Hate That I Love You von SocialDistortion ([OikawaxOC]) ================================================================================ Kapitel 1: when reality strikes back ------------------------------------ ● • . Asuna war müde. Sie war müde von der Hitze und vor allem müde von ihren Gedanken. Nicht mal das ruhige Plätschern des Wassers half ihr, sich völlig zu entspannen. Immerzu war da dieser kleine Sturm in ihrem Inneren, der stetig größer wurde. Dennoch schloss ihre Augen, verschränkte ihre Arme auf dem Beckenrand und legte ihren Kopf darauf ab. Sie versuchte ihr Bestes, sich auf die Ruhe zu konzentrieren. Ruhe, die kurz vor Mitternacht auf dem Dach des Wohnhauses zu Genüge auffindbar war. Tagsüber würde die 18-Jährige auch nie auf die Idee kommen, in diesen Pool schwimmen zu gehen. Den Lärm der spielenden Kinder brauchte sie nicht unbedingt. Den Lärm und die spielenden Kinder, wenn sie ehrlich war. Sie würde deshalb behaupten, dass es vermutlich eine ihrer besten Ideen war, die Schlüsselkarte des Hausmeisters für ein wenig Geld geliehen zu haben. Asuna konnte so die Stille auf sich wirken lassen, während das Wasser um ihren Körper ihre Muskeln nach und nach entspannte. Eigentlich war sie nie ein großer Fan von Wasser gewesen, aber gerade jetzt hatte es eine angenehme Wirkung auf sie. Und die Hand, die gerade ihre Seite entlang strich, trug maßgeblich dazu bei. »Als du mir geschrieben hast, dass ich den Fahrstuhl bis ganz nach oben verwenden soll, habe ich nicht damit gerechnet.« Asuna drehte sich nicht um, sondern verharrte in dieser Position. Bei der amüsierten Stimme musste sie lächeln, während sich aufgrund der sanften Berührung eine dezente Gänsehaut bildete. Sie konnte verstehen, dass es faszinierend war, nachts hier zu sein. Der Pool entfaltete erst im Dunkeln seine Schönheit. Vor allem da die verglaste Seite einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt und somit die Lichter bot. »Beeindruckend, oder?« »Mhm«, erwiderte er kurz und bündig. Dabei hatte er kein einziges Mal die Augen von ihr genommen. Sie spürte, wie seine Finger am Bund ihrer Bikinihose verharrten. Diese Geste veranlasste die Dunkelblonde, ihre Augen zu öffnen und ihren Kopf zu heben. Sie sah über ihre Schulter. »Das habe ich sehr vermisst, wenn ich ehrlich bin«, gab sie zu und musste ein zufriedenes Seufzen unterdrücken, als er ihr so nahe war, sodass sie seinen harten Oberkörper an ihrem Rücken spüren konnte. »Ich auch. Außerdem bin ich der Meinung, dass wir das nie beenden hätten sollen.« Mit einem Schmunzeln schob er den Stoff weiter nach unten. Asuna holte tief Luft und wollte sich umdrehen, doch Tōru stoppte sie, indem er ihr linkes Handgelenk packte und sie mit seinem Körper fest gegen den Beckenrand drückte. Sie biss sich auf die Lippen. Es machte sie ungemein scharf, dass er so herrisch reagierte. Dass er ihr klar machte, wer hier das gerade jetzt das Sagen hatte. »Wir haben viel kostbare Zeit verloren, weißt du das?« »Was willst du jetzt dagegen tun?«, fragte sie leise und hoffte, dass die Antwort ihren Vorstellungen entsprach. Sie hatte in den letzten Wochen oftmals an ihn gedacht. Insbesondere an ihn, wie er jeden Zentimeter ihres Körpers erkundete und wie er unzählige elektrische Stöße durch jede einzelne Nervenbahn schickte. Nie hatte sie es gewagt, ihn anzurufen. Jedes Mal hatte sie gezögert. Nicht heute. Sie wollte ihn. Sie brauchte ihn. »Wenn du mich nett bittest, zeig ich es dir.« Er schmunzelte abermals belustigt, auch wenn sie es nicht wirklich sehen konnte. Dafür kannte sie ihn zu gut. Seine Hand, die von ihrer Seite abgelassen hatte und nun über ihren Bauch fuhr, waren ebenfalls Beweis genug. Es sorgte dafür, dass sich jeder Muskel ihres Körpers ungeduldig zusammenzog. Asuna lehnte ihren Kopf nach hinten. Sie war Wachs in seinen Händen, sobald er sie auch nur ansatzweise berührte. Es ärgerte sie und gleichzeitig flehte sie nach mehr. Sie war ihm völlig ausgeliefert und dabei hatten sie dieses Spiel gerade erst begonnen. »Ich bitte nicht. Nie. Das weißt du«, erwiderte sie bestimmend. »Vielleicht sollte ich dich dazu bringen, mich zu bitten.« Seine Stimme war leise, aber das milderte nicht den verführerischen Unterton, welcher in ihr ein aufgeregtes Kribbeln auslöste. Asuna schwieg, was ihr ungemein schwerfiel. Vor allem, als seine Hand flüchtig über den dünnen Stoff zwischen ihren Beinen strich und er seine Lippen auf ihrem Hals platzierte. Das Brennen in ihrem Inneren machte sie verrückt. Er machte sie verrückt. »Versuch es«, murmelte sie, da sie einfach nicht in der Lage war, mehr Wörter herauszubringen. Viel zu sehr war sie auf seine Berührungen fokussiert. Berührungen, die sie bereits vor einem Jahr mit jeder Faser ihres Körpers genossen hatte. »Liebend gerne«, raunte er. Er entfernte den Griff um ihr Handgelenk und legte seine Hand stattdessen auf ihre Taille. Mit seiner anderen löste er den Knoten, welcher ihr Oberteil an ihrem Rücken zusammenhielt. Indes ließ er es sich nicht nehmen, federleichte Küsse auf ihrem Hals zu hinterlassen. Asuna schloss ihre Augen und biss sich auf die Lippen, als seine Finger unter den gelockerten Stoff fuhren. Sie erinnerte sich an die vielen Momente, die sie gemeinsam geteilt hatten. Diese intimen Stunden, bevor sich ihre Wege wieder getrennt hatten. Jedes Mal lösten seine Berührungen, mochten sie auch noch so klein, überwältigende und fast schon surreale kleine Explosionen aus. Sie hatte sich immer gefragt, wie er das machte. Wie er sie verdammt noch mal dazu bringen konnte, dass in ihrem Kopf nichts anderes vorhanden war als er. Vielleicht war es die Art, wie er sie berührte. Nicht ruppig und egoistisch. Nein. Im Gegenteil. Sie wollte nicht das Wort leidenschaftlich benutzen, aber sie tat es. Es war leidenschaftlich. Er entfernte seine Hand, die nach wie vor unter dem Oberteil verweilt hatte. Beinahe hätte sie enttäuscht geseufzt, doch als er stattdessen die Schlaufe an ihrem Nacken öffnete, konnte sie ein zufriedenes Schmunzeln nicht zurückhalten. Besagtes Oberteil rutschte beinahe quälend langsam nach unten und entblößte Asunas Brüste zur Gänze. Wie, als wäre es das Normalste der Welt, richteten sich die Augen des Setters auf die freigelegte, nackte Haut. Selbst in ihrer eigenen Welt war sein faszinierender Blick so deutlich zu spüren wie das aufregende Brennen, welches seine Berührungen auslöste. Seine andere Hand ließ er indes tiefer gleiten und stoppte kurz vor dem Hosenbund. Asuna hatte Mühe, nicht unruhig zu werden. Er liebte es zu spielen und er liebte es, sie warten zu lassen. Für die Schülerin, die diese Vorliebe kennen sollte, war es noch immer nichts, womit sie sich abgefunden hatte. Deshalb zischte sie nur ungeduldig auf und schob ihr Becken nach hinten, sodass sie eindeutig spüren konnte, dass nicht nur sie bereits Gefallen an dem Treffen gefunden hatte. Fuck. Diese Härte verursachte ein aufregendes und bittersüßes Zippen in ihrem Unterleib. Einerseits war es eine Genugtuung, dass ihn die Nähe nicht kalt ließ, andererseits machte es ihr Verlangen nur noch unerträglicher. Tōru lachte leise hinter ihr. Die Vibration seines Körpers ging in ihren über. »Wieso immer so ungeduldig, Asuna?« Tōru war ihr so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Es verursachte eine Gänsehaut auf ihrem Körper. Ihr Name aus seinem Mund war wie Musik in ihren Ohren. Insbesondere wenn dieser verführerische Unterton mitschwang. »Das liegt...«, sie schnappte nach Luft, als er seine Finger ganz unschuldig und völlig nebensächlich unter ihre Bikinihose wandern ließ, »...ausschließlich an dir.« Ihre Atmung wurde unregelmäßig, als er anfing, seine Hand gezielt zu bewegen. Sie war sich sicher, dass sie nicht lange brauchen würde. Nicht, wenn Tōru derjenige war, der hinter ihr stand und sie dazu brachte, vor Lust aufzustöhnen. Wer, wenn nicht er, wusste, was ihr gefiel? »Damit kann ich leben.« Mit diesen Worten ließ er zwei Finger in sie gleiten. Asuna entkam ein heiseres Stöhnen, welches sie nicht länger zurückhalten konnte und wollte. Ihm absolut verfallen, drückte sie ihr Becken nach vorne. Sie war scharf auf Oikawa Tōru und schmiss einen Teil ihres Stolzes über Bord, als sie ihm dies so offensichtlich zeigte. Fuck! Wie hatte sie nur so lange ohne seinen talentierten Fingern überleben können? Ihre linke Hand suchte Halt bei seinem angespannten Arm, sodass sie die arbeitenden Muskeln deutlich spüren konnte. »Du weißt, was ich hören möchte«, raunte er ihr plötzlich zu, stoppte aber nicht seine Bewegungen. Es war schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren, während sich seine Finger so geschickt in ihr bewegten. Aber natürlich wusste sie es. Natürlich würde sie es nicht sagen. Natürlich war ihm das bewusst. »Nicht so viel reden, lieber mehr machen«, brachte sie atemlos hervor. Tōru lachte leise und zog zu Asunas Missgunst seine Finger zurück. Sie wollte sich bereits beschweren, doch ihre Worte blieben ihr im Hals stecken, als er sie mit einer geschickten Bewegung umdrehte. Er drückte sie abermals bestimmend gegen den Poolrand und aus Reflex schlang sie ihre Beine um seine Hüfte. Sie hatte nicht viel Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen, denn Tōru ließ es sich nicht nehmen, seine Finger wieder in ihre heiße Mitte zu versenken. Dieses Mal hatte es aber etwas Bestimmendes an sich. Etwas Forderndes. Asuna liebte es. Sie schloss ihre Augen und legte ihren Kopf in den Nacken. Ein Stöhnen kam ihr über die Lippen und wie eine Ertrinkende suchte sie Halt, indem sie eine Hand in seinen Nacken legte. Die andere platzierte sie auf seinen Oberkörper. »Ich habe es tatsächlich sehr vermisst, dich stöhnen zu hören.« Seine Stimme hatte einen dunklen Unterton. »Und ich habe es vermisst, der Grund für dein Stöhnen zu sein.« Asuna öffnete ihre Lider und sah ihm so direkt in die Augen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schneller als üblich. Nicht viel trennte sie von einander. Die Spannung zwischen ihnen war beinahe mit den Händen greifbar und das Knistern mit den Augen sichtbar. Sie biss sich fest auf die Lippen und schob mit ihrer freien Hand seine Shorts ein Stück nach unten. Damit unterstrich sie ihre nächsten Worte. »Dann sei der Grund, mich zum Schreien zu bringen.« Tōru schien ihre Forderung als Anlass zu sehen, seine Pläne zu ändern. Er zog zum zweiten Mal in kurzer Zeit seine Hand zurück, überbrückte aber ohne zu zögern den geringen Abstand zwischen ihnen. Begierig legte er seine Lippen auf ihre. Asuna konnte ein zufriedenes Seufzen nicht zurückhalten, als seine Zunge um Einlass bat, welchen sie ihm nur zu gerne gewährte. Der Kuss war elektrisierend und geprägt von dem Verlangen nach mehr. Verlangen, welches seit Wochen in ihnen schlummerte und endlich gestillt werden konnte. Viel zu lange hatten sie hiermit gewartet, doch nun jagte durch ihren Körper wieder der Schauer, denn sie bereits vor einem Jahr bei dieser Party verspürt hatte. Schuld war der leidenschaftliche Kuss, der ihr jegliche Sinne raubte. In einem schier unmöglichen Tempo schlug ihr Herz bis zum Hals und Asuna fragte sich, ob diese enorme Reaktion bei seinen Küssen irgendwann nachlassen und ob sie sich irgendwann an seine Berührungen gewöhnen würde. Sie zweifelte daran. Genauso zweifelte sie daran, dass sie jemals genug davon bekommen würde. Ihre Finger suchten den Weg in seine Haare, während er sie noch näher an seinen Körper zog. Sie spürte deutlich, dass es mindestens genauso so gefiel wie ihr. Der Gedanke und die Härte, die sie dank ihm zwischen ihren Beinen verspürte, erregten sie ungemein. Asuna holte tief Luft, als sie den Kuss kurz unterbrachen. Ihre Atmung ging flach, als sie auf ihrer geschwollenen Unterlippe kaute. Ihre Wangen mussten einen unüblichen Rotton angenommen haben. Dennoch dachte sie nicht lange daran, denn Tōru sah sie mit diesem Blick an, der ihr die Sprache verschlug. Seine Haare waren aufgrund ihrer Finger zerzaust und seine Augen funkelten trotz des spärlichen Lichtes des Pools. »Weißt du eigentlich, wie schön du bist?«, brachte er schließlich nach kurzem Schweigen heraus und sorgte dafür, dass Asuna bei diesen Worten stockte. Worte, die ihm scheinbar einfach über die Lippen gekommen waren. Es war nicht das erste Mal, dass ihr jemand dieses Kompliment machte, aber es war das erste Mal, dass es etwas in ihr auslöste. Dass es etwas bedeutete. Sie holte abermals tief Luft und drehte ihren Kopf auf die Seite. Sie hatte nicht unendlich viel Zeit, um über diese Aussage nachzudenken. Langsam ließ sie ihre Arme sinken und drückte ihre Nägel in seine Schultern. Sie war verwirrt über das Kompliment und verwirrt über den Blick, mit dem er sie förmlich durchbohrte. Nur zu deutlich spürte sie ihr Herz unangenehm unregelmäßig und fest in ihrer Brust schlagen. Was tat er mit ihr? Wieso fühlte sie stets so viel, wenn er seine Arme um sie gelegt hatte und ihr so nahe war? Tōru brachte einen geringen Abstand zwischen ihnen, doch nicht für lange. Asuna lockerte ihre Beine und spürte, wie seine Hand ihren Oberschenkel entlang strich. Sie hielt seinem Blick stand. Selbst als seine Finger den Stoff zu ihrer intimsten Stelle zur Seite schob. Ein aufregendes Kribbeln zog sich durch ihren gesamten Körper und ihre Ungeduld stieg ins Unermessliche. Sie drückte abermals ihr Becken nach vorne und hielt gespannt die Luft an, als sie sein Glied an ihrem Eingang spüren konnte. Sie wollte nicht mehr warten und musste auch nicht. Tōru erlöste sie mit einer einzelnen und bestimmenden Bewegung und drang in sie ein. Völlig in diesem überwältigenden Gefühl gefangen, schloss Asuna ihre Augen. Schwere Atmung und lustvolles Stöhnen hallte über das Dach des Wohnhauses. Ihre Fingernägel krallten sich erregt in seinen Rücken, hinterließen eindeutige Spuren. »Sieh mich an«, forderte er plötzlich atemlos und sanft. Asuna hinterfragte dies nicht, sondern öffnete prompt ihre Lider, doch anstatt Tōrus Gesicht erblickte sie die Umrisse ihrer Zimmerdecke. Was zum...? Mit rasendem Herz bewegte sie sich keinen Zentimeter. Ihr übergroßes Shirt, welches sie zum Schlafen trug, haftete an ihr wie eine zweite Haut, und auch ihre Strähnen klebten unangenehm auf der Stirn. Sie fühlte sich, als wäre sie einen Marathon gerannt. Nicht schon wieder, schoss es ihr gequält durch den Kopf. Sie legte ihren Unterarm über ihre Augen und versuchte, ihren Puls zu beruhigen. Die Hitze zwischen ihren Beinen ließ hingegen kaum nach. Vor fast vier Wochen hatte sie die Sache mit Oikawa beendet und irgendwie waren seitdem selbst ihre Träume gegen sie. Wie, als würden sie ihr sagen wollen, dass es ein Fehler gewesen war. Sie konnte es sich nicht erklären, denn eigentlich bereute sie ihre Entscheidung nicht. Gut, vielleicht dachte sie ab und zu an den atemberaubenden Sex mit ihm, aber das war es auch schon. Das konnte aber nicht der Grund dafür sein, von ihm zu träumen. Wieso wachte sie also zum dritten Mal seit dem Ferienbeginn völlig außer Atem auf? Genervt drehte sie sich auf den Bauch und drückte ihr Gesicht in das Kissen. Einen weiteren Traum mit Oikawa in der Hauptrolle würde sie nicht überleben. Und was sollte dieses übertriebene Setting überhaupt? Ein Pool auf dem Dach dieses Wohnhauses existierte auch nicht. Asuna brummte gedämpft in den Polster und drehte sich anschließend auf die Seite. Sie griff nach ihrem Handy und drückte den Button. Fast halb sechs Uhr morgens. Das würde auch die Sonne erklären, die ihr Zimmer erhellte. Toll. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Gerädert erhob sie sich und machte sich mit frischer Kleidung auf den Weg ins Bad. Sie brauchte dringend eine eiskalte Dusche. Ihre Gedanken waren...noch immer nicht dort, wo sie eigentlich sein sollten. Umso mehr genoss sie das kühle Wasser auf ihrer erhitzten Haut und stand länger unter der Dusche als sonst. Mit feuchten Haaren und luftiger Kleidung ging sie schließlich in die Küche und tippte dabei auf ihrem Handy herum. Sie schrieb Jana. Asuna Es ist schon wieder passiert!!! Sie brauchte nicht erwähnen, was genau sie damit meinte. Ihre Freundin würde Bescheid wissen. Asuna legte ihr Smartphone auf dem Esstisch ab und schaltete den Radio ein. Irgendein Lied aus den Charts erfüllte die großzügige Wohnung und machte diese weniger leer. Da es noch recht früh war und sie ohnehin nichts zu tun hatte, machte sie sich etwas zu essen. Reis, Misosuppe und gegrillter Lachs. Obwohl westliches Essen deutlich schneller gehen würde, bevorzugte sie die japanische Tradition eines aufwendigen Frühstücks. Mit einem Kaffee, auf den sie dann doch nicht verzichten wollte, und vollen Tellern saß sie am Esstisch. Alleine. Ihre Eltern würden erst übermorgen wieder von ihrem Urlaub aus Paris wieder kommen. Sie seufzte und sah auf ihr Handy, während sie ihre Tasse in die Hand nahm. Jana hatte ihr tatsächlich zurückgeschrieben. Fast schon ungläubig checkte Asuna die Uhrzeit. Sieben Uhr. Mehr als nur früh für ihre Freundin, die das Bild eines typischen Langschläfers verkörperte. Kopfschüttelnd las sie die Antwort. Jana Das war jetzt das dritte Mal. Langsam würde ich mir sorgen machen. Oder zumindest etwas dagegen tun. Asuna Was denn? Ich steh nicht so auf Selbstbefriedigung. -.-' Seit wann bist du eigentlich freiwillig so früh auf? Hast du bei Iwa geschlafen? Die 18-Jährige aß in Ruhe ihr Frühstück, während sie über die Worte ihrer Freundin nachdachte. Sie war niemand, der sich sofort einen...Ersatz suchen würde. So dringend hatte sie es nicht nötig. Auch wenn ihre Träume etwas anderes vermittelten. Außerdem...gab es keinen Ersatz für Oikawa Tōru. Jana Triffst du dich nicht diese Woche mit Riku zum Kaffeetrinken? (͡° ͜ʖ ͡°) Sí. Sein frühes Aufstehen bringt mich irgendwann ins Grab. (╥﹏╥) Asuna Kaffeetrinken ist kein Codewort für wilden hemmungslosen Sex, Jana. (-‸ლ) Hast du es ihm mittlerweile erzählt? Vor zwei Wochen war Jana aus dem Urlaub zurückgekommen und hatte sich fest vorgenommen, mit Iwa über ihre Gefühlslage zu reden. Doch bis jetzt hatte sie sich nicht getraut. Etwas, was neben dem frühen Aufstehen ganz untypisch für die temperamentvolle Schülerin war. Ein weiteres Zeichen, dass ihr unheimlich viel an dem Ass der Volleyballmannschaft lag. Jana Nicht? Oh, mein Fehler. Riku hätte aber sicher nichts dagegen. höhö Nein. Ich wollte, habe aber kein Wort herausgebracht und nur peinlich vor mich hin gekichert. Asuna Ich weiß und ich fühle mich schrecklich, weil ich sogar kurz mit dem Gedanken gespielt habe, diese Tatsache auszunutzen. Wow. Wir sollten dringend über Iwa und dich reden. Treffen wir uns heute? Die Dunkelblonde legte die Stäbchen auf die Seite und lehnte sich nach hinten. Auf die Verabredung mit Riku hatte sie echt keine Lust. Nicht, dass sie ihn nicht mochte, aber sein merkwürdiges Verhalten beim Schulfest hatte sie doch etwas aus der Bahn geworfen. Einseitiges Interesse war mühsam und einfach nur beschissen. Asuna erhob sich und räumte die Teller in den Geschirrspüler. Ein leises Geräusch kündigte die Antwort ihrer Freundin an. Jana Man. Oikawa würde ausrasten, wenn du was mit Riku am laufen hättest. Die zwei können sich ja mal gar nicht leiden. Ich habe eine bessere Idee. Was hältst du von Sonne und Wasser? Morgen? Dann können wir reden und uns ein wenig abkühlen. Asuna hielt bei dem ersten Satz inne. Sie wusste nicht, dass sich die beiden nicht mochten. Es überraschte sie allerdings nicht sonderlich, wenn sie weiter darüber nachdachte. Oikawa konnte furchtbar arrogant und provozierend sein, wenn er wollte. Und Riku war niemand, der sich so etwas gefallen ließ, auch wenn es dank seiner Nettigkeit zu Beginn den Anschein machte. Die Beziehung der beiden zu einander konnte ihr aber auch egal sein. Mit dem Schulsprecher war sie schlichtweg nur befreundet und das mit Oikawa...war vorbei. Asuna Nur gut, dass es niemals dazu kommen wird. ¯_(ツ)_/¯ Gute Idee. Die Hitze ist kaum auszuhalten. Danach zog sich Asuna um, da sie dringend den Kühlschrank auffüllen musste. Ihre Eltern würden bald nach Hause kommen, weshalb sie diese Aufgabe erledigt haben wollte. Aufgrund der hohen Temperaturen entschied sie sich für kurze zerrissene Shorts und ein weißes luftiges Trägershirt. Ihre vorderen Haare fixierte sie an ihrem Hinterkopf, sodass diese Strähnen nicht in ihr Gesicht hingen. Mit dem Geld, ihrem Handy und einer Sonnenbrille verließ sie in Sneakers die Wohnung. Als sie vom Lift ins Foyer trat, erregte eine abgehetzte Stimme ihre Aufmerksamkeit. »Beeil dich, Süße. Wir sind spät dran. Den Termin darf ich nicht verpassen.« Hisagi kam mit ihrer Tochter auf sie zu. Letztere hatte Probleme damit, mit den schnellen Schritten ihrer Mutter mitzuhalten. »Nicht so schnell, kaa-san«, jammerte das achtjährige Mädchen mit dem Namen Yumi. Sie trug Sportsachen. Ihre schulterlangen Haare hatte sie zu zwei Zöpfe gebunden, die bei jedem Schritt hin und her wippten. Der rote Rucksack passte perfekt zum Rest ihrer Outfits. »Guten Morgen, Hisagi-san. Hallo, Yumi.« Asuna lächelte dezent, wollte die beiden nicht aufhalten. Immerhin schienen sie Stress zu haben. »Nee-san!«, rief das Mädchen mit Begeisterung und winkte ihr aufgeregt. Verschwunden war der unzufriedene Gesichtsausdruck. »Asuna! Ich würde ja gerne länger mit dir reden, aber ich komme bereits zu spät zu meinem Meeting.« Sie fuhr sich über die Stirn und schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln. Auch wenn ihres etwas müde wirkte. Das kleine Mädchen rollte mit den Augen und verschränkte ihre Arme. »Und ich verpasse mein Training, weil du den Schlüssel für das Auto vergessen hast.« Asuna runzelte die Stirn. »Wo musst du den hin, Yumi? Vielleicht kann ich dich zum Training bringen.« Die Frau, die im 3. Stock mit ihrer Tochter wohnte, schüttelte den Kopf. »Das ist lieb von dir, aber wir möchten dir keine Umstände machen.« »Ach was. Ihr habt es eilig und ich muss nur einkaufen gehen. Da kann ich Yumi gerne mitnehmen.« Sie zuckte mit den Schultern und grinste die Kleine an, die erwartungsvoll zu ihrer Mutter sah. »Ja, bitte! Darf ich mit Nee-san mitgehen?« Sie zog ungeduldig an der Bluse der Älteren. Diese seufzte. »Okay. Danke, Asuna. Du rettest mir gerade das Leben.« Man sah die Erleichterung deutlich in ihrem Gesicht. »Keine Ursache. Komm, Yumi. Gehen wir.« Sie verabschiedeten sich von Hisagi-san und verließen das Gebäude. Die Luft war trocken und erdrückte sie förmlich. »Wo hast du denn Training?« Sie setzte sich die Sonnenbrille auf. »Weil es heute so heiß ist, trainieren wir in der Sporthalle unserer Schule. Dort gibt es nämlich eine Klima.« Yumi griff nach den Trägern ihres Rucksacks. Erst jetzt kam ihr, dass sie gar nicht wusste, welche Sportart die Kleine ausübte. »Was spielst du eigentlich?«, fragte sie deshalb ehrlich neugierig. Yumi sprang auf die niedrige Mauer zu ihrer Rechten, um auf ihr zu balancieren. »Meine Lieblingssportart. Volleyball.« Sie streckte ihre Arme aus und grinste. Dabei entblößte sie eine Zahnlücke, die von einem kürzlich verlorenen Zahl zeugte. Die 18-Jährige wandte sich zu dem Mädchen und hob ihre Augenbrauen. Natürlich war das ihre Lieblingssportart. »Wow, toll. Und gehst du gerne zum Training?« Yumi hüpfte hibbelig herum, schwankte dadurch und verlor kurzzeitig das Gleichgewicht. Die Dunkelblonde streckte ruckartig ihren Arm aus, um diese zu schützen, doch die Kleine mit den zwei Zöpfen fing sich rechtzeitig wieder. »Ups.« Sie kicherte und erntete einen panischen aber erleichterten Blick der Älteren. »Ich liebe das Training. Es macht richtig Spaß«, antwortete sie schließlich und konzentrierte sich etwas mehr auf die Balance. Bei der nächsten Kreuzung bogen beide nach rechts und hielten bei der Bushaltestelle. Zu Asunas Erleichterung kletterte ihre Begleitung wieder von der Mauer. »Dann wirst du in der Mittelschule bestimmt dem Volleyballteam beitreten, oder?« Sie schmunzelte, als sofort ein aufgeregtes Leuchten in ihren Augen erschien. »Ja, auf jeden Fall! Ich will unbedingt irgendwann Turniere gewinnen und berühmt werden!« Auch wenn sie erst acht Jahre alt war, klang sie sehr überzeugt. »Magst du denn Volleyball, Nee-san?«, wollte die Kleine wissen und sah mit ihren grünen Augen den Bus an, der in diesem Moment in die Haltestelle einfuhr. Während sie sich einen Sitzplatz suchten, kam ihr der Gedanke, dass ein Nein als Antwort fatal sein würde. Nicht, dass sie diese Sportart hasste, aber ein großer Fan war sie auch noch nie davon gewesen. »Ich finde es nicht so übel.« Sie ließ Yumi am Fenster sitzen. »Wirklich? Dann können wir ja mal gemeinsam spielen. Meine Mama hat dafür eh nie Zeit. Warte! Kannst du überhaupt spielen? Egal, ich kann es dir ja zeigen.« Sie sprach in einer Geschwindigkeit, die Asuna bei einem Kind nicht für möglich gehalten hatte. Jedoch störte dies nicht, denn die Begeisterung in ihrem Gesicht war viel zu niedlich. Es erinnerte sie ein wenig an Oikawa, als er sich die Videostelle seines Aufschlags gegen Shiratorizawa angesehen hatte. Die beiden fuhren noch vier Stationen, ehe sie ausstiegen und den kurzen Weg zu Fuß zurücklegten. Yumi erzählte ihr dabei allerhand Dinge über sich selbst und die anderen Kinder, die auch zum Training gingen. Die 18-Jährige grinste bei gewissen Anekdoten und hatte ihren Spaß dabei, sie über manche Dinge auszuquetschen. So erfuhr sie zum Beispiel, dass es einen Jungen gab, mit dem sie ihre Probleme hatte. Zumindest dachte sie das, denn eigentlich hörte es sich für die Dunkelblonde so an, als wollte er einfach nur ihre Aufmerksamkeit. »Wie lange habt ihr denn heute Training?«, fragte Asuna, als das Gebäude bereits in Sichtweite war. »Eineinhalb Stunden. Bleibst du denn bis zum Ende? Dann kannst du sehen, wie ich spiele.« Erwartungsvoll sah die Kleine sie von unten an, während sie das Schulgelände betraten. Asuna hätte am liebsten ja gesagt, aber sie hatte nicht geplant, länger zu bleiben. »Ich muss noch einkaufen, Yumi.« Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern. »Biiiiiiitte, Asuna.« Sie hüpfte herum und zog am Saum der 18-Jährigen. So süß sie auch war, sie musste standhaft bleiben. »Eineinhalb Stunden sind etwas zu viel. Tut mir leid. Das nächste Mal, okay?« Yumi wollte diese Entscheidung aber nicht akzeptieren. Sie faltete ihre Hände und schob ihre Unterlippe vor, während sie rückwärts ging und dabei beinahe stolperte. Der Eingang zur Sporthalle war nicht mehr weit und man hörte bereits ausgelassenes Kinderlachen. »Bitte, bitte, bitte, Nee-san. Du musst auch nicht die ganze Zeit hierbleiben.« Verdammt. Wie konnte sie zu diesem Anblick nein sagen? Seufzend rieb sich Asuna den Nasenrücken und blieb stehen. Mit verschränkten Armen sagte sie: »Okay. Ich bleibe eine Weile hier und sehe dir beim Spielen zu.« Yumi stand am Eingang zu ihr gewandt und fing bei den Worten sofort an, zu grinsen. Die 18-Jährige kniff ihre Augen zusammen. Dieser kleine Teufel! Sie hatte von Anfang an gewusst, dass sie ihren Willen durchsetzen würde. »Super! Dann komm. Die anderen sind schon alle da.« Sie kicherte und schlüpfte bereits im Freien aus ihren Schuhen, damit sie drinnen ihre Hallenschuhe anlegen konnte. Seufzend platzierte die Dunkelblonde die Sonnenbrille auf ihrem Kopf, während sie dem Mädchen folgte. Dass sie sich einfach so von einem 8-jährigen Mädchen um den kleinen Finger wickeln ließ... Asuna starrte auf ihre Straßenschuhe und blieb stehen, bevor sie den Hallenboden betrat. Sie konnte auch von hier aus zusehen. Langsam hob sie ihren Kopf und fühlte prompt, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Was tut ER denn hier? Kapitel 2: not used to this type of sport ----------------------------------------- ● • . Ohne nachzudenken machte sie einen Schritt nach hinten und einen zur Seite, sodass sie nicht mehr mitten im Eingang stand. Was tut ER denn hier, schoss es ihr durch den Kopf, während sie sich gegen die Wand lehnte. Er trainierte doch nicht etwa Yumi und die anderen Kinder? Von all den Trainern in dieser Präfektur musste es ausgerechnet ER sein? War das gesamte Universum gegen sie oder was? »Fuck«, fluchte sie leise und völlig untypisch. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Ausgerechnet heute und nach diesem verfluchten Traum musste sie auf Oikawa treffen. »Nee-san? Was machst du da?« Yumi war nach draußen gekommen und hatte so die Dunkelblonde entdeckt. »Komm, ich muss dir meinen Trainer vorstellen.« Sie kicherte wie zuvor und ergriff Asunas Hand. Zielstrebig zog sie die 18-Jährige mit sich, die es einfach nur geschehen ließ. Sie konnte schlecht davonlaufen. Oder? »Yumi, warte«, murmelte sie bittend und leistete zumindest ein wenig Widerstand. »Keine Sorge. Du darfst die Straßenschuhe anlassen. Nach unserem Training wird meistens geputzt.« Die 8-Jährige interpretierte ihre Worte wohl falsch. Ihre Schuhe waren nämlich das Letzte, worüber sie sich sorgte. »Das ist es nicht. Ich kenne deinen Trainer, Yumi. Wir gehen in dieselbe Schule«, meinte sie schwach. Sie betrachtete indes den Braunhaarigen, der gerade mit einem Jungen sprach und deshalb nicht auf die beiden achtete. Er grinste. Anders als in der Schule oder beim Spielen. Das Mädchen mit den Zöpfen stoppte abrupt. »Oh, okay.« Sie ließ ihre Hand los und in dem Moment wandte sich Oikawa zu ihnen. Ihre Blicke trafen sich zum ersten Mal seit Wochen wieder. Zum ersten Mal seit damals in der Umkleide, als sie das zwischen ihnen beendet hatten. Sein Grinsen verschwand und übrig blieb ein Gesichtsausdruck, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte. »Hey«, brachte sie schließlich heraus, während sie die Anspannung in ihren Schultern löste und sich zu einem Lächeln zwang. Wieso fühlte sich diese Situation so...beschissen an? Er vergrub seine Hände in den Taschen seiner Shorts und verlieh seinem ohnehin schon attraktiven Aussehen noch dieses gewisse Etwas. »Was machst du hier?« Weder seine Stimme noch seine Körperhaltung verrieten, was er tatsächlich dachte. Aber das war sie ja bereits gewohnt. Asuna sah zu dem Mädchen, welches erwartungsvoll dem Gespräch folgte. »Ehm...ich bin wegen Yumi hier.« Nie und nimmer wäre sie mit der Kleinen gegangen, wenn sie gewusst hätte, dass er auch hier sein würde. Diese verschränkte die Arme. »Ja.« Um ihre Aussage zu unterstreichen, nickte sie heftig. »Asu-san hat mich hergebracht und bleibt bis zum Schluss, damit wir zusammen nach Hause gehen können.« Die 18-Jährige kniff irritiert ihre Augen zusammen. Bis zum Schluss? Tōru musterte sie kurz, ehe er verstehend meinte: »Wenn das so ist, sollten wir anfangen. Vollzählig sind wir ja mittlerweile.« Er wandte sich zu den Kindern, die kichernd und quatschend in unterschiedlichen Gruppen zusammenstanden. Seiner Anweisung, das Netz aufzubauen, wurde sofort nachgekommen. Sie liefen förmlich in den hinteren Teil der Halle, wo sich vermutlich die Netze und Pfosten befanden. Auch Yumi machte sich mit ihren Freundinnen auf den Weg. »Ich wusste nicht, dass du deine Freizeit hiermit verbringst«, meinte sie ehrlich verblüfft, nachdem sie sich neben ihn gestellt hatte. Das eigenartige Gefühl drängte sie dabei weit nach hinten. Auch wenn das Verhältnis nicht mehr dasselbe zu ihm war, sollte sie sich ernsthaft zusammenreißen. Sie konnten sich normal miteinander unterhalten, immerhin waren sie keine kleinen Kinder mehr. Oikawa nickte mit einem seichten Lächeln. »Ja. Jeden Montagvormittag in den Sommerferien übernehme ich das Training der Kids. Es macht überraschend viel Spaß, mal nicht als Spieler auf dem Feld zu stehen.« In diesem Moment kamen die Kinder wieder in die Halle. Zu viert trugen sie einen Pfosten, an dem das Netz festgemacht werden würde. Dabei gingen sie äußerst vorsichtig vor. »Ist Montag nicht eigentlich dein volleyballfreier Tag?«, hakte sie mit hochgezogenen Augenbrauen nach. Es wunderte sie aber nicht, dass er trotzdem mit dieser Sportart zu tun hatte. Er liebte Volleyball. Ihre Gedanken bestätigend, zuckte er mit den Schultern. Dabei ließ er die Kinder nicht aus den Augen. »In den Sommerferien mache ich eine Ausnahme.« Kurz schwiegen die beiden und konzentrierten sich auf den Lärm der Jungs und Mädchen. Oikawa war es schließlich, der das Schweigen brach. »Was hast du in den Ferien so getrieben?« Er warf nur einen schnellen Blick zu der Dunkelblonden, die bei seiner Frage sofort aufhörte, auf ihrer Lippe herumzukauen. Asuna sah ihn an. Seine Wortwahl sorgte dafür, dass ihre Augenbrauen nach oben wanderten. »Ich..habe gar nichts getrieben.« Höchstens in ihrem Traum. »Meine Ferien waren bis jetzt ziemlich langweilig, um ehrlich zu sein.« Nachdem Jana nicht hier gewesen war und sie eigentlich die meiste Zeit für die Aufnahmeprüfung der Universität aufgewandt hatte, hatte sie nicht viel mehr zu tun gehabt. Er wandte sich zu ihr. »Niemanden, der deine Ferien weniger langweilig macht?«, fragte er so, als würde er gerade über das Wetter reden. Doch kaum hatte er diese Frage gestellt, wurde er von zwei Jungs, die seinen Namen riefen und auf ihn zu kamen, am Weiterreden gehindert. »Kannst du uns helfen, das Netz zu befestigen? Wir kommen nicht ran.« Ungeduldig zappelten sie vor ihm herum. Der Setter wirkte nicht begeistert über die Unterbrechung. Dennoch grinste er schlussendlich und scherzte: »Klar, dabei streift das Netz doch schon fast am Boden.« Mit dieser Aussage sorgte er für beleidigte Gesichter bei den Kindern. »Wir können nicht so riesig sein wie du!« »Ja, genau. Wir sind erst neun!« Die 18-Jährige blieb indes fassungslos auf ihrem Platz stehen, als er mit den zwei Jungs mitging. Sie war sich nicht sicher, ob er seine Frage so meinte, wie es für sie geklungen hatte. Allerdings sprachen sie hier von Oikawa Tōru. Solche Dinge sagte er nicht einfach, ohne sie auch so zu meinen. Vielleicht bildete sie es sich aber auch nur ein, denn manchmal hatte sie keine Ahnung, was in seinem Kopf überhaupt vorging. Seufzend verschränkte sie ihre Arme und verfolgte anschließend, wie er ihnen half, den Rest aufzubauen. Im Vergleich zu der Höhe bei den Oberschulturnieren wirkte diese geradezu lächerlich. Aber verständlich, dass sie das Netz weiter unten ansetzten. Asuna wollte sich gerade umdrehen und sich zu den Sitzbänken begeben, als dieses Mal jemand ihren Namen rief. »Asuna! Du musst mitmachen!« Yumi deutete ihr an, zu ihnen zu kommen. Die Angesprochene wusste aber nicht, worum es gerade ging. »Bei was?« »Na, beim Aufwärmen natürlich.« Die Dunkelblonde verzog ihr Gesicht zu einer ungläubigen Miene. Bestimmt nicht! »Nein, danke. Ich schau euch lieber dabei zu«, brummte sie und wollte ihren Weg zu der sicheren Entfernung fortsetzen. Die Betonung lag auf wollte, denn so einfach kam sie nicht davon. »Tut mir leid, aber jeder in dieser Halle muss sich am Training beteiligen.« Oikawa hatte spöttisch seine Augenbrauen gehoben. »Hab ich recht, Leute?« Er sah über seine Schulter und erntete laute Zustimmung. »Ist das dein Ernst?« Asuna starrte ihn entgeistert an. Unschuldig zuckte er mit den Schultern. »So sind die Regeln, Kurasaki-san.« Die Dunkelblonde ließ ihre Schultern hingegen sinken und sah zu den Kindern, die sie allesamt erwartungsvoll musterten. Verflucht. Missmutig begab sich Asuna zu dem bereits gebildeten Kreis. Sie sah von der kleinen Yumi zu Oikawa, der sie fast schon schadenfroh angrinste. Er schien sich furchtbar darüber zu amüsieren, dass sie beim Aufwärmen mitmachte. »Grins' nicht so bescheuert«, murmelte sie in die Richtung des Setters, während ein Junge mit kurzen schwarzen Haaren eine Übung vorzeigte, die alle anderen nachmachen mussten. Er platzierte eine Hand von oben zwischen seinen Schulterblättern und drückte mit der anderen seinen Ellbogen nach unten. Asuna tat es ihm gleich. »So schlimm ist es auch wieder nicht.« Oikawa hob seine Arme und eigentlich wollte sie nicht starren. Wirklich nicht, aber wieso musste er auch so ansehnliche Muskeln haben? Hastig riss sie sich von diesem Anblick los, denn je mehr sie ihn so ansah, desto mehr wurde ihre Fantasie angeregt. »Ansichtssache. Ich würde lieber zusehen.« Sie wechselte ihren Arm. »Hast du in den Ferien eigentlich einmal Sport gemacht?« Man sah ihm an, dass er die Antwort schon kannte. Deshalb musste er auch ein Lachen zurückhalten. Langsam aber sicher wich die Anspannung bei dem Setter. Und auch Asuna merkte, wie sie zumindest nicht mehr am liebsten das Weite suchen wollte. Die 18-Jährige überlegte bei seiner Frage. »Vor drei Tagen bin ich zu 7-Eleven gerannt, um mir Zitroneneis zu kaufen. Zählt das?« Sie blieb ernst dabei, denn ein kleiner Teil von ihr meinte es tatsächlich so. Es war auch ziemlich anstrengend gewesen... Der Braunhaarige schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie kann man nur so faul sein?«, murmelte er eher zu sich selbst. »Ich bin nicht faul. Ich mache nur nicht gerne Sport«, rechtfertigte sie sich schulterzuckend. Der Turnunterricht in der Schule reichte ihr vollkommen. Mit dieser Einstellung konnte sie aber auch von Glück reden, dass sie gute Gene hatte und nicht schon beim bloßen Anblick von Schokolade zunahm. Die nächste Übung wurde von einem Mädchen mit schulterlangen braunen Haaren vorgetragen. Jeder musste sich schulterbreit hinstellen und mit den Handflächen den Boden berühren. Dank ihrer Sportlehrerin Katō hatte sie hierbei kaum Probleme. Immerhin dehnten sie sich regelmäßig im Unterricht. Asuna kam dennoch nur mit ihren Fingerspitzen nach unten. Dabei fielen ihre Haare nach vorne, welche sie schnell mit einer Handbewegung nach hinten strich. Nach wenigen Sekunden in dieser Haltung ertönte Oikawas Stimme: »Wie wäre es, wenn wir mal etwas Anstrengenderes machen? Asuna zuliebe?« In seinen Worten schwang keine Reue mit. Im Gegenteil. Ihm schien das zu gefallen. Asuna hingegen kniff ihre Augen zusammen und funkelte ihn verärgert an, nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte. Innerlich verfluchte sie ihn von vorne bis hinten. »Das wirst du bereuen.« Sie verschränkte ihre Arme. »Ja! Darf ich?« Jemand meldete sich aufgeregt und hüpfte herum. Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern kniete sich auf den Boden, stützte sich mit seinen Händen ab und rutsche mit seinen Füßen nach unten. »Oh nein«, meinte Asuna überzeugt und machte auf ihren Absätzen kehrt. Als ob sie Liegestützen machen würde. Niemals. Sie konnte jedoch gerade mal einen Schritt tätigen, denn Tōru griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück. »Hiergeblieben.« Er hatte nicht vor, sie einfach gehen zu lassen. »Du glaubst doch nicht, dass du jetzt einfach abhauen kannst?« Mit leichter Gewalt schob er sie zurück auf ihren Platz, nachdem er seine Hände auf ihre nackten Schultern gelegt hatte. »Doch?«, brummte sie nachdrücklich und versuchte diese völlig normale Berührung zu ignorieren. »Ich kann keine Liegestützen.« Es war ihr sogar ein kleines bisschen peinlich. »Deshalb üben wir sie hier ja auch.« Das machte er mit Absicht und auch genoss er das hier viel zu sehr. Das konnte sie klar und deutlich hören. Missmutig sah sie in die Runde. Alle sahen sie erwartungsvoll an und hatten sich bereit gemacht. Manche von ihnen kicherten hinter vorgehaltener Hand. Sie konnte sich jetzt auch nicht die Blöße geben und kneifen. Sie kniete sich auf den Boden und strich ihre Haare nach hinten. Oikawa begab sich ebenfalls in Position und hielt ein Grinsen zurück. Gekonnt ignorierte sie ihn und stützte sich mit ihren Händen ab. Die Kinder hatten bereits begonnen und waren alle auf die saubere Ausführung konzentriert. Auch Asuna versuchte, nachdem sie nochmal tief Luft geholt hatte, ihren Körper nach oben zu drücken. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass ich er sich so schwer anfühlen würde. Wow. »Was genau soll das werden?«, fragte Oikawa mit Spott. Das hielt ihn aber nicht davon ab, weiterhin Liegestützen zu machen. Er tat sich dabei auch nicht schwer. Sie sah ihn nicht an, sondern starrte konzentrierte auf den langweiligen Laminatboden. »Halt...die Klappe.« »Ernsthaft, Asuna. Sollen das etwa Liegestützen sein?« »Hör auf, mich...anzusprechen.« Sie musste sich hier gerade wirklich bemühen. Ihre Arme zitterten bereits und sie musste all ihre Kraft aufbringen, um ihren Oberkörper nach oben zu drücken. »Als Profi auf diesem Gebiet bin ich mir ziemlich sicher, dass man den Hintern dabei nicht so nach oben streckt.« Bei dieser Aussage ließ sie sich komplett auf den Boden nieder. Mit noch immer abgestützten Händen drehte sie ihren Kopf nach rechts und warf dem Braunhaarigen einen entnervten Blick zu. Angestrengt stieß sie die Luft aus. »Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis, Oikawa.« Sie konzentrierte sie sich wieder auf die Übung, doch mehr als zwei weitere schaffte sie nicht. Sie verschränkte ihre Arme auf dem Boden und platzierte ihre Wange darauf. Gerade hatte sie beschlossen, einfach auf dem Boden liegen zu bleiben. Dabei sah sie Oikawa zu, wie er mühelos eine Liegestütze nach der anderen machte. Insgeheim fragte sie sich, ob er auch welche schaffen würde, wenn sie sich auf ihn legen würde. Den Gedanken verwarf sie aber schnell wieder. Wie bescheuert war sie eigentlich? Anscheinend hatten ihr die Träume schon das Gehirn vernebelt. Der Setter stoppte und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wenn du mich so ansiehst, gefällt dir meistens, was du siehst.« Er stützte sich mit den Armen ab und kniete sich auf den Boden. Ihre Wangen wurden heiß. »Träum weiter!«, murrte sie. Sie sollte sich wirklich zusammenreißen und ihre Mimik in den Griff bekommen. Asuna sah zu Yumi, um sich abzulenken. Diese war gerade dabei, ihre Unterarme auf den Boden zu platzieren und sich damit nach oben zu stemmen. Das waren Planks, oder wie auch immer diese mörderische Übung hieß. Toll. Seufzend tat die Dunkelblonde es der Kleinen nach und presste bei dem Vorgang ihre Lippen fest aufeinander. Ihren Kopf hielt sie gesenkt. Sie spürte richtig, wie ihre mickrigen Bauchmuskeln angespannt waren und wie sie langsam anfingen zu brennen. Das war der Moment, in dem ihr der Gedanke kam, dass sie vielleicht mehr Sport machen sollte. Oikawa hatte recht. Sie war faul. Angestrengt presste sie ihre Lippen fest aufeinander. »Hey, Asuna.« Yumis Stimme drang plötzlich verschwörerisch zu ihr, weshalb sie fragend zu dem Mädchen sah. Die Kleine saß im Schneidersitz neben ihr und knetete ihre Finger. »Was denn?« Das Mädchen warf einen schnellen Blick zu ihrer Freundin, die sich neugierig nach vorne gebeugt hatte. Anschließend rutschte sie ein wenig näher an die Blondhaarige. Leise, zumindest versuchte sie das, meinte sie: »Bist du in Oikawa-sama verknallt?« Mit den großen unschuldigen Augen wartete sie auf eine Antwort. Asuna hingegen entglitten bei dieser Frage die Gesichtszüge. »W-Was? Wie kommst du denn darauf?« Eine unangenehme Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Die Neugierde von Yumi hatte ihr gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. Wie mussten sich die beiden verhalten haben, dass die 8-Jährige auf diese Idee kam? Sie hatten doch nichts getan, was Anzeichen dafür waren, oder? Yumi blies ihre Backen auf und rutschte unruhig auf ihrem Platz herum. »Naja, ich weiß nicht. Irgendwie...keine Ahnung?« Hilfesuchend sah sie über wieder zu ihrer Freundin, die plötzlich anfing zu kichern. »Was sich liebt, das neckt sich!«, murmelte sie verschwörerisch. Asunas Augen huschten zu dem Mädchen. »Ach was! Man muss nicht...verliebt sein, um sich zu necken.« Sie hätte bei dem Wort liebe am liebsten das Weite gesucht. Diese Sache hatte sie vor ein paar Wochen bereits völlig aus der Bahn geworfen und nachdem sie damit abgeschlossen hatte, wollte sie nicht wieder damit konfrontiert werden. »Doch! Das ist so.« Trotzig verschränkte sie ihre Arme und Yumi nickte zustimmend. »Sagt wer?« Vermutlich stand sie mit dieser Meinung recht alleine da, aber manchmal konnte sie Kinder echt nicht leiden. Yumi grinste und entblößte dabei ihre Zahnlücke »Sekine Risa tut das.« »Sekine Risa? Die Youtuberin?«, hakte sie irritiert nach und konnte nicht glauben, dass ihr der Name dieser Vloggerin tatsächlich etwas sagte. Zudem war sie sich ziemlich sicher, dass die zwei eindeutig zu jung waren, um sich auf Youtube diese Videos anzusehen. Aber dies war nur Nebensache. Die Aussage der beiden Mädchen irritierte sie nach wie vor. »Wie auch immer. Man sollte nicht alles glauben, was man hört.« Sie warf ihnen einen eindeutigen Blick zu und sah schließlich zu Oikawa, der in ein Gespräch vertieft war und von all dem nichts mitbekommen hatte. Yumi und das Mädchen, dessen Namen sie noch immer nicht kannte, kicherten und alberten weiter herum, jedoch ohne das Thema Liebe nochmals aufzugreifen. Asuna war darüber fast so froh wie über das Erreichen und Beenden der letzten Übung. Erleichtert seufzte sie und erhob sich. Sie konnte bereits jetzt den Muskelkater spüren, der ihren Körper spätestens Übermorgen einnehmen würde. »Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich mitmachen würdest«, meinte Oikawa ehrlich, während sich die Kinder auf die Bälle stürzten und sie dadurch einige Minuten zu zweit hatten. Die 18-Jährige riss sich von der aufgedrehten Schar los und sah zu dem Braunhaarigen, der mit verschränkten Armen auf sie herab sah. Während der letzten halben Stunde hatte sie über diese banale Einladung zum Aufwärmen nachgedacht. Schnell hatte sie diese hinterfragt. Mit hochgezogenen Augenbrauen erwiderte sie: »Es war nur ein Scherz, dass jeder in der Halle mitmachen muss, oder?« »Jap«, war seine kurze Antwort, wobei sein Mundwinkel verdächtig zuckte. »Idiot«, kam es von ihr trocken und dennoch konnte sie das kleine Grinsen, welches sich auf ihre Lippen schlich, nicht verhindern. Eigentlich war der bisherige Tag eine willkommene Abwechslung zu ihren tristen Sommerferien gewesen. Die Motivation der Kinder und deren Spaß an der Sache hatte sie zudem irgendwie angesteckt. Also konnte sie ihm gar nicht so böse sein. Sie verbrachte die nächste Stunde damit, auf der Bank zu sitzen und der Gruppe beim Spielen zuzusehen. Sie war kein Profi, aber manche von ihnen spielten wirklich gut. Doch das Wichtigste war, dass sie Spaß hatten. Es wurde viel gelacht und herumgealbert, aber dennoch konnte man den Ehrgeiz in den Augen jedes einzelnen sehen. Asuna beobachtete auch Oikawa dabei, wie er in der Rolle des Trainers auftrat. Sie musste zugeben, dass er seine Sache wirklich gut machte. Er sah sich jeden Spieler und jede Spielerin genau an, wies sie auf kleine Fehler hin und zeigte ihnen die richtige Technik vor. Dabei strahlten die Kinder um die Wette. Die Zeit verging wie im Flug, und ehe sie sich versah, war das Training auch wieder zu ende. Das Netz wurde wieder abgebaut und die 18-Jährige erklärte sich dazu bereit, ihnen zu helfen. Es kam ihr sinnvoller vor, als nur zuzusehen. »Wirst du das nächste Mal wieder mitkommen, Nee-san?«, fragte Yumi, nachdem sie ihre Hallenschuhe wieder mit den roten Straßenschuhen getauscht hatte. Die Angesprochene setzte ihre Sonnenbrille auf, da sich die Mittagssonne langsam bemerkbar machte. »Ich weiß nicht, ob ich nächste Woche Zeit habe. Aber irgendwann werde ich bestimmt wieder mitkommen.« Sie hatte festgestellt, dass das Zusehen nicht so schlimm war, wie am Anfang gedacht. »Wirklich?« Das Mädchen strahlte und musste sich zusammenreißen, um nicht aufgeregt herumzuhüpfen. »Vielleicht darfst du dann auch mitspielen. Das wäre doch bestimmt lustig, oder?« Asuna grinste. »Glaubst du denn, dass ich mit euch mithalten kann?« »Klar. Außerdem ist Oikawa-sensei ein toller Trainer. Der wird dir bestimmt helfen.« Sie öffnete ihre Trinkflasche und nahm einen kräftigen Schluck daraus. »Sprecht ihr gerade über mich?« Die Dunkelblonde wandte sich mit verschränkten Armen zu Tōru, der mit seiner Sporttasche zu ihnen trat, nachdem er die Halle abgeschlossen hatte. Sie wollte antworten, doch Yumi kam ihr zuvor: »Ja!« Sie nickte eifrig. »Asuna darf doch irgendwann mal mitspielen, oder? Und wenn sie Hilfe braucht, kannst du ihr doch helfen.« Asuna hatte Mühe, bei den ehrlichen Worten der Kleinen nicht frustriert aufzustöhnen. Wann begann die Phase, in der Kinder logen, anstatt immer die Wahrheit zu sagen? »Ich weiß nicht. Das letzte Mal, als ich mit ihr Volleyball gespielt habe, ist sie über ihre eigenen Füße gestolpert.« Der Setter hob seine Augenbrauen und sie musste daran denken, als er ihr damals in seinem Zimmer den Ball zu hoch zugespielt hatte. Das, was danach geschehen war, blendete sie allerdings aus. »Und das war natürlich nur meine Schuld«, warf sie sarkastisch ein und erntete einen verwirrten Blick seitens Yumi, die keine Ahnung hatte, worüber sie sprachen. »Ansichtssache«, erwiderte er, während er sie eindringlich ansah. Anscheinend war sie nicht die einzige, die gerade an Vergangenes denken musste. Deshalb meinte sie schnell: »Falls Oikawa-san nichts dagegen hat, werde ich irgendwann wieder bei eurem Training vorbeischauen.« Sie wusste nicht, ob das so eine gute Idee war. Es war noch nicht lange her, seit sie das zwischen ihnen beendet hatten. Jedoch verstanden sie sich nach wie vor gut. Vielleicht konnte sie tatsächlich noch mal mit Yumi zum Training gehen. Außerdem würde sie damit Frau Hisagi entlasten. Asuna dachte noch eine Weile darüber nach, während sie sich zu dritt auf den Weg nach Hause machten. Oikawa begleitete sie, da er in dieselbe Richtung musste. Yumi war nach vorne gelaufen, da ihr die beiden wohl zu langsam waren. »Ich war...überrascht dich heute zu sehen«, kam es von Tōru plötzlich. Sein Blick hatte er stur geradeaus gerichtet. »Ich weiß. Ich auch.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch irgendwie wollte nichts über ihre Lippen kommen. Sie hatte das Gefühl, dass keine Worte diese Anspannung zwischen ihnen nehmen konnten. Es war ärgerlich, denn sie wusste, dass sie Jana zu liebe mit Oikawa klarkommen sollte. Außerdem war es ja nicht so, als würden sie sich nicht verstehen, oder? Alles was zwischen ihnen stand, war das unangenehme Gespräch von damals. Ein Gespräch, bei dem sie einer Meinung gewesen waren. »Also...das zwischen Jana und Iwa scheint ernst zu sein. Wie siehst du das?«, fragte er plötzlich. Asuna war überrascht über das Thema, welches er ansprach. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihm die Beinahe-Beziehung der beiden gerade jetzt durch den Kopf ging. »Wie kommst du darauf?«, stellte sie die Gegenfrage. Er hatte seine Augenbrauen gehoben und musterte sie. »Nicht nur Mädchen sprechen über solche Dinge.« »Hey! Ich habe nichts anderes behauptet.« Ihr Mundwinkel zuckte verräterisch. Die Vorstellung, dass sie ebenfalls klassische Übernachtungspartys veranstalteten und über Mädchen sprachen, amüsierte sie irgendwie. »Also? Worüber habt ihr denn gesprochen?«, hakte sie nach und musste sich zusammenreißen, um nicht zu neugierig zu klingen. Doch Tōru lachte nur und meinte: »Als ob ich dir das jetzt sagen würde.« Asuna warf ihm einen kurzen Blick zu. »Wieso nicht? Angst, dass ich irgendwelche Geheimnisse über Iwaizumi und dich erfahre?« »Du bist wirklich neugierig, Kurasaki-san«, wich er aus und benutzte dabei ihren Nachnamen. Er schob seine Hände in die Taschen seiner Shorts. »Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass wir bald mehr Zeit miteinander verbringen werden.« Wissend vorauf er anspielte, nickte sie. »Nicht nur du.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Worte sorgenvoll klangen. Sie hatte die Sache mit Oikawa beendet, weil die gemeinsame Zeit in eine Richtung geführt hatte, die ihr Angst gemacht hatte. Wenn sie sich wieder öfters sehen würden, wusste sie nicht, wie es dieses Mal enden würde. Dennoch hoffte sie, dass Jana und Hajime endlich zusammenkommen würden. Immerhin sah jeder, dass die beiden für einander geschaffen waren. Und wenn es für sie bedeutete, dadurch mehr Zeit mit Oikawa verbringen zu müssen, würde sie es akzeptieren. Mit hocherhobenem Haupt, wie es sich für eine 18-Jährige gehörte. »Ich habe meine Zweifel, ob mehr gemeinsame Zeit gut für uns ist.« Sie musste trotz ihrer Worte schmunzeln, was Oikawa verwirrte. »Aber obwohl ich daran zweifle, stört mich dieser Gedanke nicht so sehr wie gedacht. Es ist ja nicht so, als würden wir uns hassen.« Sie wusste nicht genau, woher sie diese Lockerheit nahm, um diese Worte auszusprechen, aber irgendwie empfand sie es als Notwendigkeit. Sie konnten sich nicht ständig anschweigen oder meiden, wenn ihre besten Freunde kurz davor waren, zusammenzukommen. Das wäre Jana und Hajime gegenüber nicht fair. Außerdem wäre es für alle Beteiligten einfacher, wenn sie dieses intime Phase einfach vergessen würden. Tōru, dessen Verblüffung nicht aus dem Gesicht verschwunden war, nickte langsam. »Ja, tun wir. Du hast recht.« Nach einer kurzen Pause schlich sich sein altbekanntes Grinsen ins Gesicht. »Heißt das, wir sind jetzt so etwas wie Freunde?« Asuna lachte leise. Irgendwie klang das absurd, obwohl es zu dem Normalsten der Welt zählte. »Freunde, die sich das ein oder andere Mal bereits nackt gesehen haben.« »Sieh es positiv. Sollte ich mal in dein Zimmer platzen, während du nichts anhast, ist es für niemanden unangenehm.« Er zuckte grinsend mit den Schultern und erntete einen perplexen Blick. »Du tust so, als könnte das jederzeit passieren.« Sie verdrehte die Augen und sah kurz zu Yumi, die in Sichtweise gerade eine Katze streichelte und sich zu amüsieren schien. Tōru blieb stehen, da sich hier ihre Wege trennten. Mit verschränkten Armen hinter dem Kopf antwortete er: »Keine Sorge. Ich will unsere neugewonnene Freundschaft ja nicht sofort aufs Spiel setzen.« »Gerade noch mal gerettet, Oikawa«, kam es trocken von ihr, aber ein kleines Schmunzeln konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. Der Gedanke, dass sie langsam so etwas wie eine Freundschaft aufbauten, gefiel ihr. Es war leichter, als dieses ständige Abstandhalten und das zwanghafte Vermeiden, auch nur einen Gedanken an ihn zu verschwenden. »Dann wäre das geklärt.« Er hielt an. »Ich muss jetzt los. Yumi zufolge sehen wir uns ja bald wieder beim Training.« Er schmunzelte bei ihrem missmutigen Gesichtsausdruck und hob seine Hand, als die Ampel auf Grün schaltete. Dem kleinen Mädchen rief er ebenfalls eine Verabschiedung entgegen. Asuna verzog ihr Gesicht. »Nur, wenn ich nächstes Mal die Liegestützen ausfallen lassen darf«, rief sie ihm hinterher. »Träum weiter«, erwiderte er über seine Schulter und am liebsten hätte sie ihm den Mittelfinger gezeigt, doch da Yumi mittlerweile wieder bei ihr war, ließ sie es lieber bleiben. Sie verdrehte stattdessen die Augen und wandte sich an das Mädchen. »Komm, Yumi. Holen wir uns auf den Weg nach Hause ein Eis. Das haben wir uns beide redlich verdient.« Kapitel 3: pretty and nice? uff. can't stand her. ------------------------------------------------- ● • . »Wow. Manchmal vergesse ich, wie heiß es in Miyagi werden kann.« Jana fuhr sich über die Stirn und ließ sich schließlich auf ihr ausgebreitetes Badetuch fallen. Sie streckte ihre Arme aus und genoss die pralle Sonne, die auf ihren ohnehin schon gebräunten Körper schien. Asuna setzte sich in ihrem weinroten Bikini ebenfalls auf ihr Badetuch. Jedoch bevorzugte sie den Schatten. Sie war zwar nicht empfindlich bezüglich Sonne, aber gegen Janas Haut, die ihr halbes Leben die Hitze in Spanien ertragen hatte, kam sie nicht an. »Und trotzdem liegst du direkt in der Sonne«, erwiderte sie nüchtern, während sie nach ihrem Handy griff, nur um zu sehen, dass Riku ihr geschrieben hatte. Er freute sich auf das Treffen und fragte, wie es ihr so ging. Mit mäßigem Interesse schmiss sie das Smartphone zurück in ihre Tasche. »Ja, weil mein Körper förmlich nach 35 Grad verlangt.« Mit ihren Armen stützte sie sich ab, sodass sie auf einer Höhe mit ihrer besten Freundin war. »Lass mich raten: Riku?« Sie nickte in die Richtung des Handys und grinste hinterhältig. Asuna strich sich ihre Haare nach hinten und band sie schnell zu einem hohen Zopf zusammen. »Jap.« Nach dem anstrengenden Gespräch mit Oikawa an deren letzten Schultag hatte sie sich ein paar Tage später mit Riku getroffen, weil sie es versprochen hatte. Und irgendwie als...Ablenkung. Es klang gemein, aber es hatte ihr geholfen, zumindest den Großteil ihrer Gedanken nicht mehr an Oikawa zu verschwenden. »Ich hab dich nie gefragt, wie euer erstes Date ablief.« Jana runzelte die Stirn, als ihr diese Erkenntnis kam. Bei diesem verheerenden Wort verzog die Angesprochene das Gesicht. »Sag doch nicht Date dazu!« Kaffeetrinken mit einem guten Freund würde sie nie im Leben als Date bezeichnen. Jana zuckte mit den Schultern. »Wieso? Aus seiner Sicht war es doch bestimmt eines, oder?« Sie hustete künstlich. »Außerdem weiß ich echt nicht, was du hast. Riku sieht nicht nur heiß aus, sondern ist auch lustig, charmant und intelligent. Das sind doch gute Voraussetzungen, oder?« Sie wackelte mit den Augenbrauen und erntete von ihrer besten Freundin einen konfusen Gesichtsausdruck. »Voraussetzungen wofür?«, hakte sie deshalb nach und tief in ihrem Inneren wusste sie die Antwort schon. »In erster Linie für ungezwungenen Sex.« Natürlich. Asuna langte nach ihrer Sonnencreme und schnaubte. »Ich habe keine Lust auf ungezwungenen Sex mehr.« Auch wenn ihre Träume etwas anderes sagten, hatte ihr das letzte Jahr gereicht. Es hatte nur in eine Katastrophe geendet und das wollte sie vermeiden. Doch Jana stutzte bei dieser Antwort und runzelte perplex die Stirn. »Meinst du das ernst?« »Ja. Verdammt ernst. Ungezwungener Sex ist toll, aber gerade will ich alles, nur das nicht. Das schafft alles doch nur Probleme.« Sie zuckte mit den Schultern und gab etwas Creme auf ihre Handfläche. Jana neben ihr holte tief Luft. »Wow. Kannst du das noch mal sagen? Ich würde das gerne aufnehmen.« Sie grinste bei dem Blick ihrer besten Freundin. »Aber jetzt hast du mir noch immer nicht gesagt, wie das Treffen mit Riku war.« Asuna seufzte. Jana würde nie mit dem Nachfragen stoppen, würde sie nicht antworten. »Es war schön. Wir haben über alles Mögliche geredet und uns gut verstanden. Aber das ist keine Überraschung. Wir sind immerhin schon lange befreundet.« Sie erinnerte sich zurück an das Treffen mit dem Schulsprecher. Sie hatte versucht, locker und gelassen zu bleiben. Damals war das Gespräch mit Oikawa noch nicht lange her gewesen. Umso weniger Lust hatte sie verspürt, sich mit Riku zu treffen. »Ich glaube, du solltest ihm eine Chance geben. Nach der Sache mit Oikawa würde dir Riku ganz gut tun«, stellte Jana die Vermutung auf. Asuna erwiderte nichts. Riku war toll. Keine Frage. Jedoch wollte sie einfach keine Beziehung. Genau genommen wusste sie gar nicht, was sie wirklich wollte. Dennoch würde sie erstmal das nächste Treffen abwarten und sehen, wie sich alles entwickelt. Noch mal wollte sie nichts überstürzen. Nachdem sie sich fertig eingecremt hatte, legte sie sich mit dem Rücken auf das Badetuch und meinte: »Apropos Beziehung. Wie läuft die Mission Wann gesteht Jana Hajime endlich ihre Liebe?« Sie musste schmunzeln, als die Angesprochene sich ebenfalls nach hinten fallen ließ und ihr ein »Frag bloß nicht« über die Lippen kam. Innerlich zählte sie bis drei und als sie bei der Zahl angekommen war, fuhr Jana fort: »Ich hab's versucht. Ehrlich. Ich hab's versucht.« Sie setzte sich schnell wieder auf und fing an, wild mit ihren Armen zu gestikulieren. »Ich habe ihn morgens, als er wieder mal um diese verflucht unchristliche Zeit aufstand, angesehen und gesagt, dass ich etwas mit ihm bereden muss.« Kurz hielt sie inne, nur um sich mit der Hand gegen die Stirn zu schlagen. Asuna fand, dass ihre Geschichte bis jetzt eigentlich in die richtige Richtung verlief. Jedoch sprachen sie von Jana und manchmal schaffte sie es, aus einem kleinen Fauxpas eine Katastrophe zu machen. »Ich habe versucht, cool und locker zu sein. Ich sagte: Weißt du, Hajime-chan? Ich mag dich wirklich gerne.« Sie erzählte dies unbeschwert, aber vermutlich war sie damals nicht annähernd so cool gewesen. »Du weißt, dass ich wirklich viel Mut aufbringen musste, um diese simplen und offensichtlichen Worte auszusprechen. Und weiß du, was er daraufhin gesagt hat? Er sagte, dass er mich auch mag und wir ja deshalb gute Freunde sind. Freunde, Asuna. Wir sind verfluchte Freunde! Argh!« Sie schmiss ihren Kopf in den Nacken, sodass ihre Locken über die Schulter rutschten und ihr die Verzweiflung beinahe anzusehen war. Asuna seufzte. »Lass mich raten. Du hast dich anders entschieden und wieder nicht über deine wahren Gefühle gesprochen.