Zum Inhalt der Seite

Umwege einer Beziehung

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Elternbesuch

Samstag, 02.12.
 

Schweigend saß und aß Iwaizumi am Küchentisch und lauschte dem Gespräch der anderen Drei, die sich über Italien unterhielten. Mattsun und Makki hatten eben die Flüge für ihre Reise gebucht und Toru währenddessen auf dem Sofa gelegen und sich eine weitere Dokumentation darüber angeschaut.

Er selbst hingegen hatte erst in seinem Zimmer noch etwas auf dem Fahrrad trainiert und danach auf seinem Bett noch an seinem Laptop herum gedaddelt. Es gab da so ein simples Aufbauspiel, das er hin und wieder mal anwarf, wenn er Langeweile hatte.

Seit er Toru geschlagen hatte, war irgendwie der Wurm drin. Das lag zum einen an Hanamakis stechendem Blick, wenn sie sich sahen und zum anderen an ihm selbst. Ihm war einfach nicht klar, wie er sich jetzt verhalten sollte. Er bereute es zutiefst und obwohl Oikawa sich in der zweiten Nacht zu ihm gelegt hatte, war alles irgendwie unsicher. Es war zum Haare raufen und wie immer, wenn er nicht wusste, was er tun sollte, zog er sich zurück. Noch schlimmer war aber, dass ihn dieses Mal keiner ins Wohnzimmer holte, wie sie es sonst getan hätten. Den ganzen Morgen hatte er unbewusst darauf gewartet, denn alle Drei waren schon seit 9 Uhr wieder zurück, doch niemand kam zu ihm. Sie ließen ihm seinen Freiraum, von dem er keine Ahnung hatte, was er damit anfangen sollte. Das verunsicherte ihn noch mehr und ließ ihn wie einen Außenseiter fühlen. Es war schrecklich. Aber … Irgendwie hatte er das doch auch verdient. Wer so eine scheiße anstellte, musste mit den Konsequenzen leben und bei Makkis Erfahrung in der Vergangenheit konnte er ihm nicht übelnehmen, dass er ihn wahrscheinlich sogar mied. Mattsun kümmerte sich selbstverständlich um seinen Verlobten, auch das war vollkommen in Ordnung und Toru legte sich zwar abends zu ihm schlafen und in diesen Augenblicken war auch alles in Ordnung, aber tagsüber waren da Vibes, die er nicht zu deuten wusste.

Zu allem Überfluss würden gleich auch noch seine Eltern auf der Matte stehen und mit ihm reden wollen. Er war sich nicht sicher, ob er die Kraft dafür hatte, so angeschlagen, wie er sich fühlte. Darum drücken kam aber auf gar keinen Fall in Frage.

Dann war da auch noch das Gespräch mit Kuro gestern Abend gewesen. Dem Ass war nicht klar, ob er es jetzt gut fand, dass die Katze es wusste oder ob er sich deswegen verfluchen sollte. Verdammt, wie konnte er nur so unsicher sein bei allem und jedem! Damit ging er sich schon selbst auf die Eier. Das musste zwingend wieder besser werden, bevor er wegen sich selbst schlechte Laune bekam.

Genug jetzt davon.

Bevor es hier voll wurde, wollte er seinen Freunden noch etwas mitteilen. Also wartete er ab, bis bei den anderen Drei eine kurze Gesprächspause entstand und räusperte sich leise. Sofort schauten ihn sechs Augen an und unruhig rutschte er auf seinem Stuhl herum. Er hasste es, so im Fokus zu stehen.

„Ich ähm … Ich möchte euch noch etwas mitteilen“, murmelte er unsicher und Toru legte ihm liebevoll lächelnd eine Hand auf seine und streichelte sie. Er wollte ihm Mut machen, aber die Geste ließ ihn noch nervöser werden. Makkis zweifelnder Blick half da auch nicht wirklich. Nur Mattsun sah ihn an wie immer. Vielleicht konnte er aber auch gar nicht anders schauen. Wer wusste das schon?

„Hau raus“, forderte der Rosahaarige und trank einen Schluck seines Kaffees.

