Amigo del alma von Vampyrsoul (Boston Boys 5) ================================================================================ Kapitel 4: Observación ---------------------- Gelangweilt sah ich durch die dreckige Scheibe auf der anderen Seite des Ganges in die Dunkelheit und ließ mich von der Bahn durchrütteln. Ich hasste Bahnfahren wie die Pest. Aber noch mehr hasste ich es, mit einem kaputten Auto durch die Gegend zu fahren, daher hatte ich meines in die Werkstatt gebracht. Irgendein Idiot hatte mir auf der Straße vor dem Haus den Spiegel abgefahren. Natürlich war der Schuldige nicht auszumachen. Dazu kam, dass ich in ein paar Tagen nach New York fahren musste, um dort Chico vom Flughafen abzuholen. Es hatte sich niemand gefunden, der ihn haben wollte, daher blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zu mir zu holen. Einerseits freute ich mich auf ihn, andererseits regte es mich auf, dass sich niemand für ihn verantwortlich fühlte. Wenigstens hatte sich Lázaro bereiterklärt, Chico nach Albuquerque zu bringen, damit er mit einem Non-Stop-Flug transportiert werden konnte. Doch für die Fahrt brauchte ich erst recht ein verkehrstüchtiges Auto. Eigentlich hatte ich schon vor zwei Stationen aussteigen wollen, doch eine Gestalt ein paar Sitzreihen weiter, die vollkommen in ein Buch vertieft war, hielt mich davon ab. Immer wieder ließ ich meinen Blick dorthin wandern. Warum musste dieser Pisser ausgerechnet in derselben Bahn fahren wie ich? Andererseits hatte ich nichts Wichtiges vor und wollte mir nur ein paar Hundewiesen in der Innenstadt anschauen, um zu sehen, ob sich ein Besuch lohnte. Also eine gute Gelegenheit, herauszufinden, in welche Machenschaften der Kerl verwickelt war, ihn vielleicht sogar auf frischer Tat zu erwischen. Immerhin hatte er mich noch nicht bemerkt. Mit etwas Glück würde es auch nicht mehr dazu kommen. »Hey.« Erschrocken sah ich auf und direkt in das Gesicht eines ziemlich großen, etwas schlaksigen Mannes mit kurzen braunen Haaren. Er grinste breit und entblößte dabei ein makelloses Lächeln, das einer Zahnpastawerbung hätte entspringen können. Er sah mir einen Moment lang unangenehm intensiv in die Augen, bevor er sich am leeren Sitz neben mir in der Reihe abstützte und zu mir herunterbeugte. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Sitzreihe, in der der Punk saß. »Wenn du ihn ficken willst, wirst du ihn ansprechen müssen. Glaub mir, von allein kommt er nicht zu dir.« »Verpiss dich, du perverse Sau!«, schrie ich ihn an und erhob mich leicht von meinem Sitz. Wie kam diese Schwuchtel darauf, dass ich ausgerechnet dieses widerliche Schwein ansprechen wollte? Und dann auch noch diese Unterstellung, ich ... Wah! Er entfernte sich etwas von mir, hielt aber weiter provokant den Blickkontakt. Lediglich das Grinsen war ihm vergangen. Ich wollte mich gerade drohend weiter erheben, damit er endlich verschwand, da kam es wieder. Er zuckte gelassen mit den Schultern und provozierte mich damit noch mehr. »Dann eben nicht. Bleibt mehr für mich.« Während er sich entfernte, hob er die Hand und wackelte zum Abschied mit den Fingern. Hätte ich mich nicht so gut unter Kontrolle, wäre ich der Schwuchtel hinterher und hätte ihm eine reingehauen. Was fiel dem ein?! Er konnte doch nicht einfach irgendwelche Leute bezichtigen, so widerlich zu sein wie er. Die Schwuchtel beugte sich genauso über den freien Sitz neben dem Punk wie zuvor bei mir. Er schien etwas zu sagen, drehte sich um und suchte über die Schulter hinweg erneut meinen Blick. Dabei grinste er mich wieder so widerlich an. Einen Moment später wurde das Buch gesenkt und ein Paar eisblauer Augen funkelte mich für den Bruchteil einer Sekunde durch Brillengläser hindurch an. Der erschrockene Ausdruck darin war Gold wert, auch wenn es