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Umwege einer Beziehung

von

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Herr Tanaka

Freitag, 17.11.
 

„Es gibt da jemanden, der dich kennenlernen möchte, Oikawa. Also komm bitte mit. Er wartet bei mir im Büro“, erklärte der Trainer mit einem Lächeln auf den Lippen und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.

Irritiert nickte er kurz, sah seinem Freund hinterher, der mit den anderen in Richtung der Umkleiden verschwand und drehte sich um. Selbstbewusst schritt der Setter hinter ihm her, achtete darauf, einen sicheren Eindruck zu machen. Wer auch immer da war, sollte seine Unsicherheit nicht bemerken.

Dennoch ließ ihn die Frage nicht in Ruhe. Wer wollte ihn kennenlernen? Ihm fiel niemand ein, der hierherkommen könnte, um sich ihm vorzustellen. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl dabei. Doch Iwaizumi würde auf ihn warten, also notfalls konnte er jederzeit zu seinem Freund laufen, der ihn beschützen und in den Armen halten würde.

Der Weg war nur kurz, da öffnete der Trainer eine Tür und ließ ihn zuerst eintreten. Bisher war der Setter noch nie im Büro gewesen, weshalb er kurz den Blick schweifen ließ. Wenn er sich nicht ganz irrte, war der Raum in etwa so groß wie sein WG Zimmer, doch bei Weitem karger eingerichtet. Was nicht hieß, dass es hier nichts gab. An den Wänden hingen Poster von vergangenen Volleyball Turnieren und auf einer Kommode hinter dem Schreibtisch entdeckte er ein paar Pokale. Ob er sie als Spieler oder Trainer gewonnen hatte? Ansonsten sah alles sehr ordentlich aus, nichts lag herum, alles hatte seinen Platz.

Und am Fenster rechts von ihm stand ein Mann. Er war langgewachsen, vielleicht sogar etwas größer als er und von der Statur her erinnerte er ihn an Kana. Der Rücken wirkte drahtig und trainiert und der maßgeschneiderte Anzug saß perfekt. Er musste viel Geld verdienen, wenn er sich so etwas leisten konnte. In seinem Kleiderschrank hing ebenfalls so ein Anzug, den seine Eltern ihm bezahlt hatten und der war alles andere als günstig gewesen. Augenblicklich fragte sich Oikawa, wer der Mann war. Er verbot sich in diesem Moment weiter an Kana zu denken, das würde ihn nur ablenken und wehtun. Also konzentrierte er sich auf den Trainer und folgte ihm, stellte sich mit etwas Abstand neben ihn.

„Hallo Haruki, da sind wir.“

Bei den Worten drehte sich der Typ um und lächelte sie beide freundlich an. Irgendwas löste das in dem Setter aus, denn er spürte eine unglaubliche Nervosität in sich. Was er wohl von ihm wollte? Von vorn betrachtet hatte er kaum noch Ähnlichkeit mit dem Tänzer, schoss es ihm sofort durch den Kopf. Wenn er raten müsste, schätzte er ihn auf Anfang bis Mitte vierzig. Er trug einen kurzen Ziegenbart, das Gesicht war etwas hager und die Haare kurz und schwarz. Den aufmerksamen, grauen Augen entging nichts und als er den Trainer mit einem vertrauten Handschlag begrüßte, wirkte er sehr höflich und zurückhaltend. Langsam konnte Toru seine Ungeduld nicht mehr zurückhalten. Er wollte endlich wissen, was los war und dann zu Iwa, um mit ihm noch einen schönen Abend zu verbringen!

„Guten Abend. Sie sind Oikawa, nehme ich an?“, fragte der Mann mit einem Lächeln auf den dünnen Lippen, nachdem er sich ihm zugewandt hatte.

Reflexartig verbeugte er sich leicht, als er antwortete: „Ja, das ist richtig. Sie wollten mich kennenlernen?“

„Ja. Hat Tarou dir gar nicht gesagt, wer ich bin?“

„Nein, ich dachte mir, dass du das selbst übernehmen möchtest“, erwiderte der Trainer neben ihm und leicht verwirrt schaute er zwischen ihnen hin und her. Offenbar kannten sie sich sehr gut, wenn sie die Vornamen benutzten.

Bevor aber weitergesprochen wurde, bat der Trainer ihnen die beiden Stühle an, während er selbst hinter dem Schreibtisch Platz nahm. Sie setzten sich und der Mann holte aus der Innenseite seines Jacketts eine Visitenkarte hervor und reichte sie ihm.

Mit beiden Händen nahm Toru sie entgegen und studierte sie. Augenblick wurden seine Hände schweißnass, seine Augen weiteten sich vor Überraschung und für einen kurzen Moment hatte er Angst, dass sein Herz einfach stehen blieb.

Auf der Karte stand: Haruki Tanaka, Scout der Tokyo Samurai. Darunter noch die Kontaktdaten.

Fuck, war die echt? War der Mann neben ihm wirklich ein Talentscout des besten japanischen Volleyballteams? Und wenn ja, warum wollte er ihn kennenlernen? Doch nicht, um ihn …? Nein, das konnte nicht sein! Es gab noch so viel, was er zu lernen hatte!

„Wie du siehst, ist mein Name Haruki Tanaka und ich bin Talentscout der Tokyo Samurais. Als Volleyballer wird dir das Team sicherlich etwas sagen, oder?“

„Ja natürlich! Sie sind seit Jahren das erfolgreichste Team der ersten Volleyballliga! Die letzten fünf Jahre haben sie die Meisterschaft gewonnen und mit einer Unterbrechung vor drei Jahren seit sechs Jahren den Liga Pokal! Mehrere Spieler sind Mitglied der Nationalmannschaft, darunter Niimura, einer der besten Setter der Welt. Bei der Weltmeisterschaft im letzten Jahr war es ihm zu verdanken, dass Japan es bis ins Halbfinale geschafft hat, wo sie leider ausgeschieden sind.“

Er hätte noch weiter von dem Team vorschwärmen können, doch die lächelnden Gesichter der beiden Männer ließen ihn beschämt innehalten. Was Volleyball anging, verlor er jeglichen Anstand und brabbelte einfach drauf los, ohne Punkt und Komma.

„Das dachte ich mir. Bestens informiert. Aber nun zu dem Grund, warum ich hier bin. Immerhin ist es schon spät. Tarou hat mich informiert, dass seine Mannschaft dieses Jahr das Potenzial hat, nach langem mal wieder die Uni Meisterschaft zu gewinnen und es ein paar große Talente gibt. Daraufhin habe ich mir drei Spiele von euch angeschaut inklusive des Achtelfinales vor zwei Tagen. Das habe ich aufgezeichnet und dem Trainer gezeigt. Er war sehr angetan von eurer Leistung und insbesondere deine ist ihm ins Auge gefallen. Wir haben uns danach frühere Aufzeichnungen von Spielen angeschaut und festgestellt, dass du genau der Setter bist, den wir in Zukunft brauchen werden. Schließlich ist Niimura nicht mehr der Jüngste und brauchen einen Nachfolger für ihn. Daher möchten wir gern mit dir ab der neuen Saison zusammenarbeiten, um dich für die Position aufzubauen. Bis dahin würdest du weiterhin hier mit dem Team trainieren und hoffentlich die Uni Meisterschaft gewinnen. Wie siehst du das? Hast du Interesse?“

Der Scout schaute ihn musternd an und Oikawa nickte heftig. Ihm fehlten die Worte. DAS japanische Volleyballteam wollte ihn haben? Als Zuspieler? Der Trainer hatte seine Leistung gesehen und sie als gut genug erachtet, um ihn anzuwerben? Er durfte jetzt nicht in Ohnmacht kippen!

„Ist das wirklich wahr? Ich zukünftig bei den Tokyo Samurais?“, hauchte er ungläubig und konnte es gar nicht fassen. Das war alles so überwältigend gerade! Sein Herz hämmerte vor Aufregung gegen seinen Brustkorb, seine Wangen wahrscheinlich leicht gerötet, während seine Hände so schwitzig waren, dass er wahrscheinlich nichts mehr halten konnte. Es war ihm unbegreiflich. Er träumte das doch nicht gerade, oder!? Das war einfach zu schön, um wahr zu sein! Wenn das wirklich real war … Seine Fingerspitzen kribbelten. Am liebsten würde er sofort weiter trainieren, doch das wäre nicht gut. Sein Körper brauchte Ruhe, um sich zu regenerieren, das durfte er nicht vergessen. Gott, er musste sich in Zukunft zusammenreißen, damit Iwaizumi ihn nicht wieder anschnauzte und so zur Sau machte wie vor ein paar Monaten, wo sie eine Woche lang nicht richtig miteinander gesprochen hatten. Das wollte er nicht, aber wenn er daran dachte, dass er zu den Tokyo Samurais gehen würde … Da musste er doch in Topform sein! Seine Gedanken purzelten wild durch seinen Kopf und er atmete einmal tief durch, um sich zu fokussieren.

„Wenn wir uns für einen Vertrag einig werden, dann ja. Dann ist es wahr.“ Die Stimme des Scouts riss ihn aus seinen Gedanken und auf seinem Körper bildete sich eine Gänsehaut. Am liebsten würde er diesen Tanaka bitten, das noch fünf Mal zu wiederholen, aber er musste jetzt professionell sein, also entgegnete er: „Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen werden. Wie ist denn jetzt das weitere Vorgehen?“

„Tarou wird dir gleich noch eine Visitenkarte von einer Agentur geben. Dort wirst du einen Spielerberater bekommen, der dich bei den Vertragsverhandlungen und anderen Dingen unterstützt. Du wirst dir natürlich überlegen müssen, was mit deinem Studium ist, denn Mitglied des Teams zu werden, bedeutet Profisportler zu werden und das ist ein Vollzeitjob. Ungefähr sechs Wochen nach dem Finale der Uni Meisterschaften würdest du ins Training einsteigen, wenn wir uns für die neue Saison vorbereiten. Sobald du einen Berater hast, wird dieser sich mit uns in Verbindung setzen und wir werden uns alle zusammen zwecks eines Vertrages zusammensetzen. Es wäre dennoch gut, wenn du mir deine Daten zukommen lassen könntest, damit wir schon einmal gewisse Vorbereitungen treffen können.“

Toru nickte verstehend und schaute noch einmal auf die Visitenkarte, die er noch immer in Händen hielt. Zum Glück nur mit den Fingerspitzen, sodass sie noch nicht durchnässt war.

„Selbstverständlich.“

„Sehr gut. Also dann, ich freue mich auf deine Mail und hoffentlich auf eine Zusammenarbeit mit dir. Bis dahin viel Erfolg und ein schönes Wochenende“, meinte Herr Tanaka abschließend und alle drei Männer standen auf.

Unbewusst wischte sich Oikawa die Hand an seiner Sporthose ab und schüttelte dann die des Scouts zur Verabschiedung. Auch der Trainer verabschiedete sich von dem, doch Toru hörte ihnen nicht richtig zu. Die ganze Situation war zu viel für ihn. Sein armes, kleines Herz kam nicht hinterher und er wollte nur noch zu seinem Freund, sich in seine Arme kuscheln und das irgendwie realisieren. Was würde Iwa wohl zu dem Angebot sagen? Wäre er genauso überwältigt wie er? Würde er sich freuen? Ihm gratulieren? Das interessierte ihn brennend und so bemerkte er erst, dass Herr Tanaka gegangen war, als sich die Tür schloss. Verdammt, das war unhöflich gewesen! Er hatte doch nichts mehr zu ihm gesagt, oder?

„Das war eine gelungene Überraschung, was?“, fragte der Trainer mit einem frechen Lächeln auf den Lippen. Noch immer überwältigt nickte Toru wild und antwortete: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Es wäre die größte Ehre, für diesen Verein spielen zu dürfen! Allein schon, dass ihrem Trainer meine Leistung ins Auge gefallen ist, bedeutet mir so viel!“

„Ja, so hast du eben auch ausgesehen“, stimmte der alte Mann schmunzelnd zu und hantierte an seinem Schreibtisch herum. Aus einer der unteren Schubladen holte er ein großes, schwarzes Etui, in dem unzählige Visitenkarten sortiert waren. Mit prüfendem Blick blätterte er darin herum, bis er die gesuchte Karte gefunden hatte. Leise murmelnd, weil sie nicht so leicht herauszuholen war, brauchte er einen Augenblick, ehe er sie an ihn weiterreichte. Oikawa nahm auch diese in die Hand und studierte sie kurz. Der Name der Agentur sagte ihm etwas, denn einige berühmte Spieler arbeiteten mit ihr zusammen.

„Am besten rufst du da am Montagmorgen an und sagst ihnen, dass du zu meinem Uni Team gehörst und ein Angebot der Tokyo Samurais erwartest. Dann werden sie dir einen passenden Berater an die Seite stellen, der dir alles Weitere erklären wird, was den Ablauf angeht. Und jetzt los mit dir, hm? Es ist wirklich schon spät.“

„Ja … danke Trainer! Ich werde mich da direkt am Montag drum kümmern“, versprach er und stand auf. Respektvoll verbeugte er sich tief vor ihm, da dem Setter bewusst war, dass der Trainer einen großen Anteil an diesem Angebot hatte und schritt dann zur Tür. Er musste jetzt dringend mit Iwa reden!
 

Normalerweise lagen das Ass und er nebeneinander auf dem Sofa und kuschelten, während sie sich unterhielten oder was anschauten, doch dieses Mal war es etwas anders.

Nach dem Essen, dass sie bei Herrn Suzuki gekauft und mitgenommen hatten, hatte sich Iwaizumi wie gewohnt auf das Sofa gelegt, doch Oikawa war noch so in seinen Emotionen gefangen, dass er sich kurzerhand auf seinen Schoß setzte, die Hände auf die muskulöse Brust abstützte und den Blick von seinem Freund mit wahrscheinlich begeisterten Augen erwiderte.

„Iwa-chan! Ich kann es immer noch nicht glauben! Ich bei den Tokyo Samurais! Davon habe ich nicht mal gewagt zu träumen!“

„Wieso das denn nicht?“ Zärtlich strich eine Hand über seine leicht erhitzte Wange und das liebevolle Lächeln ließ Oikawas Herz noch schneller schlagen. Noch nie hatte er so viel Liebe, Zuneigung und Hingabe gefühlt wie in den letzten Monaten. Iwa gab sich so viel Mühe, dass sie eine schöne Zeit hatten. Er achtete darauf, dass sie am Wochenende genug Zeit zu Zweit hatten und überlegte sich oft Ausflüge oder andere Dinge, die sie dann gemeinsam unternahmen. Er war so fürsorglich und Toru hatte das Gefühl, sich vollkommen bei ihm fallen lassen zu können. Es war schon fast zu schön, um wahr zu sein. Das durfte niemals enden.

„Träumst du, Schatz?“, hakte Hajime schmunzelnd nach und der Setter blinzelte verwirrt. „Wie?“

„Na, ich habe dir eben eine Frage gestellt …“

„Ach so, ja! Ähm also … Wie war das nochmal?“ Seine Wangen glühten, denn er wusste nicht mehr, worum es ging. Viel zu sehr hatte er sich von seinen Gedanken über seinen Freund ablenken lassen. Es war einfach alles großartig! Er hatte den perfekten Mann an seiner Seite und würde bald den perfekten Job haben.

Iwaizumi lachte leise vergnügt, aber im Gegensatz zu sonst – wo er gern mal beleidigt war, wenn man ihn auslachte – entlockte es ihm dieses Mal ein Lächeln, denn das Ass lachen zu hören, war mit das schönste, was es zu hören gab. Himmel, er war wirklich bis über beide Ohren verknallt. Und er genoss dieses Gefühl so sehr!

„Wieso hast du nie von einem Vertrag bei den Tokyo Samurais geträumt?“, wiederholte Hajime schließlich die Frage und sofort antwortete er: „Na weil es doch schon der Wahnsinn wäre, in die Nationalmannschaft zu kommen! Da kann man doch nicht gleichzeitig davon träumen, auch noch in das beste Ligateam Japans aufgenommen zu werden! Auch wenn ich vielleicht anders auf die Leute wirke, so unverschämt bin ich dann doch nicht. Und Nationalmannschaft wäre mir wichtiger. Das Land bei WM’s und Olympia vertreten zu dürfen! Iwa, es kribbelt mir so sehr in den Fingerspitzen!“

„Ja, ich weiß, Schatz. Aber ich werde dich trotzdem zu deinen Pausen zwingen, damit du dich nicht überanstrengst. Denn sonst war es das mit deinem Traum und das will ich nicht. Dafür bist du schon viel zu weit gekommen“, sagte er sanft und Toru nickte. „Ich versuche mich zu zügeln, versprochen! Ich will nicht noch einmal so einen Streit …“

Leise hauchte er die Worte und sein Gesichtsausdruck wurde etwas trauriger, doch Iwaizumi kam ihm mit dem Kopf entgegen und bewegte zärtlich die Lippen gegen seine. Langsam und gefühlvoll erwiderte der Setter, ließ sich durch den Kuss seine Sorgen nehmen und legte seine Hände auf die Wangen Iwas. Dieser umschlang seinen Nacken, zog ihn mit sich runter und so ließ er sich auf ihn ziehen, legte sich auf seinen durchtrainierten Freund, der den Kuss gar nicht mehr lösen wollte.

Doch irgendwann entfernten sie sich etwas, aber nur ein Stück und bei Iwaizumis flüsternder Stimme bekam er eine Gänsehaut: „Ich will auch keinen Streit. Wir kriegen das zusammen schon hin und dann wirst du ab der nächsten Saison die Tokyo Samurais zu ihren Siegen führen, mein Meistersetter.“

Toru klemmte sich die Unterlippe zwischen die Zähne. Das klang so verführerisch. Meistersetter. Er als einer er Gründe, warum die Tokyo Samurais ihren nächsten Titel gewannen. Oh Gott, er konnte es kaum noch erwarten!



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