Das Ass atmete tief durch und kratzte seinen Mut zusammen, dann erklärte er: „Ich habe Mittwochabend noch mit meinem Vater telefoniert und als Arzt hat er hin und wieder auch mal mit Fällen häuslicher Gewalt zu tun.“

„Hajime“, unterbrach ihn sein Freund besorgt und drückte ein weiteres Mal seine Hand, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, Toru. Es ist, wie es ist. Ich war wütend und verletzt und habe dich geschlagen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und das war nicht so wie beim Volleyball, wenn du mir auf die Nerven gegangen bist und ich dich mit einem Volleyball abgeworfen habe. Das … Ich habe Angst vor mir selbst. Ich will dir nicht wehtun, egal wie sehr wir streiten. Und deswegen habe ich meinen Vater gebeten, mir Telefonnummern von Selbsthilfegruppen zu schicken.“

Alle Drei hoben fast gleichzeitig die Augenbrauen und für einen kurzen Moment spürte er, wie seine Mundwinkel zuckten. So einträchtig sah man die Drei auch nur selten.

„Selbsthilfegruppe?“, echote Hanamaki und er nickte. „Ja. Ich habe mich bereits bei den drei Gruppen gemeldet und bei der einen habe ich in zwei Wochen einen Termin. Bei den anderen stehe ich auf einer Warteliste. Das erste Treffen findet nur mit dem Leiter statt, um sich kennenzulernen und einschätzen zu können, wie die Lage ist. Und dann wird entschieden, wie man am besten vorgeht. Also welche Gruppe und so …“

„Dir ist das echt ernst, oder?“, hakte Makki weiter nach und musterte ihn ruhig, während er kurz auf Torus Hand schaute, die ihn streichelte. Dann schaute er seinen Kumpel an, nickte ihm zu und murmelte: „Ja, auf jeden Fall. Das darf nie wieder passieren. Ich … Ich will so nicht ausrasten. Das hat mir selbst Angst gemacht.“

„Ich finde das sehr gut, dass du das tun willst und bereits die Gruppen abtelefoniert hast. Das ist bestimmt nicht leicht für dich und wenn du Hilfe brauchst, kannst du dich jederzeit an uns wenden. Wir stehen dir zur Seite“, meinte Mattsun lächelnd und sogar die Mundwinkel des Rosahaarigen fanden den Weg nach oben, als er zustimmte: „Jep. Dass du die Eier hast, das anzugehen, hat Respekt und Hilfe verdient. Trotzdem wirst du unter meiner Beobachtung stehen und wehe, du nimmst das nicht ernst.“

Iwaizumi räusperte sich, weil er den Kloß in seinem Hals loswerden wollte, doch stattdessen spürte er, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten. Fuck, sie waren wirklich die besten Freunde, die man haben konnte. Ehe sie noch sehen konnten, wie sehr ihn das mitnahm, vergrub er das Gesicht in seinen Händen und versuchte durchzuatmen, konnte das Zittern aber nicht verhindern. Er hörte, wie ein Stuhl verschoben wurde und spürte neben sich einen Körper, der ihn beschützend umarmte. Der so vertraute Duft nach Blumenduschgel stieg ihm in die Nase und er vergrub seinen Kopf in der Halsbeuge. Die Anspannung fiel von ihm ab. Die anderen akzeptierten ihn noch immer, auch wenn Makki noch skeptisch war, aber das konnte er verstehen. Er würde ihm beweisen, dass er es absolut ernst meinte. Am meisten aber wurde ihm in dem Augenblick bewusst, dass er weiterhin einen Freund hatte. Und dafür war das Ass unendlich dankbar. Er würde die Chance nutzen, um seine Impulsivität in den Griff zu kriegen.

„Wir sind für dich da, Schatz. Zusammen werden wir das schaffen, hm?“ Beruhigend streichelte eine Hand über seinen Hinterkopf, die andere über seinen oberen Rücken. Es war alles zu viel gerade und er war froh, dass Toru da war, um ihn zu beruhigen und zu unterstützen.

Ihm war nicht klar, wie lange er sich da so vergraben hatte und Oikawa immer wieder leise zu ihm gesprochen hatte, bis er sich soweit gefangen hatte, dass er die anderen erneut anschauen konnte. Sie lächelten ihn aufmunternd an und er versuchte das zu erwidern, aber Makki brach nur in schallendes Gelächter aus. Toru kicherte dicht neben ihm und sogar Matsukawa schmunzelte, als er ihn anschaute. Himmel, sah der Versuch seines Lächelns so grotesk aus, wie es sich anfühlte?

Bei dem Lachen der anderen löste sich etwas in ihm und auch er begann leise zu kichern. Es tat gut, das mal wieder tun zu können und er schöpfte neue Kraft.
 

