er jemals die Hand gegen ihn erheben können? Er kannte die Diva doch und dass er gern mal übertrieb. Das hätte ihm doch klar sein müssen! Er könnte sich treten für die scheiße, aber er wollte jetzt den Abend nicht mit seinen deprimierenden Gedanken ruinieren. Eine Diskussion reichte doch und die hatten sie schon gehabt. Vorsichtig löste das Ass die Hand von Torus, der ihn sofort irritiert anschaute, doch als er sie auf seine Hüfte legte und ihn enger an sich zog, lächelte der Violetthaarige glücklich und kuschelte seinen Kopf an seine Schulter. Das prächtige Feuerwerk zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich und Oikawa murmelte: „Das war eine echt gute Idee von Yamaguchi …“ „Ja stimmt, das war es.“ „Lass uns auch noch ins Lovehotel, Iwa-chan!“ Wie aus dem Nichts drang plötzlich Torus Forderung an sein Ohr und verwirrt blieb er stehen. Wie? Wo kam das denn jetzt auf einmal her? Sie hatten sich erst vor ein paar Minuten von den anderen verabschiedet und auf dem Weg nach Hause und jetzt sowas. War das, weil Kuro und Hayato so zweideutige Bemerkungen bei der Verabschiedung eben gemacht hatten? Oder weil Makki und Mattsun unter Garantie auch gerade auf dem Weg zu einem waren? Immerhin war ihr heiliger Freitagabend und den ließen sich die Verlobten um nichts auf der Welt kaputt machen. Noch bevor er etwas darauf erwidern konnte, klammerte sich sein Freund an seinen Arm und schnurrte in sein Ohr: „Wir haben schon viel zu lang nicht mehr miteinander gespielt, Hajime. Ich vermisse das.“ Ja, das tat er ja auch! Aber er fühlte sich noch immer so unsicher. Und das, obwohl Toru sich solch eine Mühe gab, dass er sich wohlfühlen konnte. Es war zum Verrücktwerden, aber der Gedanke, seinen Freund auf diese Weise anfassen zu können, machte ihn auf der einen Seite total an und auf der anderen hatte er doch nicht das recht, das schon wieder zu tun. Vielleicht war das so eine Selbstbestrafungssache, dass er sich das selbst verbot. Doch abgesehen von dem Gespräch mit dem Selbsthilfegruppenleiter hatte er noch nichts getan und das erschien ihm viel zu wenig, um sich Oikawa wieder auf diese Weise zu nähern. „Ich ähm … Ich ja auch, aber bist du wirklich sicher?“, hakte das Ass unsicher nach und schaute zur Seite, in Torus Augen, die so verräterisch glänzten. „Absolut“, hauchte er als Antwort und Iwaizumi hätte es beinahe nicht verstanden, weil ein Auto an ihnen vorbeifuhr. Doch er hatte es gehört und er bekam eine Gänsehaut. Als wäre das noch nicht gut genug, küsste Toru seinen Hals und knabberte an seinem Ohrläppchen. Fuck, seine Hormone fuhren sofort hoch. Es war wirklich viel zu lang her, dass sie Sex hatten und er wollte es auch. Unbedingt. „Dann weißt du sicherlich, wo hier eins in der Nähe ist, oder?“, knurrte er leise und Oikawa klemmte sich seine Unterlippe zwischen die Zähne, als er langsam nickte. „Ja, tatsächlich weiß ich das.“ Eine viertel Stunde später schloss Hajime die Zimmertür und drehte sich zu dem Violetthaarigen um, der in der Mitte des Raumes stand und sich umschaute. Mit drei Schritten war er bei ihm, legte die Hände an seine Hüfte und fixierte ihn dicht bei sich. „Sag Bescheid, wenn –“ „Ich werde sofort etwas sagen, wenn mir was nicht passt. Versprochen Iwa. Mach dir nicht so einen Kopf und genieß es“, unterbrach ihn sein Freund und er wollte ihn necken, als Toru mit einem Gesicht voller Vorfreude über sein Oberteil streichelte. Es spürte die Wärme seiner Hände auf seiner Haut – trotz des Pullovers – und er ließ ihn gewähren, während er selbst mit den Fingern über die Hüfte strich, ohne sie loszulassen. „Endlich mal wieder allein. Ich will dich spüren, Iwa“, hauchte der Setter und verwickelte ihn in einen heißen Zungenkuss, in den das Ass sofort einstieg und sich die Führung eroberte. Himmel, wie sehr hatte er das vermisst? Sich fallen zu lassen, nur seinen Freund zu fühlen und sich von ihm betören zu lassen? Lasziv langsam suchten sich die Finger des Violetthaarigen einen Weg unter seinen Pullover. Er trug zwar noch ein Tanktop darunter, weil es wirklich kalt war, doch die Körperwärme war deutlich besser zu spüren und fuck, Toru war echt heiß gerade. Und das aus mehreren Gründen. „Lass mich dich verwöhnen“, forderte Oikawa mit lasziver Stimme, doch Iwa widerstand dem Drang, zuzustimmen. „Nein, dieses Mal bin ich dran“, stellte er mit dunkler, rauer Stimme klar und führte den überraschten Setter zum Bett. „Leg dich hin“, befahl Iwaizumi und mit leicht geweiteten Augen nickte sein Freund, krabbelte auf das Bett und Hajime folgte ihm sofort. Über ihn gebeugt musterte er die erregten Augen, verlor sich für eine Sekunde in ihnen und drückte ihm seine Lippen auf. Gierig wurde der Kuss erwidert und sie fochten keuchend diesen Kampf aus, den Iwa natürlich gewann – wie jedes Mal. Mit einer Hand stützte er sich neben Torus Kopf ab, doch die andere schickte er auf Wanderschaft über diesen wunderschönen Körper. Wenn da nur nicht der Pullover wäre. Der störte und zwar immens. „Zieh den Pulli aus“, forderte das Ass und setzte sich auf, damit Oikawa den nötigen Freiraum hatte. „Und wenn ich nicht will?“ Neckend klang die Stimme in seinen Ohren und Iwaizumi konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. „Du willst doch nicht auf einen Blowjob verzichten, oder?“, hakte er nach und hob eine Augenbraue. Zufrieden beobachtete er, wie sich die Augen seines Freundes leicht weiteten und er kämpfte sich mit dem Oberkörper hoch, war ihm plötzlich wieder ganz nah. „Um nichts auf der Welt würde ich darauf verzichten wollen!“ „Dann weißt du ja, was du zu tun hast“, entgegnete Hajime amüsiert und beobachtete, wie der Pullover endlich ausgezogen wurde. Doch genau wie er selbst, hatte Toru noch etwas drunter gezogen und dieses Mal war er zu ungeduldig, weshalb er das Top aus der Hose rupfte und ihm über den Kopf zog. Mit einem leichten Schubs gegen die Brust landete er wieder auf dem weichen Bett und Iwaizumi beugte sich erneut über den Violetthaarigen. „Schon viel besser“, schnurrte er und küsste sich von den Lippen, über das Kinn und den Hals bis zur muskulösen Brust. Ausgiebig erkundete er das Schlüsselbein und küsste sich zu einer seiner Knospen vor. „Ahh Iwa …“ Das leise Keuchen spornte ihn noch mehr an und genüsslich leckte er über den Nippel, saugte fest an ihm und lauschte dem erregten Stöhnen. Der Körper unter ihm erzitterte und bäumte sich auf, was Iwa dazu nutzte, seine freie Hand unter seinen Freund zu schieben. Er umfasste die Hüfte auf der einen Seite, streichelte sie leicht, während er sich zu der anderen Knospe küsste, wo er genauso vorging. „Ha-hajime.“ Dass Toru schon jetzt so heiß war, überraschte das Ass schon etwas. Hatte er ihn wirklich derart vermisst? Ihm war gar nicht klar, was er davon halten sollte. Eigentlich wusste er in dem Moment wirklich nur eins. Dass er ihn genauso sehr wollte. Und er würde ihn diese Nacht alles vergessen lassen, ihn verwöhnen, bis Toru nur noch in Ekstase stöhnen konnte. Kapitel 33: Pure Leidenschaft (Neu!) ------------------------------------ Freitag, 15.12. Die weichen, verführerischen Lippen erkundeten seinen Bauch und Torus Gedanken schlugen Purzelbäume. Sie kreisten durch seinen Kopf, ohne dass er auch nur einen wahrnahm. Er spürte nur die Lust, jede Berührung war so intensiv und er wollte Iwaizumi endlich wieder spüren. Drei Wochen ohne Sex waren viel zu lang für ihn und er war so froh, dass sich das Ass darauf eingelassen hatte. Endlich wieder vereint. Überrascht stöhnte er auf, als die feuchte Zunge in seinen Bauchnabel tauchte und er bekam nur am Rande mit, wie Iwa seine Beine spreizte, um sich zwischen ihnen zu positionieren. Bereitwillig ließ der Setter das mit sich machen und strich mit einer Hand durch die kurzen Haare seines Schatzes. Sie fühlten sich so seidig weich an und er strich gern durch sie hindurch. Vielleicht weil er wusste, dass Iwa das nur von ihm mochte. Bei anderen wurde er schnell genervt, aber bei ihm schien er das zu genießen und das freute ihn. Dass er dieses Privileg hatte. Oikawa spürte ganz genau, wie das Ass sich Stück für Stück nach unten küsste, bis er an seinem Glied ankam. Doch wie üblich nahm er ihn nicht direkt in den Mund, sondern erkundete zunächst die nähere Umgebung. Es war die pure Folter! Er wollte Iwaizumis Zunge unbedingt spüren, aber er ließ sich so viel Zeit dabei! Deswegen kam er auch immer so schnell, weil er ihn vorher schon um den Verstand gebracht hatte. Aber mittlerweile war das für ihn nicht mehr so schlimm. Iwa war einfach ein Naturtalent, da hatte er eben keine Chance! Und das demonstrierte er ihm auch gerade wieder, als er seinen Innenschenkel küsste und sich dann zu seinen Hoden vorarbeitete, an denen er leicht saugte. Oh Gott! Keuchend legte Toru den Kopf zur Seite, spürte die Wärme auf seinen Wangen und ließ alle Gedanken los. „I-iwa bitte! Ich will dich spüren!“, flehte der Setter mit lustgetränkter Stimme und zwang sich dazu, den Kopf wieder zu heben. Mit zittrigen Armen zog er hektisch das Kopfkissen unter seinen Kopf, um ihn nicht selbst hochhalten zu müssen. Er wollte aber unbedingt sehen, wie Hajime seine Spitze in sich aufnahm. Das Ass küsste sich von seinem Hoden weiter zu seiner Wurzel und dann den Stamm hinauf. Mit halb offenen Augen beobachtete Oikawa das, keuchte immer lauter und vergrub eine Hand wieder in den weichen Haaren. Er sollte endlich aufhören, ihn hinzuhalten. Sein Schwanz wippte schon vor Erregung und pulsierte! Voller Hingabe erkundete Iwa sein bestes Stück und er keuchte laut auf, als er die Lippen endlich an seiner Eichel spürte. Jetzt bloß nicht kommen. Nicht, bevor sein Freund ihn in sich aufgenommen hatte! „Ha~Hajime!“ Erregt zitterte die Stimme, als er den Namen stöhnte und schaute mit halboffenen, glasigen Augen zu ihm. Die grünen Smaragde funkelten im gedimmten Licht des Raumes und Toru bekam eine Gänsehaut bei dem Anblick. Wie ein wildes Raubtier stierte Iwaizumi ihn an und provozierend langsam stülpte er seine Lippen über die Spitze. Der feuchte, warme Mundraum umgab sein bestes Stück und der Setter konnte nicht anders, als laut zu stöhnen und ihn mit der Hand dazu zu bewegen, ihn noch tiefer in sich aufzunehmen. Das Ass begann an seinem Schwanz zu saugen und seinen Kopf auf und ab zu bewegen und Toru platzte vor Emotionen. Es setzte alles in ihm aus, als Iwa sein Glied ungewöhnlich tief in sich aufnahm und zeitgleich auch noch anfing, seine Hoden zu massieren. Noch bevor er irgendwas sagen oder tun konnte, kam er tief in Iwas Mund und schrie leise seinen Namen. In seiner Ekstase nahm er nur am Rande wahr, wie das Ass alles schluckte und sich langsam wieder erhob. So heftig war er noch nie gekommen, aber die letzten drei Wochen waren die Hölle gewesen und in den letzten Tagen hatte er sich nach den Berührungen, dem begehrt werden und Iwas Nähe so sehr gesehnt. Nach diesem Blick, der ihn alles vergessen ließ, weil er das lodernde Feuer der Leidenschaft in ihnen sehen konnte. Manchmal war es ihm auch nach all den Monaten der Beziehung noch unbegreiflich, dass er so eine Wirkung auf seinen besten Freund – seinen FESTEN Freund – hatte. „Hey Schatz … Alles in Ordnung?“, murmelte das Ass und musterte ihn von oben her, hatte die Stirn leicht in Falten gelegt. Warum sah er denn jetzt so besorgt aus? Immerhin war der Violetthaarige gerade noch mitten dabei, den Orgasmus seines Lebens zu verarbeiten! Oikawa nickte schnell, sah sich noch nicht in der Lage zu reden und schlang die Arme um den Nacken seines Freundes. Er zog ihn zu sich runter und verwickelte ihn in einen leidenschaftlichen, liebevollen Kuss, der sofort erwidert wurde. Damit sollte seine Frage doch beantwortet sein, oder? Und er wollte unbedingt Iwa verwöhnen! Nach dem Blowjob erst recht. Fuck, so heftig war er wirklich noch nie gekommen und er hatte schon viele Male Sex gehabt. Eine Hand ließ er über den Rücken zu dem knackigen Hintern wandern, doch noch bevor er ihn erreicht hatte, fing das Ass sie ab und drückte sie über seinem Kopf auf das Bett. „Ich bin noch nicht mit dir fertig, Schatz“, raunte er gegen die Lippen und verursachte so eine Gänsehaut bei ihm. Noch nicht? Aber was hatte er denn noch vor? Der Setter wollte ihn doch verwöhnen, bevor er genommen wurde! Doch die heißen Hände, die über seine Seiten strichen und ihn dabei leicht massierten, ließen ihn weich wie Butter werden. Da war nur dieser wunderbare Mann, der ihn hier gerade nach allen Regeln der Kunst verwöhnte. Torus Gedanken kreisten durch einen Schleier der Lust, doch ihm wurde klar, dass Hajime das tat, um einen Teil wiedergutzumachen. Es war ein weiteres Puzzlestück seiner Entschuldigung und er beschloss, sich nach dem Ass zu richten. Wenn ihm das so wichtig war und das war es garantiert, dann wollte er ihn gewähren lassen. Nach dem Sex konnten sie schließlich immer noch miteinander reden. Es dauerte nicht lang, bis Iwaizumi ihn mit seinen Berührungen und Küssen wieder soweit hochgeputscht hatte, dass er wieder hart wurde. Und dass obwohl sein Freund dieses Mal besonders liebevoll und zärtlich war. Dabei bevorzugte er eigentlich den dominanten Iwa, der ihn rannahm und seine Gefügigkeit verlangte, aber das wäre jetzt nicht das richtige. An diesem Punkt waren sie noch nicht wieder, aber sie würden das auf die Reihe kriegen. Sich wieder einpendeln. „Du bist ja schon wieder hart“, schmunzelte Iwaizumi mit einem leichten Grinsen und erstickte jegliche Empörung in einem Kuss. Natürlich war er das! Immerhin hatte er hier ein Topmodel über sich, dass ihn mit all seiner Liebe verwöhnte und begehrte. Wie sollte ihn das kalt lassen? „Nimm mich, Iwa! Bitte!“ „Ach ja? Das möchtest du also?“, wollte er raunend wissen und Toru klemmte sich die Unterlippe zwischen die Zähne, nickte wild. Wenn der Blowjob schon so gut war, konnte er sich kaum ausmalen, wie dann erst der Sex werden würde. Himmel, er wollte wirklich nicht mehr warten! „Und wie willst du es?“, hauchte Hajime erregt in sein Ohr und knabberte an seinem Ohrläppchen. Der Setter dachte einen Moment über die Frage nach. Am liebsten hatte er es ja von hinten und er wollte unbedingt nochmal ausprobieren, wie das im Stehen war, direkt vor dem Spiegel, damit er sehen konnte, wie Iwa in ihm kam. Aber wenn das jetzt so gut wurde, würden seine Beine garantiert versagen. Aber er wollte ihm in die Augen schauen, wenn er kam! Also entschied er sich für die liegende Variante und sagte: „Genau so. Ich will sehen, wie du kommst.“ „Dann machen wir es so.“ Iwa zog ein weiteres Kissen zu sich und Toru hob in freudiger Erwartung den Hintern an, sodass sein Freund es unter ihn legen konnte. Gut gepolstert lag er nun da, hatte die Beine breit gemacht, damit Iwaizumi sich dazwischen positionieren konnte und beobachtete mit leicht geröteten Wangen, wie das Ass die Tube mit dem Gleitgel aus der Tasche fischte. Gespannt verfolgte er, wie er etwas davon auf die Finger seiner rechten Hand verteilte und die Tube neben ihn auf die andere Bettseite warf. „Du bist so wunderschön, Toru …“, brummte das Ass und strich nur mit der linken Hand über seinen Oberschenkel. Er spürte, wie ihm richtig heiß wurde. Komplimente bekam er nicht allzu oft von Hajime, was auch vollkommen in Ordnung war, denn so waren sie jedes Mal etwas Besonderes. „Du auch“, antwortete Oikawa lächelnd und wollte über die muskulöse Brust streichen, die durch das Krafttraining noch viel definierter war als seine eigene. Und er konnte sich so hervorragend mit der Wange ankuscheln. Doch der Gedanke daran, es sich gleich noch mit dem Kopf auf Iwas Brust bequem zu machen, wurde jäh unterbrochen, als er einen Finger an seinem Eingang spürte. Sanft drückte er sich in sein Innerstes und Toru keuchte erregt. Mittlerweile wusste sein Freund ganz genau, wie er das machen musste. Schon nach kurzer Zeit führte er einen zweiten Finger in ihn ein und verlangend stöhnte der Setter, als er die Bewegungen in sich fühlte. Himmel, Oikawa wollte endlich Iwas Glied in sich. Jetzt sofort! „Ah Hajime~ Bi-bitte~“, flehte der Violetthaarige und sofort richtete sich der Blick auf ihn. Die Smaragde schienen förmlich in sein Innerstes zu schauen. Vor Leidenschaft funkelnd. Doch das hielt das Ass nicht davon ab, noch einen dritten Finger einzuführen und ihn noch weiter zu reizen und heiß zu machen. Fuck, er konnte nicht mehr! Er wollte ihn, verdammt. Langsam wurden die Finger aus ihm gezogen und endlich beobachtete er, wie Hajime noch einmal das Gleitgel nahm und sich damit sein Glied eincremte. Jetzt wurde es endlich ernst und gierig bewegte er leicht seine Hüfte, um seine Ungeduld zu verdeutlichen. Keuchend nahm er wahr, wie die starken Hände ihn festhielten, sodass er sich keinen Millimeter mehr bewegen konnte und Oikawa stöhnte. Er sah die Lust bei Iwaizumi und die Gier, es ihm zu besorgen und nur kurz danach spürte er die Spitze an seinem Eingang. Fuck, ja! Bestimmt drückte sie sich in ihn und Stück für Stück wurde er geweitet, keuchte erregt, weil er ihn endlich in sich spüren konnte. Seinen Geliebten, seinen Freund, seinen Partner. Als Iwa sich in ihm versenkt hatte, setzten seine Gedanken kurz aus. Was hatte er das vermisst, so mit ihm verbunden zu sein! Das Ass beugte sich mit dem Oberkörper runter und schaute ihm in die Augen, als er langsam anfing in ihn zu stoßen. Toru keuchte im Rhythmus und verschränkte seine Beine hinter dem knackigen Hintern. Er wollte ihn am liebsten überall spüren, doch Iwaizumi schien andere Pläne zu haben und hatte sich weiterhin mit den Händen neben seinem Kopf abgestützt. Der Setter nutzte diesen Umstand und strich über die muskulöse Brust, reizte die Knospen, was ihm ein wunderschön klingendes Stöhnen einbrachte. Diese Stimme! So erregt und verführerisch, weil er wegen ihm heiß war. Es war das größte Glück für ihn. Die Stöße wurden nur etwas schneller und es triggerte ihn, aber dafür waren sie tief. Und das fühlte sich absolut geil an. Dennoch versuchte er gegen ihn zu stoßen, schneller zu werden, doch Iwa blieb stur. Es war seine Ansage, dass er das Tempo angab und er sich zu fügen hatte. „Schneller! Ich will es!“ „Du meinst so?“, raunte das Ass und versenkte sich dreimal schnell hintereinander in ihn. Toru stöhnte laut auf, krallte seine Finger in den Rücken und presste sich gegen ihn. Ja, so war es gut. So wollte er es haben, schnell und hart von seinem Ass genommen werden. Und Iwa hielt das Tempo, was ihn weiter den Rücken zerkratzen ließ, doch es schien ihn nicht zu stören und er wusste nicht, was er sonst mit seinen Armen tun sollte. „Lauter. Ich kann dich nicht hören“, verlangte Hajime und beim nächsten Stoß traf er seine Prostata, was ihn laut aufstöhnen ließ. Oikawa bog den Rücken durch und glaubte kurzzeitig Sterne zu sehen. Das war einfach viel zu gut! Er spürte, dass Iwa sich Mühe gab, diesen Punkt wieder und wieder zu treffen und es gelang ihm fast immer. Er schrie auf, krallte sich in den Rücken Iwas und fühlte seinen Freund fast überall. Er konnte nicht mehr, er wollte kommen. Das war zu viel für ihn und die Stöße wurden noch schneller, noch tiefer. So gut es ging, bewegte er sich gegen sie und er stöhnte laut und verlangend in dem schnellen Rhythmus. Er konnte spüren, wie der Braunhaarige durch ihn immer weiter hochgeputscht wurde und das turnte noch weiter an. „Hajime! Besorgs mir!“, verlangte er heiser und das Ass entgegnete keuchend: „Halt dich fest.“ Reflexartig spannte er seine Arme an und hielt sich am Rücken fest und er spürte, wie er hochgezogen wurde. Wie stark Iwa war! Nun kniete das Ass auf dem Bett, während Oikawa auf ihm saß und die starken Hände krallten sich in seine Hüfte und hoben sie an, dann wurde er ruckartig auf das Glied gezogen. Das war der perfekte Winkel und nach ein paar Stößen zitterte er vor Erregung. „Hajime!“ „Komm für mich, Toru!“, stöhnte Iwaizumi tief und mit dem nächsten Stoß kam er leise schreiend auf Iwas Oberkörper. Seine inneren Muskeln verengten sich und er presste sich an den leicht verschwitzten Körper. Er stöhnte ihm direkt ins Ohr, krallte eine Hand in die kurzen Haare und bewegte sich weiter gegen seine Stöße und nach kurzer Zeit pumpte Iwa sein Sperma in ihn. Das wilde Stöhnen seines Freundes sorgte noch einmal für eine Gänsehaut und Toru keuchte auf. Muskulöse Arme legten sich um ihn und sie versuchten beide zu Atem zu kommen. „Das … das war …“, murmelte der Setter, aber wusste noch gar nicht so recht, was er sagen sollte. Ihm fehlten die Worte. „Unglaublich“, murmelte das Ass an sein Ohr und entlockte ihm so ein Lächeln. Ja, das traf es ganz gut. Genießend schloss Oikawa die Augen, spürte dem Gefühl der tiefen Befriedigung nach und dass er in den Armen seines Geliebten saß. „Himmel, ich habe das echt vermisst“, murmelte er und kuschelte sich weiter an ihn, während es einen Moment still war. „Ich auch, aber ich konnte dich doch unmöglich fragen …“ Hm? Was sagte er da? Widerwillig löste sich der Violetthaarige etwas von ihm, damit er ihn in die Augen sehen konnte. Sie waren noch immer etwas verdunkelt und Oikawa räusperte sich kurz, ehe er entgegnete: „Ich verstehe, dass du dich nicht getraut hast, Schatz. Aber wir kriegen das hin. Wir sind doch auf einem guten Weg.“ Sanft legte er seine Hände auf die noch erhitzten Wangen und lächelte Iwa liebevoll an. Zärtlich legte er seine Lippen auf die anderen und sie küssten sich innig, langsam, aber voller Hingabe und Liebe. Kapitel 34: Erste Sitzung (Neu!) -------------------------------- Freitag, 15.12. / Donnerstag, 21.12. Frisch geduscht lagen sie auf dem neu bezogenen Bett. Zum Glück gab es in diesem Lovehotel immer einen Schrank mit Bettzeug und während Toru geduscht hatte, hatte sich das Ass um das Bett gekümmert. Das war einfach viel gemütlicher. Der Setter kuschelte sich eng an ihn und lächelnd strich er ihm über den Rücken, während er Fingerspitzen auf seinem Bauch spürte, die Kreise zogen. Die Ruhe, die sich über sie gelegt hatte, war so angenehm und der Braunhaarige döste etwas vor sich hin, ließ sich von der Atmosphäre einfangen und treiben. Doch irgendwann war es Oikawa, der ihn aus dieser herausholte. „Huch Schatz? Dein Handy blinkt“, murmelte er und irritiert schaute Iwa zum Nachtschrank, auf dem es lag. Um ehrlich zu sein, hatte er das Teil heute so ziemlich vernachlässigt, weil erst Uni, dann Training und dann der Weihnachtsmarktbesuch gewesen war. „Ich schau nur kurz, ob es was wichtiges ist“, brummte Iwa und griff danach. Neben einigen Nachrichten von Yahaba, Kunimi, Makki und seines Dads – allesamt unwichtig – hatte er auch ein paar Emails bekommen und ein Absender zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Mit klopfendem Herzen öffnete er sie und las die paar Zeilen. „Iwa-chan? Alles in Ordnung?