mir einen Strich durch die Rechnung machte. Der Braunhaarige wurde am Kragen gepackt und auf den freien Sitz gezogen. Noch einmal sah der Punk auf, versuchte, die erschrockene Miene nun durch einen bösen Blick wettzumachen. Der Braunhaarige sah noch einmal kurz zu mir. Sein Ausdruck hatte sich geändert, da war keine Provokation mehr. Ich hätte es als Hass interpretiert, war mir aber nicht ganz sicher. Irgendetwas anderes lag noch in dem Blick. Dann drehte er sich wieder zu seinem Sitznachbarn und legte ihm einen Arm um die Schulter. Dieser rutschte unruhig hin und her, blieb aber sitzen, nachdem der Braunhaarige ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte. Sehr interessant. Hatte ich vielleicht doch noch etwas herausgefunden? Offenbar kannten sich die beiden. Es wäre interessant zu wissen, was sie miteinander zu schaffen hatten. Jedenfalls schien der Punk über den Körperkontakt alles andere als begeistert. Ich ging alles durch, was ich über ihn wusste, was leider noch immer nicht mehr war als noch vor einer Woche. Es hatte sich nichts ergeben, was mir Einblick in die versiegelten Akten verschaffte, und ein erneutes Treffen der Gruppe hatte bisher nicht stattgefunden. Dann hatte ich einen Geistesblitz. Konnte es sein, dass er nur als Mittelsmann diente? Dass er selbst noch einen Zuhälter über sich hatte? Andererseits sprach das offensive Angebot des Braunhaarigen eher dafür, dass das Geschäft mit den jungen Strichern nur ein Zusatzverdienst für den Punk war und er selbst sich ebenfalls verkaufte. Dafür sprach auf jeden Fall, dass er Buch und Brille wegsteckte und beide Männer immer wieder zu mir herübersahen, während der Größere flüsternd auf den Punk einredete. Nach dessen Blick zu urteilen, war es nichts Angenehmes. Doch wer war so verzweifelt, sich auf diesen Widerling einzulassen? Klar, er war gepflegter als der ein oder andere Stricher, den ich in meiner Zeit als Polizist bereits gesehen hatte, aber dafür sah er vollkommen kaputt aus. Ich tippte darauf, dass er einiges an Drogen zu sich nahm. Zumindest erklärte das die eingefallenen Wangen. So ganz wollte diese Erklärung jedoch auch nicht passen. Der Braunhaarige sah einfach nicht aus wie ein Zuhälter. Seine feminine Gestik und das helle Poloshirt, das unter der roten Winterjacke zu erkennen war, sprachen definitiv für eine Schwuchtel, aber das war das Gegenteil von furchteinflößend. Frustriert sah ich wieder aus dem Fenster mir gegenüber. Im Moment konnte ich nichts tun, als sitzen zu bleiben und sie weiter zu beobachten. Ich würde versuchen, mir das Gesicht des Typen genau einzuprägen, und morgen die Datenbank durchgehen. Vielleicht kam ich so weiter. Während ich immer nervöser wurde, schien sich der Punk langsam zu entspannen. Er hatte sich mit dem Arm um seine Schulter abgefunden, sogar den Kopf gegen die Schulter des anderen gelehnt, und schien nun flüsternd eine Unterhaltung zu führen. Zumindest lachte der Andere immer wieder. An mir störten sie sich überhaupt nicht mehr. Dabei wurde es immer auffälliger, dass ich ihnen folgte. Immerhin fuhr die Bahn mittlerweile oberirdisch und wir hatten den Fluss überquert. Vermutlich würden wir bald die Stadt verlassen. Dennoch hatte ich nicht vor, vor ihnen auszusteigen. Ich wollte wissen, wohin sie fuhren! Die nächste Station ›Wellington Medford‹ wurde angesagt und sie erhoben sich gemeinsam, wobei der Braunhaarige die Hand des Punks nahm, und gingen zum Ausgang. Kurz dachte ich darüber nach, ihnen zu folgen, doch das wäre viel zu auffällig. Was sollte ich in einer Vorstadtsiedlung wollen? Also blieb ich sitzen und sah den beiden durch das schmutzige Fenster hinterher. Sobald sie ausgestiegen waren, riss der Punk seine Hand los und blickte zurück zur Bahn. Bevor sie anfuhr, richteten sich die kalten