„Nein, ich werde nicht gehen.“

„Toru?“, hakte Shinichi überrascht nach.

„Ich weiß, dass ihr mit ihm reden wollt, aber Hajime nimmt die Sache schon so sehr mit. Ihr habt ihn die letzten Tage nicht erlebt und ich lasse ihn nicht allein, wenn er so sehr mit sich selbst zu kämpfen hat“, erklärte der Setter entschieden und setzte sich demonstrativ neben ihn auf das Sofa. Sein Dad musterte ihn argwöhnisch und Iwa wollte etwas sagen, aber der Violetthaarige hatte recht. Er würde sich wirklich wohler fühlen, wenn er blieb. Ihm war klar, dass seine Eltern ihm nichts Böses wollten oder so, aber das Gespräch mit seinen Freunden beim Brunchen vorhin hatte ihn schon so viele Nerven gekostet. Es würde dauern, bis sich das wieder so weit gebessert hatte, dass er solche Kämpfe wieder allein austragen konnte.

Mai lächelte verständnisvoll und sagte sanft: „Das ist schon in Ordnung. Wir können auch gern zu Viert reden. Es ist sehr löblich, dass du dich so um ihn kümmerst, wenn es ihm schlecht geht. Dennoch besorgt uns die ganze Situation auch sehr … Deswegen sind wir schließlich hierhergefahren.“

„Mich doch auch! Ich habe ihn doch nie schlagen wollen!“, platzte es empört aus ihm heraus und sofort begann er zu zittern. Das Thema machte ihn fertig und er war froh, wenn er das nicht mehr überall doppelt und dreifach erklären musste. Ihm war doch klar, was er getan hatte und er wollte es ja auch ändern!

„Wie ist es denn dazu gekommen, wenn ich fragen darf?“, wollte seine Mum wissen und setzte sich auf seine andere Seite, strich ihm sanft über den Rücken. Das Ass atmete tief durch, als Toru sie anschaute und alles ruhig berichtete. Es war irgendwie komisch, dass aus seiner Sicht zu hören und wie er das alles betrachtete. Wobei er nichts beschönigte, was auch gut so war. Denn es gab da nichts dran schön zu reden.

„Du hast Milchbrötchen gebacken, Schatz?“

Mehr als irritiert musterte ihn seine Mutter und ihre Augen wurden vor Unglauben größer, als er nickte. „Ja. Ich weiß doch, wie sehr er die liebt. Und weil ich mich sonst immer um alles drücke, was mit Kochen und Backen zu tun hat, wollte ich ihn so überraschen. Doch diese Rezepte sind zu ungenau und ich habe es einfach nicht hinbekommen … Am Nachmittag habe ich dann Mattsun um Hilfe gebeten, obwohl ich das allein hinkriegen wollte und er hat mir ein paar Tipps gegeben, sodass ich dann doch noch welche hinbekommen habe, die glaub ich ganz gut waren.“

„Für einen ersten Versuch sind sie echt super gelungen! Natürlich nicht so gut wie deine, Mai, aber du musst dich da nicht verstecken, Schatz“, erwiderte Oikawa lächelnd und seine Mum fragte direkt nach, ob noch welche da seien und Toru stand kurz auf, um das letzte zu holen, damit sie es sich teilen konnten.

„Hast du schon telefoniert?“, wollte sein Vater wissen, kaum dass sein Freund den Raum verlassen hatte und Iwa nickte, ohne ihn anzuschauen. „Ja, erzähle ich euch gleich …“

Seine Mum musterte ihren Mann streng und Hajime beobachtete, wie Shinichi ihrem Blick auswich. Offenbar war sein Vater doch ziemlich angespannt, dass sie nicht allein reden konnten. Die Anspannung, die er ausstrahlte, war förmlich greifbar. Dabei gehörte der Setter doch sowieso schon zur Familie. Also warum tat er sich damit so schwer? Und er selbst war nach wie vor mehr als froh, dass er hier nicht allein sitzen musste. Toru gab ihm die nötige Kraft, das Thema immer und immer wieder aufzuwärmen, auch wenn das jetzt hoffentlich erst mal das letzte Mal war, bis er den Termin bei der Gruppe hatte. Er wollte wieder nach vorn schauen und weitermachen, denn es brachte ihn nicht weiter, wenn er sich nur noch mit diesem Thema beschäftigte. Seine Uni hatte die vergangenen Tage schon genug darunter gelitten – vom Volleyballtraining einmal ganz abgesehen. Und seit heute Morgen, wo er sich mit seinen Freunden ausgesprochen hatte, hatte er das Gefühl, dass er wieder starten konnte.