“ Mit den hellbraun wirkenden Augen musterte er ihn und Hajime hielt ihm das Smartphone hin. „Hallo Herr Iwaizumi, hiermit lade ich Sie zu einem ersten Gespräch am 21.12. bei der Gruppentherapie ein. Die Gespräche finden an folgendem Ort statt …“, murmelte Oikawa und wuchtete seinen Körper etwas weiter nach oben. Ihre Köpfe waren sich so nah, dass er die goldenen Tupfer in Torus Augen erkennen konnte. „Ich bin für dich da, Schatz. Wir werden das alles gemeinsam schaffen.“ Leicht lächelnd legte das Ass das Handy beiseite und küsste seinen Freund zärtlich – ganz anders als eben noch. Es war ein unschuldiger Kuss, ohne Zunge, ganz sanft und er mochte es so sehr. Nach einem Moment löste er sich und schaute ihm tief in die Augen, als er erwiderte: „Ich weiß. Ich werde auch auf jeden Fall hingehen, aber nervös bin ich schon …“ Verständnisvoll nickte sein Schatz. „Das glaube ich dir. Du weißt, dass du jederzeit mit mir sprechen kannst, Hajime“, erinnerte er ihn und das Ass zog ihn noch enger an sich. Womit hatte er diesen Freund nur verdient? Dass er ihm nach allem, was passiert war, eine zweite Chance gab und ihm so den Rücken stärkte? Er war normalerweise nicht der emotionalste Mensch, aber zurzeit war er angeschlagen und er vergrub sein Gesicht in Torus Halsbeuge, schluckte die aufkommenden Tränen herunter. Zärtliche Berührungen durch seine Haare beruhigten ihn und gaben ihm die Sicherheit zurück, die er kurzzeitig etwas verloren hatte. Toru hatte recht. Gemeinsam konnten sie das schaffen. „Hey Iwaizumi, wo willst du hin?“, wollte Hinata wissen und sprang vom anderen Ende der Halle zu ihm rüber. „Er hat doch gestern gesagt, dass er heute noch einen Termin und deswegen nicht am Sondertraining teilnehmen kann.“ Obwohl das Gesagte leicht genervt klang, schmunzelte Kageyama leicht und legte seinem Freund eine Hand auf den Rücken, als dieser bei ihm angekommen war. Leicht lächelnd bemerkte das Ass, dass sich die Zwei anscheinend langsam wieder annäherten und das freute ihn sehr für die Zwei. Sie arbeiteten auch so hart an ihrer Beziehung und hatten sich ihren Frieden verdient. „Soll ich mitkommen?“, fragte Toru leicht besorgt und hatte sich vor ihn gestellt, was seine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. „Nein nein, schon gut. Trainiere du noch mit den anderen hier. Ich komme dann nach Hause.“ Der Setter nickte und gab ihm ein Küsschen, dann winkte er den anderen zu, die die Geste erwiderten und sich auf das Sondertraining am nächsten Tag freuten. Mit wackeligen Beinen verließ das Ass die Halle, zog sich auf dem Weg nach draußen seinen Mantel über und atmete vor der Tür tief durch, als ihm die kalte Luft um das Gesicht wehte. Shit, es wurde ernst. Die letzten Tage waren förmlich an ihm vorbeigeflogen und nun schlenderte er in Richtung der Adresse, die ihm Herr Yoshida geschickt hatte. Die Hände in den Manteltaschen und die Schultern hochgezogen, kämpfte sich Iwaizumi Schritt für Schritt voran. Und das nicht nur gegen die Kälte, die an ihm zehrte, sondern vor allem gegen seine Angst, die ihn am liebsten in die entgegengesetzte Richtung rennen lassen wollte. Fuck, wie viele Männer wären da gleich noch dabei? Nur zwei oder drei oder womöglich zehn oder zwölf? Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass er vor so vielen Menschen über seine Situation sprechen sollte. Das war doch alles schon schrecklich genug. Er würde doch bestimmt kein Wort herausbekommen! Dann brauchte er da auch gar nicht erst hinzugehen, oder? Nein! Er musste das tun, auch wenn er sich vorher wahrscheinlich noch übergeben musste, wenn er seinen Magen so spürte, aber er war es Toru schuldig und auch Makki, Mattsun, seinen Eltern und Kuro. Sie zählten auf ihn und er brauchte die Tipps von Herrn Yoshida, um Strategien entwickeln zu können, damit er das nicht noch einmal tat. Nie und nimmer durfte das jemals wieder passieren. Shit, irgendwie musste er dadurch. „Hallo Iwaizumi, komm doch bitte herein“, begrüßte ihn Herr Yoshida freundlich und machte einen Schritt beiseite. „Da-danke“, murmelte er unsicher und trat in das Bürogebäude ein. Von außen wirkte es unscheinbar, grau und kalt. Doch schon im Flur umgab ihn eine angenehme Wärme und die Wände waren oben weiß und unten bis zu Hälfte hellgrün. Warmes Licht erhellte den Flur und Herr Yoshida führte ihn an ein paar Türen vorbei, bog um eine Ecke und öffnete eine blau angemalte Tür. Von drinnen her hörte er Stimmen und das Ass atmete tief durch. Er konnte das. Es würde nichts passieren, was er nicht wollte. Ihm blieb die Wahl, was er bereit war zu sagen und was nicht. Also kein Grund zur Sorge. „Brauchst du noch einen Moment?“, erkundigte sich der Leiter, der ihn aufmerksam musterte, doch Hajime schüttelte den Kopf und betrat den Raum. In den letzten Tagen hatte er sich das ganze als Stuhlkreis vorgestellt und ansonsten einen tristen, leeren Raum, wo man durch nichts abgelenkt werden konnte. Doch ganz so war es nicht. Ja, es war ein Stuhlkreis in der Mitte, aber an den Wänden hingen Bilder und es gab eine Pinnwand, an der Zettel aller Größen quer durcheinander dran gepinnt worden waren. An den Fenstern waren Malereien angebracht von Tieren und anderen Motiven und die Wände waren in einem beruhigenden Hellblau gestrichen worden. Es gab sogar ein Sofa in einer Ecke mit zwei Sesseln und einem Tisch, auf dem Gläser und eine Karaffe Wasser standen. Mit klopfendem Herzen wanderte sein Blick zurück zu dem Stuhlkreis, wo fünf Männer saßen. Zu seiner Überraschung wirkten zwei von ihnen ebenfalls recht jung und die anderen drei schätzte er zehn bis 15 Jahre älter ein. Irgendwie hatte er damit gerechnet, mit älteren Männern zu reden, sodass ihn diese Situation irgendwie verwirrte. Die anderen konnten wahrscheinlich sehen, dass er vor Unsicherheit platzte, aber er konnte das gerade nicht ändern. So gern er auch anderes ausstrahlen würde, schaffte er es nicht, sich eine Maske aufzusetzen und gute Miene zu machen. Herr Yoshida zeigte auf einen leeren Stuhl und nickend nahm das Ass Platz. Er fühlte sich wie auf Kohlen und seine Wahrnehmung war anders als sonst. Es war wie beim Volleyball, wenn er komplett fokussiert auf den Ball war, weil er den Punkt zum Sieg machen konnte. Auch hier hatte er alles ausgeblendet, konzentrierte sich auf Herrn Yoshida, dem einzigen Mann, den er wenigstens schon mal getroffen hatte. „So, damit sind wir für heute vollständig. Ich möchte euch Herrn Iwaizumi vorstellen. Magst du ein paar Worte über dich erzählen?“ Lächelnd schaute er zu ihm und mit ihm auch die anderen Fünf. Unwohl nickte er leicht und räusperte sich, ehe er sagte: „Mein Name ist Hajime Iwaizumi und ich bin 21 Jahre alt. I-ich habe … Also ich …“ Einen Moment schwieg das Ass, schaute die Hände an, die er zu Fäusten geballt hatte und auf seinen Schoß abgelegt hatte. „Ich bin hier, weil ich meinen Freund geschlagen habe und ich will, dass das nie wieder passiert. Deswegen brauche ich Hilfe und Tipps“, sagte er in einem Rutsch, bevor er noch weiter stammelte und traute sich nicht, die anderen anzuschauen. So, jetzt war es raus. Fuck, was dachten die anderen jetzt über ihn? „Du bist ganz schön mutig, das direkt so zu sagen. Ich habe fünf Sitzungen gebraucht, bis ich das vor den anderen sagen konnte“, meldete sich eine Stimme zu Wort und überrascht schaute Hajime auf. Der Mann neben ihm – wahrscheinlich etwas älter, schwarze, kurze Haare, etwas pummelig, eine Ausstrahlung, die Iwa unruhig werden ließ – lächelte leicht und kratzte sich unsicher am Hinterkopf. „Ah, ich bin Yuuji, 25 Jahre alt und Versicherungskaufmann. Ich habe meine Frau mehrfach geschlagen, ehe ich eingesehen habe, dass ich etwas dagegen tun muss.“ Du meine Güte, mehrfach!? Und die Frau war noch bei ihm? Hajime hoffte, dass er nicht zu geschockt aussah, aber für ihn war das unvorstellbar. Sowohl, Toru mehrfach zu schlagen, als auch, dass der Setter das so lange mitmachen würde. Das war ihm wirklich unbegreiflich, aber er versuchte seinen Gesichtsausdruck so gut es ging, neutral zu halten und nickte nur leicht als Zeichen, dass er ihn gehört hatte. „Sehr gut, ihr Beiden. Sehr mutig, so offen zu reden, obwohl wir uns noch nicht einmal alle vorgestellt haben. Takumi, magst du bitte weitermachen?“ Der Mann neben Yuuji nickte und seine dunkle Stimme vibrierte im Raum. Er war von sehr breiter Statur, hatte blonde Haare, die im Nacken zusammengebunden worden waren, trug nur schwarze Kleidung und nach einem genaueren Blick stellte das Ass fest, dass er auf der Stirn eine Narbe hatte. Irgendwie war der Typ auch ziemlich gruselig. „Mein Name ist Takumi. Ich bin 35 Jahre alt und bin seit ein paar Monaten in dieser Gruppe. Ich arbeite seit zehn Jahren als Türsteher.“ Ja, das konnte sich Iwaizumi sehr gut vorstellen. Und insgeheim konnte er sich sehr gut vorstellen, dass der Typ gewalttätig war. Andererseits war es nicht fair, von seinem äußeren Erscheinungsbild auf solche Dinge zu schließen, aber ohne Grund wäre er ja nicht Teil der Gruppe, oder? „Und ich bin Makoto, ebenfalls ein paar Monate dabei. Ich bin 29 Jahre alt, arbeite als Ingenieur und habe ebenfalls meinen Freund geschlagen. Wir sind seit eineinhalb Jahren zusammen und wollen das irgendwie gemeinsam auf die Reihe kriegen, aber es ist nicht so einfach derzeit. Das soll jetzt nicht blöd klingen, aber schön, dass du da bist. Dass du den Mut hast, dich dem zu stellen.“ Überrascht nickte Hajime ihm zu und erst jetzt wurde ihm klar, dass er bisher noch keinen dummen Spruch kassiert hatte, weil er schwul war. Und es war beruhigend für ihn, dass mit Makoto ebenfalls jemand hier saß, dem es genauso ging und wenn der es hier aushielt, schienen die anderen sich an der Tatsache nicht zu stören oder es zumindest nicht zu zeigen. Bestimmt war Herr Yoshida so umsichtig gewesen, darauf zu achten. So schätzte er den Leiter jedenfalls ein. Sein Blick wanderte einen Stuhl weiter, auf dem der wahrscheinlich älteste Mann saß. Er trug einen adretten dunkelblauen Anzug, hatte die ohrlangen, braunen Haare nach hinten gegelt und einen stechenden Blick. Und obwohl er wie ein Yakuza von außen wirkte, schien das alles nur Fassade zu sein, denn er schien innerlich unruhig und sich unwohl zu fühlen. „Shinichi, magst du bitte weitermachen?“, erkundigte sich Herr Yoshida und Angesprochener seufzte kurz, ehe er die Schultern straffte und antwortete: „Natürlich. Mein Name ist Shinichi. Ich bin 39 Jahre alt, habe zwei Mal mein Kind geschlagen und schäme mich sehr dafür. Deswegen bin ich seit drei Monaten hier. Normalerweise bin ich Abteilungsleiter in einem großen Unternehmen. Auch von mir herzlich Willkommen und Respekt für den Mut.“ Der Mann sah zu ihm rüber und lächelte leicht und Iwa erwiderte die Geste. Er wollte warten, bis sich auch der letzte vorgestellt hatte, um sich zu bedanken. „Und meine Wenigkeit ist Yuki, 24 Jahre alt und hier, weil ich meine Schwester terrorisiert habe. Meine Freundin hat mich dazu gebracht, mich dem zu stellen, nachdem ich sie beinahe geschlagen hätte und sie Angst vor mir hatte. Diesen Blick will ich nie wieder bei ihr sehen und deswegen möchte ich hier an mir arbeiten. Ich studiere Kunstgeschichte. Ich wünsche dir, dass du hier auch Tipps draus ziehen kannst, um ein glückliches Leben mit deinem Freund zu haben. Dann wären unsere beschissenen Situationen wenigstens nicht umsonst gewesen.“ Leicht schief wurde er von einem schlaksig wirkenden, hellbraunhaarigen Typen – er erinnerte ihn ein wenig an Tsukishima in gut gelaunt – angegrinst und Hajime spürte, wie sein Mundwinkel zuckte. Irgendwie waren ihm die Typen hier sympathisch, auch wenn sie von außen vielleicht nicht sofort den Eindruck erweckten. Es schien ein sehr bunter Haufen zu sein und möglicherweise würde es von Sitzung zu Sitzung einfacher werden, über sich selbst zu sprechen. Auf jeden Fall gab ihm dieser Auftakt Mut. Kapitel 35: Der Rosenstrauß --------------------------- Donnerstag, 21.12. Das Sondertraining lief super. Obwohl der Setter nervös war, weil sich sein Freund allein dieser schweren Herausforderung stellen musste, lenkte ihn das Spielen ab und er genoss es. Iwaizumi war ein starker Mensch, der sich allem stellen konnte und heute Abend würden sie zu Hause noch quatschen, wenn ihm danach war und kuscheln. Er würde seinem Schatz eine angenehme Zeit bereiten, damit er das Treffen in Ruhe verarbeiten konnte. Dienstagabend hatten sie auch noch einmal Sex gehabt, was Toru sehr gefreut hatte, denn er brauchte das zwar nicht jeden Tag, aber so lange Abstände wie in letzter Zeit wollte er nicht haben. Außerdem gab es dem Violetthaarigen das Gefühl, dass es ihn wieder näher an seinen Freund heranbrachte. Besonders die Zeit nach dem Sex, wenn sie auf dem Bett lagen und kuschelten, über alles Mögliche quatschten und die gegenseitige Nähe genossen, das tiefe Gefühl der Zuneigung. Das waren die Momente, die er tief in sich einsog, von denen er in schwierigeren Zeiten zehrte, weil er das wieder zurück haben wollte. „Oikawa!“ Hayatos Stimme donnerte durch die Halle und erschrocken stellte der Setter fest, dass die anderen schon wieder ein neues Spiel begonnen hatten. Warum hatten sie denn nichts gesagt!? Das war ja oberpeinlich! Die Hitze auf seinen Wangen glühte förmlich. Wie weit weg war er denn bitte mit seinen Gedanken gewesen? Egal jetzt, der Ball! Toru fixierte ihn in der Luft, rannte zu der Stelle, wo er herunterkommen würde und sprang kraftvoll in die Luft. „Chibi-chan!“ Noch bevor er den Spitznamen vollständig ausgesprochen hatte, sah er im Augenwinkel, wie der Wirbelwind zum Netz rannte und pünktlich auf die Sekunde war er da, wo er ihn haben wollte. Kraftvoll spielte er den Ball zu ihm und noch ehe er gelandet war, hatten sie den Punkt. Grinsend schlug er mit Hinata ein und reckte danach die Faust in die Luft. Das war ein super Angriff gewesen! „Sehr gut. Das war klasse!“, rief eine bekannte Stimme und überrascht schauten alle zum Eingang. „Trainer!“, riefen Shoyo und Bokuto und alle liefen sofort zu ihm, bildeten einen Halbkreis um den Mann, der noch etwas abgeschlagen wirkte. Er trug zwei verschiedene Schuhe, also hatte er sich den Fuß gebrochen? Erst als er das bemerkte, fiel ihm die Krücke auf, die an der Tür lehnte. Anscheinend wollte er nicht unbedingt schwach wirken, dabei war da doch nichts bei. Gegen Verletzungen konnte man nichts tun, sie waren eben da und damit musste man klarkommen. Die Lektion hatte er auch lernen müssen. „Hallo Jungs. Wie geht es euch? Ich habe mir doch gleich gedacht, dass ihr nach dem regulären Training noch weitermacht.“ Ein wissendes, freundliches Lächeln umspielte seine Lippen und die Brillenschlange der Karasuno antwortete: „Sie wissen doch: Von nichts kommt nichts.“ „Das ist richtig, Tsukishima.“ „Was machen Sie denn hier? Sie sollten sich doch noch zu Hause schonen, wenn es Ihnen nicht gut geht!“, warf Hinata besorgt ein und Akaashi, Komi und Mattsun nickten zustimmend. Wenn Iwa hier wäre, hätte er dem auch beigepflichtet. Da war sich Toru sicher. „Sehr lieb von euch, dass ihr euch Sorgen macht, aber das braucht ihr nicht. Es ist zum Glück ein einfacher Bruch des Fußes und er verheilt sehr gut. Außerdem gibt es einen Grund, warum ich hier bin … Der Direktor hat mir erzählt, dass es Probleme mit dem Vertretungscoach gibt. Was ist da los? Ich habe Dinge gehört, die ich kaum glauben kann.“ „Über uns oder über den Coach?“, hakte Tsukishima spöttelnd nach und schob sich räuspernd seine Brille zurecht. Der Trainer bedachte ihn nur mit einem vielsagenden Blick und noch bevor Yamaguchi anfangen konnte zu reden, öffnete Oikawa schon den Mund: „Iwa hat mich nur beschützen wollen! Wir sind seit der Grundschule befreundet und er weiß, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mich anschreit … Deswegen hat er sich mit dem Vertretungscoach angelegt. Und er hilft uns wirklich nicht weiter, macht uns an, wenn wir einen Ball nicht zu 100% treffen und gibt uns keine Ratschläge. Das ist kein gutes Training. Mit Ihnen haben wir jemanden, der uns Tipps gibt, der uns auch mal Blödsinn machen lässt, um die Stimmung zu lockern und dennoch ist jeder hier fokussiert.“ Die anderen nickten zustimmend – Bokuto und Kuro nutzten die Unterbrechung und tranken noch etwas – und Kageyama ergänzte: „Der Trainer hat überhaupt kein Mitgefühl. Er hemmt unsere Entwicklung und fördert sie nicht.“ Brummend fuhr sich der Coach über das Kinn und murmelte Dinge, die der Setter nicht verstand. Was er wohl dachte? Glaubte er ihnen? Oder hielt er sie für Lügner? „Trainer?“ Mako kam von der Bank angelaufen und verbeugte sich vor ihm, als sie ihm ein Buch hinhielt. Oikawa erkannte es sofort. Es war ihr Notizbuch, dass sie benutzten, wenn sie ohne den Trainer an ihren Leistungen arbeiteten. „Was gibt es, Mako? Was ist das für ein Buch?“ „Das ist unser Notizbuch. Da wir nicht wollten, dass Iwaizumi ausgeschlossen wird, trainieren die Jungs nach dem offiziellen Training noch mit ihm. Er ist heute nur nicht da, weil er einen dringenden Termin hat. Hier haben wir unsere Beobachtungen aufgeschrieben und an Techniken gearbeitet. Außerdem haben wir uns Spiele unseres nächsten Gegners angeschaut, damit wir uns auf ihn einstellen können. Jeder gibt sich hier sehr viel Mühe, um sich zu steigern, um den Pokal in den Händen halten zu können. Bitte glauben Sie uns, dass es nicht an ihnen hier liegt. Sie wollen immer ihr Bestes geben!“ Während sich Mako beinahe schon flehentlich für sie einsetzte, hörte der Coach ihr aufmerksam zu und blätterte in ihrem Notizbuch. An ein paar Stellen blieb er hängen und schien genauer zu lesen und eine angespannte Ruhe lag über ihnen. Alle warteten auf seine Reaktion und trauten sich nicht, selbst etwas zu sagen oder zu tun. „Ihr seid wirklich sehr fleißig. Und so wie ich euch kennengelernt habe, glaube ich euch, dass ihr keine freche Bande seid, die über die Stränge schlägt, aber die Geschichte der Eskalation hat mich etwas besorgt. So aggressiv kenne ich Iwaizumi gar nicht. Aber wenn der Trainer wirklich geschrien haben sollte – und ich habe keinen Grund, euch das nicht zu glauben – ist das kein Grund, dass Iwaizumi so über die Stränge schlägt, auch wenn ich verstehen kann, dass er dich beschützen wollte. Die Strafe hätte auch ganz anders ausfallen können. Und einen Eintrag habt ihr alle Drei bekommen. Wie auch immer. Ich werde euch ab morgen wieder trainieren – auch Iwaizumi kann dann selbstverständlich wieder mit einsteigen –, aber leider erst einmal von der Bank aus sitzend, weil ich noch nicht so lange stehen kann. Aber ich möchte, dass ihr euch voll auf das Spielen konzentrieren könnt. Mako, ich werde da noch weiter deine Unterstützung brauchen.“ Er reichte ihr das geschlossene Buch zurück und hielt es noch einen Augenblick fest, wartete auf eine Reaktion. „Natürlich Trainer!“, stimmte sie sofort zu und lächelte glücklich. Der Coach nickte und ließ das Buch los, musterte danach jeden von ihnen. Oikawa hatte das dringende Bedürfnis, Iwa noch weiter zu verteidigen, aber er schwieg. Der Trainer verstand ihn, glaubte seiner Darstellung, also brauchte er ihn nicht noch weiter zu überzeugen. „Aber trauen Sie sich das denn wirklich zu? Ich meine, die zwei Wochen werden wir auch noch schaffen …“, erkundigte sich Kuro besorgt und ihr orangehaariger Wirbelwind nickte wild. „Ja genau! Schonen Sie sich lieber! In ihrem Alter ist mit einem Bruch nicht zu spaßen!“ „Hinata!“, riefen alle entsetzt und Kageyama zog ihn zu sich, hielt ihm den Mund zu. „Verzeihung, er –“, fing der Schwarzhaarige an, doch der Coach hob lächelnd eine Hand. „Schon gut, er hat ja nicht unrecht. Ich bin nunmal nicht mehr der Jüngste. Aber ich kann nicht länger zu Hause sitzen und nichts tun. Das bin nicht ich und ich werde hier ja sitzen können. Also macht euch keine Sorgen.“ „In Ordnung, aber dann werde ich sie zumindest nach dem Training nach Hause fahren!“ Hayato hatte sich neben ihre Managerin gestellt und Oikawa erinnerte sich daran, dass er mittlerweile viel mit dem Auto unterwegs war, da er oft noch mit Mako unterwegs war. Immer mal wieder hatte er von solchen Plänen in der Umkleide gehört. „In Ordnung, wenn du darauf bestehst, werde ich das in Anspruch nehmen. Und jetzt macht Feierabend für heute. Es ist schon spät und sonst habt ihr gar nichts mehr vom Abend.“ Der Coach lächelte und zwinkerte ihnen zu, als wüsste er, dass er hier fast nur mit Pärchen sprach. Toru spürte, dass er deswegen warme Wangen bekam und in diesem Moment fragte er sich, wie es seinem Freund wohl gerade ging. Hoffentlich waren da nette Leute in der Gruppe und Hajime würde sich bei ihnen wohlfühlen können, zumindest mit einem guten Gefühl herausgehen können. Das wünschte er sich von ganzem Herzen. „Alles klar, der Boss hat gesprochen. Packen wir ein und verschwinden für heute.“ Makki klatschte zwei Mal breit grinsend in die Hände und Oikawa beobachtete erstaunt, wie die anderen tatsächlich in Bewegung kamen und das Netz abbauten und die Bälle zusammensuchten. Seit wann hörten die denn auf den Rosahaarigen? Das waren ja ganz neue Seiten, die er hier zu sehen bekam! Doch statt dumm rumzustehen, half er den anderen und schon nach kurzer Zeit waren sie fertig. Dann sagten sie dem Trainer auf Wiedersehen und dieser verabschiedete sich mit einem zufriedenen Lächeln. Die Gruppe zerstreute sich ein wenig, weil ein paar noch ihre Sachen von der Bank holten und zu seiner Überraschung stellte sich neben Makki und Mattsun auch noch die Katze zu ihm. „Hat Iwaizumi heute seinen ersten Termin?“, wollte Kuro wissen und Oikawa nickte, während die Verlobten die Katze etwas verwirrt anschauten. „Du weißt davon?“ Der Schwarzhaarige nickte dem überraschten Matsukawa zu und erklärte: „Ich war letztens mit Iwaizumi ein Bier trinken und er hat mir alles erzählt. Da das doch eine krasse Sache ist, wollte ich ein bisschen dranbleiben. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ihr Vier das auch so hinbekommt.“ „Aber es schadet nicht, dass Iwa auch jemanden außerhalb von uns zum Reden hat, wenn ihm danach ist. Also danke dafür“, erwiderte Takahiro und Kuro nickte lächelnd. „Ich bin mir sicher, dass Iwa die Tage auf dich zukommen wird, um dir davon zu berichten“, vermutete der Setter und Makki und Mattsun nickten neben ihm. „Ja, er ist so jemand, der einen auch auf dem Laufenden hält“, stimmte Mattsun zu und langsam schlenderten auch sie in Richtung der Umkleidekabine. Es wurde Zeit, sich umzuziehen und nach Hause zu gehen. „Hauptsache, er findet seinen Weg. Das ist das wichtige“, meinte Kuro und legte sich sein Handtuch um den Nacken. Er streckte sich entspannt und Toru murmelte: „Das wird er. Das weiß ich.“ „Toru?“ Zögernd drang die Stimme Iwaizumis durch die Tür und sofort sprang der Setter von seinem Stuhl auf. Er lief zur Tür, öffnete sie und lächelte: „Hallo Iwa-chan!“ Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, als er Iwaizumi mit einem sanften Lächeln und einem Rosenstrauß vor sich stehen sah. Was war denn jetzt los? „Iwa-chan?“ Irritiert blinzelnd schaute er zwischen dem Strauß und den smaragdfarbenen Augen hin und her und merkte gar nicht, wie er rot anlief. War die erste Sitzung so gut gelaufen? Das wäre ja wunderbar! „Hallo Toru. Hier, ein kleines Geschenk. Ich hoffe, er gefällt dir“, murmelte Hajime und der leichte Rotschimmer auf seinen Wangen ließ ihn so süß aussehen. Der Setter nahm den Strauß entgegen und betrachtete ihn eine Sekunde. Es waren 16 Rosen, wie er nach einem kurzen Zählen feststellte und drumherum noch etwas Grün. Dann nahm er einen tiefen Atemzug und ließ sich von dem Duft in eine andere Welt führen. Es gab kaum was Besseres als Rosenduft! Er liebte diese Blumen und es war schon viel zu lange her, dass er einen in seinem Zimmer stehen gehabt hatte. „Er ist wundervoll! Aber wieso? Und hat es einen Grund, dass du genau 16 Rosen ausgewählt hast?“, fragte er neugierig und hielt den Strauß noch immer an seine Nase, als er seinen Freund wieder anschaute. „Ähm ja, so viele Jahre kennen wir uns jetzt. Deswegen habe ich mich für diese Zahl entschieden. Und ansonsten hat es keinen speziellen Grund … Mir war einfach danach.“ Von seinem Glück ergriffen, schmiss er sich an seinen Freund und schlang die Arme um seinen Hals, hielt den Strauß noch immer in einer Hand. „Das ist so lieb von dir!“ Eng blieben sie einen Moment in der Tür stehen, Toru wollte sich für den Rest des Abends am liebsten gar nicht von ihm lösen, aber die Rosen brauchten eine Vase mit Wasser und sie sollten sich hinlegen. Es war schon recht spät. Doch ihm war klar gewesen, dass sein Freund nach dem Treffen noch einen kleinen Spaziergang machen würde, deswegen hatte er sich auch nicht bei ihm gemeldet, obwohl es ihm schon schwergefallen war. Außerdem interessierte ihn brennend, wie die Sitzung verlaufen war, aber er war so unsicher, ob er fragen sollte. Er wollte seinen Schatz zu nichts drängen, aber diese Neugier! „Ich kümmere mich eben um den Strauß. Du kannst es dir schonmal bequem machen, ja? Ich bin gleich wieder da“, versprach Oikawa schließlich und gab Iwa ein Küsschen auf die Wange, dann wuselte er fröhlich summend in die Küche. „Wow, wo kommt der Blumenstrauß her?“, wollte Matsukawa wissen, der anscheinend noch eine Kleinigkeit für Makki und sich zubereitete, als er hereinkam. „Den hat mir Iwa-chan mitgebracht! Ist er nicht schön!?“ Seine Augen leuchteten bestimmt, als er eine Vase aus dem Regal holte und mit Wasser füllte. „Ja, er sieht sehr schön aus. Dann war die erste Sitzung also gut für ihn?“ „Ich weiß es nicht. … Soll ich ihn danach fragen, Mattsun? Ich möchte ihn nicht nerven …“ Er holte nebenbei ein Obstmesser aus der Schublade und schnitt die Enden der Blumen und des Grüns noch einmal an, damit das Wasser ungehindert aufgenommen werden konnte. Ein Trick, den ihn seine Mutter beigebracht hatte. Der schwarzhaarige Lockenkopf wandte ihm den Blick zu und lächelte leicht, als er noch einmal seine Nase in die roten Blütenblätter steckte. „Ich denke, er wird es dir gleich bestimmt von sich aus erzählen. Aber wenn es dir so unter den Nägeln brennt, frage ihn und erkläre ihm, warum du dich nicht gedulden kannst. Das wichtige ist, dass ihr redet und dass du es im Notfall begründen kannst.“ „Danke Issei. Du solltest wirklich Psychologie studieren!“ „Nein danke. Ihr Zwei reicht mir schon“, entgegnete Matsukawa lächelnd und grinste, als Toru ihm die Zunge herausstreckte. „Schönen Abend noch mit deinem Schatz. Bis morgen und schlaft schön, Mattsun!“ Sein Kumpel erwiderte das gute Nacht und der Setter wuselte zurück in sein Zimmer, wo das Ass auf seinem Bett saß. Er lächelte ihn an, als er zurückkam und die Vase auf sein Fensterbrett stellte. Dann würde der Violetthaarige jeden Morgen daran riechen können und es wäre ein großartiger Start in einen neuen Tag. Kapitel 36: Entspannter Abend ----------------------------- Donnerstag, 21.12. Sie lagen nebeneinander auf Oikawas Bett und der Setter kuschelte sich eng an ihn, verkniff sich aber jegliche Frage zu seinem Abend. Er fand es sehr süß, wie er auf ihn Rücksicht nehmen wollte, obwohl man ihm mit jeder Faser anmerkte, wie neugierig er war. Doch plötzlich richtete Toru sich auf, stützte seine Hände auf seiner Brust ab und funkelte ihn mit seinen braunen Augen an. Was war denn jetzt los? „Ach ja, bevor ich es vergesse! Unser Trainer war vorhin zu Besuch! Er wird ab morgen wieder die Leitung übernehmen und du kannst dann ganz normal mittrainieren. Er glaubt uns, dass der Vertretungscoach ein Arsch ist.“ „Er war da? Wie geht es ihm denn? Wenn er so lange ausfällt, muss ja was Schlimmes passiert sein …“, hakte Iwa nach und zog seinen Freund erneut enger zu sich, was Toru dazu veranlasste, sich einfach auf ihn zu legen und ihn von unten her mit seinen Kulleraugen anzuschauen. Mit leicht aufgeregter Stimme erklärte er weiter: „Der Trainer hatte sich den Fuß gebrochen! Er hat auch immer noch eine Krücke, aber er meinte, er hält es zu Hause nicht mehr aus. Deswegen will er uns jetzt schon wieder trainieren. Und du bist dann auch wieder dabei!“ „Das klingt großartig! Ich freue mich drauf, wieder richtig ins Training einzusteigen“, entgegnete Hajime lächelnd und zog Oikawa etwas weiter nach oben. Er versiegelte seine Lippen mit seinen eigenen und genoss diesen zärtlichen Kuss. Nach dem Schlag war jeder irgendwie besonders und er wusste sie noch viel mehr wertzuschätzen. Doch das Ass wollte seinen Freund nicht länger hinhalten. Er hatte sich so gut beherrscht, aber er sollte ja auch Bescheid wissen, wie es bei ihm gelaufen war. Also löste er den Kuss schweren Herzens und strich ihm einmal über die Haare. „Es ist lieb von dir, dass du nicht gefragt hast, aber ich möchte dir erzählen, wie die erste Sitzung war.“ Sofort nickte Toru mehrfach, hing förmlich an seinen Lippen und Iwas Herz schlug schnell. Vielleicht musste er ihn dabei ja nicht so anschauen? Irgendwie war ihm das unangenehm und er drückte den Kopf auf seinen Oberkörper, was Oikawa Protestlaute entlockte, doch kaum dass er lag, kuschelte er sich mit der Wange an seine Brust. Versteh einer diesen Mann! „Also neben dem Leiter und mir sind noch fünf weitere Männer dort. Der Jüngste ist glaub ich 24 Jahre alt und der Älteste 36. Einer von ihnen, Makoto, ist ebenfalls schwul und hat seinen Freund nach glaub ich eineinhalb Jahren geschlagen. Irgendwie ist es ganz seltsam, ihre Geschichten zu hören. Und sie sind alle unterschiedlich. Ein anderer ist da, weil er seine Frau mehrfach geschlagen hat, einer, weil er sein Kind geschlagen hat. Ich weiß noch nicht so recht, was ich von diesen Leuten halten soll und jedes Mal, wenn ich diesen Gedanken habe, wird mir klar, dass ich genauso dazu gehöre. Fuck, ich ekel mich vor mir selbst.“ Frustriert starrte er an die Decke, die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Ob ihm die Gruppe auch seine Scham nehmen konnte? Seinen Selbsthass, den er entwickelt hatte? Er wusste es nicht, aber damit konnte er sich beschäftigen, sobald er neue Strategien gefunden hatte. Strategien, die dafür sorgen würden, dass er Toru nie wieder etwas antat. „Schatz, du bist ein wundervoller Mann. Ja, du hast scheiße gebaut und ich war schockiert, aber du arbeitest daran, dass es nie wieder vorkommt. Und dass ist unglaublich anstrengend für dich, weil du nicht gern mit Fremden über dich redest, doch du tust es. Um dich zu ändern, um uns zu retten und damit du wieder ohne Magenschmerzen in den Spiegel schauen kannst. Unzählige andere Menschen können das nicht. Sich eingestehen, dass sie einen Fehler getan haben und dann auch noch etwas dagegen tun. Und wir unterstützen dich dabei – ich unterstütze dich. Mach dich selbst nicht so fertig, Schatz. Bitte.“ Toru hatte sich wieder aufgesetzt, schaute ihm tief in die Augen und er bekam eine Gänsehaut, als sein Freund ihm seine warmen Hände auf die Wangen legte. Bei Toru war nur Liebe und der Knoten in seinem Magen wurde nur noch größer. Hatte er diesen großartigen Mann überhaupt verdient? Sie küssten sich noch einmal liebevoll und Oikawa machte es sich erneut neben ihm bequem, kuschelte sich eng an ihn und schnurrte leise, als er ihm über den Rücken strich. Wie verschmust er sein konnte. Unfassbar! Doch das Ass mochte diese Abende, wo sie eng beieinander lagen, normalerweise über alles Mögliche quatschten und es sich gutgehen ließen. Da sich seine Nerven allmählich wieder beruhigten, döste der Braunhaarige ein und es dauerte nicht lang, bis er tief und fest schlief. Das Training am nächsten Nachmittag war großartig. Alle waren gut gelaunt, konzentriert bei der Sache und endlich konnte er wieder unter Aufsicht des Coaches zeigen, dass er zu den Besten gehörte. Mit Oikawa spielte er unbeschwert und auf seinem Gesicht lag ein Grinsen. Das war das erfolgreichste Training seit Wochen und sie konnten es kaum erwarten, im Januar endlich den Pokal in die Luft zu stemmen. Am Abend hatte er es sich mit den anderen drei Mitbewohnern im Wohnzimmer gemütlich gemacht und den Verlobten von seiner ersten Sitzung erzählt, die in seinen Augen ganz gut verlaufen war. Die anderen hatten dem Leiter ein wenig von ihren Erlebnissen der letzten Tage berichtet, da sich die Gruppe immer donnerstags und montags traf. Herr Yoshida hatte ihm erklärt, dass jede Sitzung damit begann, von Ereignissen zu berichten, die einem besonders gut gefallen oder gestresst hatten. Sich darüber auszutauschen, warum einem die erzählte Situation im Gedächtnis geblieben war und ob man in der Zukunft anders reagieren sollte oder sie wieder herbeizuführen. Das Ass dachte im Stillen, dass das sicherlich eine gute Methode war, um das Eis zu brechen. Über Alltagssituationen zu sprechen, half bestimmt, sich wohlzufühlen und dann vielleicht auch noch von anderen Dingen zu berichten. Ihre Verlobten lauschten ihm aufmerksam und Toru holte zwischenzeitlich Tee und Kekse, die sie von ihren Müttern zugeschickt bekommen hatten. Zu Iwaizumis Erstaunen waren die sogar so verpackt gewesen, dass sie auf ihrer Reise kaum kaputt gegangen waren. Das war schon eine Kunst in seinen Augen. Zusätzlich machte der Setter noch die bunte Lichterkette an und die weiße des Weihnachtsbaumes, den sie auf dem Rückweg gekaut hatten. Oikawa hatte darauf bestanden, wenigstens schonmal die Lichterkette hineinzuhängen und am Ende waren sie alle Vier dabei gewesen, ihn komplett zu schmücken. Auf dem Tisch gab es auch einen kleinen Weihnachtsmann, der von innen heraus leuchtete und in den nächsten Tagen würden Makki und Toru sicherlich noch mehr Dekokram aus dem Keller holen, damit man in der ganzen Wohnung wusste, dass Weihnachten vor der Tür stand. Selbst das Bad wurde geschmückt. Und es war ihr eisernes Gesetz, dass alles bis mindestens 27ten Dezember da blieb, wo sie es hingestellt oder aufgehängt hatten. Erst dann durften Matsukawa und er in Verhandlungen gehen, wann der Schmuck wieder abgeräumt werden durfte. Makkis Smartphone klingelte plötzlich und sich entschuldigend ging er kurz ran. „Hey Mama, was gibt es? Alles gut?“, fragte er und lauschte leicht nickend der Stimme am anderen Ende. Er hatte sich mit dem Kopf auf Mattsuns Schoß gelegt und dieser strich ihm immer mal wieder liebevoll durch die Haare. Ziemlich genauso lag Toru bei ihm und auch das Ass spielte gern mit den seidig weichen Haaren, was den Setter regelmäßig wie eine Katze schnurren ließ. Es herrschte eine angenehme, entspannte Atmosphäre, während der Rosahaarige telefonierte und plötzlich wandte er sich an sie: „Hey Jungs! Meine Mama fragt gerade, ob wir Neujahr zu Besuch kommen. Habt ihr irgendwelche Pläne? Issei und ich wollen auf jeden Fall nach Hause.“ „Von mir aus kommen wir mit“, antwortete Hajime und schaute zu Toru, der mit leuchtenden Augen erst ihn und dann Makki ansah. „Na klar sind wir dabei! Dann müssen wir alle zusammen Neujahr zum Schrein gehen, um unser Orakel zu holen! Und Hausputz machen vorher! Und oh Gott, ich habe die Neujahrskarten noch gar nicht gemacht!“ Nicht nur bei Toru war zu beobachten, wie ihm die Gesichtsfarbe entwich, sondern auch bei Taka, dem es anscheinend ähnlich ging. Die letzten drei Wochen des Jahres artete für die Beiden regelmäßig in Hektik aus, doch Mattsun und er hatten aufgegeben, sie davon zu überzeugen, dass das alles gar nicht nötig war. Er versuchte das bei dem Violetthaarigen bestimmt schon seit vier oder fünf Jahren, aber er schien taub, wenn er mit dem Thema anfing und wenn er sich den Stress machen wollte, dann sollte er das eben tun. Mehr als ihm sagen, dass er das nicht brauchte, konnte er nicht tun. „Aber jetzt bleibst du noch etwas liegen, Schatz. Vor morgen kannst du nichts tun, also entspann dich, hm?“, flüsterte er, als Makki stammelnd weiter telefonierte. Doch Toru wäre nicht Toru, wenn er in seinem Eifer einfach das tun würde, was er ihm riet. Etwas umständlich angelte der Setter sein Smartphone vom Tisch und begann wild darauf herumzutippen. „Ja gleich, Iwa-chan! Aber erst muss ich mir Notizen machen, damit ich nichts vergesse. Immerhin habe ich am 28ten auch noch den Termin zur Vertragsunterschrift. Gott, das ist ja auch schon so bald! Am besten werden Makki und ich am Samstag die Einkäufe erledigen und da dann auch die Neujahrskarten kaufen. Und du Iwa kannst dann mit Mattsun schonmal die Neujahrsdeko aus dem Keller holen, damit wir die dann nach Weihnachten aufhängen können. Was hältst du davon, wenn wir am 28ten und 29ten die Wohnung aufräumen und putzen? … Nein, warte, am 27ten und 28ten! Dann können Issei und ich am 29ten das Essen zubereiten, damit unsere Eltern nicht auch noch die ganze Zeit für uns kochen müssen. Das wäre doch echt blöd.“ „Gute Idee, Oikawa. Wir werden auch am 27ten mittags wieder hier sein und wenn wir alle zusammenarbeiten, schaffen wir das meiste bestimmt schon am 27ten. Dann schreibe ich meiner Mama, dass wir am 30ten nachmittags nach Hause fahren? Dann müssen wir uns Silvester nicht so stressen“, mischte sich Makki ein und tippte ebenfalls auf seinem Handy herum. Wann hatte er denn aufgehört zu telefonieren? Davon hatte das Ass gar nichts mitbekommen. Irritiert schaute er zu Matsukawa, der nur milde lächelnd dasaß und dass alles an sich abperlen ließ. Wie schaffte der Mann das nur? Es war ihm ein einziges Rätsel, aber er bewunderte ihn sehr dafür. Iwaizumi wollte das auch können. „Alles klar, so machen wir das! Ich sage auch meiner Mama Bescheid!“ So hingen die Zwei an ihren Smartphones und tippten wild. Iwaizumi nutzte den Moment, wo sein Freund abgelenkt war und griff nach der Tasse Tee, pustete über die heiße Flüssigkeit und schloss genießend die Augen, als er einen Schluck trank. Im Winter gab es einfach nichts Besseres. Er freute sich darauf, mal wieder nach Hause zu fahren und dort in seinem alten Zimmer zu schlafen, dass seine Eltern so gelassen hatten, wie er es verlassen hatte. Aus dem Grunde hatte er auch ein paar Fotos dort hängen lassen, damit es nicht so kahl aussah, wenn er zu Besuch war. Und vielleicht würde er sich auch nochmal die Sporthalle der Aoba Johsai anschauen. Immerhin hatte er dort drei Jahre lang sehr viel Zeit verbracht. „Iwa-chan? Wenn wir zu Hause sind, möchte ich in den Park!“ Wie aus dem Nichts hörte er seinen Freund unter sich reden und zum Glück hatte er seine Tasse fest in der Hand. Er stellte sie wieder ab und spürte, wie Toru seinen Pullover am Bauch küsste, als er sich über ihn beugte. Dieser Frechdachs! Als er es sich erneut bequem gemacht hatte, nickte er und strich ihm durch die Haare. „In Ordnung. Das können wir ja nach dem Schreinbesuch an Neujahr machen. Was hältst du davon?“ „Sehr gute Idee! Da freue ich mich drauf.“ „Ich mich auch“, stimmte Iwa lächelnd zu und spürte förmlich die bohrenden Blicke ihrer Verlobten. Zu seiner Überraschung war es aber Matsukawa, der nachfragte: „Was gibt es denn so Spannendes im Park?“ „Da haben wir uns kennengelernt, als wir Kinder waren“, erwiderte Toru sofort und drehte sich, damit er zu Makki und Mattsun herüberschauen konnte. „Kennengelernt? Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, habt ihr noch nie erzählt, woher ihr euch eigentlich kennt, oder?“ Makki schaute seinen Verlobten an, der einen Moment nachdachte, dann aber auch nur mit den Schultern zuckte. Auch Iwaizumi war sich relativ sicher, dass sie bisher nie wirklich darauf zu sprechen gekommen waren. Andere Leute akzeptierten einfach, dass sie bereits als beste Freunde unzertrennlich gewesen waren und so kam es praktisch nie vor, dass sie danach gefragt wurden. Sein Freund schien sofort Feuer und Flamme, berichtete ausschmückend von ihrem ersten Treffen: „Wir waren vier Jahre alt, als wir uns das erste Mal getroffen haben. Ich habe mit meiner Mama im Park Volleyball gespielt und beim Baggern habe ich den Ball aus Versehen in den See gespielt. Meine Mama hat versucht, mich zu trösten und wollte dann was zum Naschen aus der Tasche holen, die sie an der Bank abgestellt hatte. Ich habe aber die ganze Zeit am Ufer gestanden und den Ball angeschaut, denn den hatte mir mein Papa erst kurz davor geschenkt und ich wollte unbedingt, dass er wieder zurückkam, damit ich ihn mit nach Hause nehmen konnte. Plötzlich lief jemand an mir vorbei ins Wasser und ich starrte den Jungen mit offenem Mund an, wie er zum Ball schwamm und mit ihm zurück ans Ufer kam. Er hat ihn mir in die Hand gedrückt und meinte: „Pass das nächste Mal besser auf, wenn er dir so wichtig ist!“ Ihr müsst wissen, dass ich damals Angst vor Wasser hatte und deswegen nicht selbst in den See gesprungen bin. Ich konnte deswegen noch nicht einmal richtig schwimmen damals. Und dann tauchte Iwa-chan auf und hat mir einfach so meinen geliebten Ball zurückgeholt! Obwohl wir uns nicht einmal kannten. Seine Mama kam dann auch schon angelaufen und hat ihn ausgeschimpft, weil es erst Anfang März gewesen war und noch relativ kühl. Aber Iwa war ganz stoisch, als er zu ihr sagte, dass das doch blöd wäre, wenn mir der Ball so wichtig wäre, aber ich mich nicht trauen würde, ihn zu holen. Und deswegen hat er das gemacht, damit ich nicht mehr traurig sein musste. Ist das nicht süß?“ Makki quietschte leise und grinste das Ass breit an, was diesen aber nur noch roter werden ließ. Das ganze so zu hören, klang viel zu kitschig, dabei war es ziemlich genauso abgelaufen. Ihm war das unangenehm, aber Iwaizumi wurde bewusst, dass er schon damals diesen Drang gehabt hatte, dass er Toru nicht traurig sehen wollte. Wie er da mit Tränen in den Augen so verloren am Ufer gestanden hatte, weil der Ball für ihn außer Reichweite gewesen war, hatte ihn dazu veranlasst, einfach so ins Wasser zu springen. Zum Glück war er da schon ein guter Schwimmer gewesen. Seine Mama hatte ihn auch zu Hause noch dafür ausgeschimpft, aber er war stur geblieben. Natürlich war er ein paar Tage später krank geworden, denn es war ein kühler Tag gewesen und er hatte noch den ganzen Weg zurück nach Hause laufen müssen. Zwar hatte Mama alles versucht, um ihn abzutrocknen, doch das hatte alles nichts geholfen. „Das klingt wirklich süß, Iwa-chan!“, zog Taka ihn mit zuckersüßer Stimme auf und er schnaubte. Das war so typisch für den Rosahaarigen. Doch Matsukawa zog seine Aufmerksamkeit auf sich, als er das Wort ergriff: „Und haben sich eure Mütter dann angefreundet oder wie seid ihr weiter in Kontakt geblieben?“ Toru holte schon Luft, um zu antworten, als Iwaizumi das übernahm. „Nein, soweit ich weiß, haben die Zwei da nur kurz miteinander gesprochen, weil Ran sich bei meiner Mama entschuldigt hat, dass Toru so versessen auf den Ball gewesen war. Zwei oder drei Wochen später sind wir uns wieder in dem Park begegnet und Toru wollte sofort, dass ich mit ihm Volleyball spiele. Damals hatte ich mit meinem Papa ein paar Spiele im Fernsehen gesehen und zugestimmt. Unsere Mütter mussten uns nach Hause zerren, weil unser Ehrgeiz geweckt war. Und da haben wir unsere Adressen ausgetauscht und uns regelmäßig getroffen, um zusammen Volleyball zu spielen, nach Käfern zu suchen oder so. Es war supercool, dass wir dann in dieselbe Grundschule und sogar in dieselbe Klasse gekommen sind. Tja, so hat das alles seinen Anfang genommen damals.“ „Ich habe den Ball von damals immer noch“, murmelte der Setter verträumt und er schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Wie? Aber du meintest doch, dass der wegen des Wassers nicht mehr zu gebrauchen sei.“ „Das ist ja auch richtig, aber er ist ein Glücksbringer! Es war mein allererster Volleyball, von meinem Papa geschenkt und er hat uns beide bekannt gemacht! Den kann ich doch nicht wegschmeißen, nur weil ich damit nicht mehr spielen kann!