« Ertappt zog Jana den Kopf ein und brachte ein »Du kennst mich einfach zu gut« heraus. Die 18-Jährige konnte sie mehr als nur verstehen. Sie selbst hatte das Problem, ihr Inneres nicht in Worte fassen zu können und stattdessen alles zu verdrängen. Dennoch half es ihrer Freundin nicht, dieses Gespräch hinauszuzögern. Und damit kannte sich die Dunkelblonde aus. »Tue ich und ich weiß, wie sehr dich diese Aussage verletzt hat. Dennoch glaube ich nicht, dass das alles war, was Iwa zu sagen hat.« Jeder konnte sehen, wie verliebt Jana in das Ass des Volleyballteams war und wenn sie Oikawa Glauben schenken konnte, dann beruhte dies auf Gegenseitigkeit. Nach kurzem Schweigen und einer nachdenklichen Miene fuhr sich die Schülerin mit den spanischen Wurzeln durch die Haare. »Hoffe ich für ihn, sonst hat er das letzte Mal meine Anwesenheit genossen«, brummte sie und brachte Asuna zum Lachen. »Das hört sich schon eher nach der Jana an, die ich kenne. Und jetzt lass uns nicht mehr über Iwa reden, sondern die Sonne genießen«, schlug sie vor, doch stieß nicht wirklich auf Zustimmung. »Das wird schwierig.« Dabei klang sie wenig überrascht. Asuna hingegen runzelte die Stirn und wollte schon nachfragen, als ihre Freundin mit dem Finger auf einen Punkt hinter ihr zeigte. Irritiert drehte sie sich um und verdrehte hinter den getönten Scheiben ihrer Sonnenbrille die Augen. Iwaizumi und Oikawa kamen auf sie zu. Lässig wie immer zogen sie dabei einige Blicke auf sich. Gut, sie musste zugeben, dass die Blicke berechtigt waren. Dass Oikawa mit seiner Brille heiß aussah, war keine Überraschung, aber mit Sonnenbrille brachte er das Wort attraktiv auf eine völlig neue Ebene. Auf Asunas Stirn bildete sich eine Falte. Konnten die beiden mal ausnahmsweise einen weniger cooleren Auftritt hinlegen? »Die zwei sind doch nicht zufällig hier, oder?«, hakte die 18-Jährige nach und erntete ein entschuldigendes Grinsen. »Tut mir leid. Auch wenn ich gerade nicht gut auf ihn zu sprechen bin, kann ich nicht genug von ihm bekommen.« Kleinlaut spielte sie mit einer Strähne und erinnerte Asuna an ein kleines Mädchen, welches absolut keine Reue verspürte. »Wieso überrascht mich das jetzt nicht?«, murmelte sie, während die zwei Volleyballspieler immer näher kamen. Die umgehängte Sporttaschen ließ vermuten, dass sie gerade vom Training kamen. Dennoch trugen sie ihre Badeshorts. Anscheinend wollten sie den heißen Tag ebenfalls im Freibad verbringen. Wenn sie Iwa und Oikawa so betrachtete, dann fiel schnell auf, dass vor allem er die Blicke, die ihm zugeworfen wurden, in vollen Zügen genoss. Hier gab es zumindest genug Mädchen, die ihn vermutlich in weniger als Shorts sehen wollten. »Na sieh mal einer an. Wen haben wir den hier?« Der Braunhaarige grinste. Jana lächelte, doch als sie das Gesicht der Älteren sah, verschwand es sofort wieder. Sie formte mit ihren Lippen ein »Sorry«, doch ihr Gegenüber machte eine wegwerfende Handbewegung. Es störte sie nicht, dass die beiden hier waren, aber das konnte ihre Freundin nicht wissen. Sie hatte es völlig verschlafen, Jana von deren Treffen zu erzählen. Es folgte die Begrüßung, wobei diese von Asuna doch distanzierter ausfiel als bei den anderen. Insbesondere Jana verhielt sich Iwa gegenüber, als wäre nichts gewesen. Während die zwei also dabei waren, über irgendetwas zu lachen, richtet die Dunkelblonde ihren Blick auf den Setter. Oikawa stand neben ihr mit verschränkten Armen und schien gutdrauf zu sein. Nichts Ungewöhnliches. »Wieso grinst du so?«, fragte sie dennoch skeptisch. Man konnte ja nie wissen. »Ich verbringe den Tag mit einer Freundin«, erwiderte er nonchalant. »Außerdem hatten wir heute ein Trainingsspiel gegen das Team der Universität, welches ganz gut war.« Er zuckte mit den Schultern und ließ seine Sporttasche auf den Boden fallen. »Hm.« Mehr sagte sie dazu nicht. Stattdessen legte sie sich auf den Rücken und drehte sich um. Sie sah zu Jana und Iwa, die anscheinend die Hände nicht voneinander lassen konnten. Zumindest mussten sie sich stets auf irgendeine Art und Weise berühren. »Ich kann nicht glauben, dass die zwei noch immer nicht zusammen sind«, murmelte Tōru neben ihr und sprach das aus, was sie sich dachte. »Ich auch nicht.« Sie stützte sich mit den Unterarmen ab. »Ich frage mich, ob das zwischen ihnen jemals was wird.« Ihrer besten Freundin zu urteilen, konnte es zumindest noch dauern. Es war richtig verzweifelnd, ihr dabei zuzusehen, wie sie die wichtigen Worte einfach nicht über die Lippen brachte. Als Iwa der Dunkelhaarigen etwas ins Ohr flüsterte und ihr dabei auf den Oberschenkel griff, sah sich der Setter gezwungen, einzugreifen. »Seid ihr euch sicher, dass wir euch nicht alleine lassen sollen?« Er hatte seine Augenbrauen gehoben und verfolgte, wie die zwei ertappt auseinander fuhren. Dabei zuckten seine Mundwinkel verräterisch. »Sorry«, kam es von Jana etwas schuldbewusst. Sie sah von dem Braunhaarigen zu ihrer Freundin, die sie abwartend ansah. »Ist es für euch zwei wirklich kein Problem, hier gemeinsam abzuhängen?« »Nein. Alles bestens. Also mach dir um uns keine Sorgen.« Asuna sah kurz zu Tōru, der sich grinsend mit den Armen abstützte. »Kura-chan hat recht. Wir haben das geklärt.« Er richtete sich auf und legte einen Arm und die Schultern der Blondhaarigen. »Wir sind jetzt Freunde.« Er zog sie zu sich, wobei sie wenig begeistert aussah. Sie schob seinen Arm weg, was so viel bedeutete wie: Übertreib es nicht! Zudem fügte sie hinzu: »Er hat recht. Wir haben uns gestern zufällig getroffen und darüber gesprochen.« Jana hatte bei ihren Worten fast schon fassungslos den Mund geöffnet und bis jetzt nicht geschlossen. Ohne etwas an ihrer Miene zu ändern, sah sie zwischen den beiden hin und her. »Ihr verarscht mich doch, oder?« »Und das sagt ihr uns erst jetzt?« Wesentlich gefasster, aber nicht minder überrascht schaltete sich Iwa in das Gespräch ein. Anscheinend hatte es Oikawa auch verpasst, es seinem besten Freund mitzuteilen. »Jetzt wisst ihr es ja.« Asuna zuckte mit den Schultern. Es war keine große Sache. Zumindest fühlte es sich nicht wie eine an. »Wow. Ich glaube, ich träume.« Jana schüttelte den Kopf und warf ihrer besten Freundin einen eindeutigen Blick zu, der bedeutete, dass sie heute Abend wohl länger telefonieren würden. Iwa schwieg für einen Moment und schien Gesagtes zu verinnerlichen. »Macht ihr dann auch solche Freundschaftsdinge? Wie gemeinsam abhängen und so?« So ganz konnte er sich das noch nicht vorstellen. Asuna lachte leise bei der Frage. »Nah. Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben.« Für den Anfang reichte es, wenn sie sich hauptsächlich wegen ihren besten Freunde trafen. »Genug über uns geredet. Was ist mit euch?«, fragte Oikawa mit einem provokanten Grinsen im Gesicht und auch die 18-Jährige amüsierte sich innerlich. Guter Schachzug, dachte sie sich. »Mit uns? Was soll mit uns sein?« Jana wich gekonnt den Blicken aus und spielte die Situation hinunter. Doch sie hatte nicht mit der unverschämten Art des Setters gerechnet. »Nicht viel. Ich finde nur, dass ihr sehr aneinanderklebt und euch ziemlich oft berührt, dafür, dass ihr nicht zusammen seid.« Am Ende fügte er ein unschuldiges Schmunzeln hinzu. Iwa runzelte bei der Aussage die Stirn. Er schien sich zudem darüber zu ärgern. »Was dagegen, Bakakawa?« »Kein Grund, so aus der Haut zu fahren, Iwa-chan.« Oikawa drehte schmollend den Kopf zur Seite, woraufhin Asuna nur die Augen verdrehen konnte. Manchmal verhielt er sich völlig kindisch. Sein bester Freund schnaubte. »Tu ich nicht, aber es geht dich einfach nichts an.« Asuna und Jana tauschten unsichere Blicke aus, denn beide fühlten, dass die Stimmung gerade kippte. Dennoch blieben sie still. Oikawa, der Iwas Reaktion bis jetzt mit Humor genommen hatte, wurde ernst. »Was? Ihr seid unsere besten Freunde. Es ist doch nichts dabei, darüber zu reden.« »Musst du gerade sagen.« Er führte seine Gedanken nicht weiter aus, doch der Braunhaarige wusste anscheinend sofort auf was sein Freund anspielte. Dementsprechend zeigte seine Miene Verärgerung. Plötzlich sprang Jana auf und sah ihr beste Freundin auffordern an. »Wisst ihr was? Asuna und ich holen etwas zu trinken. Komm Asuna.« Sie drehte sich um, noch bevor die Angesprochene zur Gänze aufgestanden war. Die Dunkelblonde beeilte sich, schrittzuhalten. Sie blickte nochmal über ihre Schulter. Oikawa erwiderte kurz ihren Blick, wendete sich aber schnell wieder dem Vizekapitän zu. »Was zum Teufel war das?« »Gute Frage. Auf jeden Fall wollte ich schnell weg, denn anscheinend haben die zwei was zu klären.« Jana stellte sich in die Schlange, die zur Getränkeausgabe führte und hielt ihre Geldbörse, die sie in der Eile mitgenommen hatte, bereit. »Um ehrlich zu sein, verstehe ich Iwas Reaktion auch nicht wirklich. Hier und jetzt hätte er die Chance gehabt, Klarheit in die Dinge zu bringen.« Asuna hob ahnungslos ihre Schultern. Dass er anscheinend absolut nicht darüber sprechen wollte, war merkwürdig. So hätte sie den Volleyballer nicht eingeschätzt. »Irgendwie sind wir doch alle gleich. Wir zögern wichtige Gespräche so lange hinaus, bis es in eine Katastrophe endet.« Jana seufzte und bestellte vier unterschiedliche Getränke. »Aber weißt du was? Ich werde es heute wagen und ihm sagen, was ich für ihn empfinde. Dieses Mal tue ich es wirklich und wenn er abhauen will, sperre ich uns ein und schmeiß den Schlüssel weg, sodass wir miteinander sprechen müssen.« Energisch und völlig überzeugt reichte sie dem Typen hinter dem Tresen das Geld, der von ihr etwas eingeschüchtert wirkte. »Wie oft wolltest du es ihm jetzt schon sagen?«, hakte Asuna zweifelnd nach. »Oft, aber ich habe mittlerweile echt genug von dieser Ungewissheit. Wenn er nicht dasselbe fühlt wie ich, weiß ich es wenigstens.« »Wenn du es ihm heute wirklich sagst, ruf mich an. Ich will unbedingt wissen, wie er reagiert hat.« Asuna wusste, dass er ihre Gefühle erwiderte. Alles andere war ausgeschlossen. Jana nickte und wich einer Schar Kinder aus, die lachend an ihnen vorbei liefen. »Das hatte ich ohnehin vor. Du musst mir nämlich noch einiges erklären«, forderte die Dunkelhaarige und ließ keine Widerworte zu. Sie nahm ihrer Freundin zwei Flaschen ab und erwiderte schulterzuckend: »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wenn ich ehrlich bin, dann war unser Gespräch recht unspektakulär. Aber das erzähl ich dir alles heute Abend.« Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Oikawa Tōru und Kurasaki Asuna. Einfach nur Freunde«, fing sie übertrieben an, als wäre es irgendein Filmtitel. »So ganz kann ich das nicht fassen. Glaubst du, dass das eine gute Idee ist?« Sie runzelte die Stirn. »Das habe ich mich auch schon gefragt, aber noch fühlt sich daran nichts falsch an.« Die Zeit, in der sie ihn nicht gesehen hatte, hatte geholfen, sich von ihm emotional zu distanzieren. Es hörte sich bescheuert und ungläubig an. Dessen war sie sich bewusst. Allerdings wusste sie auch, wie gut diese Distanz tat. Keine Unsicherheit, keine Abhängigkeit, keine Ängste. Und das war verdammt schön. »Na dann würde ich sagen, dass dich das auch nicht stört, oder?« Jana deutete in Richtung ihres Platzes, welcher im Schatten eines Baumes zu finden war. Sponsor werden und Werbung komplett deaktivieren Asuna folgte dem Blick ihrer Freundin und hob bei dem Anblick wenig überrascht ihre Augenbrauen. »Und hier sehen Sie Oikawa Tōru in seiner natürlichen Umgebung«, kam es von ihr monoton. Der Setter stand bei drei Mädchen, die ihn allesamt anhimmelten. Er erzählte irgendetwas, schenkte ihnen zwischendurch ein charmantes Lächeln und berührte natürlich ganz unbewusst deren Oberarme. »Er geht ja ganz schön ran«, bewunderte Jana, während beide das Geschehen betrachteten. Auch die Dunkelblonde antwortete trocken: »Wenn du wüsstest.« Als sie bei der Gruppe ankamen, richteten sich sofort alle Blicke auf die zwei. »Getränkelieferung«, fing Jana an, um diesen merkwürdigen Moment aufzulockern. Denn die Mädchen, die Asuna flüchtig von ihrer Schule kannte, sahen nicht wirklich begeistert aus. Asuna verdrehte darüber nur die Augen und ging auf ihren Platz, um sich wieder auf das Badetuch zu setzen. Das erste, was sie tat, war, einen kräftigen Schluck von ihrem Wasser zu nehmen. »Habt ihr Lust, Volleyballspielen zu gehen?«, fragte Oikawa plötzlich in die Runde und erntete prompt begeisterte Gesichter. »Oh ja!« Die hübsche Braunhaarige mit den großen grünen Augen strahlte den Setter an, was diesen zum Grinsen brachte. Ihr Name war Hina, soweit sie sich erinnern konnte. »Gute Idee. Eine Runde Beachvolleyball macht bestimmt Spaß.« Iwaizumi sprang leichtfüßig auf und half Jana auf die Beine, die natürlich auch nicht abgeneigt war. Asuna seufzte, als sie in all die motivierten Gesichter schaute. Eigentlich wollte sie in Ruhe die Sonne genießen und ihre Beine ins Wasser baumeln lassen, aber anscheinend wurde ihr ein Strich durch die Rechnung gemacht. Als Einzige wollte sie auch nicht hierbleiben. Mit weitaus weniger Elan als der Vizekapitän erhob sie sich ebenfalls. »Ich hoffe, diese Frage ist okay, aber bist du mit Kurasaki-san zusammen?« Diese Frage drang aufgrund des Lärms nur sehr leise zu ihr. Dennoch verstand sie jedes einzelne, zugegeben höfliche Wort. Dabei sah sie zu dem Mädchen, welches diese Frage gestellt hatte. Es war wieder jene mit den beneidenswerten grünen Augen. Ziemlich hübsch, schoss es ihr durch den Kopf. Und sympathisch. Oikawa lächelte ihr entgegen. »Keine Sorge. Die Frage ist okay. Und nein. Wir sind nur Freunde.« Asuna wusste nicht so ganz, wie sie sich bei dieser Antwort verhalten sollte, denn es war schlichtweg die Wahrheit. Eine Wahrheit, die ausgesprochen doch ein merkwürdiges Gefühl in ihr auslöste. Vielleicht war es auch eher die Art und Weise, wie er es sagte. Wir sind nur Freunde. Prompt schüttelte sie den Kopf, als würde dadurch dieses Gefühl verschwinden. Reiß dich gefälligst zusammen, ermahnte sie sich selbst in Gedanken. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu den Plätzen. Dort trafen sie auf bekannte Jungs. »Was macht ihr denn hier? Wolltet ihr nicht später kommen?« Iwa richtete sich sofort an seine restlichen Teamkollegen, die anscheinend auf dieselbe Idee gekommen waren und den Sandplatz aufgesucht hatten. »Uns war langweilig. Deshalb sind wir früher los.« Kindaichi antwortete seinem Vizekapitän als erstes. »Klasse! Dann können wir ja gemeinsam spielen.« Oikawa drehte den Volleyball, den er mitgenommen hatte, in seinen Händen. »Seid ihr sicher, dass ihr mit uns spielen wollt? Immerhin seid ihr doch viel besser als wir«, meinte Jana zweifelnd. Abgesehen vom Sportunterricht spielten sie nie diese Sportart. Doch Iwa erwiderte überzeugt: »Klar. Hier geht es doch sowieso nur um den Spaß.« »Iwa-chan hat recht. Lasst uns Spaß haben.« Der Braunhaarige und die anderen versuchten, sich passend aufzuteilen. »Wie geht es dir, Matsu?«, fragte Asuna, als sie neben dem Schwarzhaarigen zum Stehen kam. Sie wollte sich aus dem Spektakel heraushalten, weshalb ihr ein Gespräch mit ihrem Mitschüler mehr als nur gelegen kam. »So gut wie immer, wenn ich dich sehe.« Er versuchte, ernst zu bleiben, doch sein Mundwinkel zuckte verdächtig. Die 18-Jährige verschränkte ihre Arme. »Flirtest du gerade mit mir, Matsu-chan?« Sie lächelte schief, als sie ihn von der Seite beobachtete. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet, wo die anderen bereits halbwegs aufgeteilt waren. »Nah, das würde ich mich nie trauen.« Er machte eine kurze Pause. »Oder doch?« Keck grinste er und brachte Asuna zum Lachen. »Ich kann echt verstehen, wieso all die Mädchen aus unserer Klasse immer bei deinem Tisch herumstehen.« Sie schüttelte belustigt den Kopf und spielte mit dem Träger ihres Oberteils. Matsukawa sah auf sie herab, da sie doch um mehr als 15 Zentimeter kleiner war als er, und griff sich an jene Stille, an der sein Herz schlug. »Alle, nur du nicht.« Er schluchzte gespielt auf und brachte die Dunkelblonde abermals zum Lachen. »Das nächste Mal vielleicht. Aber nur wenn du Schokolade für mich hast.« Sie liebte Schokolade. »Hey ihr zwei! Bewegt euch. Wir wollen anfangen.« Jana machte eine ungeduldige Handbewegung. »Asuna und Matsukawa nach rechts.« »Wieso spielen die beiden nicht mit?«, fragte sie und deutete auf die zwei ihr unbekannten Mädchen, die am Rande saßen und mit ihrem Handy spielten. »Weil wir Schiedsrichter brauchen. Ganz einfach.« Und das konnte sie nicht machen? Seufzend stellte sich auf die ihr zugewiesene Position. Zum Glück hatte sie ein paar Spiele gesehen, ansonsten hätte sie keine Ahnung, was sie tun sollte. Neugierig scannte sie das andere Team. Oikawa, Jana, Hina, Kindaichi, Hanamaki und Watari. In ihrem Team waren Matsu, Iwa, ebenfalls ein unbekanntes Mädchen, Kunimi und Kyōtani. Yahaba war anscheinend heute nicht anwesend. »Wieso spielst du nicht mit Iwa in einem Team?« Asuna richtete sich an ihre beste Freundin, die ihr gegenüber hinter dem Netz stand. Sie wirkte alles andere als begeistert. »Oikawa meinte, dass wir uns sonst nicht auf das Spiel konzentrieren würden.« Wenig begeistert verdrehte sie die Augen. »Muss er gerade sagen. So wie er mit Hina flirtet, ist der Ball derzeit nur sein dritt liebstes rundes Objekt.« Asuna runzelte die Augenbrauen, denn sie wusste genau, was ihre Freundin damit meinte. Er flirtete tatsächlich sehr offensichtlich mit ihr und so ganz schien sie nicht abgeneigt von ihm zu sein. Sie konnte es ihr auch nicht verübeln. Da er nur in seinen Badeshorts herumlief, war es schwer, die Augen von ihm abzuwenden. Obwohl sie wusste, dass nicht nur Volleyball zu seinen Stärken zählte, fiel es ihr überraschend leicht, die Finger von ihm zu lassen. »Okay. Wir spielen um die Angabe. Bereit?« Oikawa grinste und widmete seine Aufmerksamkeit dabei jedoch nur dem Mädchen vor ihm. »Hör auf, Hina anzustarren und konzentriere dich lieber, Shittykawa!«, keifte Iwa und hätte ihm vermutlich einen Ball an den Kopf geworfen, wenn er einen hätte. Dieser fuhr sich durch die Haare und meinte scheinheilig: »Um euch zu besiegen, muss ich mich doch nicht konzentrieren.« Hina kicherte vor sich hin, woraufhin Asuna bei dem zuckersüßen Klang das Gesicht verzog. Sie wurde von mal zu mal perfekter und das nervte sie...irgendwie. Als das Spiel begann, beobachtete Asuna die meiste Zeit nur das Geschehen. Sie kam kaum zum Einsatz, was ihr nur recht war. Und falls sie den Ball mal bekam, spielte sie ihn halbwegs passabel auf die andere Seite des Netzes. Es lief nicht so schlecht, aber auch nur deshalb, weil die Jungs darauf achteten, nicht gemein zu spielen. Irgendwann rotierten die Positionen, sodass Oikawa ihr am Netz gegenüberstand. »Gar nicht mal so übel, Kurasaki-san.« Er grinste sie an, und obwohl er anscheinend Gefallen an Hina gefunden hatte, konnte er nicht verhindern, dass seine Augen über den Körper der 18-Jährigen wanderten. Sie würde lügen, wenn sie sagen würde, dass es ihr nicht gefiel. »Welch lobende Worte vom Volleyballkönig höchstpersönlich«, feixte sie mit ein wenig Spott in ihrer Stimme. Immerhin wusste sie, wie sehr ihn diese Bezeichnung nervte. »Ja. Man merkt, dass wir trainiert haben.« »Meinst du das eine Mal, als du mir richtig mies zugespielt hast?«, provozierte sie ihn bewusst. Sie würde nie so mit ihm reden, wenn sie das gestern nicht geklärt hätten. »Nein. Das eine Mal, als du zu klein warst, um den Ball zu erreichen.« »Ich hätte fast vergessen, wie lustig du sein kannst«, antwortete sie daraufhin sarkastisch und erntete nur ein Lachen, denn Jana begann mit dem Aufschlag. Eigentlich hatte Asuna keine Ahnung, was sie hier tat. Alles was sie wusste, war, dass ihre Position Oikawas Spezialgebiet war. Dass sie ihm gerade gegenüberstand, machte die Sache nicht einfacher. Dennoch versuchte sie Iwa, der zu ihrer Rechten stand, passabel zuzuspielen. Oft kam sie zu niedrig an oder spielte zu weit nach außen. Der Vizekapitän wusste aber, wie er ihre Fehler ausbessern konnte. »Mach dir nichts draus, Iwa-chan. Nicht jeder kann so perfekt zuspielen wie ich.« Oikawa entfernte die Haare mit einer schnellen Bewegung seines Kopfes aus dem Gesicht, während seine Augen vor Arroganz aufblitzten. »Komm wieder runter, Trashykawa.« Er warf seinem besten Freund einen düsteren Blick zu, woraufhin dieser sofort zusammenzuckte. Als Iwa zu Asuna sah, wurde sein Ausdruck wieder freundlich. »Außerdem schlägt sich Kurasaki-san nicht schlecht.« »Da hast du's.« Die Dunkelblonde grinste dem Setter ins Gesicht. »Danke, Iwa-san.« Nachdem sie ganz knapp verloren hatten und sie sich alle Oikawas Gerede anhören durften, setzten die Mädchen aus, damit die Jungs so spielen konnten, wie sie es eigentlich taten. In der Zwischenzeit ließen sich Jana und Asuna auf der Wiese nieder. Hina gesellte sich überraschenderweise zu ihnen. »Das war lustig, findet ihr nicht auch?« Sie lächelte, während sie ihre Arme um ihre Beine schlang und den Jungs beim Spielen zusah. Jana nickte. »Ich fand es toll, dass sie auf uns Rücksicht genommen haben, obwohl sie hier die Profis sind.« Die beiden vertieften ihr Gespräch, bei dem die Dunkelblonde lieber die Zuhörerin mimte und dem Spiel folgte. Man konnte ihnen sichtlich ansehen, dass hierbei der Spaß im Vordergrund stand. Auch wenn Iwa Oikawa zur Sau machte, nachdem er einen Aufschlag versemmelt hatte. Sie musste leise lachen, als der Braunhaarige seinen besten Freund auf die Schulter schlug, sodass dieser nur noch wütender wurde. »Hey, Asuna. Darf ich dich etwas fragen?« Hinas Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Klar.« Sie lächelte freundlich, auch wenn sie sich damit schwer tat. Die Zweitklässlerin war nie gemein zu ihr gewesen und doch fiel es ihr irgendwie schwer, das Lächeln aufrecht zu halten. »Ich habe das damals von Oikawa-san und dir gehört.« Sie machte eine Pause, nachdem die Dunkelblonde ihre Stirn gerunzelt hatte. »Ich gebe nicht viel auf Gerüchte, weshalb ich dich persönlich fragen wollte, was genau da zwischen euch gelaufen ist.« Dennoch etwas überrascht über diese direkte Art, stützte sie sich mit ihren Armen hinter ihrem Körper ab und schwieg einen Moment. Ihr war bewusst, was sie meinte. Oikawas Aussage bei dem Schulfest hatte damals für ziemlich viel Gesprächsstoff gesorgt. Weder er noch sie hatten sich zu diesen Gerüchten jemals geäußert. »Keine Sorge. Zwischen Oikawa und mir läuft gar nichts. Wir sind nämlich nur Freunde.« Sofort verließ Hina die Anspannung und sie musste ein erleichtertes Seufzen zurückhalten. Es war ihr schlichtweg anzusehen, denn sie war nicht die Beste im Verstecken ihrer Gefühle. Genauso wie es Asuna nahezu anzumerken war, dass ihr diese Worte nicht so leicht über die Lippen gekommen waren, wie sie es gewollt hatte. Deshalb meinte Jana, als Hina wieder zu ihren Freundinnen gegangen war: »Eine elegante Art, um ihr nicht die Wahrheit sagen zu müssen.« Doch Asuna seufzte genervt. »Wieso? Das war die Wahrheit. Zwischen uns lief zwar was, aber die Betonung liegt auf lief. Vergangenheit, verstehst du? Und sie hat eindeutig nach der Gegenwart gefragt.« Außerdem musste nicht jeder darüber Bescheid wissen. Schon gar nicht...Hina. »Wow. Irgendwie empfinde ich gerade so etwas wie Stolz.« Sie nickte anerkannt. »Ja. Ich bin stolz auf dich. Das hätte nämlich von mir sein können.« »Logisch, du übst ja auch schlechten Einfluss auf mich aus.« Asuna zuckte grinsend mit ihren Schultern. »Spinnst du? Du warst diejenige, die mir zu dieser körperlichen Beziehung mit Hajime geraten hat. Wer ist hier der schlechte Einfluss?« »Hey! Tu nicht so, als wäre das eine blöder Rat gewesen. Du wärst sonst nie in den Genuss seiner...diversen Künste, oder wie du das immer nennst, gekommen.« »Genau genommen wäre ich gar nicht gekommen.« Sie wackelte mit ihren Augenbrauen. Fast schon schmerzhaft schloss sie ihre Augen. »Der war richtig mies«, erwiderte sie trocken und hob dennoch ihren Arm, um mit ihrer besten Freundin einzuschlagen. »Und deshalb liebst du mich.« Sie zeigte ihr bestes Lächeln. Asuna seufzte theatralisch. »Und manchmal weiß ich nicht warum.« Jana strich sich ihre Haare nach hinten. »Aber du hast recht. Es war vermutlich der beste Rat, denn du mir je gegeben hast.« Verträumt sah sie zu Iwa, der nach wie vor mit den anderen Volleyball spielte und dabei eine ziemlich gute Figur machte. »Gern geschehen.« Sobald ihre beste Freundin glücklich war, war sie es auch. Und dass sie dieses Glück gerade in dem Volleyballer gefunden hatte, freute sie umso mehr. Wie von selbst wanderten ihre Augen weiter zu dem Setter. Oikawa hatte sichtlich Spaß daran, ausnahmsweise auf Sand zu spielen und hier sein Können zu präsentieren. Zumindest zeigte er vollen Einsatz und da sie ihn kannte, lag dies zum Teil an den Mädchen, die ihn natürlich beobachteten. So ganz konnte sie ihnen das nicht verübeln. Er hatte etwas an sich, was einen in den Bann zog. Damit meinte sie nicht nur sein Aussehen, sondern auch seine Ausstrahlung. »Vermisst du ihn?«, riss Janas Stimme sie plötzlich aus den Gedanken. Da sie keinen blassen Schimmer hatte, was sie meinte, brachte sie ein irritiertes »Hm?« zustande. »Den Sex mit Oikawa natürlich.« Für ihre Verhältnisse riss sie sich bezüglich Lautstärke ziemlich zusammen, um ihre Worte nicht gleich dem gesamten Freibad mitzuteilen. Asuna legte ihren Kopf schief und betrachtete abermals den Braunhaarigen, wie er den zugeworfenen Ball fing und sich ein Grinsen auf seine Lippen stahl. Gepaart mit seinem durchtrainierten Oberkörper, welcher dank der Badekleidung mehr als nur gut zur Geltung kam, sah er so unglaublich heiß aus, dass sich eindeutige Bilder in ihren Kopf schlichen. Deshalb gab sie ohne zu zögern eine Antwort. »Oh ja.« Verflucht, klang sie gerade erbärmlich. Sie ließ sich nach hinten fallen und legte aufgrund der starken Sonne ihre Hände aufs Gesicht. »Das ist wirklich furchtbar. Diese bescheuerte...Bilder in meinem Kopf machen mich fertig. Und diese verdammten Träume machen es nicht besser. Ich versuche zu vergessen, wie er mich gegen die Wand drückt und mit seinen Händen über meinen nackten Oberkörper streicht. Wie er mit seiner Zunge über meinen Hals fährt, während seine Finger tiefer gleiten und mich -«, wollte sie schon fortfahren, wurde aber von einem zischenden »Asuna!« unterbrochen. »Was?«, murmelte diese gedämpft in ihre Hände. »Ich glaube,« sie räusperte sich, »du solltest deine Gedanken Gedanken sein lassen. Zumindest für den Moment.« Sie runzelte die Stirn. »Wieso?« Nachdem sie ihre Hände entfernt und sich aufgesetzt hatte, wusste sie jedoch bereits die Antwort auf ihre Frage. Mehrere fassungslose Augenpaare starrten sie an, während mancher so aussah, als wäre er furchtbar gerne wo anders. »Das...hat doch niemand von euch gehört, oder?«, hakte sie peinlich berührt nach und fühlte die Hitze, die in ihre Wangen stieg. »Doch. Ich fürchte schon.« Iwa war so nett und war ehrlich zu ihr. Dabei warf er immer wieder Jana einen nervösen Blick zu. Man sah ihm an, dass er sich unwohl fühlte. »War das gerade ein Erfahrungsbericht?«, wollte Kindaichi mit hoher Stimme wissen und wirkte irgendwie angespannt. Oikawa schlug diesem auf die Schulter und hatte ein fettes Grinsen im Gesicht. »Oi! Kindaichi-chan. Hast du dir die Worte von Kurasaki-san gut eingeprägt? Wer weiß, wann du jemals wieder so etwas....Heißes hören oder gar erleben wirst.« »Okay. Wisst ihr was?« Asuna erhob sich, verschränkte ihre Arme und warf dem Setter einen warnenden Blick zu. »Ich gehe zurück zu unserem Platz.« »Wieso? Willst du uns nicht mehr von deinen aufregenden Gedanken mitteilen?« Er genoss es. Ganz klar. »Halt die Klappe«, zischte sie und schob sich an ihm und den anderen vorbei. Das war seine Schuld. Er war derjenige, der für diese Bilder in ihrem Kopf und somit für diese Situation verantwortlich war. Wie peinlich. »Kurasaki-san! Wohin gehst du?« Hina und die anderen hatten die Gespräche beendet. »Weit weg von hier«, antwortete sie mit einem erleichterten Gesichtsausdruck, ohne stehenzubleiben. Kapitel 4: naked skin and water? am i dreaming again? ----------------------------------------------------- ● • . »Ich glaube, das Volleyballteam sieht dich jetzt in einem völlig anderen Licht«, kam es von Jana nachdenklich, während sie gemeinsam ihre Füße in das Wasser hielten. »Oh Gott.« Asuna verzog ihr Gesicht. »Bitte hör auf, darüber zu reden.« Die geschockten Augen hatten sich in ihren Kopf gebrannt. »Aber du musst zugeben, dass es irgendwie lustig war. Kunimi sah ziemlich verstört aus, findest du nicht auch?« Die Dunkelhaarige lachte und erzeugte mit ihren Beinen kleine Wellen. Die 18-Jährige schlug ihrer Freundin locker auf den Oberarm. »Du hättest mich auch früher warnen können.« Diese wenigen Sekunden zuvor, zählten definitiv zu ihren peinlichsten Momenten des Jahres. »Vielleicht hätte ich das tun können. Vielleicht wollte ich aber auch das Ende deiner kleinen Geschichte hören. Oder sollte ich sagen: Deiner und Oikawas Geschichte?« Provokant hob sie ihre Augenbrauen. Wie war das noch schnell? Wenn man solche Freunde hatte, brauchte man keine Feinde mehr? »Was ist mit unserer Geschichte?«, ertönte es plötzlich hinter ihnen. Asuna seufzte, legte ihren Kopf in den Nacken und blickte direkt in Oikawas braune Augen. »Gar nichts. Wir haben keine Geschichte.« »Autsch.« Er griff sich an die Brust, hatte aber dennoch ein Grinsen im Gesicht. »Wo ist Hina?«, fragte die Dunkelblonde, um das Thema zu wechseln. So schnell wie möglich. »Sie ist nach hause gegangen. Aber keine Sorge. Sie hat mir ihre Handynummer gegeben.« Man konnte deutlich die Zufriedenheit in seiner Stimme hören. Okay. Der Themenwechsel war auch nicht das Wahre gewesen. Wenigstens sprach er sie nicht auf ihre Worte von vorhin an. Allerdings machte dies die Sache auch nicht besser. Denn dass Oikawa anscheinend auch nicht abgeneigt war, Hina nochmal zu sehen, verursachte ein unangenehmes Gefühl in ihrer Brust. Aber konnte sie es ihm übel nehmen? Hina war hübsch, nett und absolut niedlich. Wenn Asuna ein Junge wäre, würde sie sich vermutlich auch an die Zweitklässlerin ranmachen. In dem Moment, als sie antworten wollte, sprang plötzlich jemand von der Seite ins Wasser und sorgte dafür, dass die beiden Freundinnen völlig nassgespritzt wurden. Sie hatten ihre Arme nach oben gerissen, um dem meisten zu entgehen, doch deren Reaktionszeit war schlichtweg ausbaufähig. »Maaaaan. Hajime«, jammerte Jana, nachdem der Übeltäter auf der Oberfläche auftauchte. Lachend wohlgemerkt. Asuna hingegen verdrehte die Augen, nachdem sie die Wassertropfen von ihrem Gesicht entfernt hatte. »Ich hasse dich gerade sehr, Iwaizumi.« Sie meinte es natürlich nicht ernst, aber begeistert war sie gerade auch nicht. »Hass ist ein sehr starkes Gefühl, Kurasaki-san.« Iwa grinste und hielt sich am Beckenrand neben ihrer besten Freundin fest. »Du kannst froh sein, dass dich Jana so gern hat«, brummte sie nach einem kurzen Blick auf die zwei, die abermals kaum die Finger voneinander lassen konnten. Sie hoffte, dass dieses zwanghafte Berühren in ihrer Gegenwart irgendwann nachlassen würde. Oder dass sie zumindest endlich zusammenkommen würden. Sie fühlte sich hier nämlich daran erinnert, dass es wohl ewig dauern würde, bis sie jemand auf diese Weise berührte und sie verliebt ansah. Langsam erhob sie sich, woraufhin sie sich ausgiebig streckte. »Tut mir leid, aber ich dachte, dass ihr zwei eine Abkühlung vertragen könntet.« Sich keine Schuld bewusst, zuckte er mit den Schultern, während er seinen rechten Unterarm auf Janas Oberschenkel ablegte. »Wie nett von dir, dass du dich so um uns sorgst.« Jana fuhr ihm grinsend durch die nassen Haare. »Ja, wie nett«, fügte sie sarkastisch hinzu, musste aber schmunzeln. Es war für sie dennoch schön zu sehen, dass es zwischen Jana und Iwa so gut lief, auch wenn das Gesprächen gestern nicht nach den Wünschen ihrer besten Freundin verlaufen war. Deshalb drehte sie sich um, damit sie den beiden etwas Zweisamkeit schenken konnte. Dabei vergaß sie völlig, dass Oikawa ebenfalls noch hier war. Er hatte schlichtweg bis jetzt nichts gesagt, was ziemlich untypisch für den Setter war. Immerhin war sie es gewohnt, dass er oftmals das letzte Wort haben wollte und blöde Kommentare schob. Jetzt aber stand er mit verschränkten Armen vor ihr und schien über etwas nachzudenken, während er sie nichtssagend anstarrte. »Was?«, kam es von ihr skeptisch, da sie sein Verhalten merkwürdig fand. Merkwürdiger als sonst. Er legte seinen Kopf schief und schenkte ihr sein strahlendes Grinsen, welches jedes Mädchen die Röte ins Gesicht trieb. Asuna wurde dadurch zwar nicht verlegen, aber sie musste gestehen, dass es doch eine gewissen Anziehung auf sie ausübte. Es überraschte sie nicht. Immerhin wusste sie nur zu gut, wie sich seine Hände auf ihrem nackten Körper anfühlten. Man, Asuna! Für solche Gedanken ist hier aber gerade kein Platz. Jetzt und auch sonst nicht. »Nichts. Es ist nur...« Er hielt inne und machte einen Schritt auf sie zu. Aus Reflex lehnte sich die Dunkelblonde etwas nach hinten, da er plötzlich sehr nahe bei ihr war. Er musterte sie und langsam dämmerte es ihr, weshalb sie so von ihm angesehen wurde. »Wage es ja nicht, oder du wirst es bitter bereuen!«, warnte sie ihn, legte ihre Hand auf seine Brust und schob ihn nach hinten. Fast schon panisch sah sie nach hinten, wo das kühle Wasser stetig über den Rand schwappte. Nicht, dass sie Angst vor Wasser hatte, aber sie hatte keine Lust, hineingeworfen zu werden und dadurch ihre Haare nass zu machen. Abwehrend hob dieser sofort seine Arme. »Du denkst auch immer schlecht von mir, Asu-chan.« Ernst sah er sie an, woraufhin sie schnaubte. »Warum wohl? Der Name Oikawa Tōru bedeutet auch nichts Gutes«, erwiderte sie, während sie weiterhin versuchte, ihn nach hinten zu schieben. Der Braunhaarige hob seine Augenbrauen, schien über ihre recht harschen Worte aber keine Unmut zu verspüren. Stattdessen nickte er nach einem kurzen, schweigenden Moment. »Eigentlich hast du recht.« Asuna öffnete ihren Mund, um ihm zu widersprechen, schloss ihn aber überrascht wieder, als sie realisierte, dass er ihr zugestimmt hatte. »Tatsächlich?« Ungewohnt, dass er sich so einsichtig verhielt, zog sie ihren Arm zurück. Abtuend zuckte er mit den Schultern. »Ja, schon. Denn wenn das so ist, kannst du mir das auch nicht übel nehmen.« »W-«, fing sie an, kam aber nicht dazu, ihren Satz zu beenden. Ohne zu zögern hatte er ihr einen kräftigen Stoß gegeben, sodass sie nach hinten stolperte und prompt ins kalte Wasser des Freibads fiel. Reflexartig schloss sie ihre Augen, bevor sie völlig unter der Oberfläche verschwunden war. Sie spürte förmlich, wie ihr Herz anfing, das Blut schneller durch ihre Adern zu pumpen, als der hohe Temperaturunterschied ihren Körper traf. Mit einer einzigen Bewegung ihrer Arme verschaffte sie ihren Lungen wieder Luft, indem sie hektisch auftauchte. Sie schnappte nach Luft und griff mit geschlossenen Augen nach dem Beckenrand, da sie an dieser Stelle nicht stehen konnte. Sprachlos über die Dreistigkeit des Setters, strich sie sich die nassen Haare aus dem Gesicht und fuhr sich schließlich über ihr Gesicht. »Du bist echt lebensmüde, Oikawa«, hörte sie Jana baff sagen, während Iwaizumi offensichtlich sein Lachen zurückhalten musste. Asuna blinzelte die Wassertropfen weg und öffnete zur Gänze ihre Augen. Sie fühlte förmlich wie diese Funken sprühten, als sie das Grinsen des braunhaarigen Jungen sah. »Ich konnte nicht anders. Es war zu verlockend.« Lachend kniete er sich hin, damit er Asuna den Kopf tätscheln konnte. »Siehst du? Alles halb so wild. Es ist doch nur Wasser.« Wütend schlug sie seine Hand weg. »Du bist echt ein Idiot, weißt du das?« Argh! Manchmal konnte sie nicht glauben, dass er sie damals dazu gebracht hatte, ihn tatsächlich zu vermissen, wenn er nicht bei ihr war. Gerade jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er am anderen Ende der Welt war. Vor allem dieses bescheuerte Grinsen machte sie gerade rasend. »Und hör auf so zu grinsen! Ich bin gerade nämlich kurz davor, dir die Freundschaft wieder zu kündigen«, drohte sie ihm, während sie ihre Finger fester um den Beckenrand schloss. Mag sein, dass sie manchmal mit ihrer Reaktion übertrieb, aber sie hielt schlichtweg nichts von diesen kindischen Aktionen. Außerdem hatte sie ihre Haare frisch gewaschen, was sie nun zuhause abermals erledigen konnte. »Ich glaube, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um sich zu entschuldigen, Trashykawa.« Iwa sah seinen besten Freund auffordern an, wusste er doch, dass er selbst nie auf diese glorreiche Idee gekommen wäre. Dennoch fand er diese Situation genauso amüsant, obwohl mit der Klassensprecherin nicht zu spaßen war. »Oi! Bist du etwa meine Mum?« Er schmunzelte, doch es verging ihm schnell bei dem angepissten Anblick seines besten Freundes wieder. Schließlich räusperte er sich und wandte sich wieder zu Asuna. »Entschuldige, Asuna.« Er hielt ihr seine Hand entgegen. »Ich will ja nicht, dass unsere Freundschaft so schnell auseinanderbricht.« Grinsend legte er seinen Kopf schief und wartete auf eine Antwort der Dunkelblonden. Ihre nassen Haare, die sie mittlerweile geöffnet hatte, hatte sie nach hinten gestrichen. Diese sah von seinem Gesicht zu der ausgestreckten Hand, die er ihr als Versöhnung anbot. Zögerlich nahm sie das Angebot an und legte ihre Hand in seine. Oikawa war sich ziemlich sicher, dass er aus dieser kleinen Aktion als Sieger hervorgegangen war. Bis zu dem Zeitpunkt, als er ihre einladenden Lippen, die sich langsam nach oben zogen, erkannte. Wie er zuvor auch zögerte sie nicht, sondern zog ihn mit einem kräftigen Ruck zu sich. Dadurch, dass er in die Knie gegangen war, hatte er keinen Halt, weshalb es für die 18-Jährige ein Leichtes war, ihn nach vorne zu ziehen. Zufrieden vernahm sie sein panisches Gesicht, ehe er neben ihr ins Wasser fiel. Schadenfroh wartete sie darauf, bis er wieder auftauchte. Dieses Mal lachte auch Jana, die prompt mit ihrer besten Freundin einschlug. Sie hatte zwar gesagt, dass sie so etwas nicht mochte, aber als er so verlockend vor sich hin gelächelt und sie erkannt hatte, dass sie es ihm auf die gleiche Art und Weise heimzahlen konnte, hatte sie ihre Moral über Bord geworfen. Und es hatte sich gelohnt. Die nassen Haare, die dieses Mal ihm vereinzelt ins Gesicht hingen, und sein perplexer Gesichtsausdruck waren es allemal wert. »Jetzt sind wir quitt«, meinte sie hämisch grinsend, nachdem sie sich mit beiden Armen am Beckenrand abstützte. Jetzt wo sie im Wasser war, konnte sie auch hier bleiben. Mittlerweile war es auch nicht mehr ganz so kalt. »Manchmal vergesse ich, dass dein süßes Grinsen nur Tarnung für dein böses Inneres ist«, meinte Oikawa lachend und brachte die Angesprochene zum Stocken. Hatte er gerade gesagt, dass sie ein süßes Grinsen hatte? Dieses Mal war sie es, die sich räusperte, um Gesagtes zu überspielen und so zu tun, als hätte sie es nicht gehört. Ihr war bewusst, dass das zwischen ihnen zu ende war, aber nichtsdestotrotz war es merkwürdig und absolut verwirrend, wenn er solche Dinge sagte. »Kannst du hier etwa stehen?« Ernsthaft überrascht sah sie ihn an und verdrängte seine Aussage von vorhin. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen half ihr auch nicht. Vor allem, wenn es keine Bedeutung hatte. »Klar. Du nicht?« Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, erinnerte er sich. »Ach ja. Ich hab vergessen, wie winzig du bist.« Er lachte leise, woraufhin sie ihm mit der Hand Wasser ins Gesicht spritzte. »Hör auf zu lachen. Ich bin nicht winzig, sondern durchschnitt.« Das hatte sie ihm schon mal gesagt, aber er zog sie dennoch gerne damit auf. »Ich lass dich einfach mal in dem Glauben, kleine Asuna.« Er lächelte schief und erntete von der Blondhaarigen ein Augenverdrehen. In diesem Moment entschied sich auch Jana dazu, nicht länger am Beckenrand zu sitzen. Sie ließ sich auf eine weitaus elegantere Art und Weise ins Wasser gleiten als ihre beste Freundin, aber das war auch keine Herausforderung. Sobald diese bis zu den Schultern im Wasser war, legte Iwa seine Hände auf ihre Hüften, um sie so festzuhalten. Sie grinste und schlang ihre Arme um seinen Hals. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, was sie kichern ließ. »Oh Gott«, murmelte Asuna mit verzogener Miene. Der Anblick war so zuckersüß, dass ihr übel wurde. Sie liebte Jana und gönnte ihr das mit Iwa von Herzen, aber das war ihr zu viel Kitsch. Im Allgemeinen klebten die beiden aneinander, seid sie sich hier getroffen hatten. Selbst beim Volleyballspielen konnte sie das Netz dazwischen nicht völlig trennen. Und seien es die Blicke gewesen, die sie ausgetauscht hatten. »Was denn?«, hakte Jana unschuldig grinsend nach. Seufzend legte sie ihren Kopf in den Nacken. »Gar nichts. Macht einfach da weiter, wo ihr aufgehört habt.« Und reibt ihr unter die Nase, wie schön eine (beinahe) Beziehung sein konnte. Nicht, dass sie sich unbedingt eine Beziehung wünschte... Wow. Anscheinend benebelte das Chlor bereits ihr Gehirn. »Vergesst, was Asuna gesagt hat. Sie weiß nicht, was sie da redet«, kommentierte Oikawa und fuchtelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum. Ihre empörtes »Hey« ignorierend, meinte er: »Ihr müsst nicht unbedingt da weitermachen, wo ihr aufgehört habt.« »Wieso? Seid ihr etwa neidisch?« Provokant hob Iwa die Augenbrauen und stieß prompt auf die Sturheit seines Kapitäns und auf Unverständnis seitens Asuna. Asuna schob seinen Arm weg, da er ihr die Sicht nahm. »Was? Nein.« »Pfff. Süß, dass du das denkst, Iwa-chan.« Oikawa strich seine nun nur noch feuchten Haare nach hinten und zeigte wieder mal wie groß seine Arroganz sein konnte. »Ja. Es ist ja nicht so, als könnten wir das nicht auch haben.« Sie stimmte ihm zu und fügte noch schnell hinzu: »Nicht gemeinsam natürlich.« Auch wenn sich die Bilder ihres Traumes gerade verdächtig in den Vordergrund drängten. Dass er ihr gerade so nahe war, war nicht förderlich. Genauso wenig trug das Wasser zu der Situation bei. Verdammt! Konzentriere dich gefälligst auf etwas anderes, schimpfte sie in Gedanke mit sich selbst. »Dann sucht euch doch jemanden und lasst uns da weitermachen, wo ihr uns unterbrochen habt.« Hajime grinste und sorgte dafür, dass Asuna und Tōru synchron die Augen verdrehten. »Von mir aus könnt ich machen, was ihr wollt. Ich geh zu unserem Platz zurück«, entschied sich die Dunkelblond kurzerhand und stemmte sich an dem Beckenrand hoch. Bevor sie hier weiter neben den zwei Turteltauben Jana und Hajime und auch noch Tōru im Wasser verweilte und sich über Themen unterhielt, die sie gerade gar nicht hören wollte, legte sie sich alleine auf das Handtuch und genoss die vereinzelten Sonnenstrahlen, die durch die Äste hindurchdrangen. Sie wurde auch zum Glück nicht aufgehalten, sondern konnte sofort zu ihren beanspruchten Platz zurückkehren. Als sie auf dem Rücken lag und ihre Augen schloss, konnte sie dennoch nicht anders, als an den braunhaarigen Volleyballspieler zu denken. Daran musste sie definitiv noch arbeiten, wenn sie das nächste Schuljahr überstehen wollte, aber es fiel ihr einfach unheimlich schwer. Immerhin hatte sie sehr viel Zeit mit dem Setter verbracht, auch wenn reden dabei ziemlich kurz gekommen war. Außerdem kratzte es an ihrem Ego, dass er anscheinend keine Probleme damit hatte, nicht mehr an ihre gemeinsame Zeit zu denken. Zumindest kam es ihr so vor, als er so offensichtlich mit Hina geflirtet hatte. Asuna musste ein tiefes Seufzen unterdrücken und fragte sich, wie zum Teufel sie Zeit mit ihm verbringen sollte, ohne dabei an all die Dinge zu denken, die sie getan hatten. Das war doch unmöglich. Vielleicht sollte sie Janas Rat beherzigen und Riku daten. Möglicherweise würde sie so endlich auf andere Gedanken kommen. Kapitel 5: the sun is shining strong today ------------------------------------------ ● • . Eine Woche war vergangen, seit sie im Freibad gewesen waren. Das Wetter war mittlerweile auch nicht mehr so unerträglich, obwohl es noch immer fast 30 Grad hatte. Asuna war zudem wirklich gut drauf und das lag an einem Videotelefonat, welches fast 30 Minuten gedauert hatte. Sie hatte mit ihren Eltern gesprochen, die gesagt hatten, dass sie in ein paar Tagen nach hause kommen würden. Ein absoluter Grund für die 17-Jährige, um gut gelaunt das Wohnhaus zu verlassen. Und zwar in ihren Sportsachen. Ja. Kein Witz. Es war kurz vor 8 Uhr morgens und Kurasaki Asuna hatte vor, laufen zu gehen. Sie gab es ungern zu, aber Tōru hatte recht gehabt, als er sie als faul bezeichnet hatte. Deshalb hatte sie beschlossen, ab und zu sportlich zu sein. Außerdem musste sie dann nicht so ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie abends einen halben Becher Eis löffelte. Draußen stoppte sie und schaltete ihren Ipod ein, weil es ohne Musik einfach langweilig war. Dann lief sie los. Sie hatte nicht wirklich einen konkreten Plan wohin, aber sie wollte Richtung Schule, weil von dort ein Pfad in den Wald führte, den einige fürs Laufen nutzten. Sie versuchte ein langsames Tempo beizubehalten, was nicht so einfach war. Dennoch versuchte sie sich an die Tipps zu halten, die sie gelesen hatte. Immerhin war sie eine blutige Anfängerin. Die ersten Minuten schlug sie sich ganz gut. Irgendwann spürte sie die Anstrengung, aber zwang sich, zumindest bis zum Schulgebäude zu kommen. Dort gab es auch einen Trinkbrunnen, den sie unbedingt nutzen wollte. Der Schweiß ran ihr über die Schläfen und auch klebte mittlerweile ihr Shirt unangenehm auf ihrer Haut, als sie schließlich das Schulgelände betrat. Asuna holte tief Luft und stützte sich mit ihren Händen an den Knien ab. Unsportlichkeit war eine Übertreibung für ihren Zustand. Sie schleppte sich förmlich zum Trinkbrunnen und erst da wurde ihr bewusst, wie durstig sie war. »Asuna?«, ertönte es plötzlich hinter ihr und beinahe hätte sie sich an dem Wasser verschluckt. Sie drehte sich um und entfernte mit dem Handrücken die letzten Tropfen von ihren Lippen. »Riku!« Überrascht hob sie ihre Augenbrauen. »Was machst du hier?« Er trug keine Sportsachen so wie sie. Deshalb konnte sie ausschließen, dass er ebenfalls wegen des Laufens hier war. Stattdessen trug er eine schwarze Jeans und ein olivgrünes Shirt. In seinen Haaren steckte eine Sonnenbrille. Kurzum, sie konnte verstehen weshalb er so viele Geschenke zum Valentinstag bekam. »Naja, die Schule beginnt bald wieder und es bis dahin noch einiges zu erledigen. Was genau sag ich dir dann bei der Sitzung mit den Klassensprechern.« Er grinste und erinnerte sie an das Treffen, welches in drei Wochen stattfinden würde. »Und du bist joggen?« Neugierig musterte er sie und hatte so viel Anstand, nicht bei ihrem Ausschnitt hängenzubleiben. Die Dunkelblonde nickte langsam. »Ja. Zum ersten und vielleicht letzten Mal.« Sie strich sich eine lose Strähne nach hinten, die bis eben noch an ihrer Stirn geklebt hatte. »Ach was. So schlimm ist es auch wieder nicht. Außerdem solltest du öfters joggen gehen. Steht dir.« Verschmitzt grinste er wieder und schaffte es, völlig unschuldig mit ihr zu flirten. Asunas Mundwinkel zog sich nach oben, während sie ihre Arme verschränkte. »Nett von dir, aber du musst mein erbärmliches Erscheinungsbild nicht schönreden.« Abwehrend hob er seine Hände. »Hey, du kennst mich. Ich mein das ernst.« »Ich weiß.« Jetzt musste sie lachen und streckte ihre Arme nach ihm aus. »Dann kann ich dich ja beruhigt umarmen, oder nicht?« Es war ihr keinesfalls unangenehm, dass sie nach wie vor verschwitzt war. Stattdessen machte sie sich einen Spaß daraus. »Normalerweise jederzeit, aber gerade kann ich darauf verzichten.« Riku machte ein paar Schritte nach hinten, um Abstand von ihr zu nehmen. »Von wegen das Laufen steht mir«, feixte Asuna und blödelte noch länger mit dem Schulsprecher herum. Schließlich kam ihr ein Gedanke, der sich vor allem seit einer Woche in ihrem Kopf fixiert hatte. »Riku? Hast du Lust, mal mit mir auszugehen?« Neugierig sah sie ihn an und hätte bei seinem überraschten Blick beinahe gelacht. Sie war nicht wirklich nervös, als sie ihn um ein Date fragte. Im Gegenteil. Sie kannte den Schulsprecher schon so lange, dass sie eher interessiert auf seine Antwort wartete. »Du willst mit mir ausgehen?«, hakte er verblüfft nach und fuhr sich mit seiner Hand durch die schwarzen Haare. »So richtig?« »Ja, so richtig. Nicht nur einfach Kaffee trinken.« Sie fing an, auf ihrer Lippe herumzukauen und starrte auf den Boden. Aber nicht, weil sie verlegen war. Sie mochte Riku, war aber nicht verknallt in ihn. Vielleicht...könnte sich diese Kleinigkeit aber ändern. Riku wollte gerade antworten, als ihm jedoch jemand zuvor kam. »Hey, was für eine Überraschung. Was macht ihr denn hier?« Asuna sah nach links und musste ein genervtes Seufzen zurückhalten. Stattdessen bemühte sie sich um ein gezwungenes Lächeln. Hina wank ihnen zu und strahlte dabei so sehr, dass sie sich fragte, ob so viel gute Laune überhaupt möglich und gesund war. Vermutlich lag das aber an ihrer Begleitung. Oikawa hatte jedoch nur ein kleines Grinsen für sie übrig, welches schlichtweg arrogant wirkte. Das konnte er in der Öffentlichkeit am besten. Vor allem, wenn Riku in der Nähe war. Dieser schien ebenfalls wie ausgewechselt. Zumindest wenn man ihn kannte. »Wir haben uns zufällig hier getroffen, weil Asuna laufen war.« Bei seinen Worten musste er lachen, wofür die Dunkelblonde nur einen mahnenden Blick übrig hatte. Dass auch Tōru für diese Tatsache einen zweifelnden Blick zuwarf, ignorierte sie gekonnt. »Und ihr zwei seid hier, weil...?« Sie ließ die Frage offen und betrachtete vor allem Hina, die strahlend neben dem Setter stand. In ihrem zitronengelben Kleid machte sie der Sonne Konkurrenz. Wie...schön. Das Mädchen mit den schulterlangen Haaren sah auffällig zu dem Volleyballspieler. »Ich hab Oikawa-kun zum Training begleitet und ihm ein bisschen dabei zugesehen.« Oikawa setzte sein unwiderstehliches Grinsen auf, welches er in der Gegenwart seiner Fangirls perfektioniert hatte. »Falsch. Du mir nicht nur zugesehen, sondern auch abgelenkt.« Prompt kicherte Hina und hörte sich dabei einfach nur niedlich an. Asuna hätte darüber fast die Augen verdreht und fühlte sich sofort schlecht. Hina war vermutlich die netteste Person, die sie je kennengelernt hatte. Sie hatte keinen Grund, von ihr genervt zu sein. Es war aber überraschend schwer, dies nicht zu sein... »Ich würde ja furchtbar gerne weiter mich euch reden, aber ich verhungere und würde gerne noch die fünf Kilometer schaffen«, meinte Asuna und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Irgendwie war ihr die Lust vergangen, seit Oikawa und Hina hier waren. »Fünf Kilometer?« Oikawa musste sich offensichtlich das Lachen verkneifen und erntete ein knappes »Halt die Klappe« von Asuna. Sie hob ihre Hand zum Abschied. »Also, man sieht sich.« Sie machte kehrt und war bereits ein paar Meter gegangen, als Riku ihr nachrief: »Asuna? Ich hab noch gar nicht auf deine Frage geantwortet.« Sie hielt inne und drehte sich um. Er grinste und deshalb konnte sie seine Antwort erahnen. »Ja, ich gehe gerne mit dir aus.« »Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet«, kam es von ihr schmunzelnd. »Ich schreib dir heute noch, okay?« Mit diesen Worten verschwand sie endgültig von der kleinen Gruppe und übersah dabei den überraschten Blick von Hina und die abfällige Miene von Oikawa. So sehr sie sich dazu überwinden musste, so stolz war sie, als sie zuhause frisch geduscht mit einer Schüssel Edamame auf dem Sofa saß. Im Fernsehen lief eine Kochshow, doch ihr eigentliches Interesse lag auf ihrem Handy. Sie wartete bereits seit einer gefühlten Ewigkeit auf eine Nachricht von Jana, doch irgendwie ließ sie sich damit ungewöhnlich viel Zeit. Jana hatte sie vor einigen Stunden darüber informiert, dass sie sich mit treffen und sie ihm endlich ihre Gefühle gestehen würde. Asuna hatte Zweifel, ob sie es dieses Mal durchziehen würde, aber da sie sich bereits länger nicht gemeldet hatte, musste sie diese Zweifel überdenken. Jana war ein Mensch, der sich immer sofort meldete, wenn sie traurig war. Da sie bis jetzt kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, war das ein gutes Zeichen. Aber was, wenn das Gespräch mit Iwa doch schlecht verlaufen war? Prompt schüttelte sie ihren Kopf. Nein. Niemals. Sie erwischte sich, wie sie nervös an den Nägeln kaute. Plötzlich ertönte der 0-8-15 Klingelton eines Iphones und beinahe hätte sie ihren Snack beiseite geworfen. Hastig wischte sie nach rechts. »Sag mir bitte, dass ihr endlich zusammen seid!«, kam es von ihr hoffend, während sie sich gespannt nach vorne lehnte. Als am anderen Ende nur ein merkwürdiger und nicht identifizierbarer Laut erklang, festigte sich ihr Griff um das Handy. »Jana?« Asuna nahm eine Strähne in die die freie Hand und kaute auf den Haarspitzen herum. »Asu?« Janas Stimme klang gepresst und kaum hätte sie ihren Spitznamen verstanden. »Ja?« Sie fühlte, wie ihr Herz pochte. Ihre beste Freundin am anderen Ende der Leitung holte tief Luft. Auf einmal kreischte sie los und schrie etwas, was ihr beinahe das Trommelfell zerriss. Weil sie Jana kannte und bereits öfters mit solch unverständlichen Wörtern konfrontiert worden war, verstand sie es dennoch. »Ihr seid zusammen?!«, rief Asuna atemlos und sprang auf. »Oh mein Gott! Ihr seid zusammen!« Wie bescheuert fing sie an zu schreien und herumzuhüpfen. Untypisch für die sonst so ruhige 18-Jährige, aber sie freute sich so sehr für ihre beste Freundin, dass sie es einfach nicht zurückhalten konnte. »Erzähl mir alles!«, forderte sie sofort und ließ sich plump auf das Sofa fallen, nachdem sie sich annähernd beruhigt hatte. Jana lachte und brachte ein erleichtertes »Das wirst du mir nicht glauben« heraus. Die beiden telefonierten den gesamten Nachmittag und Asuna konnte es selbst am Abend noch nicht fassen, dass die zwei es endlich geschafft hatten, obwohl es bereits so lange überfällig gewesen war. In ihrem Pyjama lag sie im Bett und hielt ihr Handy in der Hand, während ihr Daumen über dem App-Icon schwebte. Sie zögerte einen Augenblick, allerdings hatte sie ein Versprechen gegeben. Asuna Hey! Glaub nicht, ich hätte dich vergessen. ;) Könntest du in deinem vollgestopften Terminkalender nachsehen, ob und wann du Zeit für mich hast? :P Sie legte ihr Smartphone auf die Seite und beschloss, erst morgen wieder den Display zu checken. Denn sobald sie sich in das Kissen gekuschelt hatte, bemerkte sie, wie müde sie eigentlich war. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis sie einschlief. ♛♚ Ein paar Tage später traf sich Asuna mit Jana in einem Café nahe der U-Bahnstation. Die Sonne ging bereits wieder unter, aber früher konnten die beiden nicht. Während die Dunkelhaarige bei Verwandten gewesen war, hatte sich die 18-Jährige dazu verpflichtet, heute auf die kleine Yumi aufzupassen. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass es so anstrengend werden würde. Wie aufs Stichwort gähnte sie ausgiebig und nahm danach einen kräftigen Schluck von ihrem extra starken Kaffee, obwohl es bereits relativ spät war. »Sag mal, was hältst du eigentlich von Hina?«, kam es plötzlich von Jana, die ihre Tasse fest in beiden Händen hielt. Asuna riss sich von der dunklen Flüssigkeit los und richtete ihre blauen Augen auf ihre Freundin. Dieses Thema wunderte sie nicht. Immerhin hatte Jana die Zweitklässlerin in dieser Woche bereits zweimal gesehen, da sie fast immer bei dem Volleyballtraining dabei war. »Ich weiß nicht. Sie ist echt nett und immer gut gelaunt. Außerdem ist sie wirklich hübsch.« Jedes Mal wenn sie lachte, strahlten ihre Augen mit ihrer Persönlichkeit um die Wette. So kam es ihr zumindest vor. »Du magst sie also nicht«, vermutete Jana mit einem Grinsen, doch Asuna schüttelte den Kopf. »Nein, dass ist es nicht. Sie ist nur so...«, die 18-Jährige suchte nach dem richtigen Wort, »...anders als ich.« »Stimmt. Du bist nie so freundlich oder so übertrieben gut gelaunt.« Ernst tippte sie sich die halbe Spanierin an das Kinn und erntete nur ein abtuendes Schulterzucken. Diese beiden Charaktereigenschaften zählten nicht zu ihren Stärken. »Aber ohne Witz. Ich hab vorgestern Hajime nach dem Training abgeholt und Hina war zufällig auch da. Ich hab das Gefühl, dass sie an Oikawa klebt. Außerdem hat sie ihm Milchbrötchen mitgebracht. Er fährt ja voll auf diese Dinge ab. Eigentlich reizend von ihr, aber andererseits bäh! Das ist einfach nur -« »Nett?«, fügte Asuna grinsend hinzu und konnte Janas Reaktion ein wenig nachvollziehen. »Ja! Absolut nett. Und dann hat sie uns ein Stück begleitet. Sie redet ziemlich viel. Fast so viel wie ich und das heißt was.« Jana blies ihre Backen auf und brachte ihre beste Freundin zum Lachen. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen werde, aber da tun mir Iwa und Oikawa fast leid.« Andererseits konnte der Setter auch ziemlich viel Blödsinn reden, weshalb sich ihr Mitleid in Grenzen hielt. »Ich bitte dich. Vor allem Oikawa braucht dir nicht leid zu tun. Der wirkte nämlich alles andere als genervt von ihr.« Sie verdrehte die Augen und drehte die Tasse hin und her. Diese Aussage ließ Asuna die Stirn runzeln und neugierig nach vorne beugen. »Ach ja?« Eigentlich hielt er nicht viel von anhänglichen Mädchen die ihn ständig zutexteten. Anscheinend hatte sie sich mit dieser Annahme geirrt. »Ja. Er war wirklich mehr als nur freundlich zu ihr. Ich kenn ihn zwar nicht so gut wie du, aber das war selbst für ihn übertrieben.« »Hm. Vielleicht steht er ja auf sie.« Diese Überlegung kam ihr so trocken über die Lippen, dass Jana kurz überrascht das Gesicht verzog. »Meinst du? Das bezweifle ich irgendwie.« »Wieso? Kann doch sein.« So undurchsichtig sein Charakter auch war, er war noch immer ein Mensch wie jeder andere. »Ich weiß nicht.« Jana schien sehr daran zu zweifeln und kaute auf ihrer Lippe herum, als möchte sie noch irgendetwas loswerden. Sie entschied sich jedoch dagegen. »Ich glaube, dass er einfach nur ihre unschuldige Art genießt. Das ist alles.« Sie zuckte mit den Schultern. »Was soll das denn heißen?« Asuna hob ihre Augenbrauen, da ihre beste Freundin eindeutig auf die vergangene Beziehung zwischen Oikawa und ihr anspielte. »Naja. Ihr zwei habt mit nackter Haut kaum gespart und wart alles andere als unschuldig, wenn ihr euch gesehen habt. Hina wirkt zumindest nicht wie ein Mädchen, dass mit Schlagsahne und Erdbeeren auf ihn im Bett wartet.« »Hä? Das habe ich nie getan«, meinte Asuna irritiert. Die Dunkelhaarige grinste wissend. »Ich weiß, aber du hast bestimmt daran gedacht.« Sie wollte etwas erwidern und öffnete ihren Mund, schloss ihn aber schnell wieder, weil Jana im Grunde recht hatte. Es wäre gelogen zu behaupten, sie hätte nicht für einen kurzen Moment daran gedacht gehabt. Aber wer hatte diesen Gedanken noch nie gehabt? Erdbeeren waren immerhin lecker und Sex war fantastisch. Allein der Gedanke an diese Kombination machte sie hibbelig. »Ich wette, dass Hina in Wahrheit absolut versaut ist. Stille Wasser sind tief, erinnerst du dich?« Immerhin war es bei Iwaizumi nicht anders. »Tue ich und ich würde darauf wetten, aber leider können wir nicht herausfinden, wie der Sonnenschein Hina wirklich so drauf ist. Es sei denn, wir fragen Oikawa.« Jana schien ernsthaft darüber nachzudenken, lachte aber schlussendlich. »Am besten dann, wenn Hina auch noch dabei ist«, antwortete die Dunkelblonde sarkastisch und nippte an ihrem Kaffee. Dass Oikawa so von der Zweitklässlerin angetan war, ließ sie nicht los. Es ärgerte sie fast, da sie sich in ihm anscheinend geirrt hatte und er Mädchen, die einen Charakter wie Hina hatten, attraktiv fand. Welch Ernüchterung, dass sie ihr überhaupt nicht ähnlich war... Ihr Blick wanderte aus dem Fenster zu ihrer Rechten. Die Sonne war mittlerweile fast untergegangen und es musste kurz vor 20 Uhr sein. Doch sie sah genug, um Iwa und Oikawa zu erkennen, die gerade die Straße überquerten. Hina war dieses Mal nicht dabei, was ihre Stimmung ein wenig aufheiterte. »Raste jetzt nicht aus, aber dein Iwa-chan betritt gleich das Café.« Asuna grinste, als ihre beste Freundin plötzlich aufrecht saß und sich sofort zum Eingang drehte. Damit hatte sie gerechnet. Wie aufs Stichwort ertönte das Klingeln und die zwei Jungs traten mit ihren Trainingstaschen das gemütliche Lokal. Binnen weniger Sekunden hatten die zwei sie entdeckt und Iwa strahlte mindestens genauso wie Jana. Die Begrüßung fiel knapp aus, weil der Vizekapitän nur Augen für seine Freundin hatte. Nachdem sie schnell bestellt und ihre Taschen verstaut hatten, setzten sie sich. »Rück' mal ein Stück«, kam es gut gelaunt von Oikawa, während er sich neben sie niederließ und gleichzeitig weiter nach rechts drängte. Asuna grummelte genervt und machte Platz. »Freut mich auch sehr, dich zu sehen, Baka.