Umwege einer Beziehung von Iwa-chaaan ================================================================================ Kapitel 15: Die Gerüchteküche ----------------------------- Sonntag, 26.11. / Montag, 27.11. Unruhig kaute Oikawa auf seiner Unterlippe herum und wartete auf eine Reaktion seitens Hajime. Für ihn war das sicherlich der größte Knackpunkt, dass er in Zukunft in der Öffentlichkeit stehen würde. Iwa war schon immer derjenige gewesen, der ihm die Bühne überlassen hatte, während er selbst lieber im Hintergrund geblieben war. Er mochte es ja schon nicht, wenn man ihn an seinem Geburtstag hochleben ließ. Da erreichte er bereits eine Grenze, wo es ihm unangenehm wurde. Doch nun, wenn er den Vertrag bekam, ging es um eine nationale Bekanntheit und sollte das mit der Nationalmannschaft irgendwann ebenfalls klappen, dann wäre sogar eine internationale Anerkennung drin! Voller Vorfreude kribbelte es erneut in seinen Fingerspitzen und ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Er würde allen zeigen, wie gut und variabel sein Spiel war, sodass sie als Team in der Lage waren, jeden Gegner zu besiegen! Dann erst der Liga Pokal, die asiatische Champions League und dann die Nationalmannschaft! Asiatische Meisterschaften, Weltmeisterschaften, Olympia! Der Traum eines jeden Sportlers! Da wollte er hin. Das war der größte Traum, den der Setter hatte. Dafür riss er sich täglich den Arsch auf, trainierte bis zum Umfallen. Er wollte das Team zum olympischen Gold führen! „Träumst du, Toru?“, hakte Iwaizumi neben ihm amüsiert nach und er räusperte sich leicht errötet. „So offensichtlich?“ „Schon ja. Du warst doch in Gedanken gerade bestimmt bei einer WM oder Olympia, oder?“ „Ganz vielleicht könntest du damit recht haben“, gab Oikawa mit etwas zu hoher Stimme zu und musterte seinen Freund, dessen smaragdgrüne Augen ihn liebevoll anstrahlten. Sofort schlug sein Herz schneller und die Schmetterlinge flogen aufgeregt in seinem Bauch herum. „Aber … Nochmal zurück zum Thema, ja? Wirst du damit klarkommen? Dass ich – wie heißt das so schön? – eine Person des öffentlichen Lebens sein werde?“ Er wollte ihm noch sagen, dass er ehrlich zu ihm sein sollte, doch Oikawa schluckte diese Forderung herunter. Iwaizumi war immer ehrlich zu ihm und er würde es auch jetzt sein. Da brauchte er ihn nicht zu ermahnen. „Begeistert bin ich von der Vorstellung nicht“, murmelte Iwa seufzend und rieb sich den Nacken, fügte dann jedoch hinzu: „Aber solange ich mich von dem Zirkus fernhalten kann, werde ich damit schon klarkommen, denke ich. Ich meine, es gibt ja viele Profisportler, wo man die Partner gar nicht kennt und so möchte ich das auch halten.“ „Na klar. Ich werde auch immer darauf achten, dass man dich in Ruhe lässt. Aber wie ist das mit der Sportlergala einmal im Jahr? Würdest du … Würdest du mich dahin begleiten?“ Vor ein paar Wochen hatte er davon geträumt. Wie Hajime und er Arm in Arm über den roten Teppich gelaufen waren, sich hatten fotografieren lassen und Fragen der Reporter beantwortet hatten. Also er hatte mit ihnen gesprochen und Iwa nur ab und zu einen kurzen Kommentar eingestreut, aber das war so auch vollkommen in Ordnung gewesen. Sie hatten sich mit anderen Sportlern unterhalten und ausgetauscht und seine große Liebe hatte ihn in aller Öffentlichkeit geküsst, als er den Preis als bester Sportler des Jahres kriegen sollte. Allein bei dem Gedanken an den Traum wurde er ganz aufgeregt. Iwa, der seine Liebe für ihn in aller Öffentlichkeit zeigte. Das wünschte er sich! „Ja, das würde ich. Solange ich nicht groß reden muss, bin ich gern bereit, dich dahin zu begleiten.