Zu seinem Glück kam Oikawa bereits zurück und nahm eng neben ihm Platz, sodass sich ihre Beine berührten. Es war sein Zeichen, dass er für ihn da war, dass er ihn beschützen würde und augenblicklich entspannten sich seine Muskeln wieder etwas. Der Blick seines Vaters hatte ihn unbewusst verkrampfen lassen.

„Das ist wirklich gut, Schatz! Für dein erstes Mal und nur mit ein paar Tipps. Vielleicht solltest du öfters mal backen!“, urteilte seine Mum überrascht und lächelte ihn so liebevoll an, wie es wahrscheinlich nur Mütter konnten. Trotzdem wusste Hajime, dass er sie enttäuscht hatte, auch ohne, dass sie es aussprach. Er konnte es in ihren Augen sehen und er schämte sich dafür, dass er ihr so einen Kummer bereitete. Sie sollte stolz auf ihn sein können, stattdessen hatte er versagt. Verdammt, er wollte endlich wieder nach vorn schauen, an sich arbeiten, aber diese deprimierenden Gedanken kehrten immer wieder zu ihm zurück! Dennoch. Seine Eltern würden ihn nicht fallen lassen und ihm helfen, dass er sich ändern konnte und das war ihm so wichtig.

„Um Gottes Willen, nein. Die Aktion hat mich genug Nerven gekostet. Das ist nicht mein Gebiet …“, stellte Iwaizumi – die Gedanken in die hinterste Ecke schiebend – klar, was seine Mum und Oikawa kurz kichern ließ. Ihm war ja noch immer schleierhaft, wie man das gern tun konnte. Aber das war ein anderes Thema und da sein Dad das eben schon ungeduldig angeschnitten hatte, berichtete er von seinen Anrufen bei den Selbsthilfegruppen und wie die nächsten Schritte waren.

„Das hört sich gut an, mein Sohn. Ich bin wirklich stolz auf dich, dass du das Thema so konsequent angehst, auch wenn das viel Kraft kostet und unangenehm ist. Selbstverständlich werden wir dich auf diesem Weg unterstützen und wie immer kannst du dich jederzeit melden. Ich hatte kurzfristig Angst, dass du das nur so sagst, um mich zu beruhigen und dich doch nicht da gemeldet hast. Daher war ich vielleicht etwas angespannt eben. Entschuldige, aber ich habe mir die Tage viele Gedanken gemacht, ob wir vielleicht auch etwas falsch –“

„Nein, habt ihr nicht“, unterbrach Iwaizumi ihn und senkte den Blick, als er hinzufügte: „Das habe ich verbockt. Da habt ihr nichts mit zu tun. Und mit eurer Hilfe werde ich das in den Griff kriegen.“

„Ja, das wirst du“, stimmte Toru zu und gab ihm ein Küsschen auf die Schläfe, während er eine Hand auf seinem Oberschenkel abgelegt hatte. Seine Eltern stimmten lächelnd zu, als sie vom Flur her hörten, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Offenbar hatten Mattsun und Makki nach drei Stunden ihren Ausflug beendet. Sie steckten kurz den Kopf herein und grüßten alle freundlich.

„Bleibt ihr noch zum Essen?“, wollte Issei wissen und Mai erwiderte: „Nein nein, ihr könnt nur für euch kochen. Wir müssen uns gleich wieder auf den Weg machen. Morgen kommen meine Eltern zu Besuch und da müssen wir halbwegs fit sein.“

„Alles klar, dann liebe Grüße an die Zwei.“ Makki winkte und schloss die Tür wieder.

Iwa war dankbar, dass das Gespräch sich nur noch um seine Großeltern, das Studium und Torus Vertrag drehte, den er heute Morgen von Isseis Dad zurückbekommen hatte. Offenbar war da alles in Ordnung und sein Freund wollte ihn gleich noch unterschrieben an die Agentur zurückschicken. Iwa freute sich so für ihn, dass es da endlich weiterging und bald die Vertragsverhandlungen losgehen konnten.

Während sich auch seine Eltern sehr darüber freuten, war Hajime dankbar, dass er etwas abschalten konnte. Ab jetzt würde er nach vorn schauen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück