Haikyu - Kagehina von Scharon (Zwischen Freundschaft und verwirrenden Gefühlen) ================================================================================ Kapitel 1: Fernweh (Hinata) --------------------------- „Hinata!“ Ich sehe auf, als Daichi meinen Namen ruft. Erst eine halbe Sekunde später realisiere ich, dass ich auf dem Feld stehe. Wir sind mitten im Training und ich träume vor mich hin. Viel zu spät springe ich hoch, für den Block und der Ball saust über meinen Kopf hinweg. „Tut mir leid.“, presse ich verärgert hervor. Nishinoya kann den Ball annehmen und der Angriff baut sich auf. Es dauert ein paar Ballkontakte, dann bin ich wieder voll in meinem Element. Die Annahmen funktionieren mittlerweile ganz passabel, zumindest beschwert sich niemand mehr pausenlos, so wie es am Anfang gewesen war. Konzentriert passe ich mich dem Spiel an. Es läuft gut, wir holen die nächsten zwei Punkte. Satzball. Ich lecke mir über die Lippe. Jetzt können wir uns den Satz holen. Ich werde einen super Angriff starten. Das Spiel baut sich auf, dann kommt mein Moment. Daichi hat die Annahme gemeistert, spielt den Ball hoch in Richtung Netz. Ich laufe an, mit hoher Geschwindigkeit, dann schieße ich in die Höhe. „Kageyama, spiel ihn zu mir.“ Ich hole aus, der Ball kommt zu mir. Ich erwische ihn leicht seitlich, doch er geht übers Netz. Er fliegt auf Asahi zu, der ihn nur schlecht annimmt, landet im Aus. Ich komme wieder am Boden an und sehe zu Asahi, der doch sonst super Annahmen macht. Er starrt mich an. Ich blinzele irritiert. Dann sehe ich zu meinen Teamkameraden, die mich irritiert ansehen. Tanaka zieht die Augenbrauen verächtlich hoch. „Also echt...“ Ich sehe zum Zuspieler. Sugawara lächelt verlegen, als sich unsere Blicke treffen. Sugawara. „AH!“, rufe ich von mir selbst erschrocken und verneige mich entschuldigend. „Es tut mir leid, Sugawara! Ich war so im Spiel drin, ich habe dich beim falschen Namen gerufen!“ Ich schlage mir die Hände auf den Kopf. „Bitte, verzeih mir....“ „Ach, halb so wild.“, winkt er lächelnd ab. „Nein, das war blöd von mir...“ Ich bleibe mit gesenktem Blick stehen. Das ist nicht mein Kopf, der da gesprochen hatte. Es ist mein Herz gewesen. Ein Wunschdenken. Ein Gefühl, das mich einfach nicht los lässt. Ich spüre die Wärme auf meinen Wangen. Scham, Wut und Verzweiflung teilen sich meine Brust. Zwei Monate ist es jetzt schon her, das er fort ist. Wahnsinn. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Es fühlt sich komisch an, ohne ihn. Ich fühle mich komisch an. Es fühlt sich falsch an. Es fühlt sich falsch an, dass ich hier auf dem Feld stehe, ohne ihn. Ich fühle mich falsch an. Als hätte ich kein Recht hier zu sein. Vielleicht ist das wirklich so. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass nichts mehr so ist wie früher. Ich wollte doch immer mehr, mehr als jetzt, mehr als heute. Doch alles was mich erfüllt, ist die Empfindung nicht gut genug zu sein. Für alles. Ich habe das Gefühl, ich wäre stehen geblieben, würde nur noch auf der Stelle treten. Ich kann den anderen dabei zusehen, wie sie an mir vorbei ziehen. Alle entwickeln sie sich weiter, die Spielzüge sind besser den je. Es sei denn, ich bin daran beteiligt. Schmerzlich wird mir wieder einmal bewusst, dass ich mich die ganze Zeit viel zu sehr darauf verlassen habe, ihn in meinem Rücken zu wissen. Es ist alles so anders. Das macht mir Angst. „Wirklich. Ich bin dir nicht böse.“, sagt Sugawara freundlich und klopft mir auf die Schulter. Ich sehe zu ihm auf. Meine Sicht ist verschwommen, von den Tränen in meinen Augen. „Hinata...