“ Iwaizumis Zusage holte ihn aus seinem Wunschtraum zurück und noch ehe das Ass reagieren konnte, fiel er ihm um den Hals und drückte ihm fordernd die Lippen auf. Er würde das wirklich für ihn tun? Obwohl er da von Fotografen und Journalisten umgeben sein würde? Womit hatte er diesen großartigen Mann verdient, der für ihn sogar seine Komfortzone verließ? Sein Herz sprudelte über vor Liebe, während sie sich innig küssten, ohne dass es zu einem Zungenkuss wurde. Sie genossen diese Spätherbststimmung, das Kuscheln unter den flauschigen Decken, heiße Tees und das Zusammensein. Es war wirklich perfekt. Und auch die kommenden Herausforderungen würden sie meistern, auch wenn es unter Umständen nicht leicht werden würde, aber sie vertrauten einander und das war das wichtigste. Davon war Oikawa überzeugt. „Aber trotzdem müssen wir uns eins versprechen, Iwa-chan …“, hauchte er gegen die samtigen Lippen und löste sich nur widerwillig von seinem Freund, doch das folgende war ihm sehr wichtig und er wollte ihm dabei in die Augen schauen können. „Was denn?“, hakte dieser mit leicht gehobener Augenbraue nach und Toru verschränkte seinen kleinen Finger mit dem Hajimes, der das sichtlich belächelte. Sollte er ihn doch für kindisch halten, aber solche Versprechen durfte man nicht brechen! Das war eisernes Gesetz. „Hiermit verspreche ich, dass ich über alle meine Bedenken, Sorgen und Gefühle spreche, wenn ich den Vertrag habe, um Missverständnisse und schlechte Laune zu vermeiden!“ „Toru, du weißt doch, dass ich –“ „Bitte Hajime. Versprich es mir. Ich weiß, dass du ehrlich zu mir bist, aber wir dürfen uns nichts vormachen. Das wird bestimmt total anders, als wir das jetzt glauben und wer weiß, was die Zukunft bringt. Ich möchte einfach die Gewissheit haben, okay?“ Das Ass seufzte leise, schaute ihm dann aber in die Augen, als er sagte: „Ich verspreche, dass ich dir offen und ehrlich sagen werde, wenn ich mich unwohl fühle oder es ein Problem gibt.“ „Danke Iwa-chan.“ Er lächelte ihn an und gab ihm noch ein Küsschen auf die weiche Haut der Wange. Ihm war ja klar, dass sein Freund nicht für so einen „Kinderkram“ zu haben war, aber ihm war das wichtig. Immerhin hatten sie überhaupt keine Ahnung, worauf sie sich da einließen. Das musste ihnen bewusst sein. „Ich will auf keinen Fall, dass meine Karriere wegen irgendeinem Grund zwischen uns steht, hörst du? Ich möchte das beides unter einen Hut bekommen“, setzte Toru nach und kuschelte sich wieder an das Ass, das seinen Arm hob, damit er es sich bequem machen konnte. „Es ehrt dich, dass du dir so viele Gedanken machst, aber wir werden das schon auf die Reihe kriegen. Solange wir miteinander reden, werden wir Wege finden, um mit den neuen Herausforderungen klarzukommen, hm?“ Glücklich nickte Toru, hatte den Kopf an die bequeme Brust gelehnt und schnurrte leise, als Iwaizumi mit den Fingern durch seine Haare strich. Vielleicht machte er sich ja zu viele Gedanken über die Situation, aber der Gedanke, dass er sich für eins von Beidem entscheiden müsste – Freund oder Karriere – machte ihm eine höllische Angst. Und er wüsste nicht, wofür er sich entscheiden sollte. Doch er wollte sich nicht über ungelegte Eier Gedanken machen, das tat er schon oft genug und meist bekam er davon nur Kopfschmerzen. Mit Iwa an seiner Seite fühlte er sich unbesiegbar und er freute sich auf die kommende Zeit. Das würde sicherlich aufregend werden! „Hey, ist alles in Ordnung bei dir?