« Sie zog die Ärmel ihres dunkelroten Pullovers über ihre Handrücken und stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab. Der Geruch von dem Duschgel des Setters drang zu ihr und ließ sie beinahe seufzen. Es roch einfach so verdammt gut, dass sie diese Begeisterung fast nicht verbergen konnte. »Weiß ich doch, Asu-chan.« Er zwinkerte ihr zu und sie verdrehte ihre Augen. »Nenn mich nicht so«, erwiderte sie schwach und wissend, dass er ihre Worte einfach ignorieren und beim nächsten Mal ebenfalls diese bescheuerte Verniedlichung benutzen würde. »Sei nicht so hart zu ihm, Asuna. Er ist gut drauf, weil er heute den ganzen Tag Volleyball spielen durfte.« Iwa sagte dies, als wäre sein bester Freund ein kleines Kind, was die Angesprochene zum Lachen brachte. Oikawa verschränkte schmollend seine Arme. »Ihr seid wirklich gemein. Könntest du die zwei zurechtweisen, Jana?« Ausnahmsweise verzichtete er auf die Anrede, als er sich an die Dunkelhaarige wandte und sie um Unterstützung bat. Jana lehnte sich gegen den Oberkörper von Iwa, der den Arm um sie gelegt hatte. »Leute! Lasst doch den armen Tōru in Ruhe. Sonst fängt er noch an zu weinen.« Ihre Miene war ernst, aber als Asuna und Iwa anfingen zu lachen, verzogen sich auch ihre Mundwinkel. »Echt nicht lustig«, murmelte der Braunhaarige eingeschnappt und drehte demonstrativ den Kopf weg. Doch wenig später beteiligte er sich an dem Gespräch, als wäre nichts gewesen. Jeder der ihn kannte, wusste, dass es ohnehin nicht ernst gemeint war. Genauso wie die Scherze, die die Gruppe machte. Als Asuna so der Diskussion lauschte, musste sie gestehen, dass sie sich daran gewohnt hatte, mit Oikawa vermehrt Zeit zu verbringen. Meistens war es auch recht lustig. So wie heute. »Warte, Kageyama? Ist das nicht der Setter von Karasuno?«, kam es plötzlich neugierig von Jana. Die 18-Jährige hatte keine Ahnung um was es genau ging, da sie gerade nicht zugehört hatte. Iwaizumi erklärte gerade seiner Freundin etwas über den Jungen, als Asunas Handy auf dem Tisch plötzlich anfing zu vibrieren. Der Display leuchtete und zeigte eine Nachricht an. Von Riku. Asuna beugte sich nach vorne, um die Worte zu lesen, wollte aber in der Runde nicht unbedingt auf ihrem Handy herumtippen. Das empfand sie als unhöflich. Jedoch hatte sie die Rechnung ohne Oikawa gemacht. Dieser griff nämlich nach dem Smartphone und ignorierte den empörten Ausruf der Besitzerin. Leichtfertig hielt er ihre Hände auf Abstand, die ihr Eigentum zurückerlangen wollte. »Hey. Ich hoffe deine Nervosität wegen morgen hält sich in Grenzen. Dummer Smiley. Riku«, las er unbeeindruckt vor und sorgte dafür, dass sich Hitze in Asunas Gesichts sammelte. »Gib das her!« Unnötig zu erwähnen, dass er ihrer Forderung nicht nachkam. »Wow. Er schreibt dir ja fast jeden Tag. Ist das nicht ein wenig aufdringlich?«, fuhr Oikawa unbekümmert fort, während er durch die Nachrichten scrollte. Sich über diese Dreistigkeit ärgernd, schlug sie ihm gegen den Oberarm. »Lass das. Es geht dich gar nichts an, was oder wie oft wir schreiben.« Wieder versuchte sie, ihm ihr Handy aus der Hand zu nehmen. »Für deine Verhältnisse eine überraschend verklemmte Unterhaltung, Asuna. Meinst du nicht auch, dass da ein wenig der frische Wind fehlt?« Ohne sie anzusehen, drückte er auf die Antwortleiste. Panisch beugte sie sich nach vorne und hätte beinahe ein Glas umgestoßen. »Tōru«, fing sie bittend an und benutzte dabei seinen Vornamen, was ihn kurz inne halten ließ. Leider nur kurz. »Keine Sorge. Ich werd schon nichts schreiben, was dir peinlich sein muss.« Er lachte leise, weshalb seine Schultern bebten. Jana und Hajime hatten ihr Gespräch beendet und beobachteten das Spektakel amüsiert. »Du sollst gar nichts schreiben!« Manchmal würde sie Oikawa am liebsten eine reinhauen. »Hier. Erledigt.« Freundlich grinsend, als hätte er ihr gerade einen Gefallen getan, reichte er ihr das Smartphone, welches sie ihm sofort aus der Hand riss. Hektisch suchte sie die versendete Nachricht. Bei jedem Wort wurden ihre Augen größer und ihr Hals trockener. War das sein ernst? Asuna nahm die zwei blauen Häkchen ins Visier. Er hatte die Nachricht gelesen. Mit zusammengekniffenen Augen hob sie ihren Kopf und tötete den Volleyballer mit ihrem Blick. »Du bist echt unausstehlich, Oikawa«, jammerte sie. »Was hat er denn geschrieben?« Jana hob skeptisch die Augenbrauen. Wortlos hielt sie ihnen das Handy entgegen. »Rate mal, wer morgen keine Unterwäsche tragen wird«, las sie laut vor und hielt die Hand vor den Mund, um ihr Grinsen zu verdecken. Klar, dieser Satz könnte von Jana sein. »Oh mein Gott. Ich würde sterben vor Peinlichkeit!« »Kurasaki-san? Niemand würde es dir übel nehmen, wenn du ihm eine verpassen würdest.« Iwaizumi hatte seine Arme verschränkt und blickte seinen besten Freund vorwurfsvoll an. »Glück für Shittykawa, dass ich nur ungern Gewalt anwende«, murmelte sie bemüht ruhig. »Dank dir kann ich jetzt Schadensbegrenzung betreiben.« Sie tippte auf dem Display herum, nachdem sie ihm einen kurzen und vernichtenden Blick zugeworfen hatte. »Wieso?« Oikawa hob seine Augenbrauen und stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab. »Du solltest mir lieber danken. Jetzt freut sich Watanabe bestimmt noch mehr auf euer Date.« Hämisch zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Asuna kannte dieses Grinsen nur zu gut. Sie sah es meistens, wenn er Volleyball spielte. Wenn er glaubte, seinen Gegnern überlegen zu sein. Wenn er glaubte, dass ihm die ganze Welt zu Füßen lag. Gott! Dieses Grinsen brachte sie echt an ihre Grenzen. »Dann könntest du so etwas ja auch Hina schreiben, wenn du so überzeugt davon bist.« Fast schon zu fest legte sie ihr Handy wieder auf den Tisch und starrte mit zusammengekniffenen Augen starrte sie zurück. So ganz konnte sie ihre Abfälligkeit in ihrer Stimme nicht zurückhalten und bemerkte deshalb für einen kurzen Moment die Überraschung in seinem Gesicht. Das freute sie gleich umso mehr. »Brauch ich nicht. Unsere Unterhaltungen sind spannend genug.« Er warf seine Haare mit einer schnellen Bewegung nach hinten. Sie musste ihre Augen verdrehen. »Wer's glaubt«, schnaubte sie und griff nach ihrer Kaffeetasse. Er war mittlerweile kalt, aber das störte sie nicht. »Manchmal frage ich mich echt, wie ihr es ein Jahr miteinander ausgehalten habt. Ich meine, ihr zwei könnt kaum normal miteinander reden, also wie zum Teufel habt ihr das geschafft?« Jana starrte beide skeptisch an, während sie sich nach vorne beugte. Asuna lehnte sich nach hinten und verschränkte ihre Arme. Sie legte ihren Kopf schief und biss sich auf die Unterlippe, als sie an die gemeinsamen...Stunden dachte. Der Blick, den sie Oikawa dieses Mal zuwarf, war nicht mehr ausschließlich feindselig. »Eigentlich ganz einfach.« »Ja, ganz einfach«, fügte Tōru hinzu und und musste dezent schmunzeln. »Weniger reden und einfach viel mehr...machen.« Kapitel 6: disappointed. overpowered. exposed. ---------------------------------------------- ● • . Einen Tag bevor die Schule wieder startete und somit die letzten Monate in der Oberschule begannen, waren Asunas Eltern nach Hause gekommen. Sie hatte sich darüber so sehr gefreut, dass sie den ganzen Tag richtig gute Stimmung gehabt hatte. Die gute Stimmung hielt auch jetzt noch an, als sie gemeinsam mit ihren Eltern in einem schicken Restaurant saß. Es war nicht übermäßig schick, sodass man nur drei winzige Stückchen auf dem Teller liegen hatte und sich fragen musste, wofür man fast 5000 Yen zahlte. Dennoch war es schick genug, um sich ausnahmsweise ein Kleid und hohe Schuhe anzuziehen. »Mir ist aufgefallen, dass du dein Armband gar nicht mehr trägst«, meinte plötzlich ihre Mutter, als sie an ihrem Weinglas nippte. »Gibt es dafür einen Grund?« Asuna, die gerade auf einer gegrillten Paprika herumkaute, sah ertappt auf. Es überraschte sie nicht, dass es ihr aufgefallen war. Ihrer Mutter entging nichts. »Nicht wirklich. Ich habe nur gerade keine Lust auf Schmuck.« Genaugenommen würde es sich einfach merkwürdig anfühlen, das Armband zu tragen. Es wusste zwar fast niemand, dass es ein Geschenk von Oikawa war, aber das war auch nicht der Grund für das Nichttragen. Es war schlichtweg wegen der Freundschaftssache und natürlich auch wegen Hina. »Wie hieß der Junge noch gleich, von dem du es bekommen hast?« Ihr Vater schnitt sein Steak und blickte neugierig zu ihr. Asuna hielt inne und runzelte die Stirn. »Ist das denn so wichtig?«, meinte sie langsam und misstrauisch. Misstrauisch, da sie ihren Vater kannte. Meistens machte er Scherze über ihr Liebesleben, welches bis jetzt nie wirklich existiert hatte, und zeigte nie ernsthaftes Interesse daran. Wie Väter meistens so waren. Dass er jetzt aber nach dem Namen von Oikawa fragte, irritierte sie ein wenig. Ihre Mutter hob indes ihre perfekten Augenbrauen, versuchte anscheinend, anhand der Mimik ihrer Tochter auch ihre Gedanken zu lesen. »Es geht um dich. Also ist es nicht unwichtig.« Abwartend, weil da doch noch etwas Genaueres kommen musste, kniff sie ihre Augen zusammen. Ihr Blick verriet die Verwirrung. »Wir wollen nur wissen, ob du mit diesem Jungen mittlerweile zusammen bist. Du sagtest zwar, dass du uns solche Informationen mitteilen würdest, aber bei euch Teenagern weiß man ja nie.« Nun lehnte sich Asuna etwas entspannter nach hinten. »Wieso sagst du das nicht gleich?«, meinte sie seufzend. »Nein, ich bin in keiner Beziehung mit Oikawa Tōru und werde es auch nie sein.« Sie beantwortete auch gleich die Frage von vorhin, damit dieses Thema so schnell wie möglich abgehakt war. Über Oikawa zu sprechen war nach wie vor merkwürdig. Vor allem mit ihren Eltern. »Oikawa Tōru«, wiederholte ihr Vater. »Das war dieser Volleyballspieler, oder?« Eine Furche bildete sich auf seiner Stirn, ehe er sich wieder seinem Essen widmete. Sein folgendes »Hm« war leise, drang aber deutlich zu Asuna durch. Deren Körper versteifte sich etwas. Diesen Laut kannte sie und diese zwei Buchstaben bedeuteten immer nur eines. »Papa? Willst du mir irgendetwas sagen?«, meinte sie deshalb eindringlich. Dieses bescheuerte Hm hörte sie eigentlich nur, wenn er zufrieden war. Nicht bei dieser typischen Zufriedenheit, wenn ihm ein Essen schmeckte oder er nach einem langen Tag auf der Couch saß und ein kühles Bier genoss. Bei diesem Hm hatte sie eine Vorahnung, die ihr nicht gefiel. Ohne aufzusehen, erwiderte er: »Nein, alles bestens.« Obwohl Asuna noch immer neugierig war, was ihr Vater tatsächlich dachte, beließ sie es bei dieser Aussage und hakte nicht weiter nach. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als würde sie seine wahre Meinung gar nicht wissen wollen. Kurasaki Isamu war ein toller Vater und Asuna liebte ihn über alles. Jedoch verfolgte er gewisse Ansichten, die von einem Geschäftsmann zwar nicht anders zu erwarten waren, aber die sie nicht teilen konnte und wollte. Sie hatte diese Seite noch nicht allzu oft von ihm gesehen und das war gut so. In den nächsten zehn Minuten verlief das Essen in Ruhe. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihre Mutter ein Thema anschnitt, welches Asuna in den letzten Monaten tief in den Hintergrund geschoben und so verdrängt hatte. Zumindest den Teil davon, in dem ihre Eltern ins Spiel kamen. »Und? Freust du dich schon darauf, endlich deinen Abschluss an der Oberschule zu machen und auf die Universität zu gehen?« »Sehr sogar, aber ich werde die Oberschule auch irgendwie vermissen.« Sie überschlug ihre Beine und stützte sich mit ihrem Ellbogen auf dem Tisch ab. Ihr Puls beschleunigte sich langsam, sie ließ sich aber nichts anmerken. »Verständlich, aber du wirst sehen«, fing ihre Mutter überzeugt an, »mit dem Studieren beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt.« »Da kann ich nur zustimmen. Studieren ist aufregend. Deine Mutter und ich haben uns zum Beispiel an der Universität kennengelernt.« Ihr Vater schmunzelte ihr zu, während er einen eindeutigen Blick zu seiner Frau warf. Diese verdrehte die Augen und warf ihren Mann einen mahnenden Blick zu. »Bring sie nicht auf dumme Gedanken. Sie soll sich in erster Linie aufs Lernen konzentrieren. Für alles andere hat sie später auch noch Zeit.« Nach kurzer Zeit musste sie dennoch lächeln. »Wie haben dir denn die Bücher gefallen, die ich dir zugeschickt habe?« Neugierig richtete sie den Blick auf ihr einziges Kind. Asuna hielt in ihrer Bewegung inne und hob langsam den Kopf. Verdammt! Sie hatte gehofft, dass sie nicht danach fragen würde. »Ganz gut. Die Themen sind wirklich spannend.« Dicke, fette Lüge. Sie hatte die Bücher weder gelesen, noch fand sie die Inhalte interessant. Also die Inhalte, die die Titel vermuten ließen. »Nicht wahr? An der Universität wirst du dich dann noch intensiver mit Finanzen auseinandersetzen. Den Kurs bei Professor Takahashi musst du unbedingt besuchen. Als ehemaliger Finanzberater von Yamaha bringt er viel Praxiswissen mit.« Ihre Mutter konnte die Begeisterung kaum zurückhalten und Asuna begann, sich immer kleiner zu fühlen. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und schob ihr Glas hin und her. Seit Monaten versuchte sie dieses Thema zu umgehen, wenn ihre Eltern zu Hause waren. Entweder sie lenkte das Gespräch schnell in eine andere Richtung oder nickte und lächelte zustimmend bei Fragen. Mittlerweile waren es aber nur noch wenige Monate, bis sie mit der Oberschule fertig sein würde und langsam wurde es Zeit, dass sie ihren Eltern mitteilte, dass ein Wirtschaftsstudium absolut nicht ihren Wünschen entsprach. Jedoch hatte sie unglaublich Panik davor, denn seit sie klein war, hatten ihre Mutter und ihr Vater ihr Leben geplant. Sie sollte schlichtweg in deren Fußstapfen treten und im Immobilienunternehmen arbeiten. So sehr sie ihre Eltern liebte, sie konnte deren Pläne nicht verfolgen. Lange Zeit hatte sie versucht, sich mit dem vermeintlichen Studium und dem Stoff anzufreunden, aber der Gedanke hatte sie nie glücklich gemacht. Sie wollte nicht mit Gebäuden, Grundstücken und Nutzungsrechten Geld verdienen. Sie wollte selbst etwas erreichen, ohne ein vorgefertigtes Gerüst benutzen zu müssen. Es zumindest versuchen und so hatte sie überlegt, was sie sie eigentlich mit ihrem Leben machen möchte. Was möchte sie für den Rest ihres Lebens tun, um Geld zu verdienen und zugleich auch Freude daran zu haben. Sie hatte keine kreative Ader wie Jana, war sportlich begabt wie Oikawa oder Iwaizumi und konnte sich für Finanzen und die Ökonomie nicht so begeistern wie ihre Eltern. Asuna war eine rationale Denkerin, war gut mit Worten, solange diese nicht ihre eigenen Gefühle betrafen, und hatte ein gutes Urteilsvermögen. Asuna seufzte und legte das Besteck auf den Tisch. Ihre Hände faltete sie in ihrem Schoß, während sie den Kopf hob und von ihrem Vater zu ihrer Mutter sah. Diese hatten bei ihrer Reaktion aufgehört zu essen. »Es gibt da etwas, das ich euch sagen muss. Bevor ich damit anfange, bitte ich euch, mir bis zum Ende zu zuhören. Das ist mir wirklich wichtig.« Sie holte tief Luft und fühlte ihr Herz, welches unangenehm gegen ihren Brustkorb drückte. Bevor sie einen Rückzieher machen konnte, straffte sie ihre Schultern und meinte: »Ich möchte nicht Wirtschaft studieren. Ich weiß, ihr wollt unbedingt, dass ich dieses Studium wähle, um eure Firma zu übernehmen, aber das kann ich nicht. Ich-« »Was redest du da?« Ihre Mutter lachte und plötzlich fühlte sich die 18-Jährige ganz klein. Ihre Bitte wurde ignoriert. »Ich...« sie mied ihren Blick, »Ich will nicht den Weg gehen, den ihr gegangen seid. Es ist nicht mein Traum, mich mit dem Immobilienmarkt und dergleichen zu beschäftigen.« Sie bemerkte, wie sich ihre Finger krampfhaft in ihr Kleid gekrallt hatten, und lockerte den Griff. »Ist das dein ernst?« Die Miene ihres Vaters wirkte steinhart und Asunas Herz setzte einen Schlag aus. Dieser Blick zeigte pure Ablehnung. Eine Intensität, mit der sie nicht wirklich gerechnet hatte. »Blödsinn! Sie scherzt doch nur. Hab ich nicht recht?« Ihre Mutter strich sich eine blonde Strähne hinter ihr Ohr. »Nein...Ich scherze nicht.« Die Schülerin schluckte. Wieso war es so schwer zu sagen, was sie wirklich wollte? »Ich möchte nicht Wirtschaft studieren«, wiederholte sie abermals, um ihren Standpunkt klar zu machen. Dabei klang sie schon eine Spur selbstbewusster, aber noch immer nicht überzeugend. »Was möchtest du denn stattdessen tun?« Er hatte die Hand auf dem Tisch zu einer Faust geballt und musste seine aufkeimende Wut offensichtlich zurückhalten, als ihm diese Worte über die Lippen kamen. Ihr war bewusst gewesen, dass ihr Vater auch eine andere Seite hatte. Genauso wie ihre Mutter. Anders konnte man in der Branche nicht überstehen und schon gar nicht konnte man sich einen solchen Ruf aufbauen. Dennoch war sie überrascht, wenn nicht sogar geschockt über die extreme und negative Reaktion auf ihre Äußerung. Sie hatte dies nicht erwartet, was ein Fehler gewesen war. Jetzt fühlte sie sich überrumpelt. Allerdings...allerdings konnte sie die Reaktion auch nachvollziehen. Sie war die einzige Tochter von Kurasaki Isamu und Natsumi und das Immobilienunternehmen sollte ihre Zukunft darstellen. Würde sie die Firma nicht übernehmen, müssten sie diese irgendwann verkaufen. »Ich möchte Rechtswissenschaft studieren. Ich möchte Anwältin werden und so anderen Menschen helfen. Ich möchte meinen eigenen Weg gehen.« Asuna hatte es ausgesprochen. Etwas, dass sie sich in den letzten Monaten nur gedacht hatte. Zugegeben, sie war das Gespräch dutzende Male im Kopf durchgegangen, aber wann kam es so wie geplant? Das hatte sie selbst bei dem Gespräch mit Oikawa schon gemerkt... Ihr Vater, der sonst immer auf ihrer Seite war und ein Lächeln im Gesicht trug, hatte eine tiefe, unzufriedene Falte in seiner Stirn. Seine gesamte Haltung war angespannt. »Hast du eine Ahnung, was du da sagst? Wir ermöglichen dir eine solche Chance, damit du unsere Firma übernehmen kannst und du entscheidest dich, das alles mit Füßen zu treten?« Er bemühte sich, seine Stimme gesenkt zu halten, klang dabei aber nicht minder verärgert. Asuna presste ihre Lippen fest aufeinander und starrte auf ihren halbleeren Teller. Neben der Verunsicherung mischte sich gerade auch Wut unter ihre Gefühle. Die Worte ihres Vaters waren scharf wie ein Messer und absolut unfair gewesen. Das Letzte was sie tat, war, irgendetwas mit Füßen zu treten. Sie liebte ihre Eltern und war dankbar, dass sie ihr ein unbeschwertes Leben ermöglichten. Es war ihr auch klar, dass sie dafür unheimlich viel arbeiteten, weshalb sie es ihnen auch nicht übel nehmen konnte, wenn sie längere Zeit nicht zu Hause waren. Dennoch war der Vorwurf ihres Vaters mehr als nur schmerzhaft und absolut nicht wahr. »Dein Vater hat recht. Was hast du dir dabei gedacht?« Ihre Mutter schien, als hätte sie noch immer nicht realisiert, welchen Wunsch ihre einzige Tochter da geäußert hatte. Jedoch wirkte sie mehr besorgt als wütend. Zumindest klang ihre Stimme ruhiger und sanfter. Die 18-Jährige hob ihren Kopf und starrte zu der blondhaarigen Frau. Diese hatte ihre perfekten Augenbrauen zusammengekniffen. Asuna fühlte sich zunehmend unverstandenen. Sie hatte es erwartet, dass sie auf eine ablehnende Haltung stoßen würde, aber das war doch zu viel. Deshalb meinte sie enttäuscht und zugleich aufgebracht: »Was? Also soll ich meinen Wunsch aufgeben und stattdessen mein Leben lang einen Job nachgehen, den ich nicht möchte?« Im Gegensatz zu ihren Eltern hatte sie ihre Lautstärke nicht völlig im Griff. Außerdem fühlte sie eindeutig die aufkeimenden Tränen. Sie war schon immer jemand gewesen, der leicht weinte, wenn sie aufgebracht war. »Und dass du Rechtswissenschaft studieren willst, weißt du wie lange? Diese Idee solltest du dir aus dem Kopf schlagen. Du wirst Wirtschaft studieren und unsere Firma übernehmen, wie wir es geplant haben.« Um seine Aussage zu unterstreichen, tippte er mit seinem Finger auf den Tisch. »Und sprich ein wenig leiser. Die anderen Leute starren schon«, fügte er mahnend hinzu. Asuna hatte bei diesen resoluten Worten beinahe den Kopf eingezogen. Die Betonung lag auf beinahe. »Nein«, kam es deshalb von ihr fest. »Werde ich nicht. Und ich weiß bereits schon länger, dass ich Anwältin werden möchte. Mir ist bewusst, dass ihr gerne möchtet, dass ich in eure Fußstapfen trete, aber das ist nicht das, was ich will. Ist euch das so egal?« Verzweifelt sah sie ihrem Vater ins Gesicht. Dieser ließ von seiner starren Miene nicht ab. »Wieso versteht ihr nicht, dass ich meine eigene Entscheidung treffen möchte?« Sie schlug unbewusst mit ihrer Faust auf den Tisch, sodass die Gläser klirrten. Einige Leute drehten sich empört und neugierig zu ihnen um, aber das war ihr absolut egal. Ihr Vater war anderer Meinung. »Hör auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen, Asuna! Du wirst Wirtschaft studieren und nichts anderes. Ist das klar?« Seine Worte ließen keine Widerrede zu und die Blondhaarige spürte, wie sich immer mehr Tränen in ihren Augen sammelten. Sie warf einen letzten hilflosen Blick zu ihrer Mutter, die jedoch genauso ernst wirkte wie ihr Vater und kein verteidigendes Wort hinzufügen würde. Asuna stand ruckartig auf und schob ihren Stuhl dabei quietschend nach hinten. »Ich brauche dringend frische Luft«, kam es ihr gepresst über die Lippen, ehe sie aus dem Restaurant stürmte. Dabei rempelte sie einen Gast an. Mehr als ein unwirsches »Sorry« brachte sie nicht hervor. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie musste sich gerade furchtbar zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen, denn sie war so furchtbar wütend und enttäuscht. Asuna fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Die kühle Abendluft traf auf ihre erhitzte Haut und obwohl es auch jetzt noch um die 25 Grad hatte, bildete sich eine Gänsehaut auf ihren nackten Schultern und Armen. Dennoch setzte sie sich auf eine Parkbank ganz in der Nähe des Eingangs. Sie zog ihr Bein an und legte ihren Unterarm auf dem Knien ab. Frustriert vergrub sie ihr Gesicht in der Armbeuge. Das Gespräch war bei Weitem nicht so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Natürlich hatte sie mit Unverständnis gerechnet, aber das war zu viel davon. Sie fühlte sich einfach nur schlecht und das sollte sich heute auch nicht mehr ändern... ♛♚ Am nächsten Tag war Asuna ohne Frühstück in die Schule gegangen. Ihre Augenringe reichten zudem bis zum Boden, da sie kaum geschlafen hatte. Unausgeschlafen und hungrig wollte sie eigentlich nicht ihren Schultag bestreiten, aber nach gestern blieb ihr nichts anderes übrig. Während des Frühstücks hätten sie sich nur angeschwiegen und darauf hatte sie absolut keine Lust gehabt. Auch wenn sie das schlechte Gewissen plagte, war sie einfach gegangen. Trotz den wenigen freien Tagen, die sich ihre Eltern nahmen, wollte sie nicht nachgeben. Sie wollte, dass ihre Eltern sahen, wie ernst ihr die Sache mit ihrer Zukunft war. »Verdammt! Du siehst echt scheiße aus.« Janas Begrüßung fiel wie immer äußerst nett aus, aber wenigstens log sie nie und das schätzte sie sehr. »Danke für deine Ehrlichkeit«, murmelte sie deshalb und nahm ihr den Müsliriegel aus der Hand. Ein spärliches Frühstück, aber besser als nichts. »Stress dich nicht zu sehr. Sie werden es irgendwann einsehen. Spätestens in einem halben Jahr.« Ihre beste Freundin grinste optimistisch und prompt fühlte sich Asuna zumindest ein klein wenig besser. Es war immer eine gute Idee, ihrer besten Freundin von ihren Problemen zu erzählen. Jana war die Beste, wenn es ums Aufmuntern ging. Als sie die Treppen nach oben in den zweiten Stock gingen und Asuna an ihrem Riegel knabberte, kamen ihnen einige andere Schüler entgegen. Ihnen entging natürlich auch nicht, dass die Klassensprecherin der 3-5 trotz Make-Up weniger fit aussah als sonst. »Manchmal frage ich mich echt, wieso ich den Klassensprecherposten überhaupt angenommen haben«, sagte sie augenverdrehend, als zwei jüngere Mädchen tuschelnd und offensichtlich starrend bei ihnen vorbeigingen. »Was? Wieso? Stehst du etwa nicht auf zusätzliche Arbeit, unnötige Besprechungen und jede Menge Aufmerksamkeit?« Jana sah sie schockiert an und behielt ihre ernste Miene für ganze drei Sekunden. »Halt die Klappe«, fing sie lachend an. »Wir können gerne tauschen, denn es nervt wirklich tierisch, dass man als Klassensprecherin anscheinend immer perfekt aussehen muss.« Das hatte ihr damals niemand gesagt, aber nur noch ein halbes Jahr, dann konnte sie sich ungewaschene Haare erlauben. Im Grunde störte sie das Amt nicht großartig, aber es war mühsam, stets als Vorbild zu fungieren. Man konnte nicht immer perfekt sein, aber das schien nicht jeder zu verstehen. »Nein, danke. Ich bleibe lieber im Schatten und genieße dein Auftritt im Rampenlicht.« »Das glaubst du doch selbst nicht. Über dich wird mindestens genauso viel geredet wie über mich. Und seit du mit Iwaizumi zusammen bist, liegt das Rampenlicht sowieso auf dir.« »Pf. Warte ab, bis die Sache mit Riku und dir öffentlich wird. Schulsprecher und Klassensprecherin? Das toppt keiner.« Vielversprechend wackelte sie mit den Augenbrauen. »Keiner außer Oikawa und...Hina.« Asuna war stehen geblieben und hatte bei dem Anblick ihre Augenbrauen gehoben. Vor der Klasse 3-6 stand der Setter mit der Zweitklässlerin. Hina lachte über irgendetwas und schlang schließlich ihre Arme um seine Taille. Grinsend legte er seine Hand auf ihren Kopf und zerstörte ihre Frisur. Sie schien es nichts auszumachen. Schon gar nicht, als er sie näher zu sich zog. »Ooooookay. Sind die beiden zusammen, oder habe ich da was verpasst?« Jana betrachtete die Szene skeptisch und wich dabei einem anderen Schüler aus, da sie nach wie vor mitten am Flur standen. Asuna antwortete nicht. Sie war sich nicht sicher, was sie von diesem Anblick halten sollte. Dass die beiden vertraut waren, hatte sie gewusst. Immerhin sah Hina ihm ab und zu beim Trainieren zu. Diese Vertrautheit hätte sie aber nicht erwartet. Ein mulmiges Gefühl flammte in ihr auf und sie hatte Mühe, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren. Keine Ahnung, ob es an Hina und ihrer strahlenden Persönlichkeit oder an Oikawas seltenes und ehrliches Grinsen lag. Sie war ungewöhnlich stark genervt von diesem Anblick. Konnte der Tag noch schlimmer werden? »Zusammen oder nicht. Ich hab noch immer hunger und möchte mir vor dem Unterricht noch gerne etwas zu essen holen.« Das Flirten der beiden hatte nicht nur die Aufmerksamkeit der zwei Freundinnen erregt. Einige Schüler betrachteten den Volleyballer und die Klassensprecherin neugierig und Asuna war sich sicher, dass dies das neue Gesprächsthema sein würde. Für mindestens eine Woche. Davon wenig begeistert, riss sie sich von diesem zuckersüßen Anblick los und setzte ihren Weg fort. Jana folgte ihr stumm, etwas irritiert über die harschen Worte. Als sie bei den beiden vorbeigingen, würdigte Asuna sie keines Blickes. Im Gegensatz zu Jana. Die starrte natürlich überhaupt nicht unauffällig. So kam es, dass Hina auf sie aufmerksam wurde. »Oh, hey! Jana-kun, Asuna-kun.« Die kleine Zweitklässlerin wank ihnen zu, sodass den Schülerinnen nichts anders übrig blieb, als sich umzudrehen. Bei der Anrede konnte Asuna nicht verhindern, dass sie die Augen verdrehte. Unbemerkt natürlich. Während Jana fröhlich zurückgrüßte und begann, sich mit ihr zu unterhalten, rang sich die Klassensprecherin zu einem halbherzigen und müden Lächeln durch. Irgendwie beschlich sie das ungute Gefühl, vor dem Unterricht nicht mehr zu einem Frühstück zu kommen. Sie seufzte und wandte sich an Oikawa, da dieser wie sie, etwas teilnahmslos neben den zwei Mädchen stand. Dabei fiel ihr etwas ein, was sie ihn noch dringend fragen musste. »Hast du mit deinem Team gesprochen? Du weißt schon. Wegen Naha.« Sie legte neugierig ihren Kopf schief. Die dritte Klasse hatte vor, in ein paar Wochen zur Präfektur Okinawa zu fliegen. Dort wollten sie ihre Abschlussreise verbringen. Das Volleyballteam und insbesondere jene aus der dritten Klasse mussten dies aber nochmals besprechen, da irgendein wichtiges Turnier Ende Oktober stattfinden würde. Angeblich konnten sie es sich nicht leisten, einen Monat davor das Training für vier Tage ausfallen zu lassen. »Ja. Hab ich tatsächlich.« Er schob seine Hände in die Hosentaschen. »Und?« »Wir fahren mit. Allerdings nur, weil es dort gute Möglichkeiten gibt, um zu trainieren. Es ist also eher ein Trainingscamp für Iwa, Hanamaki, Matsu und mich«, gab er ihr schulterzuckend zurück. »Wieso wundert mich das jetzt nicht?« Sie schüttelte den Kopf und konnte nicht verstehen, wie man eine Sportart derart faszinierend finden konnte. »Aber freut mich, dass ihr dabei seid.« »Tatsächlich?« Er hatte skeptisch seine Augenbrauen gehoben. Dabei zierte ein dezentes Grinsen sein Gesicht. »Ehm, ja. Ist doch schön, wenn die ganze Klasse mitfährt. Außerdem werdet ihr so viel trainieren, dass ich euch ohnehin nicht sehen werde.« Sie machte natürlich nur einen Scherz. Sie mochte das Volleyballteam und zählte die Mitglieder aus ihrem Jahrgang durchaus zu ihren Freunden. »Autsch.« Er griff sich an die Brust und wischte sich eine imaginäre Träne weg. Asuna schmunzelte kurz, doch es hielt nicht lange an. Das beklemmende Gefühl, welches sie schon mit sich schleppte, seit sie die Wohnung verlassen hatte, machte sich wieder bemerkbar. Das schien auch Oikawa zu ahnen. »Du warst gestern auch im Rikyu, oder?«, fragte er plötzlich und brachte Asuna kurz aus der Bahn. »Ja. Woher weißt du das?«, wollte sie deshalb wissen. »Ich hab dich gesehen. Du hast mich fast umgerannt und warst dann draußen auf der Parkbank.« Abwartend musterte er sie. Als erwartete er sich irgendeine eindeutige Reaktion, welche verriet, weshalb so stürmisch das Lokal verlassen hatte. Doch Asuna nickte nur verstehend. »Du warst das also. Tut mir leid, ich hab nicht wirklich darauf geachtet wo ich hinrenne.« Sie lächelte halbherzig, während sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Schuhe richtete. Jetzt, da sie wusste, dass Oikawa anscheinend auch dort gewesen war und sie in ihrem mehr als zerstreuten Zustand gesehen hatte, fühlte sie sich noch schlechter. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen sie nicht die unnahbare und starke Kurasaki Asuna war. »Keine Sorge. Es braucht schon etwas mehr, um mich umzuhauen. Wichtiger ist, ob es dir gut geht«, erwiderte er ernst. Sie sah auf und obwohl sie gerade in einem vollen Gang standen und sich Jana und Hina neben ihnen angeregt über irgendetwas unterhielten, war es für einen kurzen Moment so, als wäre sie mit Oikawa in einer eigenen kleinen Welt. Es war merkwürdig und ungewohnt, denn es war lange her, dass sie seine Anwesenheit so empfunden hatte. Und es war vor allem lange her, dass ihr Herz diesen verräterischen kleinen Aussetzer gehabt hatte. Asuna fühlte, wie sich ihr Hals unangenehm zuschnürte und musste schlucken, um dieses Gefühl loszuwerden. Nicht zwingend wegen ihres Herzens, sondern aufgrund seiner Frage. Seit gestern Abend herrschte in ihrem Inneren ein Chaos und sie war weit davon entfernt, sich gut zu fühlen. »Um ehrlich zu sein...«, fing sie stockend an, wurde aber von Jana unterbrochen. »Entschuldigt die Frage, aber ich bin einfach zu neugierig.« Jana grinste unschuldig und riss. »Seid ihr zwei zusammen?« Asuna sah kurz zu ihrer Freundin und holte anschließend ihre Trinkflasche aus der Tasche. Sie wollte sich einfach von der Tatsache ablenken, dass Oikawa mehr wahrnahm, als ihr lieb war, und insgeheim war sie froh, unterbrochen worden zu sein. Ihr reichten bereits die skeptischen und ernsthaften Blicke. Wie, als würde er sich um sie sorgen. Hina lächelte verlegen bei der Frage und sah für einen kurzen Moment zu Oikawa. Dessen Miene war nach wie vor ernst und auch ein wenig nachdenklich. Obwohl sein Blick auf Asuna lag und er Hina ausnahmsweise nicht seine Aufmerksamkeit schenkte, schien diese nach wie vor im siebten Himmel zu schweben. »Nein, wir sind nicht zusammen«, antwortete sie, denn der Setter machte keine Anstalten, dies tun zu wollen. »Warum wirst du dann so rot?«, fragte Jana ohne Scham. Hina schüttelte prompt den Kopf. »Ich...ehm...ich bin doch nicht rot.« Verlegen starrte sie auf den Boden. Jetzt widmete sich auch Asuna wieder dem Gespräch und versuchte, sich voll und ganz darauf zu konzentrieren. Oikawa schien den gleichen Gedanken zu haben und legte einen Arm um die Schultern der Zweitklässlerin. Er schmunzelte und war wieder ganz der Alte, als hätte es diesen kurzen Moment zwischen ihm und Asuna nicht gegeben. »Kennt ihr den Spruch, was nicht ist, kann noch werden? Deshalb wirst du rot, nicht wahr, Hina-chan?« Während Jana etwas erwiderte, schwieg Asuna und betrachtete die Szene vor ihr mit einem merkwürdigen Gefühl. Wieder ging Oikawa so vertraut mit Hina um und wieder fühlte sich Asuna dadurch merkwürdig unwohl. Er ging nie mit irgendeinem Mädchen so um. »Jana? Wir müssen in die Klasse. Der Unterricht beginnt gleich und ich muss noch Organisatorisches klären«, meinte sie und zwang sich zu einem Lächeln, welches sich absolut falsch anfühlte. Ihr war absolut nicht danach zumute. »Ihr zwei solltet auch gehen, wenn ihr nicht zu spät kommen wollt.« Sie nickte Hina zu und drehte sich um. Jana, die etwas verdutzt darüber war, verabschiedete sich von den beiden. »Wir haben doch noch fast fünf Minuten«, merkte sie an, als sie sich einige Meter von ihnen entfernt hattten. Asuna seufzte. »Ich weiß.« »Wieso hast du es so eilig?« »Erinnerst du dich an unser Gespräch im Café über Hina?« »Ja?« »Ich glaube, meine Meinung ändert sich langsam aber sicher.« Hina war einfach nicht ihr Fall. Dieses schüchterne Lächeln und diese ständige gute Laune standen zu sehr im Gegensatz zu ihrem eigenen Charakter. Hinzu kam Oikawa, der sie selbst nach all der Zeit verwirrte und es schaffte, dass sie Dinge fühlte, die sie nicht fühlen sollte und wollte. Dass er sie auch noch auf gestern Abend angesprochen hatte, machte all das nicht viel besser. Jana erwiderte darauf nichts, sondern sah sie nur nachdenklich an. Gemeinsam betraten sie schließlich die Klasse, die bereits gut gefüllt war. Asuna legte ihr Tasche auf den Platz und nahm sich alle Unterlagen, die sie brauchte. Außerdem griff sie nach einer Liste, die zwar einige Kreuze aufweisen konnte, aber nicht vollständig war. »Oh, ist das die Liste für die Abschlussreise?«, Mai sah neugierig über ihre Schulter. »Du kannst bei mir übrigens ein Kreuz dazu machen. Ich fahre auch mit. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Immerhin war ich noch nie in Okinawa.« »Toll, dass du mitfährst. Je mehr, desto besser.« Asuna lächelte und vermerkte die Antwort. Bis heute mussten alle Bescheid geben, ob sie mitfahren würden oder nicht. Sie selbst freute sich auch sehr darauf. Strand, Sonne, Meer und ihre Freunde war genau das, was sie brauchte, bevor der Prüfungsstress sie wieder einholte. Davor gruselte es sie jetzt schon. Davor und vor der Aufnahmeprüfung der Universität in ein paar Monaten. Asuna holte auch die Antworten der anderen Schüler aus ihrer Klasse ein, ehe der Unterricht auch schon begann. Je länger sie an die Abschlussreise dachte, desto mehr musste sie lächeln. Irgendwo tief in ihrem Inneren war auch die Freude darüber, dass weder ihre Eltern noch Hina dabei sein würden. Kapitel 7: my personal drama ---------------------------- ● • . »Katzen oder Hunde?« »Katzen. Eindeutig. Hunde sind auch niedlich, aber Katzen sind unschlagbar«, gab Asuna dem Jungen neben ihr eine überzeugte Antwort und musste nicht einmal lange darüber nachdenken. Seit sie denken konnte, war sie ein Katzenfreund. Riku nickte und überlegte. »Okonomiyaki oder Sashimi?« »Ramen!« Asuna grinste und er lachte. Seit sie aus dem Kino gekommen waren, stellte er ihr banale oder-Fragen. Es war lustig und so erfuhr er Dinge über sie, die vermutlich in einem Gespräch nie vorgekommen wären. »Kannst du glauben, dass das bereits unser zweites Date ist?«, kam es plötzlich von ihm und erinnerte Asuna daran, dass sie sich, trotz anfänglicher Zweifel, mit ihm getroffen hatte. Noch bereute sie die Entscheidung nicht. Riku schob weder unangebrachte Sprüche noch machte er Anstalten, sofort mit ihr ins Bett zu wollen. Außerdem waren sie bereits länger befreundet, was die Gespräche lockerer und die Treffen angenehmer machte. Zudem gefiel es ihr, die Sache langsamer anzugehen. Es fühlte sich leicht und ungezwungen an. Der größte Vorteil an der Zeit, die sie mit Riku verbrachte, war, dass sie so gut wie nicht an ihre Eltern dachte. Vielleicht hatte Jana recht gehabt und er würde ihr gut tun. »Drei schon? Und ich hob noch immer nicht genug von dir. Wow.« Sie schmunzelte und fing an zu lachen, als er sie spielerisch schubste. »Du bist ganz schön unverschämt, weißt du das?« »Unverschämt ist mein zweiter Vorname«, feixte sie und hielt an, weil sie vor ihrem Wohnhaus angekommen waren. Riku vergrub seine Hände in den Hosentaschen und lächelte. Dabei fiel ihr auf, wie gut er aussah. Die dunklen Haare waren chaotisch und stylisch zur selben Zeit. Seine Lippen wirkten so einladend, dass sie sich tatsächlich fragte, ob sie sich so gut anfühlten wie sie aussahen. Neben den offensichtlichen Eigenschaften, war da auch noch sein Charakter, der fast schon zu perfekt war. Umso verwundeter war sie, wieso dieses Kribbel ausblieb, wenn er sie aus Versehen berührte und wieso ihr Herz gleichmäßig weiter schlug, wenn er ihr dieses strahlende Lächeln schenkte. »Die Bauweise dieses Wohnhauses ist echt beeindruckend. Ich frage mich, ob die einzelnen Apartments auch im selben Stil gebaut wurden«, sagte Riku und riss Asuna so aus ihren Gedanken. Da er später Architektur studieren wollte und das Gebäude relativ neu und modern war, konnte sie verstehen, weshalb er so fasziniert davon war. Allerdings musste sie sich zusammenreißen, um nicht skeptisch die Augenbrauen nach oben zu ziehen. Sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber irgendwie klang es so, als würde er unbedingt eine Wohnung von innen sehen wollen. Und mit eine Wohnung meinte sie ihre. Jedoch war Riku niemand, der bereits beim zweiten Date so sehr in die Offensive gehen würde. Deshalb ging sie auch nicht direkt darauf ein. »Ja, das Gebäude gefällt mir auch ziemlich gut. Ich bin froh, hier zu wohnen.« Sie lächelte und hoffte, dass er nicht weiter darauf eingehen würde. »Kann ich mir gut vorstellen. Bei Gelegenheit musst du mir mal eine Führung geben.« Neugierig sah er nach oben. Er wusste, dass ihre Wohnung im letzten Stock lag. »Bei Gelegenheit werde ich das tun.« Asuna folgte seinem Blick. Es war überraschend leicht, die Sache mit Riku langsam anzugehen. Obwohl er wirklich gut aussah und sie definitiv Möglichkeiten gehabt hatte, den ersten Schritt zu machen, verhielt sie sich für ihre Verhältnisse sehr reserviert. Es würde sich ohnehin nicht richtig anfühlen. Stattdessen hielt sie Riku weiterhin auf Abstand. »Weißt du? Ich finde es faszinierend, dass du so bodenständig bist, obwohl ihr ziemlich viel Geld habt.« Er wandte sich zu ihr und lächelte. Seine Hände vergrub er in seinen Hosentaschen. Asuna zuckte bei dieser Frage mit den Schultern. Sie war froh, dass er ein anderes Thema einschlug. »Mit Geld kann man sich zwar schöne Dinge kaufen, aber mehr auch nicht. Ich bin natürlich dankbar dafür, aber es bedeutet mir nicht so viel. Ich würde auch in einer Wohnung leben, die nicht so...groß ist.« Riku erwiderte darauf nichts, sondern sah sie einfach nur an. Sein Blick verriet nicht viel über seine möglichen Gedanken, weshalb sie neugierig meinte: »Wieso siehst du mich so an?« Hatte sie etwas Merkwürdiges gesagt? »Ich...finde dich nur atemberaubend schön. Das ist alles«, gab er ehrlich zu und sorgte mit diesen Worten und dem ersten Gesichtsausdruck dafür, dass Asuna kurz der Atem stockte. Sie fühlte, wie ihre Wangen langsam aber sicher heiß wurden. »Danke.« Sie biss sich auf die Lippen, da das Kompliment doch etwas überraschend gekommen war. Es war nicht so, dass sie nette Worte über ihr Aussehen nicht gewohnt war und eigentlich hatte Riku ihr gerade vorhin sogar ein Komplement über ihren Charakter gemacht, aber es kam selten vor, dass es ihr jemand so direkt ins Gesicht gesagt hatte. »Seit wann bist du so verlegen?«, fragte er grinsend und war offensichtlich belustigt über ihre Verlegenheit. Doch er schien nicht »Dieses direkte Kompliment ist nur ungewohnt. Das ist alles.« Sie mied seinen Blick, indem sie auf den Boden starrte. Asuna fand die Situation merkwürdig, denn obwohl sie sich körperlich von Riku angezogen fühlte, hinderte sie etwas daran, ihn zu sich zu ziehen und einfach zu küssen. »Absolut unverständlich.« Er machte einen Schritt nach vorne, zog seine Hand aus der Hosentasche und strich ihr eine Haarsträhne nach hinten. Asuna hatte Mühe, nicht aufzuseufzen. Sie befand sich gerade in einer Zwickmühle, denn sie hatte die Befürchtung, dass Riku sie küssen wollte. Die Frage war aber: Wollte sie ihn küssen? »Charmant wie immer«, fing sie schmunzelnd an und griff nach seinem Handgelenk, um seinen Arm nach unten zu schieben. »Trotzdem denke ich, dass ich jetzt gehen sollte.« Das Schmunzeln wurde zu einem entschuldigenden Lächeln. Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, war ihm die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Das folgende Lächeln hatte einen bitteren Beigeschmack. »Schon okay. Es ist ja erst unser zweites Date.« Asuna ließ sein Handgelenk los und ließ sich nicht anmerken, dass seine Aussage Unmut in ihr ausgelöst hatte. War das gerade Sarkasmus in seiner Stimme gewesen oder hatte sie sich getäuscht? Sie war sich nicht völlig sicher und erwiderte: »Tut mir leid. Ich möchte einfach nichts überstürzen.« Die Entschuldigung war etwas schwach, aber immerhin ehrlich. Dabei war es egal, ob Riku dies anders sah. Immerhin war das ihre Meinung und zu einem Kuss gehörten zwei Personen. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe das.« Prompt lockerte sie ihre angespannte Haltung, die sie unbewusst eingenommen hatte. Zum Glück verstand er sie und anscheinend hatte sie sich den Sarkasmus auch nur eingebildet. »Danke«, erwiderte sie mit einem Lächeln. Asuna stellte sie sich auf Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Diese Geste fühlte sich für sie richtig an. »Wir sehen uns am Montag in der Schule. Gute Nacht und danke für den schönen Abend.« Mit diesen Worten entfernte sie sich von ihm und verschwand in das Wohnhaus. Zurück in dem großen Apartment verschwand Asuna keinen weiteren Gedanken an Rikus Worte oder auch Verhalten. Sie war zufrieden, wie es gelaufen war. Jedoch stellte sie sich wieder die Frage, weshalb diese aufregenden Gefühle bei Riku zur Gänze ausblieben. Wieso? ♛♚ Die Sonne strahlte am wolkenlosen Himmel, als die Mädchen der dritten Klasse den Sportunterricht ins Freien verlegt hatten. Genauer gesagt auf den Sportplatz hinter der Schule. Die Begeisterung hielt sich bei den Mädchen der dritten Klasse in Grenzen. Nicht aufgrund des Wetters, sondern aufgrund der Dehnübungen, die am straffen Programm von Frau Katō standen. Auch Jana und Asuna führten die Übungen mit minimaler Begeisterung aus, wobei erstere ihre dritte Pause innerhalb zehn Minuten einlegte. Immerhin gab es gerade Interessanteres als bescheuerte Dehnübungen. Bei Interessanteres handelte es sich um das Date von Kurasaki Asuna. »Ihr habt nicht miteinander geschlafen? Uncool.« Asuna verdrehte ihre Augen über das Kommentar ihrer besten Freundin, nachdem sie von gestern Abend erzählt hatte. »Was heißt hier uncool?«, murmelte sie und beugte sich mit ihrem Oberkörper nach vorne, um mit nach ihren Zehenspitzen zu greifen. »Außerdem soll er nicht glauben, ich wäre einfach zu haben.« »Also abgesehen davon, dass ich dieses Argument bescheuert finde, glaube ich nicht, dass das der einzige Grund ist.« Sie grinste besserwisserisch, während sie sich mit den Armen abstützte. »Das ist nicht bescheuert. Ich will die Sache eben langsam angehen.« Sie zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht bei der unangenehmen Position. »Einen anderen Grund gibt es nicht.« »Aber mit Oikawa bist du es doch auch nicht langsam angegangen«, warf sie ein und fing schnell an, sich zu dehnen, als ihre Sportlehrerin besonders langsam bei ihnen vorbeiging. »Und genau deshalb tu ich das jetzt. Wir wissen nämlich beide, wie das ganze geendet hat.« Nur ungern erinnerte sie sich an das Gespräch in der Umkleidekabine des Volleyballteams. Sie wollte nicht, dass es wieder zu so etwas kam. Sie wollte nicht wieder von ihren eigenen Gefühlen verwirrt werden. Jana runzelte bei den Worten die Stirn. »Ja, aus diesem Grund verstehe ich dich nicht. Wieso bist du auf Abstand gegangen, wenn du es tief in deinem Inneren eigentlich nicht wolltest?« Asuna seufzte, erhob und streckte sich. »Lass uns nicht davon reden. Das ist nämlich bereits Wochen her.« Wobei es ihr vorkam, als wäre es gestern gewesen. Allerdings hatte sie diese Sache dick und fett abgehakt. Auch wenn es für Jana nicht den Anschein machte. Sie ließ ihren Blick über das Gelände schweifen. Da das Wetter traumhaft war, trieben sich viele Schüler herum. Allen voran natürlich die dritten Klassen, da Sport am Plan stand. Riku spielte zum Beispiel mit dem Rest Fußball, während jene aus dem Volleyballteam Konditionstraining machen durften. Vor allem das Volleyballteam hatte an dieser Schule einen Sonderstatus. Man konnte es ihnen aber nicht verübeln, immerhin erhielt die Schule dadurch einen gewissen Ruhm. Jana blieb am Boden sitzen. Für sie war das Thema noch nicht ganz beendet. Oder das Thema, welches mit dem eigentlich Thema im Zusammenhang stand. »Also Wochen, in denen du keinen Sex mehr hattest«, raunte sie scheinheilig. Statt zu antworten, wandte sich die Blondhaarige an die strenge Sportlehrerin, die gerade Yuki zurechtwies. »Katō-sensei? Jana lenkt mich vom Aufwärmen ab und macht dabei selbst keine Übungen.« Ihre Stimme klang dabei zuckersüß und passte so gar nicht zu der Klassensprecherin. Prompt war die Sportlehrerin bei ihnen und keifte Jana an, die perplex und auch ein wenig ertappt immer kleiner wurde. Asuna grinste höhnisch und genoss die penetrante Stimme der älteren Frau, die über den Sportplatz hallte. Das hatte ihre beste Freundin davon, wenn sie solche Aussagen schob. Als ihre Lehrerin kurz unaufmerksam wurde, zischte Jana ein »Miststück«. Grinsend formte die 18-Jährige mit ihren Lippen: »Ich liebe dich auch.« Jana erwiderte das Grinsen und erhob sich ebenfalls, da sie noch ein paar Runden auf der Bahn laufen sollten. »Das war erst der Anfang. Solltest du nochmal ein Wort über mein Sexleben verlieren, wirst du es mehr als nur bereuen«, warnte Asuna, jedoch mit einem Schmunzeln. Sie bemerkte natürlich, wie sich ihre beste Freundin zusammenreißen musste, um nicht sofort die Warnung zu missachten. Dafür kannte sie die Dunkelhaarige einfach zu gut. »Okay, okay«, ruderte sie zurück und begann auf der Bahn zu joggen. Weil beide nicht die besten Läuferinnen waren, entschieden sie sich, das Gespräch nicht fortzusetzen. Asuna fiel es hingegen mittlerweile leichter, die Runden zu absolvieren. In der letzten Zeit war sie mehrmals laufen gewesen. Es half ihr, den Kopf freizubekommen. Und da sie mittlerweile nach zwei Kilometer nicht bereits völlig außer Puste war, machte es sogar Spaß. Innerhalb ihrer Klasse war die Leistung völlig unterschiedlich. Vor allem jene, die im Leichtathletikclub waren, hatten natürlich kein Problem damit. So auch Lu, die mit ihrer Statur gar nicht wie eine Läuferin wirkte, aber die Gruppe anführte. Oder auch Yuki, die mit ihren langen Beinen und ihrer Kondition, die sie dank des Basketballclubs hatte, mithalten konnte. Apropos Yuki. Die hatte Oikawa wohl aufgegeben und interessierte sich laut eigenen Aussagen nur noch für Studenten der Universität. Damit prahlte sie seit geraumer Zeit in der Schule, aber Asuna konnte diese Tatsache nicht gleichgültiger sein. Sie war nur froh, dass das Gerücht von damals langsam in Vergessenheit geriet. Als sie die verpflichtenden fünf Runden beendet hatten, lief Asuna locker zu den Trinkflaschen, die sie einfach am Rand des Rasens hingeschmissen hatten. Aufgrund der Hitze war ihr das aber zu wenig, weshalb sie zum nahegelegenen Trinkbrunnen ging. Zusätzlich spritzte sie sich das kühle Wasser ins Gesicht. »Nach ein paar Runden bereits so außer Puste, Kurasaki-san?«, ertönte eine belustigte Stimme hinter ihr. Der Spott war klar und deutlich in jedem Wort zu hören. »Musst du nicht Volleyball spielen oder so?« Asuna drehte sich um und lehnte sich gegen das Gebilde aus Stein. Ihre Finger nestelten am Verschluss der Flasche herum. Oikawa stand ebenfalls in Sportsachen vor ihr. In den Shorts und dem türkisfarbenen T-Shirt konnte man klar erkennen, wie durchtrainiert er war. »Nah. Wir nutzen den Sportunterricht meistens für Kraft- und Konditionstraining. Ich bin etwas enttäuscht, dass dir das noch nie aufgefallen ist.« Er grinste und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Ernsthaft?«, meinte sie nur unbeeindruckt mit gehobenen Augenbrauen. Sie stieß sich vom Trinkbrunnen ab. Ohne weiter darauf einzugehen, ging sie bei ihm vorbei. Es nervte sie, dass er stets solche bescheuerten Aussagen machen musste. Sie hatte stets das Gefühl, als würde er mit ihr flirten. Vielleicht war es aber auch nicht nur ein Gefühl. Bei Oikawa Tōru konnte man immerhin nie wissen. Ob sich Hina dessen bewusst war? »Das war doch nur Spaß, Kura-chan.« Er verwendete wieder diese bescheuerte Anrede, die sie nicht mal bei Jana gerne hörte. Mit wenigen Schritten schloss er zu ihr auf. Allerdings war das Grinsen aus seinem Gesicht verschwunden. »Okay, wenn du gerade keine Lust auf ein wenig Spaß hast, dann frage ich dich, wie es dir geht. Immerhin bist du letztes Mal nicht dazu gekommen, mir auf diese Frage zu antworten.« Asuna blieb nicht stehen. »Letztes Mal hatte ich einfach einen schlechten Tag. Das ist alles.« Der Tag war eigentlich gut gewesen. Wieso musste Oikawa sie an den Abend im Restaurant erinnern? »Und das soll ich dir jetzt einfach glauben?«, erwiderte er und dieses Mal hatte er die Augenbrauen unbeeindruckt gehoben. »Was genau willst du von mir, Oikawa?« Asuna war nun doch stehen geblieben und hatte sich mit verschränkten Armen zu dem Braunhaarigen gedreht. »Willst du, dass ich dir mein Herz ausschütte und dir von meinen persönlichen Problemen erzähle? Wir sind zwar so etwas wie Freunde, aber so gute nun auch wieder nicht.« Ihre Stimme klang ruhig, aber unter ihrer Haut fühlte sie die Wut aufkeimen. Sie wusste nicht, wieso sie gerade so empfindlich auf eine einfache Frage reagierte. Sie konnte es sich nicht erklären. Vielleicht lag es einfach an allem, was in letzter Zeit passiert war. Selbst dem Physiktest, bei dem sie nicht so gut abgeschnitten hatte wie sonst, zählte sie dazu. Oikawa schien nicht beeindruckt von ihren Worten zu sein. Im Gegenteil. Er hatte seine ernste Miene beibehalten. »Ich will, dass du mir sagst, wie es dir geht. Nicht mehr und nicht weniger. Ich frage nicht nach dem Grund, denn das geht mich nichts an. Wie du nämlich sagtest: So gute Freunde sind wir nicht.« Asuna hielt seinem Blick stand, auch wenn es keine leichte Aufgabe war. Schon immer hatte sie so empfunden. Sie fühlte sich dabei so...schwach. Plötzlich erregte jedoch etwas anderes als seine braunen Iriden ihre Aufmerksamkeit. Jemand rief ihren Namen und als sie ihren Kopf nach links drehte, sah sie einen runden Ball, der geradewegs auf sie zukam. Mit ihren langsamen Reflexen hätte sie ihn nicht mal annähernd aufhalten können. Oikawa hingegen war Profi darin, auf solche plötzlichen Bälle zu reagieren. Kurzerhand hob er seine Arme und fing den Ball, der eigentlich ziemlich rasant auf sie zugeflogen war, mühelos ab. Asuna hätte seine Reaktion vermutlich als absolut cool empfunden, wenn sie nicht damit beschäftigt wäre, ihren Puls zu beruhigen. Ob er aufgrund des Balles oder aufgrund Oikawas Worte so schnell schlug, konnte sie nicht sagen. »Sorry, Leute. Anscheinend muss ich das Passen noch ein wenig üben.« Riku kam mit einem entschuldigenden Lächeln auf die beiden zu gelaufen. »Ein wenig?« Oikawa hob spöttisch seine Augenbrauen und klang alles andere als nett. »Bist du sicher, dass du den Posten als Captain nicht abgeben solltest? Ich meine, bei solchen Schüssen...« Er ließ den Satz offen und schmiss den Ball so fest zurück, sodass er trotz Rikus Reflexe hart gegen dessen Oberkörper prallte. »Ist es mein Team oder deines, welches ständig gegen Shiratorizawa verliert? Also hör auf, so große Töne zu spucken, Oikawa.« Das anfängliche Grinsen war zur Gänze verschwunden. Sichtlich verärgert über die offensichtliche Arroganz, mit der er konfrontiert wurde, konterte er mindestens genauso provokant. Die Abneigung der beiden schien beinahe greifbar. Asuna schwieg. Stattdessen sah sie wieder zu Oikawa. Selbst sie wusste, wie empfindlich er auf das Thema Shiratorizawa reagieren konnte. Dass ausgerechnet Riku dies ansprach, war natürlich noch unangenehmer. Doch Oikawa Tōru wäre nicht Oikawa Tōru, wenn er nicht Konter geben konnte. »Liegt ziemlich sicher daran, dass deren Fußballclub absolut scheiße ist.« Er grinste und ließ sich nicht weiter davon beirren, wobei seine angespannte Haltung etwas völlig anderes verriet. Zumindest wenn man genau hinsah. Asuna schwieg weiterhin. Sie hätte ohnehin keine Ahnung gehabt, was sie dazu sagen sollte. Deshalb blieb sie eher im Hintergrund. Wenn sie darüber nachdachte, waren sich die beiden gar nicht so unähnlich waren. Beliebt, intelligent, gutaussehend und Kapitän eines Sportclubs der Seijoh. Riku lachte leise und verächtlich. Er machte einen Schritt auf den Setter zu und stoppte eine Armlänge vor ihm. »Weißt du? Du tust immer so, als wärst du der absolut größte auf dieser Welt. Als müsstest du nur einmal mit den Fingern schnipsen und schon macht jeder das, was du willst. Absoluter Schwachsinn.« Er warf einen kurzen Blick zu Asuna, die nach wie vor irritiert die Auseinandersetzung verfolgte. Überzeugt begann Riku allerdings zu schmunzeln und fügte noch etwas hinzu, dass aber nur Oikawa verstehen konnte. Dieser ballte seine Hände zu Fäusten und schwieg dazu, während der Schwarzhaarige bei ihm vorbeiging und ihn dabei unsanft anrempelte. Er kam auf sie zu und ließ auf dem Weg zu ihr den Ball achtlos fallen. »Riku, was-«, fing sie perplex an, verstummte aber, als er ihren Kopf in beide Hände nahm und sie küsste. Bestimmend und besitzergreifend. Absolut untypisch für ihn, doch sie war unfähig, sich nur einen Millimeter zu bewegen. Sie war so überrumpelt und überfordert, dass sie ihn nicht mal von sich stoßen konnte. Verkrampft stand sie da, als wäre sie irgendein Stativ. Sie ließ es einfach geschehen und erst als er sich wieder von ihr löste und sie neugierig musterte, realisierte sie, was er gerade getan hatte. »Wieso hast du das getan?«, murmelte sie konfus und machte einen Schritt nach hinten, um Abstand zwischen ihnen zu bringen. Er grinste und zuckte mit den Schultern. Vergessen war anscheinend der Ärger über Oikawa und ohne sich annähernd schuldig zu fühlen, antwortete er: »Naja, ich mag dich. Und wenn man jemanden mag, soll man demjenigen das zeigen, oder nicht?« »Ich...Ich denke schon«, gab sie noch immer verwirrt zurück. Sie sollte eigentlich wütend sein, weil er sie mitten auf dem Sportplatz geküsst hatte und nun wieder die gesamte Schule darüber sprechen würde. Dabei waren sie nicht mal zusammen. Sie sollte wütend sein, weil er es ohne ihre Zustimmung getan hatte. »Gut, dann sehen wir uns bei unserem nächsten Date würde ich sagen.« Selbstbewusst schenkte er ihr noch ein Lächeln, ehe er sich umdrehte und wieder zurück zu seinen Mitschülern lief. Diese konnten auch nicht ganz glauben, was er gerade getan hatte. Asuna ließ ihre Schultern sinken, die sie vor Anspannung hochgezogen hatte. Sprachlos bemerkte sie, dass Oikawa auch nicht mehr hier, sondern bereits auf den Weg zu Iwa und den anderen war. Was zur Hölle war hier gerade passiert? Nach wie vor überfordert mit den Geschehnissen ging sie zu Jana und auch Lu, die sie mit offenen Mündern empfingen. »Was war das?« Lu und irgendwie auch alle anderen starrten sie ungläubig an. Asuna schmiss die Flasche, die sie die ganze Zeit verkrampft in ihrer Hand gehalten hatte, wieder auf den Boden. »Keine Ahnung. Ein Kuss schätze ich«, antwortete sie wenig begeistert. Konnte man es ihr verübeln? »Ein Kuss? Das war eine verdammte Liebeserklärung.« Jana holte aufregend Luft. »Und hast du Oikawa gesehen? Verdammt! Ich glaube, er hätte Riku am liebsten umgebracht.« Beim Wort Liebeserklärung wurde ihr schlecht. War es das gewesen? Eine Liebeserklärung vor all den Leuten? »Wann ist mein Leben zu einem bescheuerten Drama geworden?«, stellte sie sich selbst die Frage. Bis vor ein paar Monaten war eigentlich alles normal gewesen. Wann hatte es eine solche Wendung genommen? »Da wird man ja glatt neidisch. Asuna ist wie die Protagonistin eines Animes.« Lu seufzte verträumt. Sie kannte immerhin nur die Hälfte von Asunas Leben. »Eines verdammt schlechten Animes«, fügte Asuna seufzend hinzu. Ihre Stimmung war am Tiefpunkt angelangt. »Hoffentlich mit einem Happy End für-«, fing Jana an, wurde allerdings von einer lauten und herrischen Stimme unterbrochen. »Hatake! Kurasaki! Aufhören zu reden und herkommen!