Augen auf mich und er hob die Hand. Obwohl ich es nicht mehr sah, war ich sicher, dass er den Mittelfinger ebenfalls ausgestreckt hatte. Grummelig fuhr ich eine Station weiter und stieg dort aus. Eine weitere Kleinstadt und ich hatte keine Ahnung, wo genau ich war. Vielleicht war es auch noch dieselbe. Ich rechnete mir jedoch keine Chancen aus, die Kerle erneut zu finden. Zuerst wollte ich einfach am Bahnsteig stehenbleiben und direkt mit der nächsten Bahn zurückfahren, doch dann entschied ich mich, die Gelegenheit zu nutzen, mal wieder in der Natur spazieren zu gehen. Zumindest hoffte ich, dass es nicht allzu weit war, bis sich etwas Grün fand. Sobald ich am Dienstag auf der Arbeit ankam, setzte ich mich an den Computer. Dieser Kerl musste sich doch finden lassen! Da ich nicht viele Anhaltspunkte hatte, ließ ich mir zunächst alle Personen anzeigen, bei denen Verbindungen zu Watkins bekannt waren. Wenig überraschend befanden sich darunter vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Sobald ich die Suche auf Personen über 30 eingrenzte, wurden nur noch fünf Personen angezeigt. Davon waren zwei verstorben, einer deutlich zu alt, die anderen beiden stimmten vom Foto her überhaupt nicht mit dem Bahnzuhälter überein. Sackgasse also. Während ich mir einen Kaffee holte, überlegte ich mir weitere Schritte. Die gesamte Datenbank war zu groß und ich konnte mit den spärlichen Informationen, die ich über diesen Kerl hatte, die Suche nicht weiter eingrenzen. Selbst wenn ich mich nur auf die vermutete Altersgruppe zwischen Mitte dreißig und Mitte vierzig sowie Prostitutionsdelikte beschränkte, ich würde viel zu viele Treffer erhalten, um alle durchzusehen. Außerdem musste ich davon ausgehen, dass er außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Bostoner Polizei agierte. Ohne besonderen Grund konnte ich nicht einfach alle Akten aus Medford anfordern. »Sorry.« Ich war so in Gedanken, dass ich fast Murphy umgerannt hätte, der gerade ebenfalls auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz war. »Kein Problem.« Er winkte ab und ging mir aus dem Weg. »Kommst du nach der Schicht wieder mit in den Pub?« »Ich muss erstmal sehen, wie weit ich hier komme.« Bevor ich diesen Kerl nicht gefunden hatte, würde ich das Büro nicht verlassen! »Woran arbeitest du denn?« »Ich muss noch ein paar Berichte fertig machen.« Das stimmte zumindest halbwegs, ein paar warteten tatsächlich noch darauf, endlich geschrieben zu werden. Aber das hatte Zeit. Er riss die Augen auf. »Mr. Gewissenhaft hat noch unfertige Berichte? Mensch, das muss ich mir im Kalender markieren.« »Tu das, ich arbeite in der Zeit mal weiter ...« Mit diesen Worten setzte ich mich an den PC und entsperrte meinen Account, sobald Murphy sich entfernt hatte. Mittlerweile hatte ich bemerkt, dass er gar nicht so schlechte Arbeit leistete wie zunächst vermutet, dennoch war mir seine Aktion, den Punk einfach freizulassen, zu gut in Erinnerung, als dass ich ihn in meine Ermittlungen involvieren wollte. Angespannt starrte ich auf den Bildschirm und schlürfte am Kaffee. Mir musste etwas einfallen, um den Personenkreis einzugrenzen. Mit der freien Hand griff ich nach einem Schmierblatt und notierte darauf alles, was ich über den Mann wusste. Auch wenn es nicht viel war: Irgendetwas davon musste mich zum Ziel führen! Letztendlich gab es nur eine Verbindung, von der ich mir etwas erhoffte: Jemand, der an einem Sonntagnachmittag in eine Kleinstadt fuhr, hatte dort entweder Verwandtschaft oder sein Zuhause. Es würde sicher eine ganze Weile dauern, aber vielleicht half mir eine einfache Internetrecherche weiter als jede Polizeidatenbank. So groß konnte Medford doch nicht sein. War es ... Nachdem ich alle sozialen Netzwerke und die Mitarbeiterbilder der größten Arbeitgeber