“, murmelte eine Stimme leise neben ihm und unwirsch drehte der Setter den Kopf. Sora, ein Kommilitone, der meistens in den Vorlesungen neben ihm saß, schaute ihn besorgt an. Er erinnerte ihn etwas an Yamaguchi, war ebenfalls ein sehr ruhiger und unscheinbarer Typ und hatte Sommersprossen im Gesicht. Doch wenn man jemanden zum Reden brauchte oder man etwas nicht verstanden, war er da und half einem. Das war Toru schon das ein oder andere Mal aufgefallen. „Ja, wieso?“, hakte er vielleicht etwas spitz nach, aber was sollte er tun? Iwaizumi saß gerade beim Direktor! Seine Nerven waren so angespannt. Welche Strafe würde er bekommen? Würde der Direktor das Verhalten zumindest verstehen, wenn Iwa es erklärte? Oder würde er wegen Unverständnis noch viel schlimmeren Ärger bekommen? Und das nur, weil er ihm hatte helfen wollen! Das war so unfair … Doch er war zu schwach gewesen, um sich zu wehren. Wie schon als kleine Kinder hatte Hajime das gemerkt und sich schützend vor ihn gestellt und den Ärger riskiert. Verdammt, er musste endlich lernen, sich selbst zu verteidigen! So ging das doch nicht … Bei den Tokyo Samurais würde er sich schließlich auch selbst rechtfertigen müssen, ohne dass ihm jemand half. Er war so ein Weichei. Das konnte so nicht weitergehen! „Naja, du schaust ungefähr alle fünf Sekunden auf dein Handy … Und wir sind gerade mal zehn Minuten in der Vorlesung.“ Gott, zehn Minuten war Iwa schon drinnen? Wie lange würde es wohl brauchen, bis er eine Nachricht bekam? Hoffentlich nicht zu lange, denn er konnte sich überhaupt nicht konzentrieren. „Ist eine private Sache … Aber kannst du mir vielleicht nach der Vorlesung noch mal Stichworte geben, die ich durcharbeiten muss?“ „Ja klar, kann ich machen. Hat das zufälligerweise mit Iwaizumi zu tun? Du bist doch mit ihm zusammen, oder?“ „Was? Wieso?“ Mist, seine Stimmlage war viel zu hoch und seine großen Augen viel zu verräterisch. Aber wie kam er plötzlich darauf? Also sie machten aus ihrer Liebe kein Geheimnis, das war wohl so, aber sie knutschten auch nicht mitten auf dem Campus herum. „Naja, seit dem Auftritt mit dem Sportwagen vor ein paar Monaten brodelt die Gerüchteküche. Angeblich ist das Volleyballteam mehr der Schwulentreff des Campus. Außerdem hat sich Iwaizumi doch mit diesem Vertretungstrainer angelegt und sitzt deswegen beim Direktor, weshalb du so nervös bist, oder nicht?“ Zur Hölle, so sahen die anderen Studenten das Volleyballteam!? Dem Setter lief es eiskalt den Rücken herunter. Wieso wusste er das nicht? Woher kamen diese Gerüchte? Und warum wusste Sora, dass sein Freund beim Direktor saß? In seinem Kopf türmten sich immer mehr Fragen, doch bevor er sich soweit sortiert hatte, dass er sie nacheinander stellen konnte, kicherte es hinter ihm und mit wild klopfendem Herzen drehte er den Kopf etwas, wo ein anderer Student saß, dessen Gesicht und Namen er nicht kannte. „Spielt ihr da überhaupt Volleyball oder geht es da anders heiß her?“ „Halt die Klappe, Idiot!“, zischte Sora neben ihm und Toru schluckte trocken. Wie kam es, dass er bisher noch nicht mit sowas konfrontiert worden war? Bis jetzt hatten ihn alle mit diesem Thema in Frieden gelassen oder hatten sie einfach nur so hinter seinem Rücken getuschelt, dass er das nicht mitbekommen hatte? Nein, das konnte doch nicht sein, oder? „Was denn? Ist doch nur eine Frage!“ In diesem Moment wünschte sich der Violetthaarige nichts Sehnlicher, als dass sein Freund an seiner Seite war und den Typen verbal in den Boden rammte, damit er die Klappe hielt. Diese homophoben Anschuldigungen wollte er sich nicht geben. Es war doch egal, dass er einen Mann liebte, solange er zufrieden war! Und es war nun einmal eine Tatsache, dass keine Frau der Welt ihn so glücklich machen konnte, wie Hajime es tat. „Woher kommen denn diese Gerüchte!?