« Bei deren Namen zuckten sie zusammen und kamen der Aufforderung sofort nach. »Sensei Katō kann ganz schön unheimlich sein«, murmelte Jana ehrfürchtig, doch Asuna brachte nicht mehr heraus als ein Nicken. Dass ihr persönliches Drama noch eine Fortsetzung hatte, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Kapitel 8: such a thing like jealousy exists? --------------------------------------------- ● • . Asuna legte ihren Stift beiseite und streckte sich ausgiebig. Das lange Sitzen auf der doch sehr unbequemen Parkbank machte sich nach beinahe zwei Stunden bemerkbar. Dennoch genoss die Schülerin die frische Luft auf dem Schulgelände. Nachdem der Unterricht zu ende gewesen war, hatte sie kurzerhand beschlossen, nicht nach hause zu gehen und ihre Hausaufgaben stattdessen im Freien zu erledigen. Im Freien hinter der Schule. Hier gab es einige Sitzgelegenheiten, die viele vor allem in den Pausen ausnutzten. Da es aber bereits später Nachmittag war, befanden sich nur noch wenige Schüler in der Schule. Allen voran jene, die noch diversen Klubaktivitäten nachgingen. Asuna hatte für heute zum Glück bereits alle Pflichten als Klassensprecherin erledigt, sodass sie sich in Ruhe ihren Aufgaben widmen konnte. Dennoch verspürte sie langsam aber sicher die Müdigkeit, die sie einnahm. Seit dem Restaurantbesuch und dem Streit mit ihren Eltern schlief sie furchtbar schlecht. Jana hatte sie stets gesagt, dass alles halb so schlimm war, aber in Wahrheit nahm es sie mehr mit als gedacht. Sie versuchte sich mit Lernen abzulenken, aber wenn sie nachts im Bett lag, schweiften ihre Gedanken unweigerlich zu der Auseinandersetzung. Angefangen bei den Ansichten ihrer Eltern bezüglich ihres Wunschstudiums. Seufzend verschränkte sie ihre Arme und legte ihren Kopf auf das spröde Holz des Parktisches. Niemals hätte sie gedacht, dass ein einfaches Essen, auf das sie sich so unheimlich gefreut hatte, so ausarten würde. Und niemals hätte sie gedacht, dass ihre Eltern so vehement auf das Übernehmen des Unternehmens beharren würden. Es hatte sie einfach aus der Bahn geworfen. Sie richtete sich etwas auf und legte ihre Wange auf dem Unterarm ab. Mit ihrer nun freien Hand griff sie nach ihrem Handy, welches neben ihr lag. Sie öffnete Instagram und checkte die neusten Storys. Viele ihrer Klassenkollegen schienen noch die Sonnenstrahlen zu genießen. Manche waren auch im Shoppingcenter unterwegs und gönnten sich den ein oder anderen Crêpe. Man. Da wurde sie doch glatt neidisch. Was würde sie jetzt für eine ihrer Lieblingssüßigkeiten geben? Mit viel Sahne, Erdbeeren und Schokostreuseln? Wie auf Kommando knurrte ihr Magen und erinnerte sie daran, wieder einmal etwas zu essen. Missmutig griff sie nach dem Plastikbecher und nahm sich ein Stück der bereits geschnittenen Ananas. Mit wenig Elan schob sie sich diese in den Mund. Manchmal bereute sie es, dass sie gesunde Snacks anstatt Schokolade oder sonstigem Süßkram mitnahm und dies auch noch für eine gute Idee hielt. Mit dem sauren Geschmack im Mund, tippte sie weiter auf dem Bildschirm herum und musste zufrieden schmunzeln. Andere schienen laut Instagram wie sie an den Hausaufgaben und dem Lernstoff zu verzweifeln. Irgendwann kam sie auch bei Janas Story an. Asuna zog ihre Augenbrauen nach oben und berührte die Antwortleiste. Dieses Video konnte sie nicht unkommentiert lassen. Asuna Wieso zum Teufel trägt Iwaizumi dein T-Shirt? Sie musste nicht lange auf eine Antwort warten. Sie las die nächste Nachricht und hätte vermutlich peinlich berührt Instagram geschlossen, wenn sie Jana nicht so gut kennen würde. Jana Neues Rollenspiel. Joooooke. Hajimes Cousine ist zu Besuch und sie findet es lustig, wenn er Mädchenkleidung trägt. Sie ist schnell zu meiner neuen besten Freundin aufgestiegen. Sorry, Asu. Asuna Wow. Danke für das Kopfkino. Sag Iwa, dass es ihm besser steht als dir. Sie kann dich behalten. Pure Erleichterung. Jana Echt jetzt? Davon bekommst du Kopfkino? Du bist ein hoffnungsloser und vor allem sexuell frustrierter Fall. Hab ich. »Danke« - Zitat Iwaizumi Hajime. Gilipollas! Asuna war über den ersten Satz ihrer besten Freundin nicht gerade begeistert. Musste Jana sie auch unbedingt darauf hinweisen, dass es in ihrem Leben derzeit alles andere als aufregend herging? Nicht, dass es sie so sehr stören würde. An Anfang war es zwar merkwürdig, dass ihre körperlichen Aktivitäten gleich null waren, aber sie hatte es auch nicht so nötig, dass sie Entzugserscheinungen davon bekam. Oder sie sich Riku schamlos an den Hals schmeißen musste. Grummelnd las sie weiter und dachte sich: Selber Gilipollas! Sie war lange genug mit der halben Spanierin befreundet, um dieses Wort zu können. Außerdem kannte man zu Beginn ohnehin am ehesten Schimpfwörter, oder nicht? Asuna Übertreib doch nicht gleich. Mein leben besteht nicht nur aus Sex. Und damit kann ich gut leben, Baka. Wenn nennst du hier Arschloch, Arschloch? Jana Gut, aber nicht befriedigt leben. :* Warte. Ich schick dir einen Link. Kannst du eventuell gebrauchen. Zuerst verdrehte sie die Augen über die Nachricht. Manchmal fragte sie sich, ob Jana etwas anderes im Kopf hatte als Sex. War Iwaizumi etwa auch so? Prompt verwarf sie den Gedanken. Daran durfte sie wirklich nicht denken. Stattdessen tippte sie auf den Link, der aufgetaucht war. Es dauerte einige Sekunden, bis die Seite vollständig geladen war. Abwartend verfolgte sie den blauen, schmalen Balken. Als die ersten Bilder auftauchten, blieb ihr kurz die Luft weg. Was zum...? Jana! Sie spürte die Hitze in ihr aufsteigen. Und zwar nicht die gute Art von Hitze. »Also wenn du Hilfe beim Aussuchen brauchst: Rechts unten sieht vielversprechend aus«, raunte plötzlich eine Stimme neben ihrem Ohr und erschrak Asuna so sehr, dass sie zusammenzuckte und ihr das Handy aus der Hand rutschte. Sie stieß ein atemloses »Fuck« aus und langte nach ihrem Smartphone. Hastig schloss die die Browser-App und wandte sich dann zu Oikawa um, der sich nach vorne gebeugt hatte und sie mit einem Grinsen ansah. »W-Was machst du hier?«, stammelte sie und räusperte sich prompt. Peinlicher ging es ja wohl nicht. »Naja, keinen Vibrator online kaufen.« Das folgende verruchte Lächeln trieb ihr abermals die Röte ins Gesicht und sie hasste es, dass von all den Menschen auf diesem verfluchten Planeten es ausgerechnet Oikawa sein musste, der sie dabei ertappte hatte, wie...wie sie Janas Link geöffnet hatte! Asuna legte ihren Kopf in den Nacken und murmelte: »Ich hab nichts online gekauft. Das war nur Zufall.« Ihre Wangen waren unnatürlich heiß. Oikawa umrundete die Sitzgelegenheit, schmiss seine Sporttasche auf die Bank und ließ sich ebenfalls darauf fallen. »Ja. Ich bin auch immer auf Pornoseiten und frage mich, wie ich da denn gelandet bin.« Ernst verschränkte er seine Arme und entlockte der Blondhaarigen ein trockenes »Haha«. Sie seufzte und legte ihre Hände in den Schoß. Dabei begegnete sie seinem Blick. Dieser und sein dezentes Grinsen brachten sie kurz aus der Fassung. Verdammt kurz und nicht erwähnenswert. Absolut nicht erwähnenswert. »Wofür lernst du eigentlich? Die Prüfungen sind erst in ein paar Wochen.« Er stützte sich mit seinem Ellbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn in die Handfläche. Die 18-Jährige lehnte sich nach hinten. Sie warf einen Blick auf ihre Unterlagen. Einige Zettel und Bücher waren auf der Tischfläche verteilt. Darunter auch Infobroschüren, Lehrpläne und eine sehr lange Liste mit empfohlener und verpflichtender Lektüre. »Das ist Kram für die Universität. Nichts Besonderes.« Sie zuckte mit den Schultern, um die Sache abzutun. Oikawa richtete sich auf und schien ernsthaft interessiert an ihrer Aussage zu sein. »Für welche Uni?« Dieses plötzliche Interesse überraschte sie kurz, doch sie fing sich schnell wieder. Sie räusperte sich. »Ehm, Tōkyō Daigaku.« Die Universität Tokio war die beste in ganz Japan. Sie wollte unbedingt dort studieren. Egal wie schwer die Aufnahmeprüfung war. Dies spornte sie nur noch mehr an. Wenn sie schon nicht die Leidenschaft für Immobilien und Finanzen mit ihren Eltern teilte, dann eben deren Ehrgeiz und dieselbe Universität. Der Setter schwieg einen Augenblick und musterte sie eingehend. Das hatte er bereits so oft getan und doch fühlte sich die Schülerin merkwürdig dabei. »Wow. Schwer da reinzukommen«, antwortete er schließlich, nachdem er sich mit der Antwort Zeit gelassen hatte. Manchmal wünschte sich die Dunkelblonde, dass sie in seinen Kopf sehen konnte. So offen er seine Gefühle oftmals zeigte, so undurchschaubar konnten auch seine Gedanken sein. Sie ließ sich aber von Oikawa nicht beirren. Dafür hatte sie bereits viel zu viel Zeit mit ihm verbracht. »Danke, dass du mich daran erinnerst«, murmelte sie. Lernen war das einzige, was sie derzeit auf andere Gedanken brachte. Deshalb störte es sie auch nicht, wenn sie Kopfschmerzen dank des Lesens und Lernens bekam. »Wo ist eigentlich dein Loverboy?«, fragte er plötzlich und klang dabei so desinteressiert, dass sich Asuna wunderte, weshalb er überhaupt fragte. Außerdem war die Abfälligkeit in seinen Worten deutlich zu hören. Von seiner angespannten Haltung mal abgesehen. »Riku ist nicht mein Loverboy.« Sie verdrehte die Augen und spielte mit dem Saum ihres Rockes. »Und weil es dich so brennend interessiert: Er ist in einem Pflegeheim, um dort ehrenamtlich zu helfen.« Trotz seines unerwarteten Kusses hatte sie danach mit Riku geschrieben. Dabei hatte sie allerdings gemerkt, dass ihr die Lust ein wenig vergangen war. Seine Aktion am Sportplatz hatte dazu maßgeblich beigetragen. Aber auch ihre Gedanken, die fast schon zu oft einem reinen Chaos glichen, waren dafür ausschlaggebend. Sie würde es beinahe Lustlosigkeit nennen, mit der sie Riku antwortete. Oikawa hob ungläubig die Augenbrauen und verzog seinen Mundwinkel zu einem spöttischen, schiefen Grinsen. »Wirklich? Ehrenamtlich?« Asuna ging darauf nicht ein. Mittlerweile hatte jeder Idiot gemerkt, dass Oikawa Riku nicht leiden konnte und keine Gelegenheit ausließ, um das zu zeigen. Sie kannte nicht den Hauptgrund seiner Abneigung, aber das konnte ihr auch egal sein. Sie mussten sich nicht mögen, wenn es nach ihr ging. »Und wo ist dein kleiner Zeitvertreib?« Asuna war bemüht, nicht zu giftig zu klingen und überspielte dies mit einem freundlichen Lächeln. Vermutlich wirkte es absolut unecht, aber es war ihr auch ziemlich egal. Wenn er Riku ständig in den Dreck ziehen konnte, dann musste sie auch nicht immer so nett sein, wenn es um Hina ging. Die Beziehung zwischen der Zweitklässlerin und Oikawa war ohnehin etwas, was sie noch nicht ganz einordnen konnte. Sie hatte eigentlich kein Recht, diese zu hinterfragen, aber sie konnte versuchen, diese zu verstehen. »Du hältst Hina für einen Zeitvertreib?« Seine Mimik verhärtete sich merkbar. Ups. Sie biss sich schuldbewusst auf die Lippe und zuckte mit den Schultern. Vielleicht war es etwas hart ausgedrückt, aber für sie war es einfach nur schwer vorstellbar, dass Oikawa für das Mädchen mehr empfand als bloße Freundschaft. Der Gedanke mag unfair erscheinen, aber Hina wirkte eher wie...naja, eine kleine Schwester. Eine süße kleine Schwester, die vor allem und jedem beschützt werden musste. Nichts weiter. »Ist sie denn keiner?« Geschickt stellte sie eine Gegenfrage, während sie ihren Stift hin und her schob und den Setter nicht aus den Augen ließ. War es eine gute Idee, dieses Thema vorzuführen? Der Braunhaarige musste dennoch bei ihren Worten Grinsen. Es war dieses typische, arrogante Grinsen, welches er so gut kannte. Und wie so oft hatte Asuna dabei das Gefühl, als würde er durch sie hindurch sehen. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, Asuna?«, mutmaßte er überheblich. Bei ihrem Namen aus seinem Mund versteifte sie sich für einen kurzen Moment, dennoch brach sie den Blickkontakt nicht ab. Asuna stoppte die Drehung des Stiftes mit ihren Fingern. »Du hast meine Frage nicht beantwortet, Tōru.« Bewusst nutzte sie auch seinen Vornamen, verzog bei diesen Worten keine Miene. Oikawa legte seinen Kopf schief. Sein Grinsen war verschwunden. Gefährlich ruhig erwiderte er: »Du meine auch nicht.« Wer zuerst wegsah, verlor. So war es schon immer gewesen und so war es auch jetzt. Die braunen Augen des Volleyballers hatten eine eindeutig dunklere Farbe angenommen und brannten sich in die blauen Augen der 18-Jährigen. Es war lange her, seit er sie das letzte Mal so angesehen hatte. So einnehmend und intensiv. Und für einen kurzen Moment vernahm sie diese kleinen Stromstöße, die sie nur von früher kannte. Jene, die sie jetzt nicht verspüren sollte. Die nichts Gutes bedeuteten. »Oikawa-kun! Hier bist du. Ich habe dich schon überall gesucht.« Die glockenhelle Stimme riss beide Schüler aus der Starre. Asuna richtete den Blick sofort auf den Boden und spielte mit den Enden ihrer Haare, um irgendetwas anderes zu tun, als die ankommende Hina ansehen zu müssen. Aus irgendeinem Grund hatte sie dieser Blickkontakt nervös gemacht. Das war ihr noch nie passiert. Nicht auf diese Weise. Der Setter wirkte nicht übertrieben erfreut über die Ankunft, legte aber dennoch sein typisches Grinsen auf. »Hina-chan«, rief er und sorgte für einen leichten Rotschimmer auf ihren Wangen. »Ist es denn schon Zeit fürs Training?« Hina strich sich verlegen eine Strähne hinter das Ohr und umklammerte ihre Tasche etwas fester. »Eh, ja. In fünf Minuten sollten die anderen kommen.« Asuna warf Oikawa einen leicht verächtlichen Blick zu. Diese Idiot wusste genau, wie viele Minuten es noch bis zum Training waren. Sie sah wieder zu Hina, denn diese schien sich allmählich wieder daran zu erinnern, dass außer ihrem Objekt der Begierde noch jemand anwesend war. »Oh, Asuna-kun. Wie immer fleißig am Lernen. Vorbildlich.« Sie strahlte, als hätte sie gerade im Lotto gewonnen. Insofern man nicht genau hinsah. Wenn man dies wie die Klassensprecherin tat, dann erkannte man die Anstrengung dahinter. Anscheinend war sie nicht erfreut über ihre Anwesenheit. »Ja, die Zeit bis zur Abschlussreise ist kurz. Da möchte ich die Tage noch ein wenig nutzen.« Sie lächelte freundlich und griff reflexartig nach den Zetteln auf dem Tisch, als der Wind drohte, sie davon zu blasen. Bei dem Wort Abschlussreise reagierte Hina mit einem missbilligten »Hm«, versteckte dies aber mit einem Schmunzeln. »Fährt denn die gesamte Klasse mit?«, fragte sie und sah Oikawa dabei so eingehend an, dass sich Asuna nicht sicher war, an wen sie die Frage nun gerichtet hatte. Dennoch ließ es sich die 18-Jährige nicht nehmen, zu antwortet und konnte nicht verhindern, dass sie dabei süffisant klang. Das war wohl ihr schlechter Charakterzug. »Ja, jeder. Sogar das Volleyballteam. Das hat mich besonders gefreut.« Sie schenkte Oikawa ein fast schon sarkastisches Grinsen, schaffte es aber, durchaus ernst zu klingen. Vielleicht sollte sie doch Schauspielerin werden. Hinas Grinsen bröckelte. »Oh.« Sie ließ betrübt ihre Schultern sinken und ein wenig tat es der Blondhaarigen leid, dass die Abschlussreise als kleine Stichelei herhalten musste. Denn genau genommen würde sie Oikawa in diesen fünf Tagen am Strand so gut wie nie zu sehen bekommen. (Ach. Naive Asuna) Nachdem Tōru Asuna einen mahnenden Blick zugeworfen hatte, erhob er sich. »Für Iwa, Matsu und mich ist es eigentlich eher ein Trainingscamp. Also kaum Cocktails und Party.« Er versuchte das Mädchen vor ihnen aufzumuntern, was ihm auch ein wenig gelang. Doch die Worte Cocktail und Party brachten sie schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. »Dürft ihr dort den überhaupt Alkohol trinken?«, hakte sie skeptisch nach und klang dabei ein wenig überlegen. Bevor Oikawa irgendetwas Bescheuertes und Schleimiges sagen konnte, kam ihm Asuna zuvor: »Dürfen eher nicht, aber es gibt diverse Mittel und Wege...« Sie ließ den Satz offen und grinste der Kleineren entgegen. Soll sie sich denn Rest doch selbst zusammenreimen. Keine Ahnung woher diese Lust zur Stichelei kam, aber es tat ihr irgendwie gut. War das sehr schlecht? Hina war jetzt endgültig von der Rolle. Sie schluckte vermutlich jene Worte hinunter, die ihr als erstes in den Sinn gekommen waren. »Dann hoffe ich, dass ihr bei der Abschlussreise euren Spaß habt.« »Danke. Ihr solltet jetzt übrigens gehen. Ich bin mir sicher, die anderen warten schon auf euch.« Oder eher auf Oikawa. »Sie hat recht. Lass uns gehen.« Der Setter nickte und streckte sich. Anschließend schnappte er sich seine Trainingstasche und begab sich neben Hina. Diese entspannte sich langsam wieder und entfernte sich nun wieder mit einem Lächeln und einem »Gute Idee« von der Sitzgelegenheit. Tōru sah ihr kurz nach. Als sie gerade nicht hinsah, wandte er sich abermals an Asuna. »Ich schätze, du hast gerade meine Frage beantwortet«, raunte er ihr zu.. Dabei hatte er seine Lippen zu einem arroganten Lächeln verzogen. Asuna hingegen war nicht zum Grinsen zu mute. Es war schwierig, denn seine Aussage traf sie ungemein hart. Richtig hart. Aber sie überspielte das innere Chaos, indem sie spöttisch ihre Augenbrauen hob. »Du meine auch.« Sie fügte nicht mehr hinzu. Mehr war auch nicht nötig und doch war sie es, die den Blickkontakt abbrach und sich den Unterlagen widmete. Einfach um ihm zu zeigen, dass das Gespräch endgültig zu ende war. Oikawa sah es anscheinend gleich, denn er folgte Hina, ohne noch etwas zu sagen. Erst als die beiden merkbar außer Hörweite war, lockerte sie ihre angespannten Schultern und legte ihren Kopf in den Nacken. War sie zu gemein zu Hina gewesen? War sie zu weit gegangen? Sie hatte durchaus ihren Blick bemerkt, als sie erfahren hatte, dass auch die drei Jungs aus dem Volleyballteam mitfahren würden. Und ihre nachfolgenden Aussagen hatten es nicht besser gemacht, aber in dem Moment hatte sie sich nicht zurückhalten können. Hina hatte einfach etwas an sich, dass mit einiger Zeit furchtbar nervig wurde. Vielleicht war es ihre naive, unschuldige Art, die ihr so gegen den Strich ging. Oder es war etwas völlig anderes. Etwas, dass sie sich nicht traute, einzugestehen. »Fuck«, kam es ihr entnervt über die Lippen. Sie war, und es war nicht einfach, das zuzugeben, tatsächlich eifersüchtig auf Hina. Diese Erkenntnis war niederschmetternd und ernüchternd zugleich. Absolut frustrierend. Weshalb empfand sie so? Weil Oikawa Hina anders behandelte? Weil sie vom ihm liebevoll berührt wurde? Weil er sie tatsächlich mochte? Weshalb? Kapitel 9: best friends activities and philophobia -------------------------------------------------- ● • . Asuna gähnte, als sie gemeinsam mit Jana ins Freie trat, um in der Pause das schöne Wetter zu genießen. Sie war verdammt müde, denn in letzter Zeit gab es einfach zu viel, was sie wach hielt. Der Streit mit ihren Eltern lastete noch immer schwer auf ihren Schultern. Insbesondere, weil sie daraufhin schnell wieder abreisen mussten und die 18-Jährige nur eine kurze Gelegenheit gehabt hatte, in der sie das ganze klären hätte können. Natürlich war sie zu stur, um nachzugeben. Aber das wollte sie auch gar nicht. Es war ihr Leben, selbst wenn ihre Eltern ihr so viel ermöglicht hatten. Das sollten sie verstehen. Neben diesem Problem war da auch noch die Sache mit Hina und Oikawa, die sie mehr und mehr verzweifeln ließ. Sie konnte doch nicht eifersüchtig auf das Mädchen sein? Nur weil sie Zeit mit dem Setter verbrachte und da irgendetwas zwischen ihnen war, was nicht mal Oikawa definieren konnte. Das war doch lächerlich. Seufzend hievte sie sich auf die Steinmauer und stützte sich mit den Armen hinter ihr ab. Jana tat es ihr gleich. Als wären diese zwei Anliegen nicht genug, gab es noch Riku, der viel mehr von ihr wollte, als ihr lieb war und nicht davon scheute, seinen Standpunkt vor der gesamten Schülerschaft klarzumachen. Mit ihm hatte sie auch noch nicht geredet und sofort kam ihr in den Sinn, dass sie furchtbar gut darin war, Dinge aufzuschieben, die mit ihren Gefühlen zu tun haben. Asuna strich sich ihre Haare nach hinten und ließ ihren Blick über den Schulhof wandern. Auch viele andere nutzten die Pause, um die Sonne zu genießen. Zu ihrem Missfallen auch Problem eins und zwei. Während Oikawa mit Iwaizumi vor dem Eingang stand, kam Riku gerade mit Freunden aus dem Schulgebäude. Sie sollte vermutlich bald ihre Gedanken ordnen und ein Problem nach dem anderen klären. Wie sie das machen wollte, war ihr noch nicht so klar. »Jana? Wie sagt man einem Typen eigentlich, dass man nicht mehr als nur Freundschaft für ihn empfindet?«, fragte sie, ohne ihre Freundin anzusehen. Es kam allerdings keine Antwort, weshalb sie sich von Rikus Anblick losriss und sich ihrer besten Freundin widmete. »Jana?« Sie starrte jedoch schweigend auf irgendeinen Punkt, den sie nicht ausmachen konnte. Es war ihr heute bereits aufgefallen, dass sich ihre beste Freundin außerordentlich merkwürdig verhielt. Misstrauisch versuchte sie es noch mal mit ihrem Namen. Die Reaktion kam langsam und ungewöhnlich träge über ihre Lippen. »Hm? Was hast du gesagt?« Skeptisch beäugt die Blondhaarige ihre beste Freundin. Dass Jana nicht immer zuhörte, war nichts Neues und nicht beunruhigen, aber dass sie so lustlos war und wenig sprach, war eigentlich ein schlechtes Anzeichen. »Unwichtig«, erwiderte sie deshalb wachsam. »Alles in Ordnung bei dir?« Jana kaute auf ihrer Unterlippe herum und mied den Blick ihrer besten Freundin. »Ich...weiß nicht.« Sie knetete ihre Finger und warf immer wieder einen Blick auf den Punkt von vorhin. Asuna versuchte, diesen Punkt auszumachen und runzelte die Stirn. Sie sah doch nicht Iwaizumi ständig so zweifelnd an? »Du hast dich doch nicht mit Iwaizumi gestritten, oder?« Bei dieser Vermutung wurde sie leicht panisch, weshalb sie nervös am Etikett ihrer Flasche nestelte. Jana schüttelte aber den Kopf. »Nein. Wir haben uns nicht gestritten. Im Gegenteil.« »Dann sag mir, weshalb du den ganzen Tag noch keinen Spruch über mein derzeit nicht vorhandenes Sexleben gerissen hast und du es tunlichst vermeidest, über Iwa zu reden.« Als Antwort bekam sie ein Seufzen. Wie als müsste sie über ihre Worte nachdenken (was sie ebenfalls in Panik versetzte), starrte sie vehement auf den Boden. »Jana!«, zischte Asuna eindringlich und griff nach ihrem Handgelenk, damit sie mit der nervösen Spielerei aufhören musste. »Sag mir endlich, was lost ist.« Endlich hob sie ihren Kopf und die 18-Jährige stockte. »Jana«, hauchte sie betroffen, als sie die Tränen in den Augen ihrer besten Freundin wahrnahm. »Was...Was ist passiert?« Jana schluckte und holte tief Luft. Es fiel ihr sichtlich schwer, mit der Wahrheit rauszurücken. »Ich,« fing sie zaghaft an und rieb ihren Oberarm, »ich bin vielleicht schwanger.« Die Bombe war geplatzt. Und was für eine. Asunas riss ihre Augen auf und öffnete den Mund, doch mehr als ein heißeres »Was?« kam ihr zuerst nicht über die Lippen. Erst als die Information langsam zu ihr gesickert war, konnte sie langsam wieder einen sinnvollen Satz bilden. »Du bist vielleicht schwanger? Was heißt vielleicht? Hast du...Hast du einen Test gemacht?« Sie wollte nicht mitleidig klingen, denn Asuna wusste, wie sehr Jana dies hasste. Dennoch litt sie gerade furchtbar mit ihrer besten Freundin mit. »Nein, noch nicht. Aber alles deutet darauf hin. Ich bin überfällig, mir ist übel und ich...ich habe einfach das Gefühl, dass da«, sie zeigte auf ihren Bauch, »etwas ist.« Verzweifelt vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. Asuna schluckte. Sie hatte Jana noch nie so niedergeschlagen und überfordert gesehen. Das Schlimmste daran war aber, dass sie absolut nichts tun konnte. Außer an ihrer Seite zu sein und ihr Mut zuzusprechen. »Verdammt«, murmelte sie und überlegte fieberhaft, was sie nun sagen sollte. »Wir sollten uns nach der Schule einen Test holen. Du musst wissen, ob du schwanger bist oder nicht.« Eindringlich sah sie ihre Freundin von der Seite an. Diese lachte kurz freudlos auf. »Brauchst du nicht. Hab einen im Rucksack. Seit zwei Tagen.« »Seit zwei Tagen?«, rief Asuna und verstummte, als ihr die Lautstärke ihrer Worte bewusst wurde und sich ein paar Köpfe zu ihnen drehten. »Worauf warten wir dann noch? Los, komm.« Sie sprang von der Mauer und griff abermals nach dem Handgelenk der anderen Schülerin. Dieses Mal war sie aber euphorischer. Jana rutschte prompt ebenfalls von der Mauer. »Spinnst du? Ich mach den Test doch nicht in der Schule! Das ist doch echt absurd.« »Doch. Wirst du«, erwiderte sie herrisch und stoppte in ihrer Bewegung, weil sie noch nicht fertig war, aber ihrer Freundin dabei in die Augen sehen wollte. Mit einer unterstreichenden Handbewegung meinte sie: »Und wehe du verheimlichst mir jemals wieder zwei Tage so etwas Wichtiges.« Dann setzte sie ihren Weg fort, wieder mit ihrer besten Freundin, die sie hinter sich herzog. Dass sie dabei einige Blicke auf sich zogen, war nebensächlich. Asuna betrat die erste Toilette und checkte sofort, ob jemand außer ihnen hier war. »Los. Test raus und rein da.« Sie deutete ernst auf die zweite Tür und verschränkte schließlich ihre Arme. »Wenn du so herrisch bist, machst du mir angst«, murmelte Jana und kramte nach der Verpackung in ihrer Tasche. »Gut so.« Sie schmunzelte, denn langsam war ihre Freundin wieder sie selbst. Auch wenn die Nervosität ihr ins Gesicht geschrieben war. Aber wer konnte es ihr auch verübeln? Es gab für eine 18-jährige Schülerin kaum etwas Schlimmeres, als ungeplant schwanger zu werden. Zumindest war es für Asuna so. Jana hatte wenigstens ein Freund, aber wenn sie jetzt in der Situation ihrer besten Freundin wäre... Jana drehte die Verpackung jedoch zögerlich in ihren Händen herum. »Ich hab echt Schiss, Asu«, kam es ehrlich und mit zittriger Stimme von ihr. »Ich weiß.« Asuna machte einen Schritt auf ihre Freundin zu und schlang ihre Arme um sie. Obwohl sie beide kein großer Fan von Umarmungen waren, tat es gerade mehr als nur gut. Für Asuna, weil sie so ihre beste Freundin unterstützen und Halt geben konnte und für Jana, weil sie so wusste, dass sie in dieser beschissenen Situation nicht alleine war. Als sie sich trennten, meinte die Dunkelblonde: »Weißt du was? Ich mach mit.« Überzeugt nickte sie trotz des irritierten Blickes der anderen Schülerin. »Hä? Willst du auch einen Test machen? Ich hab aber nur zwei und die wollte ich eigentlich verwenden.« »Nein. Das nicht, aber ich muss gerade auf die Toilette und so stehe ich dir bei. Irgendwie.« Also ausgesprochen hörte es sich eindeutig merkwürdiger an. Dennoch öffnete sie die Tür und deutete Jana, endlich den Test zu machen. Nur eben in der anderen Kabine. »Du bist echt bescheuert«, brummte Jana, musste aber dennoch schmunzeln. Sie wüsste nicht, was sie ohne Asuna machen würde. Es war wie in einem dieser amerikanischen Teenagerfilme. Grotesk und ein wenig unangenehm, als sie beide schweigend auf der Toilette saßen. Gerade jetzt wünschte sich Asuna dieses Wasserplätschern, welches in den unzähligen Einkaufszentren auf den Toiletten abgespielt wurde. Andererseits handelte es sich hierbei um Jana und somit beste Freundin. Es gab Schlimmeres. »Bist du fertig? Hast du auf das Teil gepinkelt, auf das man...draufpinkeln muss?« Sie kniff ihre Augenbrauen zusammen über ihre Unfähigkeit, einen Satz zu bilden. »Hör auf, mich so unter Druck zu setzen.« »Wieso?« »Weil ich nicht pinkeln kann, wenn du mich so unter Druck setzt«, grummelte Jana. Asuna verdrehte die Augen. »Sorry, aber wir haben noch genau fünf Minuten, bis der Unterricht beginnt. Und ich glaube nicht, dass der Test binnen weniger Sekunden das Ergebnis anzeigt.« Natürlich war sie zuerst fertig, weshalb sie die Kabine verließ und sich die Hände wusch. Anschließend klopfte sie gegen die Tür, hinter der sich Jana befand. Prompt wurde sie geöffnet. »Weißt du, wie lange wir auf das Ergebnis warten müssen?« Sie lehnte sich gegen die Wand, nachdem sie die Kabine wieder verschlossen hatte. Ihre Freundin saß auf dem mittlerweile geschlossenen Klodeckel und hielt den Test abwartend in ihrer Hand. »Nein. Ich weiß nur wann ich ihn am besten machen soll. Ich war wohl zu panisch, um mir die Infos durchzulesen.« »Okay. Gib mir mal den Beipackzettel.« Noch zwei Minuten, bis der Unterricht begann. Jana überreichte ihr nur zu gern die Verpackung mit dem Zettel, sodass Asuna ihn überfliegen konnte. »Hier steht, dass das Ergebnis in zehn Minuten angezeigt werden soll. Das dauert zu lange. Wir werden definitiv zu spät kommen.« Im Grunde war das kein Grund, um nicht hier zu warten. Jedoch schrieben sie einen Test in Japanischer Geschichte, der zur Mitarbeit zählen würde. »Lass uns in die Klasse gehen. Vielleicht ist es gut, wenn ich das Ergebnis erst nach dem Test sehe«, meinte sie und erhob sich. »Sicher?« »Ja.« Sie schulterte die Tasche und schmiss den Test einfach zum restlichen Schulzeug. »Hast du gerade deinen benutzten Test da rein geworfen?«, hakte Asuna mit hochgezogenen Augenbrauen nach, während sie die Kabinentür öffnete. »Wo soll ich ihn den sonst hintun? Willst du ihn nehmen?« Mit ernstem Blick hielt sie ihrer besten Freundin die Tasche hin. Etwas angeekelt verzog diese ihr Gesicht. »Nein, danke.« Jana wollte etwas erwidern, als plötzlich die Tür aufging. Die zwei Schülerinnen drehten sich erschrocken zum Eingang. Ein Mädchen, das Asuna nur vom Sehen kannte, musterte die beiden skeptisch, ehe sie langsam zum Waschbecken ging und ihre Hände wusch. Dabei warf sie immer wieder einen Blick durch den Spiegel. Dies nutzten die Freundinnen, um von hier zu verschwinden. Eilig verstaute Asuna noch die Verpackung in der Tasche, ehe sie sich zum Klassenzimmer begaben. »In ungefähr fünf Minuten sollte das Ergebnis erscheinen«, murmelte Asuna ihrer Freundin zu, noch bevor sie den Raum 3-5 betraten. Von Jana bekam sie nur ein angestrengtes Ausstoßen der Luft. Während die Prüfungszettel ausgeteilt wurden, kaute Asuna nervös auf ihren Fingernägeln herum und wippte ungeduldig mit dem Fuß. Ihre Lehrerin warf ihr einen überraschten Blick zu, da diese ihre Unruhe anscheinend mit dem Test assoziierte. Wobei sie gar nicht mal so falschlag. Es war echt unglaublich, wie sehr sie mit ihrer Freundin mitlitt. Es fühlte sich fast so an, als wäre sie selbst in Janas Situation. Das Ticken der Uhr machte es nicht besser und als die fünf Minuten vorüber war, hatte sie noch immer nichts auf ihrem Zettel stehen. Ihre Konzentration lag ganz allein bei ihrer besten Freundin, die ihre Stirn auf dem Tisch abgelegt hatte und genau so wenig die Prüfungsfragen beachtete. Asuna sah kurz zu ihrer Lehrerin, die gerade auf der anderen Seite der Klasse ging. Schnell nahm sie einen Stift und warf ihn auf die Dunkelhaarige. Diese zuckte zusammen, war dafür aber hellwach. »Was?«, formte diese mit ihren Lippen, ohne einen Ton zu sagen. Asuna deutete nach unten. Natürlich verstand Jana sofort und tippte an ihre Schläfe. Das sollte wohl so viel heißen wie »Bist du bescheuert? Jetzt?« Energisch nickte sie als Antwort und nach und nach bemerkte sie, wie Jana nach langem Überlegen nachgab. Ebenfalls mit einem kurzen Blick zur Lehrerin griff sie in ihre Tasche. Asuna beugte sich nach vorne, um das Ergebnis ablesen zu können. Die meisten ihrer Mitschüler waren in die Prüfung vertieft, um zu bemerken, wie sehr Asuna und Jana gerade neben der Spur waren. Zuerst spiegelte die Anzeige, doch plötzlich erkannte man etwas. Zwei Streifen? Was bedeutete das nochmal? Sie kramte fieberhaft in ihren Gedanken nach den Infos des Beipackzettels. Zwei Streifen. Zwei Streifen. »Oh mein Gott«, rief Asuna bei der Erkenntnis und schlug sich prompt die Hand vor den Mund. Peinlich berührt sah sie sich um. Sponsor werden und Werbung komplett deaktivieren »Kurasaki-san. Das Gebet kommt ja reichlich spät.« Ihre Lehrerin deutete auf ihren noch immer leeren Zettel, musste aber schmunzeln. Sie wusste, dass die Dunkelblonde zu ihren besten Schülern gehörte, weshalb sie sich auch keine Sorgen machte. Sie murmelte nur eine Entschuldigung und lehnte sich zurück. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gesehen hatte. Jana warf einen verzweifelten Blick nach hinten und Asuna brauchte einen Moment, bis sie verstand, warum sie so angesehen wurde. Innerlich schlug sie sich gegen die Stirn, ehe sie ein »Du bist nicht schwanger, du Idiot« mit ihren Lippen formte. Die Reaktion war eindeutig. Ihre Augen wurden groß und die Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben, als sie hibbelig auf ihrem Sessel herumhüpfte. Wie sie zuvor presste sie ihre Hand auf den Mund, allerdings schaffte sie es, die Klappe zu halten. Und das war eine Premiere. Völlig fertig mit den Nerven nach diesen anstrengenden letzten Minuten, lehnte sich die Klassensprecherin nach hinten und legte ihren Kopf in den Nacken. Sie schloss die Augen und lächelte. Ihr fiel eine große Last von den Schultern und sie konnte nur erahnen, wie es Jana jetzt ergehen musste. Kopfschüttelnd setzte sie sich wieder aufrecht hin und straffte die Schultern. Mit einem nun freien Kopf griff sie nach ihrem Stift und begann, die Fragen zu beantworten. Wow. Was für ein Vormittag. ♛♚ Nach der Schule war Jana wieder die Alte. So gut wie. Es hatte ein wenig gedauert, aber nun redete sie wieder ohne Unterbrechung. Weil Asuna aber so erleichtert war, genoss sie den Redeschwall mehr als sonst. »Und weiß du, was mir die ganze Zeit durch den Kopf gegangen ist? Wie zum Teufel soll man mit einem riesigen Bauch eigentlich Sex haben?« Sie gestikulierte mit den Händen, achtete aber penibel darauf, dass ihr Kaffee, den sie sich nach Schulschluss geholt hatten, im Becher blieb. Immerhin kostete der Kaffee bei Starbucks ein halbes Vermögen. Asuna starrte sie indes ungläubig an. »Von all den Gedanken ist dir ausgerechnet dieser durch den Kopf gegangen?« Sie seufzte erleichtert. »Gott sei Dank war der Test negativ.« Ihr Mundwinkel zuckte verdächtig und schon musste sie lachend dem folgenden Hieb ausweichen. »Jetzt mal im ernst. Was würdest du ohne Sex tun, Jana?« Als sie aber den Blick sah, fügte sie schnell hinzu: »Warte! Nein. Sag es einfach nicht.« »Auf jeden Fall mehr als du.« Jana wackelte mit den Augenbrauen, woraufhin Asuna nur mit den Augen rollte. Dieses Thema hatten sie bereits oft genug. »Aber bevor ich es vergesse. Du hast mich heute irgendetwas gefragt. Was war das noch schnell?« Für einen Moment war sie verwirrt, was sie nun meinte, aber dann fiel es ihr wieder ein. Es war eines ihrer drei Probleme, welche ihr derzeit den letzten Nerv raubten. »Ach ja. Ich wollte dich fragen, wie man einem Jungen sagt, dass man nur Freundschaft für ihn empfindet.« Dass sie dabei Rat bei Jana suchte, sagte doch sowieso schon alles, denn ihre beste Freundin hatte genauso wenig Erfahrung in solchen Angelegenheiten wie sie. Dennoch wollte sie eine zweite Meinung hören. »Wegen Riku? Hm. Ich würde da ganz klassisch vorgehen und die Ich mag dich wirklich gerne, aber mehr als Freundschaft empfinde ich nicht-Karte ausspielen.« Schulterzuckend zog sie an ihrem Strohhalm und auch Asuna widmete sich ihrem Iced Cappuccino. So einfach wie es die Dunkelhaarige darstellte, war es nun auch wieder nicht. Leider. Sie war sich nämlich sicher, dass Riku definitiv anderer Meinung war. »Ahhhh!« Sie stöhnte genervt auf. »Das wird eine Katastrophe.« Sie war richtig schlecht in so etwas. Wie sollte sie ihm gegenübertreten, wenn sie ihm das sagte? Und wie sollte sie ihm gegenübertreten, nachdem sie ihm das gesagt hatte? Immerhin würden sie sich ständig bei irgendwelchen Treffen in der Schule über den Weg laufen. Jana ließ von ihrem Milkshake ab und runzelte die Stirn. »Hast du das bei Oikawa nicht auch irgendwie durchgezogen? Dann hast du ja schon Übung darin.« In ihrer Stimme schwang eine Spur Provokation mit, aber das drang irgendwie nicht ganz zu Asuna durch. »Ja, aber das war etwas völlig anderes«, seufzte sie und spielte mit dem Strohhalm. »Inwiefern?« Neugierig sah die Kleinere sie an. Tja, weshalb? »Weil es Oikawa Tōru war und nicht Watanabe Riku. Ganz einfach.« Das Gespräch mit Oikawa konnte sie einfach nicht mit dem bevorstehenden Gespräch mit Riku vergleichen. Das änderte aber nichts daran, dass beides für sie eine große Überwindung darstellte. Asuna wusste eigentlich viel. Sie wusste, wie man sich perfekt auf einen Test vorbereitete. Sie wusste, wie man Rechnungen bezahlte. Sie wusste, wie man im Schulrat jeden auf seine Seite zog. Wenn es aber um ihre Emotionen ging, dann hatte sie keine Ahnung. Keine Ahnung wie sie diese vermitteln sollte und keine Ahnung, ob sie diese überhaupt zulassen wollte. Absurd, denn immerhin waren es ihre Gefühle. Vielleicht war dies einer der Gründe, weshalb sie ihre Gefühle verschloss und lieber auf Distanz. Jana betrachtete ihre Freundin skeptisch, hakte aber nicht nach. Es war fast unmöglich, in dieser Angelegenheit zu der Blondhaarigen durchzudringen. Da war sie viel zu stur. »Tu es einfach. Schnell und ohne zu zögern. Wie bei einem Pflaster, das du abziehst.« »Aber das ist verdammt schmerzhaft«, zweifelte die Angesprochene, kam aber zum Entschluss, dass sie es wirklich schnell hinter sich bringen musste. Asuna seufzte tief und griff nach ihrem Handy, welches gerade in ihrer Jackentasche merklich vibriert hatte. Als sie die Benachrichtigung auf ihrem Bildschirm las, kam ihr der Gedanke, dass sie diese Funktion dringend ausstellen musste. Es interessierte sie nicht wirklich, ob Hina nach langer Zeit wieder ein Bild auf Instagram gepostet hatte. Dennoch klickte sie auf den Balken. Sie hatte sich nicht viel erwartet. Vielleicht ein Selfie oder irgendetwas anderes Unnötiges. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet. Sie blieb stehen und starrte fassungslos auf das Bild, welches Hina gepostet hatte. Ihr Blick flog über die Beschreibung. Was zum...? »Wieso bleibst du stehen, Asuna? Und wieso zerdrückst du deinen armen Kaffeebecher?« Jana sah sie zweifelnd an und beugte sich schließlich zu ihr, um ebenfalls einen Blick auf das Bild erhaschen zu können. »Ach du scheiße«, rief sie laut und sorgte dafür, dass sich einige Passanten empört zu ihr drehten. »Sind die beiden zusammen, oder was?« Asuna presste ihre Kiefer fest aufeinander und schluckte den unangenehmen Kloß in ihrem Hals hinunter. Dieses Bild von Hina gefiel ihr ganz und gar und das, obwohl sie kein Recht dazu zu haben. Die Feststellung von vor einigen Tagen kam ihr wieder in den Sinn. Eifersucht...war ein grässliches Gefühl. Und in Asunas Fall auch irritierend, denn sie konnte sich diese Eifersucht noch immer nicht zur Gänze erklären. Sie stand nicht mal auf Oikawa. Nicht im geringsten! Schnaubend schloss sie die App und verstaute ihr Handy wieder in ihre Jackentasche. Sie setzten ihren Weg fort. »Was stand da unter dem Bild? Happy to have him in my life? «, fragte Jana, während sie Asuna akribisch musterte. Zumindest den Griff um den Becher hatte sie gelockert. »Ja. Ungefähr.« Sie wollte nicht wirklich über das Bild reden. Wenn sie ehrlich war, dann würde sie es sogar gerne vergessen. Unmöglich. Irgendwie hatte es sich in ihr Gehirn gebrannt. Sie verfluchte Instagram dafür, dass sie diese bescheuerte Benachrichtigung bekommen hatte, und sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie überhaupt nachgesehen hatte. Also ob sie dieses Foto von Oikawa und Hina, auf dem sie beide so übertrieben glücklich grinsten, sehen wollte. Und kitschiger ging die Bildbeschreibung auch nicht mehr. »Ich hoffe, ich bereue diese Frage nicht, aber alles klar bei dir?« Asuna holte tief Luft, denn eigentlich wusste sie die Antwort auf diese Frage nicht wirklich. Es war alles okay bei ihr und irgendwie auch nicht. Es lag nicht nur an dem Bild, welches sie überraschend stark störte. »Keine Ahnung. Ich denke nicht. Sonst könnte ich diese einfache Frage beantworten. Weißt du? Es ist nicht nur die Sache mit meinen Eltern und Riku, die mich seit Längerem beschäftigt. Es ist auch Oikawa, der mir Kopfschmerzen bereitet. Wieder. Es ist wirklich hart, mir das einzugestehen, Jana.« Sie biss sich auf die Unterlippe und starrte auf den Asphalt, anstatt den einfühlsamen Blick ihrer besten Freundin zu erwidern. »Es stört mich, dass er so viel Zeit mit Hina verbringt. Es stört mich, dass er Fotos mit ihr macht. Es stört mich einfach alles. Ich...Ich weiß nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll. Ich weiß nur, dass ich dieses Gefühl hasse. Genauso hasse ich es, das zuzugeben.« »Ich denke, dass du lernen musst, dieses Gefühl zu akzeptieren. Du kannst daran nichts ändern und es wird nicht besser, wenn du es verleugnest. Das hört sich vielleicht hart an, aber versuche, damit zu leben«, fing Jana. Asuna wusste, dass ihre Freundin recht hatte. Und dennoch fiel ihr die Umsetzung ihrer Worte mehr als nur schwer. Sie sollte diese Eifersucht akzeptieren? Einfach so? Wie? Sollte sie einfach vor sich hinlächeln, wenn sich Oikawa und Hina vor ihren Augen küssten, obwohl sie den nächstbesten Gegenstand nach ihnen werfen wollte? »Weißt du, was ich mich schon immer gefragt habe? Wieso hast du das mit Oikawa damals beendet? Wir wissen beide, dass es für dich nicht einfach nur Sex war. Nicht ausschließlich.« Die Ampel vor ihnen wurde grün, doch beide blieben einfach stehen. Asuna sah auf ihren Becher, weil sie den eindringlichen Blick ihrer Freundin sowieso auf ihr spürte. »Ich habe seine Nähe genossen. Seine Nähe, seine Berührungen und seine bloße Anwesenheit. Der Gedanke, dass ich ausnahmsweise nicht alleine war, hat mir gefallen. So sehr, dass er mir gefehlt hat, wenn er nicht geblieben ist. Aber...genau das hat mir auch Angst gemacht.« Sie erinnerte sich so gut an die Nächte, in denen sie in ihrem Bett gelegen hatte und an Oikawa denken musste. Überrumpelt von dem Gefühl der Einsamkeit in der viel zu großen Wohnung und dem Wunsch nach seiner Gesellschaft. »Beziehungen sind fragil, Jana. Sie brechen so verdammt leicht und ehe man sich versieht, verschwindet die Person wieder aus deinem Leben. Wie soll ich mein Herz in jemandes Hände legen, wenn dieser jemand im nächsten Augenblick verschwinden sein könnte? Ich will nicht mehr von einem auf den anderen Moment wieder alleine sein, denn dieses Gefühl habe ich bereits mein ganzes Leben. Den Gedanken ertrage ich einfach nicht.« Noch nie hatte Asuna so offen über ihre Ängste geredet wie jetzt und doch fühlte sie sich dadurch nicht besser. Janas überwältigter Blick machte es auch nicht besser. Sie musste es hinnehmen, dass sie ein hoffnungsloser Fall war. Dass ihre Ängste sie davor hinderten, Gefühle zuzulassen, die bereits seit Langem tief in ihr vorhanden waren. Wie aber kämpfte man gegen Ängste, die einen seit Kindheitstagen verfolgten? Kapitel 10: a little hit never killed nobody. thank god. -------------------------------------------------------- ● • . [one year ago] Asuna drängte sich durch die Menge und versuchte dabei, keinen Ellbogen ins Gesicht oder in die Seite gerammt zu bekommen. Jana hatte hinter ihr weitaus größere Probleme damit, hielt aber gekonnt Schritt. Trotz des Gedränges musste sie gut gelaunt grinsen, als sie endlich ihr Ziel erreicht hatten und den feiernden Schülern entkommen waren. Zumindest größtenteils, denn auch hier in der Küche, wo die Getränke standen, war einiges los. »Ich liebe Hauspartys, aber dieses Gedränge ist eine Nummer für sich«, seufzte ihre beste Freundin, während sich Asuna ein äußerst schwaches Gin Wildberry mixte und ihrer Freundin ein Wodka Lemon reichte. Sie trank so gut wie nie Alkohol und würde nach diesem Getränk auch wieder zu Cola greifen. Nachdem sie einen kleinen Schluck genommen hatte, antwortete sie schmunzelnd: »Also ich mag es irgendwie. Wenn ich zu Hause bin, bringt mich die Stille beinahe um. Da sind die Menschenmenge und der Lärm eine willkommene Abwechslung.« »Verständlich, aber fremde Haare ins Gesicht zu bekommen, ist trotzdem nicht meine Lieblingsbeschäftigung.« Asuna lachte leise über die missmutigen Worte und sah sich um. Einige bekannte Leute konnte sie sofort ausmachen und je länger sie die feiernden Gäste beobachtete, desto eher fiel ihr auf, dass nahezu die gesamte zweite und dritte Klasse hier sein musste. »Oh, sieh mal. Die Elite lässt sich die Feier auch nicht entgehen.« Jana wackelte demonstrativ mit den Augenbrauen. Die 17-Jährige folgte ihrem Blick und setzte den Becher an ihre Lippen. Der Wildberry-Geschmack breitete sich sofort in ihrem Mund aus, während sie die Gruppe beobachtete. Damit war sie anscheinend nicht die Einzige. Mehrere hatten die Gespräche unterbrochen oder führten dieses noch euphorischer weiter. Sie hätte nicht gedacht, dass das Volleyballteam ihrer Schule auch hier sein würde. Andererseits hatten sie ihr heutiges Spiel gewonnen. Das hatte ihr zumindest Jana gesagt, denn sie selbst war kein großer Fan dieser Sportart. Und das, obwohl ihre Schule für die gute Mannschaft berühmt und unheimlich viele Bewunderer hatte. »Wobei, ein bisschen wundert es mich schon, dass sie hier sind. Das Team trainiert jeden Tag. Ob Sieg oder nicht. Da passen Partys nicht in den Zeitplan und Alkohol schon gar nicht. Als Sportler trinkt man doch nichts, oder?« Jana wandte sich mit verschränkten Armen zu ihr und legte den Kopf schief. »Naja, vermutlich sind sie nur hier, um mit den Mädchen zu flirten und sich ausnahmsweise mal nicht in der Sporthalle rumzutreiben.« Da sie mit Matsukawa in die Klasse ging, wusste sie, dass sie sich, wenn kein Unterricht war, hauptsächlich für irgendwelche Turniere vorbereiteten. Ihr kam es so vor, als würden sie nichts anderes in der Freizeit tun. Deshalb hatte sie keine Ahnung, wie es manche im Team schafften, trotzdem gute Noten zu schreiben. Wie zum Beispiel Oikawa Tōru. Obwohl Asuna mehr als andere lernte und sich bemühte, in allen Fächern zumindest unten den besten drei zu sein, schaffte er es ebenso. Scheinbar ohne viel Aufwand. »Gut so. Also das mit der Sporthalle. Dadurch haben wir mehr abzuchecken.« Sie lachte leise und kippte ihr Gin Tonic in einem Schwung hinunter. »Sag nicht, du hast schon jemanden im Blick?« Misstrauisch sah sie zu ihrer besten Freundin, deren schwarze Locken wie immer perfekt ihr Gesicht umrahmten. »Vielleicht?« Sie zog ihre Mundwinkel nach oben. Asuna ließ diese Gegenfrage offen im Raum stehen und so mischten sich die beiden ebenfalls unter die Leute. So kam es, dass sie einmal mit Matsukawa sprach, einmal mit Reika und schließlich bei irgendeinem Typen aus der dritten Klasse hängen blieb, der bereits offensichtlich betrunken war. Sie wollte nur auf die Toilette, als er sie angesprochen hatte. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, länger von ihm aufgehalten zu werden. Jedoch hörte er einfach nicht zu reden. Mühsam nickte sie lächelnd, als er etwas von seinem Hobby erzählte. Basketball. Noch so eine Sportart, die ihr Interesse nicht wecken konnte. Innerlich seufzte sie und sah sich unauffällig um, ob ihr nicht irgendjemand zu Hilfe kommen könnte. Vergebens. In dem 1. Stock trieben sich nur rummachende und betrunkene Leute herum. Wieder machte sie einen Schritt zurück, nur damit er wieder den Abstand verringern konnte. »Ja, also ich -«, fing sie an, um eine Ausrede zu finden, wurde aber von ihm unterbrochen. »Und dann hab ich ihm eine verpasst. So richtig, verstehst du?« Sie hatte Mühe, ihn aufgrund des Lallens zu verstehen, aber es war ihr ziemlich egal, denn sonderlich tiefgründig war das Gespräch ohnehin nicht. Sie seufzte offensichtlich laut, aber nicht mal das schien er zu bemerken. Plötzlich schlug jemand dem Jungen vor ihr fest auf die Schulter, sodass dieser beinahe stolperte. Sicherheitshalber ging sie etwas zurück und während die beiden irgendeinen Blödsinn redeten, sah sie in diesem kurzen Moment ihre Chance. Sie öffnete die Tür zu ihrer Rechten und schlüpfte durch den Spalt. Hastig, aber dennoch vorsichtig schloss Asuna sie wieder. Erleichtert lehnte sie sich gegen die Tür, atmete aber erst wieder, als ein paar Sekunden verstrichen waren. Der Bass der Musik drang klar und deutlich durch das Holz und ließ es beinahe vibrieren. Mit diesen Klängen in den Ohren starrte sie an die Decke. Der Raum war dunkel, doch die Umrisse waren gut sichtbar. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hier war und vermutlich sollte sie auch nicht hier sein. Da sie aber noch die zwei Stimmen von draußen hören konnte, wollte sie nicht von hier weg. »Und? Vor wem bist du geflüchtet?«, ertönte es auf einmal zu ihrer Linken, sodass die 17-Jährige erschrocken zusammenzuckte und dabei den gemischten Gin auf ihrem Oberteil verschüttete. »Fuck!«, fluchte sie untypisch für sie. »Musst du mich so erschrecken?« Sie wischte sich provisorisch über den Stoff. Die Person tippte auf dem Handy herum und beachtete sie nicht großartig. Als er nicht antwortete, seufzte sie genervt. Sie kniff ihre Augen zusammen und betrachtete den Jungen genauer. Obwohl es recht dunkel war, erkannte sie ihn sofort. Wer würde das nicht? Oikawa Tōru saß mit dem Rücken zur Lehne auf dem Bett, als wäre es sein eigenes. »Die bessere Frage ist, wieso du hier bist, Oikawa-san.« Sie hob ihre Augenbrauen und gab es auf, ihr Shirt sauber zu bekommen. Stattdessen stieß sie sich von der Tür ab und widmete ihre Aufmerksamkeit den Bildern, die an der Wand hingen. Den Fotos nach musste es das Zimmer von Kimiko, der Gastgeberin, sein. »Es überrascht mich, dass du meinen Namen kennst, Kurasaki-san.« Asuna runzelte bei dieser Aussage die Stirn. »Tu nicht so, als wüsstest du nicht, dass jeder in der Schule weiß, wie du heißt«, erwiderte sie abwertend. »Kura-chan,« fing er plötzlich tadelnd an und erntete deshalb von der Angesprochenen einen skeptischen Blick, »sei doch nicht gleich so hart zu mir.« Asuna hatte in den zweieinhalb Jahren, in denen sie nun an die Seijoh ging, kein einziges Mal mit Oikawa gesprochen. Sie gingen weder in dieselbe Klasse, noch teilten sie ihre Interessen. »Bin ich nicht. Ich spreche nur das Offensichtliche an.« Sie hatte schon viel von dem Sportler gehört. Vieles davon handelte über seine Beliebtheit bei den Mädchen. Die Gerüchte machten es schwer, keine Vorurteile zu hegen. Dennoch musste sie zugeben, dass sie ihn des Öfteren von der Ferne beobachtet hatte. Wer hatte das nicht bereits getan? Oikawa sah verboten gut aus und das wusste jeder. »Dann bist du offensichtlich gemein.« Er schmollte weiterhin und legte sein Handy auf die Seite. Sie ignorierte seine Aussage. »Vor wem versteckst du dich eigentlich?« Sie hätte ihn eher als jemanden eingeschätzt, der gerne unter Leute war und die Aufmerksamkeit genoss. »Puh, vor einigen. Da wäre Hikari, Saki, Aoi, Miyu, natürlich auch Kimiko selbst, Akira. Ein bisschen auch Iwa-chan, aber das bin ich ja gewohnt. Yuna war heute auch wieder richtig nervig und -« »Okay!!«, unterbrach ihn Asuna, während ihre Mundwinkel verräterisch zuckten. »Ich hab es verstanden. Du bist vor einigen geflüchtet.« Sie lehnte sich gegen ein Regal und führte den Becher an ihre Lippen. »Kura-chan! Ist das etwa Alkohol?« Er zog seine Augenbrauen gespielt empört nach oben, während er sich aufrichtete und sich mit seinen Armen hinter sich abstützte. Asuna schluckte die Flüssigkeit hinunter und genoss den Geschmack des blassrosa Getränks. »Ja. Den brauch ich auch dringend, wenn du mich weiterhin so nennst.« Diese Abkürzung war schon schlimm genug, aber die Anrede toppte alles. »Und ich dachte, du bist eine verantwortungsvolle Schülerin.« »Falsch gedacht.« Asuna schmunzelte, obwohl sie durchaus verantwortungsvoll war. Im Grunde trank sie so gut wie nie Alkohol und der zweite Gin, den sie endgültig leerte, war ebenfalls eine Seltenheit. Sie stellte den Becher auf die Kommode hinter ihr und ging auf das Bett zu, auf dem Oikawa nach wie vor saß. »Rück' mal ein Stück«, forderte sie und ließ sich prompt auf den weichen Untergrund fallen, nachdem er ihrer Bitte nachgekommen war. Er sah sie von der Seite an. »Wieso habe ich dich eigentlich noch nie bei einem unserer Spiele gesehen?« Asuna hätte bei dieser Frage beinahe gelacht, wenn er sie nicht so neugierig ansehen würde. »Ist diese Frage dein Ernst?«, fragte sie ihn deshalb. »Ja?« »Wieso sollte ich zu einem eurer Spiele kommen?« »Ich weiß nicht. Weil wir gut sind? Weil Volleyball der beste Sport ist, den es gibt? Weil ich mitspiele und der weltbeste Setter bin?« Zum Schluss grinste er schelmisch. Schelmisch und überheblich. »Wow«, meinte die Blondhaarige baff über so viel Selbstbewusstsein. »Das Letzte wäre eher einer der Gründe, um die Sporthalle nicht zu betreten.« Als hätte sie es geahnt, entgleisten ihm die Gesichtszüge. Anscheinend war er es nicht gewohnt, dass man so mit ihm sprach. »Autsch. Das hat mich gerade wirklich getroffen.« Er fing sich schnell wieder, griff sich theatralisch an die Brust und wischte sich eine imaginäre Träne aus den Augen. Anscheinend war er auch der weltbeste Übertreiber. »Wenn du so gut spielst wie du schauspielerst, musst du echt scheiße sein.« Sie grinste, doch kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, traf sie etwas Weiches mit voller Wucht im Gesicht. »Spinnst du?« Fassungslos sah sie zu Oikawa und strich sich die Strähnen nach hinten, die dank des Kissens nicht mehr an Ort und Stelle waren. Er zuckte mit den Schultern. Dieses Mal war es er, der grinste. Das Kissen hielt er nach wie vor in seiner Hand. »Ich würde mich ja entschuldigen, aber du hast das verdient.« »Das wirst du so was von zurückbekommen«, versicherte sie ihm verschwörerisch und ließ sich nach hinten fallen, nachdem sie ihn mit ihren Blicken getötet hatte. »Sollten das gerade böse Blicke gewesen sein? Süß.« Spöttisch zog er seine Mundwinkel nach oben und brachte Asuna dazu, mit ihrer Hand auszuholen. Sie berührte ihn gerade mal mit den Fingerspitzen, da sie im Liegen nicht mehr ausrichten konnte. »Weißt du? Keine schlechte Idee, dass du dich hier in diesem Zimmer verschanzt. So kannst du niemandem zu Tode nerven«, brummte sie und zupfte den Stoff ihres schwarzen Tops zurecht. »Außer dich, Kura-chan.« Er lachte leise, weil er wusste, wie sehr ihr dieser Spitzname missfiel. »Ja, ich frage mich sowieso, weshalb ich noch hier bin.« Möglicherweise war es die schreckliche Musik, die noch immer durch die Wände drang und die Tür vibrieren ließ. Oder die betrunkenen und feierwütigen Leute, die sie anrempeln würden, sobald sie den Raum verlassen würde. Oikawa betrachtete die hübsche Schülerin, die gedankenverloren an die Decke starrte. »Vielleicht genießt du meine Gesellschaft mehr, als dir bewusst ist.« Bei dieser Vermutung sah sie ihn irritiert an und bat: »Sag das noch mal.« »Du genießt meine Gesellschaft. Deshalb bist du noch hier.« Sie erwiderte nichts, sondern wollte sehen, ob er scherzte. Doch als er ihren Blick einfach nur ruhig erwiderte, musste sie ungläubig lachen. »Tut mir leid, die Blase deiner Wunschvorstellung platzen lassen zu müssen, aber nein. Echt nicht.« Sie schüttelte belustigt den Kopf. Vielleicht würde ihm ein anderes Mädchen in ihrer Situation zustimmen, aber nur weil er gut aussah, hieß das nicht, dass sie automatisch gerne Zeit mit ihm verbrachte. »Du bist wirklich gut darin, Hoffnungen zu zerstören, Kura-chan.« Er seufzte und ließ sich ebenfalls nach hinten fallen. Ihre Schultern berührten sich beinahe. Asuna starrte ihn für einen Moment ungeniert an, während sie auf ihrer Unterlippe herumkaute. Gut aussehen war eventuell untertrieben gewesen. »Gefällt dir der Anblick?«, kam es plötzlich von ihm, ohne dass er sie ansah. Asuna stieg die Hitze in den Kopf, doch zum Glück war es hier dunkel genug, um diese Tatsache zu verschleiern. Sie überspielte den Moment, indem sie schmunzelte, wieder an die Decke sah und nichts erwiderte. Sollte er sich die Antwort doch selbst zusammenreimen. Für einen Moment war es auch still, bis Oikawa sich entschied, wieder Oikawa zu sein und dumme Fragen zu stellen. »Hast du eigentlich einen Freund?« Die Blondhaarige runzelte die Stirn. »Wie kommst du denn jetzt darauf?« »Neugierde.« »Nein. Nein, hab ich nicht. Ich habe auch keine Zeit dafür. Das Lernen geht vor.« Wenn sie an die Universität wollte, musste sie ihre Freizeit für das Lernen von Prüfungen aufwenden, um gute Noten zu erzielen. Natürlich hatte sie auch Phasen während der Schulzeit, in denen sie weniger tun musste, aber nichtsdestotrotz musste sie sich auf den Unterricht fokussieren. »Wie langweilig.« Obwohl es ihr unangenehm war, musste sie zugeben, dass er recht hatte. Dennoch sagte sie: »Musst du gerade sagen. Hast du nicht mit Nayoko schlussgemacht, weil du dank Volleyball keine Zeit für sie hattest?« Davon wusste sie nur, weil Nayoko mit ihr in die Klasse ging und ständig geheult hatte, nachdem die kurze Beziehung zu Ende gegangen war. »Um ehrlich zu sein, war es anders rum. Sie hat mit mir schlussgemacht«, gestand er und klang dabei keinesfalls peinlich berührt. Asuna hob überrascht ihre Augenbrauen, doch wenn sie darüber nachdachte, schockierte sie diese Nachricht nicht so sehr. Es war vermutlich anstrengend, wenn der Freund mehr Zeit in der Sporthalle als mit der Freundin verbrachte. »Irgendwie überrascht mich das gar nicht«, antwortete sie deshalb trocken. »Ich wusste, dass du das sagst.« Er lachte leise. Es war das erste Mal, seit sie diesen Raum betreten hatte, dass sie ihn lachen gehört hatte. Sie hätte nie gedacht, dass sie das mal denken würde, aber sein Lachen war echt...attraktiv. Sie konnte zumindest annähernd verstehen, weshalb stets so viele Schülerinnen vor seinem Klassenraum warteten und mit irgendwelchen Geschenken seine Aufmerksamkeit erlangen wollten. »Aber es ist ja nicht so, als gäbe es nicht genug andere Kandidatinnen«, meinte sie mit einem gewissen Unterton. Darum musste er sich wohl keine Sorgen machen. »Also Qualität geht ja bekanntlich vor Quantität«, erwiderte er. »Wieso gehörst du eigentlich nicht zu diesen Kandidatinnen?« Asuna setzte sich auf und lachte. Diese Frage war doch nicht sein Ernst, oder? »Vielleicht, weil ich meine Zeit nicht damit verschwenden will, irgendeinem Typen hinterherzurennen?« »Hey! Ich bin doch nicht einfach irgendein Typ!«, beschwerte er sich, doch Asuna ignorierte ihn einfach. »Es gibt noch unzählige andere Gründe, um nicht eines deiner Fangirls zu sein. Glaub mir.« Sie seufzte und erhob sich. Währenddessen griff sie nach ihrem Handy. Es war bereits nach Mitternacht. Jana schien auf jeden Fall ihren Spaß zu haben, denn eine Nachricht hatte sie noch nicht. Vielleicht sollte sie mal nach ihr - »Hey!«, beschwerte sie sich, als Oikawa ihr das Handy wegnahm. Sie drehte sich um und zuckte zusammen, als sie bemerkte, wie nah er ihr war. Hastig machte sie einen Schritt nach hinten, fast so wie auf dem Flur. Einziger Unterschied war, dass Oikawa nicht betrunken und sie von seiner Nähe nicht so abgeneigt war. Stattdessen vernahm sie überall dieses Kribbeln. Nicht dieses verliebte Kribbeln, sondern jenes, welches man verspürte, wenn jemand gut aussah und sich nicht jugendfreie Bilder im Kopf formten. Wieso zum Teufel dachte sie überhaupt an so etwas Unpassendes? Das war ganz und gar nicht ihre Art. »Kurasaki-san«, fing Oikawa unheilvoll an und schmiss ihr Handy achtlos zurück aufs Bett. Er grinste und erinnerte Asuna gerade an ein Raubtier, welches seine Beute anvisierte. »Oikawa-san.« Sie versuchte, nicht wie jemand zu klingen, dem das Herz bis zum Hals schlug. Seit wann war sie in der Gegenwart eines Jungen so unruhig und...aufgeregt? Liegt vielleicht daran, dass ihr euch in einem dunklen Schlafzimmer befindet? Alleine? Die kleine Stimme in ihrem Kopf sprach das Offensichtliche an, machte die Situation aber nicht besser. Okay. Sie musste hier raus und zwar schnell. »Ich glaube, ich sollte jetzt gehen.« Innerlich klopfte sie sich auf die Schulter. »Glaubst du, oder weißt du?« Oikawa verringerte den Abstand zwischen ihnen. »Ich weiß es.« Sie holte tief Luft und wollte abhauen. Die Betonung lag auf wollte. Der Setter griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück. Beinahe wäre sie gestolpert, wenn da nicht das Regal hinter ihr gewesen wäre. »Was tust du da?«, murmelte sie, als er sich links und recht von ihr mit seinem Armen abstützte und ihr somit auf unverschämte Art und Weise den Fluchtweg nahm. Ihre Augen fixierten seine Lippen, sie sich zu einem einladenden Grinsen verzogen haben. Wieso fühlte sie sich so hingezogen zu ihm? Wieso wollte sie ihn küssen, ihn berühren? »Dich überreden, zu bleiben.« Oikawa nahm den Träger ihres Tops zwischen seine Finger und fuhr diesen entlang. Ernst fuhr er fort: »Ich weiß, dass du nie eine meiner...Verehrerinnen sein wirst. Kurasaki Asuna rennt keinem Typen hinterher. Das ist mir bewusst, aber ich weiß, dass du ebenfalls Bedürfnisse hast und ich weiß, dass du auch dieses Verlangen nach mehr verspürst. Hab ich nicht recht?« Asuna entspannte ihre Schultern, denn sie genoss seine Nähe mehr, als gut für sie war. Diese Anspannung im Raum war unerträglich und wenn sie ehrlich war, dann herrschte diese bereits seit dem Zeitpunkt, als sie das Zimmer betreten hatte. Das Schlimmste an der Sache war aber, dass Oikawa Recht mit seinen Worten hatte. Sie würde ihm nie verzweifelt hinterherrennen und um seine Aufmerksamkeit buhlen, aber sie wollte mehr von ihm. Körperlich. »Angenommen ich stimme deiner Vermutung zu; was genau willst du von mir, Oikawa?« Er stoppte sein Tun, was Asuna kurz enttäuschte. »Du willst wirklich, dass ich diese Worte sage, hm?«, murmelte er. Diese raue Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Es war offensichtlich, dass er wusste, welch Wirkung er auf Frauen hatte. Immerhin war er Oikawa Tōru. Jetzt erfuhr auch sie, was dieser Name bedeutete. »Es ist eigentlich merkwürdig. Ich habe nur ein paar Worte mit dir gewechselt, ich habe nicht viel Zeit mit dir verbracht, ich habe dich immer nur auf dem Schulflur gesehen und dennoch will ich dich. Ich will dich küssen, berühren und all die Dinge tun, die vermutlich auch dir gerade durch den Kopf gehen, Asuna.« Asunas Atmung stockte. Seine Worte trieben ihr die Hitze ins Gesicht. Mit dieser Direktheit hatte sie nicht gerechnet und wenn sie ehrlich war, machte es sie nervös. Sie hatte keinerlei Erfahrung, wenn es um Jungs ging. Schon gar nicht konnte sie Erfahrungen vorweisen, die über Küssen hinausgingen. Bei Oikawa hingegen sah diese Sache vermutlich anders aus. Deshalb wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie hatte Bedenken, weil sie hier auf einer Hausparty war. In einem fremden Zimmer. Mit Oikawa Tōru. Alles davon sprach gegen einen normalen Abend in Asunas Leben. »Überzeug mich. Gib mir einen Grund, warum ich nicht gehen soll«, bat sie und traf mit dieser Forderung bereits eine Entscheidung. Es stimmte. Sie hatte keinerlei Erfahrungen und vielleicht gab es über Oikawa Tōru mehr Gerüchte, als sie zählen konnte. Sagte man aber nicht auch, dass wertvolle Erfahrungen von riskanten und manchmal sogar schlechten Entscheidungen resultierten? Und was die Gerüchte betraf – denen sollte man ohnehin nie Glauben schenken und sich selbst eine Meinung dazu bilden. Oikawa grinste und legte seine Hand auf ihre Hüfte. »Du weißt, dass ich ziemlich gut im Überzeugen bin?