“ Seine sanfte Stimme dringt nur schwach durch meine rauschenden Ohren. Ein Schluchzen entweicht meiner Kehle und die Tränen beginnen zu fließen. Ich fühle mich so zerrissen, es geht nicht mehr. Ich kann es nicht mehr zurückhalten. Es muss raus. Ich schnappe nach Luft, reibe mir verzweifelt durch die Augen, während immer neue Tränen nachfließen. „Es tut mir leid...“, bringe ich gebrochen hervor. „Hey, was ist denn los?“, spricht Daichi, voller Mitgefühl. „Weil er Suga falsch angesprochen hat?“, höre ich Tanaka fragen. „Ich denke, da steckt mehr dahinter.“, antwortet ihm Daichi. „Kann das sein?“ Ich weiß, dass er mich damit anspricht. Was soll ich sagen? Alles was mir einfällt ist die Wahrheit. „Ich vermisse ihn...“, schniefe ich, reibe weiter durch meine Augen. Einen kurzen Moment ist Stille, dann spüre ich einen Arm über meinen Schultern, der mich aus dem Gleichgewicht bringt. „Ach, Hinata....“ Ich sehe auf, in Nishinoyas grinsendes Gesicht. „Dafür brauchst du dich nicht schämen, du musst nicht weinen.“ Ich blinzele verwirrt, während weitere Tränen fließen. „Wir alle vermissen ihn.“ Ich sehe ihn überrascht an. Als mein Blick durch die Runde schweift, sehe ich Nicken und zustimmendes Lächeln. „Ja.“ „Auf jeden Fall...“ „Ehrlich?“, dringt es aus meinem Mund. „Na klar.“, lacht Noya und schüttelt mich. „Und wir wissen auch, dass gerade du es schwer hast, weil er weg ist.“ Ich senke den Blick. „Ja, du musst noch am meisten an dir arbeiten.“, bestätigt Tsukishima. „Das weiß ich...“, sage ich schmollend. „Aber weißt du was?“ Ich sehe zu Sugawara auf. „Das schaffen wir.“ Er schlägt die Faust in seine offene Hand. "Wir sind nämlich alle hier und werden gemeinsam an uns arbeiten.“ Ein leichtes Lächeln formt sich auf meinem Gesicht. Er hat Recht. Ich bin nicht alleine. Die anderen sind ja da und werden mir helfen. „Danke.“, flüstere ich. Mein Lächeln ist schief. „Klar, wir können Kageyama nicht ersetzen.“ Ich sehe ihn traurig an. „Wenn du ihn so sehr vermisst, dann ruf ihn doch an.“ Ich lege den Kopf zu Seite. Ich soll ihn anrufen? Einfach so? Was denkt er dann? Das ich eine Heulsuse bin... „Weißt du, ich glaube, er würde sich freuen.“ „Meinst du?“, sage ich ungläubig. Suga lächelt mich an. „Ja. Du musst auch mal daran denken, wie er sich fühlt.“ Ich blinzele überrascht. „Er ist da draußen unter jede Menge Fremden, die alle seine Konkurrenten sind. Und er ist ganz alleine.“ Stimmt. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. „Es tut ihm bestimmt gut, mal eine vertraute Stimme zu hören.“ Sugas Stimme klingt freundlich, wie immer. Ich nicke. „Gut, können wir dann weiter machen?“, fragt Tsukkishima ungeduldig und wir setzen das Training fort. Der Gedanke daran, heute Abend Kageyamas Stimme zu hören, ist irgendwie beruhigend. Ich freue mich sogar ein bisschen darauf. *** Ich sehe mein Handy lange an. Was soll ich nur sagen? Ich sitze im Schneidersitz auf meinem Bett, in Tshirt und Boxershorts. Ob er mich aufziehen wird? Ich rolle mich auf den Rücken. Vielleicht geht er auch gar nicht dran. Ich drehe mich auf den Bauch. Aber ich möchte seine Stimme hören. Das will ich wirklich. Ich wähle seine Nummer aus und drücke das Handy an mein Ohr. Tuut. Warum bin ich so aufgeregt? Tuut. Es ist doch nur Kageyama. Tuut. Ich habe schon unzählige Male mit ihm gesprochen. „Ja?“ Mein Atmen stockt. „Hinata?“ Seine Stimme läuft mir warm den Rücken hinunter. „Hallo?“ Ich muss was sagen! „Ähm, ja! Hi.“, bringe ich spontan heraus. „Hi. Ich bin überrascht, dass du anrufst.