durchgesehen hatte, in der Hoffnung, jemand hätte familiäre Ähnlichkeit mit dem Kerl, sah ich kurz nach. Etwas über 50 000 Einwohner. Vielleicht wäre die Suche über die Datenbank doch erfolgversprechender gewesen. Nach einer kurzen Pause setzte ich mich wieder an den Rechner. Da ich nun bereits so weit gekommen war, konnte ich auch noch kleinere Unternehmen abklappern. Ich musste mich nur entscheiden, wo ich anfangen wollte. Aus dem Gefühl heraus entschied ich mich, mich von der Station Wellington aus vorzuarbeiten. Gelangweilt und mittlerweile demotiviert klickte ich mich durch die Webseiten jedes noch so kleinen Unternehmens. Selbst wenn er nur im Hintergrund irgendeines Bildes auftauchte, es hätte mich schon weitergebracht. Als mich das Zahnpastalächeln plötzlich in voller Größe angrinste, kippte ich vor Schreck fast vom Stuhl. Es brauchte einen Moment, bis ich mich gefasst hatte. Vorsichtshalber sah ich mir das Gesicht genauer an, aber ja, das war der Kerl! Das war sein überhebliches Grinsen. Meine Hartnäckigkeit hatte sich ausgezahlt! »Roger Brooks«, murmelte ich den Namen vor mich hin, der neben dem Bild stand. Warum war ich bei diesem makellosen Lächeln nicht gleich darauf gekommen, die Seiten von Zahnarztpraxen zu durchsuchen? Nun hatte ich nicht nur einen Namen, sondern auch noch seine fast lückenlose Jobbiographie. Zahnarzthelfer also ... nicht gerade die Klientel, mit der ich normalerweise in meinem Job zutun hatte. Die Erfahrung lehrte mich jedoch, dass es in jeder Gesellschaftsschicht schwarze Schafe gab. Schnell gab ich den Namen in die Datenbank ein und wurde fündig. Es gab einen Eintrag, sogar im Bereich der Sexualdelikte! Mein Gespür hatte mich also nicht getäuscht. Zu früh gefreut. Frustriert ließ ich mich im Stuhl zurücksinken. Es war nur eine Geldstrafe wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Er war aufgefallen, als er Sex in einer öffentlichen Toilette hatte. Nicht gerade das, was ich suchte. Grob ging ich die Akte durch, fand jedoch nichts, was ihn mit Watkins in Verbindung brachte. Es schien sich um ein einmaliges Ereignis zu handeln. Auch der andere Mann, den man festgenommen hatte, war ansonsten unauffällig. Schon wieder eine Sackgasse? Beim zweiten Durchgang fiel mir etwas auf: Brooks war auf Kaution bis zur Verhandlung freigekommen. ›Toby Blanchett‹ klang nicht nach einem Verwandten. Ein neues Puzzleteil, das ich nur ins Gesamtbild einfügen musste. Da ich diesmal mehr Angaben hatte, konnte ich ihn schnell im System finden und auch hier gab es einen Eintrag, der jedoch weit zurücklag. Lohnte sich das überhaupt? Nach einem Blick auf die Uhr beschloss ich, dass es einen Versuch wert war. Jetzt musste ich mir nur etwas einfallen lassen, um an die Akte zu kommen. Diese lag nämlich in New York. Um sie offiziell anzufordern war die Beweislage zu dünn. Überlegend ließ ich den Blick durchs Büro streifen, bis er an Murphy hängen blieb. Verdammt! Er hatte einmal erwähnt, dass er gute Kontakte zum NYPD hatte. Warum ausgerechnet er? Letztendlich war es meine einzige Hoffnung, also schluckte ich meinen Stolz herunter und ging zu ihm hinüber. Da er nicht gerade beschäftigt aussah, sprach ich ihn direkt an: »Murphy, kannst du mir kurz helfen?« Er lehnte sich ihm Stuhl zurück und sah mich fragend an. »Wobei denn?« »Ich bräuchte in einem Fall eine Akte aus New York. Ich hab eine Spur, aber es reicht nicht, um offiziell ranzukommen. Kannst du da eventuell was machen?« »Klar. Um welchen Fall geht’s denn?« Ich knirschte mit den Zähnen. Natürlich hätte ich ihn erneut anlügen können, aber das widerstrebte mir. »Watkins«, presste ich hervor. »Hast du dir das immer noch nicht aus dem Kopf geschlagen?«, brauste er auf. »Meléndez, du verrennst dich da in etwas!« »Ich kusche eben nicht, nur weil ich mich dann mit irgendeinem Anwalt anlegen müsste. Hör lieber zu.« In wenigen Sätzen schilderte ich ihm meine Begegnung am Sonntag und was ich bisher herausgefunden hatte. Er wirkte noch immer nicht überzeugt, gab dann jedoch mit einem Seufzen nach: »Gut, ich mach’s. Aber wenn da nichts rauskommt, dann widmest du dich endlich wieder deiner richtigen Arbeit!« Da ich ihm keine mündliche Zusage geben konnte, die ich eh nicht einhalten würde, nickte ich nur. Mahnend sah er mich über die Brille hinweg an, legte jedoch die Finger auf die Tastatur. »Wie hieß er jetzt noch gleich?« »Toby Blanchett. Danke, du hast was bei mir gut. Wann kann ich mit der Akte rechnen?« Murphy tippte den Namen ein und ließ sich dann die Schreibweise von mir bestätigen. »Vermutlich noch heute Abend, wenn sie die digital haben. Ansonsten ein paar Tage. Und wenn es hilft, dass du endlich damit aufhörst, tu ich doch alles.« Kumpelhaft klopfte ich ihm auf die Schulter und ging zurück an meinen Schreibtisch. Die Wartezeit konnte ich nutzen, um noch einmal das Internet nach diesem zweiten Mann zu befragen. Da ich diesmal einen Namen hatte, konnte ich ihn schnell ausfindig machen. Die Spur schien wieder heißer zu werden! Ein Fitnessstudio, das explizit damit warb, ein Schutzraum für Homosexuelle zu sein, klang sehr nach etwas, wohin auch der Punk sich verirrte. Auch wenn er nicht danach aussah. Vermutlich war das Ganze eh nur eine Tarnung. Nach der Webseite zu urteilen jedoch eine sehr gute. Auf den Bildern des Studios konnte ich den Punk nicht finden, dafür aber seinen Begleiter vom Sonntag. Das hieß zumindest, dass die Verbindung zwischen diesen beiden Personen noch aktuell war! Kurz vor Feierabend ging endlich eine Mail von Murphy bei mir ein: ›Hier die digitale Akte. Wie schon vermutet nichts Auffälliges.‹ Damit wollte ich mich nicht zufriedengeben. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es etwas zu finden geben musste. Auf den ersten Blick musste ich meinem Kollegen jedoch recht geben: Es war nichts Besonderes, lediglich ein Diebstahlsdelikt als Jugendlicher. Er wurde beim Klauen in einem Drugstore erwischt, das Verfahren jedoch gegen eine Jugendhilfemaßnahme eingestellt. Nichts, was nicht die meisten Jugendlichen getan hätten. Die wenigstens kamen jedoch lediglich mit ein paar Wochen in einem Sommercamp für delinquente Jugendliche davon. Das klang aus meiner Sicht schon eher nach einer Belohnung. Moment! Der Name des Camps kam mir bekannt vor. Schnell öffnete ich Watkins’ Akte und überflog sie. Ein triumphierendes Lachen entrang sich meiner Kehle, als ich es endlich fand. Der Punk war ebenfalls in dieses Camp geschickt worden; im selben Jahr! Das konnte kein Zufall sein. Murphy hatte meinen Ausbruch bemerkt und kam zu mir herüber. »Was hast du denn jetzt schon wieder?« »Da, siehst du das?« Ich deutete auf die Einträge in den beiden Akten. Er warf einen langen Blick darauf, schien zunächst zu suchen, worauf ich hinauswollte, dann zuckte er mit den Schultern. »Na und, die beiden waren im selben Sommercamp. Das kommt vor. Weißt du, wie viele Jugendliche dort jedes Jahr hinfahren?« »Aber gerade diese beiden im selben Jahr?« »Zufälle passieren. Im gleichen Jahr heißt noch lange nicht, dass sie auch gleichzeitig dort waren. Selbst für diesen unwahrscheinlichen Fall: Das ist 25 Jahre her. Meléndez, ernsthaft, du jagst nach einem Phantom und siehst bereits Gespenster.« Grummelnd schloss ich die Fenster und fuhr den Computer herunter. Ganz Unrecht hatte er nicht. Das waren schon alles etwas viele Zufälle und im Moment fehlten mir die Möglichkeiten, das näher zu überprüfen. »Ah, das heißt, du kommst mit? Sehr gut, dann beeil dich, Chang und Stevenson warten sicher schon in der Bar auf uns.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)