« Asuna griff nach ihrer Halskette und spielte mit dem runden Symbol, weil sie kaum ruhig stehen konnte. Nicht, wenn Oikawa ihr so nahe war. Selbst bei seinem eindringlichen Blick wurde ihr furchtbar heiß, obwohl sie nicht mehr trug als eine Jeans und ein luftiges Top. Seine bloße Nähe wirkte sich maßgeblich auf ihren Körper aus. War das normal? War es normal, dass sie sich zu ihm so hingezogen fühlte? Ohne weiter darüber nachzudenken, erwiderte sie: »Tatsächlich? Zeig mir, wie gut du darin bist.« Er grinste schief bei ihren Worten und zog sie zu sich, sodass sie die Hitze seines Körpers an ihrem spüren konnte. »Immer diese Forderungen«, murmelte er und beugte sich nach vorne. Ihre Blicke trafen sich, was Asuna dazu veranlasste, tief Luft zu holen. Mit jedem Millimeter, der er ihr näher kam, erhöhte sich ihr Puls. Das Knistern in der Luft war beinahe mit den Augen sichtbar und als er seine Lippen auf ihre legte, konnte sie förmlich spüren, wie die Anspannung verschwand. Der Kuss war für einen kurzen Moment überraschend vorsichtig, fast schon unschuldig. Wie als wollte er die Bestätigung, dass es okay war. In Asuna löste dieser aber hauptsächlich eines aus: Das Verlangen nach mehr. Sie wollte mehr von diesem Gefühl des Nervenkitzels und der Lust, die in ihr aufloderte. Sie überließ ihren Instinkten die Kontrolle über ihren Körper, hob ihren Arm und legte ihre Hand in seinen Nacken. Mit der anderen krallte sie sich förmlich in sein Shirt. Es war eindeutig, dass der Kuss für sie in Ordnung ging und dass sie mehr wollte. Viel mehr. Sie spürte, wie sein Mundwinkel kurz zuckte und Asuna musste ein Seufzen unterdrücken, als sich seine Zunge zwischen ihre Lippen schob. Asuna drückte sich enger an ihn und war selbst überrascht über ihr Verhalten. Was mache ich hier eigentlich?, dachte sie sich, hatte aber nicht vor, aufzuhören. Asuna versuchte, sich diese kleine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Immerhin war sie nicht irgendjemand. Sie war Kurasaki Asuna und beliebt genug, dass Oikawa Tōru ihren Namen kannte. Dennoch löste sie sich von ihm. Doch anstatt zu verschwinden, so wie Oikawa anscheinend vermutete, schob sie Oikawa mit ihrer Hand auf seinem Oberkörper nach hinten. Sie wusste nicht woher das Selbstbewusstsein, welches sie so sehr in die Offensive gehen ließ, kam, aber es gefiel ihr. Es fühlte sich richtig an. »Scheint so, als müsste ich dich nicht mehr überreden zu bleiben«, kam es von Oikawa mit rauer Stimme und einem Schmunzeln. Er ließ sich aufs Bett nieder und legte sofort seine Hände auf ihre Hüften, als sich Asuna auf seinen Schoß setzte. Asuna fixierte seine Lippen und erwiderte leise, aber dreist: »Reines Mitleid.« Sie ließ ihm keine Chance, darauf zu antworten. Bestimmend legte sie ihre Lippen auf seine und presste ihren Oberkörper näher an seinen. Er grinste in den Kuss hinein und schob mit seinen Händen ihr Oberteil weiter nach oben. Durch ihren Körper schossen unzählige Stromstöße, als sich ihre Zungen berührten. In diesem Raum hatte es gefühlte 100 Grad und es wurde nicht besser. Sie hatte keine Ahnung, ob das hier eine gute Idee war, aber es fühlte sich zumindest an wie eine gute Idee. Wie eine verdammt gute Idee. Über alles andere konnte sie sich später Gedanken machen. Jetzt wusste sie, dass sie von seinen Berührungen nicht genug bekommen konnte. Als er federleichte Küsse auf ihrem Dekolleté verteilte und ihr Becken näher an seines drückte, schloss sie genießerisch ihre Augen. Plötzlich hob er sie hoch und drehte sie in einer einzigen flüssigen Bewegung um, sodass sie mit dem Rücken auf dem Bett lag. Dabei flog ihr Handy krachend auf den Boden, doch das konnte sie gerade nicht weniger interessieren. Stattdessen konnten sie die Finger nicht voneinander lassen. Während Asuna ihre Hände unter sein Shirt schob und mit ihren Nägeln über seinen Rücken kratzte, verwickelte Oikawa sie wieder in einen Kuss, der ihr sprichwörtlich den Atem raubte und das Ziehen zwischen ihren Beinen nur unerträglicher machte. Als sie heute diese Party betreten hatte, hätte sie nie gedacht, in einem Bett mit Oikawa Tōru zu landen. Küssend. Mit Lust auf mehr. Es entsprach absolut nicht ihrem Charakter, mit jemanden, den sie kaum kannte, rumzumachen. Und trotzdem war sie jetzt hier und ging abermals in die Offensive, indem sie den Kuss unterbrach, um ihm das schwarze Shirt über den Kopf zu zog. Er starrte sie etwas atemlos an und trotz der Dunkelheit konnte sie das begierige Funkeln erkennen. Asunas Augen sahen nach unten und begutachtete den durchtrainierten Oberkörper. Bei dem einladenden Anblick biss sie sich auf die Lippen und konnte nicht anders, als mit ihren Fingern über die definierten Muskeln zu streichen. »Genug gestarrt?«, ertönte es heiser und belustigt über ihr. Sie unterdrückte ein Grinsen und riss sich schließlich von dem überaus attraktiven Anblick los. »Was denn? Ich muss doch wissen, ob es sich gelohnt hat, hierzubleiben.« »Und? Hat es?« »Absolut.« Mehr sagte sie nicht, sondern ließ Taten sprechen. Ohne weiter nachzudenken, zog sie ihn wieder zu sich. Es war ihr nicht genug und vielleicht stiegen ihr die zwei Gin-Getränkte zu Kopf, aber sie wollte ihn. Hier und jetzt auf dieser Party, zu der sie nie gehen wollte. Oikawa schien zumindest ansatzweise dasselbe zu denken, denn seine Hand schob ihr Top gefährlich langsam nach oben. Währenddessen löste er sich von ihren Lippen und widmete sich ihrem Hals. Mit seiner Zunge hinterließ er eine feuchte Spur und brachte die Blondhaarige um den Verstand. Jede einzelne seiner Berührungen verursachte kleine Stromstöße, die sich allesamt an einer Stelle sammelten und ihre Ungeduld ins Unermessliche steigerten. Oikawa schien ihre Ungeduld zu bemerken, denn er schob ihr Oberteil weiter nach oben und entfernte es mit Asunas Hilfe zur Gänze. Als sie vor ihm lang und er sie eingehend musterte, war sie noch nie so froh, einen ansehnlichen BH mit Spitzen ausgewählt zu haben. »Wow«, murmelte er ernsthaft fasziniert und vermutlich hätte sich bei diesem Kompliment die Hitze in ihren Wangen gesammelt, wenn in diesem Moment nicht ihr Handy geläutet hätte. Der penetrante Ton ihres Iphones erfüllte den Raum und hatte nicht vor, wieder zu verschwinden. Jemand wollte anscheinend unbedingt, dass sie abhob. »Einfach ignorieren«, kam es von ihr bestimmend. Vermutlich war es nur Jana, die wissen wollte, wo sie war. »Gute Idee.« Er beugte sich zu ihr und legte abermals seine Lippen auf ihre, doch irgendjemand schien etwas dagegen zu haben. Wieder läutete es, aber dieses Mal war es nicht ihr Handy. So weit, so gut. Auch das wurde ignoriert. Als jedoch beide Handys gleichzeitig klingelten, war es dann doch unmöglich, es zu ignorieren. Oikawa zischte genervt, griff in seine hintere Hosentasche und betrachtete den Bildschirm. Mit einer Spur Aggression betätigte er den grünen Kopf. »Was?« Er klang gereizt, was man ihm nicht verübeln konnte. Asuna richtete sich auf und stützte sich mit den Unterarmen ab. Frustriert legte sie ihren Kopf in den Nacken. »Nein, ich – Was? Wieso?« Stille und Augenverdrehen. »Klärt das selbst. Ich hab keine Zeit dafür.« Sein Mundwinkel zuckte verräterisch. »Du mich auch, Iwa-chan.« Asuna setzte sich zur Gänze auf und griff ebenfalls nach ihrem Handy auf dem Boden. Natürlich hatte Jana sie angerufen. Sie wollte nicht wissen, wie betrunken ihre Freundin mittlerweile war. Im Gegensatz zu ihr war Jana dem Alkohol nämlich nicht abgeneigt. Neben zwei Anrufen war da aber noch eine Nachricht, die sie nicht sehr beruhigte. Ntfsll!?' »Was soll das denn heißen?«, murmelte sie und legte den Kopf schief, als sie versuchte, die Hieroglyphen zu entziffern. Notfall? Oh, oh. Jana schaffte es nicht selten, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Deshalb schrieb sie ein »Wo bist du?« und steckte das Smartphone in ihre hintere Hosentasche. Sie stand auf und fuhr sich durch ihre zerzausten Haare. Oikawa, der anscheinend auch das Gespräch mit Iwa-chan beendet hatte, hatte die Arme verschränkt und betrachtete sie eingehend. »Was?«, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, als sie nach ihrem Shirt suchte. »Nichts. Meiner Meinung nach hast du aber noch zu viel an.« Minder überrascht über diese direkte Aussage, lachte sie leise. »Zu schade, dass sich heute daran nichts ändern wird.« Anscheinend schien tatsächlich jemand etwas dagegen zu haben, dass sie hier mit Oikawa weiterging. Allerdings hatte ihre beste Freundin Priorität, auch wenn ihr Körper förmlich darum flehte, die angefangene Sache zu beenden. »Heute?«, hakte er belustigt, aber durchaus interessiert nach. Asuna sagte dazu nichts und konzentrierte sich darauf, ihr Oberteil anzuziehen. Außerdem war es schwerer als gedacht, nicht auf seinen nackten Oberkörper zu starren und diesen erkunden zu wollen. »Also falls du Lust nach Mehr bekommen hast, lässt sich das bestimmt einrichten. Immerhin war ich mir ziemlich sicher, dass es dir gefallen hat.« Das eingebildete Grinsen erkannte sie trotz der Tatsache, dass er ihr den Rücken zugewandt hatte. Sie nahm das Kissen, welches auf dem Schreibtischstuhl lag, holte aus und schlug damit Oikawa fest auf den Rücken. Nicht übermäßig stark, denn sonderlich viel Kraft besaß sie nicht. Aber sie hätte nicht damit gerechnet, dass der Schlag ihn aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Er hätte sich abgefangen, aber da er gerade nach seinem Shirt hinter dem Nachttisch greifen wollte, konnte er dies gar nicht. Ein dumpfes Geräusch und ein Stöhnen ertönten. Asuna riss die Augen auf und ließ das Kissen fallen. »Fuck! Das wollte ich nicht.« Hastig machte sie einen Schritt auf ihn zu, als er sich zwar ein wenig aufgerichtet hatte, aber nicht aufstand. Sie beugte sich zu ihm und berührte vorsichtig seine Schulter. Entsetzt sah sie auf seine Hand, die er an die Stirn gedrückt hatte. Dennoch sickerte Blut hervor. »Oh, verdammt«, kam es schockiert von ihr. Damit hatte sie nicht gerechnet. Oh Gott. Was, wenn er eine Gehirnerschütterung hat? Was, wenn die Wunde genäht werden muss? Asuna bekam Panik und schluckte den dicken Kloß hinunter. »Könntest du bitte etwas sagen?« Die Stille machte sie nervös und beinahe wäre sie aufgestanden und hinausgestürmt. Beinahe. »Mir...geht es gut«, kam es leise und gepresst von ihm. Sie zweifelte an seiner Aussage und sah ihm dabei zu, wie er sich auf den Boden setzte und sich ans Bett lehnte. »Nicht bewegen«, befahl sie unsicher. Sie versuchte zwar, gefasst zu klingen, aber so ganz gelang es ihr nicht. Zudem erdrückten sie die Schuldgefühle, denn wenn sie nicht so bescheuert gewesen wäre, hätte er jetzt keine Wunde auf der Stirn. Ruhig atmete sie ein und aus, überlegte indes, was sie in solchen Situationen tun musste. Blutung stoppen, desinfizieren, Kompresse anlegen, fixieren. Kurzerhand zog sie ihr Oberteil wieder aus und drückte es ihm an die Stirn. Anschließend nahm sie seine Hand und platzierte sie so, dass er Druck ausüben konnte. »Drück dagegen, okay?« Eilig stand sie auf, hielt aber kurz inne, um sich zu sammeln. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen. Vermutlich war es nur halb so schlimm, aber mit Wunden an der Stirn war nicht zu spaßen. Asuna zielte das angrenzende Bad an und dankte Kimiko für den Luxus, den sie hier hatte. So schnell wie möglich suchte sie nach Desinfektionsmittel und wurde fündig. Zurück bei Oikawa stellte sie erleichtert fest, dass er auf sie gehört hatte. »Welcher Tag ist heute und was ist gerade passiert?«, fragte sie ihn, während sie den Stoff wegnahm und die Wunde laienhaft behandelte. »Es ist der 3. September und wir sind...Autsch....Du weißt hoffentlich, dass du übertreibst?« Er sah sie mit halb geöffneten Augen an, doch die Blondhaarige konzentrierte sich auf die Wunde, die sie nun mit der Handykamera beleuchtete. Dabei kniete sie vor ihm und war so nur eine halbe Armlänge von ihm entfernt. »Beantworte einfach die Fragen«, murmelte sie fordernd. Er seufzte. »Wir sind zu zweit in einem dunklen Schlafzimmer und haben es leider nicht hemmungslos miteinander getrieben. Stattdessen habe ich deinetwegen eine Platzwunde an der Stirn. Das einzig Gute an der Sache ist, dass ich deine halbnackten und wirklich perfekten Brüste vor m-« »Schon gut!«, unterbrach sie ihn peinlich berührt. »Du bist okay. Ich hab es verstanden.« Sie seufzte ebenfalls und drückte ihm den Stoff wieder an die Wunde. Zumindest ein wenig erleichtert kniete sie sich zur Gänze hin. »Es tut mir wirklich unheimlich Leid. Ich wollte nicht, dass das passiert.« Am liebsten hätte sie sich in ein Loch vergraben, als sie sich wieder entschuldigte. »Hör auf, dich zu entschuldigen. Ich weiß, dass das nicht Absicht war. Im Grunde ist es peinlich, dass du ich mit so einem federleichten Schlag umgehauen hast.« Er grinste schief und schaffte es, dass sie sich ein klein wenig besser fühlte. »Ich kann aber nicht damit aufhören, weil es mir echt leid tut.« Sie biss sich auf die Lippen. Verflucht! Wie konnte diese Situation so schnell eskalieren? Plötzlich vibrierte ihr Handy. Irritiert sah sie auf den Bildschirm und musste kurz die Augen zusammenkneifen. Es war eine weitere Nachricht von Jana. Diese hatte sie aufgrund des Zwischenfalls beinahe vergessen. Sie sprang auf und stellte fest, dass sie oberhalb nichts trug, außer einen BH. Bei dieser Erkenntnis strich sie sich genervt durch die Haare. So konnte sie schlecht nach unten gehen. Nicht, wenn sie weiterhin ernstgenommen werden wollte. Außerdem konnte sie Oikawa doch nicht einfach hier alleine lassen. »Du kannst ruhig gehen. Ich schaff das schon alleine«, meinte Oikawa, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Langsam setzte er sich aufs Bett und legte ihr Shirt beiseite. Anschließend griff er nach seinem, welches unbeachtet auf dem Nachttisch gelegen war. Auffordern hielt er es ihr entgegen. »Hier.« »Was tust du da?«, fragte sie perplex. »Nach was sieht es denn aus? Ich geb dir mein Shirt, damit du nicht halbnackt rumrennen musst.« Mit diesen Worten schmiss er ihr das Oberteil zu, welches sie ungeschickt fing. »Aber dann hast du nichts zum Anziehen.« Zweifelnd sah sie das dunkle Stück Stoff an. »Wenn man mich oben ohne sieht, ist auch nichts dabei. Das kommt beim Spielen häufiger vor. Bei dir hingegen ist das was anderes.« Das machte Sinn. »Danke«, murmelte sie und zog es an. Sofort umhüllte sie der einladende und männliche Duft von Oikawa. Dass ihr das Shirt zudem viel zu groß war, musste sie nicht erwähnen. »Bevor du gehst, gib mir dein Handy.« Er streckte seinen Arm aus, den Asuna skeptisch betrachtete. »Wieso?« »Tu es einfach.« Er verdrehte die Augen, musste aber schmunzeln. Sie gab nach und beobachtete, wie er seine Nummer einspeicherte. Anscheinend bemerkte er ihren fragenden Blick, weshalb er mit einem eindeutigen Grinsen meinte: »Damit du mir mein Shirt wieder geben kannst.« Oh. Natürlich. Sie nickte verstehend und nahm es ihm wieder ab. Für einen Augenblick zögerte sie, ehe sie zur Tür ging. »Bist du sicher, dass ich gehen soll?« »Nein, aber diese Antwort hat nichts mit der Wunde zu tun.« Er sah sie so eindringlich an, dass sie den Blick abwenden musste. Sie durchquerte den Raum, wurde aber kurz vor der Tür noch mal aufgehalten. »Kurasaki-san?« Asuna sah zu ihm. »Hm?« »Schreib mir nicht nur wegen des Shirts. Schreib mir, wenn du wissen willst, wie das heute Nacht weitergegangen wäre«, sagte er ernst und mit einem einnehmenden Blick, der ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Sie musste lächeln. »Man sieht sich, Oikawa.« Mit diesen Worten ließ sie ihn zurück und machte sich auf die Suche nach Jana. Sie fand sie schneller als gedacht. Ihre beste Freundin lag halb schlafend auf der Couch und sah absolut beschissen aus. Als sie Jana irgendwie nach draußen gebracht hatte, fragte sie nach der merkwürdigen SMS. Ihre Freundin fing an zu kichern. Dabei stolperte sie über ihre eigenen Füße und riss Asuna dabei fast mit sich. »Ich hab jemanden aus dem Volleyballteam vor die Füße gekotzt«, lallte sie. Überrascht hob die Blondhaarige ihre Augenbrauen und ekelte sich ein wenig bei dieser Vorstellung. »Was? Wem?« Jana überlegte. »Iwa...Iwaizumi Hajime.« Sie bekam Schluckauf. »Was hast du so getan?« »Naja«, fing sie an und erinnerte sich an die letzte und wirklich ungewöhnliche Stunde zurück. »Ich hätte beinahe mit Oikawa Tōru geschlafen und ihn danach beinahe bewusstlos geschlagen.« Jana nickte ehrfürchtig. »Ah. Cool«, brachte sie gerade so heraus, ehe sie sich nach links drehte und in die Wiese des Nachbarhauses kotzte. Ja. Sehr cool. Kapitel 11: how good do I really know him? ------------------------------------------ ● • . Asuna war froh über das Wochenende. Abgesehen von den Tests und den Hausaufgaben, die wenig Lust auf Schule gemacht hatten, konnte sie die zwei Tage in Ruhe kaum erwarten. Hina hatte ihr auf den Gängen stets flüchtige Blicke zugeworfen, die nicht gerade vor Nettigkeit und Sympathie gestrotzt hatten. So ganz konnte sie es der Zweitklässlerin nicht verübeln. Immerhin war sie ein wenig unfair zu ihr gewesen. Hinzu kam noch Oikawa, der keine Gelegenheit ausließ, um seine innige Freundschaft mit Hina zu zeigen. Dank des Fotos von Hina ging das Gerücht um, dass die beiden zusammen waren. Jana zufolge, die mit Iwa natürlich eine vertrauliche Quelle an ihrer Seite hatte, widerlegte dieses Gerücht allerdings. Anscheinend hatten Oikawa und Hina noch nicht darüber gesprochen, obwohl sie sich wie ein Paar verhielten. Asuna konnte das aber auch egal sein. Die beiden so vertraut zu sehen, war...schmerzhaft. Ob Beziehung oder nicht, das reichte ihr. Jana hatte aber recht gehabt. Sie musste dieses Gefühl akzeptieren und hinnehmen. Auch wenn sie Eifersucht bis vor kurzem nicht gekannt hatte, musste sie lernen, damit umzugehen. Als sie zu Hause war, brachte sie ihre Schulsachen in ihr Zimmer und aß anschließend die Misosuppe von gestern. Danach ging sie sofort zu ihrem Laptop, um Skype zu starten. Es war kurz nach 15 Uhr, weshalb es in Los Angeles derzeit 23 Uhr abends war. Da sie ihren Eltern geschrieben hatte, wusste sie, dass diese im Zimmer waren. Ihre Chance, um wieder einmal mit ihnen zu reden. Fast schon ungeduldig wartete sie darauf, dass ihr Vater den Videoanruf bestätigte. Obwohl da noch immer die Diskrepanz bezüglich Berufswahl zwischen ihnen stand, konnte sie ein freudiges Strahlen nicht verhindern, sobald die Gesichter ihrer Eltern auf dem Bildschirm erschienen. »Ich bin echt froh, euch zu sehen.« Asuna schob die Ärmel ihrer Bluse nach oben. Sie hatte sich noch keine Zeit genommen, um sich überhaupt umzuziehen. Der Videoanruf war gerade wichtiger. »Wir auch, Süße.« Ihre Mutter schenkte ihr ein Lächeln. Ihr Vater lockerte die Krawatte. Anscheinend waren sie auch noch nicht lange in ihrem Zimmer. »Wie war die Schule? Hast du schon gegessen?« »Wie immer eigentlich. Und ja, hab ich. Da brauchst ihr euch keine Sorgen zu machen.« »Ich frage nur, weil ich finde, dass du abgenommen hast.« Auf der Stirn ihres Vaters hatte sich eine tiefe Falte gebildet. »Dein Vater hat recht. Du siehst dünn aus. Iss bitte mehr, Schatz.« Der strenge Ton ihres älteren Ebenbildes ließ keine Widerrede zu und beinahe hätte die Schülerin ihre Augen verdreht. Dennoch waren es die typischen Sorgen von Eltern, weshalb Asuna lächeln musste. »Werde ich«, versprach sie. »Wie ist LA so? Irgendetwas Neues auf dem Kongress erfahren?« Sie wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und versuchte, Smalltalk zu führen. »Ach, LA würde dir gefallen. Sehr bunt und laut, so wie du es magst. Nächstes Mal könntest du ja mitkommen.« Das bezweifelte Asuna, aber nett, dass ihre Mutter gefragt hatte. »Der Kongress ist außerordentlich spannend, aber lass uns nicht davon reden.« »Wir freuen uns schon wieder auf Japan. Das Essen hier ist zwar toll, aber kein Vergleich zu unserem.« Asuna nickte verstehend. Sie hatte gehört, dass Amerika bekannt für die vielen üppigen Gerichte war. Sie verfolgte auch die weiteren Erzählungen interessiert. Sie mochte es, wenn ihre Eltern von anderen Ländern erzählten. Sie hoffte, irgendwann auch mal so viel reisen zu können. Ihr erstes Ziel wäre Südamerika. Vielleicht Brasilien. Oder auch Argentinien. Wo sonst war es bunter und lauter? »Wann kommt ihr denn nachhause? Ihr wisst ja, dass ich in zwei Wochen mit der Klasse nach Okinawa fliege. Seid ihr davor mal zuhause, oder nicht?« Sie hatte ihre Eltern wieder länger nicht gesehen, was ihr aufgrund der kleinen Auseinandersetzung im Restaurant eigentlich gelegen gekommen war. Mittlerweile vermisste Asuna sie einfach nur schrecklich. »Ja, wir fliegen in ein paar Tagen zurück und bleiben zwei Wochen, da wir ein paar Termine in Tokio und Hiroshima haben.« Ihre Mutter unterdrückte ein Gähnen, sobald sie ihren Satz zu ende gesprochen hatte. Kein Wunder. In LA war es bald Mitternacht. Die Neuigkeit über das Heimkommen stimmte Asuna mehr als nur froh, dennoch war da noch eine Sache, die sie ansprechen musste. »Ehm, wegen damals. Ihr wisst schon. Das im Restaurant.« Sie seufzte und rieb sich über die Augen, um etwas Zeit hinauszuzögern. »Ich möchte nochmal darüber sprechen.« »Du hast recht. Das sollten wir.« Ihre Mutter warf ihrem Mann einen Blick zu. »Wir haben oft über dein Anliegen geredet und sind nach wie vor nicht wirklich begeistert darüber.« Asuna kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Das hörte sich ja nicht gerade berauschend an. Sie hatte sich unzählige Male darüber den Kopf zerbrochen, was sie tun würde, wenn ihre Eltern auf ihrer Meinung beharrten. Sollte sie einfach nachgeben? »Aber,« fing ihr Vater an und plötzlich war Asuna hellwach, »wir verstehen deine Wünsche und nehmen diese sehr ernst. Das sollst du wissen. Du bist unsere Tochter. Unser ein und alles. Wir wollen, dass du glücklich bist.« »Heißt das, dass ihr...dass ich das studieren darf, was ich möchte?«, hakte sie vorsichtig nach. Sie rieb ihre kalten Handflächen aneinander. »Ja. Ja du darfst das studieren, was du möchtest. Immerhin kann es von Vorteil sein, eine Anwältin als Tochter zu haben.« Ihr Vater grinste über seinen eigenen Witz und erntete einen Hieb auf seinen Oberarm von ihrer Mutter. Asuna fing ebenfalls an, breit zu grinsen. Eine enorme Last fiel ihr von den Schultern, als sie diese Antwort von ihrem Vater bekam. Erleichtert ließ sie sich tiefer in den Schreibtischstuhl sinken. Sie fühlte, wie ihre Augen feucht wurden, konnte aber Gröberes zurückhalten. Sie hatte gewusst, dass der Streit sie sehr mitgenommen hatte. Zu wissen, dass ihre Eltern ihre Wünsche berücksichtigen und von ihren eigenen Vorstellungen abließen, bedeutete ihr unheimlich viel. Klar, eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Kinder ihren eigenen Weg gehen dürfen, aber wenn ein Familienunternehmen über Jahre hinweg aufgebaut worden war, dann kam es vor, dass dieser Weg bis zu einem gewissen Grad vorgegeben wurde. Das hatte sie immer gewusst, nur diese Tatsache zu akzeptieren war nicht leicht gewesen. »Ich weiß, dass wir dennoch noch einiges zu klären haben und der...Streit nicht zur Gänze mit diesem kurzen Videoanruf abgetan ist. Ich denke, dass wir das trotzdem später klären sollen. Lass uns also über alles weitere reden, wenn wir zu Hause sind.« Ihre Mutter schenkte ihr ein warmes Lächeln, was Asuna nur erwidern konnte. Gerade jetzt wünschte sie sich eine feste Umarmung ihrer Eltern. Umso mehr freute sie sich auf den Tag, an dem sie wieder nach Hause kommen würden. »Gute Idee. Bis in ein paar Tagen.« Sie hob ihre Hand und wank in die Kamera. »Vergiss nicht, mehr zu essen«, mahnte ihre Mutter nochmals. »Gute Nacht. Ihr auch und überanstrengt euch nicht. Wir sehen uns dann zuhause.« Sie schloss Skype und legte den Kopf in den Nacken. Zufrieden streckte sie sich. Obwohl das Gespräch nicht lange gedauert hatte, war es doch besser verlaufen als gedacht. Es war zwar noch nicht alles geklärt und alles besprochen, aber es erleichterte sie ungemein, dass das mit ihrem Studium geklärt war. Nun konnte sie sich voll und ganz auf das Lernen für die Aufnahmeprüfung konzentrieren. Asuna erhob sich, zog sich ihre Schuluniform aus und machte ihre Hausaufgaben. Der restliche Tag verlief unspektakulär. Um 18 Uhr bekam sie allerdings eine Nachricht von Riku, der ihr, wie in den letzten Tagen, in den Ohren lag, dass sie sich schon lange nicht mehr gesehen hatten und er sie vermisste. Eigentlich hatte sie nicht wirklich Lust auf das Treffen und wenn sie ehrlich war, dann nahm sie es ihm noch immer sehr übel, dass er sie vor allen geküsst hatte. Dennoch war es an der Zeit, diese Sache mit dem Schulsprecher zu klären, weshalb sie kurzerhand ein Treffen mit ihm für morgen ausmachte. ♛♚ Am späten Nachmittag begab sie sich am nächsten Tag auf den Weg zu seiner Wohngegend. Sie musste mit dem Bus fahren, allerdings konnte sie sich so zurechtlegen, was sie ihm sagen würde. »Hey. Tut mir leid, dass du den ganzen Weg bis zu mir nehmen musstest. Ich muss nur schnell etwas erledigen. Ich hoffe, das ist okay.« Riku begrüßte sie direkt mit einer Entschuldigung, als er die Tür zu seiner Wohnung öffnete. Eigentlich wollte sie sich an einem neutraleren Ort treffen, aber er musste auf irgendjemanden warten. Fast hätte sie es deshalb noch länger hinausgezögert, willigte aber schließlich doch ein. Asuna schüttelte sofort den Kopf. »Alles okay. Ich habe sowieso nicht allzu lange Zeit.« Jana hatte mal zu ihr gesagt: Wenn du du etwas schnell beenden möchtest, dann sag einfach, dass deine Zeit begrenzt ist. Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, welches sehr schlicht aber schön eingerichtet war. Sie wusste von ihm, dass seine Eltern ebenfalls nicht sehr oft zuhause waren. »Wie fandest du eigentlich den Englischtest diese Woche?«, fragte er neugierig, während er ihr etwas zu trinken machte. »Er war ganz okay. Die Zeit war nur etwas knapp.« »Fand ich auch. Die Aufgaben selbst waren nicht so das Problem.« Er kam mit zwei Gläsern zurück und deutete auf die Couch. Asuna ließ sich darauf nieder und nahm den Eistee dankend an. »Das wundert mich nicht. Du bist immerhin unser Sprachengenie.« Sie legte ihren Kopf schief und musterte den Dunkelhaarigen. Wieder kam ihr in den Sinn, dass einige Mitschüler dafür töten würden, um mit ihm in seinem Wohnzimmer zu sitzen. Asuna hingegen fühlte nichts weiter, außer freundschaftliche Gefühle, wenn sie mit ihm alleine war. Alles Anzeichen, dass zwischen ihnen nie mehr als Freundschaft möglich sein würde. Von ihrer Seite aus zumindest. Dass er dies anders sah, wusste sie. Als sie auf ihr Getränk starte, lenkte er das Gespräch in die Richtung, die sie begrüßte. »Asuna? Es tut mir leid, dass ich dich vor ein paar Tagen einfach so geküsst habe. Ich weiß, dass ich dich damit sehr überrumpelt habe.« Er lächelte verlegen, doch irgendetwas in seinem Blick sagte ihr, dass er es nicht ganz so sehr bereute wie es den Anschein machte. Asuna erwiderte sein Lächeln nicht, denn dieser Kuss war alles andere als ein unbeschreibliches Erlebnis für sie gewesen. »Das hat mich wirklich sehr überrascht und um ehrlich zu sein, war ich ziemlich wütend deshalb«, gab sie zu und dachte zurück. Diese Aktion hatte nicht nur für reichlich Gespräche in der Schule gesorgt, sondern auch für Chaos. Inmitten dieser Aspekte gab es aber auch einen Vorteil. Zumindest wusste sie jetzt mit Sicherheit, dass sie nichts für Riku empfand und es auch nicht tun würde. Es war dumm zu denken, dass es sie...ablenken würde. Riku fuhr sich mit seiner Hand durch die dunklen Haare und seufzte. Anschließend drehte er sich zu ihr. Ihre Beine berührten sich beinahe und kurz überlegte Asuna, ob sie nicht weiter nach hinten rutschen sollte. Allerdings verwarf sie diesen Gedanken schnell. Es wäre irgendwie lächerlich. Deshalb verharrte sie in ihrer Position. »Weiß du? Obwohl es mir leid tut, dass ich dich geküsst habe und du offensichtlich nicht begeistert warst, bereue ich es nicht wirklich.« Er schmunzelte und suchte ihren Blick. Asunas erwiderte ihn, aber veränderte ihre Miene nicht. »Wieso nicht?« »Weil ich jetzt weiß, wie sich deine Lippen auf meinen anfühlen.« Asuna hätte am liebsten frustriert aufgestöhnt und ihren Kopf in den Nacken geworfen. Das war genau das, was sie nicht hören wollte. Statt ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, richtete sie den Blick auf ihre Finger, die sie ineinander verschränkt hatte. »Was das betrifft-«, fing sie zaghaft an, wurde aber von dem Schulsprecher unterbrochen: »Warte!« Die Dunkelblonde schwieg und hob ihren Kopf, sodass sie nicht anders konnte, als Riku anzusehen. Dieses Mal hatte er kein Lächeln im Gesicht, sondern wirkte viel ernster. »Lass es mich nochmal tun.« »Was?«, kam es überrascht über ihre Lippen. »Ich möchte dich küssen und dich überzeugen.« Wow. Als Asuna hierher gekommen war, hätte sie nicht mit dieser Bitte gerechnet. Irgendwie tat es ihr leid, dass sie nicht dasselbe fühlte wie Riku. Vor allem wenn er sie so ansah wie gerade. »Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist«, äußerte sie ihre Bedenken und seufzte. »Du bist unheimlich toll, Riku, aber ich bin gerade nicht an einer Beziehung oder etwas dergleichen interessiert.« Innerlich fiel ihr ein Stein vom Herzen. Die erste Hürde war geschafft, doch wenn sie sich den Schulsprecher so ansah, dann sah er die Sache etwas anders. Es war nämlich nicht zu übersehen, dass ihn die Worte hart trafen. Um weiteren Schaden zu vermeiden, machte sie Anstalten, aufzustehen. Kurz und schmerzlos sollte es werden. »Vielleicht wäre es besser, wenn ich jetzt gehe.« Sie erhob sich uns sofort tat es Riku ihr gleich. »Ich versteh dich nicht. Woher willst du wissen, ob du eine Beziehung willst, wenn du es nicht versuchst? Was, wenn wir wie für einander geschaffen sind, du es aber nicht herausfindest, weil du dich nicht darauf einlässt?« Verständnislos sah er sie an und wirkte dabei fast schon wütend. Asuna war zudem über dessen Ton verblüfft und kniff ihre Augen zusammen. »Du verstehst das nicht? Ich habe versucht, mich darauf einzulassen, erkannt, dass es einfach nicht passt und das war's.« Vielleicht klang sie ein wenig harsch, aber seine Tonlage hatte ihr nicht gefallen. Er hatte geklungen, als wären ihre Gefühle...falsch. Rikus Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, welches zu einem verächtlichen Lachen wurde und gar nicht zu ihm passte. »In welcher Welt hast du dich darauf eingelassen? Ich kenne die Art und Weise, wie du dich auf jemanden einlässt. Das war sie nicht.« Asuna stockte. »Was genau willst du jetzt damit sagen?«, erwiderte sie eisig. Die Richtung, in die dieses Gespräch verlief, gefiel ihr nicht. Auch die Art und Weise, wie er sie ansah, störte sie. Missachtend und überheblich. Nicht so, wie sie es sonst von im gewohnt war. Sie war hier her gekommen, um mit Riku über ihre Gefühle zu reden. Nicht mehr und nicht weniger, aber seine Anschuldigungen und Vermutungen machten es schwer, sachlich zu bleiben. »Tu nicht so, als wüsstest du das nicht. Die Sache mit dir und Oikawa ist-««, fing er an, wurde aber von Asuna unwirsch unterbrochen. »Diese Sache geht dich überhaupt nichts an.« Langsam fing sie an, ihre Freundschaft mit Riku zu hinterfragen. Ihre Freundschaft und auch dessen Charakter selbst. Was zum Teufel sollten diese Aussagen? Wollte er ihr gerade vorwerfen, wieso sie sich auf Oikawa eingelassen hatte und nicht auf ihn? Wie sehr konnte man sich in einem Menschen täuschen? Riku war doch schon so lange ihr Freund gewesen... »Mag sein.« Riku verschränkte seine Arme und in seinen Augen war eine ungewöhnliche Kälte zu sehen. »Aber ich finde es dennoch merkwürdig, dass du mit ihm einfach so ins Bett springst und dich bei einem kleinen Kuss anstellst, wie ein kleine Jungfrau.« Asuna glaubte, sich verhört zu haben, weshalb sie kurz die Kontrolle über ihre Gesichtszüge verlor. Das hatte er nicht wirklich gesagt? »Wow. Okay«, brachte sie nur fassungslos hervor. Fast entkam ihr ein ungläubiges Lachen. »Ich gehe. Danke für die Einladung.« Sie war bereits viel zu lange hier. Sie hätte bereits abhauen sollen, als er sich so merkwürdig verhalten hatte. Sie war mehr als nur irritiert über diesen Stimmungswechsel, während sie sich umdrehte. Allerdings kam sie nicht weit, denn Riku griff nach ihrem Handgelenk. Fast schon zu fest, sodass es schmerzte. »Au! Riku! Was soll das?«, murmelte sie sofort. Statt zu antworten, zog er sie unsanft zurück. Asuna kam es vor, als wäre sie in einem verdammt schlechten Film. »Asuna«, begann er und klang dabei so, wie sie ihn eigentlich kannte. Charmant und freundlich. »Lass mich bitte los.« Sie versuchte es höflich, obwohl sie ihn am liebsten angeschrien hätte. Zusätzlich zog sie an dem Arm, aber vergeblich. »Noch nicht.« Seine Augen fixierten ihre Lippen, die sie zusammengepresst hatte. Seine Kopf näherte sich ihrem und sofort begann sie wieder mit dem Versuch, sich aus seinem Griff befreien zu wollen. Vergeblich. So war es unvermeidlich, dass er seinen Mund auf ihrem platzierte und sie so zum zweiten Mal ungefragt küsste. Der einzige Unterschied war jedoch, dass viel mehr Aggressivität im Spiel war. Asuna legte eine Hand auf seine Brust und stemmte sich mit aller Kraft dagegen, während ihren Kopf auf die Seite drehte. Ein gedämpftes Geräusch bildete sich in ihrem Hals. Die Situation überforderte sie maßlos und auch die Angst wuchs mit jeder Sekunde. Was passierte hier gerade? Was sollte sie tun? Das war doch nicht der Riku, den sie kannte! Panisch sammelte sie all ihre Kraft, schaffte es aber nicht sofort, ihn von sich zu drücken. Sie überlegte fieberhaft, wie sie sich aus seinem Griff befreien konnte, doch der Kräfteunterschied war zu groß. Irgendwie schaffte sie es in einem kurzen Moment, ihren Arm zu befreien. Sie langte nach seiner Wange und drückte ihn mitsamt ihren Nägeln von sich. Dabei kratzte sie über seine Wange, was rote Spuren hinterließ. Asuna starrte ihn folglich entgeistert an, während ihr Herz das Adrenalin heftig durch ihren Körper pumpte und dafür sorgte, dass sie wie festgefroren vor ihm stand. Riku griff sich indes an seine Wange, an der aus einem Kratzer ein wenig Blut sickerte. Als sie ihn regungslos beobachtete, wusste sie, dass das ein Fehler gewesen war. Der Schmerz, denn sie in dieser Sekunde verspürte, bestätigte ihre Annahme. Sie zischte auf, als sich ein heftiger Schmerz unter ihrem Auge ausbreitete. Fassungslos fasste sie sich an ihr Jochbein und zuckte zusammen. Sie konnte im ersten Moment gar nicht reagieren und nahm Rikus entsetztes »Scheiße« nur gedämpft wahr. Er hatte sie tatsächlich geschlagen. »Fuck, Asuna. Es tut mir so leid. Das...Das wollte ich nicht.« Plötzlich klang er nicht mehr so gefühlskalt und überheblich, sondern richtig reuevoll. Doch das war ihr absolut egal. Stattdessen schlug sie seine Hand weg, die er nach ihr ausgestreckt hatte. »Fass mich verdammt nochmal nicht an«, zischte sie eisig und merkte, wie ihre Stimme brüchig wurde. Sie richtete sich auf und begab sich mit großen Schritten Richtung Tür. Das hätte sie schon viel früher tun sollen. »Warte! Asuna!« Die Angesprochene ignorierte seine Rufe. Alles was sie wollte, war nachhause. Kopflos lief sie durch die kleine Stadt, ignorierte andere Passanten, die ihr einen zweifelhaften Blick zuwarfen. Sie musste furchtbar verstört aussehen, doch darüber verschwendete sie keinen Gedanken. Alles woran sie denken konnte, war Riku und seine dunklen Augen, die ihr plötzlich so Angst gemacht hatten. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, dass er so dachte. Dass er sie...schlagen würde. Was sollte das? Wie von selbst beschleunigte sie ihre Schritte und stieg in den Bus, der rechtzeitig gehalten hatte. Sie ließ sich weiter hinten nieder und rutschte tief in den Sitz. Ihre Hand suchte automatisch ihr Handy, allerdings zögerte sie. Sie hatte gerade kein Bedürfnis, jemanden davon zu erzählen. Weder Jana noch ihren Eltern. Während der Fahrt spielte sich die Szene immer wieder in ihrem Kopf ab. Der Schock saß tief und selbst als sie die Wohnungstür hinter sich zuschlug, war sie weit davon entfernt, diese Sache überwunden zu haben. Asuna starrte auf ihre Hände, die merklich zitterten, und lehnte sich gegen das Holz der Tür. Sie fühlte sich schwer und rutschte auf den Boden. Regungslos verweilte sie in dieser Position. Was war gerade passiert? ♛♚ Am Montag haderte Asuna bereits früh morgens mit sich selbst. Obwohl sie gerne in die Schule ging, war es heute eine enorme Überwindung. Dennoch hatte sie sich aus dem Bett gequält, war ins Bad gegangen und hatte dort erstmal eine halbe Stunde verweilt. Neben ihrer Morgenroutine war etwas anderes hinzugekommen. Das Auftragen von Make-Up. Gestern war sie noch optimistisch gewesen, dass die dunkelrote Umrandung um ihr linkes Auge verschwunden sein würde, doch das Gegenteil war der Fall. Es leuchtete einem zwar nicht bereits aus einem Kilometer Entfernung zu, aber man konnte die Blessur durchaus erkennen. Eine Blessur, die darauf hinwies, dass etwas ganz und gar nicht bei der Klassensprecherin okay war. Der Concealer tat allerdings seinen Job richtig gut. Seufzend strich sich Asuna ihre Bluse zurecht und legte eine verwirrte Strähne zurück an ihrem Platz. Normalerweise band sie sich ihre Haare für die Schule stets zu einem hohen Zopf zusammen oder entschied sich für einen unordentlichen Dutt. Heute hatte sie sich aber aufgrund der Umstände mehr Mühe gemacht. Es sollte von ihrem sonst so beschissenen Auftreten ablenken. Denn anders konnte sie es nicht beschreiben. So wenig wie in den letzten zwei Tagen hatte sie selbst nach der Sache mit Oikawa nicht geschlafen und das hatte sich deutlich auf ihr Äußeres ausgewirkt. Ein letztes Mal betrachtete sie sich in dem Spiegel, überlegte kurz, ob sie nicht übertrieben hatte. Ach, scheiß drauf. Sie verließ das Bad, holte sich ihre Schulsachen und verließ die Wohnung. Den gesamten Schulweg über fühlte sie sich merkwürdig. Es lag nicht an der schwarzen Sonnenbrille, die sie aufgesetzt hatte, um ihre Blessur abzudecken, denn sie trug öfters dieses Accessoire. Jedoch kam es ihr so vor, als würde jeder Bescheid wissen und sie anstarren. Deshalb ging sie auch zu Fuß, anstatt den Bus zu nehmen. So vermied sie es, andere zu begegnen. Das funktionierte auch so lange, bis das Schulgelände in Sichtweite war. Abrupt hielt die Blondhaarige inne, nur um ihre Sonnenbrille zurecht zu rücken und die Schultern zu straffen. Erhobenen Hauptes setzte sie ihren Weg fort und betrat das Gelände. Sie sah vermutlich gerade aus wie eine dieser arroganten Schülerinnen aus den koreanischen Dramen, die sie ab und zu schaute. Zumindest ahnte sie es dank der Blicke, die ihr von anderen Mädchen zugeworfen wurden. Sie seufzte und festigte den Griff um den Träger ihrer Tasche. Während sie die letzten Meter zum Eingang überbrückte, kam ihr in den Sinn, dass sie noch nicht daran gedacht hatte, wie sie auf Riku reagieren sollte. Es war unausweichlich, dass sie ihm in der Schule begegnen würde. Immerhin war er Schulsprecher und sein Klassenraum war gleich um die Ecke von ihrem. Dieser Gedanke verursachte ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend. Ihr war bewusst, dass er nicht einfach so darüber reden würde. Nicht hier. Aber wollte sie überhaupt mit ihm darüber sprechen? Etwas zaghaft schob sie die Brille nach oben, sodass sie die vorderen Haare zurückschob. Sie fühlte sich plötzlich nackt. Was wenn man es sofort sah? Wenn man sie sofort darauf ansprechen würde? Diese Fragen begleiteten sie bis in den dritten Stock, wo sich die Räume der Abschlussklassen befanden. Der Lärm aus den Klassen drang zu ihr, was naheliegend war, denn bis der Unterricht anfing, waren es nur noch zehn Minuten. Sie wollte am liebsten umkehren, nach hause gehen und sich wieder in ihrem Bett verkriechen. Erbärmlich, aber sie fühlte sich einfach nur schlecht. Ihre Gedanken zogen sie wie Blei nach unten, weshalb es ihr schwer fiel, gute Laune zu mimen. Völlig teilnahmslos ging sie durch den Flur, hielt ihren Kopf gesenkt, um mögliche Blicke zu entgehen. Unnötig, denn es war kaum jemand auf den Gängen unterwegs. Plötzlich packte aber jemand ihr Handgelenk, was sie dazu veranlasste, zusammenzuzucken. Panik nahm von ihr Besitz und als sie in einen kleinen Raum gezogen wurde, riss sie sich mit aller Kraft los. »Lass mich los!«, zischte sie und drängte sich an die Wand hinter ihr. Ihr Körper reagierte auf eigene Faust, aber der erste Gedanke, der ihr gekommen war, war nicht sonderlich positiv. »Beruhige dich.« Kapitel 12: no. i'm not okay. ----------------------------- ● • . »Beruhige dich.« Die tiefe Stimme verursachte eine Gänsehaut auf ihren Armen und gleichzeitig fiel ihr ein großer Stein vom Herzen. »Tōru«, murmelte Asuna, während sie erleichtert Luft holte und ihre verkrampfte Haltung löste. Sie hatte für einen kurzen Moment gedacht, Riku hätte sie mit sich in diesen Abstellraum gezogen. Dass doch Oikawa vor ihr stand, freute sie ungemein. Dabei war ihr nicht mal aufgefallen, dass sie wieder seinen Vornamen benutzte. Oikawa hingegen hatte bei seinem Namen irritiert die Augenbrauen zusammengekniffen und gemerkt, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung bei ihr war. »Ist alles okay bei dir? Du hast gerade etwas durcheinander gewirkt?« Asuna schüttelte das beklemmende Gefühl ab und räusperte sich. Schnell versuchte sie, an etwas anderes zu denken. »Ja. Mir geht es gut.« Es war dunkel in diesem Raum, dass man kaum etwas erkennen konnte. Höchstens die Umrisse dank des Spalts unterhalb der Tür. Asuna tastete nach dem Lichtschalter. Es flackerte kurz, ehe zumindest ein schwaches Licht den Raum erhellte. Sie verschränkte ihre Arme und wich seinem Blick aus. Obwohl es noch immer viel zu dunkel war, um ansatzweise ihre Verletzung erkennen zu können, fühlte sie sich nicht bereit, ihm irgendwie in die Augen zu sehen. »Willst du etwas Bestimmtes, oder weshalb hast du mich hierher gebracht? Der Unterricht beginnt gleich.« »Der Unterricht ist mir gerade ziemlich egal«, erwiderte er ernst. Sie spürte deutlich seinen Blick auf ihr. »Denkst du wirklich, das würde ich dir abkaufen?« Er schob seine Hände in die Hosentaschen und kniff seine Augen kaum merklich zusammen. Asuna reagierte nicht überrascht über diese Tatsache. Es war fast schon offensichtlich, dass ihr Verhalten untypisch für sie war. »Selbst wenn glaube ich nicht, dass sich daran etwas ändern würde«, murmelte sie als Antwort und seufzte. Seine Anteilnahme war ja schön und gut, aber was half sie schon? Oikawa musterte sie eingehend. »Du bist wirklich unverbesserlich, Kurasaki-san.« Er schnaubte, sein Blick wurde aber schnell ernst. Und mit ernst meinte sie vielmehr verärgert. »Eigentlich wollte ich aber wegen einer anderen Sache mit dir alleine sprechen. Wieso hast du mir nichts davon gesagt?« Asuna sah ihn an und sie wurde merklich panisch. Sie spürte klar und deutlich, wie sich ihr Puls beschleunigte. Die Nervosität stieg klar und deutlich an und sie fing an, an dem Saum ihres Ärmels zu nesteln. »Was meinst du?« Man konnte doch nicht etwa doch etwas von der kleinen Blessur erkennen? Nur mit Mühe konnte sie sich zurückhalten, nicht in ihr Gesicht zu fassen. »Du weißt, wovon ich rede. Selbst die ganze Schule spricht schon davon«, antwortete er eindringlich. »Die...ganze Schule?«, kam es von ihr geschockt. Sie schluckte den Klos in ihrem Hals hinunter. Wie konnte die gesamte Schule davon wissen? Riku hatte doch nicht irgendwem davon erzählt, oder? Das würde sie ihm nicht zutrauen, allerdings hatte sie ihm auch nicht zugetraut, dass er handgreiflich ihr gegenüber werden würde... Was sollte sie nun tun? Sie wollte nicht, dass man über die Sache mit Riku und ihr sprach. »Wann wolltest du es mir sagen?« »Ich weiß es nicht.« Sie war überfordert und dachte nicht mal daran, wieso sie so etwas überhaupt Oikawa erzählen sollte. Auch aus dem Grund, weil es ihn nicht zu interessieren hatte und dennoch hatte er sie hierher gezogen. »Ich...Ich hab absolut keine Ahnung, was ich tun soll.« Sie biss sich so fest auf die Lippen, dass es schmerzte. Klar und deutlich konnte sie wieder diesen Druck in ihrem Inneren vernehmen, der sie auch gestern völlig eingenommen hatte. Bis jetzt hatte sie sich tapfer geschlagen, aber je länger sie über Riku nachdachte, desto intensiver kamen die Gefühle zurück. Vielleicht war das auch ein Grund, weshalb sie mit Oikawa darüber sprach, obwohl sie es nicht tun wollte. Oikawa nahm plötzlich ihr Gesicht in beide Hände und war ihr so nahe, dass sie kurz vergaß, über vorgestern Nacht nachzudenken. Nur für einen sehr kurzen Moment, aber sie vergaß es. »Egal wie du dich entscheidest, wir stehen das gemeinsam durch. Ich lasse dich nicht alleine und bin für dich da.« Die Worte, die so überraschend intensiv und ernst über seine Lippen kamen, überforderten sie maßlos. Sie hatte vorgehabt, ihn zu unterbrechen, aber dafür war sie zu einfach zu überrumpelt. »Wie ich mich entscheide?«, murmelte Asuna perplex und konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen. Sie griff nach seinen Händen und entfernte diese von ihr. Auch wenn sie diese Berührung irgendwie als tröstend empfunden hatte, schob sie Oikawa so etwas von sich. »Wie soll ich mich schon entscheiden? Ich muss wohl irgendwie damit fertig werden und vielleicht kann ich das alles irgendwann vergessen.« Sie war schon immer jemand gewesen, der Dinge lieber aus ihrem Kopf verbannte, anstatt sich eine Ewigkeit damit zu beschäftigen. »Vergessen? Wie kannst du so etwas einfach vergessen wollen?« Oikawa ließ seine Arme sinken und schien fast schon wütend über ihre Aussage zu sein. Er machte einen Schritt zurück und endlich konnte Asuna wieder halbwegs normal atmen. Aus irgendeinem Grund traf ihn ihre Aussage ziemlich hart. »Außerdem betrifft es ja auch...mich, oder nicht?« Asuna war nun endgültig verwirrt. Was zum Teufel meinte er damit, dass es auch ihn betraf? »Von was spricht du?«, fragte sie ihn deshalb ernsthaft konfus. »Muss ich dir das jetzt wirklich erklären?« Er presste seine Lippen aufeinander. »Ja? Denn ich habe keine Ahnung, was du gerade meinst.« Sie verschränkte abwartend die Arme, während sie stur seinen Blick erwiderte. Sie hatte das Gefühl, als würden sie gerade beide aneinander vorbeireden. »Du weißt schon. Also das, wovon jeder spricht«, kam es von Oikawa abgehakt. Als die Blondhaarige nicht reagierte, fuhr er sich durch die Haare. Er schien zu überlegen, wie er fortfahren sollte. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken, eher er sich wieder ihr zuwandte. »Jeder hier in der Schule spricht davon, dass du...schwanger bist.« Die Worte sickerten nur langsam zu ihr durch. Nach und nach realisierte sie, was er gerade gesagt hatte. Sie sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Was?« Ungläubig lachte sie auf, obwohl ihr absolut nicht danach zumute war. Jedoch war dieses Gerücht so absurd, dass es sie zumindest von der Sache mit Riku ablenkte. Also hatte Oikawa die ganze Zeit davon gesprochen. Dadurch machten seine Aussagen auch deutlich mehr Sinn als zuvor. »Das wird über mich gesagt?«, fügte sie baff hinzu. Wow. Sie hätte nie damit gerechnet, dass jemals dieses Gerücht über sie verbreitet werden würde. »Ja. Stimmt es denn nicht?« Oikawa wirkte nach wie vor angespannt. »Fuck«, murmelte Asuna nach wie vor ungläubig, während sie abermals das Lachen zurückhalten musste. Obwohl es verlockend wäre, ihn für kurze Zeit zu veräppeln, verkniff sie es sich. Das wäre dann doch zu viel des Guten. Deshalb meinte sie: »Natürlich stimmt das nicht, aber gut zu wissen, dass du dich nicht aus dem Staub machen würdest.« In ihrer Aussage schwang ein wenig Spott, aber eigentlich fand sie sein Verhalten und seine Aussagen von vorhin irgendwie...niedlich. Oikawa reagierte auf Asunas Worte mit einem erleichterten Seufzen und einer weit weniger verkrampften Haltung. Es wirkte, als hätte er gerade eine große Last von seinen Schultern geworfen. »Wow. Das waren die nervenaufreibendsten Minuten meines Lebens.« Er lachte nicht und es klang absolut nicht nach dem typischen Setter. Anscheinend saß der Schock noch immer tief. »Wie kommen die anderen überhaupt darauf?« Zugenommen hatte sie nicht, soweit sie wusste. Doch der Grund für diese Annahme kam ihr dann doch selbst schneller als gedacht. »Oh, verdammt. Der Schwangerschaftstest.« Sie schlug sich gegen die Stirn. Natürlich. Da war dieses Mädchen, welches Jana und sie so komisch angestarrt hatte. Jetzt wusste sie auch warum. Im Nachhinein dumm, dass sie mit der Verpackung so offensichtlich herumgewedelt hatte. Oikawa hatte bei ihren Worten überrascht die Augenbrauen gehoben. »Dann hast du also doch geglaubt, dass du schwanger bist?« Asuna machte eine abtuende Handbewegung. »Nein. Der Test war nicht für mich, sondern für...Jana.« Sie hatte kurz gezögert, ob sie etwas davon erzählen sollte. Allerdings war er Iwaizumis bester Freund und würde es früher oder später herausfinden. »Wow. Weiß Iwa davon?« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Es ist ihre Sache, ob sie ihm davon erzählt oder nicht. Aber er ist negativ ausgefallen, also alles halb so schlimm.« Seufzend lehnte sie sich gegen die Wand. Die anfängliche Aufregung verblasste und sie merkte, wie Müdigkeit von ihr Besitz nahm. Kein Wunder, nachdem sie die letzten zwei Nächte kaum geschlafen hatte. Sie hob ihren Arm und strich ihre Haare nach hinten. »Wieso hast du mich vorhin eigentlich so angeschrien?«, kam es plötzlich von Oikawa und riss die Blondhaarige aus ihren Gedanken. Asuna verzog kurz das Gesicht. Sie hatte gedacht, dass dieses Thema abgehakt war. »Ich hab mich nur erschrocken. Das ist alles. Immerhin wird man nicht ständig in eine Abstellkammer gezogen.« »Also ich hab mich das letzte Mal nicht so angestellt«, erwiderte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Anscheinend war die Panik von vorhin verschwunden. Asuna, die sofort verstand, auf was er anspielte, schnaubte. Er war tatsächlich ganz der Alte, wenn er solche Scherze machen konnte. »Ernsthaft, Oikawa. Könntest du solche Anspielungen in Zukunft lassen? Ich habe echt keine Lust, Hinas Eifersucht abzubekommen.« Bei dem Gedanken wurde ihr ganz mulmig. Das schlechte Gewissen würde sie einfach nicht unterdrücken können. »Ach was! Hina ist keine eifersüchtige Person. Im Gegenteil.« Er schmunzelte leicht, während Asuna über seine Naivität die Augenbrauen nach oben zog. Sollte sie ihm sagen, dass Mädchen so etwas nur deshalb sagten, damit Jungs keinen falschen Verdacht schöpften? Nope. Das sollte er schön selbst herausfinden. »Wie auch immer. Der Unterricht beginnt gleich. Wir sollten wirklich gehen.« Auch wenn sie lieber den 25 Augenpaaren in ihrer Klasse entgehen möchte, würde ihr nichts anderes übrig bleiben. Sie war Klassensprecherin und sollte ihre Fehlstunden so gering wie möglich halten. Zudem möchte sie keinen wichtigen Stoff verpassen. Sie wollte nach der Türklinke greifen, als sie Oikawa zurückhielt. »Warte«, fing er an und dieses Mal war kein Grinsen auf seinem Gesicht. »Ich weiß, dass du mir wieder dieselbe Antwort geben wirst, aber ich frage nochmal bevor du gehst: Ist alles in Ordnung?« Seine Augen suchten in ihren nach einem Anzeichen, wie sie sich tatsächlich fühlte. Als würde er so seine Antwort bekommen, sah er förmlich in ihr Inneres. In ihr verschlossenes, persönliches und emotionales Chaos. Asuna wusste nicht wieso, aber nach seiner Frage fühlte es sich binnen weniger Sekunden so an, als würde sie ein schwerer Anker nach unten ziehen und als würde ihr nach und nach die Luft ausgehen. Sie biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es schmerzte. Eigentlich war sie niemand, der leicht anfing zu weinen, aber gerade jetzt hatte sie das Bedürfnis dazu. Sie wusste nicht wirklich woher dieses Bedürfnis kam. Vielleicht war es sein intensiver und fast schon sanfter Blick. Vielleicht war es aber auch einfach das Geschehnis von gestern, welches sie wieder so überrannte. »Wieso antworten, wenn du die Antwort schon kennst?«, erwiderte sie trocken und wie so oft blockte sie einfach ab. Wieso war es so schwer, einfach loszulassen? Loszulassen und ehrlich zu sein? Oikawas Kiefer spannte sich an und zeigte ihr nur zu deutlich, wie sehr ihm diese Aussage missfiel. »Vielleicht habe ich ja auf die Wahrheit gehofft.« Asuna lies ihre Schultern sinken, denn anders konnte sie auf seine Worte nicht reagieren. Es traf sie ungemein hart, doch sie überspielte diese Tatsache einfach, indem sie die Tür öffnete und meinte: »Wie auch immer. Ich gehe zuerst. Ich habe echt genug von Gerüchten.« Es war feige von ihr, jetzt einfach zu gehen, aber je länger sie in diesem kleinen Raum mit Oikawa alleine war, desto schwerer wurde es, ihren Gefühle nicht Überhand zu lassen. Sie sollte wirklich langsam klar werden, dass alles, was jemals zwischen dem Setter und ihr existiert hatte, verschwunden war. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlte... Als Asuna in den Flur trat und wieder alleine war, holte sie erst mal tief Luft. Ob sie einfach nach hause gehen sollte? Nein. Reiß dich gefälligst zusammen, Kurasaki! Es gab einiges, was sie gerade beschäftigte und ihr schlaflose Nächte bereitete. Zermürbend. Belastend. Nerven raubend. Doch jetzt musste sie einfach damit klarkommen. Zumindest so lange, bis sie wieder in ihren eigenen vier Wänden war. Wie zuvor auch straffte Asuna die Schultern, richtete die Sonnenbrille auf ihrem Kopf und machte sich auf den Weg in die Klasse. Die anderen Schüler waren längst in ihren Klassen und auch sie zögerte nicht, als sie den Raum 3-5 betrat. Manche Mitschüler warfen ihr einen flüchtigen Blick zu, widmeten sich aber schnell wieder ihren Gesprächen. Immer darauf bedacht, dass ihre Haare ihre Seite verdeckten, ließ sie sich auf dem Platz nieder. Kaum saß sie, stützte sie sich mit ihrem Ellbogen ab und verhinderte so die Sicht auf ihre Blessur. Jedoch waren ihre Gedanken weit entfernt. Es war gut, denn so dachte sie zumindest nicht nur an Riku. Anstatt an ihn zu denken, drängte sich aber jemand anders ins Bild und sie wusste nicht, wie sie diesen wieder verdrängen sollte. »Hey, Asuna.« Jana hatte sich nach hinten gedreht und sich mit ihren Armen an der Sessellehne abgestützt. Ihre Augen musterten die Blondhaarige akribisch. »Wow. Seit wann trägst du so auffälliges Make-Up? Also nicht, dass es dir nicht stehen würde.« Natürlich fiel es ihrer besten Freundin auf. Wem sonst? »Das erzähl ich dir später, okay?«, erwiderte Asuna und schenkte Jana ein halbherzig Lächeln. Der Jüngeren war anzusehen, dass es ihr nicht passte, aber da der Lehrer die Klasse betrat, blieb ihr nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Sie seufzte abermals und versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Gestern hatte sie Gedanken darüber gemacht, wie es in der Schule sein würde. Zu ihrem Glück wurde sie nie aufgerufen. Und auch in den anderen Stunden wurde sie ignoriert. Vielleicht waren manche Schüler aus ihrer Klasse verwirrt über ihre geringe Mitarbeit, aber angesprochen wurde sie nicht. In der Pause hatte sie sich mit Jana das Dach begeben, bevor sie in die Cafeteria etwas zu essen holen wollten. Hier war niemand, der die beiden stören konnte und so konnte sie ihrer besten Freundin in Ruhe erzählen, was passiert war. Es fiel ihr schwer, darüber zu sprechen, obwohl Jana alles von ihr wusste. »Er hat WAS getan?« Janas Augen waren geweitet und die Fassungslosigkeit war ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hatte sich, während Asuna erzählt hatte, kaum zurückhalten können. »Fuck, Asuna! Du musst das melden. Das ist Körperverletzung!«, meinte sie eindringlich. »Ich weiß, aber ich denke-«, fing sie an, doch Jana hatte andere Pläne. »Nein, Asuna!« Die laute und energische Stimme von Jana ließ die Blondhaarige zusammenzucken. Es war selten, dass sie wirklich laut wurde. »Sag jetzt nicht, dass du ihn nicht zur Rechenschaft ziehen möchtest. Sag nicht, dass du das einfach ignorieren und vergessen wirst, denn das tust du immer.« Sie schnaubte und ballte ihre Hand zu einer Faust. Asuna wusste im ersten Moment nicht, was sie sagen sollte und tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie recht hatte. Sie war gut darin, Dinge einfach zu verdrängen. »Bei Oikawa habe ich dir ja noch zugestimmt, aber hier kann ich das einfach nicht.« Jana gestikulierte wild mit den Armen. »Jana! Stopp!« Sie langte nach dem Handgelenk und bremste sie so. »Ich weiß, was du meinst und ich werde mit ihm reden. Versprochen. Nur...nicht heute.« Sie war geistig und körperlich einfach zu müde, um Riku gegenüberzutreten. »Ich bin mir nicht sicher, ob einfach nur reden hilft. Riku hat dich geschlagen, Asu. Geschlagen.« Sie betonte dieses Wort mit all der Verachtung, die sie dafür übrig hatte und verschränkte schließlich die Arme. »Leute, die so etwas einmal getan haben, tun so etwas wieder. Ich will nicht, dass du mit ihm alleine sprichst. Ich werde dabei sein.« »Nein«, erwiderte Asuna bestimmend. »Das werde ich alleine machen. Auch wenn du das nicht hören möchtest.« Sie zog ungern ihre beste Freundin mit hinein, selbst wenn diese es anders sah. Riku würde sie sich alleine vornehmen. »Alleine? Bist du dumm? Du kannst das nicht alleine machen. Erinnerst du dich an die erste Klasse, als Yuna dir Seiten aus deinem Mathematikbuch gerissen hat und du das auf eigene Faust regeln wolltest? Danach hat sie dir einen Kaugummi in die Haare geklebt! Das kommt dabei raus, wenn du etwas alleine klären möchtest.« »Das kannst du doch nicht vergleichen.« Sie verdrehte die Augen, als sie diesen Vorfall von vor zwei Jahren erwähnte. Das war absolut kindisch gewesen und sie glaubte kaum, dass man eine zickige Yuna mit einem...Riku gleichsetzen konnte. »Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich mir Sorgen mache. Du frisst immer alles in dich hinein, versuchst immer alles selbst zu klären. Das funktioniert aber nicht. Nicht jetzt. Nicht bei so etwas«, sagte Jana eindringlich und mit Verzweiflung in der Stimme. »Ich bin gut darin, auf mich alleine gestellt zu sein. Ich kann das. Glaub mir«, meinte Asuna überzeugt und ließ keine Widerrede zu. »Asuna...« Jana verzog quälend das Gesicht. Die Blondhaarige erwiderte darauf nichts und ging in die Knie, um in ihrem Rucksack nach ihrem Concealer zu suchen. Für sie war das Gespräch bezüglich Riku beendet. »Könntest du bitte?« Sie deutete auf das Fläschchen und hielt es ihrer Freundin entgegen. Diese nahm es widerwillig an und begann, ihre Blessur abzudecken. Ein »Au« entkam ihr, als Jana etwas zu fest das Make-Up verteilte. Die selbstgefällige Miene konnte sie ihr nicht mal übel nehmen. »Ich kann nicht glauben, dass du dich alleine mit ihm treffen möchtest«, murmelte sie, nachdem sie alles zusammengepackt hatten und wieder die Treppen zum dritten Stock nahmen. »Aber wenn das dein Wunsch ist, werde ich ihn respektieren. Ungern, aber ich werde es tun.« »Danke für dein Verständnis.« Als sie in der Cafeteria angekommen waren und sich in die Schlange für das Buffet stellten, fragte Jana: »Iwa und ich gehen heute übrigens in die Spielhalle. Kommst du mit?« Sie hob ihre Augenbrauen. »Um das dritte Rad am Wagen zu sein? Danke für das Angebot, aber bestimmt nicht.« »Schade. Du bist ein ziemlich stabiles drittes Rad.« Jana lachte, woraufhin Asuna ihr einen Stoß mit dem Ellbogen gab. Sie schüttelte nur belustigt den Kopf und hielt Ausschau nach einem freien Platz. Dabei hoffte sie, nicht Riku und seine Freunde zu entdecken. Das würde ihr gerade noch fehlen. So ganz in Gedanken versunken packte Jana sie plötzlich am Arm und zog sie gezielt in eine Richtung. Die 18-Jährige musste gar nicht schauen, um zu wissen, wo das Ziel ihrer besten Freundin lag. Natürlich wollte sie zu Iwa. Eigentlich keine große Sache, wenn an dem Tisch nicht auch das gesamte Volleyballteam sitzen würde. Das Team und Hina... »Muss das sein?«, murmelte sie und erntete ein euphorisches Nicken. »Klar. Zwei Stunden sind zwei Stunden zu wenig mit meinem Freund.« Bei dem angeekelten Gesichtsausdruck von Asuna lachte Jana. »Sieh mich nicht so an«, trällerte sie und ließ sich neben Iwa fallen. Dieser war kurz überrascht darüber, entspannte sich allerdings schnell, als er seine Freundin erkannte. »Wo wart ihr so lange?