“ Ja, ich auch. „Nun, weißt du... Ich... Ich wollte mal nach dir hören.“ „Ach so?“ Ich wechsle das Ohr. „Ja. Wie geht es dir?“ Eine kurze Stille erfüllt den Raum. Ist er so überrascht, dass ich das frage? „Ähm, gut.“, sagt er schließlich. „Schön.“ Erleichterung schwingt in meiner Stimme mit. „Es ist ziemlich anstrengend hier.“ Das dachte ich mir schon. „Klar, du spielst jetzt bei der Elite mit.“, sage ich lächelnd. „Ja, der Druck ist schon ziemlich hoch. Ich muss mich anstrengen, um hier mithalten zu können. Ich bin der schlechteste hier.“ Das kann ich mir gar nicht vorstellen. „Wir haben sechs Stunden Training, jeden zweiten Tag und...“ Er beginnt zu erzählen. Wie das Training abläuft, wer sonst noch da ist, was es zu essen gibt. Ich lasse ihn reden, genieße es ihm zuzuhören, seine Euphorie zu spüren. „Gefällt es dir?“, frage ich als er eine längere Pause macht. „Ja. Es ist toll.“ Seine Stimme klingt ehrlich, was mich sehr freut. „Und bei dir?“ Mein Lächeln verschwindet. Ich hätte mit der Frage eigentlich rechnen können, habe es aber nicht. Und so trifft sie mich wie ein Schlag. In meinem Kopf erscheinen Bilder, wie ich auf dem Spielfeld träume, wie ich die Annahme versaue, den Block nicht schaffe. All die Zweifel, die ich kurz verdrängt hatte, kommen hoch. Ich fühle mich schrecklich einsam. „Gut.“, lüge ich mit wackliger Stimme. Eine kurze Stille setzt ein. „Du lügst.“ Ich erschrecke mich. „Du klingst nicht, als wäre alles gut. Was ist los?“ Wie kann er mich so durchschauen? Dabei kann er mich nicht mal sehen. „Es ist nicht so einfach...ohne dich.“, lenke ich ein. „Wieso?“, fragt er überrascht. Ich senke den Blick, lege meine freie Hand auch ans Telefon. „Ich vermisse dich.“ Stille. Ich atme ein. „Mir fehlt dein Zuspiel und wie du mich umher kommandierst...“ Ich reibe mir eine Träne aus den Augen. „Du fehlst hier...“ „Hinata...“ Seine leise Stimme fährt mir direkt ins Herz. Ich muss ein Schluchzen unterdrücken. Was ist nur los mit mir? Warum bin ich so sensibel? „Heulst du?“ Ich kneife die Augen zusammen. „Was? So ein Quatsch!“, rufe ich aufgebracht. „Du bist echt ein Idiot.“, hallt seine Stimme an mein Ohr. Verärgert ziehe ich eine Schnute. Ich schütte ihm hier mein Herz aus und er beleidigt mich einfach. Stille. Schmollend warte ich. Dann höre ich, wie er einatmet. „Ich vermisse euch auch.“ Was?! „Hier ist alles neu. Ich könnte ein bisschen Routine vertragen.“ Ich lege den Kopf zur Seite. Das kann ich tatsächlich verstehen. „Ich auch.“ Stille. „Ich komme euch besuchen.“ „Was?“ Überrascht drücke ich das Handy fester an mein Ohr. „Wir haben nächstes Wochenende frei. Dann komme ich zur Schule und trainiere mit euch. Wenn ich darf.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Lächeln in seiner Stimme liegt. Ein breites Grinsen zieht sich über mein Gesicht. „Das wäre toll.“ „Super.“ Ich lache. „So gefällst du mir besser.“ Ich stocke. Was meint er denn jetzt plötzlich damit? „Bis dann, Hinata. Danke, dass du angerufen hast.“ „Oh, ja, gerne.“ „Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Ich höre, wie er auflegt. Einen Moment verharre ich so, bis das Freizeichen in meinem Ohr ertönt. Ich sehe mein Handy an, lege mechanisch auf. Er kommt her. Er kommt wirklich her! Ich schnappe mir mein Kissen und drücke es fest an mich. Nächstes Wochenende kann ich wieder mit ihm auf dem Spielfeld stehen. Glücklich grinsend rolle ich über mein Bett und stelle mir vor, wie er vor mir steht. Ich will das er mir den Ball zuspielt. Ich will es unbedingt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)