“, empörte sich der Violetthaarige und blähte die Wangen auf. Makki und Mattsun lachten leise und Iwa gab seinem schmollenden Freund einen Kuss, der ihn wieder milde stimmte. Es war so ein schöner, entspannter Abend und Iwaizumi genoss es, dass sie mal wieder alle Vier zusammen herumlungerten und sich unterhielten. „Was haltet ihr davon, wenn wir morgen Abend noch mal bei Herrn Suzuki essen gehen? So als vorzeitiger Jahresabschluss nur für uns Vier? Danach haben wir Vier schließlich nur noch das Putzen zusammen, ehe das Jahr zu Ende ist“, fragte er nach einem Augenblick und alle Drei waren sofort Feuer und Flamme für die Idee. So war es beschlossen, dass sie das morgen nach dem Training tun würden. Kapitel 37: Besondere Geschenke ------------------------------- Freitag, 22.12. / Sonntag, 24.12. „Was haltet ihr davon, wenn wir morgen Abend noch mal bei Herrn Suzuki essen gehen?“, erkundigte sich das Ass, nachdem er den Kuss gelöst hatte und sofort stimmte Oikawa zu. Das war eine großartige Idee von seinem Freund und eine tolle Geste, wenn sie ihn diesen Monat noch einmal besuchten. Da würde sich der Koch bestimmt freuen. Auch Makki und Mattsun waren sofort dafür und so war es beschlossene Sache. Glücklich kuschelte er sich weiter an sein Ass, der ihm mit seinen langen Fingern durch die Haare strich. Er genoss das so sehr, genauso wie diese vorweihnachtliche Stimmung, die ihn durchströmte, gemeinsam mit den Erinnerungen, die bei der Erzählung hochgekommen waren. Damals am See war Iwa sein absoluter Held gewesen. Dass er sich so mutig ins Wasser geworfen hatte, um ihm seinen geliebten Ball zurückzuholen, hatte ihn lange von Iwa schwärmen lassen, als er mit seiner Mama nach Hause gegangen war. Das war so ein eindringlicher Moment gewesen, dass er sogar angefangen hatte, Tagebuch zu schreiben. Wobei Tagebuch nicht das richtige Wort war. Eher ein Sammelsurium von besonderen Momenten mit Iwa-chan. Obwohl er sich erst Ende der Oberschule in ihn verliebt hatte, war es ihm seit der ersten Begegnung wichtig, besondere Erlebnisse mit ihm schriftlich festzuhalten. Wobei es ihm heute schon peinlich war, die alten Kindersachen zu lesen. Eigentlich fehlten da nur die Herzchen. Kinderschwärmereien eben, aber schon ziemlich krass, wenn er das so las. Das musste er zugeben. Zum Glück kannte das ja niemand außer ihm und würde es auch nie erfahren. Entspannt griff er nach einem der superleckeren Kekse von ihren Müttern und mümmelte ihn, während sich die anderen weiter unterhielten. Er hatte keine Ahnung, worum es ging, hatte abgeschaltet und ließ sich von der Stimmung treiben. Außerdem war es schon relativ spät am Abend und er spürte, wie die Müdigkeit durch seinen Körper kroch. Sein Freund merkte das auch, denn irgendwann murmelte er in sein Ohr: „Sollen wir ins Bett, Schatz?“ „Ja bitte“, nuschelte er leicht verschlafen und vorsichtig wurde sein Kopf angehoben und auf dem angewärmten Sofa abgelegt. Das war so viel zu ungemütlich! Doch er kam nicht dazu zu quengeln, denn Iwaizumi wandte sich an ihre Freunde. „Also ich bring unsere Prinzessin ins Bett. Schlaft gut und bis morgen“, verabschiedete sich Hajime und wie er es gehofft hatte, schob das Ass vorsichtig seine Arme unter seinen oberen Rücken und seine Kniekehlen und nahm ihn hoch. Er war selbst zu faul, die Arme um den trainierten Nacken zu schlingen und ließ sich in sein Zimmer tragen, wo er sanft auf seinem Bett abgelegt wurde. Er zitterte kurz, weil das Bettzeug kalt war und das war so unangenehm! Die Kälte kroch förmlich durch seine Schlabberklamotten. Mist, hatte er etwa vergessen, die Heizung anzumachen? Sowas Blödes! „Iwa-chan, die Heizung …“, maulte er und öffnete ein Auge, sodass er die hochgezogene Augenbraue seines Freundes sah. „Macht wenig Sinn, die jetzt anzumachen, wenn ich gleich das Fenster ankippe, oder?“ „Du machst was!?“ Geradezu erschrocken riss er die Augen auf und starrte seinen Freund an, als wäre er ein mordender Außerirdischer, der gekommen war, um ihn zu holen. Das war doch nicht sein Ernst! Es war Winter, da machte man die Heizung an und nicht das Fenster auf! „Das habe ich die letzten Tage auch immer getan“, schmunzelte das Ass und zog ihm die Jogginghose aus, nachdem er seinen Hintern etwas angehoben hatte. Wie es aussah, hatte Iwa ein Einsehen mit ihm, dass er furchtbar müde und erschöpft war. Brav hob er die Arme an und sein Freund zog ihm auch noch den Pullover aus, lieb, wie er war. „Wirklich? Aber ich hab gar nicht gefroren …“, wunderte sich Toru und zog schnell die Bettdecke über sich und zitterte noch einmal, weil die Decke ebenfalls arschkalt war. So ein Mist! Jetzt war er ja wieder wach, obwohl er eigentlich so müde und kuschelig war! Menno. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass du dich halb auf mich gelegt hast“, erwiderte Iwa grinsend und zog sich ebenfalls bis auf seine Boxershort aus. Dann öffnete der Frechdachs doch tatsächlich das Fenster! Dabei war nachts hier nur um die 0°C! Grummelige Protestlaute verließen seinen Mund, die keine Wörter ergaben, aber das Ass würde das schon interpretieren können. Blöder Iwa-chan. Doch sein Ärger verflog, als er sich neben ihn gelegt und zu sich gezogen hatte. Sein Freund war wirklich heiß und dass in jeglichem Sinne. Da war es wirklich unmöglich zu frieren, das sah der Setter ein. „Und? Schon besser?“, raunte Hajime in sein Ohr und er schnurrte zufrieden. „Ja, viel besser.“ Die kuschelige Wärme umfing ihn wie ein lauer Sommerwind und trug seine Anspannung und Genervtheit einfach davon. Iwaizumi erzählte ihm noch etwas, doch er driftete schon ins Land der Träume ab. „Schatz? Guten Morgen“, brummte eine bekannte Stimme leise in sein Ohr und Toru brabbelte leise im Halbschlaf. War es wirklich schon so spät, dass er geweckt werden musste? Etwas unkoordiniert zog er seinen Schatz noch enger an sich, schlang die Arme um den trainierten Hals und genoss das zärtliche Knabbern an seinem Ohrläppchen. Wäre er nicht so verschlafen, würde er garantiert auf unlautere Gedanken kommen. So aber gab er sich dem einfach nur hin und öffnete träge die Augen, als sich Iwaizumi wieder etwas von ihm löste. Liebevoll wurde er von den Smaragden angestrahlt und er spürte eine Gänsehaut. So gut gelaunt hatte das Ass eine umwerfende Ausstrahlung. „Frohe Weihnachten, Shittykawa.“ „Ahh, frohe Weihnachten, Iwa-chan!“ Sofort zog er ihn ruckartig wieder runter und etwas ungestüm prallten ihre Lippen aufeinander, doch nach einem kurzen Augenblick wurde es zu einem leidenschaftlichen und heißen Kuss. Der Setter fühlte das vertraute Kribbeln in seinem Nacken und am liebsten würde er den ganzen Tag mit ihm hier verbringen. „Mattsun und Makki bereiten schon das Frühstück zu, also hoch mit dir, Schlafmützen“, murmelte Iwa gegen seine Lippen, doch einmal wollte er sie noch richtig spüren, dann würde er sich wohl oder übel geschlagen geben. Eine halbe Stunde später saßen alle Vier in der geschmückten Küche am Tisch und genossen ihr großes Frühstück. Es war gefühlt von allem etwas dabei und während sie sich über alles Mögliche unterhielten – also hauptsächlich Taka-chan und er – aßen sie Stück für Stück die Teller leer. Es war ihr Schlemmertag und Toru nutzte das, ohne sich gnadenlos vollzustopfen. Schließlich hielt er sich sonst streng an seinen Ernährungsplan, den er vor Jahren mal mit einem Trainer ausgearbeitet hatte. Doch die Woche von Weihnachten bis Neujahr ließ er es etwas lockerer angehen. Das hieß ja nicht, dass er sich eine Woche lang nur von Keksen seiner Mama ernährte, obwohl auch das sehr verlockend klang. Nachdem sie das Essen abgeschlossen und die Küche aufgeräumt hatten, machten es sich die Vier auf den Sofas mit Kuscheldecken und Kissen bequem und schauten ihre beiden Weihnachtsklassiker: Schöne Bescherung und Kevin allein zu Haus. Toru konnte sie mitsprechen, aber es gehörte für ihn zu Weihnachten wie der geschmückte Baum und zum Glück sahen die anderen Drei das genauso. Allerdings beschlich ihn das Gefühl, dass Iwa den Filmen nicht so ganz folgte. Er schien hin und wieder in Gedanken zu sein. Doch der Setzer beließ es dabei, wollte den anderen und sich nicht die Weihnachtsstimmung verhageln und wenn das Ass ernsthaft etwas auf der Seele lag, hatte er gelernt, dass Iwaizumi auf ihn zukam und mit ihm darüber sprach. Darauf war Oikawa dieses Jahr besonders stolz. Dass sie besser miteinander kommunizieren konnten. Denn trotz des Schlages, der definitiv der Tiefpunkt seines persönlichen Jahres markierte, schaffte es Hajime, offener zu sein. Er hatte angefangen über seine Wünsche und Bedürfnisse zu reden und das rechnete Toru ihm sehr hoch an. Generell war es ja wohl das krasseste Jahr seines Lebens! Was war denn bitte alles passiert!? „Warum wird Weihnachten eigentlich in der Welt so unterschiedlich gefeiert? Ich meine, in Amerika ist Bescherung doch glaube ich am Abend des 25ten Dezember, oder? In Deutschland aber am 24.12. Das ist schon etwas verwirrend“, murmelte Issei nachdenklich zwischen den Filmen und Toru grübelte ebenfalls über die Frage. Warum war das so? „Das kann ich dir zwar nicht beantworten, aber ich weiß, warum wir hier am 24ten feiern", entgegnete Iwa grinsend und Oikawa hob eine Augenbraue. Das klang verdächtig nach einer Frechheit gegen ihn, doch es war Mattsun, der ihm in den Rücken fiel: „Das weiß ich auch. Unsere beiden Weihnachtsfanatiker würden es nicht noch eine weitere Nacht überleben, auf die Geschenk zu warten.“ Ein wissendes und leicht freches Grinsen lag auf den Lippen des Lockenkopfes und Hajime stimmte glucksend zu. Das war frech! Natürlich könnte er sich noch gedulden, aber wozu, wenn in anderen Ländern auch an diesem Tag Bescherung war? „Wie hast du mich gerade genannt, Issei?“ Takas schmollende Stimme drang in sein Ohr und er überlegte, auch mitzumachen, entschied sich dann aber dagegen. Der Tag war viel zu schön, um ihn mit sowas zu verbringen. „Du hast mich schon verstanden, Schatz“, antwortete Mattsun und beugte sich über seinen Verlobten, gab ihm einen kurzen Kuss. Hach, die Zwei waren aber auch so süß zusammen! Er freute sich so, dass sie einander gefunden hatten und nächstes Jahr sogar heiraten wollten. Glücklich spürte der Setter, wie auch er enger an seinen Freund gezogen wurde, nachdem dieser den zweiten Film gestartet hatte. Die Frage des Schwarzhaarigen war schon wieder egal und verträumt kuschelte er sich an Hajime und schaute mit ihm und seinen besten Freunden „Schöne Bescherung". Nach dem Festmahl – das in Torus Augen eins der Besten war, um das in aller Bescheidenheit zu sagen – verschwanden ihre Mitbewohner kurzzeitig in einem ihrer Zimmer, bevor sie grinsend mit Händen hinter dem Rücken wieder zu ihnen zurückkehrten. „Bevor wir uns verabschieden, ist es natürlich Zeit, dass wir euch noch eure Geschenke geben!“, verkündete Makki und Toru nickte wild, seine Augen leuchteten wahrscheinlich gerade. Er liebte Geschenke! Das war immer so cool! Besonders spannend, weil er sich immer fragte, was für Gedanken sich der andere gemacht hatte und was dann dabei herausgekommen war. So auch dieses Mal. Immerhin kannten die Zwei ihn sehr gut und so war es irgendwie noch aufregender. „Dann hole ich auch mal eben die Geschenke“, meinte Iwa und holte kurz die beiden Geschenke, die sie für die beiden gekauft hatten. Hoffentlich würden sie sich freuen! Keine drei Minuten später saßen sie erneut auf den Sofas und Makki und Mattsun gaben jeweils ein Päckchen an Hajime und ihn. Er bekam sogar 2 Geschenke? Das war noch viel besser! Iwa und er hingegen hatten entschieden, für die Zwei zusammenzulegen, sodass Toru Issei ein Geschenk gab und das Ass eins an Taka. Das Geraschel des Geschenkpapiers war für einen Moment das einzige Geräusch, was zu hören war und Torus Herz schlug schnell. Er war so aufgeregt! „Makki!“ Geradezu empört rief er den Namen und hielt die grün-rosane Alien Boxershort in die Höhe. Er war ja großer Fan, was Aliens anging und es stand außer Frage, dass es welche gab, aber das hier war der letzte Liebestöter! Obwohl sich der Stoff schon angenehm weich anfühlte … Aber die rosa Grundfarbe mit tanzenden grünen Aliens waren wirklich nicht heiß, aber je länger er sie anschaute, desto süßer fand er sie. Insgeheim hatte er halt doch eine Schwäche für Kitsch. „Was denn? Sag mir nicht, dass dir die nicht gefällt!“ Takas grinsende Stimme holte ihn aus seinen Gedanken und der Setter spürte, wie seine Wangen leicht glühten. Erwischt! „N-nein! Also vielleicht ein bisschen … Aber die kann ich nur tragen, wenn ich im Trainingslager bin!“ „Wieso das denn?“, wollte Iwa mit hochgezogener Augenbraue wissen und Toru grinste. „Sag mir nicht, dass du die sexy findest.“ Ein zurückhaltendes Räuspern neben ihm ließ ihn kichern und er gab seinem Freund ein Küsschen auf die Wange. „Na, siehst du! Keine Sorge, ich werde darauf achten.“ Oikawa zwinkerte ihm zu und schaute auf ein Buch, welches Iwa in den Händen hielt. Neugierig griff er das Handgelenk und zog es zu sich. „Wenn der Schlag trifft … Ratgeber für Opfer und Täter“, murmelte er und sah leicht geschockt zu Mattsun und Makki. Iwa arbeitete doch an sich! Warum schenkten sie ihm so etwas zu Weihnachten? „Was soll –?“, fing er an und spürte die aufkommende Wut in sich, als Hajime ihn unterbrach. „Danke. Ich werde es aufmerksam lesen.“ „Gern. Um ehrlich zu sein, habe ich das nicht neu gekauft. Es ist meins“, erwiderte Taka ungewöhnlich ernst und beinahe fassungslos schaute er zwischen den beiden besten Freunden hin und her. Was ging hier vor sich? „Ich hab es mir nach der Trennung meines ersten Freundes gekauft und es hat mir ein paar Einsichten gegeben, die hilfreich waren. Und da sich die Hälfte des Buches mit den Tätern beschäftigt, dachte ich mir, es wäre vielleicht auch etwas für dich. Ich werde es ja nicht mehr brauchen.“ Liebevoll lächelte Makki seinen Verlobten an, der ihm ein Küsschen auf die Stirn gab, doch Torus Wut brodelte noch immer in ihm und er musste dem Luft machen. „Wie lange wollt ihr Hajime denn noch mit der Nase darauf stoßen? Er tut doch etwas, um sich zu ändern! Und selbst an Weihnachten könnt ihr es nicht ruhen lassen!“ Die anderen Drei schauten ihn erstaunt an, dass er mit Händen zu Fäusten geballt und leicht zitternd dastand, aber die Wut hatte ihn so übermannt. Wenigstens an Weihnachten wollte er von dem Thema verschont bleiben. Das war doch nicht zu viel verlangt, oder? „Schatz, es ist in Ordnung. Ich schätze Taka dafür, dass er mir sein Buch anvertraut und ich bin mir sicher, dass es mir helfen wird. Das ist doch etwas Gutes, oder nicht?“ Die Stimme seines Freundes klang etwas unsicher und er schnaubte leise, doch als er das beruhigende Streicheln auf dem Rücken spürte, entkrampften sich seine Hände wieder. „Kann es sein, dass dir das so nahe geht, weil du nicht immer daran erinnert werden willst?“, fragte Issei vorsichtig nach und Toru antwortete, ohne nachzudenken: „Ja verdammt! Ich will endlich wieder nach vorne schauen. Aber immer und immer wieder taut irgendjemand das Thema auf! Irgendwann muss doch auch mal gut sein!“ Er zog die Nase hoch, drängte die aufkommenden Tränen nieder und krallte sich an sein Ass, als dieser ihn umarmte. Sofort fühlte er sich wohl, geborgen und beschützt wie schon seit so vielen Jahren. Ein paar Minuten standen sie da und Oikawa erdete sich, der Duft von Iwaizumi beruhigte ihn. Was würde er nur ohne ihn tun? Sie würden das alles gemeinsam schaffen. „Tut mir leid, dass du immer wieder erinnert wirst. Wir werden besser darauf achten, versprochen“, meldete sich Taka zu Wort und etwas widerwillig löste sich der Setter von Iwa und schaute seinen rosahaarigen Kumpel an. „Schon gut. Aber an Weihnachten wollte ich das echt vermeiden.“ „Verstehen wir. Dann schauen wir mal, was ihr uns schenkt“, versuchte Makki die Stimmung wieder etwas zu heben und auch Toru wollte noch wissen, was Mattsun ihm geschenkt hatte. Auf jeden Fall auch ein Buch und augenblicklich wurde ihm mulmig zumute. Es würde halt auch so gut zu dem Lockenkopf passen. Egal jetzt, da musste er durch. Also wickelte er das Buch aus und sah den Titel: Das wahre Selbstbewusstsein. Wie man sich selbst findet. „Was möchtest du mir denn damit sagen, Issei?“ „Ich denke, das weißt du schon ganz genau, hm? Schließlich wird sich dein Leben radikal ändern, wenn du den Vertrag unterschrieben hast. Da schadet ein bisschen Vorbereitung nicht, oder?“ Da war er wieder. Der super vernünftige Issei, der alles bedachte. Und er war froh drum, denn was hätten sie nicht alle schon vergessen, wenn er nicht da wäre. So aber konnte ihnen da nichts passieren. „Ja, na gut. Hast du ja recht“, gab er sich geschlagen und umarmte ihn kurz für sein Geschenk. Auch Makki umarmte er für die Hose, denn es war ein witziges Geschenk und das war cool. Und er wollte ihm so zeigen, dass er trotzdem noch einen Freund in ihn sah, auch wenn er eben so zickig gewesen war. „Ah, wie cool! Das werde ich bestimmt bald brauchen!“ Grinsend zeigte ihm das Ass ein A4 Buch. Offenbar ein Buch mit Noten von berühmten Songs. Das war bestimmt für seinen Gitarrenunterricht, mit dem das Ass im nächsten Jahr starten wollte. Das war doch eine tolle Motivation. „So, jetzt will ich aber endlich wissen, wie ihr eure Geschenke findet!“, forderte Toru und schaute die Verlobten erwartend an. „Ein Möbelgutschein?“, fragte Makki irritiert und schaute zu Mattsun, der ebenfalls verwirrt auf den Gutschein schaute. „Ein Gutschein für Umzugshilfe?“ „Ja, ich habe ein paar Mal mit Iwa über das Thema gesprochen und natürlich kann ich verstehen, dass ihr eure eigene Wohnung haben wollt, aber ich bin doch so ein Gewohnheitsmensch! Trotzdem habe ich mich damit vertraut gemacht und deswegen haben wir die Gutscheine für euch. Damit ihr euch Möbel aussuchen könnt und selbstverständlich könnt ihr auf unsere Hilfe bauen, wenn es soweit ist.“ „Mensch Toru, du machst mich echt emotional!“, brummte Makki und der Setter kicherte. Hatten sie also das richtige Geschenk gefunden. Das freute ihn besonders! Sie umarmten sich alle Vier für einen Moment und die schlechte Stimmung war wieder komplett weg. Es war eben doch ein tolles Weihnachten! Nachdem sie sich noch kurz unterhalten hatten, machten sich Makki und Mattsun auf den Weg, weil sie wahrscheinlich irgendwelche versauten Geschenke hatten, von den Toru gar nichts genaueres wissen wollte. Was das anging, waren die Zwei recht leicht zu durchschauen. Das Beste aber war, dass Iwa und er so ihre Ruhe hatten. Sein Geschenk für seinen Schatz konnte er ihm überall überreichen, doch das Ass hatte Andeutungen gemacht, dass er noch mit ihm irgendwohin wollte. Und tatsächlich wollte sein Freund, dass er sich von dem kuscheligen Sofa trennte und was anzog. Weg vom Flausch, der Wärme, dem Kuscheligen und von der Deko. Der Setter war sich nicht sicher, ob er das befürworten konnte. Aber natürlich stand er nach einem kurzen Quengeln auf und verschwand in seinem Zimmer, um sich anzuziehen. Die Neugier, was sich Iwa-chan für ihn an ihrem ersten gemeinsamen Weihnachten als Paar ausgedacht hatte, war viel zu groß, als dass er sich das entgehen lassen konnte. Es dauerte nicht lang, bis er fertig angezogen war – er hatte sich extra schick gemacht mit seinem dunkelblauen Lieblingspulli, einer dazu passenden, engen Jeans und warmen Klamotten darunter, damit er nicht fror – und im Flur begegnete ihm Iwaizumi, der sich in der Zwischenzeit ebenfalls umgezogen hatte und oh mein Gott, hatte er sich den schwarzen Rollkragenpullover extra für heute gekauft? Er kannte den Pulli nicht, aber er betonte alles so perfekt und am liebsten hätte Toru ihn direkt wieder ausgezogen. Jetzt aber genug mit den versauten Gedanken! Es war schließlich gerademal Nachmittag und sein Ass verfolgte einen Plan. Einen besonderen Plan nur für ihn. Er war so aufgeregt! „Den Pullover musst du unbedingt öfters tragen“, hauchte Oikawa dennoch und biss sich unbewusst auf die Unterlippe. Auch die dunkelblaue Jeans dazu setzte alles perfekt in Szene und er bedauerte in Gedanken jetzt schon, dass Iwa gleich noch einen Mantel drüberziehen würde. Hajime schnaubte entgegen nur belustigt und schüttelte grinsend den Kopf. Er murmelte etwas, was Toru fast als „Trottel“ identifiziert hätte, aber er war sich nicht ganz sicher. Also zog er nur theatralisch die Nase hoch und beließ es dabei. Iwa wusste, dass er dann zickig war und wie erwartet wollte das Ass ihn sofort besänftigen, war ja immerhin Weihnachten. Mit einer festen Umarmung und einem Kuss, der ihm alle Sinne raubte, ließ er sich aufmuntern und fröhlich summend zog er sich Mantel und Schuhe an. Das Geschenk hatte er bereits vorhin in der Innentasche deponiert, damit Iwaizumi es noch nicht sehen konnte. Er konnte es kaum erwarten, es ihm zu zeigen! Händchenhaltend schlenderten sie – noch in Mützen und Schals eingepackt – durch die kalten Straßen. Zu Oikawas Bedauern schneite es leider nicht. Das wäre die absolute Krönung! Aber seit sie hier wohnten, hatten es noch nicht einmal Schnee gegeben. Stattdessen war es meist grau, trüb, dunkel und regnerisch. Absolut demotivierend für sein sonniges Gemüt. „Kriege ich einen Tipp, wo du hinmöchtest?