“, wisperte Toru an Sora gewandt, achtete aber genau darauf, so leise zu sprechen, dass der Typ hinter ihm das nicht hören konnte. Dementsprechend musste er sich konzentrieren, die Antwort zu hören, da der Dozent unbeirrt irgendetwas über Führungsqualitäten lehrte. „Die gibt es schon seit Jahren, aber seit Iwaizumis Auftritt, wo ihr euch geküsst habt, und einer Campus Party, wo Kuro und dieser Blonde und Bokuto und Akaashi rumgeknutscht haben, habt ihr den Ruf als Schwulentreff und Bumsbude weg. Doch das wird alles brav hinter euren Rücken besprochen. Betrifft aber nicht nur euch, keine Sorge. Ähnliche Gerüchte gibt es auch beim Fußball und Basketball. Du weißt doch, dass die Leute alle keine Hobbys haben und sich deswegen das Maul zerreißen. Aber was ist denn da mit Iwaizumi los? Er gilt doch eigentlich als ruhiger Typ, an dem dumme Sprüche meistens abprallen und als Rebell ist er bisher auch noch nicht wirklich in Erscheinung getreten …“ Du meine Güte! Diese Gerüchte gab es? Also ja, sie hatten sich vor der Uni geküsst an seinem Geburtstag, aber er hatte sich nie weiter Gedanken darüber gemacht, was die anderen danach darüber denken könnten. Shit, so sahen ihn die Menschen hier? Seine Hände waren schweißnass und erschrocken zuckte er leicht zusammen, als ihm deswegen der Kugelschreiber aus der Hand fiel. Reflexartig beugte sich der Setter unter den Tisch, um diesen aufzuheben, als er einen leisen Pfiff vernahm. „Oha, willst du gleich beweisen, dass die Gerüchte wahr sind? Wagemutig, während der Vorlesung einen zu blasen, findest du nicht, Oikawa?“, hörte er die arrogante Stimme des Idioten hinter sich und sofort wollte er sich wieder erheben, weshalb er mit dem Hinterkopf gegen die Tischplatte knallte. „Au!“ Fuck! Das durfte doch nicht wahr sein! Die Tränen schossen ihm in die Augen und ihm war bewusst, dass das nicht nur wegen des pochenden Schmerzes in seinem Hinterkopf war. Er wollte nicht, dass ihn die Leute so sahen. Seine sexuelle Orientierung spielte doch keine Rolle! Sie sollten ihn wegen seines Charakters sehen, der nicht perfekt war, aber er hatte nun mal keinen anderen. Und sie sollten seine Leistung als Setter des Volleyballteams anerkennen! Alles andere konnte ihnen doch egal sein. Er interessierte sich schließlich auch nicht dafür, wer mit wem in die Kiste sprang und ob das gesellschaftsfähig war oder nicht! Sora diskutierte noch mit dem Typen, aber Oikawa hörte ihnen nicht mehr zu. Er setzte sich wieder vernünftig hin und starrte stur an die große Tafel hinter dem Dozenten. Warum musste dieses Gespräch so verlaufen sein? Auf die ganzen Informationen hätte er gut verzichten können. So eine Scheiße. Als würde es nicht schon reichen, dass die Leute auf der Straße immer wieder komisch zu ihnen herübersahen, wenn sie Arm in Arm spazieren gingen. Das Vibrieren seines Smartphones riss ihn abrupt aus seinen düsteren Gedanken und seine Hand schnellte zu dem kleinen Gerät. Mit zittrigen Fingern entsperrte er den Bildschirm, ignorierte das leise Johlen, als der Kerl sein Hintergrundbild sah, wo Iwaizumi schief grinste, als Toru ihm ein Küsschen auf die Schläfe gab. Es war eins seiner Lieblingsbilder, die er mit ihm hatte und er schämte sich nicht dafür. Da konnten die anderen ihn noch so anmachen, dass er einen Mann liebte. Die hatten einfach alle keine Ahnung! Die Nachricht war tatsächlich von Hajime und er atmete tief durch, dann las er sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)