“, wollte Toru mit seiner lieblichsten Stimme wissen und kuschelte sich eng an seinen Freund, umklammerte förmlich seinen Arm und grinste wahrscheinlich wie ein Honigkuchenpferd, so glücklich war er. „Es ist in Anlehnung an unser erstes Treffen“, sagte das Ass etwas kryptisch und Toru grübelte. Also hatte es etwas mit Wasser zu tun, aber was genau? Sie würden wohl kaum baden gehen, obwohl sich Iwa damals für ihn in die Fluten gestürzt hatte. Und einen Volleyball hatte er auch nicht dabei. Andererseits sprach er ja auch davon, dass es „in Anlehnung“ sei, was also praktisch alles bedeuten konnte. Menno, der Tipp brachte ihn nicht weiter! „Jetzt sei nicht so ungeduldig. Gleich wirst du es wissen“, schob Hajime hinterher und schaute ihn lächelnd von der Seite her an. Wow, so ein glückliches Gesicht ließ das Herz des Violetthaarigen höherschlagen und seine Wangen wurden bestimmt rosa, aber das spielte gerade keine Rolle. Viel lieber wollte er noch weiter dieses Profil ansehen, dass so gelöst und zufrieden wirkte. Und in diesem Moment wusste er, dass er nie wieder jemand anderen an seiner Seite haben wollte. Nie wieder. Kapitel 38: Leichte Eifersucht ------------------------------ Sonntag, 24.12. Er kannte niemanden, der Weihnachten mehr liebte als Makki und Toru. In diesen Tagen schienen sie immer mit leuchtenden Augen durch die Gegend zu wandeln und noch mehr kuscheln zu wollen als so schon. Mattsun hatte ihm mal anvertraut, dass Taka sehr schmusebedürftig war, wenn sie allein waren. Er war halt auch mehr so der Macker, der sein Image als harter Typ pflegte, aber eigentlich ein ganz lieber war. Den Eindruck hatte er – seit sie zusammenwohnten – immer mehr gewonnen. Von seinem Freund wiederum wusste er ja schon vorher, dass er verschmust war, nur bis vergangenen Sommer eben nicht bei ihm. Jetzt wo das Jahr fast vorüber war, wurde Iwa erst klar, was sich alles für ihn verändert hatte. Das war eins seiner aufregendsten Jahre bisher. Dabei war es bis April noch so entspannt gewesen, dann die Beziehung mit Kaori, der Streit mit Toru, seine Verletzung, die Versöhnung, das Aus mit Kaori, die verhängnisvolle Party, an die er sich in großen Teilen noch immer nicht erinnern konnte, Torus Geständnis, die Suche nach ihm, ihr Versuch, sich aufeinander einzulassen, der wunderschöne Sommer und Herbst, Torus Angebot, wo er nächste Woche den Vertrag unterschreiben würde und natürlich der Schlag. Der absolute Tiefpunkt. Nicht nur des Jahres, sondern auch sein persönlicher innerer Abgrund. Und das größte Glück, dass keiner der Menschen, denen er so sehr vertraute, ihn fallen gelassen hatte. Ihm war bewusst, was für ein Glück das war und es gab ihm noch mehr Mut, sich der Selbsthilfegruppe zu stellen. Und nach dem ersten Treffen war er recht positiv, dass er das doch packen könnte. „Iwa-chan, wie weit ist es denn noch?“, hauchte Oikawa neben ihm und holte ihn so aus seinen Gedanken. Das Ass schaute zu Oikawa, der von der Kälte gerötete Wangen und eine rote Stupsnase hatte. Wie süß er dadurch immer wirkte … „Jetzt sei nicht so ungeduldig, Shittykawa", brummte er dennoch zurück, denn er hatte das Gefühl, schon wieder etwas viel zu kitschiges mit Mattsuns Hilfe geplant zu haben. Wenn er allein an Makkis breit grinsendes Gesicht dachte! Aber genau deswegen war sich das Ass so sicher, dass es seinem Freund gefallen würde. Und da sie erst die Tage über ihr Kennenlernen gesprochen hatten, war er umso mehr überzeugt von der Idee. Trotzdem. Dieser ganze Kitschkram klang so gar nicht nach ihm. Bei Kaori hatte er auch nie so übertrieben, also sollte er das nächste Jahr lieber wieder etwas zurückfahren, damit es nicht noch andere Ausmaße annahm. Sofort hatte er wieder Mattsuns Worte im Ohr, dass er sich für ihn verbog. Das wollte er auf keinen Fall. Sie hatten sich noch über verschiedene Dinge unterhalten, während Iwaizumi seinen Freund entspannt durch die Straßen führte. Eine knappe halbe Stunde brauchten sie, bis sie am Ort des Geschehens angekommen waren. „Ein See?“, hakte Toru überrascht nach und löste sich von ihm, lief ein paar Schritte vor zu dem Wasser, dass dunkelblau vor ihnen lag und den wolkenverhangenen Nachthimmel spiegelte. Es war bereits dunkel und die Straßenbeleuchtung an, die zwar den Weg gut erhellte, aber alles abseits doppelt so gruselig wirken ließ. Das Ass wusste, dass Oikawa solche Dinge nicht gefielen, aber der See war nun mal von einem Park umgeben, das hatte er nicht beeinflussen können. „Aber du willst doch nicht hier picknicken, oder so? Dafür ist es viel zu kalt, Iwa-chan!“ Der Setter drehte sich wieder halb zu ihm und er hob ungläubig eine Augenbraue. Wie konnte der Trottel ernsthaft denken, dass er mit ihm hier picknicken wollte? Es war Ende Dezember und sie trugen dicke Mäntel, damit sie nicht froren, also kam so etwas überhaupt nicht in Frage. Manchmal kam er wirklich auf seltsame Ideen … „Quatsch! Du solltest vielleicht eine Mütze aufsetzen, wenn du so einen Unsinn redest“, erwiderte er kopfschüttelnd und nahm Torus Hand, um ihn am See herumzuführen. „Ich hab meine Mütze zu Hause vergessen! Kein Wunder, dass mir so kalt ist!“ Erschrocken schauten ihn braune Augen an und reflexartig patschte der Setter mit einer Hand auf die violetten Haare. Wie Iwaizumi schon die ganze Zeit bemerkt hatte, war da aber keine Mütze. Dieser Schussel. Aber da er nichts gesagt hatte, ging er davon aus, dass ihm nicht kalt war. „Dann nimm meine, wenn dir so kalt ist“, murmelte das Ass und holte eine dunkelgrüne, dicke Mütze aus seiner Manteltasche. „Aber dann frierst du nachher. Immerhin hast du doch viel kürzere Haare als ich“, bemerkte Oikawa besorgt und Iwa zog sie ihm mit den Worten: „Red keinen Unsinn, Assikawa!“ über den Kopf bis zur Nase. „He-hey! Ich seh nix mehr!“ Irritiert blieb der Setter stehen und richtete sie, bis sie gut saß und schaute lächelnd zu ihm rüber. „Danke Iwa-chan!“ Er hakte sich erneut bei ihm ein und kuschelte, als das Ass kurz den Blick schweifen ließ und den Zielort fand. Es war ein Steg, der nur schwach beleuchtet war und als er darauf zusteuerte, spürte er, wie unwohl sich sein Freund gerade fühlte. „Was hast du denn jetzt vor? Da liegt doch nur ein Ruderboot …“ „Gut erkannt und genau da will ich hin.“ „Du willst auf den See?“, hakte Toru verwirrt nach und Iwa nickte nur. Hatte er etwa vergessen, dass es mitten in dem See eine kleine Insel mit einem Häuschen gab? Wenn ja, dann würde seine Überraschung noch besser werden. Zum Glück hatte er den Vermieter noch erreicht und dieser ihm das Haus bis übermorgen zur Verfügung gestellt. Dass man das mieten konnte, war nämlich nicht übermäßig bekannt. Das Ass wusste das auch nur, weil Mattsun es mal gemietet und Makki so davon geschwärmt hatte. Woher er das allerdings gewusst hatte, wusste auch er nicht, war ihm aber auch egal. Wichtig war, dass das Glück mitgespielt hatte und ihm das hier ermöglichte. „Vorsichtig", murmelte Hajime, als er Toru auf das Boot half. Es lagen insgesamt vier Decken dort. Zwei dienten dazu, sich draufzusetzen und mit den anderen beiden deckten sie sich zu. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schaute sich der Setter um, während er selbst seine Handschuhe anzog und die Ruder in die Hand nahm. „Es ist ganz schön dunkel hier …“ Das Lächeln schwand etwas und wich einer Sorgenfalte. Immer wieder sah sich Oikawa um und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Es dauerte nicht lange, bis er die kleine Insel entdeckte, da eine Lampe am Steg leuchtete. „Iwa-chan? Verbringen wir Weihnachten auf einer kleinen Insel in einem superkuscheligen Haus?“, wollte Toru wissen und sein Gesichtsausdruck wurde deutlich glücklicher. „Ist es superkuschelig?“, stellte er die Gegenfrage und sein Gegenüber nickte eifrig. „Makki hat mir alles darüber erzählt! Es gibt ein großes, gemütliches Wohnzimmer mit Kunstfellen auf dem Boden, einem großen Kamin und zwei Sofas davor. Auf den riesigen Sofas soll es viele Decken und Kissen geben! Im ersten Stock ist das Schlafzimmer mit Himmelbett und der Balkon ist komplett verglast, sodass man auch bei eisiger Kälte einen tollen Ausblick hat! Und es gibt da einen Whirlpool im Bad mit Bodenfenstern, sodass man auf den See hinausschauen kann!“ Iwaizumi schmunzelte, als sein Freund aus dem Schwärmen gar nicht mehr herauskam und für einen Moment all die Sorgen zu vergessen schien. Da war nur das Funkeln in den Augen. Er hatte diesen Ausdruck so vermisst und ohne es zu merken, hörte das Ass auf zu rudern. Das Wasser plätscherte leise gegen das Holzboot und entfernt war das Zwitschern von Vögeln zu hören. Keine Autos, keine Gespräche, nichts. Einfach nur Ruhe. „Iwa, sieh nur!“ Toru schaute nach oben und zwischen den Wolken kämpfte sich der Mond hervor. Die Wasseroberfläche spiegelte ihn und es wurde heller. Wenn Hajime nicht wüsste, dass es noch keine 20 Uhr war, hätte es auch 3 Uhr nachts sein können. „Schade, dass man wegen dem ganzen Licht die Sterne nicht sehen kann", hauchte der Setter und ließ den Blick schweifen. Kleine Wölkchen bildeten sich vor seinem Gesicht, wenn er ausatmete und das Ass schaffte es einfach nicht, sich von dem Anblick zu lösen. Sein Freund schaute ihm plötzlich in die Augen und wollte etwas sagen, doch er schwieg. Sie sahen sich einfach nur an – eingehüllt von der Ruhe und des Lichts des Mondes – und die Zeit stand still. Keiner sagte etwas und Iwaizumi hatte keine Ahnung, wie lange sie dort verharrten und den Augenblick hinauszögerten, doch plötzlich klingelte Torus Smartphone und vor Schreck zuckten sie beide zusammen. Oikawa stammelte irgendwas, was er nicht verstand, als er nach dem Unruhestifter suchte und Iwaizumi begann wieder zu rudern. Es wurde ja auch langsam kalt und die Aussicht auf einen warmen Kamin war sehr verlockend. „Hallo Hodaka, hier Toru! Was gibt es?“ Wie? Wurde Ihnen dieser Moment ausgerechnet von Hodaka kaputt gemacht? Warum meldete er sich jetzt? Konnte er seinen Freund nicht mal ein paar Tage in Ruhe lassen? Ein Grummeln machte sich in seinem Magen breit und das hatte nichts mit Hunger zu tun. Es war wie die SMS, als er mit Kuro ein Bier trinken war. Da hatte der Violetthaarige ihm gesagt, dass er bei Hodaka übernachten würde und ihm war ja irgendwo klar, dass das nichts gelaufen war, aber es blieb ein fader Beigeschmack. Das konnte er nicht abstreiten. Er war ja froh, dass der quirlige Verkäufer für seinen Setter da war und ihm geholfen hatte, als er es nicht konnte, aber sie hatten schon ziemlich viel Kontakt. Bestimmt telefonierten sie zwei Mal die Woche, abgesehen davon, dass sie jeden Tag miteinander schrieben, so wie er es mitbekam. Natürlich war das in letzter Zeit wichtig gewesen, da Hodaka mit seiner Familie große Probleme hatte – auch wenn er nicht ganz genau wusste, worum es ging –, das verstand er. Doch nahm das nicht langsam Überhand? „Iwa-chan? Hey Iwa-chan!“ „Hm, was gibt es?“, brummte er zurück und Toru musterte ihn kurz eindringlich und meinte dann: „Du wirktest so tief in Gedanken versunken … Liebe Grüße von Hodaka! Er wünscht uns frohe Weihnachten.“ Der Setter lächelte ihn an, doch ihm war nicht so danach. Irgendwie hatte der Anruf gerade seine Stimmung runtergerissen und er war noch nie gut darin gewesen, dass zu verbergen. „Ich hoffe, du hast ihn zurückgegrüßt …“ „Ja, habe ich, aber du … Du hast ein Problem, oder? Mit Hodaka?“ Volltreffer. Das hatte er wohl, dabei war ihm nicht einmal klar, wo genau das lag. Immerhin hatte der Blondschopf ihm auch nachgesehen, dass er Toru geschlagen hatte und sich um ihn gekümmert. Auch schon vor dem Schlag war er für den Setter da gewesen, als er noch nichts von Torus Liebe gewusst hatte. Scheiße, war Hodaka sein Nachfolger als bester Freund? Die Frage brannte sich in seinem Kopf fest und er hatte ganz vergessen, dass Oikawa ihm eine Frage gestellt hatte. Dieser ließ ihn das wohl durchgehen, denn sie schwiegen den Rest des Weges. Es dauerte auch nicht mehr lang, bis sie den Steg erreicht hatten und vorsichtig half er seinem Freund, aus dem wackeligen Boot zu steigen. Er folgte ihm und vertäute es sicher an einem Pfahl. Schließlich mussten sie ja in ein paar Tagen auch wieder zurückkehren. „Iwa … Ich möchte nicht mit schlechter Laune das Haus betreten. Sag mir bitte, was los ist“, forderte Toru und blieb einfach am Steg stehen. Die Holzdielen unter ihnen waren recht neu, aber nicht sonderlich breit, weshalb er nicht einfach an ihm vorbeigehen konnte. „Ach, ich weiß nicht. Irgendwie hat Hodaka den Moment versaut und du hast schon echt viel Kontakt mit ihm. Ich meine, ihr schreibt doch jeden Tag miteinander, oder?“ „Du bist eifersüchtig?“ Überrascht weiteten sich die braunen Augen und Iwaizumi schnaubte. War er das? Vielleicht … Ein bisschen. Immerhin waren sie doch auch mal beste Freunde gewesen und dann war alles irgendwie ganz anders. Und jetzt nach dem Schlag … Jetzt war alles seltsam. Es war, als hätte er in dieser Sekunde sein Selbstbewusstsein verloren, seine Leichtigkeit, seine Legitimität. „Ich bin einfach unsicher, was ich davon halten soll“, brummte Iwa leicht genervt und schob unbewusst die Unterlippe vor. Verdammte Scheiße, es sollte doch eine tolle Überraschung mit guter Laune und viel kuscheln werden. Ein Ausflug, wo sie wieder näher zueinanderfanden und sich von den Aufregungen der letzten Wochen erholen konnte. Und jetzt stand er hier auf dem Steg mit schlechter Laune und würde am liebsten wieder zurückrudern und nach Hause fahren. Fuck! Es war Heiligabend und Toru hatte sich so lange darauf gefreut und er hatte ihm noch gar nicht sein Geschenk überreicht. „Schau bitte nicht so böse, Schatz. Das gibt nur Falten, hm? Wir schaffen das gemeinsam und ich bin dankbar, dass du mit mir darüber redest. Wir werden bestimmt eine Lösung dafür finden, aber bitte glaub mir, Hajime. Ich liebe dich – nur dich. Es gibt keinen anderen für mich“, versicherte Toru mit einer Ernsthaftigkeit, dass Iwaizumi nur nicken konnte. Um ihn endgültig davon zu überzeugen, wurde er am Kragen enger gezogen und in einen innigen Kuss verwickelt. Das Ass ließ sich fallen, legte eine Hand in den Nacken, den anderen Arm schlang er um die Taille und hielt seinen Freund so eng bei sich. Seine eigene Unsicherheit trieb ihn in den Wahnsinn und er war froh, dass Oikawa ihm mit solch einer Liebe und Fürsorge begegnete, dass er seine Wunden lecken konnte. Dabei musste der Setter das doch auch tun! Sie lösten den Kuss, doch er war noch nicht bereit, ihn loszulassen. Er vergrub sein Gesicht zwischen Schal und Mantel und schloss die Augen. Arme legten sich um ihn, streichelten über seinen Rücken und Hinterkopf. Es waren hauchzarte Bewegungen, die er durch die ganze Kleidung spürte und er bekam eine Gänsehaut. „Lass uns reingehen und in Ruhe reden, hm?“, flüsterte der Violetthaarige irgendwann und etwas widerwillig löste sich das Ass von seinem Freund. „Toru, lass uns diesen Ausflug einfach genießen, okay? Es tut mir leid, dass ich den Anfang so versaut habe, aber ich wollte, dass das hier unsere kleine Insel ist. Ohne Sorgen oder Probleme … Verzeih mir.“ „Iwa-chan“, sagte Oikawa in ungewöhnlich strengem Tonfall und durchbohrte ihn fast mit seinen Augen, als er fortfuhr: „Du musst dich nicht entschuldigen. Und es ist okay, wenn du jetzt nicht reden möchtest, aber lass uns das wieder zu Hause machen, ja? Ich möchte, dass wir an einem Strang ziehen und wenn du da ein blödes Gefühl hast, dann klären wir das. Doch jetzt kannst du mir erst einmal in Ruhe deine Überraschung zeigen, ja? Mir wird nämlich auch etwas kalt.“ „Womit hab ich dich nur verdient?“, entgegnete Iwa murmelnd und Toru zwinkerte ihm zu. „Na komm, gehen wir rein!“ Sein Freund wurde übermütig, gab ihm einen Klaps auf den Hintern und lief kichernd in Richtung Haustür vor. Kapitel 39: Hajimes Geschenk ---------------------------- Sonntag, 24.12. / Montag, 25.12. Das dunkelgrüne Sofa vor dem sandsteinfarbenen Kamin war wirklich groß und mit all den grünen und beigen Kissen und Decken so flauschig, dass Toru für sich beschloss, die nächsten Tage lieber gar nicht aufzustehen. Dafür war das hier viel zu bequem, wie er sich eingerichtet hatte. Sein Freund war gerade kurz in der Küche, um Essen und Trinken zu holen, sodass er einen Moment lang seinen Gedanken nachhängen konnte. Was es wohl gab? Er war so gespannt – ob Iwa selbst gekocht hatte? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen! – und hatte auch ziemlichen Hunger. Das Mittagessen mit Makki und Mattsun war ja schon ein paar Stunden her. Seine Gedanken wanderten zu vorhin, als sie draußen gestanden hatten. Es war wirklich ein blödes Timing von Hodaka gewesen, aber er hatte Iwa und ihm nur frohe Weihnachten wünschen wollen. Trotzdem konnte der Setter verstehen, dass sein Freund da etwas zickig reagiert hatte. Es war ja auch super süß von ihm, dass das hier – im wahrsten Sinne – ihre kleine Insel sein sollte, wo sie zur Ruhe kommen konnten, aber er dachte jetzt schon darüber nach! Denn ihn beschlich das Gefühl, dass Iwaizumis Reaktion mehr zu bedeuten hatte. Dabei konnte er das nicht mal genauer beschreiben oder so, es war nur eine Ahnung. Ach Mann, so würde er den Ausflug doch nicht genießen können … Er musste mit Hajime reden. Es half ja alles nichts, denn dieses Haus war viel zu schön, um sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen. Das Wohnzimmer war gefühlt so groß wie ihre halbe Wohnung und in beigen und grünen Tönen gehalten. Goldene Bilderrahmen, Kerzenleuchter, Vasen und andere Dekoelemente passten hervorragend und unterstrichen das warme Ambiente. Das teilweise dunkle Grün der Decken und anderer Dinge erinnerte ihn irgendwie an Slytherin, was ihn breit grinsen ließ. Er wäre in Hogwarts auf jeden Fall in Slytherin gesteckt worden, während Iwa-chan bestimmt in Gryffindor gelandet wäre. Schließlich war das Ass so mutig und selbstbewusst, dass das perfekt passen würde. Er hatte auch das Herz am rechten Fleck. Er selbst hingegen konnte hinterlistig werden, wenn es drauf ankam und von daher blieb nur ein Haus übrig. Es war zwar ungewohnt, aber in diesem Raum gab es auch keinen Fernseher. Eine sehr moderne Stereoanlage hatte er schon entdeckt, aber wenn es hier einen Fernseher gab, dann in einem anderen Raum. Doch das störte ihn nicht wirklich. Hajime würde ihn sicherlich noch genug unterhalten gleich, da brauchte er nichts anderes. Als würde Iwa Gedanken lesen, betrat er in diesem Moment wieder das Wohnzimmer. In den Händen hatte er ein großes Tablett, dass er auf dem gläsernen Couchtisch mit dunkelgrünem Deckchen darauf abstellte. Auf mehreren Tellern waren Sushi, andere Kleinigkeiten und in zwei Tassen grüner Tee. Uhh, Tee war eine großartige Idee bei der angenehmen Stimmung hier. „Iwa-chan!“ Fröhlich grinste er ihn an, hob die Decke an und öffnete die Arme. Schmunzelnd legte sich das Ass zu ihm und kuschelte seinen Kopf an seinen Oberkörper. Sie entspannten so einen Moment und lauschten dem Knistern des Feuers. Dieses Mal war er es, der seinen Freund über den Rücken streichelte. Sonst lagen sie fast immer andersherum. Hoffentlich konnte er ihm so zeigen, wie sehr er ihn liebte. Und trotzdem musste er das Thema jetzt noch mal ansprechen. Damit der Urlaub schön weitergehen konnte. „Ich weiß, du wolltest jetzt nicht reden, aber du kennst mich –“ „Schatz …“, murrte das Ass gegen seine Brust, doch er ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Ich werde die ganze Zeit darüber nachdenken müssen, deswegen lass uns das jetzt kurz klären, okay? Ich will doch auch keinen Streit … Aber ich möchte das hier auch richtig genießen können, wo du dir so viel Mühe gegeben hast. … Wenn du möchtest, werde ich nicht mehr so viel Kontakt mit Hodaka haben. Wäre das ein Deal?“ Kurz seufzend setzte sich Iwaizumi auf, die Unzufriedenheit war ihm deutlich anzusehen, aber er musste jetzt hart bleiben. Also richtete er sich ebenfalls auf und schaute ihm in die Augen. Vorsichtig nahm er eine Hand in seine und sagte: „Ich möchte nur, dass wir beide hier das schönste Weihnachten verbringen können. Das möchtest du doch auch, oder?“ „Natürlich möchte ich das. Deswegen habe ich das ja alles geplant. Es ist halt nur, dass … Ich bin froh, dass Hodaka sich so gut um dich kümmert, wenn ich es nicht kann. Das hat mich in den letzten Monaten oft beruhigt, aber … Ach, ich weiß auch nicht.“ „Aber was? Sag es mir bitte, Hajime. Was denkst du?“ Sein Freund strich sich mit der freien Hand durch die Haare und seufzte. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen und Oikawa gab ihm die Zeit, sich zu sortieren. „Aber irgendwie fühle ich mich ersetzt. Ich meine, wir sind jetzt ein Paar und es gibt bestimmt Themen, die du lieber mit jemand anderem besprechen möchtest als mit mir und das ist vollkommen ok. Geht mir ja nicht anders, aber bisher war halt immer ich dein Ansprechpartner, egal um was es ging. Doch nun ist das Hodaka und ich tu mich schwer damit, dass sich unsere Rollen so verändert haben.“ Einen Augenblick ließ Toru die Worte sacken, wollte nicht vorschnell etwas sagen, was er nachher bereute. Er hatte aus dem Gespräch nach dem überraschenden Besuch von Kana gelernt. Sein Freund fühlte sich ersetzt. Weil sie mehr waren als beste Freunde. In seinen Glücksgefühlen, dass Iwa ihn nach seinem Geständnis nicht abgewiesen hatte, hatte er sich darüber bisher gar keine Gedanken gemacht. Dennoch konnte er das irgendwie nachvollziehen. Hajime hatte einen ausgeprägten Beschützerinstinkt bei ihm und wenn er Hilfe brauchte, war er da gewesen. Doch jetzt, wo sie ein Paar waren, hatte sich die Lage verändert. Dann hatte er ihm auch noch wehgetan und war dementsprechend nicht in der Lage gewesen, ihm zu helfen – für ihn da zu sein. „Ich glaube dir, dass das eine große Veränderung ist. Erst recht nach so vielen Jahren … Aber du wirst immer der wichtigste Mensch in meinem Leben sein, Hajime. Es ist auch so viel passiert im letzten Jahr. So viele Umbrüche, das ist nicht leicht, hm?“ Liebevoll strich er über den Handrücken und spürte, dass die Innenseite leicht schwitzig wurde. So unangenehm war es ihm? Es musste doch eine Lösung geben. Vielleicht … Da von seinem Freund noch keine Reaktion gekommen war, redete der Setter einfach weiter: „Was hältst du davon, wenn wir beide uns mit Hodaka treffen und darüber sprechen? Damit es in Zukunft keine Missverständnisse gibt und er auch Bescheid weiß …“ Ihm war klar, dass er da sehr viel von Iwaizumi verlangte. Die Therapie hatte gerade erst begonnen und Iwa würde nie der Mensch sein, der mit anderen über seine tiefgehenden Gefühle sprechen würde. Sein Blick, den er zwischenzeitlich auf die Hand zwischen seinen Händen gerichtet hatte, wanderte erneut hoch zum Gesicht seines Freundes und er konnte zusehen, wie das Ass innerlich mit sich haderte, das für und wider abwog. „Toru, gib mir einfach bitte noch etwas Zeit, okay? Ich werde mich mit der Situation arrangieren können. Es war wahrscheinlich einfach alles etwas viel in letzter Zeit. Wie du schon sagtest …“, murmelte er und der Violetthaarige spürte einen kleinen Stich. Doch das war ihm gegenüber nicht fair. Er musste ihm die Zeit geben, die er noch brauchte. Seine Lage war immerhin fast noch schlimmer, wo Hajime noch nie als böser Mann von anderen angesehen worden war. Das war eine völlig neue Situation für ihn und mit dem Schamgefühl bestimmt sehr schwer für ihn. Plötzlich räusperte sich das Ass leise. Überrascht schüttelte er kurz den Kopf, um die Gedanken loszuwerden und hing ihm förmlich an den Lippen. „Aber ähm … Es … Ich würde“, stammelte Iwaizumi und seufzte genervt auf. Er raufte sich die Haare erneut und atmete tief durch. „Ich weiß, das ist nicht fair, aber … könntest du vielleicht wirklich etwas weniger mit Hodaka schreiben und telefonieren? Ich meine, wenn es wichtig –“ „Klar, wenn du das möchtest, werde ich das reduzieren“, antwortete Toru lächelnd und zog seinen Freund an sich, schlang ihm die Arme um den Nacken und setzte sich auf seinen Schoß. In den nächsten zwei Wochen würde er eh kaum zum Schreiben kommen, da er hier mit Iwa nicht die ganze Zeit am Handy hängen wollte, danach war aufräumen und putzen angesagt, die Vertragsunterschrift – er war schon so nervös! – und Neujahr bei ihren Eltern in Miyagi. Da würde er wahrscheinlich fast gar keine Zeit fürs Smartphone haben. Und danach würde er mit Hodaka reden und das reduzieren. Das würde sicherlich kein Problem darstellen. Jetzt aber, wo das geklärt war, wollte sich der Setter ganz dem Urlaub widmen und er hatte auch schon eine Idee, wie er seinen Freund dazu bekam. „Danke, dass du mit mir gesprochen hast, Schatz. Ich weiß das wirklich zu schätzen.“ Liebevoll lächelnd legte er seine Hände auf die leicht erröteten Wangen und er verwickelte die Lippen in einen unschuldigen, sanften Kuss, den sie beide genossen. Die erste Ablenkung dürfte damit schon geglückt sein, doch er hatte noch eine zweite Idee, die er unbedingt umsetzen wollte. Etwas widerwillig löste sich der Setter etwas von seinem Freund und griff nach einem Sushi, ohne aufzustehen. „Mund auf, Iwa-chan!“, rief er vergnügt und hielt ihm grinsend das Stück vor den Mund. „Aber To –“ Weiter kam er nicht, da hatte er schon das Essen zwischen den Zähnen und war mit Kauen beschäftigt. Zufrieden griff er nach einem zweiten, welches er sich selbst schmecken ließ und kuschelte sich an seinen Freund, drängte ihn förmlich dazu, sich mit dem Rücken an das Rückenteil zu lehnen. Iwa tat ihm den Gefallen und er machte es sich auf ihm bequem. Sofort begann das Ass ihn zu streicheln und Toru schnurrte leise zufrieden wie ein Kater. Leise murrend spürte der Setter eine Hand an seiner Wange und reflexartig kuschelte er sich an. „Guten Morgen, du Schlafmütze“, hauchte Hajime nah an sein Ohr und küsste ihn sanft. Sofort erwiderte er, griff in das Schlaftop seines Freundes und zog ihn zu sich runter. Etwas ungelenk landete das Ass halb auf ihm und er wollte sich nicht ganz auf ihn legen, doch Toru wollte ihn nah bei sich haben und zwang ihn sich fallen zu lassen. Die letzte Nacht war der Hammer gewesen. Sein Kopf kam während des Kusses langsam wieder in Gang und Erinnerungen durchzuckten seine Gedanken. Sie hatten nach dem Essen noch lange gekuschelt und gequatscht und die ruhige Atmosphäre vor dem Kamin genossen, doch irgendwann war die Stimmung gekippt und sie waren beinahe hungrig übereinander hergefallen. Sie hatten sogar zwei Mal Sex gehabt und verdammt, es war wirklich heiß gewesen! Allein bei den Erinnerungen bekam er warme Ohren. Zumal Iwa sich auch wieder mehr hatte gehenlassen, was das ganze für ihn noch befriedigender gemacht hatte. Aber Oikawa musste jetzt an andere Dinge denken, bevor er direkt wieder scharf wurde. „Weißt du, was uns hier fehlt, Iwa-chan?“, fragte er leise und sein Freund erhob sich jetzt doch etwas, um ihn anschauen zu können. Noch immer verschlafen öffnete er blinzelnd die Augen und blickte in die von der Sonne angestrahlten Smaragde. Kurz wanderten seine Augen zu den bodentiefen Fenstern und er bemerkte den blauen Himmel. Es schien ein wundervoller Tag zu werden. „Nein, was denn?“, erkundigte sich das Ass neugierig und zog sofort wieder seine Aufmerksamkeit auf sich. „Na, ein Butler! Damit wir gar nicht mehr aufstehen müssen …“ „Du bist echt unmöglich, Assikawa“, brummte sein Freund und schüttelte grinsend den Kopf. Aber es war doch so! Und er hatte auch nach letzter Nacht etwas Bedenken, sich zu bewegen … Ganz vielleicht hatten sie doch etwas in ihrer Lust übertrieben. Trotzdem. Er hatte es so sehr genossen und bereute nichts. Ein heißeres Weihnachten hatte er noch nie erlebt. „Ah!“ „Was ist!?“ Iwa schaute ihn besorgt an und Toru war sich sicher, dass seine Augen Unterteller groß waren. „Ich hab dir noch gar nicht mein Geschenk gegeben!“ „Ich dir meins doch auch noch nicht. Wir machen das ganz in Ruhe heute, hm?“, hauchte Iwaizumi und gab ihm noch einen Kuss, setzte sich dann leider auf und meinte: „Was hältst du davon, wenn wir den Whirlpool ausprobieren, hm? Danach was frühstücken und dann schauen wir mal wegen der Geschenke. Ist das ein Plan?“ „Das klingt großartig!“, stimmte Toru zu und grinste ihn an. Sein Freund war der fürsorglichste Mensch, den er kannte und während das Ass das Wasser im Bad einließ, blieb er noch etwas liegen und entspannte auf diesem traumhaft weichem Bett, in dem er so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen hatte. Hajime schien der Ausflug auch gut zu tun, er wirkte jedenfalls besser drauf als in den letzten Wochen. Vielleicht war es das, was sie gebraucht hatten. Eine kleine Auszeit, damit sie sich auf sich selbst und ihre innige Verbindung konzentrieren konnten, die sie trotz allem hatten. Bedächtig wollte Toru aufstehen, doch ein Schmerz durchzuckte seinen Hintern. Mist, er hatte es doch befürchtet! Da waren sie etwas übereifrig gewesen. Und dennoch würde er das jedes Mal genauso tun! Das war einfach viel zu gut gewesen, aber wie sollte er es jetzt ins Bad schaffen? Missmutig schaute er zur Badtür, die er vom Bett aus im Flur erkennen konnte. Womit er wieder beim Butler wäre, der ihn hätte tragen können. Sowas Blödes! Ein paar Minuten später kehrte Iwaizumi ins Schlafzimmer zurück und musterte ihn grinsend. „Willst du nicht baden? Das Wasser ist soweit.“ „Natürlich will ich das, aber du hast meinen Hintern letzte Nacht sehr beansprucht! Nicht, dass mir das nicht gefallen hätte … Aber aufstehen will ich gerade wirklich nicht“, entgegnete Toru und obwohl er wahrscheinlich etwas zickig klang, konnte er das versaute Grinsen nicht ganz lassen. „Habe ich dir wehgetan?“ Geradezu erschrocken schaute das Ass ihn an und er schüttelte schnell den Kopf. „Nein nein, keine Sorge. Aber wir hatten noch nie zwei Mal hintereinander Sex. Das ist alles, versprochen.“ Normalerweise hätte er ihn weiter breit angegrinst, aber Iwa hätte das bestimmt falsch verstanden und deswegen lächelte er nur leicht, damit sein Freund ihm auch glaubte. Er hatte einen sehr guten Blick für seine verschiedenen Lächelarten, da musste er aufpassen. „Okay, sonst musst du es mir sagen …“, brummte Angesprochener und kam zu ihm. Behutsam schob er seine Arme unter seine Kniekehlen und den oberen Rücken und nahm ihn vorsichtig hoch. „Dann musst du jetzt eben mit Hose baden, Schatz.“ Die Stimme des Braunhaarigen klang etwas zu vergnügt für seinen Geschmack, doch kaum dass er sanft in das warme, sprudelnde Wasser gelegt wurde, entkam ihm ein wohliges Seufzen. Himmel, das war traumhaft. Warum konnte er sowas nicht jeden Morgen haben? Gab es denn etwas Besseres, als vom Bett auf Händen vom Liebsten in den Whirlpool getragen zu werden? „Wow, so zufrieden sieht man dich um die Uhrzeit auch selten“, gluckste die freche Stimme von der Seite und Toru öffnete ein Auge und musterte seinen grinsenden Freund kurz. „Ich wäre noch zufriedener, wenn du einfach mal die Klappe halten könntest“, entgegnete er schnippisch und zog theatralisch die Nase hoch. Zum Glück verstand das Ass seinen Spaß und kicherte gut gelaunt. Also schloss er das Auge wieder, kuschelte sich an Hajime und genoss die Luftblasen, die seinen Körper massierten. Das war alles so herrlich. Ihm war gar nicht klar, wie lange er da vor sich hindöste, als es heller wurde. Beinahe widerwillig öffnete der Setter die Augen etwas und bemerkte, dass die Außenjalousie hochfuhr. „Wow, was für eine Aussicht!“ Sofort war er hellwach und schwamm zur Fensterfront. Draußen war noch ein gut gepflegter Garten mit Blumenbeeten und einem Mini Pavillon – dahinter der große See. In einiger Entfernung war noch das Ufer mit der hohen Böschung zu erkennen. „Hammer, oder? Ich habe das vorhin genossen, als ich das Wasser angemacht habe. Echt cool!“ Der Braunhaarige grinste breit und Toru nickte wild. „Supercool!“ Und als wäre die Aussicht nicht schon toll genug, näherte sich sein Freund und frech, wie er war, legte er sich ungeniert auf ihn drauf. An seinem ganzen Rücken spürte er den muskulösen Körper und sofort durchzuckten ihn wieder Erinnerungen von letzter Nacht. Verdammt, er musste sich beherrschen. Sein Hintern war noch lädiert genug. „Aber weißt du, was noch cooler ist?“, raunte Iwaizumi in sein Ohr und Toru unterdrückte das Keuchen. Dieser Mann trieb ihn in den Wahnsinn! „Nein“, murmelte er konzentriert und entdeckte vor sich zwei sehr bekannte Hände, die ein ungefähr handgroßes, etwas unsauber eingepacktes Geschenk hielten. „Frohe Weihnachten, Schatz.“ „Ah, mein Geschenk?“, fragte Oikawa aufgeregt und nahm es vorsichtig in die Hand. Mit der Unterlippe zwischen den Zähnen packte er es aus, achtete dabei darauf, dass es nicht noch nasser wurde. Das Papier war an den Stellen, wo ihre Finger es berührt hatten, schon feucht. Und dann war da auch noch der heißeste Typ der Welt auf ihm. Wie sollte er sich denn da konzentrieren? So dauerte das Auspacken etwas länger als üblich und seine Augen funkelten bestimmt gerade, als er die Schatulle entdeckte. „Schmuck?“, fragte er und eine Hand fasste sofort an den Volleyballkettenanhänger, den er nach wie vor trug. Iwas Geschenk der Freundschaft. Neben dem Volleyball von seinem Papa sein wichtigster Besitz. „Sieh nach“, hauchte Hajime und Toru erwiderte: „Du machst mich ganz wuschig, Iwa-chan!“ „Jetzt sag mir nicht, dass ich aufhören soll.“ „Auf keinen Fall!“ „Dachte ich mir.“ Das Grinsen war so deutlich aus der Stimme herauszuhören und der Violetthaarige bekam eine Gänsehaut. Neugierig öffnete er die Schatulle und schnappte kurz nach Luft. „Iwa-chan!“ „Gefällt es dir?“ „Das … Das ist … wunderschön!“ Bedächtig holte er den Anhänger heraus. Er war ungefähr 7x5 cm groß und aus Gold – also wahrscheinlich eher vergoldet. Und auf beiden Seiten waren Fotos. Auf der einen Seite war ein Foto der Geburtstagsfeier letzten Jahres, wo alle drauf waren. Er wusste noch genau, dass Makkis Mama heimlich ein paar Fotos gemacht hatte und er dachte so gern an diesen Tag zurück. Das war und wird immer der beste Geburtstag sein! Der Setter drehte den Anhänger um und auf der anderen Seite war ein Selfie von Hajime und ihm. Sie waren da am Strand und er erinnerte sich daran, wie sie im Spätsommer nochmal spontan für drei Tage ans Meer gefahren waren. Es war bestes Wetter gewesen und sie hatten eine super schöne Zeit gehabt. Dabei hatte er auch ein paar Fotos mit Iwa gemacht und eins davon hatte er offenbar ausgewählt. Sie sahen aber auch beide so glücklich aus. Eine tolle Wahl! „Das ist ein großartiges Geschenk, Iwa! Ich danke dir so sehr!“ „Das freut mich. Und am Schlüsselbund kannst du es immer bei dir tragen und weißt, dass wir da sind, falls du in deiner Karriere doch mal eine Niederlage wegstecken musst.“ „Meine Karriere … Ich werde wirklich in ein paar Tagen einen Vertrag bei den Tokyo Samurais unterschreiben. Ich kann das noch immer nicht fassen, Iwa-chan“, hauchte Toru und strich über den Anhänger. Es war der krönende Abschluss für ein unfassbar aufregendes Jahr. Und der Setter konnte es kaum erwarten, das nächste zu erleben. Kapitel 40: Torus Geschenk -------------------------- Montag, 25.12. / Donnerstag, 28.12. „Aber es ist die Wahrheit. Du wirst Setter der Tokyo Samurais und ich weiß, dass du ihr Bester werden wirst“, entgegnete Iwa gedämpft, weil er die angenehme Atmosphäre nicht ruinieren wollte. Er hatte es sich neben seinem Freund gemütlich gemacht und den Kopf auf die verschränkten Arme abgelegt. Es war ein wunderschöner Morgen, sehr entspannt und so ein Whirlpool am Morgen war verdammt cool. Daran könnte er sich definitiv gewöhnen. „Ja, ich werde allen beweisen, dass ich das Angebot zurecht bekommen habe“, antwortete Toru mit überzeugter Stimme und er musterte seinen Freund von der Seite her. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, der Blick aber war fest entschlossen. Das Ass verkniff sich jegliche Kommentare, dass er auf sich aufpassen und nicht übertreiben sollte, denn das würde die Stimmung ruinieren und wenn es hart auf hart kam, würde er wohl eh eine Weile gegen eine Wand reden. Das war ja nicht das erste Mal. So war der Violetthaarige eben, wenn er ein Ziel vor Augen hatte. Doch Iwaizumi beruhigte sich mit dem Gedanken, dass bei dem Verein nur Profis waren, auch was den Trainerstab anging. Sie würden ihm schon beibringen, wann er lieber eine Pause einlegen sollte. „Das wirst du“, murmelte Hajime leicht lächelnd und zog seinen Freund zu sich. Da der Setter noch seine Unterhose trug, wagte er es, ihn auf sich zu ziehen. Die Verlockung, es ihm zu besorgen, war dann wenigstens für einen Moment nicht ganz so extrem wie ohne sie. Zumindest redete er sich das ein. Die letzte Nacht war … äußerst befriedigend gewesen. Allein der Gedanke daran putschte ihn gefühlt schon wieder hoch. Doch das Ass würde sich beherrschen, denn offenbar hatte er Toru vorige Nacht schon etwas zu hart angefasst, wenn ihm sein Hintern schmerzte. Das war ja nun das letzte, was er wollte. „Ich liebe dich.“ Die gehauchte Stimme Oikawas holte ihn aus seinen Gedanken. Der Setter machte es sich auf ihm gemütlich, beugte sich runter und verwickelte ihn in einen sinnlichen, sanften Kuss. Sie ließen sich fallen, genossen die Zweisamkeit und den Whirlpool. Von diesem Morgen würde er sicherlich noch lange zehren. „Ich dich auch“, erwiderte er gegen die Lippen und hielt seinen Partner davon ab, ihn weiter zu begrabschen. „Schatz, dein Hintern tut noch weh …“ „Ach, der Whirlpool hat mich geheilt“, murmelte Toru grinsend und fing an, seinen Hals zu küssen. Diese Lippen … So zärtlich bewegten sie sich an seiner Haut und sie kribbelte an den Stellen, wo sein Freund sie berührte. Trotzdem wollte er jetzt keinen Sex haben, auch wenn sich sein Schatz Mühe gab. Dafür hatten sie später auch noch genug Zeit. „Ich glaube ja, du flunkerst, weil du so gierig bist. Lass uns aus dem Wasser und frühstücken, hm? Für alles andere haben wir auch noch später Zeit.“ „Spielverderber …“, brummte Oikawa gegen seinen Hals und Iwa kicherte. „Mann Toru, lass deinem Hintern doch wenigstens etwas Ruhe. Wir haben ja auch noch morgen früh“, erwiderte Hajime grinsend und sein Freund hob seinen Kopf, legte seine Hände auf seine Brust, als er ihn prüfend musterte. „Ich erinnere dich dran, Iwa-chan.“ „Ich bin gespannt darauf.“ Lächelnd gab er ihm einen Kuss und widerwillig verließen sie das Wasser. Sie hatten schon Schwimmhäute bekommen und das war das sichere Zeichen, dass sie raus sollten. Die Handtücher waren sicherlich aus einem Fünf Sterne Hotel, so flauschig wie die waren und in Ruhe trockneten sie sich ab, zogen dann Jogginghosen und Schlabber T-Shirts an. Iwaizumi beobachtete seinen Freund argwöhnisch, als dieser sich auf den Weg zur Treppe machte, um nach unten zur Küche zu gehen. Wie es schien, hatte das Baden seinem Hintern wirklich gutgetan, denn er lief halbwegs gut. Dennoch würde er da ein Auge drauf haben heute. Mit einem entspannten Tag auf dem Sofa sollte sich das hoffentlich wieder ganz beruhigen. Am Fuß der Treppe angekommen, schlenderte Oikawa aber nicht – wie erwartet – in die Küche, sondern ins Wohnzimmer, wo noch ihre Klamotten verstreut herumlagen. Sofort erinnerte sich das Ass an gestern Abend, als er seinen Freund auf dem Tiger Kunstfell vor dem Kamin abgelegt hatte. Mit einem Schal hatte er seine Hände über dem Kopf festgebunden und Toru sich geräkelt, ihn so um den Verstand gebracht. Vollkommen frei, weil sie auf einer kleinen Insel waren, hatten sie sich ihrer Lust hingegeben und der Setter ihn dazu gebracht, wieder dominanter zu sein. Nach seinem Schlag hatte er sich das nicht getraut, doch Toru hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er das wollte – dass es ihn anturnte. Und im Nachhinein bereute er nichts. Ihr Sex war so gut wie lange nicht mehr gewesen und wahrscheinlich hatten sie es deswegen auch so übertrieben. Iwaizumi schüttelte kurz den Kopf, um sich von den anregenden Gedanken zu lösen und beobachtete irritiert, wie Oikawa an seiner Jeans herumfummelte. Dabei hatte er doch schon eine Jogger an. „Was machst du da?“, fragte er daher neugierig und trat näher an ihn heran. „Na, dein Geschenk sicher an meinem Schlüsselbund befestigen! Und nach dem Frühstück kriegst du deins. Versprochen!“ Toru hielt ihm grinsend den Bund vor die Nase und das Foto der Geburtstagsfeier, für dass er sich entschieden hatte, drehte sich vor seinem Gesicht. Es war die wohl großartigste Geburtstagsfeier ihres bisherigen Lebens für sie. „Na da bin ich gespannt, was da auf mich zukommt“, meinte Hajime schmunzelnd und Toru zuckte kurz zusammen, als er sich wieder hinabbeugte, um die Hose ordentlich hinzulegen. Tat ihm der Hintern doch noch weh und er spielte ihm das nur vor? „Hey, brauchst du Hilfe?“ „Nein nein, alles gut. Nur der Hintern zickt etwas … Gehen wir in die Küche und dann schauen wir mal, was wir essen.“ Das schiefe Grinsen seines Freundes beruhigte ihn ein wenig und er legte ihm einen Arm um die Taille. „Hast du Angst um meinen Hintern?“, erkundigte sich der Violetthaarige glucksend und kuschelte sich eng an ihn, als sie durch das Wohnzimmer schlenderten. „Ja, aber nur um den. Der Rest ist mir egal“, konterte er frech und empfing sofort einen empörten Blick. Manchmal war Oikawa einfach so simpel zu ärgern. Doch dann begann er zu kichern und erwiderte: „Mich interessiert auch nur dein bestes Stück, Schatz. Der Rest ist austauschbar.“ „Ich glaube kaum, dass du eine andere Stimme oder Augen haben wollen würdest“, raunte er ihm ins Ohr und Toru klemmte sich die Unterlippe zwischen die Zähne. Ha! Hatte er ihn also doch durchschaut. Und er gestand ihm das sogar zu. „Der Punkt geht an dich, Schatz! Und jetzt lass uns was essen! Ich habe so Hunger.“ Ungeduldig wand er sich aus seiner Umarmung und tippelte zum Kühlschrank, linste neugierig hinein und murmelte leise vor sich hin. Iwa verstand kein Wort, aber schon nach ein paar Sekunden drehte sich der Setter erneut um und in der Hand ein Tablett mit allerlei verschiedenen Spezialitäten. „Wow, hast du sogar Mattsun vorkochen lassen? Das sieht ja wie ein Festmahl aus.“ „Er hat darauf bestanden, damit ich dich nicht vergifte“, verteidigte sich das Ass und erinnerte sich daran, wie er mit dem Schwarzhaarigen diskutiert hatte. Eigentlich hatte er nämlich vorgehabt, mit Isseis Hilfe selbst ein Festmahl zu kochen. Als er das Haus gemietet hatte, war Issei dabei gewesen und da Makki und er schon dort gewesen worden waren, wusste er, dass sie nicht mal so eben einkaufen gehen oder Essen bestellen konnten. Zwar hatte Iwaizumi versucht, seinen Kumpel davon zu überzeugen, dass er das mit ihm schaffen würde und er außerdem auch zwei, drei ganz einfache Gerichte zubereiten konnte, aber Issei war stur geblieben. „Na, da hab ich ja Glück gehabt, dass Mattsun noch sturer sein kann als du“, kicherte Toru vergnügt und schob ihn zurück zum Sofa, wo sie es sich gemütlich machten. Sie fütterten sich gegenseitig, was seinem Freund definitiv mehr Spaß machte als ihm und ließen es sich einfach gutgehen. Kurz hatte Toru ihre Ruhe gestört, als er zur Toilette gegangen war und es hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis der Setter wieder zurück war. In der Zwischenzeit hatte er kurz seine Nachrichten geprüft – kurz checken, ob etwas Wichtiges dabei war – und stutzte über eine Nummer, die ihn angeschrieben hatte. Nanu? Wer war das? Interessiert hatte er sie geöffnet und las die Nachricht: Sina: Hi, ich freue mich über deine Anfrage! Gern können wir einen Termin im neuen Jahr vereinbaren, um über einen möglichen Gitarrenunterricht zu sprechen. In der zweiten Januarwoche habe ich noch mehrere Termine frei. Melde dich gern mit Vorschlägen bei mir. Viele Grüße, Sina Ah, das war ja großartig! Dann würde er im neuen Jahr endlich das Geschenk der Mannschaft richtig einweihen können. Das war eine tolle Nachricht und so antwortete er ihr, dass er sich in den nächsten Tagen wegen eines genauen Termins bei ihr melden würde. „Was grinst du denn so, Schatz?“ Toru stand vor dem Sofa und beugte sich zu ihm runter, die Hände hinter dem Rücken versteckt. „Die Gitarrenlehrerin hat mir geantwortet, dass wir Anfang Januar einen Termin ausmachen können. Ich freue mich drauf, endlich eure Gitarre benutzen zu können. Dann spiele ich dir – wie versprochen – im Sommer am Strand was vor. Wie klingt das für dich?“ Hajime streckte ihm die Zunge heraus und die Augen seines Freundes begannen zu leuchten. „Das hört sich großartig an! Hoffentlich ist bald Sommer!“ „Ein bisschen wirst du dich da noch gedulden müssen, Schatz. … Aber mal was andere. Was hast du denn da hinter deinem Rücken?“, fragte das Ass neugierig und deutete auf die Hände, die ihm Toru einfach nicht zeigen wollte. „Finde es doch heraus, Schatz.“ Oikawa zwinkerte ihm zu und lief kichernd los, als er aufstand und grinsend rannte er dem Setter hinterher. Als ob er ihm ewig davonlaufen könnte! Das hatte er schon als Knirps öfters versucht und keinen Erfolg gehabt. Früher oder später bekam er ihn ja doch immer. So auch dieses Mal, als er ihm den Weg abschneiden konnte und Toru große Augen bekam, als er ihn halb anrempelte. Doch Iwaizumi hielt seinen Freund fest, küsste ihn innig, während seine Hände nach den Händen seines Freundes suchten und ihm das Geschenk aus den Händen nahm. „Hab ich dich“, murmelte Iwa gegen die Lippen und löste den Kuss wieder, da er doch wissen wollte, was der Setter sich für ihn ausgedacht hatte. Es waren auf jeden Fall zwei Geschenke, denn die eine Seite fühlte sich wie ein dünnes Buch oder so an und darauf war noch etwas anderes. In Gedanken bei dem Geschenk schlenderte er zum Sofa zurück, ohne weiter auf seinen Freund zu achten, der hinter ihm herdackelte, und ließ sich drauf fallen. Interessiert fummelte das Ass an dem Geschenkpapier herum. Im Gegensatz zu ihm beherrschte Toru die Kunst des Verpackens sehr gut und so wunderte es ihn nicht, dass er ein perfekt eingewickeltes Geschenk in den Händen hielt. Vorsichtig packte er es aus, während sich Oikawa nervös neben ihn setzte und unruhig darauf wartete, dass er endlich sah, was er sich für ihn überlegt hatte. Als erstes entdeckte das Ass eine bekannte Verpackung. Es war ein Herrenduft, den er früher von seinem Papa hin und wieder mal gemopst hatte, weil er den Duft mochte. Doch seit dem er ausgezogen war, hatte er einen anderen genutzt, der ihm ebenfalls gefiel. „Was für eine coole Idee! Das Parfum weckt Erinnerungen.“ Neugierig holte er die Glasflasche direkt heraus und roch an der Sprühdüse. Sofort musste er daran denken, wie er das heimlich im Badezimmer aufgetragen hatte und seine Mama das eines Tages schmunzelnd bemerkt hatte, als sie ihn umarmt hatte. Zwinkernd hatte sie versichert, dass sein Geheimnis bei ihr sicher wäre und gekichert, als sich sein Papa eines Abends darüber beschwert hatte, wie schnell das Parfum leer gewesen wäre. Er war der felsenfesten Meinung, dass er so viel gar nicht benutzt hätte und dass das gar nicht sein könne, doch Mama hatte ihn beschwichtigt, ohne ihn zu verpfeifen. Es war für Hajime ein weiterer Beweis gewesen, dass die Eltern belanglose Geheimnisse auch für sich behalten konnten. „Ja, oder? Und ich finde noch immer, dass er dich am trifft.“ „Ach? Findest du?“ „Ja! Weißt du noch, als du Anfang der Oberschule ein Date mit einem Mädchen eine Stufe unter uns hattest? Du warst so nervös, weil du nicht wusstest, ob sie Lust auf Kino hatte. Du hattest trotzdem zwei Karten reserviert, aber der Abend war nicht gut gewesen, weil ihr kaum Themen zum Reden hattet. Oder hast du das verdrängt?“ Einen Moment lang dachte das Ass darüber nach und er erinnerte sich allmählich an dieses Treffen, welches ein ziemlicher Reinfall gewesen war. Hatte er da also auch dieses Parfum benutzt? Da hatte er keine Ahnung mehr von. „Nein, ich erinnere mich, aber da habe ich es auch genommen? Das weiß ich nicht mehr.“ „Ja, hast du. Und als wir uns zur Verabschiedung umarmt haben, habe ich es wahrgenommen und seitdem muss ich immer wieder daran denken. Freut mich, dass dir das auch so gefällt.“ Sein Freund strahlte ihn förmlich an und Hajime lächelte. Er konnte schon süß sein. „Aber das zweite ist viel wichtiger! Mach es auf! Ich will wissen, wie es dir gefällt!“ „Okay, okay. Ganz ruhig, du Meistersetter“, erwiderte das Ass lächelnd und widmete sich dem zweiten Geschenk, das auf seinem Schoß lag. Es war quadratisch, wie er feststellte und vorsichtig legte er das restliche Geschenkpapier weg. Ein belustigtes Schnauben entwich seinen Lippen, als er es genauer betrachtete. Es war ein selbstgestalteter Kalender mit einem Foto von Toru in Bodybuilderpose mit rausgestreckter Zunge und zwinkernd – bekleidet nur in enger Unterhose. Definitiv ein Hinguckerfoto! Grinsend blätterte er durch den Kalender und offenbar hatte er irgendwann mit jemandem eine ganze Fotoserie aufgenommen. Es waren ganz unterschiedliche Hintergründe, Posen und Unterhosen verwendet worden und jedes Foto hatte seinen eigenen Charme. Und vier davon waren ziemlich heiß. Sein Kopfkino sprang bei den Anblicken sofort an und er löste den Blick erst, als der Setter neben ihm unruhig hin und herrutschte. „Und? Gefällt es dir?“, fragte er leicht unsicher und musterte ihn. Was denn? Glaubte er, dass er ihm das falsche geschenkt hatte? Dass er sich nicht freute? Es war ein tolles, privates Geschenk und großartig, wenn Toru nächstes Jahr in Trainingscamps war und er allein zu Hause. „Das fragst du mich nicht wirklich“, entgegnete er und Oikawas Augen wurden groß. „D-doch! Dir sieht man das ja nicht an, ob es großartig oder schrecklich ist!“ „Als ob ich was gegen heiße Fotos meines Freundes hätte. Du bist ein Trottel, Shittykawa!“ „Du bist doof, Iwa-chan!“ „Aber heißer als du!“ Grinsend schaute er ihn an und beobachtete, wie sein Freund nach Luft schnappte, um etwas zu sagen und dann doch einen Moment schwieg, ehe er sagte: „Das liegt an deinem Krafttraining! Und deiner gebräunten Haut! Da kann ich ja gar nicht mithalten!“ Schmunzelnd zog das Ass ihn zu sich und küsste Oikawa am Hals. Dabei murmelte er leise: „Als ob du das müsstest. Für mich bist du so am heißesten.“ „I-iwa-chan“, hauchte Toru und streckte seinen Kopf noch etwas, damit er besser küssen konnte. Er würde doch jetzt gleich mal nachschauen, ob der Körper nicht nur auf den Fotos so heiß aussah. „Achtung! Er müsste jede Sekunde hereinkommen!“ Ganz aufgeregt wuselte Makki an ihm vorbei und Iwaizumi schüttelte nur den Kopf. Was Überraschungen anging, war der Rosahaarige nie zu halten. Selbst Mattsun hatte dann seine liebe Müh, ihn zu beruhigen. Und es war ja nicht nur er. Auch Ran war ganz aus dem Häuschen. Der ganze Morgen war irgendwie ganz anders verlaufen, als Iwa sich das vorgestellt hatte. Kaum, dass Toru zur Vertragsunterschrift aufgebrochen war – Issei, Taka und er wollten in der Zwischenzeit schon mal anfangen zu putzen – hatte er plötzlich einen Anruf von Takeo erhalten, ob sein Bruder bereits aus dem Haus sei. Kaum, dass er das bestätigt hatte, hatte es zehn Minuten später geklingelt und Kanaye, Ran,Takeo, Ayaka und Takeru waren da gewesen. Offenbar ein Überraschungsbesuch wegen der Vertragsunterschrift. Für den Mittag war ein Tisch in einem Restaurant reserviert worden und sie hatten wegen des Putzens kurzfristig umgeplant. Nun standen sie im Flur, darauf wartend, dass sein Freund gleich zurückkam, damit die Überraschung starten konnte. Die zwei Minuten waren eine gefühlte Ewigkeit, zogen sich beinahe ins Unendliche, als die Tür endlich aufgeschlossen wurde. „Herzlichen Glückwunsch!“, riefen sie alle und Takeo trug sogar einen Schal der Tokyo Samurais. Seit der Wiederannäherung gab er sich wirklich Mühe, ein guter großer Bruder zu werden. Das rechnete das Ass ihm hoch an. Takeru flitzte grinsend auf seinen Onkel zu und klatschte mit ihm ab. Doch Hajime merkte schnell, dass etwas mit Toru nicht stimmte, obwohl er lächelte. War etwas schiefgelaufen? War der Vertrag doch nicht zustande gekommen? Ein Kloß bildete sich bei dem Gedanken in seinem Magen und bevor die Eltern zum Gratulieren zu ihm gehen konnten, war Oikawa schon bei Iwaizumi angekommen. „Hey Schatz, was ist los?“, murmelte er, aber Toru lächelte ihn leicht an und wandte sich dann an die anderen: „Danke für die tolle Überraschung! Sie ist euch wirklich gelungen und ich bin froh, euch zu sehen, aber ich brauche noch einen Moment mit Hajime, ja? Wir sind gleich wieder da.“ Der Rest war überrascht von der Ansage, da Oikawa normalerweise vor Freude hüpfte, wenn man ihn überraschte. Also musste wirklich etwas passiert sein, aber was? Mit den Schultern zuckend folgte er dem Violetthaarigen, der ihn an der Hand nahm, in Richtung seines Zimmers. Wo war nur sein Problem? Kapitel 41: Der Streit ---------------------- Donnerstag, 28.12. / Montag, 01.01. Es war eine so großartige Überraschung von seiner Familie, dass sie hergekommen waren. Oikawa freute sich sehr, auch wenn man ihm das gerade noch nicht ansehen konnte, doch bevor sie feiern konnten, musste er mit Hajime reden. Deswegen zog er ihn auch umgehend in sein Zimmer. Er musste einen Punkt ansprechen, den er bei der Vertragsunterzeichnung mit dem Berater, dem Trainer und dem Sportdirektor erfahren hatte. Es fiel ihm nicht leicht und er hatte einen tonnenschweren Kloß in seinem Hals und seinem Magen. Aber er musste es tun, das war wichtig. Kaum, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte er Hajimes Stimme: „Schatz? Was ist passiert?“ „Ich ähm … Also es gibt einen Punkt, der mir gar nicht passt …“, murmelte er und strich sich erst über die Haare und dann über den Nacken, ließ die Hand dort liegen. Fuck, wie sollte er das am besten sagen? „Aber du hast unterschrieben, oder?“ „Jaaa, das habe ich, aber das bedeutete auch, dass ich vor dem Sportdirektor meine Social Media Profile „aufräumen“ musste.“ Nervös biss er sich leicht auf die Wangeninnenseite und fühlte sich so hilflos. Was würde Iwa davon halten? Als er aufgeregt mit dem Sportdirektor, dem Trainer und dem Spielberater am Tisch gesessen hatte und er gefragt worden war, welche Social Media Kanäle er besaß, hatte Oikawa schon ein schlechtes Gefühl gehabt. Dennoch hatte er ehrlich geantwortet und der Sportdirektor hatte sofort an seinem Smartphone nachgeschaut. Nein, näher wollte er daran gerade nicht denken. Und wieso antwortete sein Freund nicht? Zögernd schaute er auf, als Iwaizumi ihn mitfühlend anlächelte und eng an sich zog. „Also gibt es bei dir keine Pärchenfotos mehr, hm?“, hakte Hajime leise nach und der Setter konnte die Stimmlage nicht zuordnen. War er traurig deswegen? Oder interessierte ihn das eigentlich gar nicht? War er vielleicht sogar froh darum? Schließlich wusste Toru, dass er nicht in der Öffentlichkeit stehen wollte, aber galt das auch für die Bilder? Aber ihn selbst störte das! Er wollte sein Glück teilen, den Menschen zeigen, dass dieser wunderbare Mensch nur zu ihm gehörte! „Ja“, erwiderte er maulig und kuschelte sein Gesicht in die Halsbeuge. Das war doch scheiße! „Ich weiß, dass das für dich nicht einfach ist, aber die wichtigen Leute wissen doch über uns Bescheid, hm? Das ist doch das entscheidende.“ „Schon, aber … Ach Mann, mich nervt das! Das musste ich doch sowieso nur machen, weil ich schwul bin und deswegen nicht dem Standard entspreche! Ansonsten hätte da das doch keinen interessiert!“, platzte es aus ihm heraus und merkte erst gar nicht, wie er seine Finger in Iwas Rücken gekrallt hatte. Kaum, dass ihm das bewusst wurde, ließ er erschrocken los und löste sich etwas von dem Ass, um ihm in die Augen schauen zu können. „Entschuldige, ich wollte dir nicht wehtun. Aber das regt mich so auf …“, murmelte er und strich sich seufzend durch die Haare. „Ich weiß, dass das nicht leicht ist. Ich wünsche mir auch, dass wir uns überall frei zeigen könnten, aber das geht in Zukunft aus zwei Gründen nicht. Und es ist doch das wichtigste, dass wir uns haben, oder nicht?“ Dieses umwerfende, liebevoll lächelnde Gesicht, das ihn anschaute, ließ sein Herz höherschlagen. Dieser Mann! Konnte er noch perfekter sein? Dass er sich auch lieber gern draußen zeigen würde, war schon toll, da er ihn so nicht eingeschätzt hatte, aber dass er so viel Verständnis zeigte, war noch viel besser. Er war halt die Liebe seines Lebens. „Ja schon, aber ich habe das so satt! Die sollen uns alle in Ruhe lassen“, schmollte der Setter weiter und spürte warme, weiche Hände auf seinen Wangen. „Sieh mich an, Schatz.“ Noch immer schmollend hob er den Blick und versank augenblicklich in den Smaragden, die ihn anstrahlten. Sie waren so wunderschön und wie sie vom Licht angeleuchtet wurden … „ –er das … Toru? Hey Toru! Hörst du mir zu?“ Zweifelnd hob sein Freund eine Augenbraue und musterte ihn und er spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Ganz vielleicht hatte er sich mehr auf das Grün als auf die Stimme konzentriert, aber was hatte er denn tun sollen? Er liebte diese Augen nunmal so sehr! „Ähm ja klar! Also wie war der Anfang nochmal?“, hakte er verlegen lächelnd nach und bekam so immerhin ein belustigtes Schnauben und keine zickige Antwort. Ha! Konnte er ihn also mit seinem Lächeln um den Finger wickeln? Das würde er sich merken, würde bestimmt noch mal wichtig werden. „Was grinst du denn jetzt so?“ „Nichts Schatz! Jetzt höre ich zu, versprochen!“ Kurz musste er dem prüfenden Blick standhalten, dann räusperte sich Iwa und begann erneut: „Mir geht das auch auf die Eier, aber das ist etwas, was wir nicht ändern können. Die anderen Menschen sind halt teilweise scheiße und werden es nie akzeptieren. Du musst mir versprechen, dass du das geheim hältst. Das gefährdet sonst deine Karriere, Toru. Das weißt du. Stell dir vor, nur einer deiner Mitspieler hat ein Problem damit. Dann kann es sein, dass sie dich als Störenfried gleich wieder herausschmeißen. Sowas wird der Sportdirektor oder Trainer doch bestimmt auch gesagt haben, oder?“ Oikawa wandte den Blick ab, schaute neben sich auf den Boden und nickte. Ja, ziemlich genau so hatten sie es gesagt. Dass er das zwingend privat halten musste und sämtliche Gerüchte abgestritten werden müssten. Arm in Arm durch die Stadt schlendern wäre in Zukunft kaum noch möglich, wenn er sich nicht bis zur Unkenntlichkeit verkleidete. Es war naiv gewesen, anzunehmen, dass er Karriere und Privatleben problemlos unter einen Hut bekommen könnte und damit musste er jetzt lernen umzugehen. So schwer ihm das auch fiel, aber er wollte in die Nationalmannschaft und Iwaizumi weiter als Partner an seiner Seite haben. Ohne ihn wäre er bestimmt verloren, wenn es nächstes Jahr losging. „Vielleicht“, brummte er und sanft drückten die Hände seine Wangen, sodass er gezwungen war, das Ass erneut anzuschauen. „Versprich es mir, Toru.“ „Ich verspreche, dass ich versuchen werde, mich zusammenzureißen“, antwortete er murmelnd und empfing ein schiefes Grinsen. „Du bist ein hoffnungsloser Fall, Shittykawa.“ Wie? Das war aber ganz schön frech! Doch er kam nicht zum Protest, als er die vollen Lippen an seinen spürte und er genoss diesen langsamen, intensiven Kuss so sehr. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass er einen bösen Kommentar zu hören kriegen würde, aber wie es aussah, hatte Iwa das aufgegeben und versuchte ihn lieber so um den Finger zu wickeln. Ihm sollte das nur recht sein! Das Ende des Jahres war wirklich der Hammer gewesen! Nach dem Gespräch mit Iwa war Oikawa noch mit seiner Familie und Makki und Mattsun Essen gewesen, um die Unterschrift zu feiern und hatte ihnen erklärt, warum er das Gespräch mit Hajime gebraucht hatte. Ihn nervte es nach wie vor, dass er seine Liebe verstecken sollte, nur will sie nicht dem Gängigen entsprach. Das war so unfair! Aber die anderen hatten beim Essen recht gehabt. Allein würde er das nicht ändern können. Egal, wie gut er als Sportler sein würde, würde dadurch nicht das Verständnis für seine Liebe wachsen. Das war frustrierend ohne Ende, doch sein Freund hatte ihn von dem Thema abgelenkt und das Essen war super schön gewesen. Es war eine großartige Überraschung gewesen, dass seine Eltern und sein Bruder samt Familie angereist waren und er hatte den Anfang so versaut. Das war ihm unangenehm, wo sie sich so viel Mühe gegeben hatten, aber das Thema hatte ihn den ganzen Weg über beschäftigt und er hatte es loswerden müssen! Um zu wissen, wie Iwa dazu stand und wie sie das handhaben würden. Das war wichtig gewesen. Nun waren sie alle Vier zu Hause in Sendai und Oikawa half er seiner Mama dabei, den Tisch für alle zu decken. Denn nachdem alle vier Familien gestern Abend bei Familie Hanamaki gesessen und einen Spieleabend bis Mitternacht gemacht hatten, wo sie gemeinsam auf das neue Jahr angestoßen hatten, kamen gleich alle zum Essen bei ihnen vorbei. Und nach dem Essen stand der Schreinbesuch auf dem Plan und Iwa und er würden sich danach abseilen, um zum Park zu gehen, wo sie sich vor so vielen Jahren kennengelernt hatten. Er freute sich darauf und summte gut gelaunt vor sich hin. Das bisher aufregendste Jahr seines Lebens hatte er hinter sich und das mit Abstand spannendste lag vor ihm. Es kribbelte in seinen Fingerspitzen und er konnte es kaum noch abwarten, wollte endlich durchstarten! „Na du bist ja gut gelaunt, Schatz.“ Seine Mutter lächelte ihn liebevoll an und er nickte eifrig, als er mit ihr zurück in die Küche ging. „Ja, das ist alles so aufregend zurzeit! Ich habe den tollsten Mann der ganzen Welt an meiner Seite und den absoluten Traumjob ergattert! Ich könnte platzen vor Glück!“ Sie kicherte neben ihm und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund. Irgendwie wirkte sie dann immer besonders süß. Bestimmt hatte sie damit seinen Papa herumbekommen. Wundern würde es ihn nicht. „Platzen lieber nicht, hm? Aber ja, bei dir ist es wirklich aufregend gerade. Und Papa und ich sind so stolz auf dich, Toru.“ Zärtlich strich sie mit ihren sanften Fingern durch seine Haare und er lächelte sie glücklich an. „Aber das wichtigste des vergangenen Jahres war für uns, dass wir dich wieder in die Arme schließen konnten, mein Schatz.“ „Ich bin auch so froh, dass Iwa das durchgesetzt hat“, nuschelte er und schloss seine Mama in die Arme, drückte sie eng an sich. „So schnell wirst du uns auch nicht mehr los!“ Der Setter grinste und nickte zustimmend. „Na hoffentlich!“ Er ließ es zu, dass sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn gab und sie richteten weiter das Essen an. Es war das reinste Festmahl und sie hatten sich das alle verdient. Generell genoss er es, mal wieder zu Hause zu sein und es war cool, in seinem alten Kinderzimmer zu übernachten und in Erinnerungen zu schwelgen. Immerhin hatte er in diesen vier Wänden so viel erlebt. Aus dem Flur hörte Toru bekannte Stimmen, also trafen die anderen langsam ein. Perfekter Zeitpunkt! Seine Mama und er waren mit den Vorbereitungen so gut wie fertig. Hajime begrüßte ihn mit einem Küsschen und setzte sich dann neben ihn an den großen Tisch. Sein Papa und er hatten extra zwei zusammengeschoben, damit auch alle Platz hatten. Neben den Eltern waren auch Takeo mit Ayaka und Takeru da und auch Makkis Schwester war bei ihnen. Es war ein launiges Essen mit vielen Geschichten und Anekdoten, die er teilweise schon kannte und noch unbekannten Erlebnissen, wo er gespannt lauschte. Doch dann kippte die Stimmung abrupt, als Takas Schwester ihn anschaute und sagte: „Toru, ich bin so froh, dass du so gut gelaunt bist! Nachdem mir Taka-chan von dem Schlag erzählt hat, war ich geschockt und hatte mir Sorgen gemacht, aber ihr konntet das klären, ja?“ Augenblicklich wurde ihm heiß und kalt gleichzeitig und er spürte förmlich, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich. Alle schienen ihn angespannt anzuschauen und unter dem Tisch tastete er nach Iwas Hand und griff sie fest. Das Ass erwiderte sofort und schaute ihn an, als das Donnerwetter über sie hereinbrach. „Wie bitte? Du hast meinen Sohn geschlagen, Hajime!?“ Noch nie in seinem Leben hatte er seinen Vater so aggressiv und laut erlebt und erschrocken zuckte er leicht zusammen. Die Augen seiner Mama waren vor Schock geweitet und sie hielt sich die Hände vor den Mund. Er wusste nicht, was er sagen sollte. „Ja, das habe ich.“ Vollkommen tonlos antwortete sein Freund und hatte den Rücken gerade, als er den wütenden Blick erwiderte. „Kanaye, das war –“, begann Shinichi zu reden, doch dieser fiel ihm einfach ins Wort. „Wie kommst du dazu, Toru zu schlagen!? Und warum wissen wir nichts davon???“ „Es war nach dem ersten Gespräch mit dem Spielberater. Ich habe mich als besten Freund und nicht als Partner vorgestellt, weil der Typ mir komisch vorkam und habe damit Toru vor den Kopf gestoßen. Zuhause haben wir uns deswegen gestritten und ehe ich wusste, was ich tat, habe ich ihm eine Ohrfeige gegeben“, antwortete das Ass und hielt dem Blick noch immer stand, während er sich wie ein Häufchen Elend halb hinter ihm versteckt hatte. Musste das ausgerechnet heute rausgekommen sein? Die letzten Wochen war doch auch alles in Ordnung gewesen! „Ich fasse es einfach nicht! Und du hast ihm das verziehen, Toru!? Er hat die Hand gegen dich erhoben!“ Die Stimme zitterte vor Wut und er zuckte leicht zusammen. „Schatz, bitte beruhige dich“, murmelte seine Mama und legte eine Hand auf den Unterarm ihres Mannes, doch Kanaye schüttelte sie ab und funkelte Hajime weiter böse an. „Da gibt es nichts zu beruhigen! Wie kannst du so ruhig bleiben?!“ „Er hat es dir nicht gesagt, weil ihr euch doch gerade erst wieder angenähert habt! Ihr wisst doch am besten, dass Toru viel Vertrauen braucht, um sich anderen zu öffnen und nach Jahren der Funkstille muss er das Vertrauen auch wieder zu euch finden!“, schoss Makki dazwischen und dankbar schaute er zu seinem rosahaarigen Kumpel, der ihm zunickte. Gerade war er wirklich dankbar für die Hilfe. Das alles überforderte ihn gerade und das Glück über sein fast perfektes Leben war verpufft. Wie jedes Mal, wenn er glaubte, dass alles gut war, kam irgendetwas dazwischen und alles war Mist! Irgendwann musste sein Leben doch mal ruhiger verlaufen. Ran nickte langsam zu Takas Worten, schien zu verstehen, dass er sich nicht als erstes an sie gewandt hatte, doch sein Vater war außer sich. Er hörte gar nicht richtig zu, als Shinichi und er sich fast anbrüllten und die Frauen versuchten, sie zu beruhigen. „Du wagst es nicht, meinen Sohn anzuschreien, Kanaye!“ „Ach ja!? Wie habt ihr ihn denn erzogen, dass er andere schlägt?“, schoss sein Vater sofort zurück und Mattsuns Vater schaltete sich ein: „Jetzt beruhigt euch. Das hilft doch keinem weiter. Mal ganz davon abgesehen, dass Hajime und Toru selbst entscheiden können, wie sie mit der Situation umgehen. Wir sollten sie alle dabei unterstützen und –“ „Was gibt es da zu unterstützen? Jetzt soll ich es auch noch gutheißen, dass er das getan hat, oder was!?“, fauchte Kanaye zurück und schien vollkommen in seiner Wut gefangen zu sein. In diesem Zustand hatte der Setter ihn noch nie erlebt und er fühlte sich überfordert, hatte Angst. „Niemand hat von gutheißen gesprochen, Kanaye. Und jetzt komm wieder runter“, forderte Makkis Mama und Toru schaltete ab, als sie noch weiter diskutierten, aber zumindest nicht mehr brüllten. Plötzlich wurde seine Hand losgelassen und Hajime stand auf. Er verbeugte sich leicht, entschuldigte sich und verließ fluchtartig das Zimmer – wahrscheinlich sogar das Haus. Er hatte hinterherlaufen wollen, aber seine Beine versagten ihren Dienst. Hilflos saß er zusammengesackt da, starrte auf den gedeckten Tisch und konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Wie hatte die Lage so schnell so eskalieren können? Mattsun wollte aufstehen und wahrscheinlich zu ihm gehen, als seine Mama zu ihm rüberkam und ihn in den Arm nahm. Sie drückte ihn fest an sich, strich durch seine Haare und murmelte nah an seinem Ohr: „Es tut mir leid, dass wir dir in der harten Zeit nicht beistehen konnten. Es ist schwer für uns, dass du mit deinen Problemen noch nicht wieder zu uns kommst, aber ich verstehe, dass dir das in diesem Fall nicht möglich war. Du hast dich bestimmt geschämt, oder? Und dann auch noch von Hajime … Das muss so schwer für dich sein, mein Schatz.“ Die Tränen kullerten über seine Wangen und er nickte leicht. Fest krallte er sich in das Oberteil und versuchte sich irgendwie zu beruhigen. Warum hatte er den anderen auch nicht gesagt, dass sie das Thema ausklammern sollten? Dass seine Eltern es nicht wussten? Und jetzt wusste er auch, warum er das nicht getan hatte. Weil sein Vater ihre Beziehung von jetzt an nicht mehr unterstützen würde. So wütend wie er war, konnte sich der Setter das nicht vorstellen. Und schon wieder stand er irgendwie am Abgrund und musste sich zwischen Familie und Freund entscheiden. Das durfte doch nicht wahr sein. Kapitel 42: Gegensätzliche Reaktionen ------------------------------------- Montag, 01.01. Sein Kopf platzte, obwohl er sich wie leergefegt fühlte. Die Gedanken rasten hin und her und er bekam kaum einen zu fassen. Iwaizumi hatte gedacht, dass das Thema langsam bei allen durch war. Es war ja okay, dass Makkis Schwester so nachgefragt hatte. Wie es schien, akzeptierte sie ihn ja noch immer. In dem ganzen Trubel hatte er auch gar nicht darüber nachgedacht, ob Toru auch seine eigenen Eltern darüber informiert hatte oder nicht. Da Shinichi und Mai auch immer für den Setter erreichbar waren und er es ihnen erzählt hatte, hatte er die anderen Beiden vollkommen aus den Augen verloren. Das war natürlich dämlich, aber die Hauptsache war gewesen, dass Oikawa überhaupt Leute zum Reden gehabt hatte. Er konnte es Kanaye nicht verübeln, dass er so hart reagiert hatte, auch wenn er sich etwas anderes gewünscht hatte. Doch er war jetzt als Schläger gebrandmarkt, damit musste er sich arrangieren, so schwer es ihm auch fiel. Vielleicht war es feige gewesen, abzuhauen anstatt sich weiter zu verteidigen, doch ihm hatte der Atem gestockt, die richtigen Worte hatten nicht ihren Weg gefunden. Er hatte raus gemusst – frische Luft gebraucht. Hatte es nicht mehr ausgehalten. Es war das erste Mal, dass er sich vor einem Streit so davon gestohlen hatte und Hajime schämte sich dafür, aber er hatte nicht die Kraft gehabt. Zum Glück war es definitiv der letzte Streit zu dem Thema in seinem Familien- und Freundeskreis. Wenn das irgendwie geklärt wäre, hätte er das endlich hinter sich. Aber … Wie sollte er das regeln? Mehr als entschuldigen und um Vergebung bitten, konnte er nicht tun und das Ass war sich nicht sicher, ob das reichen würde. Und Toru … Shit, er hatte ihn allein gelassen, obwohl er Geschrei und Streit überhaupt nicht leiden konnte! Fuck, das war doch alles so erbärmlich. Warum hatte er es nicht heruntergeschluckt? Sich um seinen Freund gekümmert, den das Ganze mindestens genauso mitnahm wie ihn selbst – wenn nicht sogar noch mehr? Frustriert raufte er sich die Haare und wollte schreien, doch er war in einem Wohnviertel und würde nur Ärgern kriegen, wenn er das tat. Also stapfte er weiter durch den Schnee, der in der Nacht gefallen war. Alles wirkte wie gezuckert und hier waren zwar die Straßen und Wege schon freigeräumt, aber sonst war alles noch wunderschön. So ganz anders als in Tokyo, wo der Schnee meist nicht einmal den Boden erreichte. Es war eine schöne Abwechslung, mal wieder hier zu sein und er hätte das gern genossen, doch nun hatte er wieder einmal ein Problem, mit dem er sich beschäftigen musste. Dabei hatte er gedacht, dass jetzt langsam Ruhe einkehrte, dass diese kräftezehrenden Diskussionen vorbei wären und sie sich regenerieren konnten. Ziellos schritt er weiter durch die Straßen, bis er vor der Aoba Johsai stand. Seine Mundwinkel zuckten, als ihn sofort Erinnerungen überschwemmten und reflexartig machte er sich auf den Weg zur Sporthalle. Bestimmt war abgeschlossen, weil Neujahr war, aber er war trotzdem neugierig. Hier hatten Oikawa und er Mattsun und Makki kennengelernt, trainiert und gekämpft, viel gelacht und geschwitzt. Seine Fingerspitzen kribbelten, je näher er der Tür kam und für einen Moment betete er, dass die Tür offen sein würde, weil irgendwelche Verrückten doch trainierten. Selbst Toru und er hatten hier schon an einem Neujahrstag Sport getrieben, um sich fit zu halten und weil ansonsten nichts los gewesen war. Trotzdem hatten sie dann gegen Karasuno verloren. Verdammt, es fühlte sich an, als wäre die Niederlage vor zehn Jahren gewesen. Dabei waren es gerade einmal drei. Aber das letzte Jahr war eben besonders aufregend gewesen und sein Zeitempfinden ein anderes. Mit klopfendem Herzen legte er die Hand auf die eiskalte Metallklinke, aber es war zu. Das Kapitel abgeschlossen. Kurz starrte er die silbergraue Tür an, dann drehte er sich ruckartig um und schritt vom Gelände. Er hatte Wichtigeres zu tun. „Hajime, warte bitte mal!“ Gedankenversunken war das Ass durch den Park geschlendert, in dem Toru und er sich kennengelernt hatten. Doch das war nebensächlich, dafür hatte er keinen Kopf. Erschrocken, wer ihn so aus seinen Überlegungen riss, blieb er stehen und drehte sich um. Takeo trabte auf ihn zu und stellte sich zu ihm. „Können wir kurz reden?“ Wahrscheinlich würde er ihn auch noch anschreien und dumm anmachen, aber dann lieber jetzt einmal alle, als es noch weiter hinauszuzögern, also nickte Iwaizumi und bedeutete ihm, zu sagen, was er zu sagen hatte. „Ich ähm … Das ist eine richtig beschissene Situation. Kann verstehen, dass du abgehauen bist, wo Papa so ausgerastet ist …“ „Was denn? Du schreist mich jetzt auch nicht an, dass ich das deinem kleinen Bruder angetan habe?“, wollte Hajime misstrauisch wissen und versuchte seine Stimme ruhig zu halten, aber seine Nerven waren angeschlagen und so klang er etwas pissiger als beabsichtigt. „Das wäre wohl die typische Großer-Bruder Reaktion, oder? Lass uns kurz auf die Bank da drüben setzen. Hier mitten auf dem Weg rumzustehen, mag ich nicht so.“ Takeo lächelte ihn leicht an und Iwa wusste nicht, was er von ihm halten sollte. Warum rastete er nicht aus? Immerhin gab er sich so viel Mühe, für Toru da zu sein und ihm zu helfen und jetzt sowas? Das Ass verstand ihn nicht, doch vielleicht würde er ihm gleich sagen, warum er so seltsam verständnisvoll waren. Sie nahmen auf einer Holzbank Platz, die direkt am See war und eine wundervolle Aussicht über die zugefrorene Wasseroberfläche bot. Einen Moment lang schauten sie sich das beide einfach nur an, der Schnee, der alles weiß gepudert hatte und ein paar Enten, die auf der Suche nach Nahrung waren. Dann hörte er ein leises Seufzen und Takeos fast murmelnde Stimme durchbrach die kurzzeitige Stille: „Es gibt einen guten Grund, warum dich nicht zusammenfalte. Vor Jahren – bevor Takeru geboren wurde – habe ich Ayaka auch geschlagen. Zwei Mal, um genau zu sein.“ Erschrocken über das Geständnis ruckte sein Kopf zu ihm rüber und er wollte lospoltern, wie er das hatte tun können, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Welches Recht hatte er noch, andere Menschen deswegen anzublaffen? „Deswegen bist du nicht auch ausgeflippt …“, nuschelte er und wusste gar nicht, was er sonst dazu sagen sollte. Er fühlte sich überfordert und das trieb ihn in den Wahnsinn. Sein Naturell war absolut kontrolliert und es gab nichts Schlimmeres, als wenn diese verlor. Das hatte sich ja nun gezeigt. „Richtig. Ich kann in etwa nachfühlen, wie es dir geht. Damals haben wir uns ein paar fürchterlich gestritten, weil ich auf einen alten Klassenkameraden von Ayaka eifersüchtig war, weil die Zwei sich so gut verstanden hatten. Sie versteht es sehr gut, meine Schwachstellen im Streit gegen mich zu verwenden und ehe ich mich versehen hatte, hatte ich ihr eine Ohrfeige gegeben. Danach haben wir uns lange unterhalten und uns wieder zusammengerauft, doch ein halbes Jahr später kam es ein zweites Mal dazu und Ayaka drohte mit Trennung. Einen Monat lang hat sie bei ihren Eltern gewohnt und wir uns sortiert. In der Zeit erfuhr sie, dass sie schwanger ist und ich habe zehn Stunden lang ein Anti-Aggressions-Training besucht. Seitdem haben wir uns zwar gestritten, aber ohne irgendwelche Gewalt.“ Takeo schaute auf den See hinaus, schien in Erinnerungen festzuhängen und Hajime spürte, wie er ihn leicht bewundernd von der Seite her anschaute. Auch er hatte etwas gegen seine Wut getan und es geschafft. Schließlich war er seit über 12 Jahren mit seiner Frau verheiratet. Dann konnte er das mit Toru doch auch schaffen, oder? „Ich ähm … Darf ich fragen, wie du das damals in den Griff bekommen hast?“ „Ja klar“, antwortete er sofort und lächelte ihn leicht an. Es war das erste Mal in diesem Gespräch, dass er ihn ansah und Iwaizumi bemerkte, wie schwer ihm das fiel, darüber zu reden. Ob er jemals mit jemand anderem darüber gesprochen hatte? „Das schlimmste war, dass ich damals einen Freund hatte, mit dem ich darüber gesprochen hatte und der nur zu mir meinte, dass das richtig gewesen sei. Dass ich Ayaka eben hätte erziehen müssen. Ich war so geschockt und habe den Kontakt schließlich mit ihm abgebrochen. Ayaka hat mich nach dem zweiten Schlag vor die Wahl gestellt, dass ich endlich etwas dagegen tue oder wir wären die längste Zeit ein Paar gewesen. Ich liebe sie über alles und habe mich so geschämt. Ein anderer Kumpel gab mir den Tipp mit den Anti-Aggressions-Trainings und ich habe mich bei einem beworben und dort einen Kurs besucht. Er hat mir geholfen, meine Wut zu kanalisieren, sodass ich nicht wieder zuschlage. Stattdessen gehe ich aus dem Raum oder der Wohnung, sage Ayaka deutlich, dass ich Zeit für mich brauche und mich abreagieren muss. So haben wir es seitdem gut geschafft, uns auch zu streiten. Darf ich fragen, ob du auch etwas gegen deine Wut tun willst?“ Hajime nickte und entgegnete: „Ja, ich bin in einer Selbsthilfegruppe. Dort sind fünf andere Männer und ein Therapeut und obwohl ich es überhaupt nicht mag, mit Fremden über meine Gefühle zu reden, gibt mir Herr Yoshida das Gefühl, dass ich das schaffen kann. Dass es okay ist. Also ich arbeite daran.“ „Wow, Selbsthilfegruppe? Ich habe auch mit dem Gedanken gespielt, eine Therapie anzufangen, aber mir hat der Mut gefehlt. Meinen Respekt, dass du das durchziehst. Es zeigt nur, wie wichtig dir mein kleiner Bruder ist. Du kannst dich gern melden, wenn du doch mal reden möchtest. Ich helfe dir gern, wenn ich kann.“ „Danke, das ist nett von dir. Aber wie kommt es, wenn ich fragen darf?“ Er wollte nicht so misstrauisch klingen, aber irgendwie kam ihm das seltsam vor. Vielleicht weil Takeo der erste war, der seine Erfahrungen wirklich nachvollziehen konnte. „Du hast unserer Familie schon so viel geholfen und dich dabei immer so gut um Toru gekümmert, dass ich jetzt dir helfen möchte.“ Hajime nickte ihm zu und versprach, dass er sich melden würde. Doch er wollte nun endlich das Unvermeidliche tun und so verabschiedete er sich von Takeo, der noch etwas am See sitzen blieb. Kaum, dass die Klingel im Haus ertönte, konnte er Schritte von drinnen hören. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen, je näher sie kamen. Die Tür wurde geöffnet und Ran stand dort, ihre Augen weiteten sich kurz, dann lächelte sie leicht. „Hajime, komm doch bitte rein“, sagte sie und machte eine einladende Bewegung. „Danke“, murmelte er und betrat mit gesenktem Kopf das Haus, das ihm so vertraut war. Wie oft war er schon hierhergekommen in all den Jahren? Doch noch nie hatte es so bedrohlich gewirkt. So düster und beklemmend, obwohl die Einrichtung freundlich und hell wie immer war. „Lass uns ins Wohnzimmer setzen, ja?“ Torus Mutter schritt hinter ihm und er ging wie gewünscht in den Raum, doch zu seiner Überraschung war Kanaye nicht da. War er draußen spazieren? Oder traf sich mit jemandem, um zu reden? Unwohl setzte sich das Ass auf das Sofa und fühlte sich wie auf heißen Kohlen. Würde Misses Oikawa ihm auch nicht verzeihen können? Gerade konnte er sie nicht einschätzen. Sie nahm kurz darauf dicht neben ihm Platz und griff nach seinen Händen, die er als Fäuste in seinen Schoß gelegt hatte. Automatisch schaute er sie an, löste die Finger aber nicht. „Es tut mir leid, dass mein Mann so ausgerastet ist. … Ich kann nicht leugnen, dass mir das sehr nahe geht, dass mein kleiner Schatz von dir geschlagen worden ist.“ Die Worte trafen ihn tief, doch er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, da Ran weitersprach: „Doch Toru wirkt trotz allem so glücklich wie schon lange nicht mehr. Es ist gut, dass du die Selbsthilfegruppe besuchst – er hat mir vorhin davon berichtet – und dass du daran arbeitest. Du warst ja schon immer der impulsivere von euch. Ich akzeptiere es, wenn er dir eine zweite Chance gibt und werde Toru dabei unterstützen. Aber bitte nimm auch zur Kenntnis, dass ich Zeit brauche, um das zu verarbeiten. Was Torus Papa angeht … Ich weiß nicht, ob er dir das verzeihen kann. Er wurde als Kind mehrmals von seinem eigenen Vater geschlagen. Daher hat er ein sehr angespanntes Verhältnis zu dem Thema. Er hat sogar dafür gesorgt, dass eine Lehrerin euch nicht unterrichten durfte, als sie einem von euch Schläge angedroht hatte.“ Iwaizumi erinnerte sich dunkel daran, dass auf einmal eine Lehrerin nicht mehr da gewesen war, aber dass Kanaye das zu verantworten hatte, hörte er zum ersten Mal. Immerhin war Rans Meinung nicht ganz so vernichtend wie die ihres Mannes. Dennoch machte er sich nichts vor, dass er mindestens hundert Minuspunkte gesammelt hatte. Langsam drang die Information zu ihm durch, dass Herr Oikawa als Kind geschlagen worden war und er war geschockt. Damit hätte er nie und nimmer gerechnet. Ob Toru das wusste? Damit war mal wieder erwiesen, dass jeder seine Geheimnisse hatte – auch Eltern. Welche wohl seine eigenen hatten? Und würde er sie jemals erfahren? „Ich ähm …“, fing er an, räusperte sich dann aber, ehe er fortfuhr: „Natürlich verstehe ich, dass ihr wütend seid. Ich kann selbst nicht fassen, dass ich das getan habe. Ich schäme mich so sehr deswegen. Und mir ist bewusst, dass ich ein unfassbares Glück habe, dass Toru mir eine zweite Chance gibt. Aber glaubst du, ich kann mit Kanaye sprechen? Ist er da?“ „Er ist oben in seinem Arbeitszimmer. Du kannst es versuchen, aber sei nicht enttäuscht, wenn er ablehnt.“ Hajime nickte und bedankte sich bei ihr, dann stand er auf und marschierte zielstrebig die Treppe hoch zum Arbeitszimmer. Es war gegenüber vom Kinderzimmer seines Freundes, doch das war jetzt unwichtig. Er klopfte an die Tür und hörte ein leises „Herein“ von drinnen. Mit wild klopfendem Herzen und schweißnasser Hand öffnete er die Tür und betrat das schlicht eingerichtete Zimmer. Gegenüber war ein großes Fenster, davor ein schmaler, heller Schreibtisch mit Laptop und Monitor darauf. Die Wände teils mit Regalen, teils mit Gemälden geschmückt wirkten wie bei einem Schuldirektor und ähnlich fühlte er sich auch. Wie ein Schuljunge, der etwas Schreckliches getan hatte und deswegen beim Direktor Rede und Antwort stehen musste. „Hajime. Was gibt es?“ Die Stimme klang hart und abweisend und das Ass atmete tief durch. Seine Beine waren ganz wackelig und er hatte das Gefühl, bei jedem Schritt umzufallen. Vor dem Schreibtisch, hinter dem der Vater saß, blieb er stehen und verbeugte sich tief. „Toru zu schlagen ist das schreckliste, was ich je getan habe! Ich schäme mich zutiefst dafür und kann noch immer nicht glauben, dass das wirklich passiert ist. Aber ich besuche jetzt eine Selbsthilfegruppe und arbeite an mir. Ich liebe Toru und will ihn glücklich machen! Er ist doch so glücklich, dass ihr wieder Kontakt habt. Bitte vergib mir.“ „Das kann ich nicht, Hajime. Was du da verlangst, ist zu viel.“ „Aber ich –“ „Mein Vater hat mich als Kind und Jugendlicher immer wieder geschlagen und sobald es mir möglich war, bin ich von zu Hause ausgezogen. Ich habe null Verständnis für Menschen, die ihre Wut nicht kontrollieren können. Egal, in welcher Situation sie waren oder sind. Das gilt auch für dich. Meinen Sohn zu schlagen, ist zu viel. So gern ich dich sonst auch habe und ich dankbar für deine Hilfe bin, kann ich das nicht einfach so verzeihen. Ich bin nicht mal sicher, ob ich das überhaupt jemals kann.“ Okay, das war deutlich. Für den Moment würde er hier nichts erreichen können, obwohl er das große Verlangen hatte, weiter zu argumentieren – von sich zu überzeugen. Aber er musste einsehen, dass das jetzt nichts bringen würde. Dafür war Kanaye wahrscheinlich zu sehr in seinen Erinnerungen gefangen. Shit, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Also schritt er wieder zur Tür, blieb aber in der Tür einmal stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um und sagte: „Ich verstehe deine Wut, aber vergiss nicht, dass ich nicht dein Vater bin.“ Ohne eine Reaktion abzuwarten, verließ er das Zimmer und schritt die Treppe herunter, wo Toru gerade aufgeregt den Flur entlanglief. „Schatz, da bist du ja!“ „Toru.“ Er lächelte leicht, als sich sein Freund förmlich um seinen Hals schmiss und festkrallte. „Es tut mir so leid, dass mein Vater so ausgeflippt ist! Ich wollte nicht –“ „Ganz ruhig, Schatz. Dein Papa braucht glaube ich einfach Zeit … Es stimmt ja, dass man das nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.“ „Ja schon, aber …“ Hilflos sackten die Schulter des Setters zusammen, als Ran den Flur betrat. „Hallo Toru.“ „Mama, was ist nur los mit ihm? So habe ich ihn noch nie erlebt!“ Sie schaute ihn an und Iwa erwiderte den Blick ruhig, bedeutete ihr, dass er nichts sagen würde, wenn das nicht gewollt war. Es war wie in seiner eigenen Familie, wo Geheimnisse auch gewahrt wurden. Ohne den anderen zu fragen oder zu informieren, würde er das auch nicht weitergeben. Das war eine Frage des Respekts und des Anstands. „Kommt mit in die Küche … Dann erkläre ich dir das.“ Verwundert nickte der Violetthaarige und folgte ihr, nahm ihn dabei an die Hand, damit er mitkam. Das hatte er zwar sowieso vorgehabt, aber es war eine süße Geste, dass er gerade nicht allein durch dieses Haus laufen musste. Und innerlich war er dafür dankbar, auch wenn er das nicht so zeigte. Ran bereitete ihnen allen Drei einen Tee zu und sie nahmen am Küchentisch Platz. Dabei setzte sich der Setter demonstrativ neben ihn und legte eine Hand auf seine, während seine Mutter gegenüber von ihnen saß. „Also Mama, was ist mit ihm? Ich verstehe Vater nicht, dass er so dermaßen ausgerastet ist. Mir ist ja klar, dass das alles nicht gut ist und dass ihr ein Problem damit habt, aber so krass?“ Ran umfasste mit beiden Händen die Tasse und schaute auf die ruhige Oberfläche, die ihr Gesicht spiegelte. „In der Kindheit ist dein Papa von seinem Vater geschlagen worden. Er hat mir erzählt, dass dein Opa immer wieder beteuerte, dass es das letzte Mal gewesen sei und er das nicht hatte tun wollen, doch es passierte wohl ein dutzend Mal. Dein Papa hat deswegen sehr feste Grundsätze und körperliche Gewalt ist für ihn ein rotes Tuch, das er nicht akzeptiert – schon gar nicht bei dir, Toru. Du bist sein ganzer Stolz und er hat bereits dafür gesorgt, dass eine Grundschullehrerin versetzt wurde, weil sie einem in eurer Klasse Schläge angedroht hatte. Wir wissen, dass wir in den vergangenen Jahren viel falsch gemacht haben, aber deswegen bist du noch immer neben Takeo der wichtigste Mensch in unserem Leben. Da ist es schwer, so etwas zu hören.“ Iwaizumi hörte so deutlich raus, wie Ran um Verständnis warb, doch ihm war klar, dass sein Freund das rausfiltern würde. Für ihn war da der Punkt, dass sein Vater ihre Beziehung höchstwahrscheinlich nicht mehr akzeptieren würde. Das war hart, aber Hajime war auch klar, dass das Verhältnis in der Familie so angeknackst war, dass Toru ein weiteres Mal mit ihnen brechen würde. Schließlich wusste er, dass er bei seinen Eltern immer willkommen war und ihn wie ihren Sohn behandelte. Dabei hatte das Ass gerade erst dafür gesorgt, dass sie wieder zusammen waren! Du meine Güte, das konnte doch alles nicht wahr sein. „Mag ja sein, dass Vater ein Problem damit hat, aber es ist immer noch meine Beziehung! Und ich kann allein entscheiden, ob ich so etwas verzeihe oder nicht. Wenn er damit nicht klarkommt –“ „Lassen wir erst einmal Ruhe einkehren … Die Gemüter sind noch erhitzt und müssen das erst einmal verarbeiten“, grätschte Hajime dazwischen, bevor sein Freund Dinge sagte, die er nachher noch bereute. Das wollte das Ass gern verhindern, denn er wusste ja, wie seine Diva werden konnte. Ran nickte nachdenklich, während sie ihren Sohn musterte und Toru schob schmollend die Unterlippe vor – offenbar beleidigt, weil er ihn nicht hatte ausreden lassen. Aber das war nichts, was er nicht mit einem Kuss wieder geradebiegen konnte. „Lass uns Makki und Mattsun einsammeln und zum Schrein gehen, hm? Ich weiß doch, dass du unsere Orakel holen möchtest“, schlug der Braunhaarige leicht lächelnd vor und der Setter musterte ihn kurz, als seine Mundwinkel leicht zuckten und er nickte. „In Ordnung! Und danach gehen wir zu dir, denn Mai hat mir noch Milchbrötchen versprochen!“ „Alles klar, dann los, du Milchbrötchen!“ Er gab ihm ein Küsschen auf die Wange und sie erhoben sich. Mit einem kurzen Blick sah Iwa, wie niedergeschlagen und zerknirscht Ran war, aber Toru war eben so. In solchen Momenten konnte er sehr verletzend werden – ob bewusst oder nicht war ihm nicht immer so klar. „Wir melden uns übermorgen nochmal, bevor wir wieder nach Hause fahren, ja?“, fragte Hajime und sie nickte, blieb dennoch am Tisch sitzen, als sie sich auf den Weg nach draußen machten. Na hoffentlich würde das Jahr nicht so werden, wie es heute angefangen hatte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)