«, fragte er sie, doch Asuna verfolgte das Gespräch nicht weiter. Sie nahm neben ihrer Freundin Platz und leider auch gegenüber Hina und Oikawa. Irgendwie hatte das Universum etwas gegen sie, oder? Sie seufzte und fing an, ihren gebratenen Lachs mit Reis zu essen. Eher lustlos, obwohl das Essen hier ziemlich gut war, stocherte sie darin herum und verursachte ein kleines Chaos auf ihrem Teller. Sie hatte seit gestern keinen Appetit. Außerdem ging ihr das Gekicher von Hina richtig auf die Nerven. Es klang in ihren Ohren wie ein Messer, welches fest über den Teller schabte. Es war ihrer Eifersucht geschult und dieser Grund nervte sie tierisch. Seit wann war sie so unreif? Asuna seufzte und griff nach ihrem Eisbecher, der bei ihrer Auswahl dabei war. Sie übersprang den Hauptgang und ging direkt zur Nachspeise über. Mit einer mäßigen Steigerung ihrer Laune las sie, welche Sorte sich darin befand. Prompt folgte der nächste Tiefschlag. »Urgh. Schokoladeneis«, murmelte sie und überleget, ob sie ihn nicht tauschen sollte. Sie hatte aber keine Lust, sich nochmal anzustellen. Deshalb suchte sie nach einem anderen Becher. Okay. Iwa hatte ebenfalls Schokolade, Hina war die letzte Person, die sie fragen würde und alle anderen hatten kein Eis als Nachtisch. Alle bis auf...Oikawa. Asuna sah von ihrem Eis zu seinem und grinste zufrieden, nachdem sie das Etikett gelesen hatte. Jackpot. Zitroneneis. Besser hätte es sie nicht treffen können. Immerhin liebte er Schokoladeneis, während sie Zitroneneis vergötterte. Er würde also nichts dagegen haben, wenn sie es einfach tauschen würde. Sie beugte sich also nach vorne und griff nach seinem Eisbecher. Allerdings hatte sie die Rechnung ohne Oikawa gemacht, der natürlich sofort reagierte und seine Finger um ihr Handgelenk schlang. »Willst du mir gerade tatsächlich mein Eis klauen?«, fragte er sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Asuna sah auf. »Für wen hältst du mich? Ich wollte dir nur dein Lieblingseis geben. Ich habe nämlich Schokolade und du hast Zitrone. Win-Win-Situation, oder nicht?« Zum Beweis hielt sie ihr Eis mit ihrer freien Hand nach oben. Was wollte sie mit zwei Becher? Nach kurzem Zögern ließ er sie los. »Sag das doch gleich. Gib her.« Auffordernd öffnete er seine Handfläche, woraufhin sie die Augen verdrehen musste. Anscheinend existierte ein Bitte nicht in seinem Wortschatz. Dennoch drückte sie ihm den Becher in die Hand und nahm anschließend jenen, der noch auf seinem Tablett stand. Sie musste vor Vorfreude grinsen und riss ungeduldig die Abdeckung weg. Yummy Zitroneneis! Der erste Löffel verursachte ein Schub Glückshormone bei Asuna. Es war zwar nur Eis, aber gerade war es dafür verantwortlich, dass sie heute zum ersten Mal einen Grund hatte, zu lächeln. »Was war das denn gerade?«, ertönte plötzlich Hinas Stimme und sorgte dafür, dass Asuna sich aus ihrer Gedankenblase begab. Mit dem Löffel im Mund sah sie auf und begegnete so dem entgeisterten Gesichtsausdruck der Zweitklässlerin. Überrascht über diese Reaktion runzelte sie die Stirn. »Was war was?«, antwortete sie undeutlich, da sie noch immer den Löffel im Mund hatte. »Na, dieser Tausch«, erwiderte Hina stumpf. »Kurasaki-san hat mir nur ihr Schokoladeneis gegeben. Nicht der Rede wert.« Oikawa lächelte sie an und versuchte irgendwie das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Allerdings hatte er nicht die Rechnung mit Matsukawa gemacht. Dieser grinste unpassend und stützte sich mit seinem Ellbogen ab. »Man, Kurasaki-san. Dank dir erfahren wir immerhin Neues über unseren Kapitän.« Seine Aussage klang nicht nur provokant, sie waren es auch. »Oh, ja!«, fing auch Watari an. »Fast wie damals beim Schulfest, als du das über d- Autsch!« Er verzog das Gesicht und rieb sich die Seite, nachdem ihm Yahaba einen Hieb in die Seite gegeben hatte. Hinas Haltung versteifte sich bei den Worten. Oikawa hingegen warf Watari einen genervten Blick zu. Und auch Asuna konnte nicht verhindern, dass sie innerlich aufstöhnte. Matsukawa war doch auch nicht besser gewesen und irgendwie beschlich sie das Gefühl, als hätte er es mit Absicht gemacht. Weil sie keine Lust auf irgendein weiteres Drama hatte, meinte sie sachlich: »Stellt euch nicht so an. Es handelt sich doch nur um die Lieblingseissorte. Nichts Weltbewegendes.« Sie seufzte, denn für eine solche Diskussion hatte sie echt keine Nerven mehr. »Außerdem bin ich mir sicher, dass Furuko-san das bestimmt bereits gewusst hat. Also so als Freundin.« Vielleicht hatte er es sogar mal in einem seiner Interviews erwähnt. Es würde sie nicht wundern, aber es war wirklich keine interessante Information über Oikawa. Nicht so wie der Grund für seine Narbe an der Stirn. Das war damals schon...spannender gewesen. Zumindest für alle umstehenden Schüler. »Uhhh, diese Aussage hat einen noch wunderen Punkt getroffen«, murmelte Iwaizumi neben ihr und sorgte dafür, dass Asuna ihm einen perplexen Blick zuwarf. Was sollte das denn bedeuten? Sie sah in die Runde und wusste zumindest, dass Iwaizumi recht hatte. Es hatte einen wunden Punkt getroffen. Hina hatte bei ihrer Aussage die Schultern sinken lassen und starrte vehement auf die Tischplatte. Die meisten Anwesenden schienen allerdings ebenfalls verwundert über die plötzliche Reaktion und auch Jana warf ihrer besten Freundin einen verwirrten Blick zu. Iwaizumi hingegen sah aus, als würde er seinen Kopf am liebsten gegen die nächste Wand schlagen. Hatte sie etwas falsches gesagt? »Tōru-kun und ich«, begann sie leise, »sind nicht zusammen.« Oh! Asuna öffnete ihren Mund und schloss ihn aber schnell wieder. Konfus sah sie von Hina zu Oikawa und wieder zu Hina. Während die Zweitklässlerin tunlichst vermied, in die Runde zu schauen, durchbohrte Oikawa sie mit seinem Blick. »Ehm, sorry. Das wusste ich nicht«, murmelte sie und fühlte sich wirklich...schlecht. Selbst wenn sich die Sympathie für Hina in Grenzen hielt, wusste sie, wie gern sie Oikawa hatte. Dennoch würde sie das Warum brennend interessieren. Warum waren sie nicht zusammen, wenn doch alles dafür sprach? Jedes Mal, wenn sie die beiden gesehen hatte, waren sie gemeinsam unterwegs. Dann war da noch dieses Bild, welches Hina gepostet hatte und die Tatsache, dass sie immer bei seinem Training dabei war. Das ergab für sie nicht wirklich Sinn. »Natürlich wusstest du das nicht.« Hina lächelte, doch in ihrer Stimme schwang ein hörbarer Spott mit. Klar und deutlich spürte sie die Blicke der anderen auf ihr. Asuna ignorierte diese und presste bei diesem Unterton ihre Zähne zusammen. Das anfängliche Mitleid war schnell verschwunden. Was hatte dieses Mädchen eigentlich für ein Problem? Eigentlich war sie niemand, der sich leicht provozieren ließ, aber wenn sie etwas nicht leiden konnte, dann war das Spott. Insbesondere wenn er von Hina kam. Sie musste sich gerade wirklich zusammenreißen, um ihr nicht irgendetwas Gemeines an den Kopf zu werfen. Es wäre kindisch und unpassend. Immerhin befanden sie sich mitten in der Cafeteria. Sie sah von Hina zu Oikawa, dessen Miene nach wie vor unergründlich war. Bis jetzt hatte er nichts gesagt, was vielleicht auch besser war. Sie wusste nicht, wie gerade er die Situation hätte retten können. Was für ein scheiß Tag! Zuerst dieses Gespräch mit Oikawa und jetzt das! Sie hätte einfach die Klappe halten und Hina über den Eistausch aufklären sollen. Asuna stecke ihren Löffel dezent aggressiv in das Eis, nur um verärgert weiter zu essen. Selbst als Hina aufstand und ohne ein weiteres Wort verschwand, verblasste der Ärger nicht. Im Gegenteil. Er wurde größer, als Oikawa ebenfalls aufstand und ihr folgte. »Wow. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so aggressiv Eis isst«, raunte Iwaizumi seiner Freundin zu. Asuna lockerte den Griff um ihren Becher, denn seine Worte machten sie darauf aufmerksam, wie lächerlich sie sich gerade verhielt. Was war nur los mit ihr? Wieso ärgerte sie sich über solch dämliche Dinge? Seufzend ließ sie ihre Schultern sinken. Mit wenig Elan in der Stimme erwiderte sie schließlich: »Halt die Klappe, Iwa.« Seit wann war ihr Leben zu einem verdammten Drama geworden? Sie hatte es so satt... Kapitel 13: don't you dare! --------------------------- ● • . Asuna konnte das Gespräch mit Riku nicht mehr länger hinauszögern. Sie wollte es nicht. Die letzten zwei Tage hatten ihr so verdammt viele Kopfschmerzen bereitet, dass selbst Tabletten nicht mehr dagegen geholfen hatten. Obwohl sie im Hinauszögern Meisterin war, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Tatsachen ins Auge zu sehen und ihn zur Rede zu stellen. Zudem entgingen ihr natürlich nicht seine Blicke, die er ihr immer wieder kurz zuwarf. Ungern hatte sie diese...hingenommen, doch irgendwann hatte sie genug davon. Es war keine Kleinigkeit, die man einfach ignorieren konnte. Im Gegenteil. Aus diesem Grund war sie jetzt auf dem Weg in den Klassenraum 3-4. Alleine, denn Jana war ihrer Bitte nachgekommen. Ihre beste Freundin hatte noch einige Male versucht, ihr das Vorhaben auszureden. Natürlich hatte sie nicht darauf gehört. Allerdings bereute sie ihre Entscheidung nicht. Auch nicht, als sie den Klassenraum betrat. Die meisten beachteten sie nicht. Es war nicht das erste Mal, dass sie Riku aufsuchte. Immerhin war er Klassensprecher. Aber das Asuna mit einer solch ernsten Miene durch die Klasse ging, sorgte für zumindest bei seinen Freunden für Überraschung. Riku hingegen schluckte schwer, als er sie sah und fuhr sich nervös durch seine ohnehin schon chaotischen Haare. Verständlich. Vermutlich kam ihm gerade der Gedanke, dass sie ihn vor all seinen Freunden und seinen restlichen Schulkameraden bloßstellen würde. Als Rache. Doch Rache war nicht Asunas Ding. Sie war nicht der Meinung, dass Rache das Problem beseitigte und sie mit einem guten Gewissen zurückließ. Im Gegenteil. Sie war nicht der Typ dafür. Als sie vor seinem Tisch zum Stehen kam, verstummten sofort alle Gespräche. Seine Freunde musste sich ein Grinsen verkneifen. Wer weiß, was ihnen gerade durch den Kopf ging. »Könntest du kurz mitkommen?« Asuna beachtete seine Freunde nicht. Sie war nur wegen einer Person hier. »Wir müssen reden.« Das unheilvolle Raunen von Rikus Freund, der auch der Baseballkapitän war, berührte sie nicht. Ihr waren seine Freunde noch nie sonderlich sympathisch gewesen. »Klar«, meinte er leise, bevor er sich erhob und ihr still folgte. »Kurasaki kann ziemlich angsteinflößend sein.« - »Heiß und angsteinflößend.« - »Worüber die beiden wohl reden?« Die Gespräche und Mutmaßungen rückten nicht nur akustisch in den Hintergrund. Je mehr sich Asuna mit Riku von der Klasse und dem Lärm entfernte, desto eher machte sie sich Gedanken darüber, was gleich auf sie zukommen würde. Sie hatte zwar bereits in den letzten Tagen Gespräche in ihrem Kopf geformt, aber jeder wusste, dass diese nie so in der Realität ablaufen würden. Die beiden bogen nach rechts ab, wo so gut wie keine Schüler mehr anzutreffen waren. Einige Meter von Geschehen, welches allerdings auch immer weniger wurde, blieben sie stehen. Völlig abgeschottet von dem Rest wollte sie nicht sein. Obwohl sie nicht glaubte, dass Riku eine weitere Dummheit beging, wollte sie nicht unbedingt in einem kleinen dunklen Raum mit ihm alleine sein. Vor allem hatte sie von kleinen dunklen Räumen ohnehin genug. Erst jetzt, als sie Zeit hatte, ihn genauer zu betrachten, fiel ihr auf, wie schlecht er eigentlich aussah. Er schien es also doch zu bereuen und es zeigte ihr zumindest, dass es ihm anscheinend auch schlaflose Nächte bereitet hatte. Diese Tatsache beruhigte sie sehr und zugleich verspürte sie Schadenfreude. Es geschah ihm recht, dass er deshalb ein schlechtes Gewissen hatte. Es machte dieses Gespräch nicht leichter, aber zumindest beruhigte es sie etwas. Immerhin hatte sie nicht wirklich gewusst, wie er zu dieser Sache stand. »Ich wusste nicht wirklich, ob du mit mir reden möchtest.« Er lehnte sich gegen die Wand, schob seine Hände in die Hosentaschen und mied ihren Blick. Sein sonst so perfekt gestylten Haare hingen ihm in die Stirn. Asuna verschränkte die Arme. »Glaub mir. Das wollte ich auch nicht und daran hat sich auch nichts geändert.« Ihre Stimme klang so eisig, dass es sie selbst überraschte. Sie war keine impulsive Person und meistens hatte sie ihre Wut, wie zuvor im Klassenraum, ganz gut im Griff,. Aber jetzt, als sie hier alleine mit Riku stand, fiel es ihr nicht mehr so leicht. Die Schärfe in ihren Worten entging auch Riku nicht, weshalb er bei ihren Worten zusammenzuckte. »Aber ich denke, dass wir das«, sie vermied es, dieses Das näher auszuführen, »dringend klären sollten.« Asunas Herz klopfte wie verrückt und doch schaffte sie es, eine gewisse Gelassenheit auszustrahlen. Sie wusste nicht, wie sie die Wut und auch die Verachtung so sehr zurückzuhalten konnte, wenn sie ihm doch so viele Dinge an den Kopf werfen wollte. »Ja. Ja, du hast recht«, fing er leise an. Riku suchte ihren Blick, den sie ihm nicht schenkte. »Fuck...Asuna...Es tut mir so verdammt leid. Ich...wollte das wirklich nicht.« Er schluckte und fuhr sich nervös durch die Haare. »Ich weiß nicht, wieso ich das getan habe und du hast allen Grund mich zu hassen. Ich verstehe auch, wenn du...wenn du das melden würdest.« Asuna biss sich auf die Unterlippe bei dem fast schon verzweifelten Zittern in der Stimme. Sie würde ihm nie vergeben diesen Moment nie vergessen können. Allerdings hatte sie sehr lange darüber nachgedacht, was sie nun tun sollte. Dass Riku ihr so reuevoll und den Tränen nahe gegenüberstand, bekräftigte sie in ihrer Entscheidung. »Ich werde dich nicht melden«, kam es von deshalb ruhig, wenn nicht sogar emotionslos. Reuevoll hin oder her, er tat ihr nicht leid. Ihre blauen Augen wirkten so kalt wie Eis, als sie sich in jene von Riku bohrten. »Ich habe kurz darüber nachgedacht, wenn ich ehrlich bin. Dann kam mir der Gedanke, dass es bestimmt zu einem Prozess kommen würde. Immerhin kenne ich deine Eltern...und meiner natürlich. Ich denke, dass es mehr Probleme schaffen würde als lösen. Du wirst dich darüber wundern und glaub mir, damit bist du nicht der einzige.« Sie dachte an Jana und ihre Verständnislosigkeit. »Aber ich habe meiner Gründe und bleibe bei meiner Entscheidung. Ich bin also hier, um das mit dir zu klären.« Asuna holte tief Luft. Diese wenigen Sätze hatten viel Sauerstoff gekostet und am liebsten würde sie einfach abhauen. Die Anspannung ließ sie aber weiterhin mit erhobenem Haupt vor Riku stehen. »Asuna...«, murmelte Riku fassungslos. Erleichterung aber auch Schmerz war aus seinem Gesicht abzulesen. Sie konnte nicht sagen, ob ihre Nachsicht Riku in die richtige Richtung leiten würde, aber es fühlte sich absolut richtig an. »Ich habe das nicht verdient. Ich...Immerhin habe ich dich geschlagen. Das...« Er schluckte, haderte eindeutig mit sich selbst. Man sah ihm an, dass es ihn innerlich zerriss. »Du hast was[/] getan?«, ertönte es plötzlich gefährlich leise hinter ihnen und obwohl sie genau wusste, wer da gesprochen hatte, jagte ihr die Stimme einen Schauer über den Rücken. Asuna drehte sich um und stockte. Sie hatte Oikawa schon öfters gesehen, wenn ihm etwas nicht gepasst hatte und er verärgert gewesen war, aber sein Gesichtsausdruck jetzt, war kein Vergleich dazu. Er sah so...wütend aus. »Ich hab dich was gefragt!« Er setzte sich in Bewegung und ging auf die beiden zu. Die Trainingstasche ließ er achtlos fallen. Sein Blick, der starr auf Riku gerichtet war, verdüsterte sich, je näher er ihnen kam. Und je geringer der Abstand zwischen ihnen wurde, desto tiefer sanken Asunas Schultern. Es war eine Mischung aus Sorge und Erleichterung, die sie einnahm. Sorge, weil zu viel Wut einen unberechenbar machte. Erleichterung, weil jemand bei ihr war, dem sie vertraute. »Oikawa«, murmelte Asuna seinen Namen, wobei eine Spur Mahnung mitschwang. Irgendetwas sagte ihr, dass er Dummes vorhatte. Doch es war ohnehin umsonst, denn er ignorierte sie einfach. Seine Augen lagen nach wie vor nicht auf ihr. Rikus Miene verfinsterte sich und all die Emotionen von vorhin verblasste zunehmend. Wie als hätte das Auftauchen des Setters einen Schalter bei ihm umgelegt. »Könntest du dich bitte raushalten? Das ist eine Sache zwischen Asuna und mir.« Er erwiderte den Blick von Oikawa und trotz seiner Veränderung fehlte die übliche Herausforderung und Überheblichkeit in seinen Augen. Stattdessen schien es, als wäre er einfach nur müde. Asuna wollte etwas sagen, aber sie brachte kein Wort heraus. Stattdessen sah sie zurück zu dem Setter. Sie hatte keine Ahnung, wie viel er wirklich mitbekommen hatte, aber es war offensichtlich, dass vor allem der letzte Satz zu ihm durchgedrungen war. Ausgerechnet jener Satz, dessen Inhalt sie so dringend vor jedem verbergen wollte. Oikawa presste seine Kiefer fest aufeinander und mit wenigen großen Schritten stand er dicht vor dem Klassensprecher. Ohne zu zögern packte er den Kragen von Riku mit beiden Händen und drückte ihn unsanft gegen die Wand. Das blaue Hemd spannte sich über seine Oberarme und machten deutlich, wie wütend er war. »Es ist mir scheiß egal, ob das eine Sache zwischen dir und Asuna ist«, zischte er finster, sodass selbst Asuna ein unangenehmer Schauer über den Rücken lief. Riku wich indes seinem Blick aus, was schwer war, denn die beiden trennte nicht viel. Stattdessen richteten er seine Augen auf Asuna. Sie wandte den Blick ab und fing an, auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Ihre anfängliche Gelassenheit, die sie ausgestrahlt hatte, war wohl mit dem Einmischen von Oikawa verschwunden. »Wage es nicht, sie anzusehen.« Seine harschen Worte rissen sie aus ihrer Starre. Ihr Hals war unangenehm trocken, als sie wieder zu den beiden sah. Der Griff von Oikawa festigte sich in dem Moment merklich und sofort wandte Riku den Blick von ihr ab. Überrascht darüber zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. In all den Jahren hatte er noch nie auf etwas gehört, was der Setter gesagt hatte. Wenn sie sich aber Tōru so ansah, dann wunderte es sie aber nicht. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, kam Bewegung in Asuna. Sie machte einen Schritt auf die beiden zu. »Lass ihn los«, fing sie an und zog dabei an ihrem eigenen Ärmel der Bluse. »Bitte.« Sie bat nie um etwas. Nie, aber wenn sie Oikawa so sah, dann waren ihre Prinzipien nebensächlich. Er lachte ungläubig. »Nein. Werde ich nicht. Und weißt du wieso? Weil er dich verdammt nochmal geschlagen hat. Also sag mir einen Grund, weshalb ich nicht das gleiche mit ihm tun soll.« Er sah zu ihr und seine sonst so funkelten Augen waren dunkel vor Wut. Asuna schwieg, biss sich fest auf die Unterlippe und wandte den Blick wieder ab. Sie konnte ihm nicht länger in die Augen sehen. Nicht wenn er sie so ansah und schon gar nicht, wenn er mit dieser Aussage recht hatte. Riku hatte sie geschlagen. Selbst wenn es eine einmalige Sache gewesen war und er es bitter bereute, verdiente er dasselbe wie sie. Oikawa deutete ihre Reaktion richtig und schnaubte. »Siehst du? Es gibt keinen Grund«, zischte er leise und kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, spannte sich sein Körper an. Riku kniff seine Augen zusammen, erwartete bereits den Schlag ins Gesicht, doch stattdessen drehte sich Oikawa um und stieß Riku nach hinten, sodass diese ziemlich heftig gegen die gegenüberliegende Wand krachte. Es sah schmerzhaft aus und obwohl sie sich darüber freuen sollte, machte sie einen Schritt nach vorne und griff ohne zu zögern nach Tōrus Hand, als er Anstalt machte, nachzusetzen. Die Wärme fühlte sich angenehm an ihren kalten Fingern an, doch das war nicht der Grund, weshalb sie den Griff stärkte. Bei ihrer Geste stoppte Oikawa sofort und sah über seine Schulter. Die Härte in seinem Ausdruck schwächte für einen kurzen Moment ab, als er ihren bittenden Blick sah. »Tu das nicht, Tōru«, bat sie ihn nochmal eindringlich, wobei ihre Stimme brüchiger war, als sie gewollt hatte. Es war ihr fast unmöglich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Und dabei wusste sie nicht, ob es noch immer an Riku lag, oder doch an Oikawa. Je mehr er sich aber für sie einsetzte, desto eher tippte sie auf zweites. Es brachte sie aus der Bahn, dass er so verdammt wütend war und nicht davor scheute, es Riku zurückzuzahlen. Aber genau das beunruhigte sie. Er könnte dadurch in große Schwierigkeiten geraten und das wollte sie nicht. »Ich weiß, dass das nicht die beste Lösung ist, aber wenn dir jemand wehtut, kann ich nicht einfach stillstehen und dabei zusehen, Asuna.« Die Ernsthaftigkeit in seinen Worten und seiner Stimme hätte sie aus der Fassung gebracht, wenn sie nicht ohnehin schon so überfordert gewesen wäre. Dennoch reichte es aus, um ihr Herz zum Stolpern zu bringen. Vorsichtig zog er seine Hand aus ihrem Griff und prompt fühlte Asuna, als würde etwas fehlen. Als sich Tōru wieder Riku widmete, der die beiden beobachtet hatte, kehrte der Gesichtsausdruck von vorhin zurück. Riku hingegen musste schmunzeln, obwohl ihm offensichtlich nicht danach zumute war. »Mir wird gerade bewusst, dass all meine Bemühungen umsonst gewesen sind. Ich hätte wirklich nie eine Chance gehabt.« Er sah zu Asuna, die sich bei seinen Worten durch ihre Haare fuhr und vehement auf den Boden starrte. Seine Worte waren so schmerzhaft ehrlich und obwohl sie die Bedeutung dahinter nicht wirklich verstand, brannte sie sich in ihre Gedächtnis. Tōru hingegen ließ sich nicht so sehr auf die Aussage ein, sondern erwiderte kalt: »Du bist der letzte Mensch, der bei Asuna eine Chance gehabt hätte und jemals haben wird. Sie hat besseres verdient.« Er verringerte abermals den Abstand, doch dieses Mal fasste er Riku nicht an. Es war aber nicht minder einschüchternd. Sie hatte immer gedacht, dass er nur auf dem Spielfeld diese Dominanz ausstrahlte, aber sie hier zu sehen, war etwas völlig anderes. Leise fügte er hinzu: »Solltest du ihr jemals wieder zu nahe kommen, wirst du es bitter bereuen. Der einzige Grund, weshalb ich mich gerade zurückhalte, steht hinter mir. Lass uns gehen, Asuna.« Er drehte sich zu ihr und griff nach ihrer Hand. Asuna ließ es geschehen, doch Riku hatte noch etwas zu sagen. Er hatte ein verächtliches Grinsen im Gesicht, welches einfach nur genervt wirkte. Seine Worte waren leise, aber noch immer perfekt verständlich für sie beide: »Eigentlich tut es mir wirklich leid, was ich Asuna angetan habe, aber wenn ich euch zusammen sehe, dann weiß ich zumindest wieder, warum ich es getan habe.« Oikawa hielt abrupt inne und wandte sich mit angespannten Schultern zu ihm um. »Sag das nochmal«, forderte er eisig. »Du hast mich genau verstanden«, erwiderte Riku und starrte auf seine Schuhe. Obwohl seine Worte Selbstbewusstsein vermitteln sollten, tat es sein Verhalten nicht. »Stimmt. Habe ich.« Ruhig nickend machte er ein paar Schritte auf ihn zu. »Dann kann ich dir ja auch eine eindeutige Antwort darauf geben.« Riku war im ersten Moment perplex bei seiner Aussage, doch nicht lange. Oikawa holte ohne zu Zögern aus und schlug ihm Mitten ins Gesicht. Es kam für den Schulsprecher so überraschend, dass er das Gleichgewicht verlor und auf den Boden fiel. Asuna keuchte auf und schlug sich fassungslos die Hände vor den Mund. Sie sah von Riku, der sich die blutende Nase hielt, zu Oikawa, der seine Faust rieb. Ach du....! Sie hatte geahnt, dass so etwas passieren würde. Geahnt, aber nicht gehofft. Oh, verdammt! Wenn das jemand her- »Hey! Was soll das? Sofort zum Direktor! Physische Gewalt wird hier nicht toleriert!« Eine aufgebrachte Stimme riss die drei Schüler aus ihren Gedanken. Es war unschwer zu erraten, dass es sich dabei um einen Lehrer handelte. Herr Ming kam auf sie zugelaufen und hatte bereits nach wenigen Metern einen roten Kopf. Unter normalen Umständen hätte sie darüber gelacht. Allerdings war sie gar nicht erfreut darüber, ausgerechnet von ihrem Physiklehrer entdeckt zu werden. Schlimmer hätte es sie nicht treffen können. Sie sah zu Oikawa und bereute diesen Gedanken sofort. Es wurde schlimmer. Viel schlimmer, denn beim Bewegen seiner Finger verzog er vor Schmerzen das Gesicht seiner rechten Hand. Alles, nur das nicht... Kapitel 14: just a little favor ------------------------------- ● • . Asuna starrte vehement auf den Boden, während sie darauf wartete, dass Herr Ming das Gespräch mit dem Direktor beenden würde. Sie saßen zwar noch nicht lange hier, aber jede Sekunde verursachte ein Pochen in ihrem Kopf. Sie war müde und sie wollte nach Hause. Seufzend legte sie ihren Kopf in den Nacken. Sie musste zugeben, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass Tōru wirklich zuschlagen würde und sie war nicht wirklich begeistert davon. Aber irgendwie war sie ihm auch...dankbar. Sie war von Natur aus keine nachtragende Person und manchmal verzieh sie zu schnell, und deshalb war sie froh, dass das zur Rechenschaft Ziehen jemand für sie übernahm. Meistens war es Jana, oder in diesem Fall...Tōru. Sie sah auf ihre Hände, die bewegungslos in ihrem Schoß lagen. Die Stille war drückend und doch war sie noch nie so froh, dass so vehement geschwiegen wurde. Bereits seit fünf Minuten wagte es keiner von ihnen, etwas zu sagen. Wobei wagten vielleicht das falsche Wort hierfür war. Immerhin wollte niemand etwas sagen. Worüber sollten sie auch großartig reden? Asuna hatte Riku nichts mehr zu sagen und Tōru sah nicht so aus, als hätte er großartig Lust auf Smalltalk. Sie konnte es ihm aber auch nicht verübeln und wieder musste sie daran denken, wie wütend er gewesen war. So hatte sie ihn noch nie erlebt, und wenn sie ehrlich war, wollte sie es auch nicht noch mal erleben. Es hatte ihr Angst gemacht. Es war keine Angst vor Tōru gewesen, sondern Angst, dass er irgendetwas Unüberlegtes tun und Schwierigkeiten bekommen würde. Und wie sie nun wusste, war diese Sorge berechtigt gewesen. Asuna rutschte tiefer in den unbequemen Sessel, als die Tür zum Büro des Direktors aufgestoßen wurde. Herr Ming sah deutlich zufriedener aus, was die Schülerin schlucken ließ. Das war kein gutes Zeichen, denn jeder wusste, dass ihn nur das Leiden seiner Schüler zum Lächeln brachte. Hämisch forderte er Riku als erstes hineinzugehen. So blieben Asuna und Tōru alleine auf dem Gang zurück, doch dieses Mal wurde nicht geschwiegen. »Eigentlich bereue ich es nicht, dass ich ihn geschlagen habe, aber es tut mir leid«, meinte Tōru plötzlich und riss Asuna aus ihrer Starre. Sie sah zu ihrer Linken. Er hatte seine Aufmerksamkeit ebenfalls auf seine Hände, oder besser gesagt auf seine Hand gerichtet. Es überraschte sie, dass er die Stille brach. Fasst so sehr wie die Entschuldigung. In all der Zeit hatte sich Tōru nur einmal bei ihr entschuldigt und sie wusste noch genau, wozu das geführt hatte. Damals war es der Anfang von Ende gewesen. Asuna verdrängte diese Erinnerung und ignorierte zugleich seine Aussage. »Tut es sehr weh?« Viel wichtiger war, ob der Schlag ihn verletzt hatte. Immerhin hatte sie seinen Blick gesehen, als sie auf dem Flur gestanden waren. Deshalb sah sie auf seine Hand. Dabei biss sie sich nachdenklich und zugegeben besorgt auf ihre Unterlippe. Bei ihrer Frage sah er langsam auf. Er wirkte nicht überrascht über das Ausweichen seiner Entschuldigung. »Das ist nichts. Ich habe ja nicht mal fest zugeschlagen.« Er hob spöttisch seine Mundwinkel, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich weiß, dass du nicht wolltest, dass ich das tue. Deshalb tut es mir auch leid, aber als ich gehört habe, was er getan hat, konnte ich einfach nicht anders.« »Ich bin nicht wütend auf dich. Also musst du dich auch nicht entschuldigen«, erwiderte Asuna und wandte den Blick ab. Tōru neben ihr ließ seine Schultern sinken. »Kannst du mir einen Gefallen tun?« Er wartete einen Moment, bis sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. »Wenn du das nächste Mal etwas Ähnliches vor haben solltest, was ich nicht hoffe, dann sag mir wenigstens Bescheid.« Er sah sie so eindringlich an, dass ihr kurzzeitig der Atem stockte. Es war selten, dass sie sie so ernsthaft miteinander sprachen. Meistens beinhalteten ihre Gespräche Sticheleien oder Sarkasmus. Sie konnte wohl an einer Hand aufzählen, wann es anders gewesen war. Allerdings fiel ihr auf, dass sich diese Momente in letzter Zeit häuften und sie wusste nicht, wie sie das finden sollte. Nachdem sie sich wieder halbwegs gefasst hatte, meinte sie: nur leise: »Ja. Ja, werde ich machen.« Asuna hatte geglaubt, dass die Konversation hiermit beendet sein würde, allerdings irrte sie sich. Nachdem Tōru sie offensichtlich gemustert und länger darüber nachgedacht hatte, stellte er abermals eine Frage an sie. Es war die letzte Frage, die sie hören wollte. »Geht es dir gut, Asuna?« Sie hasste diese Frage. Sie hasste sie, weil es ihr unmöglich war, diese ehrlich zu beantworten. Sie wusste nicht wieso es ihr so schwerfiel. Immerhin war es nur eine simple Frage. Wieso war es so schwer, ehrlich zu sein? Ehrlich zu anderen, aber auch ehrlich zu sich selbst zu sein? Schämte sie sich dafür, dass sie nicht so taff war, wie viele glaubten? War es ihr unangenehm, Mitleid von anderen zu bekommen? Fühlte sie sich unwohl, Hilfe anzunehmen? Vielleicht. Vielleicht traf all das zu. »Das hast du mich vor ein paar Tagen schon gefragt, erinnerst du dich?« Sie wich der Frage aus. »Ja. Und ich erinnere mich ebenfalls, dass du mir damals auch keine Antwort gegeben hast. Willst du das jetzt wieder tun?« Unzufrieden zog er seine Augenbrauen zusammen. Es passte ihm offensichtlich gar nicht, dass sie wieder abblockte und Asuna konnte ihn verstehen. Dennoch seufzte sie genervt. Oder müde. Sie konnte keinen wirklichen Unterschied feststellen. »Möglich. Wieso fragst du mich das wieder, wenn ich keine Antwort geben will?« Und kann. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie diese. Sie waren definitiv harscher ausgefallen als beabsichtigt, aber sie hatte heute einfach keine Lust mehr, sich mit solchen Dingen herumzuschlagen. Auch wenn es sie störte, dass sie ihre Laune an andere ausließ, konnte sie es nicht verhindern. Tōru schien sich von ihren Worten und die damit verbundene Schärfe nicht beeindrucken zu lassen. Dennoch erwiderte er fast schon wütend: »Weil du mir endlich eine Antwort darauf geben sollst und weil du aufhören sollst, mit deinen Gefühlen alleine klarkommen zu wollen. Wieso fällt dir das so schwer?« Asuna hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten. Sie konnte genau sehen, wie sehr es ihm gerade gegen den Strich ging, dass sie so abblockte. Dennoch ärgerte es sie fast genauso, dass er derjenige war, der ihr Verhalten kritisierte. Deshalb zischte sie fast schon wütend: »Tu nicht so, als wärst du so viel besser darin.« Sie hatte ihre Augen zusammengekniffen. Eigentlich war er der Letzte, der ihr solche Dinge vorhalten durfte. Wer war es gewesen, der mitten in der Nacht davon gesprochen hatte, dass er nicht perfekt war und danach so getan hatte, als wäre nie etwas gewesen? Er! Also sollte er nicht so tun, als wäre es so furchtbar einfach, über Gefühle zu sprechen. Denn es war nicht einfach. Ganz und gar nicht... Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, sodass sich ihre Nägel unangenehm in die Handinnenflächen bohrten. Es war eine verdammte Herausforderung für sie, so ruhig zu bleiben und ihr fiel auf, wie oft sich ihre Emotionen in den letzten Tagen von einem Moment auf den anderen verändert hatten und es auch jetzt taten. Es war anstrengend und ermüdend, aber sie konnte kaum etwas dagegen tun. Wer weiß, was sie Tōru als nächstes an den Kopf geworfen hätte, wenn in diesem Moment nicht Riku wieder zurückgekommen wäre. Sie war noch nie so froh über sein Auftauchen gewesen. Fast schon erleichtert stand sie auf und sah ihn erwartungsvoll an. »Ihr sollt beide rein. Er hat nicht lange Zeit.« Das waren die Worte, die er leise an beide richtete, bevor er in Richtung Ausgang verschwand. Ohne auf Tōru zu warten, betrat sie die Höhle des Löwen. Sie fühlte sich nach wie vor von den vorherigen Geschehnissen sowie dem Gespräch mit Tōru ausgelaugt, aber sobald sie den Raum betrat, wurde sie nervös und schob alle anderen Bedenken in den Hintergrund. Eigentlich mochte sie ihren Direktor, allerdings wusste sie auch, dass er auf Auseinandersetzungen sehr strikt reagierte. Herr Katori saß wie erwartet hinter dem riesigen Schreibtisch und glich mit seinem Anzug und den grauschwarzen, gepflegten Haaren eher einem Präsidenten. Zumindest strahlte er diese gewisse Autorität und Weisheit aus. Da sie bereits öfters aufgrund von Klassensprecheraktivitäten hier gewesen war, brauchte sie sich nicht im Raum umsehen. Sie hatte schon unzählige Male die ganzen Auszeichnungen betrachtet, die die Aobajohsai High bekommen hatte. Tōru hingegen ließ es sich nicht nehmen, sich genauer umzusehen. »Setzt euch.« Asuna zuckte bei dem harschen Ton zusammen und tat wie gefordert. Sie kaute auf ihrer Lippe herum und spielte mit den Fingern. Es war noch nie vorgekommen, dass sie wegen eines Verstoßes auf diesem Platz gesessen hatte. Dementsprechend schlug ihr Herz in einem unüblichen Tempo. Am liebsten wäre sie sofort mit einer Entschuldigung sowie einer Erklärung herausgeplatzt. Allerdings war ihr Hals furchtbar trocken und sie wusste nicht, was sie überhaupt sagen sollte. Ob Riku etwas erzählt hatte? Herr Katori faltete seine Hände und musterte beide Schüler aufmerksam. »In meiner gesamten Zeit als Direktor habe ich es noch nie erlebt, dass gleich drei meiner besten Schüler wegen einer Schlägerei in meinem Zimmer sitzen.« Asuna vernahm aus dem Augenwinkel, dass Tōru bei Weitem gelassener neben ihr saß. Zumindest wirkte es so, denn wie auch bei ihr war das Gespräch von gerade eben noch nicht vergessen. »Ich bin ehrlich gesagt sehr enttäuscht darüber.« Er holte tief Luft und lehnte sich nach hinten. »Die Aobajohsai ist eine angesehene Privatschule und viele junge Leute würden alles dafür tun, um hier lernen zu dürfen. Es ist traurig, dass ihr drei, die dieses Privileg habt, es nicht zu schätzen wisst. Ist euch bewusst, dass Schlägereien an der Seijoh mit einer Suspendierung geahndet werden?« Eindringlich sah er die beiden an. Asuna schluckte. »Darf ich dazu etwas sagen?« Sie könnte sich selbst dafür ohrfeigen, dass sie so zögerlich klang. Nach dem Nicken sprach sie aber weiter und versuchte, sich weniger von ihrer Unsicherheit anmerken zu lassen: »Ich weiß nicht, was Riku Ihnen vorhin erzählt hat, aber ich kann das alles bestimmt erklären, wenn Sie mich lassen. Ich weiß, dass alles gegen uns oder besser gesagt gegen Oikawa-san spricht, aber all das ist nicht ohne Grund passiert.« Stur sah sie Herrn Katori in die Augen. Sie musste das unbedingt klären, denn sie wollte nicht, dass Tōru wegen ihr in Schwierigkeiten geriet. Dieser hatte allerdings andere Pläne. »Was Kurasaki-san sagen möchte, ist, dass ich es war, der Watanabe geschlagen hat. Und ich würde es wieder tun, wenn ich ehrlich bin«, gab er mit verschränkten Armen zu und erntete von Asuna einen {i]Bist du bescheuert-Blick. Doch er ignorierte sie einfach. »Sie hat demnach nichts damit zu tun. Wenn sie also jemanden bestrafen wollen, dann mich.« Fassungslos sah sie von Tōru zu Herrn Katori und wieder zurück zu Tōru. »Was soll das? Wieso sagst du das?«, zischte Asuna und funkelte ihn ungläubig an. Er wirkte unbeeindruckt von der gesamten Situation, weshalb sie verzweifelt die Luft ausstieß. Selbst hier vor dem Direktor schaffte er es, diese Arroganz auszustrahlen. »Du wolltest mich davon abgehalten, aber ich habe nicht auf dich gehört. Also wieso solltest du hierfür zur Rechenschaft gezogen werden?« »Ganz einfach«, antwortete Asuna eindringlich. »Erst dank Riku und mir ist es überhaupt dazu gekommen.« »Dank ihm UND dir? Wohl eher nur dank diesem verdammten Arschloch!« In seinen Augen blitzte Ärger auf und ihm war anzusehen, dass er sich gerade zusammenreißen musste, um nicht lauter zu werden. »Genug!« Herr Katori hob seine Hand und brachte die beiden zum Schweigen. Fast hätte sie vergessen, dass sie sich im Büro des Direktors befanden. »Immer wieder faszinierend, wie junge Leute versuchen, sich gegenseitig zu decken.« Seufzend rieb er sich den Nasenrücken. »Ich kann euch aber beruhigen. Watanabe und ich haben alles besprochen. Er wird diese Schule verlassen. Freiwillig.« Asuna riss ihren Kopf ruckartig nach rechts und ihre Augen weiteten sich bei dieser Neuigkeit überrascht. »W-Was?« Sie konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte, ließ aber erleichtert ihre Schultern sinken und ein kleiner Teil der Last auf ihren Schultern verschwand. Der Gedanke, dass sie ihm nicht mehr jeden Tag begegnen musste, stimmte sie glücklich. Obwohl er ihr immer nur diese reuevollen Blicke zugeworfen hatte, war sie froh, wenn sie diese nicht mehr ertragen musste. Es war gut, dass er nicht mehr in ihrer Nähe sein würde, denn wer garantierte ihr, dass er nicht wieder versuchen würde, sie gegen ihren Willen zu küssen? Tōrus Lippen verzogen sich indes zu einem zufriedenen Lächeln bei dieser Nachricht. »Gut so«, murmelte er neben ihr. »Was nun euch zwar betrifft«, er griff in eine Lade und zog einige Blätter hervor, »Ihr werdet euch einmal die Woche bei dem Hausmeister Fukatsu blicken lassen und alles erledigen, was er euch aufgibt. Bis zum Ende dieses Schuljahres.« Er langte nach einem Stift und fing an, etwas auf das Blatt zu schreiben. Asuna hob perplex die Augenbrauen. Sie beugte sich nach vorne. »Heißt das, wir sind nicht suspendiert?«, hakte die Klassensprecherin sicherheitshalber nach. Die Tatsache, dass sie einmal die Woche nachsitzen mussten, verdrängte sie in diesem Moment. Das war...eine verdammt milde Strafe dafür. Herr Katori schnaubte, hatte allerdings ein Schmunzeln im Gesicht. »Es wäre töricht von mir, den Kapitän des Volleyballteams und die Schulsprecherin von meiner Schule zu werfen.« »S-Schulsprecherin?«, stammelte sie abermals und räusperte sich sofort. Natürlich musste jemand Riku ersetzen, wenn er nicht mehr hier sein würde. Aber sie? Wirklich? Viele andere Schüler wären besser dafür geeignet. »Herr Watanabe und ich sind der Ansicht, dass du perfekt für den Posten geeignet bist. Ich hätte ihm nicht zugestimmt, wenn ich anderer Meinung gewesen wäre«, erwiderte er und setzte eine Unterschrift am Ende. Asuna schwieg. Sie wusste, wie viel Arbeit das Schulsprecheramt bedeutete, was ihre Freude darüber deutlich schmälerte. Allerdings beschwerte sie sich nicht. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Sie konnte froh sein, dass ihr Direktor so nett war. »Nichtsdestotrotz rate ich euch zwei, sich von nun an aus Ärger herauszuhalten. Es war mein Ernst, als ich sagte, dass ich Schlägereien an meiner Schule nicht dulde. Das nächste Mal werde ich euch höchstpersönlich aus dem Gebäude eskortieren.« Er überreichte ihnen die Blätter. Nur eine Entschuldigung für das Fernbleiben des Unterrichts. »Und jetzt geht zurück in eure Klassen.« Hastig nickte sie und erhob sich. Nach der Verbeugung verschwanden sie beide aus dem Raum und es war, als könnte Asuna zumindest ein wenig leichter Luft holen. Tōru ging vor ihr in Richtung ihrer Klassen. Asuna folgte ihm mit einigen Metern Entfernung. Es war merkwürdig ruhig in den Gängen und genauso ruhig war es zwischen ihnen. Niemand wollte über die vergangene halbe Stunde sprechen. Oder zumindest wusste niemand, worüber sie zuerst sprechen wollten. Langsam hob Asuna ihren Kopf und betrachtete den Setter. Ihr war bewusst, dass sie ihm mindestens genauso eine Antwort schuldete wie ein Dankeschön. Sie zerplatzte förmlich und doch kam kein Wort über ihre Lippen. Es war wie zuvor. Sie konnte ihre Emotionen einfach nicht in Worte fassen. Fest biss sie sich auf die Unterlippe, während sie fieberhaft darüber nachdachte, welche Worte sie benutzen sollte. Doch bevor sie auch nur annähernd irgendeinen Plan zurechtgelegt hatte, ertönte ein überzeugtes »Warte!« Es dauerte nur einen Bruchteil einer Sekunde, um zu realisieren, dass diese kurze Wort über ihre Lippen gekommen war. Asuna schloss kurz über ihre eigene Dummheit die Augen, riss sich aber schnell wieder zusammen. Tōru war stehen geblieben und sah unbeteiligt über seine Schulter. Es war, als würde er sie nicht wirklich ernst nehmen, was sie nur noch mehr ärgerte. Aber das ignorierte sie einfach. »Ich wollte dir noch danken, bevor wir uns nicht mehr sehen.« Sie holte tief Luft, da es ihr gerade nicht leichtfiel, darüber zu sprechen. »Also...nicht dafür, dass du Riku geschlagen hast, sondern dass du mich gerade vorhin verteidigt hast und einfach...da warst.« Wow. Sie war so unglaublich schlecht darin. Machte irgendetwas davon was sie sagte überhaupt Sinn? Peinlich berührt zog sie an den Ärmeln ihres Blazers. Der wichtigste Teil fehlte allerdings noch. »Und du hast recht mit dem, was du vorhin gesagt hast. Ich will mit meinen Gefühlen selbst klarkommen, weil ich es irgendwie schon immer musste und ich es gewohnt bin. Außerdem kann ich es nicht leiden, wenn...wenn man merkt wie unsicher und verwundbar ich sein kann. Das ist also wirklich nicht einfach für mich. Und die Sache mit Riku hat all das nicht besser gemacht. Im Gegenteil. Ich frage mich seit damals ständig, was ich eigentlich falsch gemacht habe und ob mein Urteilsvermögen nicht doch völlig beschissen ist.« Sie seufzte auf. »Was ich eigentlich damit sagen will: Nein. Mir geht es nicht gut, aber ich werde damit klar kommen. Was auch sonst?« Asuna holte tief Luft, verschränkte ihre Arme und starrte aus dem Fenster. Ihre Schultern fühlten sich plötzlich um Tonnen leichter an und doch war es ihr furchtbar unangenehm, dass sie hier auf dem leeren Flur so frei über ihre Gefühle gesprochen hatte. Wobei gesprochen der falsche Begriff dafür war. Es war viel mehr ein frustrierter Ausbruch über Bruchstücke ihres Innenlebens gewesen, die sie dem Setter und dem leeren Flur präsentiert hatte. Und dass Tōru nichts sagte, sondern sie nur anstarrte, machte es nicht besser. Sie ließ ihre Arme wieder sinken und erwiderte fast schon genervt seinen Blick. Sie hatte das Gefühl, einen Monolog zu führen. Deshalb fügte sie widerwillig hinzu: »Jetzt habe ich dir eine Antwort auf deine Frage gegeben und du willst nichts dazu sagen? Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich vielleicht einfach die Kla-« Sie konnte ihren Satz nicht beenden, da Tōru plötzlich den Abstand zwischen ihnen verringerte und ihr Gesicht mit seinen Händen umfasste. Asuna erstarrte bei der abrupten Berührung und ihre Augen weiteten sich minimal. W-Was zum Teufel tat er da? »Sieh mich nicht so geschockt an. Ich will mir nur etwas genauer ansehen«, murmelte er und drehte ihren Kopf ein wenig nach links. Asuna fühlte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Es war unangenehm, dass er sie so ansah. Bei diesem Licht, bei dieser Nähe und auf diese akribische Weise. Als würde er etwas suchen und sie wusste auch genau was. Deshalb meinte sie: »Es hat nicht so sehr wehgetan. Deshalb sieht man auch fast nichts. Und weil ich jede Menge Make-Up benutzt habe.« Sie sah an ihm vorbei, weil sie einfach nicht gerne darüber sprach. »Hm«, erwiderte er nur und strich mit seinem Finger ihren Wangenknochen entlang. Genau dort, wo sich die helle Blessur befand. Asuna wusste nicht, ob er etwas sehen konnte oder ob er einfach nur gut geraten hatte, aber sie kniff unbewusst jenes Auge zusammen, was Tōru dazu veranlasste, seine Muskeln anzuspannen. »Das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, werde ich mich nicht zurückhalten.« Asuna, die über diese Aussage nicht überrascht war, holte tief Luft und griff nach seinen Handgelenken, um seine Arme nach unten zu drücken. Die Wärme verschwand mit seinen Händen. »Wenn du das tust, wirst du eindeutig von der Schule fliegen und was wäre die Seijoh ohne Oikawa Tōru?« »War das gerader purer Sarkasmus, oder zumindest so etwas Ähnliches wie ein Kompliment?«, hakte Tōru nach und schob seine Hände in seinen Hosentaschen. Sein dezentes Grinsen erleichterte sie, denn es lenkte das Gespräch in ein weitaus weniger ernstes Gespräch. »Interpretationssache?«, gab sie schulterzuckend zurück. Ihr Mundwinkel zuckte verdächtig, allerdings konnte sie sich nicht ganz zu einem Lächeln durchringen. Tōru wollte etwas sagen, wurde aber von einer Stimme unterbrochen: »Hey, ihr zwei! Solltet ihr nicht im Unterricht sein?« Asuna beugte sich nach rechts, um an Tōru vorbeizusehen. Frau Kunima sah vom anderen Ende des Flures zu ihnen. Im Gegenteil zu Herrn Ming, wirkte sie bei Weitem ruhiger. »Tut uns leid! Wir waren beim Direktor und werden gleich wieder in die Klasse gehen, Kunimi-sensei.« Tōru schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, was sie zu beruhigen schien. »Gut. Beeilt euch«, mahnte sie und setzte ihren Weg fort. Sie beide waren wieder alleine. »Sie hat recht. Lass uns gehen.« Tōru ging an ihr vorbei, da sie bereits ziemlich spät dran waren. Genauer gesagt haben sie bereits fast eine gesamte Stunde verloren. Asuna folgte ihm und während sie schweigend zu den Klassenräumen gingen, kam ihr wieder der kleine Gefühlsausbruch von vorhin in den Sinn. Das und das Tōru nicht darauf geantwortet hatte. Es war nicht so, als hätte sie irgendetwas Bestimmtes erwartet. Aber wenn sie darüber nachdachte, dann hatte es ziemlich gutgetan, all ihre wirren Gedanken auf wirre Weise jemandem anzuvertrauen. Auch wenn sie niemals damit gerechnet hätte, dass dieser jemand Tōru sein würde. Absurd, wenn sie ehrlich war. Vielleicht lag es einfach an seiner Art, solange zu nerven, bis man schließlich nachgab? »Asuna?«, kam es unerwartet von Tōru, der stehen geblieben war und sie so darauf hinwies, dass sie bereits vor seiner Klasse angekommen waren. »Hm?« Sie sah ihn abwartend an, konnte sich keinen Reim daraus machen, was er jetzt noch von ihr wollte. Das war auch umsonst, denn in seinen Kopf sehen zu wollen, war fast unmöglich. Deshalb wäre es auch nie vorhersehbar gewesen, was er als Nächstes tat. Er griff nach ihrer Hand und zog sie zu sich. Asuna stolperte nach vorne und stieß gegen Tōru, der seine Arme um ihren Körper schlang. Völlig versteift blinzelte sie perplex über diese unerwartete Geste. Wie zuvor auch stieg ihr die Hitze in die Wangen und auch wenn sie es nie zugeben würde, schlug ihr Herz plötzlich doppelt so schnell. Sich keinen Zentimeter bewegend, murmelte sie: »Was...soll das werden?« »Pshhhh«, fing er an und drückte sie näher zu sich, wobei das kaum noch möglich war. »Ich versuche gerade, dir Trost zu spenden. Das hätte ich eigentlich vorhin schon tun sollen, aber ich habe den Moment verpasst«, antwortete er, als würde er über das Wetter sprechen. War das sein Ernst? »Und du glaubst, dass das gerade der richtige Moment ist?« Sie bekam hier beinahe eine Herzattacke und er...er sagte das so locker? Als wäre verdammt noch mal nichts dabei? Sie hob ihre Arme und hatte vor, ihn von sich zu schieben, stoppte allerdings bei seinen nächsten Worten. »Nein, eigentlich nicht, aber ich bin nicht gut daran, jemanden mit Worten aufzubauen. Das übernimmt im Team meistens Iwa. Ich benutze lieber...Taten.« Was du nicht sagst, dachte sie sich. »Aber ich will es trotzdem versuchen und dir sagen, dass du das gut gemacht hast. Vielleicht könntest du das nächste Mal gleich auf meine Frage antworten, aber ansonsten bin ich richtig stolz auf dich.« »Wow.« Asuna lachte und schob Tōru nun doch von sich. »Tu mir einen Gefallen und bleib bei Taten. Du bist mit Worten mindestens genauso schlecht wie ich«, meinte sie, nur um abermals leise aufzulachen. Also sie konnte verstehen, weshalb Iwa durch seine Reden für Motivation sorgte und Tōru dafür seine bloße Anwesenheit und sein Verhalten benutzte. Tōru zuckte mit den Schultern und lächelte. Er machte ein paar Schritte nach hinten und griff nach der Türklinke, die zur Klasse führte. Asuna beobachtete ihn dabei und konnte nach wie vor nicht aufhören, über seine Worte zu grinsen. »Also eigentlich finde ich, dass ich das ziemlich gut gemacht habe. Immerhin hast du seit wann zum ersten Mal wieder gelacht? Seit Tagen?« Asunas Grinsen flachte etwas ab und wurde schließlich zu einem Lächeln. Zu einem ehrlichen Lächeln. Es war ihr nicht aufgefallen, dass sie seit so langer Zeit nicht mehr wirklich gelacht hatte. Auch wenn man es ihr nicht verübeln konnte, so war es doch...bedrückend gewesen. Deshalb schuldete sie Tōru etwas. Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag. »Du hast recht. Danke. Schon wieder.« Es klang kleinlaut, aber auch überzeugt. Sie hätte nie gedacht, dass Tōru derjenige sein würde, dem sie für diese Dinge danken würde. Aber was hatte sie sich von den letzten Tagen und Wochen überhaupt erwartet? »Gern geschehen. Nur tu mir auch du einen Gefallen und beantworte mir das nächste Mal einfach gleich die Frage, klar?« Er sah sie dieses Mal ernst an und sein Blick verlangte keine Widerrede. Asuna hatte aber auch nicht vor, zu verneinen. Vielleicht war es doch besser, einfach klar und deutlich zu sagen, dass es ihr nicht gut ging. Sie konnte zwar nicht versprechen, dass es ihr ab jetzt einfacher fallen würde, aber sie wollte zumindest daran Arbeiten. Immerhin hatte sie das immense Gefühl der Erleichterung in jeder Zelle ihres Körpers wahrgenommen. Aus diesem Grund nickte sie langsam. »Ich werde es versuchen.« Es klang...nein, es war ein Versprechen. Eines, welches belanglos schien. Eines, welches man einfach so mal...aussprach. Aber auch wie eines, welches genauso schnell gebrochen werden konnte. Kapitel 15: the reason for my lack of patience. ----------------------------------------------- ● • . Am folgenden Tag war Riku zum letzten Mal in die Schule gekommen. Es war für sie eine Erleichterung und für alle anderen ein Schock gewesen, als er bei einer Sitzung mit allen Klassenvertretern verkündet hatte, dass er die Schule und sogar die Präfektur verlassen würde. Asuna hatte danach nochmal kurz mit ihm gesprochen. Es war für sie ein abschließendes und vor allem notwendiges Gespräch gewesen. So wie ihre letzten Worte an Riku. »Ich habe dir nicht vergeben, Riku. Und das werde ich auch nie, aber ich bin mir sicher, dass du klug genug bist, um aus deinen Fehlern zu lernen. Manchmal braucht es eine zweite Chance. Das ist deine. Ich hoffe, du nutzt sie.« Sie hatte ihm daraufhin den Rücken gekehrt. Ein für alle mal. Sie erinnerte sich auch daran, dass sie lächeln musste. Einer der wenigen Gründe, welcher ihr in den letzten Tagen gute Laune bescherte hatte. Aber die Freude hielt nicht lange an. Nachdem sie das Ergebnis des letzten Mathematiktests zurückbekommen und für ihre Verhältnisse schlecht abgeschnitten hatte, wurde sie auch noch von ihrer Lehrern für ihre mangelnde Aufmerksamkeit ermahnt. Sie sagte Frau Narata, dass es schlicht an ihrem Privatleben lag. Diese packte natürlich sofort ihre schulpsychologischen Kenntnisse aus, was Asuna ihr nicht verübeln konnte. Immerhin war sie nicht nur Mathematiklehrerin, sondern auch die Vertrauenslehrerin. Asuna hatte die Ratschläge schließlich dankend zur Kenntnis genommen und war mit enttäuschter Miene über den Test verschwunden. Jana hatte es auch nicht besser gemacht, denn diese hatte nur ungläubig gelacht. Kurasaki Asuna eine Drei auf einen Mathematiktest? Niemals. Zumindest hatte ihre beste Freundin das gedacht, aber es war bittere Realität. Klar. Für manche war eine Drei nicht schlimm, aber für Asuna, die immer zu den besten gehörte, war es nahezu ein Weltuntergang. Etwas was auch ihren Eltern nicht gefallen hatte. Und dass sie zusätzlich Nachsitzen musste, hatte sie ihnen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gesagt. Das Gespräch während des Abendessens, als sie wieder zurück in Miyagi waren, war dementsprechend...lustig gewesen. Allerdings hatte die Freude über das Zusammensein überwogen, weshalb der Ärger schnell verblasst war. Zum Glück. Da sie das Wochenende so sehr genossen hatte, bestritt sie umso schlecht gelaunt den Montag. Denn Montag bedeutete für die restliche Schulzeit eines: Nachsitzen. Etwas, womit sich Asuna bis jetzt nie auseinandersetzen musste. Umso genervter stand sie vor dem Zimmer des Hausmeisters, um auf Anweisungen zu warten. Gemeinsam mit Oikawa, der anscheinend genauso schlecht gelaunt war. In den letzten Tagen hatte sie nicht miteinander geredet. Meistens war er in den Pausen mit Hina unterwegs. Asuna beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Er hatte sich gegen die Wand gelehnt und seine Hände in die Hosentaschen geschoben. Seine Miene war nachdenklich und wie so oft würde sie alles dafür gegeben, um in seinen Kopf sehen zu dürfen. Dann wüsste sie vielleicht auch, was nun zwischen ihm und Hina lief. Die kleine Auseinandersetzung in der Cafeteria musste jedoch Schnee von gestern sein, denn jedes Mal wenn sie die beiden sah, klebte Hina förmlich bei ihm. Anscheinend hatte sie ihm vergeben. Wofür auch immer. Was sie zumindest wusste, war, dass sie nicht zusammen sein konnten. Das hätte sich in der Schule verbreitet wie ein Lauffeuer, als konnte sie das wohl abhacken. Allerdings waren die beiden nicht einfach nur Freunde. Oder? Vielleicht hatten sie ja auch ein Freundschaftsplus. Prompt schüttelte sie den Kopf. Niemals würde sich Hina darauf einlassen. Wenn sie aber darüber nachdachte, dann würde sie vermutlich einiges tun, um ihn länger an ihrer Seite zu....stopp! Das wollte sie Hina nicht unterstellen. Das war nicht fair. Seufzend lenkte sie ihre Gedanken in eine andere Richtung und zum Glück dauerte es von da nicht lange, bis der Hausmeister tatsächlich endlich auftauchte. Mit einer mürrischen Miene stapfte er an ihnen vorbei. »Mitkommen«, murmelte er. Asuna folgte ihm mit wenig Elan bis zu einer Abstellkammer, wo er einige Dinge holte. Unweigerlich musste sie daran denken, als Oikawa und sie diese Räumlichkeit auf eine andere Art und Weise genutzt hatten. Hitze stieg ihr in die Wangen und peinlich berührt starrte sie auf den Boden. Keine Ahnung ob Oikawa auch an damals denken musste, aber ihr tat es nicht wirklich gut. Insbesondere, da sie sich daran erinnerte, als wäre es gestern gewesen. Zum ersten Mal war sie richtig froh, als sie jemand unwirsch unterbrach und ihr einen Eimer entgegen hielt. Asuna zuckte zusammen und warf ihm einen irritierten Blick zu. »Halten.« Irritiert starrte sie auf den Behälter, nahm diesen jedoch schnell in die Hand. Sie wollte es sich mit dem Mann nicht verscherzen. Auch Oikawa drückte er etwas in die Hand und so gingen sie nach draußen. »Oh nein«, entkam es ihr mit einem eindeutigen Kopfschütteln. »Niemals!« Sie starrte auf den mittlerweile geleerten Pool, der eindeutig gereinigt werden musste. Kein Problem, wenn diese Aufgabe nicht von ihnen übernommen werden musste. »Sie hat recht. Das dauert Stunden, bis wir das zu zweit gereinigt haben.« Oikawa starrte skeptisch auf das Putzzeug. »Dann solltet ihr schnellstmöglich damit anfangen«, erwiderte er spöttisch und machte sich damit keine Freunde. »Ich trage nicht mal ansatzweise passende Kleidung dafür«, murmelte Asuna mehr zu sich selbst und schob die Ärmel ihres Hemdes nach oben. Weder ihre Schuhe noch ihr Rock waren für das Putzen eines riesigen Außenpools geeignet. »Das ist nicht mein Problem, Kleine.« Wie zuvor auch drückte er ihr etwas in die Hand. Dieses Mal war es eine Bürste mit langem Stiel. »Wenn ihr schnell seid, schafft ihr heute noch ein Viertel.« Schadenfroh grinste er und verschwand wieder ins Innere. Dass die beiden das Putzen für das Schwimmteam, welches ihr Training bereits in die Halle verlegt hatte, übernehmen mussten, war wirklich Strafe genug. Da hatte sich der Direktor selbst übertroffen. Oikawa seufzte nur, nahm das Putzzeug und begab sich ins Innere des Pools. Asuna folgte ihm. Sie hatten jede Menge Putzmittel bekommen. Zusätzlich lag am Boden ein Wasserschlauch, aus dem bereits Wasser floss. Anscheinend hatte der Hausmeister bereits für Wasser gesorgt. Ohne Worte fingen sie an, zu putzen. Es war langweilig und anstrengend. Eine schlechte Kombination. Asuna tauchte die Borsten in das Seifenwasser und schrubbte die Wände, die einfach nicht sauberer werden wollten. Außerdem kam sie nicht mal bis ganz nach oben. Sie musste springen und nicht mal dann erreichte sie den Beckenrand. Beinahe wäre sie weggerutscht, weshalb sie kurzerhand entschloss, ihre Schuhe auszuziehen. Genervt schmiss sie diese einfach nach oben. Ihre Strümpfe, die zu der Schulkleidung gehörten, folgten. Prompt wurde ihr kälter, aber das ignorierte sie gerade getrost. Stattdessen band sie ihre Haare zusätzlich zu einem Dutt. Die Blicke von Oikawa ignorierte sie gekonnt und das tat sie auch in den nächsten Minuten. Sie wollte diese Arbeit einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen. Nachdem Asuna es aufgegeben hatte, die Wände zu säuber, hatte sie den Pool verlassen, um die Startblöcke zu reinigen. Nicht wirklich eine bessere Aufgabe, aber wenigstens klebte hier der Dreck nicht an der Oberfläche wie Kaugummi. Schließlich war es Asuna, die die Stille brach: »Könntest du mir den Schwamm geben? Er ist in dem einen Eimer voller Wasser.« Für den nicht so offensichtlichen Dreck brauchte sie eindeutig einen Schwamm und den hatte sie im Pool vergessen. Sie streckte sich und wartete darauf, dass Oikawa ihrer Bitte nachkam. »Asuna? Fang!«, rief er ihr plötzlich zu und ehe sie sich versah, flog der große und nasse Schwamm auf sie zu. Sie konnte kaum reagieren und riss ihre Arme nach oben, um ihn aufzufangen. Der Wurf war allerdings so hoch, dass sie ihn über ihrem Kopf fangen musste. Kein Problem, wenn der Schwamm nicht komplett mit Wasser vollgesogen gewesen wäre. Der ganze Schaum sowie das mittlerweile lauwarme Wasser spitzte ihr ins Gesicht. Etwas überrascht, und das war untertrieben, erstarrte sie und nahm fassungslos zur Kenntnis, wie sich ein Teil ihres Oberteils durchweicht wurde. Wieso konnte sich ein so riesiger Schwamm auch mit gefühlt 100 Liter Flüssigkeit vollsaugen? Asuna ließ ihn fallen und sah an sich herab. Angewidert, denn das Wasser war nicht mehr das sauberste gewesen, zog sie an dem Stoff ihrer Bluse. Das Lachen von Oikawa drang alsbald zu ihr und sorgte dafür, dass sich ihre Augenbrauen gefährlich zusammenzogen. »Das ist überhaupt nicht lustig. Das ist...eklig und kalt.« Frustriert hätte sie beinahe mit dem Bein aufgestampft, aber das hätte ihre Situation nur noch erbärmlicher gemacht. Sie stöhnte genervt, strich sich ihre nassen Strähnen nach hinten und fuhr sich schließlich über das Gesicht, um das Wasser wegzuwischen. »Ich weiß nicht«, fing er an und musste bei ihrem Anblick abermals lachen, »irgendwie ist es schon lustig. Du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen sollen.« Asuna schnaubte nur und griff nach dem Schwamm, den sie achtlos auf den Boden geworfen hatte. Noch einmal fuhr sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Dabei konnte sie nicht verhindern, dass sie einige mörderische Blicke in Richtung Oikawa warf. Schön für ihn, wenn ihm ihr Leiden so sehr gefiel. Mürrisch machte sie sich daran, die Startblöcke zur Gänze sauber zu bekommen. Je länger sie dies tat, desto kälter wurde ihr. Die Temperaturen waren zwar noch weit davon entfernt, als wirklich kalt zu gelten, aber da es in den letzten Wochen so unerträglich heiß gewesen war, reichten selbst 20 Grad, um Asuna frösteln zu lassen. Das kalte Wasser war auch nicht sehr förderlich. Seufzend versuchte sie, die Blöcke so schnell wie möglich sauber zu bekommen. Sie wollte nachhause und ein heißes Bad nehmen. »Hey, du hast da eine Stelle übersehen.« Oikawa deutete nach oben und brachte Asuna dazu, von ihrer Arbeit abzulassen. »Ist das dein Ernst?«, fragte sie trocken, nachdem die Ader auf ihrer Schläfe gefährlich gezuckt hatte. Als müsste alles auf Hochglanz poliert werden. Im Grunde wusste sie, dass er sie einfach nur provozieren wollte, aber sie war heute bereits so mies gelaunt, dass sie auf jede Kleinigkeit anspringen würde. »Ja, das würde ich nochmal machen, wenn ich du wäre.« Ernst nickte er. »Ich weiß, dass die so etwas schwer fällt, aber könntest du bitte die Klappe halten? Danke.« Sie wusste, dass sie zickig klang, aber konnte man es ihr verübeln? Selbst wenn sie zum Teil selbst Schuld an dieser Strafarbeit war, nervte es sie einfach tierisch. »Es macht aber Spaß, dich zu ärgern«, gab er ihr als Antwort und schmunzelte vor sich hin. Asuna verdrehte die Augen und kümmerte sich um den letzten Block. Halbherzig putzte sie ihn und begab sich anschließend wieder in den Pool. Sie würde sich liebend gerne auf den Boden setzen, aber dieser war völlig nass. Sie rieb sich die Unterarme, welche bereits eine dezente Gänsehaut zierten. Sie dachte daran, das es erst das erste Nachsitzen von vielen war. Bis zu ihrem Abschluss waren es noch einige Wochen. Noch viele Montage, die sie mit Oikawa verbringen durfte. Gut. So schlimm war es auch nun wieder nicht. Vor allem da sie sich in letzter Zeit eigentlich ganz gut verstanden. Ihr kam jedoch sofort der Gedanke, dass diese Tatsache Hina gar nicht gefallen würde. Selbst wenn Asuna sie zu Beginn als wenig eifersüchtig empfunden hatte, konnte es die Zweitklässlerin einfach nicht kalt lassen.Schon gar nicht, nachdem sie damals in der Cafeteria so empfindlich reagiert hatte. Außerdem musste sie auch von den Gerüchten gehört haben und zumindest ahnen, was zwischen ihr und Oikawa gelaufen war. Plötzlich zuckte Asuna heftig zusammen, als kalte Wassertropfen auf ihre Haut fielen. »Yahhh, was sollte das denn jetzt wieder?«, zischte sie und funkelte Oikawa wütend an. Dieser hielt den Wasserschlauch ihre Richtung und zuckte unschuldig mit den Schultern. »Ich habe gerade drei Mal deinen Namen gesagt, aber du hast nicht reagiert. Da dachte ich mir, ich muss dich mal kurz aus den Gedanken reißen.« »Ach ja? Das hast du dir gedacht?« Wären sie jetzt in einem Anime, würde ihr Gesicht knallrot anlaufen. Stattdessen ging sie auf ihn zu und verschränkte ihre Arme. »Manchmal machst du es mir echt schwer, mich zu beherrschen.« »Ist das so?« Er legte seinen Kopf schief und machte eine ausschweifende Handbewegung, welche sein Erscheinungsbild hervorheben sollte. »Deshalb?« Asuna holte tief Luft. Wer schlug sich freiwillig mit diesem eingebildeten Jungen herum? Also wer, abgesehen von ihr. Für fast ein Jahr lang. Sie sah auf den Boden und entdeckte den Eimer, in dem zumindest noch ein wenig Wasser war. Bis zu dem Zeitpunkt hatte sie eigentlich keine Hintergedanken. Erst indem Oikawa einen Schritt nach hinten machte, kam ihr die Idee. Unheilvoll sah sie zwischen dem Eimer und Oikawa hin und her. Eigentlich war sie niemand, der sich zu solche bescheuerte Dinge hinreißen ließ, aber eigentlich war es doch nur...Wasser. Asuna ging in die Knie und griff nach dem Eimer. Oikawa warf ihr einen panischen Blick zu, den er eigentlich nur bei Iwaizumi zeigte. Abwehrend hob er sein Arme und wollte etwas sagen, doch Asuna zögerte in diesem Fall nicht und schütte ihm den Inhalt entgegen. Es war tatsächlich nicht viel Wasser, aber es reichte aus, um sein Hemd, fast wie ihre Bluse, nass zu machen. Zufrieden schmiss sie den Eimer auf den Boden. »Siehst du? Aus diesem Grund solltest du manchmal lieber die Klappe halten«, meinte sie mit einem scheinheiligen Lächeln im Gesicht und sah ihm dabei zu, wie er an seinem Hemd zog. Das kam ihr bekannt vor. Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. Das hatte er von seinen kleinen Spielchen. Es war irgendwie befriedigend. »Das war gerade echt gemein. Für den Schwamm konnte ich nichts und das vorhin waren nur ein paar Wassertropfen«, jammerte er, doch Asuna hatte kein Mitleid. »Als ob!«, schnaubte sie. »Das war auch für all die kleinen Kommentare und die Kritik.« Oikawa hob seine Augenbrauen und grinste, anstatt zu schmollen. »Also ist das deine Art, mit Kritik umzugehen?« »Du hast mir kaum eine andere Wahl gelassen.« Während für Asuna das Gespräch so gut beendet war, wanderten seine Augen zu dem Wasserschlauch, der nach wie vor auf dem Boden lag und fröhlich vor sich hin plätscherte. Diese Tatsache entging ihr natürlich nicht und weil sie den Setter doch irgendwie kannte, ließ sie das unruhig werden. »Wenn du das tust, kommst du hier nicht mehr lebend weg«, warnte sie ihn. Es erinnerte sie an den Tag im Freibad, als er sie in das Wasser geschmissen hatte. Damals hatte er nicht auf sie gehört und das würde er jetzt auch nicht tun. »Das Risiko muss ich wohl eingehen.« Mit diesen Worten wollte er nach dem Schlauch greifen, doch Asuna reagierte mindestens genauso schnell. Beinahe stießen ihre Köpfe zusammen, was sie zum Glück noch abwenden konnte. Stattdessen packte sie zum gleichen Moment nach dem Objekt der Begierde und umklammerte es, als würde ihr Leben davon abhängen. Was nicht völlig falsch war. Energisch drückte sie das Ende von sich, damit sie ja nicht noch mehr Wasser abbekam. »Den bekommst du nicht einfach so«, murmelte sie konzentriert und versuchte, ihm den Schlauch zu entreißen. Vergebens, was keine große Überraschung war. »Du weißt hoffentlich, dass deine Bemühungen umsonst sind?« Asuna hörte deutlich die Belustigung aus seiner Stimme, ignorierte diese aber gekonnt. »Gib das her!« Sie drehte sich zur Hälfte um, damit sie fester daran ziehen konnte. Sie stemmte sich mit ihrem gesamten Gewicht dagegen. Abermals vergebens. Er bewegte sich keinen Zentimeter. »Ernsthaft, Asuna-chan. Schone deine Kräfte für das Putzen.« Lachend zog er kurz an dem Schlauch, sodass sie zurück gerissen wurde. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an. Sie standen sich nahe gegenüber. Ihr Blick wanderte zu ihrer Hand, die halb auf Oikawas lag. War das zu gemein? Ach was. Asuna grinste abermals, ehe sie einfach das kürzere Ende umdrehte, sodass sich der Wasserstrahl direkt auf ihn richtete. Dieses Mal war es nicht so wenig wie vorher. Allerdings hielt ihre Freude nur kurz. Da Oikawa deutlich mehr Kraft hatte als sie, war es für ihn ein Leichtes, ihre Hand einfach wegzudrücken. Asuna wehrte sich natürlich. »Okay! Waffenstillstand«, kam es von ihr schließlich angestrengt, ließ aber nicht los. »Ach! Sobald es ernst wird und du in Bedrängnis gerätst, gibst du auf? Ziemlich schwach von dir.« Oikawa sagte dies, ohne irgendwelche Hintergedanken zu haben, aber bei Asuna sorgten sie dafür, dass sie kurz innehielt. Unweigerlich kam ihr in den Sinn, als sie jedes Mal Panik bekommen hatte, wenn sie an die Beziehung zu Oikawa denken musste. Die Panik, als er sie damals geküsst hatte. Einfach jeder Moment, indem es einfach...ernst geworden war. Und so ungern sie es zugab, aber er hatte recht. Sie gab immer auf, sobald es ernst wurde. Asuna ließ ihre Schultern sinken und lockerte zudem endgültig den Griff um den Schlauch. »Scheint so«, murmelte sie kurz angebunden und seufzte. Selbst so eine kurze Aussage schaffte es, sie völlig aus dem Konzept zu bringen. Es zeigte ihr nur zu deutlich, dass es sie nach wie vor beschäftigte und sie nicht wirklich damit abgeschlossen hatte. Weshalb fiel es ihr so schwer, loszulassen? »Stören wir euch bei irgendetwas?«, ertönte es plötzlich von oben, sodass beide mindestens einen halben Meter Abstand zwischen sich brachten. »Was macht ihr denn hier?« Asuna strich sich die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Es war nicht so, dass es ihr übermäßig peinlich war, dass Oikawa und sie sich gerade so untypisch nahe gewesen waren. Allerdings konnte sie Janas Grinsen selbst von dieser Entfernung erkennen, was sie diese kleine Spielerei doch ein wenig bereuen ließ. »Naja, die Sonne geht bald unter und nachdem keiner von euch auf Anrufe reagiert, haben wir uns gedacht, wir schauen mal vorbei.« »Ja«, stimmte ihre beste Freundin zu. »Wir hatten die Befürchtung, dass ihr euch gegenseitig umbringt, aber anscheinend waren unsere Ängste um sonst.« Sie lachte leise, woraufhin Asuna die Augen verdrehen musste. Sie kannte Jana gut genug, um zu wissen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Um das Gespräch in eine andere Richtung zu lotsen, fragte sich nach der Uhrzeit und war überrascht, dass es bereits 18:00 Uhr war. Ihr war es vorgekommen, als hätten sie mit dem Putzen gerade erst begonnen. »Wir müssen dem Hausmeister nicht Bescheid geben, dass wir gehen, oder?«, fragte sie deshalb Oikawa, wobei es sich um eine eher rhetorische Frage handelte. Dieser schüttelte belustigt den Kopf. »Bestimmt nicht. Spätestens wenn er sieht, dass wir nicht mehr hier sind, wird er es merken.« Mit diesen Worten verließen sie den Pool. Asuna zog sich zusätzlich ihre Kniestrümpfe und Schuhe wieder an. Jana und Iwaizumi hatten natürlich auf die beiden gewartet. »Hatschi!« Asuna hielt sich die Hände vor das Gesicht, als sie niesen musste. Sie war gerade bei ihnen zum Stehen gekommen. Dabei wurde ihr ein überraschter Blick von der Dunkelhaarigen zu ihrer Rechten zugeworfen. »Kein Wunder, dass dir bei 20 Grad kalt ist. Du bist völlig durchnässt.« »So schlimm ist es nicht«, gab sie zur Antwort und untertrieb nicht mal. Immerhin trug sie ihren zum Glück trockenen Blazer über die feuchte Bluse. Dennoch fühlte es sich für die Schülerin nicht wie 20 Grad an. »Sie ist selbst schuld. Wenn sie nicht immer so vorlaut wäre, würde sie jetzt nicht frieren.« Oikawa sah sie von der Seite an und hatte wie so oft ein provokantes Grinsen im Gesicht. Asuna schnaubte. »Als ob! Du hast angefangen. Versuch jetzt nicht, die Tatsachen zu verdrehen.« Iwaizumi lachte plötzlich auf. »Ihr müsstet euch mal zuhören. Jedes Mal wenn ihr euch seht, streitet ihr.« »Ja. Man könnte fast sagen, wie-«, fing Jana an, wurde aber von Asuna unterbrochen. »Oh nein! Sag jetzt nicht das, was ich denke, dass du sagen willst!« »Sag es lieber nicht, Jana-chan, sonst muss ich ihre schlechte Laune wieder ertragen«, jammerte Oikawa und machte sicherheitshalber einen Schritt zur Seite. Asuna hingegen tat es fast schon leid, dass sie heute so schlecht drauf war und obwohl sie nach wie vor nicht wirklich gute Laune hatte, erwiderte sie mit einem Schmunzeln: »Du hast mich noch nie mit einer richtig schlechten Laune erlebt. Also pass auf, was du sagst.« »Du bist neben Iwa wirklich die einzige Person, die ich nie wütend machen möchte«, murmelte er als Antwort, woraufhin Asuna zufrieden mit den Schultern zuckte. Wenigstens etwas. Zum Glück musste sie sich aber nicht weiter Gedanken darüber machen, denn wenige Minuten später trennten sich ihre Wege. Während Iwa mit Jana nachhause ging, verharrte Oikawa an Ort und Stelle. »Was?«, hakte sie nach, da er aussah, als würde er noch etwas sagen wollen. Er schob seine Hände in die Hosentaschen und zuckte wie sie zuvor mit den Schultern. »Nichts. Nur wirst du nächste Woche in Okinawa auch so schlecht drauf sein, oder kann ich beruhigt mitfahren?« Unschuldig grinste er sie an. Asuna drehte sich daraufhin um, hob ihre Hand und erwiderte: »Wirst du dann erfahren, Baka!« Sie grinste dezent, als sein Lachen hörte. Irgendwie war der Tag doch nicht so schlimm gewesen wie befürchtet. Und obwohl sie es ungern zugab, war maßgeblich daran schuld. Da sie sich derzeit nicht schlecht mit ihm vertrug, konnte sie sich auch annähernd auf die Abschlussreise freuen. Kapitel 16: not your property, you little witch ----------------------------------------------- ● • . »Wie konntest du in diesem Zustand zur Schule gehen?«, fragte Oikawa, während sie gemeinsam durch den Flur gingen. In Asunas Fall war es allerdings kein wirkliches Gehen, sondern vielmehr ein Schleppen. Obwohl sie es die gesamten Morgen über geleugnet hatte, musste sie es spätestens jetzt zugeben. Sie war krank. Mit allem, was dazugehörte. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde jemand mit einem Hammer dagegen schlagen und ihre Glieder schmerzten bei jeder noch so kleinen Bewegung. Jede dieser Bewegungen erinnerte sie daran, dass es vermutlich keine gute Idee gewesen war, das Bett zu verlassen und sich in die Schule zu schleppen. Asuna fühlte sich elend, aber weil sie stets das Bedürfnis hatte, eine Vorzeigeschülerin zu sein, hatte sie sich geweigert, zu Hause zu bleiben. Was für eine dumme Idee. »Ich weiß nicht, von welchem Zustand du sprichst«, gab sie zurück und straffte ihre Schultern. Wenn sie schon so erbärmlich aussah, dann wollte sie wenigstens mit Würde erbärmlich aussehen. Blöd nur, dass sie in diesem Augenblick fürchterlich husten musste und es zumindest den letzten Rest der mickrigen Würde nahm. Das gerade Oikawa sie zur Schulärztin begleitete, ärgerte sie dabei fast am meisten. Es war nicht so, dass er sich freiwillig dafür gemeldet hatte. Eigentlich hatte ihr Lehrer ihn als Freiwilligen auserkoren. Er war sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Oder in dem Fall in ihrem Klassenzimmer, weil Iwaizumi unbedingt seine Freundin sehen wollte und ihn mitgeschleppt hatte. Und weil Oikawas Klasse sowieso nur ein Vertretungslehrer in der jetzigen Stunde hatten, durfte er sie zur Ärztin bringen. Ihre Einwand, dass bis dorthin nicht viel passieren konnte, wurden gekonnt ignoriert. Oikawa zog bei ihrer Aussage die Augenbrauen nach oben und erwiderte: »Fängst du schon wieder damit an?« Natürlich wusste sie, was er damit meinte. Und weil sie weder die Energie noch die Lust dazu hatte, mit ihm hier zu diskutieren, wollte sie ehrlich sein. »Mir geht es richtig scheiße, aber ich ertrage das schon. Es ist ja nur eine simple Erkältung.« »Ach ja?«, hakte er nach und zwang sie stehen zu bleiben, indem er mit seiner Hand nach ihrer Schulter griff. Es erinnerte sie an den Moment vor einigen Tagen, als sie auch zu zweit durch den Flur gegangen waren. Jedoch legte er dieses Mal seine Hand auf ihre Stirn. Sie war in vielerlei Hinsicht zu müde, weshalb sie die Geste einfach über sich ergehen ließ. Genaugenommen war sie kurz davor, genießerisch die Augen zu schließen, denn seine kühle Hand fühlte sich furchtbar gut an ihrer erhitzten Stirn an. Dennoch zwang sie sich, nicht schwach zu werden und fokussierte stattdessen die Wand hinter ihm. »Seit wann hat man bei einer simplen Erkältung Fieber?« Er sah sie mit diesem besserwisserischen und überheblichen Ausdruck an, der ihr immer den letzten Nerv raubte, und worin er ziemlich gut war. Das wusste sie auch, ohne ihn anzusehen. Asuna griff schließlich nach seinem Handgelenk und schob seinen Arm mit wenig Kraft von sich. »Bei meiner Definition von Erkältung natürlich.« Ohne auf seine Antwort zu warten, setzte sie ihren Weg fort. Je schneller sie bei der Ärztin sein würde, desto schneller würde sie es hinter sich haben. »Unglaublich wie stur du sein kannst!« Sie seufzte und rieb sich über die Augen, da diese brannten, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Anschließend verstaute sie ihre kalten Hände, die einen Kontrast zu ihrer Stirn bildeten, in die Bauchtaschen ihres Hoodies. Sie würde gerne vernünftig Antworten, aber sie hatte einfach keine Energie dafür. Es war einfach so verdammt anstrengend. Deshalb kam ihr nur ein mattes »Als ob du nicht genauso wärst« über die Lippen. Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich so erkälten konnte. Dabei waren es nur wenige Stunden mit kaltem Wasser gewesen. Umso erleichteter war sie, als sie beim Schularzt ankamen. Sie gab es nicht gerne zu, aber sie war froh, hier zu sein. Sie wusste nicht, ob sie einen gesamten Schultag ertragen hätte. Sie war zwar niemand, der aufgrund einer harmlosen Erkältung sofort zum Arzt rannte und dutzende Tabletten nahm, aber die Kopf- und Gliederschmerzen brachten sie tatsächlich an ihre Grenzen. »Was treibt euch beide denn hier her?«, kam es von der Ärztin, als sie die Krankenstation betreten hatten, jedoch hatte sie dabei bereits ein Auge auf Asuna geworfen. Frau Kiomo war um die 40 Jahre alt, etwas rundlicher und hatte eine herzliche Ausstrahlung, die Asuna stets bewunderte. Außerdem würde sie nie wagen, in ihrer Gegenwart zu lügen. »Mir geht es nicht wirklich gut. Ich habe ziemliche Kopfschmerzen und anscheinend Fieber«, hörte sich Asuna selbst sagen und überrascht mit ihrer Ehrlichkeit Oikawa, der ihr einen kurzen Blick zu warf. Ihre Stimme klang merkwürdig stumpf und tonlos. Es war ihr anzuhören, dass sie sich nicht wohl fühlte. »Das habe ich mir fast gedacht, Kleine. Normalerweise bist du höchstens ein wenig angeschlagen, aber jetzt siehst du aus, als würdest du mir hier gleich umfallen. Komm, setz dich erst mal hier hin!« Asuna ließ sich nur ungern mitschleifen, nachdem dir Ärztin nach ihrem Handgelenk gegriffen hatte, allerdings weigerte sie sich auch nicht. Was würde es ihr auch bringen? Außerdem kannte sie Frau Kiomo zu gut, um ihr zu widersprechen. Es war immerhin nicht das erste Mal, dass sie hier war. Nicht weil sie irgendeine ernste Krankheit hatte. Nein. Sie holte sich nur ab und zu Schmerztabletten, wenn sie wieder mal zu viel Zeit mit Lernen verbracht hatte. »Und wie ich sehe, hat dich Oikawa-san netterweise begleitet. Wie niedlich«, fügte sie hinzu und lächelte zufrieden. Niedlich? Wieso war das niedlich? Sie warf einen kurzen Blick zu Oikawa, der ebenfalls etwas irritiert über diese Aussage schien. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzte sie sich aufs Bett, obwohl sie sich am liebsten sofort hingelegt hätte. Diese Kopfschmerzen brachten sie echt bis an ihre Grenzen! Frau Kiomo drückte ihr einen Fiebermesser in die Hand. »Hier. Miss bitte deine Temperatur. In der Zwischenzeit hole ich dir Tabletten für deine Kopfschmerzen.« Asuna nickte nur. Es stellte sich heraus, dass es nicht gerade das einfachste Unterfangen war, mit ihrer Bluse und dem Pullover die Temperatur zu messen. Doch irgendwie schaffte sie es. »Du musst hier nicht warte. Das weißt du, oder?«, sagte sie an Oikawa gerichtet, der nach wie vor in ihrer Nähe stand und nicht so aussah, als würde er etwas daran ändern. »Klar weiß ich das. Ich warte trotzdem.« »Wieso?« Er setzte sich aufs Bett ihr gegenüber und stützte sich mit seinem Armen ab. »Na ja, ich habe die Wahl zwischen dir und langweiligem Unterricht. Du bist eindeutig das kleinere Übel.« Asunas Augenbrauen zuckten nach oben. »Kleineres Übel?«, wiederholte sie. »Ich könnte dich anstecken und dann könntest du eine Zeit lang nicht Volleyball spielen. Das Risiko willst du eingehen?« »Müsste ich dir da nicht ein wenig näher kommen, um mich bei dir anzustecken?« Nun hob auch er die Augenbrauen und erwartete anscheinend eine ernsthafte Antwort von ihr. Sie rieb sich die Schläfe und bereute ihre Aussage bereits. Sie hätte echt genauer über ihre Worte nachdenken sollen. »Du hast recht. Ein Glück, dass das nicht passieren wird.« Oikawa lachte leise, weshalb Asuna ihre Aufmerksamkeit auf ihn richtete, nachdem sie abwesend auf den Boden gestarrt hatte. »Ein Glück? Sicher, dass dir die Kopfschmerzen nicht die Gedanken vernebeln?«, fragte er sie mit einem Grinsen. Sie verdrehte die Augen, was in seiner Gegenwart irgendwie zur Gewohnheit wurde. »Keine Sorge. Ich bin völlig klar im Kopf«, erwiderte sie, und in dem Moment fing der Fiebermesser an, sich zu melden. Sofort holte sie ihn unter ihrer Kleidung hervor und las die Temperatur. Sie holte tief Luft und schmiss ihn auf das gegenüberliegende Bett. »Ich glaube, der ist kaputt.« Etwas frustriert schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper. Nie im Leben war ihre Temperatur so hoch! Normalerweise bekam sie kein Fieber und wenn, dann ging es ihr bereits bei leicht erhöhter Temperatur dreckig. Oikawa hatte natürlich sofort nach dem Messer gegriffen, um das Ergebnis abzulesen. Etwas überrascht sah er auf. »Wow. Dafür, dass du eine Körpertemperatur von 39,2 Grad hast, geht es dir eigentlich gar nicht so schlecht.« »39,2 Grad??«, rief Frau Kiomo perplex, nachdem sie mit dem Medikament zurückgekehrt war und zusätzlich auch noch ein Glas Wasser dabei hatte. »Wo hast du dir denn das eingefangen?« Asuna nahm ihr alles ab und erklärte, was sie beim Nachsitzen machen musste. In erster Linie war die Krankenschwester allerdings schockiert, dass sie überhaupt eine Strafarbeit erledigen musste. Immerhin war sie sonst eine der Vorzeigeschüler. Nachdem sie die beiden auch noch über den Grund fürs Nachsitzen ausfragen wollte und beide der Fragerei gekonnt ausgewichen waren, war es Zeit für Asuna, sich erschöpft in das Bett zu legen. Frau Kiomo hatte ihr schließlich befohlen, hierzubleiben und sich erst mal auszuruhen. Sie war froh darüber, obwohl sie dadurch Unterricht verpassen würde. Sie spürte das Fieber in jedem einzelnen Muskel. »Wie geht es eigentlich deiner Hand?«, fragte Asuna, während sie das weiche Kissen und die warme Decke genoss. Ihr war aufgefallen, dass er ab und zu über seinen Handrücken rieb. Es war nur eine Kleinigkeit, aber es reichte, um sie daran zu erinnern, dass er Riku ziemlich fest geschlagen hatte. Oikawa schien überrascht über diese Frage zu sein und hob zur Demonstration seinen Arm. »Alles bestens. Ich habe sie danach noch gekühlt und war sicherheitshalber noch beim Arzt. Immerhin sind die beiden,« er hob seine Hände, »jede Menge wert.« »Das beruhigt mich, wenn ich ehrlich bin.« »Oh, hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht?«, meinte er übertrieben gerührt, sodass er sich selbst nicht ernst nehmen konnte und lachen musste. »Halt die Klappe«, grummelte sie und sie war sich sicher, dass ihre Ohren eine rötliche Farbe angenommen hatten. Sie gestand es sich selbst schon ungern, aber da es Oikawa aufgefallen war, war es besonders unangenehm. Dennoch war es nicht zu leugnen, dass sie sich Sorgen gemacht hatte, nachdem er Riku geschlagen hatte. »So siehst du ja fast niedlich aus«, kam es plötzlich von Oikawa, weshalb sie ihn mit halb geschlossenen Augen ansah. Oikawa grinste, weil er genau wusste, dass ihr alles an diesen Worten am Nerv ging. Die Art, wie er es sagte, das Wort niedlich und sein Grinsen sorgten dafür, dass diese (fast) normalen Aussage ihren Puls in die Höhe trieb. »Okay, du kannst jetzt gerne wieder gehen«, murmelte sie deshalb unbeeindruckt und zog die Decke bis zu ihrer Nase. »Werde ich ausnahmsweise sogar. Ich muss mich nämlich noch über den letzten Test in Geschichte beschweren.« »Gut zu wissen, dass du nicht nur mich, sondern auch die Lehrer nervst«, sagte sie und musste dezent schmunzeln. Sie konnte es sich bildlich vorstellen, wie er versuchte, logische Gründe für eine bessere Note zu finden. Vermutlich würden seine Argumente sogar ganz schlüssig sein, wenn sie ehrlich war. Auch wusste sie, wie überzeugend er sein konnte. »Und du bist selbst im Halbschlaf gemein zu mir. Wie schaffst du das?« Er war kurz davor, wieder zu schmollen. Asuna merkte, wie sie immer müder wurde und wie ihre Augen langsam schwerer wurden. »Weiß ich nicht. Das funktioniert nur bei dir«, brachte sie heraus, ehe sie ausgiebig gähnen musste. Ihre Stimme war leise und heiser, sodass man sie kaum verstehen konnte. »Nicht gerade die Ausnahme, die man sein möchte«, erwiderte er sarkastisch. »Aber ich nehme das mal einfach so hin und werde jetzt gehen, damit ich zu einer höheren Punktezahl komme.« Er wollte bereits gehen, als Asuna plötzlich nach seiner Hand griff. Überrascht verharrte er in seiner Bewegung. »Warte!« Sie ließ los, sobald sich ihre Hände berührt hatte. Wie als wäre ein elektrischer Schlag dadurch entstanden. »Ich wollte nur Danke sagen, dass du mitgekommen bist.« Oikawa seufzte theatralisch. »In letzter Zeit bedankst du dich eindeutig zu oft. Vielleicht sollte ich irgendwann mal eine andere Gegenleistung fordern, um für Abwechslung zu sorgen.« »Bloß nicht. Du kommst nur auf blöde Ideen.« »Stimmt. Du kennst mich einfach zu gut.« Mit diesen Worten und einem Lächeln im Gesicht ließ er sie alleine. Der kurze aber anstrengende Schultag und die Zeit mit Oikawa forderten ihr Durchhaltevermögen ungemein, weshalb es keine Überraschung, dass sie binnen kürzester Zeit einschlief. ♛♔ Asuna hatte alles dafür getan, um bis zur Abschlussreise wieder gesund zu sein, denn zwischen dem Besuch bei der Schulärztin und dem Tag der Abreise waren nur wenige Tage gewesen. Dennoch hatte sie es mit viel Ruhe und diversen Hausmitteln geschafft, fieberfrei zu sein und sogar noch einige notwendige Besorgungen zu tätigen. Sie war froh, als sie gemeinsam mit ihrer Mutter und Jana, die bei ihr geschlafen hatte, vor dem Bus stand, der sie alle zum Flughafen bringen würde. »Und du fühlst dich wirklich schon wieder fit genug hierfür?« Ihre Mutter half ihr, den Koffer aus dem Auto zu heben. Es hatte Asuna überrascht, dass sie angeboten hatte, sie zu fahren. Immerhin bedeutete es, dass sie nicht pünktlich zur Arbeit kommen würde. Aber anscheinend war es ihr ein persönliches Anliegen. »Mehr als das. Mir geht es prima.« Sie freute sich bereits so lange darauf, dass sie sogar nach Okinawa gekrochen wäre, wenn es notwendig gewesen wäre. Jana meinte nickend: »Kann ich bestätigen. Ich musste sie gestern Nacht davon abhalten, aufgeregt durch die gesamte Wohnung zu rennen.« »Dann vertraue ich dir mal«, seufzte ihre Mutter und strich sich ihre Haare zurück, die mit einer eleganten Hochsteckfrisur befestigt wurden. Sie trug bereits ein schickes Businessoutfit und wie immer fragte sich Asuna, wie ihre Mutter mit diesen Schuhen Autofahren konnte. Im Gegensatz zu ihr trug Asuna einen kurzen Jeansrock, ein lockeres Trägertop und ihre Lieblingssneakers. Sie konnte gar nicht zählen, wie oft ihre Mutter sie dazu überreden wollte, öfters elegantere Kleidung zu tragen. »Sehr schön. Dann lasst uns zum Bus gehen. Ich muss die Anwesenheit noch checken.« »Lässt sie öfters die Schulsprecherin so raus hängen?«, fragte ihre Mutter mit einem Grinsen, woraufhin Jana lachen musste. »Ab und zu, aber es hält sich in Grenzen.« Asuna ignorierte die Gespräche und nahm sich die Liste aus ihrem Rucksack, nachdem sie den Koffer mit den anderen in den Bus gegeben hatte. »Wie hat es Iwaizumi eigentlich verkraftet, dass du heute bei mir übernachtet hast?« Seit die beiden zusammen waren, hatten sie kaum einen Tag der Nacht ohne den anderen verbracht. »Ach, die kleine Enttäuschung habe ich anderweitig wieder gut gemacht.« »Okay, wieso habe ich eigentlich gefragt?«, murmelte Asuna und machte ein paar Kreuze bei Schülern, die bereits hier waren. Es war bis jetzt nur eine Hand voll, aber noch war es früh. Nicht mal die Schule hatte geöffnet. »Oh, Jana! Du hast einen Freund? Wieso weiß ich nichts davon?« Ihre Mutter, die bis eben noch mit dem Busfahrer gesprochen hatte, hatte ihre Ohren anscheinend überall. Jana nickte. »Jap. Iwaizumi Hajime. Vizekapitän und Ass der Volleyballmannschaft. Und gutaussehend ist er auch noch«, erwiderte sie voller stolz, woraufhin Asuna leise lachen musste. Manchmal war ihre beste Freundin wirklich niedlich. »Na da hast du dir aber den Jackpot geangelt, was?« Natsumi schmunzelte und grüßte nebenbei einige andere Schüler, die doch etwas neugierig waren und die drei offensichtlich anstarrten. Es kam immerhin nicht oft vor, dass Asunas Mutter bei der Schule auftauchte. Und dann auch noch in ihrem Businessoutfit. »Meinen persönlichen Jackpot, ja.« Jana wurde etwas rot, als sie diese Worte aussprach. »Kannst du das noch mal sagen, wenn Iwaizumi hier ist? Ich würde zu gerne eure Gesichter dabei sehen«, spaßte Asuna und notierte sich zugleich, dass wieder einige Schüler gekommen sind. »Bloß nicht! Das wäre doch peinlich.« Jana vergrub ihr Gesicht in beide Hände und brachte Natsumi zum Lachen. »Also die Jugend von heute ist schon eine Sache für sich«, merkte Natsumi an und richtete sich schließlich an ihre Tochter. »Was ist mit dir, Asuna? Hast du dich nicht auch mal mit jemandem aus dem Volleyballteam getroffen?« Mit hochgezogenen Augenbrauen wurde Asuna gemustert, was ihr ganz und gar nicht gefiel. »Kein Kommentar dazu«, antwortete sie schließlich und schenkte ihrer Mutter keine Aufmerksamkeit. Diese seufzte. »Manchmal wünschte ich, du hättest weniger von mir.« Jana kicherte. »Kurasaki-san, Sie können ihn einfach selbst fragen.« Sie deutete unauffällig in Richtung der Parkplätze, allerdings wurde sie schnell weniger euphorisch, als sie die drei Personen sah, die aus einem Auto ausstiegen. »Okay. Vergesst, was ich gesagt habe. Asuna? Anscheinend waren wir zwei nicht die einzigen, die eine Übernachtungsparty hatten.« Asuna riss sich seit Langem von ihrer Liste los und suchte nach dem Grund für Janas Aussage. Was zum...? Sie ließ den Zettel sinken und biss sich unbewusst auf die Unterlippe. Wieso kam Hina gemeinsam mit Oikawa zur Schule? War das ein Statement, dass sie nun endgültig zusammen waren? Sie wollte nicht so offensichtlich starren, aber irgendwie war es ihr auch nicht möglich, nicht hinzusehen. Selbst der irritierte Blick ihrer Mutter half dabei nicht. Stattdessen wartete sie ab, was jetzt passieren würde. Oikawa und Hina sprachen miteinander und das wäre alles nicht so schlimm, wenn sich Hina nicht ständig bei jedem kleinen Wort förmlich auf ihn werfen würde. Okay. Eigentlich konnte sie machen, was sie wollte. Vor allem wenn es Oikawa nicht zu stören schien, aber es gab jemanden, den das Verhalten störte. Sie! Hina nervte sie bis ins Unermessliche mit ihrer niedlichen und fröhlichen Art. Und es ärgerte Asuna, dass die Zweitklässlerin es schaffte, das in ihr auszulösen. »Okay. Anscheinend bin ich zu alt, um zu verstehen, was hier abgeht«, murmelte ihre Mutter neben ihr, bekam aber große Augen, als sie jemanden entdeckte. »Wow! Ist das Saeri? Was macht sie denn hier?« Schneller als Asuna nachfragen konnte, wen sie meinte, war sie verschwunden. Perplex sah sie ihr nach und musste skeptisch die Augenbrauen nach oben ziehen, als ihre Mutter förmlich über den Platz stolzierte. Was hatte sie denn jetzt vor? »Hä? Seit wann kennt deine Mutter die von Oikawa?«, fragte Jana plötzlich überrascht und sorgte dafür, dass etwas Panik in Asuna aufstieg. »Ich habe absolut keine Ahnung«, murmelte sie. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie informierte Jana, dass sie ihre restlichen Aufgaben erledigen würde. Jedoch war ihr eigentliches Ziel ihre Mutter. Sie wollte verhindern, dass sie etwas Dummes tat. Ihre Sorge kam nicht von irgendwo. Natsumi Kurasaki wusste manchmal nicht, wann man besser nicht brutal ehrlich sein sollte und interessierte sich nicht dafür, dass andere Menschen an deren Privatsphäre hingen. Wenn sie so darüber nachdachte, dann war ihre Mutter eine dieser typischen Vorstadtfrauen. Genau deshalb sollte sie dabei sein, wenn sie mit Oikawas Mutter sprach. Um ihr Vorhaben jedoch nicht allzu auffällig umzusetzen, kümmerte sie sich zu erst um die letzten fehlenden Schüler auf ihrer Liste. Bei manchen, die noch nicht hier war, fragte sie bei Freunden nach. Auch Iwaizumi hakte sie ab, nachdem sie ihn bei Jana gesehen hatte. »Ich war überrascht, dass du so schnell vor Jana und mir geflüchtet bist.« Asuna lächelte, als sie die beiden Frauen unterbrach. Hastig begrüßte sie auch Tōrus Mutter, deren Ähnlichkeit zu ihrem Sohn unverkennbar war. »Wow, und du musst Asuna sein. Die Ähnlichkeit zwischen euch ist echt unglaublich.« Ah, anscheinend hatten sie die gleichen Gedanken. »Stimmt. Manchmal ist es ein richtiger Schock, wenn ich sie sehe«, schmunzelte sie und sah an ihr vorbei, wo sie gute Sicht auf Oikawa und Hina hatte. Noch waren die beiden zu sehr damit beschäftigt, um auf die Gruppe aufmerksam zu werden. Natsumi verschränkte ihre Arme. »Das nehme ich einfach mal als Kompliment«, murmelte sie. »Ach, das ist übrigens Oikawa Saeri. Du weißt schon, die Mutter von Tōru, von dem du mir mal erzählst hast.« Und schon wurde es peinlich. Danke, Mama. Asuna nickte langsam und versuchte nicht näher auf den Teil mit Tōru näher einzugehen: »Ah, ja. Das habe ich mir fast gedacht. Anscheinend sind wir nicht die Einzigen, die sich ähnlich sehen.« Das gute Aussehen lag echt in der Familie. Asuna hatte, als sie mal Tōru gewesen war, ein paar Fotos gesehen, aber in natura sah sie noch viel hübscher aus. Und dabei trug sie im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht mal Make-Up. »Ja, nur schade, dass das das Einzige ist, was er von mir hat. Ich hätte nichts dagegen, wenn er weniger Volleyball und mehr Sinn für Hausarbeit im Kopf hätte.« Sie lachte leise, wobei es nicht wirklich vorwurfsvoll oder böse klang. Stattdessen wirkte sie auf Asuna wie jemand, der ihre Kinder bei allem unterstützte, was es auch war. »Wo ist der Junge überhaupt?« Sie sah nach hinten. »Ah, er ist also noch immer bei Hina.« Jap und das gefiel Asuna gar nicht. Jedoch ließ sie sich nichts anmerken und spielte die Unwissende, indem sie sagte: »Ich war überrascht, dass Hina mitgekommen ist. Immerhin dauert es noch, bis die Schule aufsperrt.« Sehr gut. Das war ganz subtil. »Hm, ja. Sie hat bei uns übernachtet, weshalb wir sie heute Morgen nur kurz zu Hause abgesetzt und wieder mitgenommen haben. Ich hatte aber leider noch keine Gelegenheit, viel mit ihr zu reden.« Saeri schien darüber wenig begeistert. »Also ist sie Tōrus Freundin?«, fragte Natsumi und noch nie war Asuna so froh über die Neugierde ihrer Mutter. Das war nämlich genau das, was sie auch wissen wollte. Saeri runzelte die Stirn. »Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Zuerst dachte ich, dass Hina das Mädchen sei, dem Tōru vor einiger Zeit ein Geschenk gemacht hat, aber als ich sie darauf angesprochen habe, schien sie nichts darüber zu wissen«, erwiderte sie nachdenklich und bereute es sofort. »Und vermutlich hätte ich das gerade nicht erzählen sollen.« Asuna dachte sich das Gleiche und sah etwas zu schnell zu ihrer Mutter, die natürlich eins und eins zusammenzähle. Oder es zumindest versuchte. Einige Bruchstücke fehlten ihr nämlich, um die Geschichte zu vollenden. »Oh, meinst du mit Geschenk etwas ein hübsches Armband?« Natsumi lächelte wissend und wollte weiterreden, nachdem Saeri zaghaft nickte, doch Asuna unterbrach sie hastig: »Ah, ja. Tōru hat mir davon erzähl. Tolles Geschenk, leider wissen wir auch nicht, wem er es gegeben hat.« Asuna hoffte inständig, dass ihre Mutter den Wink mit dem Zaunpfahl verstand. Saeri schien etwas verwirrt über die Reaktion zu sein, nickte aber verstehend. »Dann werde ich die Unwissenheit wohl hinnehmen müssen. Er wird mir schon davon erzählen, wenn es etwas Ernsteres sein sollte.« Und dem war hoffentlich nicht so, dachte sich Asuna und ärgerte sich über sie selbst. Sie musste diese bescheuerte Eifersucht unbedingt in den Griff bekommen, oder sie würde irgendwann etwas sehr Dummes tun. Keine Ahnung was, aber auf jeden Fall wäre es dumm. Und da war es nicht sehr hilfreich, dass Oikawa und Hina genau in diesem Moment auf sie zukamen. Sie suchte nach einem Fluchtweg, aber ihre einzige Hoffnung namens Jana war dank Iwaizumis Charme und eigentlich bloße Anwesenheit nicht vorhanden. Verdammt]... Asuna versuchte die beiden nicht zu sehr nieder zu starren, als diese bei ihnen ankamen. Dennoch fiel ihr auf, dass sich Hina nicht gerade wohlfühlte, als sie sich vorstellte. Ausnahmsweise konnte Asuna es ihr nicht verübeln. Auf Außenstehende konnte ihre Mutter ziemlich einschüchternd wirken und da auch noch Saeri hier war, musste sie sich doppelt so unwohl fühlen. Oikawa hingegen wirkte alles andere als unsicher, aber das überraschte sie nicht wirklich. Sie kannte ihn kaum anders. Asuna richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Liste in der Hand, ohne die Namen zu lesen. Dabei bemerkte sie aus dem Augenwinkel, dass ihre Mutter ihr einen eindringlichen Blick zu warf. Anscheinend war die merkwürdige Stimmung auch ihr aufgefallen. »Wie lustig. Wir haben gerade über euch zwei geredet«, sagte Natsumi plötzlich und sorgte dafür, dass Asuna spätestens jetzt ihre Mutter in Gedanken verfluchte. »Tatsächlich?«, hakte Oikawa nach und hob mit einem Grinsen seine Augenbrauen. »Was denn?« »Oh, also-«, fing sie an, wurde aber von Asuna unterbrochen, indem diese etwas zu energisch nach der Schulter ihrer Mutter griff. »Ja, wir haben darüber gesprochen, wie...niedlich ihr zusammen ausseht.« ]Urgh! Sie musste sich zusammenreißen, damit ihr bei ihren eigenen Worten nicht übel wurde. Niedlich? Die zwei waren alles nur nicht niedlich. Als sie in die Runde sah, wurden ihr merkwürdige Blicke zugeworfen. Nur Saeri schien vor sich hin zu Lächeln und nichts in ihre Aussage hineinzuinterpretieren. Asuna räusperte sich und wich gekonnt dem Blick von Oikawa aus, der sein Lachen nicht ganz verstecken konnte. Hina hingegen war alles andere als begeistert, aber das überraschte sie nicht. Immerhin fehlte ihr immer die Begeisterung, wenn Asuna anwesend war. »Ja, so in etwa verlief unser Gespräch«, meinte ihre Mutter mit einer Spur Misstrauen. »Hm. Und Sie müssen doch irgendwie mit Asuna verwandt sein, oder?« »Stimmt. Sie ist meine Tochter.« Natsumi lächelte stolz und brachte auch Asuna zum Schmunzeln. Sie waren zwar nicht immer derselben Meinung, aber das war bei einer Mutter-Tochter-Beziehung doch normal, oder nicht? »Tut mir leid, dass ich euch unterbreche, aber ich wollte mich von euch verabschieden. Ich muss langsam zur Schule«, kam es plötzlich von Hina, die ein halbherziges Lächeln zeigte, ehe sie sich an Asuna wandte. »Könntest du aber noch kurz mitkommen? Ich möchte mit dir etwas bereden.« Asuna, die doch etwas überrascht über die Bitte war, nickte langsam. »Klar.« Sie folgte Hina und warf einen kurzen Blick nach hinten, wo anscheinend alle mindestens genauso perplex darüber waren. »Was willst du mir denn so Dringendes sagen?«, fragte sie, da sie nicht vorhatte, lange um den heißen Brei herumzureden. Hina verschränkte ihre Arme und wie als hätte jemand bei ihr einen Schalter umgelegt, war das freundliche Lächeln zur Gänze verschwunden. Kurz schien sie nach den richtigen Worten zu suchen, ehe sie meinte: »Ich will ehrlich zu dir sein, Asuna. Ich mag dich nicht und ich glaube, das werde ich auch nie.« Wow. Etwas baff über diese harschen Worte, runzelte sie die Stirn. Sie wusste nicht, was sie mehr an dieser Aussage nervte. Die Tatsache, dass sie einfach so ihren Vornamen ohne höfliche Anrede benutzte, obwohl sie älter war als Hina, oder aber die Tatsache, dass sie innerhalb wenigen Sekunden von dem kleinen Sonnenschein zur eifersüchtigen...Hexe mutierte. Der einzige Punkt, weshalb sie nicht sofort kehrtmachte, war die Ehrlichkeit, die sie Hina hoch anrechnete. Dennoch konnte sie einen abschätzigen Blick nicht verhindern. »Gut zu wissen«, erwiderte sie deshalb nur trocken, obwohl ihr viele andere Dinge eingefallen wären. »Kannst du dich erinnern? Damals habe ich dich gefragt, was zwischen Tōru und dir läuft und du hast geantwortet, dass ihr nur Freunde seid. Heute frage ich mich, wie ich dir das glauben konnte«, sagte sie eine Spur zu eisig. »Mag sein, dass ihr das, was immer ihr da hattet, nicht mehr habt, aber Freunde? Als ob!« Okay. Sie hatte gewusst, dass es sie störte, sobald sie mit Oikawa auch nur ein Wort wechselte, aber dass es sie so sehr verärgerte, hätte sie nicht gedacht. »Ahhh, es geht also um die klassische Eifersucht«, fing sie an und tat völlig überrascht. Sie musste etwas abfällig lachen, wobei ihre Augen kurz zu ihrer Mutter und den anderen huschten. Dabei traf sie den Blick von Tōru, der ernster wirkte als sonst. Anscheinend hatte er im Gefühl, dass dieses Gespräch nicht wirklich auf freundschaftlicher Basis stattfand und es nicht bloß ums Wetter ging. »Hör auf, alles was ich sage, ins Lächerliche zu ziehen«, erwiderte Hina mit zusammengekniffenen Augen. »Erst wenn du damit aufhörst, wütend auf mich zu sein, nur weil ich mit Tōru rede. Das tun nämlich 80 Prozent der Mädchen an der Aobajōsai, falls es dir nicht aufgefallen ist.« Nun konnte sie nicht verhindern, sich bissig anzuhören. In den gesamten Wochen, die seit das mit Hina angefangen hatte, hatte sie Tōru nicht mal sonderlich oft gesehen, also verstand sie den Grund für dieses Gespräch erst recht nicht. Hina presste ihre Lippen aufeinander und schien um ihre Fassung zu ringen. Sie sah aus, als würde sie Asuna am liebsten eine verpassen. Sie holte tief Luft und meinte: »Du bist nicht wie diese 80 Prozent und deshalb sage ich dir eines: Halte dich von Tōru fern, klar?« Ihre sonst so strahlenden Augen loderten förmlich und das nicht vor Bewunderung. Nein. Hina war so wütend, dass sie Mühe hatte, ihre Stimme zu kontrollieren. Erst jetzt fiel Asuna auf, dass bereits einige auf die beiden aufmerksam geworden waren, weshalb sie das schnell beenden sollte. Dennoch konnte sie es sich nicht verkneifen und erwiderte provokant: »Und was wenn nicht?« Vielleicht war es nicht die klügste Idee, aber Hina ging ihr gerade so verdammt auf die Nerven, dass sie nicht anders konnte. Ihr Blick verfinsterte sich, wenn das überhaupt noch möglich war. »Dann wirst du es bereuen.« Mit diesen Worten und einem letzten vernichtenden Blick, der filmreif gewesen wäre, machte sie kehrt und verschwand von dem Parkplatz. Asuna hatte sich bis jetzt zusammengerissen und sich nicht anmerken lassen, wie wütend Hina sie eigentlich machte. Nun konnte sie nicht anders, ballte ihre Hände zu Fäusten und biss ihr Kiefer so fest aufeinander, dass es schmerzte. Am liebsten hätte sie ihr nach geschriene, dass Tōru nicht ihr verdammtes Eigentum war. Allerdings wäre das mehr als dumm, zumal sie immer nicht wusste, ob die beiden tatsächlich in einer Beziehung waren. Es sprachen zwar dutzende Dinge dafür, aber sie glaubte es erst, wenn sie es von Tōru persönlich hören würde. Asuna holte tief Luft und löste die Anspannung in ihren Schultern. [i"]Beruhige dich, redete sie sich selbst gut zu. Dieses Gespräch hatte doch tatsächlich ihre Freude auf Okinawa getrübt. Seufzend nahm sie ihr Handy aus der Tasche ihres Rockes und checkte die Uhrzeit. In wenigen Minuten sollten auch die letzten Schüler hier sein, sodass sie in zehn Minuten fahren konnten. Anscheinend war die Zeit doch schneller vergangen, als sie gedacht hatte. Sie entschied sich, noch mal zu ihrer Mutter zu gehen, die ihnen anscheinend nicht viel Beachtung geschenkt hatte. Im Gegensatz zu Tōru, der ihr Gesicht musterte, als ob er irgendwelche Anzeichen für das Gespräch mit Hina darin entdecken könnte. Sie erwiderte den Blick für einen kurzen Moment, sah aber schnell wieder auf den Boden. Obwohl sie ihre Gefühle meist gut im Griff hatte, wollte sie nicht riskieren, dass er sah, wie wütend sie eigentlich war. Immerhin war er schon immer jemand gewesen, der ihre Emotionen besser erahnen konnte, als ihr lieb war. »Ich will euch ja nicht unterbrechen, aber ich muss die restliche Anwesenheit noch checken und dann dafür sorgen, dass alle abfahrbereit sind.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. Ähnlich wie Hina zuvor, so ungern sie es auch zugab. Schließlich wandte sie sich auch an ihre Mutter. »Wir sehen uns in ein paar Tagen.« Asuna umarmte sie fester als üblich, weil diese Umarmung ihren Puls zumindest ein wenig beruhigte. »Viel Spaß«, murmelte diese etwas überrumpelt, erwiderte die Umarmung aber genauso fest. Als sie sich voneinander lösten, fügte sie schmunzelnd hinzu: »Und tut nichts, was Saeri und ich in eurem Alter getan haben.« »Natsumi!«, lachte Saeri, »Jetzt glauben die beiden bestimmt, dass wir irgendwelchen Blödsinn gemacht haben.« Asuna verzog das Gesicht. »Egal was das war, werden wir nicht.« Sie wollte wirklich nicht wissen, was ihre Mutter so getan hatte! Natsumi ignorierte ihre Tochter und richtete sich an Oikawa. »Kannst du mir einen Gefallen tun, Tōru? Könntest du auf meine kleine Asuna hier aufpassen? Es es ist das erste Mal, dass sie alleine außerhalb von Miyagi ist«, meinte sie und sorgte dafür, dass Asunas Wangen gefühlte 40 Grad annahmen. »Echt jetzt?«, jammerte sie, »Wer sagt denn, dass ich nicht diejenige sein sollte, die auf ihn aufpasst?« Sie wusste nicht, dass ihre Mutter so ein Talent dafür besaß, sie zu blamieren. Tōru hingegen schien diesen Gefallen gerne anzunehmen. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie etwas näher zu sich. »Keine Sorge. Ich werde gut auf sie aufpassen und jeglichen Ärger von ihr fernhalten.« »Der einzige Ärger bist du«, murmelte sie mit einem hochroten Gesicht und schob seine Hand von ihrer Schulter, während sie seine Vorliebe für körperliche Nähe verfluchte. Und das Grinsen ihrer Mütter machte es nicht besser. »Okay, wie ich sehe, bist du in guten Händen. Dann kann ich jetzt fahren.« Natsumi kramte in ihrer Tasche nach dem Autoschlüssel. Damit verabschiedete sich auch Saeri von ihr und natürlich auch von Tōru, den sie kurz umarmte. Als beide außer Sichtweite waren, gingen beide zum Bus. »Bevor du deinen Schulsprecherpflichten nachgehst, kann ich noch etwas fragen?«, begann Tōru und wartete gar nicht auf eine Antwort. »Was genau wollte Hina von dir?« Asuna, die natürlich gewusst hatte, dass ihn das interessierte, überflog ihren Zettel, der etwas zerknittert war. Anscheinend hatte sie ihn zuvor etwas zusammengeballt. »Das solltest du sie fragen, aber ich gebe dir einen Tipp: Es war nicht sehr nett.« »Tatsächlich? Das wundert mich irgendwie«, murmelte er und sorgte dafür, dass Asuna nun doch stehen blieb. Sie ließ ihre Arme sinken und sagte mit einem ernsten Gesichtsausdruck: »Ich lasse deine Blase nur ungern platzen, aber Hina ist zu mir nicht so nett wie zu dir. Und ich weiß nicht, ob deine Freundin dir das jemals persönlich gesagt hat, aber sie kann mich absolut nicht leiden. Um also weitere Anschuldigungen ihrerseits zu vermeiden, sollten wir ab jetzt einfach einen Mindestabstand von zwei Meter zwischen uns bringen und vielleicht weniger...miteinander sprechen.« Es war nur halb so ernst gemeint, wie es sich anhörte, aber eigentlich wäre es ein sinnvoller Vorschlag, um weiteren Stress mit Hina zu vermeiden. Allerdings war es ihr auch völlig egal, was Hina von ihr hielt und dass es sie störte, wenn sie mit Oikawa sprach. Nachdem er nicht sofort antwortete, setzte sie ihren Weg fort, ohne auf ihn zu warten. Jedoch wurde sie durch seine nächsten Worte aufgehalten. »Keine Ahnung wie du darauf kommst, aber ich bin nicht mit Hina zusammen.« Asuna erstarrte, fing sich aber schnell wieder, bevor jemand etwas davon merkte. Fast schon zu gelassen sah sie über ihre Schulter und zuckte teilnahmslos mit diesen. »Okay, dann kann mich eben deine Fast-Freundin nicht leiden. Das macht keinen Unterschied.« Damit ließ sie ihn stehen und tat so, als hätte diese Feststellung keinerlei Einfluss auf sie. Dabei war das Gegenteil der Fall. Dass sie nicht zusammen waren, hatte sie kurzzeitig aus der Fassung gebracht. Und obwohl sie diese Neuigkeit doch tief in ihrem Inneren gehofft hatte, erleichterte es schlussendlich gar nichts. Immerhin änderte sich kaum etwas an ihrer Situation, oder? Kapitel 17: okinawa - how should I survive that? ------------------------------------------------ ● • . Die Fahrt von Miyagi nach Sendai und der Flug von dort nach Okinawa verlief überraschend ereignislos. Das lag aber vermutlich daran, dass Asuna die meiste Zeit geschlafen hatte, um Gespräche oder dergleichen zu entgehen. Nicht gerade etwas, das die Schulsprecherin tun sollte, aber es war die beste Entscheidung, die sie hätte treffen können. So musste sie sich zumindest nicht zu sehr den Kopf über Oikawa und Hina und was auch immer zerbrechen. Nun war sie völlig ausgeruht und konnte den ersten Tag am Strand völlig genießen. Sie konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich die nächsten drei Tage hier verbringen würden. Sie liebte es jetzt schon hier. Zumindest der Strand war unglaublich. Das letzte Mal, dass sie Sand unter ihren nackten Füßen gespürt hatte, war Jahre her. Deshalb überlegte sie nicht lange und ging zum Meer. Sie mussten ohnehin warten, bis sie einchecken konnte. Und deshalb eilte sie gemeinsam mit Jana und Lu zum Wasser. Asuna hatte das Meer schon immer gemocht. Den Geruch nach Salz, das Plätschern der Wellen und das kühle Nass an ihren Zehen. Eine Stunde verbrachten sie damit, die Gegend zu erkunden und Fotos zu schießen. Erst danach gingen sie ins Zimmer. Allerdings nur, um sich umzuziehen. Das Einkaufen vorgestern hat sich echt gelohnt, kam ihr in den Sinn, als sie mit Jana über den steinernen Weg ging, der über den Sand führte. Sie trug ein luftiges, weißes Sommerkleid, welches ihr beim Einkaufen sofort ins Auge gestochen hatte. Darunter hatte sie sich auch gleich den Bikini angezogen. Er war neu, aber ähnelte dennoch ihrem alten. Er war dunkelblau und wurde zwischen ihren Brüsten und an ihren Hüften von einem goldenen Ring zusammengehalten. Sie liebte ihn und war froh, dass Jana sie zum Kauf überredet hatte. Asuna stoppte bei einer Liege, welche nahe am Meer war, und stellte ihre Tasche daneben ab. »Was machen eigentlich die Jungs?«, fragte sie, während sie sich das Kleid über den Kopf zog und anschließend über die Streben des Sonnenschirms hing. »Hajime sagte etwas davon, Trainingsmöglichkeiten zu suchen und ist dann mit dem Team und zwei Volleybällen in den Händen verschwunden. Aber ich denke, dass sie gleich zu uns stoßen sollten. Zumindest hat er das gesagt.« Sie zuckte mit den Schultern und ließ sich auf ihrer Liege nieder. Im Gegensatz zu ihr trug Jana ein gelbes Oberteil mit einer schwarzen Bikinihose. »Das ganze Team?«, hakte sie nach. Sie hatte seit der Abfahrt vor der Schule nicht mehr mit Oikawa gesprochen. Es hatte sie nicht gestört, auch wenn ihr seine forschenden Blicke nicht entgangen waren. Allerdings wollte sie mit ihm auch nicht unbedingt über Hina und ihre unbegründete Eifersucht sprechen. Wenn die Zweitklässlerin wirklich nicht seine Freundin war, dann war Hinas Reaktion und diese Drohung mehr als lächerlich gewesen. Dennoch stand ihr Vorschlag noch immer, auch wenn es bescheuert war und sie keine Lust dazu hatte, den besten Freund von Janas Freund zu meiden. Das war genauso lächerlich wie Hinas Aktion und wenn sie ehrlich war dann w,ar es auch ein Ding der Unmöglichkeit. Er war doch immer in ihrer Nähe! Oder sie in seiner. Wie man es auch drehte, es war unausweichlich. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Aber wenn wir schon mal dabei sind – war es wirklich dein ernst, dass ihr euch voneinander fernhalten solltet?« Sie schob ihre Sonnenbrille etwas nach unten und betrachtete sie ungläubig. Fast wie damals, als sie im Schwimmbad gewesen waren. Asuna hatte damit gerechnet, dass sie danach fragen würde. Sie seufzte und machte es sich ebenfalls auf der Liege gemütlich. »Es wäre zumindest für alle Beteiligten das Beste, aber wann habe ich in letzter Zeit das getan, was das Beste für mich oder...andere war?« Sie zuckte mit den Schultern, weil sie genau wusste, dass dieser ach so vernünftige Vorschlag niemals einzuhalten war. Damit meinte sie jetzt nicht, dass Oikawa und sie aneinanderkleben würden wie Pech und Schwefel. Wieder musste sie daran denken, dass es schlichtweg nicht möglich war, keine Zeit miteinander zu verbringen. Gewollt oder ungewollt. »Stimmt. Lass mich deshalb nicht vergessen, dich später um einen Gefallen zu bitten. Der Gefallen passt nämlich wunderbar zu deinem Dilemma.« Sie lachte leise und prompt bekam Asuna ein schlechtes Gefühl dabei. Dieses Lachen war irgendwie unheilvoll. In dem Moment läutete das Handy von Jana. »Hola, mamá«, ertönt es euphorisch, was Asuna dazu veranlasste, nach ihrem Headset zu kramen und sich auf den Bauch zu legen. Jedoch kam ihr schnell der Gedanke, dass das keine so gute Idee war. Ein Großteil ihres Rückens war in der Sonne. »Jana?«, rief sie, nachdem sie geduldig gewartet hatte, dass sie das Telefonat beendete. »Könntest du mir den Rücken eincremen?« Sie öffnete den Verschluss ihres Bikinis, damit auch jede Stelle eingecremt werden würde. »Die Sonnencreme ist in meiner Tasche.« Sie deutete, ohne hinzusehen, nach rechts. Mit geschlossenen Augen verschränkte sie ihre Arme, um die Helligkeit abzuschirmen. So lag sie perfekt und während sie mit ihren Gedanken abdriftete, spürte sie, wie die kalte Creme auf ihren Rücken tropfte. Sie zuckte kurz zusammen, da sie nicht damit gerechnet hatte, und erntete dafür ein amüsiertes Kichern von Jana. Asuna stieß die Luft aus und entspannte sich wieder. Ihr entkam ein leises Grummeln. »Gib dir Mühe, Jana. Wenn ich rot werde, ist das deine Schuld«, sagte sie, wobei sie einen Teil davon sogar ernst meinte. Auf einen Sonnenbrand hatte sie echt keine Lust, aber daran dachte sie nicht mehr. Dafür fühlten sich die Hände, die mit dem Verteilen begannen, viel zu gut auf ihrem Körper an. Und das meinte sie jetzt nicht auf erotische Weise! Also Jana war zwar hübsch, aber nein. Sie musste in sich hineingrinsen und gleichzeitig musste sie ein tiefes Seufzen unterdrücken. Letztes mal hatte sie die Flüssigkeit einfach auf ihren Rücken geklatscht, halbwegs verteilt und die meisten Stellen ausgelassen. Resultat? Ein unregelmäßiger Sonnenbrand. Ihr entkam ein genießerischer Laut, der fast einem zurückhaltenden Stöhnen gleichkam. Das fühlte sich einfach zu gut an! Und zumindest wusste sie jetzt auch, dass sie ziemlich verspannt war. Schlafen im Bus und im Flugzeug war aber auch verdammt ungemütlich. Asuna stellte die Musik etwas leiser und fragte skeptisch, ohne aufzusehen: »Seit wann kannst du das so gut?« »Seit sie die Aufgabe mir und meinen gottgleichen Händen überlassen hat.« Die tiefe und amüsierte Stimme ließ die vorherige Entspannung zur Gänze verschwinden und beinahe wäre sie panisch aufgesprungen. Beinahe, denn sonst hätte jeder ihre nackten Brüste zur Gänze bestaunen können. Stattdessen richtete sich etwas auf und war dabei bedacht, ihr Bikinioberteil an ihren Körper zu drücken. Sprachlos sah sie Oikawa an, der sich keine Schuld bewusst einfach weitermachte. Dann sah sie zu Jana, die in ihr Handy grinste. Was zum…? »Echt jetzt?«, fragte sie zugegeben ein wenig atemlos, denn das Wissen, dass Oikawa derjenige war, der sie gerade so unfassbar gekonnt berührte, warf ihre Gedanken massiv durcheinander. Wie war das noch gleich mit dem Fernhalten? »Entspann dich. Ich habe dich schon auf ganz andere Art und Weise berührt. Dagegen ist das wirklich harmlos«, erwiderte Oikawa und brachte Iwaizumi und Jana zum Lachen. Asuna öffnete ihren Mund und wollte eine kluge Antwort geben, doch ihr fiel keine ein. Warum? Weil er leider recht hatte. Allerdings war es genau diese Tatsache, weshalb sie sich nicht entspannen konnte. Denn vielleicht wäre es nur halb so schlimm, wenn sie nicht wissen würde, was seine Hände konnten. Wenn sie nicht wissen würde, wie sie sich an ganz anderen und viel intimeren Stellen anfühlten. Oikawa fuhr mit seiner Hand nach oben und drückte ihren Oberkörper wieder nach unten. »Hinlegen und Klappe halten«, meinte er dazu und sorgte dafür, dass Asuna endgültig ihre Stimme verlor. Sie presste ihre Lippen aufeinander. Von Entspannung war sie weit entfernt. Im Gegenteil. Sie lag völlig verkrampft auf ihrer Liege, während Oikawa verdammt langsam mit seinen Händen ihren Körper entlang glitt. Im Gegensatz zu vorher fand sie es nun nicht mehr...angenehm. Jetzt war es einfach nur merkwürdig. Merkwürdig und...und heiß. Ah, verdammt! Sie hatte tatsächlich vergessen, wie gut sich seine Hände auf ihrem Körper anfühlten. Vergessen oder verdrängt. Keine Ahnung. Sie konnte gerade nicht klar denken und in ihrem Kopf existierte nichts anderes als seine Hände. Seine Hände, die jede Menge wert waren, wenn es nach ihm ging. Und spätestens jetzt konnte sie diese Aussage zumindest ansatzweise nachvollziehen. Fünf Stunden. Fünf verdammte Stunden hatte sie geschafft, ohne dass Oikawa und sie sich berührt hatten. Wobei diese Formulierung nicht ganz stimmte. Bessere wäre: Ohne dass Oikawa SIE berührt hatte. Und sie hatte sich immer sehr dagegen gesträubt. Natürlich. Argh! Wie zum Teufel soll sie Okinawa überleben, wenn sie bereits am ersten Tag irgendwie schwach wurde? Asuna hielt den Atem an, als er plötzlich ihre Seiten entlangfuhr und mit seinen Fingern ihren nackten Brüsten gefährlich nahekam. Fest presste sie ihre Lippen aufeinander und fluchte innerlich. Fuck! Was zum Teufel tat er hier? Was tat er mit ihr? Mit nur so wenig Aufwand schaffte er es, sie völlig durcheinanderzubringen. Wie? Und warum? All ihre Muskeln spannten sich bei dieser Berührung an. Zeitgleich drängten sich Bilder in ihren Kopf, die gerade nicht sehr förderlich waren. Und dabei war sie sich verdammt sicher, dass er die ganze Zeit belustigt vor sich hin grinste. Diese ganze Prozedur stellte Asunas Geduld, die ohne hin nicht sehr groß war, wenn es um Oikawa ging, mächtig auf die Probe. »Okay, das reicht«, meinte sie hastig. Viel länger hielt sie es tatsächlich nicht aus. Irgendwie armselig, aber auch ehrlich. Asuna griff nach den Bändern, um ihr Oberteil wieder zu verschließen. »Danke für deine...Hilfe.« Das war eindeutig genug Hilfe und es ärgerte sie tatsächlich ungemein, dass sie es schaffte, binnen weniger Stunden ihre Vorsätze zu Nichte zu machen. Dieses Fernhalten klappte ja prima…Und dafür gab sie eindeutig Oikawa die Schuld. Wieso musste er sie auch ständig anfassen? »Liebend gerne«, erwiderte er mit einem Grinsen und setzte sich auf den Liegestuhl, der direkt neben ihrem war. Asuna nahm sich ihre Sonnenbrille und setzte sich diese auf. Irgendwie beruhigte sie der Gedanke, dass Oikawa ihr nicht mehr in die Augen sehen konnte. Mit weniger rasendem Puls griff sie wieder nach ihrem Ipod und scrollte durch die Playlist. Während sie dies tat, konnte sie nicht anders, als ihn zu beobachten. Vielleicht etwas dreist, denn dank der getönten Scheiben konnte man nur erahnen, wo sie hinsah. Sie hatte zwar gesagt, dass sie sich voneinander fernhalten sollten, aber ansehen war...erlaubt. Auch wenn sie sich mit ihrem Verhalten und der merkwürdigen Beziehung zu dem Setter selbst verwirrte, wollte sie in Momenten wie diesen einfach nicht darüber nachdenken, was genau da zwischen ihnen war. Sie wollte einfach nur zu sehen, wie er sein Shirt auszog und seinen perfekt durchtrainierten Oberkörper entblößte. Und das tat sie auch. Asuna hielt in ihrem Tun inne und verfolgte mit ihren Augen, wie sich seine Muskeln bei jeder noch so kleinen Bewegung anspannten. Das ganze harte Training zeigte sich im vollen Ausmaß und sorgte dafür, dass sie ein ganz bestimmtes Verlangen in ihr auslöste. Bereits zum zweiten Mal binnen weniger Minuten. Schon lange hatte sie nicht mehr diesen Drang verspürt. Den Drang, mit ihren Händen über seinen stahlharten Oberkörper zu fahren und die Hitze unter ihren Fingerkuppen zu spüren. Den Drang, von diesen Armen hochgehoben und gegen die Wand gedrückt zu werden. Einfach alles spielte sich in diesem Moment vor ihren Augen ab, obwohl er nichts weiter tat, als sich mit seiner Hand durch die Haare zu fahren und anscheinend nach seinem Handy zu suchen. »Asuna«, ertönte es plötzlich hinter ihr und sorgte dafür, dass sie nicht nur erschrocken zusammenzuckte, sondern sie sich auch an ihrer eigenen Spucke verschluckte. Wie erotisch, Asuna, schoss es ihr sarkastisch durch den Kopf. Hastig räusperte sie sich, als ihr auf einmal drei Personen einen irritierten Blick zu warfen. »Ja?« »Du brauchst bestimmt auch dringend eine Abkühlung. Lust ins Wasser zu gehen?« Jana erhob sich euphorisch und Asuna tat es ihr nach. Und wie sie eine Abkühlung brauchte. Sie war noch nie so froh darüber gewesen, kein Junge zu sein. Die Peinlichkeit wäre untragbar gewesen. »Klar«, antwortete sie etwas zu schnell. »Ich habe vorhin Suki und die anderen gesehen, wie sie mit Luftmatratzen herumgerannt sind. Vielleicht können wir uns die borgen.« Asuna wagte es nicht, auch nur einen weiteren Blick auf Oikawa zu riskieren. Sie sollte sich echt zusammenreißen, wenn sie bereits bloße Blicke durcheinanderbrachten. Deshalb fing sie mit Jana auch ein Gespräch über irgendwelche belanglosen Dinge an. In erster Linie, um sich abzulenken. Es half und irgendwie auch nicht. Vor allem dank Jana. »Bist du eigentlich gerade gut drauf, weil du vorhin Oikawa in Gedanken regelrecht angesprungen bist?«, begann sie, als würde sie über das Wetter reden. Mittlerweile hatten sie es ins Wasser und sogar etwas weiter ins Meer geschafft. Asuna verdrehte darüber ihre Augen, während sie mit ihrer Hand über die Oberfläche fuhr. Sie lag mit Rücken auf der Luftmatratze und ließ dabei ihr Bein ins Wasser baumeln. »Ich glaube, dass ich ein ziemlich großes Problem habe, Jana.« »Ich glaube, du hättest ein noch viel größeres Problem, wenn du ein Junge wärst«, lachte sie und wieder einmal zeigte sich, wie viel Zeit die beiden eigentlich miteinander verbracht hatten. »Spaß bei Seite. Von welchem deiner Probleme sprichst du? Das, welches mit Oikawa zu tun hat, oder das, welches mit...Oikawa zu tun hat?« Ihre rhetorische Frage und ihr bescheuertes Grinsen, welches sie aus der Aussage heraushörte, brachten sie dazu, mit Wasser nach ihr zu spritzen. Natürlich traf sie nicht. Statt darauf einzugehen, meinte sie: »Eigentlich ist das alles deine Schuld. Hättest du das Eincremen übernommen, wäre alles nur halb so schlimm gewesen.« »Als könnte ich etwas dafür, dass du scharf auf Oikawa wirst, sobald er ganz unschuldig Sonnencreme auf deinem Rücken verteilt.« Janas Grinsen verschwand einfach nicht aus ihrem Gesicht. Natürlich genoss sie das. Asuna hingegen fand es alles andere als lustig. »Unschuldig? In welcher Welt ist es unschuldig, wenn er meine Seite entlang fährt und dabei ganz zufällig beinahe meine Brüste streift?« »Bist du dir sicher, dass du dir das nicht einfach nur gewünscht hast und es in Wahrheit nie passiert ist?«, erwiderte sie mit dem Wackeln ihrer Augenbrauen. »Red‘ keinen Schwachsinn. Es lag nur daran, dass ich einfach schon länger keinen Sex mehr hatte, oder so«, murmelte sie und versuchte eine vernünftige Erklärung für ihre extreme Reaktion zu finden. Sponsor werden und Werbung komplett deaktivieren »Jetzt redest du aber Schwachsinn.« Jana sah sie eindringlich an, weshalb auch die Belustigung aus ihrem Gesicht verschwunden war. »Soll ich dir den wahren Grund dafür nennen, weshalb du so reagiert hast, wie du eben reagiert hast? Den größten Anteil daran hat Oikawa und wehe du widersprichst mir jetzt! Nie im Leben wärst du bei jemand anderen so verkrampft dagelegen. Mag sein, dass du ein wenig an Sexentzug leidest, aber du kannst nicht leugnen, dass du etwas dabei fühlst, wenn er dir nahe ist oder dich berührt. Und damit meine ich etwas Starkes. Nicht einfach nur Lust.« Damit endete sie ihren kleinen Vortrag und schaffte es, Asuna zum Schweigen zu bringen. Sie starrte in den Himmel und versuchte gar nicht, Konter zu geben. Stattdessen erwiderte sie mit wenig Zusammenhang: »Er ist nicht mit Hina zusammen. Wusstest du das?« »Was?« Jana richtete sich auf, wobei sie beinahe ins Wasser fiel. Vergessen war für kurze Zeit ihr eigentliches Thema. »Nein...Hat er dir das gesagt?«, hakte sie interessiert nach. »Ja. Bevor wir von zuhause weggefahren sind und nachdem Hina mir...gedroht hat.« Sie schnaubte bei dieser Erinnerung. Der bloße Gedanke daran machte sie wütend. »Warte! Hina hat dir gedroht? Echt jetzt? Was stimmt mit ihr nicht?« Die Abneigung in ihren Worten brachten sie zum Grinsen, obwohl ich nur mäßig danach zu Mute war. Bis jetzt hatte sie noch keine Zeit gehabt, Jana von dem Gespräch zu erzählen. Sie waren einfach nie alleine gewesen. »Mhm. Sie hat irgendetwas davon geredet, dass ich mich von Oikawa fernhalten soll. Als ob er ihr gehören würde, oder so.« Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Hina so herrisch und völlig paranoid war. Das hätte sie sich nie gedacht. Aber Asuna wäre die Letzte gewesen, die Oikawa angegriffen hätte, wenn die beiden tatsächlich zusammen gewesen wären. Selbst wenn ihr die Meinung anderer ziemlich egal war, würde sie so etwas nie tun. Deshalb machte es sie besonders wütend, dass Hina so von ihr dachte. Da merkte sie wieder, dass die Zweitklässlerin sie nicht ansatzweise kannte und voreilige Schlüsse zog. »Bin ich froh, dass fast 2.000 Kilometer zwischen Hina und mir liegen«, murmelte Jana. Manchmal war ihre beste Freundin wie eine Löwin, die ihr kleines Kind beschützte. Und gerade jetzt war Asuna dieses Kind. »Frag mich mal.« Sie seufzte. Die paar Tage ohne Hina würde sie auf jeden Fall in vollen Zügen genießen. »Ah, erinnere mich daran, dass ich dich etwas frage, wenn du besser gelaunt bist«, meinte Jana plötzlich, wobei es bereits das zweite Mal war, dass diese Aussage von ihr kam. »Wieso nur, wenn ich gut drauf bin?« Sie sah nach links, wo Jana wenige Meter von ihr entfernt friedlich vor sich hin trieb. »Weil ich mir ziemlich sicher bin, dass du Nein sagen wirst und ich will meine Chancen zumindest ein wenig erhöhen.« »Wow. Scheint ja wirklich etwas zu sein, was mir gar nicht gefallen wird.« Wenn ihre beste Freundin so anfing, dann konnte es nichts Gutes bedeuten. Zumindest kam es nicht häufig vor, dass sie sich nicht traute, sie nach einem Gefallen zu fragen. Jana hatte jedoch bereits für sich das Thema gewechselt. Sie hatte sich ein Stück aufgerichtet und wank Richtung Strand. Asuna musste gar nicht hinsehen, um den Grund dafür zu kennen. »Wenn Oikawa auch bei Iwaizumi dabei ist, treibe ich freiwillig aufs Meer hinaus«, grummelte sie und schob sich bewusst weiter hinaus. Dieser schwache Moment von vorhin saß nach wie vor tief und wieder wurde ihr bewusst, dass es eine verdammte Herausforderung werden würde, sich von Oikawa fernzuhalten. Irgendwie hatte sie es verdrängt gehabt, dass Sonne, Strand und Meer auch nackte Haut bedeutete. Sehr viel nackte Haut. »Lass uns zum Strand zurückkehren. Ich glaube, dass es gleich spannend werden wird.« Mit diesen Worten kam Jana ihr näher. »Was? Wieso?« Hier war es gerade so gemütlich. »Wirst du dann sehen. Los! Komm!« Jana rutschte von der Luftmatratze ins Wasser, um schneller zu sein. »Glaube aber ja nicht, dass ich unser Gespräch bereits vergessen hätte. Das setzten wir heute noch fort!« Mit einem kurzen aber eindeutigen Blick schwamm sie zurück zum Strand. Seufzend tat es Asuna ihr gleich, wobei sie aufgrund der Kälte erst mal innehalten und hastig nach Luft schnappen musste. Kalt! Die Gänsehaut auf ihrem Körper blieb, bis sie aus dem Wasser trat. Warum musste Meerwasser auch immer so eisig sein, obwohl gefühlt 100 Grad herrschten? Die logische Erklärung wollte sie dafür echt nicht hören. Sie verfluchte das Wasser noch mehr, während sie die Luftmatratze wieder Suki zurückbrachte. Was konnte schon so wichtig sein, sie von diesem entspannenden Herumtreiben wegzureißen? Wobei sie dadurch zumindest nicht mehr an Janas Worte dachte. Obwohl es nicht so wirkte, hatten diese doch etwas in ihr ausgelöst. Denn Unrecht hatte ihre beste Freundin nicht. Wer, wenn nicht Jana, kannte sie besser? »Habt ihr schon mal auf Sand Volleyball gespielt? So richtig? Wir können gerne gegeneinander spielen, aber dann wird es ziemlich peinlich für euch.« Asuna löste gerade ihren Zopf, welchen sie nur fürs Wasser gemacht hatte, als sie diese tiefe und verflucht arrogante Stimme vernahm. Diese Beschreibung passte eigentlich hervorragend zu Oikawa, doch ausnahmsweise war er nicht derjenige, der andere mit seiner Überheblichkeit nervte. Als Asuna zu der Ansammlung an Menschen hinzukam, traute sie ihren Augen nicht. Wann hatten sich so viel gutaussehende Typen hier versammelt? Und damit meinte sie jetzt nicht das Volleyballteam der Aobajōsai. Also nicht nur. »Jana? Was geht hier ab?«, raunte sie ihrer besten Freundin zu, die mit verschränkten Armen neben Iwaizumi stand und nicht minder angepisst aussah als die Jungs. Jana knirschte mit den Zähnen, war aber offensichtlich froh, dass ihre beste Freundin mittlerweile hier war. »Gut, dass du hier bist. Diese Idioten sind richtige...Idioten. Glauben doch tatsächlich, dass sie unser Team im Volleyball schlagen. Also ob!« Jana verdrehte ihre Augen und rückte ein Stück näher an Iwaizumi, der instinktiv nach ihrer Hand griff. Obwohl dass Ass seine Wut nie wirklich offen zeigte, erkannte man beim genauen Hinsehen, dass etwas nicht stimmte. Wachsam richtete sie ihren Blick auf Oikawa, der sein Grinsen nicht ablegen konnte. Was hatte sie auch erwartet? Dass er eingeschüchtert und mit gesenkten Schultern dastehen würde? »Gegen euch reicht die halbe Anstrengung.« Oikawa riss dem Typen den Volleyball provokant aus der Hand. »Wenn du meinst. Wie wäre es, wenn wir das ganze noch etwas spannender gestalten und...wetten?« Er legte seinen Kopf schief und tippte sich gespielt nachdenklich gegen das Kinn. »Mit Wetteinsatz natürlich. Und der ist...« Er ließ seine Augen umherwandern, als würde die ideale Idee vor ihm liegen. Und das tat es sogar. Sein Blick haftete sich auf Jana und Asuna. »Die beiden da.« Er grinste und prompt keimte in Asuna Übelkeit auf. »Hä? Was soll das denn? Sind wir etwas irgendwelche Gegenstände, um die man einfach so wetten kann?« Jana hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt und versuchte mit ihren 158cm furchterregend zu wirken. Asuna hingegen kniff ihre Augen zusammen. Langsam hatte sie genug von diesen Jungs, die meinten, abfällig über sie reden zu müssen und über ihren Kopf entscheiden zu können. Doch ihre nächsten Worte passten nicht wirklich zu ihren Gedanken: »Schön. Wettet um uns, wenn ihr unbedingt wollt.« Sie klang alles andere als erfreut darüber, während sie den Unbekannten nicht aus den Augen ließ und dafür Oikawa um jeden Preis mied. Missmutig beobachtete sie, wie das Grinsen des Schwarzhaarigen größer und zufriedener wurde. Die Jungs der Aobajōsai warfen sich indes untereinander verwirrte und überraschte Blicke zu. »Ja, genau! Sag es ihnen, A- Warte! Was? Spinnst du?« Jana hatte sich ihr empört zu ihr gedreht und schien fast schon geschockt über ihre Zustimmung. Sie sprach das aus, was sich jeder, der sie kannte, dachte. »Was sie damit sagen will, ist-«, schaltete sich Iwaizumi ein, doch Asuna unterbrach ihn einfach. »Ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe. Wettet um uns. Tut euch keinen Zwang an.« Sie lächelte höflich und verschränkte ihre Arme. Der Typ musterte sie von oben bis unten, woraufhin sich seine Lippen zu einem fast schon dreckigen Grinsen verzogen. Asuna spürte klar und deutlich ihren heftigen Herzschlag und musste sich zusammenreißen, um nicht sofort von hier zu verschwinden. »Ihr habt sie gehört. Sie ist einverstanden damit, also solltet es ihr auch sein. Und jetzt lasst uns spielen. Ich will unseren Gewinn so schnell wie möglich einlösen, wenn ihr versteht.« Er und seine Freunde lachten über diese Aussage, während sie sich von ihnen entfernten. Der Volleyballplatz war gleich in der Nähe. Asuna sah ihnen nach, als plötzlich Matsukawa eine Hand auf ihr Stirn legte. »Hast du dir den Kopf gestoßen? Oder hast du Fieber? Irgendetwas muss es sein bei diesem schwachsinnigen Vorschlag.« Er hatte eine Augenbraue gehoben, als sie seinen Arm wegschob. »Da muss ich ihm recht geben«, schaltete sich auch Iwaizumi ein. »Du hast gerade meine Freundin verwettet.« Er hatte seine Augenbrauen gehoben und sah alles andere als begeistert aus. Asuna seufzte bei all den Blicken und verschränkte ihre Arme. Es fiel ihr ein Stein von Herzen, als dieser Unbekannte nicht mehr in ihrer Nähe war. »Seit wann habt ihr alle so wenig Selbstvertrauen? So kenn ich euch ja gar nicht.« Normalerweise war sie kein großer Fan von Volleyball und verstand auch noch immer nicht, wie man gefühlt seine gesamte Freizeit dafür opfern konnte. Jedoch verstand sie ebenfalls nicht, wieso das Team so eingeschüchtert wirkte. »Das liegt daran, dass Beachvolleyball nicht mit Hallenvolleyball zu vergleichen ist, du cerebro«, murmelte Jana und legte stöhnend ihren Kopf in den Nacken. Asuna wusste nicht ganz, wie ihre Freundin sie gerade genannt hatte, aber es hörte sich nicht...wie ein Kompliment an. Asuna entschied sich, diese Aussage einfach zu ignorieren und eigentlich wollte sie noch etwas dazu sagen, aber stattdessen übernahm das der Junge von vorhin. Trotz der Warterei rief er mit einem Grinsen: »Habt ihr es euch anders überlegt oder spielen wir heute noch?« Das Team warf sich untereinander zaghafte Blicke zu, als allerdings Iwaizumi die Augen verdrehte und sich auf den Weg zu den Plätzen machte, folgten ihm die anderen. Abgesehen von Oikawa, denn der hatte bis jetzt überraschenderweise nichts gesagt und das Geschehen mit Argusaugen beobachtet hatte. Asuna wusste nicht ganz, was das sollte. Deshalb warf sie ihm einen verwirrten Blick zu. Er verhielt sich irgendwie merkwürdig. »Was zum Teufel sollte das gerade?«, kam es plötzlich ernsthaft und fast schon eisig von ihm. Er hatte seine Arme verschränkt und sah noch wütender aus als Iwaizumi vorhin. »Echt jetzt? Du auch?«, fragte sie ihn ungläubig. Immerhin hatte sie geglaubt, dass zumindest er von seinem Können überzeugt war. Genervt davon, dass wirklich jeder ihre Idee schlecht fand, machte sie kehrt und wollte den anderen folgen. »Das Spielen ist nicht mein Problem. Der Wetteinsatz ist es aber.« Asuna stoppte und drehte sich um. Sie runzelte überrascht die Stirn. »Darüber machst du dir Sorgen?« Sie hob zusätzlich ihre Augenbrauen und musterte ihn. Sie hatte geglaubt, dass es nur ein Scherz war, aber wenn sie ihn so sah, dann...war es doch sein totaler ernst. »Und du nicht?«, fing er an und kam ihr mit wenigen Schritten näher. »Du würdest also tatsächlich freiwillig Zeit mit ihm und den Rest von denen verbringen? Einfach so?« Es war eindeutig, dass ihn diese kleine Wette mehr als nur störte. Zumindest verriet das seine gesamte Körperhaltung. »Nein. Nicht einfach so. Und darüber werde ich mir auch keine Gedanken machen müssen«, erwiderte sie überzeugt. »Ach? Und wieso? Weil du dir so sicher bist, dass wir gegen diese Idioten gewinnen werden?« Er grinste noch immer nicht und das veranlasste Asuna dazu, es auch nicht zu tun. »Ja...naja. Ja«, kam es nun nicht mehr so überzeugt über ihre Lippen. Okay. Vielleicht war seine ernste Art nicht nur irgendwie heiß, sondern auch ein wenig einschüchternd. Er wandte den Blick von ihr ab und sah aus, als müsste er sich bemühen, ruhig zu bleiben. Sie warf einen Blick über ihre Schulter. Klar und deutlich sah sie, wie die anderen bereits darauf warteten, dass das kleine Spiel begann. »Fuck«, fluchte Oikawa leise und erregte wieder Asunas Aufmerksamkeit. Er fuhr sich durch die Haare und sah sie wieder so merkwürdig an, als müsste er abermals über etwas intensiv nachdenken. »Ich bin verdammt wütend auf dich, klar?«, meinte er plötzlich, während er seine Arme verschränkte und ihr abermals näher kam. Sie machte einen halben Schritt nach hinten. Asuna räusperte sich. Ihr Hals war trocken und das nicht dank der Hitze. »Wieso?« Er war noch nie wütend auf sie gewesen. Zumindest nicht, dass sie wüsste... »Weil,« begann er und schnipste mit seinem Finger gegen ihre Stirn, woraufhin sie zusammenzuckte, »ich mich jetzt deinetwegen richtig anstrengen muss.« Er ließ seine Arme sinken und seufzte. Wenig begeistert griff er nach dem Saum seines Shirts und zog es sich über den Kopf. »W-Was tust du da?«, murmelte sie völlig irritiert von seinen Worten und Taten. »Nach was sieht es denn aus? Ich werde natürlich spielen.« Er wandte den Blick von ihr ab und sah zu den anderen. Seine Miene verfinsterte sich maßgeblich. »Und auch dafür sorgen, dass du nicht zu seiner scheiß Trophäe wirst.« Er drückte ihr sein Shirt in die Hände. Seine Miene veränderte sich kaum merklich und wurde sanfter, aber nicht minder ernst. »Ich habe gemerkt, wie er dich angesehen hat, Asuna. Und ich habe gemerkt, wie du darauf reagiert hast. Ich werde nicht zulassen, dass er dir zu nahe kommt. Versprochen.« Er schenkte ihr ein dezentes Lächeln, ehe er zu den anderen ging und sie zurückließ. Kapitel 18: okinawa - stupidity ------------------------------- ● • . Es war eine dumme Idee gewesen. Eine sehr dumme Idee, um genau zu sein. Oikawa und Iwaizumi lagen weit hinten, was nicht nur Asuna überraschte, sondern alle anderen und vor allem Jana nervös machte. Sie konnte kaum ruhig stehen. Asuna musste zugeben, dass sie bereits ein schlechtes Gefühl bei der Sache bekommen hatte, als es hieß, dass sie nur zwei gegen zwei spielen würden. Ungewöhnlich, aber beim Volleyball auf Sand anscheinend Gang und Gäbe. Jetzt stand sie neben dem Spielfeld und erwischte sich selbst dabei, wie sie völlig ins Spiel versunken an ihren Fingernägel kaute. Indes hatten Iwa und Oikawa, die natürlich diesen kleinen Wettkampf bestritten, ganz schön zu kämpfen. »Wenn sie das verlieren, bring ich dich um«, murmelte Jana neben ihr. Asuna stoppte mit einer ihrer wohl schlechtesten Angewohnheiten, während sie beobachtete, wie der Ball der Gegner auf die blaue Linie fiel. Glück. Wieder einmal. Sie konnte Jana diese Aussage nicht verübeln. »Sie werden schon nicht verlieren. Etwas mehr Vertrauen in deinen Freund, okay?« Sie versuchte euphorisch und zuversichtlich zu klingen, hatte diese Aufgabe aber schon mal überzeugender bewerkstelligt. Plötzlich lehnte sich einer der unbekannten Jungs zu ihr, welcher schon die ganze Zeit neben ihr gestanden und anscheinend dem kurzen Wortaustausch gelauscht hatte. »An eurer Stelle würde ich mir schon mal überlegen, was ich heute Nacht tragen werde. Wobei ihr natürlich auch im Bikini auftauchen könnt. Ich hätte nichts dagegen.« Er grinste schelmisch. Asuna schnaubte. Sie hatte gerade keine Nerven für Sticheleien. »Keine Sorge. Wir werde etwas Nettes tragen. Oder vielleicht auch gar nichts. Wer weiß? Ist aber auch egal, nachdem du uns nach dem Spiel nie wieder zu Gesicht bekommen wirst.« »Werden wir ja noch sehen. Noch sieht es schlecht für euch aus.« Er lachte leise und sorgte dafür, dass sie sich wieder auf das Spiel konzentrierte. Ganz unrecht hatte er zumindest nicht und das brachte ihre Nervosität auf ein ganz neues Level. Und irgendwie bekam sie auch ein schlechtes Gewissen gegenüber Jana, die sie in das Ganze hineingezogen hatte. »Sieh‘ mal, Asuna«, ertönte es von Jana, die ihr mit dem Ellbogen sachte in die Seite stieß. »Die beiden sehen richtig wütend aus. So habe ich sie das letzte Mal gesehen, als sie gegen Shiratorizawa verloren haben.« Jana hatte recht. Sie schienen irgendwie ratlos, aber auch wütend darüber zu sein, dass es ihnen so schwerfiel, Punkte zu machen. Natürlich war Beachvolleyball nicht gleich Hallenvolleyball, aber es war noch immer Volleyball. Das größte Problem, so weit sie es mit ihrem laienhaften Wissen erkennen konnte, war das Timing. Sie waren immer eine Spur zu langsam. Deshalb waren sie auch einen ganzen Satz im Rückstand. Einen noch und sie musste ihren Wetteinsatz einlösen. »Du hast recht und wir können nicht wirklich etwas dagegen tun.« Asuna musste an Oikawas Worte denken. Sie konnte nicht leugnen, dass es sie tief in ihrem Inneren aufgewühlt hatte, als er sie so ernst angesehen hatte und ihr das Versprechen gegeben hatte, auf sie aufzupassen. Sie sah nicht oft diese ernste und sanfte Seite an ihm, aber jedes Mal löste es etwas in ihr aus, dass sie nicht beschreiben konnte und zu einem bestimmten Grad auch nicht wollte. Es verwirrte sie. Beinahe so sehr wie der Kuss in ihrem Zimmer, welcher beinahe ein halbes Jahr her war. Asuna beobachtete Iwa und Oikawa, wie sie eng zusammenstanden und über etwas diskutierten. Sie konnte nichts verstehen oder auch nicht erahnen, um was es gehen könnte. Oikawa hob seinen Kopf, hatte dabei nachdenklich seine Stirn gerunzelt. Ihre Blicke trafen sich. Sie überlegte, ob sie ihm aufmunternd zulächeln sollte, entschied sich aber schnell dagegen. Es würde nur einer verkrampften und zwanghaften Grimasse ähneln. Deshalb ließ sie es bleiben und erwiderte nur stumm den Blick. Iwa redete auf ihn währenddessen ein, doch er nahm seine Augen nicht von ihr, als würde er eine Antwort in ihrem Ausdruck suchen. Es war merkwürdig, dass sie dabei jeden einzelnen Schlag ihres Herzens deutlich spürte. Wieder. Wieso? Als hätte er sich in diesem Moment dasselbe gefragt, unterbrach er den Blickkontakt. Seine Haltung entspannte sich kaum merklich, als er Iwa etwas sagte. Oikawas Mundwinkel zuckte, bevor er erkennbar grinste. Iwa wirkte nicht wirklich überzeugt. Im Gegenteil. Er sah seinen besten Freund an, als hätte er ihm in dieser Situation gerade die Grundregeln von Volleyball erklärt. »Das war alles?«, erwiderte Iwa gut hörbar. Asuna hätte zu gerne gewusst, was er gesagt hatte. Eine Lösung für das Spiel konnte es nicht gewesen sein. Dann hätte Iwa vermutlich anders reagiert. Allerdings überraschte sie das plötzliche Grinsen des Asses ungemein.  Niemand kannte Oikawa so gut wie Iwaizumi, weshalb diese Reaktion einen Grund haben musste. Dennoch begann sie, wieder auf ihren Nägeln zu kauen. Sie hätte nie gedacht, dass sie bei einem Volleyballspiel jemals so nervös sein würde. Gut, sie hätte auch nicht gedacht, dass sie so viel Vertrauen in Iwa und Oikawa haben würde, um so eine bescheuerte Wette einzugehen. Also ja, sie bereute es ein klein wenig, aber auch ihr Vertrauen war nach wir vor vorhanden. Immerhin kannte sie die beiden mittlerweile gut genug, um deren unerbittlichen Ehrgeiz zu kennen. Und das Wort aufgeben existierte in deren Wortschatz ohnehin nicht. Sie würden eine Lösung finden. Und wenn sie sich die beiden so ansah, dann hatten sie tatsächlich eine gefunden. Zumindest hatte sich nicht nur deren Haltung verändert, sondern auch, so ungläubig es sich anhörte, deren Aura. Wachsam beobachte sie Oikawa, wie er nach hinten ging, um aufzuschlagen. Für sie war Oikawa oftmals ein Mysterium, dessen Gedanken sie wohl nie zur Gänze herausfinden konnte. Wenn sie aber ungefähr erahnen konnte, was er dachte, dann war es wohl beim Volleyballspielen. Als er seine Kopf hob und seine Gegner mit den Blicken durchbohrte, konnte sie es wieder. Wir werden gewinnen. Etwas anderes würde nicht in Frage kommen und das bewies er auch mit seinem Aufschlag, mit dessen Wucht wohl niemand gerechnet hatte. Auch nicht die zwei Jungs, deren Namen sie mittlerweile kannte. Eiji und Hiro. »Woah«, hauchte Jana neben ihr beeindruckt, als der Ball perfekt auf der blauen Linie landete. Asuna seufzte leise vor Erleichterung. Obwohl es nur ein freier Punkt gewesen war, beeindruckte der Schlag jeden Zuschauer. Auch ein paar Kinder, die neugierig stehengeblieben waren und das Spiel verfolgten, staunten mit großen Augen. In den nächsten Minuten wurde auch Asuna wieder einmal bewusst, dass Oikawa nicht nur wegen seines Aussehens in den Ausgaben der Monthly Volleyball vorgestellt wurde. Und auch Iwa hatte allen Grund, sich als Ass des Teams zu bezeichnen. Sie sollte ebenfalls recht behalten, dass sich etwas geändert hatte. Mit besserem Timing, größerer Leichtigkeit und Geschick verringerten Oikawa und Iwa den Abstand der Punkte drastisch und brachten die Gegner zum Kochen. Eiji und Hiro warfen sich einen eindringlichen Blick zu, was Asuna mit Argusaugen beobachtete.   Die anderen hatten Aufschlag und so kam es zu einem längeren Ballwechsel. Alle fieberten mit, konnten sich ein Luftholen bei einem knapp erreichten Ball nicht zurückhalten. Es war packend. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. »Netz!«, ertönte es plötzlich mitten im Ballwechsel und riss Asuna aus ihrer verkrampften Haltung, mit der sie jede Bewegung verfolgt hatte. Alle Augen richteten sich auf Hiro, der in der Bewegung gestoppt hatte und mit schnell senkendem Brustkorb auf das Netz deutete, unter dem der Ball zum Liegen kam. Sie kniff verärgert die Augenbrauen zusammen. »Schwachsinn!«, hörte sie sich selbst eisig sagen, woraufhin sich eine Köpfe zu ihr drehten. Eigentlich hatte sie sich nach ihrem vorgeschlagenen Wetteinsatz geschworen, von jetzt an die Klappe zu halten, aber nicht, wenn jemand mit dreisten Mitteln versuchte, zu gewinnen. »Niemand hat das Netz berührt.« Völlig überzeugt lieferte sie sich mit Hiro ein Blickduell. Sie starrte ihn förmlich nieder. »Klar hat er das Netz berührt. Deshalb auch Punkt für uns. Schade.« Eiji grinste hämisch hinter Hiro hervor, während er den Ball aufhob und ihn in seinen Händen drehte. »Ich habe das Netz nicht mal ansatzweise berührt«, mischte sich Iwa ein und machte aufgebracht einen Schritt nach vorne. »Doch. Jeder hat das gesehen, oder?« Hiro sah sich kurz um und erhielt Zustimmung von seinen Freunden. »Und mit jeden meinst du alle außer uns«, zischte Iwaizumi, während Asuna ihre Arme verschränkte. Sie bekräftigte seine Aussage, indem sie hinzufügte: »Ich sage es nochmal: Niemand hat das Netz berührt. Also versucht erst gar nicht, mit miesen Tricks zu gewinnen.« Sie stand genau neben dem Pfosten und hätte gesehen, wenn Iwa oder Oikawa beim Blocken das Netz berührt hätten. »Miese Tricks?«, wiederholte er lachend, stoppte allerdings schnell wieder, um seine Mundwinkel belustigt nach oben zu ziehen. Belustigt und herablassend. »Ganz schön große Worte für jemanden, der sich selbst als Wetteinsatz zur Verfügung gestellt hat, findest du nicht auch?« »Hey!« Jana neben ihr hatte die Augenbrauen wütend zusammengekniffen. Sie war aber nicht die einzige, die diese Aussage zu stören schien. Oikawa stellte sich neben Iwa. »Pass auf, was du sagst!«, raunte er, während er seine Arme verschränkte hatte und den Jungen nicht aus den Augen ließ. Asuna hatte nur für einen kurzen Moment ihre Aufmerksamkeit auf Oikawa gerichtet. Indes verriet ihre Mimik, dass Hiros Grinsen und seine Worte alles andere als nichts in ihr auslösten, aber sie schluckte die Wut hinunter und sagte stattdessen trocken: »Naja, nachdem ich außer eurem Ego nichts Großes ausmachen konnte...« Sie ließ den Satz offen und hob ihre Schultern. Es war vielleicht nicht ihr bester Konter und vielleicht war es etwas gemein, deren Männlichkeit so schamlos zu attackieren, aber sie hatten es nicht anders verdient, nachdem die beiden Jana und sie als einsetzbare Objekte betrachtet hatten. Sie konnte genau sehen, wie sein Hirn zu rattern begann und ihre Aussage verarbeitete. Sein anfängliches Grinsen verschwand. Stattdessen tauchte eine tiefe Furche auf Hiros Stirn auf. Es erinnerte sie an Riku, weshalb sie instinktiv einen halben Schritt zurückging. Von ihrer anfänglichen Aufmüpfigkeit war schnell nichts mehr übrig. Sie biss sich auf die Lippen und wandte den Blick ab. Es war lächerlich, dass sich ihre Reaktion so drastisch änderte, aber sie hatte Riku damals auch furchtbar unterschätzt und das wollte sie nicht wieder erleben. Fuck! Wieso konnte sie einfach nicht die Klappe halten? »Wow. Eigentlich sollten mich deine Worte richtig wütend machen, aber irgendwie bezwecken sie so richtig das Gegenteil.« Er schnaubte und kam ihr ein paar Schritte näher. Jana neben rückte automatisch näher an sie heran, wobei ihr Verhalten Iwa unruhig werden. Hiro hingegen lachte darüber. »Ich mag es, wenn Frauen nicht leicht zu haben sind, wisst ihr?« Er ließ seinen Blick von Asuna zu Jana und wieder zurück gleiten. »Das reicht.« Die eisige Stimme von Oikawa durchschnitt selbst bei dieser Hitze die Luft und wenn sie ihn nicht so gut kennen würde, hätte sie vermutlich das Weite gesucht. Es war eine andere Wut als vorhin während des Spiels, aber sie reichte aus, um Asuna an damals zu erinnern. Bei Riku hatte er beinahe denselben Gesichtsausdruck gehabt. »Wir sollten an dieser Stelle abbrechen.« Seine Stimme machte deutlich, dass er keine Widerrede erduldete. Wut war alles, was Asuna aus seinem Gesicht ablesen konnte. Das war eine der wenigen Eigenschaften, die mehr über ihn verriet. »Ach! Gerade wo es so lustig wird.« Hiro seufzte theatralisch, doch das hinderte ihn nicht daran, seinen Weg zu Asuna und Jana fortzusetzen. »Außerdem müssen wir doch noch gewinnen, um endlich unseren Wette zu gewinnen und...uns unseren Gewinn zu holen.« Er wollte seine Hand nach Asuna ausstrecken, um absolut klischeehaft eine Haarsträhne nach hinten zu streichen. Fast berührte er ihre Wange, wenn nicht Oikawa gewesen wäre, der Hiros Handgelenk packte und ihn so davon abhielt, sie anzufassen. Er schob sich zwischen Asuna und Hiro und schob sie mit seiner Hand etwas weiter nach hinten, um sicherzugehen, dass genug Abstand zwischen ihnen war. Asuna wurde dadurch völlig durch Oikawa abgeschirmt. »Ich sagte: Es reicht! Also halt dich gefälligst fern und lass die Finger von Asuna.« Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber das brauchte sie auch nicht. Alleine die Worte vermittelten ihr, dass Oikawas Geduldsgrenze erreicht war und er genug von dem Verhalten der fremden Jungs und besonders von Hiru  hatte. Asuna spürte, wie ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug. Es war bereits das zweite Mal, dass sie in einer Situation war, in der Oikawa ihr zu Hilfe kam. Und dabei war sie selbst Schuld. Ähnlich war es bei Riku gewesen. Sie hatte ein Talent dafür, sich in brenzlige Situationen zu bringen und schuld daran war, weil sie einfach nicht die Klappe halten konnte. Aber würde sie ihre Worte zurücknehmen wollen? Nein.   »Ziemlich besitzergreifend.« Hiro hob seine Augenbrauen und musterte Oikawa eindringlich. »Ich wusste nicht, dass dich...euch das so sehr stört. Eigentlich motiviert uns das nur noch mehr, oder Eiji?« Er lachte leise und machte ein paar Schritte nach hinten. »Also lasst uns weiterspielen. Wir sind gnädig. Der Punkt geht an euch.« Eiji schmiss Oikawa den Ball zu, der diesen gekonnt auffing, obwohl er nach wie vor Hiro mit seinen Augen fixierte. Erst nachdem die beiden wieder auf ihre Seite des Feldes Position einnahmen, lockerte sich Oikawas angespannte Haltung. Langsam drehte er sich zu Asuna, die auf ihrer Unterlippe kaute und am liebsten weggesehen hätte. Es war schwer, seinem Blick standzuhalten, wenn er sie so verdammt ernst ansah. »Wenn das so weitergeht, muss ich wirklich ständig an deiner Seite sein, um auf dich aufzupassen«, meinte er plötzlich und überrumpelte sie damit. Asuna seufzte und murmelte ein kleinlautes »Danke.« Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie sich in letzter Zeit bei ihm bedankt hat. Es wurde zur Gewohnheit, obwohl sie es nach dem Besuch auf der Krankenstation eigentlich nicht mehr dazu kommen lassen wollte. Lange hatte ihr Vorhaben nicht gehalten. Mittlerweile schuldete sie ihm eine Menge, wenn sie so darüber nachdachte. »Lass das Entschuldigen. Du weißt, dass ich-« Er stoppte von selbst und seufzte. »Am besten wäre es, wenn du dich nur in meiner Gegenwart in Schwierigkeiten bringt, okay? So weiß ich zumindest, dass dir nichts passiert.« Mit diesen Worten wandte er sich zu Iwa, der ungeduldig auf dem Spielfeld wartete. Asuna sah auf den Boden und ignorierte dabei Janas Blick, der sie forschend musterte. Wie auch das letzte Mal wusste sie nicht, wie sie auf diese Worte reagieren sollte. Es brachte sie aus dem Konzept, verursachte alles, nur keine Klarheit. Alles, was er in letzter Zeit tat, trug nicht dazu bei, ihr Vorhaben einzuhalten. Dass sie sich eigentlich von ihm fernhalten wollte, hatte sie mittlerweile bereits vergessen. Er machte es so schwierig, ihn zu ignorieren. Sie seufzte und rieb sich ihren Nacken. Dem Spiel folgte sie erst wieder, als sie hörte, wie der Ball geschlagen wurde. Sie brauchte wenige Minuten, um das Geschehen zu verarbeiten und sich voll und ganz auf die Ballwechsel zu konzentrieren. Es dauerte aber auch nicht lange, bis sie wieder völlig im Spiel gefangen war. Wie zuvor auch konnte sie kaum ruhig stehen. Der Junge neben ihr lachte bereits über sie, verstummte aber nach einem mörderischen Blick ihrerseits. Zwischendurch musste sie Jana nach dem Punktestand fragen, da sie völlig durch den Wind war. 12:11 im dritten Satz. Drei Punkte noch und Oikawa und Iwa hätten gewonnen. Sie kämpfen. Das sah man ihnen an. Beide waren, obwohl sie mehr als nur trainiert waren, völlig außer Atem. Kein Wunder. Es hatte mehr als 30°Grad und aufgrund des Sandes war jeder Schritt doppelt so anstrengend. Aber auch die anderen beiden hatten ihre Probleme. Die anfängliche Leichtigkeit, Punkte zu holen, war verschwunden. Zu Asunas Glück. 15:14. Hiro hatte seinen Aufschlag ins Netz geschlagen. Sie hielt die Luft an und verfolgte Oikawa, wie er mit dem Ball nach hinten ging. Er würde keinen Fehler machen. Nicht in einer Situation wie dieser. Akribisch drehte er den Ball in seinen Händen, was er immer vor seinem Aufschlag tat. Sie wollte sich nichts anmerken lassen, aber sie zerplatzte nahezu vor Nervosität und Anspannung. Wie zuvor auch verfolgte sie jede einzelne Bewegung. Es hatte sich nicht viel zu vorhin geändert. Er hatte dieselbe selbstsichere Ausstrahlung und genau das war der Grund, weshalb die meisten Gegner anfingen, an sich selbst zu zweifeln, wenn sie gegen Oikawa spielten. Oder zumindest einer der unzähligen Gründe. Asuna holte tief Luft, als sich ihre Blicke kreuzten. Dieses Mal war er derjenige, der seine Mundwinkel anhob und dafür sorgte, dass sich ihre verkrampften Muskeln entspannten. Er fokussierte wieder den Ball, warf diesen nach oben und machte vermutlich den besten Aufschlag des gesamten Spiels. Sie hatte keine Ahnung von der Technik in Volleyball, aber der Treffpunkt, die Geschwindigkeit und der Winkel des Aufschlags mussten perfekt sein. Der Ball drehte sich, änderte seine Richtung in einem steilen Winkel und wurde von Eiji, der zum Ball hechtete, nicht mal ansatzweise berührt. Gewonnen. Asuna spürte, wie ihr ein riesiger Stein vom Herzen fiel. Erleichtert legte sie ihren Kopf in den Nacken und nahm nur gedämpft wahr, wie Jana neben ihr aufgeregt aufschrie. Sie brauchte nicht hinsehen, um zu wissen, dass sie auf der Stelle auf und ab hüpfte und sofort zu Iwa rannte, um ihm um den Hals zu fallen. »Schade«, seufzte der Junge neben ihr, doch das ignorierte sie gekonnt. Sie sah zu Matsukawa und den anderen, die anscheinend bereits das Spiel analysierten. Indes unterhielt sich Jana mit Iwa und Oikawa, nachdem sich diese bei den anderen für das Spiel bedankt hatten. Dass es nur reine Höflichkeit war und sie es nicht völlig ernst meinten, war offensichtlich. Aber es beruhte auf Gegenseitigkeit. Bevor Asuna jedoch zu ihnen ging, richtete sie ihre Worte nochmal an Eiji und Hiro, die nicht glauben konnte, dass sie verloren hatten: »Gut gespielt, aber das nächste Mal solltet ihr darauf verzichten, mit unfairen Mitteln zu spielen. Das habt ihr nicht nötig.« Sie spielte auf die Aktion mit dem Netz an, woraufhin sie nur ein frustriertes Nicken erhielt. Mit einem Lächeln ging sie zu den drei. »Ich wusste doch, dass ihr gegen diese Idioten gewinnt«, sagte sie nonchalant und konnte sich bei den Blicken, die ihr zugeworfen wurden, ein leises Lachen nicht verkneifen. Abwehrend hob sie ihre Hände. »Schon gut! Ich weiß, dass das nicht gerade meine beste Idee war, aber ist doch alles gut ausgegangen, oder?« Jana verschränkte die Arme, während sie ihre Augenbrauen zusammenkniff. »Dank dir bin ich in den letzten Minuten um 20 Jahre gealtert! Ernsthaft, Asuna! Sei froh, dass die beiden hier so verdammt gut sind.« »Also hatte durchgehend vollstes Vertrauen«, erwiderte sie und log dabei nicht zur Gänze. Nach dem Satzrückstand war sie zugegeben ziemlich pessimistisch gewesen. Oikawa hob seine Augenbrauen. Weniger belustigt, denn nach wie vor schien es ihn zu ärgern, dass sie sich auf diese Wette eingelassen hatte. »Ach! Und deshalb hast du die ganze Zeit so unruhig herumgezappelt. Interessante Definition von vollstes Vertrauen.« »Es war nun mal ziemlich spannend«, rechtfertigte sie sich kleinlaut. Eigentlich war sie niemand, der so zurückhaltend antwortete, aber in diesem Fall konnte sie nicht anders. Immerhin war sie zu einem großen Teil für diese Situation verantwortlich gewesen. Und wenn Oikawa und Iwa nicht gewesen wären, wäre die Sache völlig anders ausgegangen. Sie schuldete den beiden etwas. Und auch Jana, nachdem sie ihre beste Freundin in das Schlamassel mit hinein gezogen hatte. »Wenn ich ehrlich bin, dann hat Asuna irgendeine Rache verdient, meinst ihr nicht auch?« Iwa legte seinen Arm um Jana, als er dies sagte und Asuna nachdenklich musterte. »Ganz deiner Meinung, aber können wir zuerst ins Wasser gehen? Ich brauche dringend eine Abkühlung nach der ganzen Aufregung.« Jana fächerte sich provisorisch Luft zu, woraufhin sie zustimmendes Nicken erhielt. Asunas Proteste bezüglich dieser Aussage wurde eiskalt ignoriert. Etwas zweifelnd folgte sie den anderen. Sie hatte sich die Haare gerade wieder zu einem Zopf gebunden, nachdem sie kurz davor war, wieder das Wasser zu betreten. Während Jana und Iwa sich ohne zu zögern ins Meer warfen, zögerte Asuna etwas. Sie hatte vergessen, wie kalt es gewesen war. Bis zu ihrer Hüfte hatte sie es geschafft, aber weiter kostete es ziemliche Überwindung. »Ich muss mich gerade wirklich zusammenreißen, um dir nicht einen Schubs zu geben«, ertönte es plötzlich hinter ihr. Ohne sich umzudrehen, erwiderte sie: »Wenn du das tust, rede ich nie wieder ein Wort mit dir.« »Als ob du das schaffen würdest.« Sie sah zur Seite und versuchte aus Oikawas Gesicht herauszulesen, ob er sein Vorhaben in die Tat umsetzten würde. Jedoch wirkte er nicht, als wollte er das Risiko einer wütenden Asuna eingehen. »Hast du nicht Lust, ein paar Kilometer aufs offene Meer zu treiben und auf einer einsamen Insel zu stranden?«, fragte sie mit einer Spur Hoffnung. »Nur damit du eine Suchaktion starten kannst, weil du mich bereits nach wenig Stunden so sehr vermisst?« Er hob spöttisch seine Augenbrauen. »Ich würde eine Party nicht als Suchaktion bezeichnen, aber wenn du meinst.« Sie schmunzelte, denn sie war froh, dass er nicht mehr so wütend auf sie war. Obwohl er vor dem Spiel noch gescherzt hatte, war ihr klar, dass ihm ihre Entscheidung und ihr Einmischen nicht gefallen hatte. Auch seine Aussage, dass er nicht zulassen würde, dass Hiro ihr zu nahe kam, hatte seine Ernsthaftigkeit gezeigt. Nach wie vor konnte sie aber nicht deuten, wieso er sich so verhalten hatte. Klar, sie waren so etwas wie Freunde, aber...erklärte das sein Verhalten? Und dann war da noch Hina, die nicht nur die Nacht mit Oikawa verbracht hatte, sondern ihn auch offensichtlich als Eigentum betrachtete. Nach wie vor wusste sie nicht, wie es zu Ersterem gekommen war und was sie davon halten sollte. Dass es sie störte, war ihr bewusst. Hina war einfach ein Miststück, welches nach außen hin die perfekte Schwiegertochter mimte. Das konnte sie nicht leiden. Warum zum Teufel sah Oikawa das nicht und wieso hatte sie bei ihm geschlafen? Oder auch mit ihm? Urgh. Nein. Daran wollte sie echt nicht denken. Allerdings interessierte sie der Grund für deren Übernachtungsparty brennend. »Wegen heute früh,« fing sie langsam an, »ich war irgendwie überrascht, dass du mit-« »Asuna! Ich habe eine wichtige Frage!«, rief Jana plötzlich von weitem und kam auf sie zu. Ja, die habe ich auch, dachte sie sich. Sie war so kurz davor gewesen, ihn nach dem Grund zu fragen. »Jana wichtig, oder wichtig wichtig?«, hakte Asuna nach, da man bei ihrer besten Freundin nie wusste. »Wichtig wichtig natürlich. Ich wollte dich ja vorhin schon etwas fragen«, begann sie und sprach für ihre Verhältnisse ziemlich langsam. »Und irgendwie betrifft das Oikawa ja auch, oder nicht, Hajime?« Skeptisch runzelte sie die Stirn. »Ah, ja.« Sie sah von Oikawa zu Iwa, der hinter Jana stand und nickte. Sie sah auf den Boden, wo das Wasser gerade mal bis zu ihren Knöcheln reichte. »Okay, dass Wasser ist hier nicht tief genug, um mich zu ertränken«, murmelte sie und brachte Asuna dazu, die Augen über diese Theatralik zu verdrehen. Seufzend verschränkte sie die Arme. »Komm zum Punkt und sag endlich, was du von mir...uns willst. Mehr als ein Nein kann nicht passieren.« Jana druckste selten so lange um etwas herum. Umso kurioser war die ganze Sache. »Okay«, begann sie und holte tief Luft. »Hajime und ich, also der Freund deiner besten Freundin und deiner beste Freundin, die wie eine Schwester für dich ist, haben uns gefragt, ob du nicht all deine Nettigkeit und Nächstenliebe zusammenkratzen kannst und bereit dazu wärst, mit Hajime Zimmer zu tauschen? Du weißt schon, also damit wir zwei zusammen in einem Zimmer schlafen könnten. So als...unsterblich verliebtes Pärchen. Du weißt schon...was ich meine.« Sie kratzte sich verlegen am Hinterkopf. »Um das zusammenzufassen: Du willst, dass ich mit Iwa Zimmer tausche, sodass ich dann mit Oikawa in einem Zimmer schlafen muss? Und das nur, damit ihr zwei euren Trieben freien Lauf lassen könnt?«, schlussfolgerte sie beängstigend ruhig. Jana zögerte, nickte aber schließlich langsam mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen. Asuna machte einen Schritt auf ihre Freundin zu, hob ihre Hand und legte diese auf Janas Stirn. »Geht es dir gut? Hast du einen Hitzeschlag? Soll ich dich zum Arzt bringen?« Sie ließ ihren Arm wieder sinken und fügte ungläubig hinzu: »Oder bist du einfach nur bescheuert?« Das konnte doch nicht ihr ernst sein, oder? Kapitel 19: okinawa - there's a bitch in each of us --------------------------------------------------- ● • . Asuna starrte gedankenverloren aus dem Fenster ihres Hotelzimmers, während sie auf dem Bett saß und mit den Spitzen ihrer frisch gewaschenen Haare spielte. Es war kurz vor 20 Uhr. Sie versuchte Zeit zu überbrücken. Nachdem sie also bereits alle Social Media Apps durch hatte und im Fernsehen auch nichts Interessantes gezeigt wurde, blieb ihr nur noch die Aussicht aufs Meer und... ihre Gedanken. Sie war abgedriftet. In eine Richtung, die ihr nicht gefiel oder die sie bis jetzt vermieden hatte. Wieso bin ich Janas Bitte überhaupt nachgekommen? Sie verfluchte sich selbst und kaute dabei auf ihrer Unterlippe herum. Sie war so bescheuert und auch mehr als nur selbst schuld, dass sie nun in dieser Situation war. Denken und dann reden. In dieser Reihenfolge sollte es eigentlich passieren, aber nein. Ihr gewaltiger synaptischer Aussetzer war verantwortlich, dass sie hier saß und es in den nächsten zwei Tagen auch noch tun würde. Wobei diese zwei Tage noch ihr geringstes Problem waren, wenn sie darüber nachdachte. Oikawa und sie hatten immerhin bereits viel Stunden miteinander verbracht. Verflucht intensive Stunden, um genau zu sein. Doch noch nie hatten sie in ein und demselben Bett geschlafen. Es mag zwar idiotisch klingen, aber das war eine verdammt große Sache. Zumindest für Asuna, die bei dem unangenehmen Gefühl in ihrem Inneren unruhig ihr Bein zu ihrem Körper zog. Sie wusste zum ersten Mal seit langen nicht, wie sie sich verhalten sollte. Bis jetzt hatte sie erfolgreich ein Gespräch mit dem Setter vermieden. Das lag allerdings auch nur daran, dass sie ihn kaum gesehen hatte. Wenn sie aber das Rauschen des Wassers im Bad hörte, dann würde sich das gleich ändern. Jana hatte vorhin gemeint, dass sie die Sache positiv sehen sollte, nur tat sie sich nach wie vor schwer, irgendetwas Positives daran zu sehen. Vielleicht würden viele Mädchen aus ihrer Schule dafür töten, mit Oikawa Tōru in einem Zimmer schlafen zu können, Asuna hingegen konnte sich Besseres vorstellen. Allen voran deshalb, da sie nach wie vor nicht wusste, was genau sie für diesen Idioten überhaupt empfand. Ja, sie benutzte bewusst dieses Wort, denn obwohl sie es am liebsten geleugnet hätte, konnte sie es nicht. Irgendetwas war da. War es körperliche Anziehung? Eindeutig. Unsicherheit? Absolut. Eifersucht, wenn er mit Hina sprach? Fuck, ja! Sie musste all das nicht im Internet nachschlagen, um zu wissen, für welche »Krankheit« diese Symptome standen. Vor ein paar Tagen war ihr der Gedanke gekommen, dass sie diese Gefühle, die sie damals in Oikawas Gegenwart wahrgenommen hatte und die sie einfach auslöschen wollte, vielleicht nie ganz weggegangen waren. In den letzten 24 Stunden war ihr dann langsam bewusst geworden, dass sie dieses Vielleicht mit einem Ziemlich sicher ersetzen konnte. Etwas war da und Asuna weigerte sich, diesem Etwas einen Namen zu geben. Noch. Wer weiß, wie lange sie sich noch dagegen sträuben konnte? Zum Glück wurde sie in diesem Moment durch das Öffnen einer Tür wieder ins Hier und Jetzt zurückbefördert. Sie riss sich von ihrem fixierten Punkt los und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Protagonisten ihrer Gedanken. Wie war das noch gleich mit den Symptomen? Statt etwas zu sagen, verfolgte sie seine Bewegungen. Sie versuchte es unauffällig zu gestalten, aber dafür war sie irgendwie zu...perplex. Er trug nur ein Handtuch um seine Hüften, weshalb sie gar nicht anders konnte, als zu starren. Wohl definierte Muskeln, die sich über seine Arme, seinen Oberkörper und die Beine zogen. Nicht zu viel, sodass es übertrieben wirkte. Genug an den richtigen Stellen, um die Fantasie anzuregen. Sie gab es nur ungern zu, aber bei Oikawa konnte sie nicht wegsehen. Vor allem nicht, wenn er kaum ein Kleidungsstück am Körper trug. So fiel ihr auch auf, dass er noch durchtrainierter aussah als früher. Sie würde es zumindest nicht überraschen, denn in letzter Zeit verbrachte er mehr Zeit im Fitnessraum der Schule als sonst jemand. Insgeheim fragte sie sich, wie er alles unter einen Hut bekam. Volleyballttraining, Kraftraining, Ausdauertraining und irgendwo dazwischen war auch noch Platz zum Lernen. Wenn sie so darüber nachdachte, dann gab es anscheinend nichts, was er nicht konnte. Und wieder einmal wunderte es sie nicht, dass so viele Mädchen aus ihrer Schule ihn in verknallt waren. Dabei wussten die meisten gar nicht, dass viel mehr hinter dem Volleyballkapitän steckte als nur ein attraktives Grinsen, gute Noten und ein sehr ansehnlicher Körper. »Unauffällig Starren war noch nie deine Stärke, Asuna«, ertönte es plötzlich von Oikawa und riss sie bereits zum zweiten Mal aus ihrer Starre. Sie blinzelte ein paar Mal und spürte die Hitze in ihren Wangen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie anscheinend bereits so lange abgedriftet war und Oikawas Oberkörper gemustert hatte. Dennoch versuchte sie den Moment zu überspielen, indem sie die Augenbrauen zusammenkniff und erwiderte: »Und du kannst dich nicht im Badezimmer anziehen, wie jeder normale Mensch, oder?« Zum wiederholten Male fragte sie sich, weshalb sie Janas Wunsch nachgekommen war, anstatt mit der Reue der Wette zu leben. Sie hatte ja gewusst, dass es speziell werden würde, mit Oikawa ein Zimmer zu teilen. Aber es machte sie tatsächlich verrückt. ER machte sie verrückt. Und dabei teilten sie sich erst seit wenigen Stunden ein Zimmer. Statt sich anzuziehen, griff er ganz beruhigt nach seinem Handy. »Asuna«, fing er fast schon belehrend an und irgendwie steigerte sich die Hitze im Gesicht, bei der Art und Weise, wie er ihren Namen aussprach, die Hitze ins Gesicht, »wenn du willst, dass ich mein Handtuch fallen lasse, musst du es nur sagen.« Unschwer zu erkennen, dass er anfing zu grinsen. Asuna holte tief Luft. Nur zwei Nächte. Das ist doch machbar, rief sie sich wie ein Mantra in Erinnerung. Nicht weil er sie nervte. Zumindest nicht nur und wenn sie ehrlich war, dann musste sie ein Lächeln bei diesen unverschämten Aussagen unterdrücken. Ihr kam es gerade vor, als hätten sie die körperliche Beziehung mit ihm nie beendet. Dieselben Sticheleien, dieselben Blicke, dieselbe Spannung. Nur fehlte das Wichtigste. Der Sex. Dass es aber nicht so einfach war, Körperliches von Emotionalem zu trennen, hatte sie wohl auf die unangenehme Tour gelernt. Diese Tatsache war mitunter der Grund, weshalb sie eigentlich nicht in einem Zimmer mit ihm schlafen wollte. In einem Zimmer UND in einem Bett. Alles erinnerte sie an damals und das wollte sie vermeiden, denn es fühlte sich einfach nicht richtig an. Vielleicht für manche unverständlich, doch da er anscheinend Hina näher gekommen war, als sie gehofft hatte, konnte sie nicht beruhigt einem Meter neben ihm liegen, ohne an die Zweitklässlerin zu denken. Selbst wenn sie Hina nicht ausstehen konnte, war sie kein Miststück. Jeder Blinde konnte sehen, dass Hina Oikawa mochte. Und er sie anscheinend auch, nachdem sie ja bei ihm übernachtet hatte. Asuna schüttelte den Kopf, um wieder Klarheit in ihrem Kopf zu schaffen. Sie richtete sich auf und sah Oikawa ernst an. »Okay, wir müssen ernsthaft Regeln aufstellen, damit das hier funktioniert.« Diesen Entschluss hatte sie innerhalb der letzten Sekunden gefasst, nachdem ihr Hinas Worte wieder eingefallen waren. Jedoch nicht, da sie dieser Nervensäge den Gefallen tun und sich von Oikawa fernhalten wollte. Es war eher zu ihrem eigenen Wohl. »Erstens: Keine Scherze und Anspielungen, die auf irgendeine Art und Weise Nacktheit beinhalten oder zumindest das Gespräch genau in diese Richtung lenkt. Zweitens:«, sie deutete mit einer einzigen Handbewegung auf seinen Oberkörper, »keine tatsächlich Nacktheit, selbst wenn es sich dabei nur um den Oberkörper handelt. Abgesehen am Strand natürlich. Und drittens: Abstand halten.« Der Körperkontakt am Strand hatte ihr gereicht. »Ist das dein Ernst?«, hakte Oikawa nach und hob tatsächlich überrascht über ihre Forderungen die Augenbrauen. Das Handy in seiner Hand längst vergessen. »Sehe ich aus, als würde ich scherzen?« Sie musste schwere Geschütze auffahren. Alles andere half nicht. Anstatt auf ihre rhetorische Frage einzugehen, schien er zu überlegen, woher diese plötzliche Wandlung kam. »Warte...Ist das wegen Hina?« Er verschränkte seine Arme und zog seine Augenbrauen nach oben. »Keine Ahnung, wie du darauf kommst«, erwiderte sie, nutzte dieselben Worte wie er, bevor sie in den Bus gestiegen waren und klang dabei mehr als nur ironisch. Wie war sie auf die Idee gekommen, dass Oikawa mit Hina in einer Beziehung sein konnte? Hm? Vielleicht weil sie an ihm hing wie eine Klette? Weil ihn das nicht zu stören schien? Weil sie bei ihm geschlafen hatte, obwohl Asuna und er das nie getan hatten? Er schien noch immer nicht ganz zu verstehen, woher diese Regeln kamen und was der Beweggrund hinter diesen war. »Hina und ich sind nicht zusammen. Das habe ich doch schon gesagt.« Da war es wieder. Die Aussage, die ihr Herz zugegeben für einen Bruchteil einer Sekunde höherschlagen ließ, sie aber zugleich auch auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Asuna erhob sich und erwiderte seinen ernsten Blick. »Wie gut, dass deine Worte auch so sehr zu deinen Taten passen.« Sie wusste nicht, warum sie so bissig klang, aber sie wusste, warum sie es sofort bereute. Sie hatte kein Recht darauf, dass sie etwas daran störte. Verdammt, sie hatte wirklich kein Recht darauf. Zu abrupt unterbrach sie den Blickkontakt, den sie trotz aller Mühe nicht länger standhalten konnte. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ das Zimmer. Je weiter sie sich von Oikawa entfernte, desto ruhiger wurde sie. Sie hätte nicht gedacht, dass sie so schnell...ihre Vorsätze über Bord werfen würde. Sie hatte sich echt vorgenommen, ohne Stress mit Oikawa das Zimmer zu teilen. Und im Endeffekt hatte sie es selbst ruiniert. Asuna holte tief Luft und öffnete die Tür zu Janas Zimmer, welches eigentlich auch ihr Zimmer war. Die Betonung lag auf eigentlich... Ihre gute Laune vergeblich suchend, betrat sie das Hotelzimmer. Jana hatte etwas davon erwähnt, noch die anderen Mädchen aus ihrer Klasse zu fragen. Mit vielen verstanden sie sich gut, weshalb Asuna sofort ja gesagt hatte. Deshalb sollte es auch keine Überraschung sein, dass sie von sechs Augenpaaren angestarrt wurde. »Wow, ihr seht ja motiviert aus.« Sie schmunzelte und warf einen Blick durchs Zimmer. Asuna scannte die anderen Mädchen, unter denen Lu und drei weitere aus ihrer Klasse waren. Langsam dämmerte es ihr, weshalb sie so angesehen wurde. »Wieso seid ihr so...angezogen?« Sie wusste nicht ganz, wie sie es formulieren sollte. Also ausnahmslos jede trug hohe Schuhe und auch der Rest des Outfits wirkte auf sie, als wären sie heute auf einer Mission. Eine Mission, die sie anscheinend verpasst hatte. Sie trug schlichte weiße Schuhe, die ihren flachen Sneakers ähnelten und auch sonst ein weniger auffälliges und vor allem weniger figurbetontes Outfit. Wenn sie sich mit den anderen verglich, dann würde sie sich fast schon als underdressed bezeichnen. Sie hatte sich keine Gedanken über ihre Kleidung gemacht, nachdem sie begonnen hatte, an Oikawa zu denken. »Die Frage ist eher, wieso du nicht so angezogen bist«, warf Suki, die eine hautenge Jeans und ein rückenfreies Oberteil trug, in den Raum. Suki ging in die Nebenklasse und wechselte ihre Haarfarbe öfters als alle Schüler der Aobajohsai zusammen. Sie war bekannt dafür, eine große Klappe zu haben. »Gebt der Armen doch mal etwas zu trinken. Sie sieht aus, als hätte sie es bitter nötig.« Mia reichte ihr mit einem Grinsen einen Becher, in dem bestimmt kein erfrischendes Wasser war. Sie zögerte kurz, da sie kein Fan von Alkohol war, doch ein Teil von ihr hatte das Bedürfnis, dieses bekannte Gefühl von Gleichgültigkeit selbst zu erfahren. Asuna griff nach dem Becher und setzte sich neben Jana, die bis jetzt geschwiegen hatte. Mia war eine Quasselstrippe und eigentlich fasst immer gut gelaunt. Sie erinnerte sie an Jana. »Wir haben schon auf dich gewartet.« Lu legte ihr Handy beiseite. »Alles klar?« Asuna wusste, dass es nur eine Floskel war, aber sie brachte nur ein Nicken zustande. Aus irgendeinem Grund drängte sich die Anspannung von vorhin wieder zurück an die Oberfläche. Um dieses wieder zu unterdrücken, nahm sie einen großen Schluck aus dem Becher. Wodka. Von dem Orangensaft schmeckte sie kaum etwas. Angewidert verzog sie das Gesicht. »Urgh! Wer ist hier für die Getränke zuständig?«, raunte sie und sah in die Runde. Suki hob belustigt die Hand und zuckte unbekümmert mit den Schultern. »Danke für nichts, Suki«, erwiderte sie schmunzelnd. »Du wirst mir gleich noch mehr danken, wenn ich dir etwas von mir zum Anziehen leihe.« Sie wackelte mit den Augenbrauen und wenn sie sich Suki so ansah, dann wusste sie nicht, ob sie sich darüber tatsächlich freuen sollte. Nicht, dass sie nicht hübsch und heiß aussah, aber dieses Grinsen bedeutete nichts Gutes. »Oh, ja. Da mache ich mit. Ich glaube, ich hätte Schuhe, die ich dir borgen kann!« Mia war euphorisch aufgesprungen und sofort zu ihrem Koffer gelaufen. Asuna sah skeptisch von einer Person zur anderen. Wollte sie das wirklich? »Wehe es verdeckt nicht 2/3 meiner Haut«, murmelte sie und setzte den Becher wieder an ihre Lippen. Wenn sie nicht auffallen wollte, sollte sie sich tatsächlich anders anziehen. Und da sie nichts mitgenommen hatte, was ausgehtauglich war, musste sie sich etwas leihen. Sie verfolgte das Geschehen mit Argusaugen und lehnte sich weiter zu Jana, einfach um ihr näher zu sein. Sie zeigte es nicht oft und für viele mochte es im ersten Moment merkwürdig erscheinen, aber Jana war ihr Ruhepol. Trotz ihrer aufgeweckten und offenen Art beruhigte es sie, wenn ihre beste Freundin bei ihr war. Und gerade jetzt tat es besonders gut. »Lass uns nachher reden, okay?«, versprach Jana und hielt ihr ihren eigenen Becher entgegen. Asuna nickte und stieß mit ihr an. Sie verstanden sich ohne Worte. »Okay, Asuna. Bist du bereit?«, fragte Suki plötzlich hibbelig. Die Angesprochene sah auf. Suki hielt ein Bündel Stoff in der Hand. »Sag ich dir danach«, erwiderte Asuna zweifelnd, erhob sich und nahm ihr die Kleidungsstücke und die Schuhe ab. Sie wurde ins Bad delegiert, mit der Begründung, sie musste es doch akzeptabel präsentieren. Sie hob ihre Augenbrauen, als sie den schwarzen Lederrock hochhob. Das hier war weit davon entfernt, zu ihrer üblichen Garderobe zu gehören. Dennoch zog sie ihn an. Genauso wie das Oberteil, welches dünne Träger und einen Ausschnitt mit Spitzen hatte. Einige Stellen waren transparent, aber absolut im Rahmen. »Okay«, murmelte sie, während sie sich im Spiegel betrachtete. Sie trug nie ausschließlich Schwarz, aber es sah...gut aus. Wie von selbst fuhr ihre Hand zu ihren Haaren. Um diese hatte sie sich selbst gekümmert, weshalb sie in leichten Wellen über ihren Rücken fielen. Auf Make-up hatte sie dieses Mal ebenfalls nicht verzichtet. Rouge, Mascara und andere Basics hatte sie verwendet. Nun fühlte sie sich nicht mehr underdressed. Zum Schluss griff sie nach den Schuhen, die sie von Mia hatte und die ihr mehr als nur gut gefielen. Sie musste unbedingt fragen, woher sie diese hatte. Sie waren nicht zu hoch, sodass sie höchstens ein wenig über 1,70 groß war. Außerdem war das Riemchen, mit denen sie geschlossen wurden, dünn, sodass sie nicht zu übertrieben wirkten. Sie zog ein letztes Mal an ihrem Oberteil und verließ wieder das Bad. Bevor sie etwas sagen konnte, rief Suki: »Holy Shit! Ich glaube, Asuna hat heute einiges vor!« Begeistert klatschte sie in die Hände, während die anderen über diese Aussage lachten. Asuna grinste. »Und mit einiges meinst du, dir die Haare aus dem Gesicht zu halten, wenn du dir die Seele aus dem Leib kotzt?« »Ohhhh, was für ein Comeback!« Mia kicherte und verschüttete beinahe etwas von ihrem Getränk. Anscheinend war das nicht ihr erster Becher. »Was meint ihr? Nachdem Asuna optisch endlich mit uns mithalten kann, sollten wir gehen.« Jana hatte ihre Sprache wieder gefunden und war urplötzlich aufgesprungen. Wenn sich Asuna die Mädels so ansah, dann hatte sie das Gefühl, als würde der Abend heute eskalieren. Zumindest deutete deren Vorfreude darauf hin. Diese Vorfreude war irgendwie ansteckend, obwohl sie selten Party machte. »Gute Idee. Lasst uns gehen.« Damit verließen sie das Zimmer und machten sich auf den Weg nach unten. Bereits auf den Weg in die Lobby lachten sie lautstark über die dümmsten Aussagen. Die Bar sah mit den ganzen bunten Lichtern wirklich einladend und beeindruckend aus. Allerdings war sie sich auch sicher, dass sie hier nur schwer Alkohol bekommen würden. Immerhin war in Japan Alkohol erst aber 21 erlaubt und davon waren sie weit entfernt. Laut Suki, die öfters hier in der Gegend Urlaub machte, wussten sie allerdings, dass es dort einfach war, hineinzukommen. Frauenquote und Umsatzziele ermöglichten anscheinend so einiges. Vermutlich war es in andere Präfekturen nicht anders. Obwohl es nicht ganz legal und dies eigentlich nicht so ihr Ding war, war gerade dieses Illegale irgendwie...aufregend. Und genau das, was sie nach all den Wochen brauchte. Sei es nun, um sich von Hina, Oikawa oder dem Lernen abzulenken. »Wow, ihr seht heute echt gut aus«, ertönte es plötzlich hinter ihnen, weshalb sie sich umdrehten. Hanamaki lächelte dezent. Bis jetzt hatte Asuna nicht viel mit ihm gesprochen, da er in ihre Nebenklasse ging, aber Suki war, so weit sie wusste, gut mit ihm befreundet. »Danke, Takahiro-kun.« Sie kicherte, woraufhin Asuna prompt ihre Augenbrauen nach oben zog. Bis jetzt hatte sie Suki noch nie kichern gehört. Außerdem überraschte es sie, dass sie ihn so ansprach. Fast so sehr wie die Tatsache, dass Hanamaki tatsächlich genug Anstand besaß, um nicht ihre Brüste anzustarren. Selbst Asuna hatte bereits einen Blick darauf geworfen. Da konnte man doch nicht anderes! In dem weinroten Oberteil sah sie aber auch verdammt heiß aus. Anders konnte man es nicht beschreiben. Während die beiden ein Gespräch begannen, sah Asuna zu Jana, Lu und Mia. Sie hatten allesamt die Bar, welche mit den ganzen bunten Lichtern und Flaschen wirklich beeindruckend aussah, in Beschlag genommen, weshalb Jana nun auch bei Iwaizumi war, der seine Hände nicht von ihr lassen konnte. Kein Wunder bei dem eng anliegenden Kleid. Es passte einfach perfekt zu ihr. Lu und Suki standen bei Matsukawa, der nicht ganz wusste, wo er hinsehen sollte. Das brachte Asuna zum Grinsen. Matsukawa war eigentlich eine ruhige Person und da gerade zwei Mädchen ohne Unterbrechung auf ihn einredeten, wusste er nicht ganz, was er tun sollte. Schmunzelnd über diese Tatsache begab sie sich ebenfalls zu der Gruppe. Dabei suchten ihre Augen nach einer bestimmten Person und sie verfluchte sich dafür. Es ärgerte sie ungemein, dass sein Fehlen sie nicht kalt ließ und sie sogar etwas enttäuscht darüber war. Asuna seufzte und bestellte sich etwas zu trinken. Etwas Alkoholfreies, denn sie hatte das Gefühl, als würde ihr der Wodka von vorhin bereits zu Kopf steigen. Vielleicht war der geringe Alkohol in ihrem Blut vielleicht schon ausschlaggebend für ihre wirren Gedanken. War es nicht sie gewesen, die vorhin noch groß von Abstand halten gesprochen hatte? Vermutlich sollte sie anstatt Wasser doch Alkohol trinken. Es wurde bestimmt nichts besser machen, aber wenigsten würde sie sich mit diesem Thema nicht so sehr stressen. Weil die anderen alle in ein Gespräch vertieft waren, lehnte sie sich an die Theke und holte ihr Handy aus ihrer kleinen Tasche. Sie kaute auf ihrem Strohhalm herum, während sie durch Social Media scrollte. Allerdings hätte sie es sich sparen konnte, denn bereits nach wenigen Bildern war ihr die gute Laune vergangen. Zum Glück war es kein Bild von Hina UND Oikawa, aber das Grinsen der Zweitklässlerin reichte aus, um den Strohhalm nahezu in zwei Teile zu beißen. Abgesehen davon hatte sie bereits nach wenigen Minuten ziemlich viele Likes und Kommentare. Es wäre ihr egal gewesen, wenn Hina in Wahrheit nicht so ein Miststück wäre und bei allen anderen, abgesehen von ihr das nette und unschuldige Mädchen von nebenan mimte. Wieso habe ich sie noch immer bei meinen Freunden dabei, dachte sich Asuna seufzend, kannte die Antwort aber genau. Irgendwie hatte es etwas Befriedigendes an sich, sich über Hina aufzuregen. Mag sein, dass es kindisch von ihr war, aber es tat gut. Auch wenn sie gerade ihren Strohhalm malträtierte. Ihr war Hina ja bereits zuvor schon auf die Nerven gegangen, aber nach ihrem Auftritt vor dem Bus machte sich etwas Ähnliches wie Hass in ihr breit. Und dabei war Hass so ein starkes Gefühl, welches Hina nicht mal ansatzweise wert war. »Asuna? Wir wollen ein Foto machen. Los, komm!« Sie sah auf und merkte erst jetzt, dass sie jeder ansah. Schon wieder. Wie lange hatte sie ihren Handybildschirm angestarrt? Jana deutete mit einer Handgeste an, zu ihr zu kommen, und erst da fiel ihr auf, dass Oikawa anscheinend auch zu ihnen gefunden hatte. Und er sah heiß aus. Die meiste Zeit sah sie ihn in Sportkleidung oder in der Schuluniform. Jetzt gerade trug er eine schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt. Mehr als nur schlicht, aber jemand wie er schaffte es, selbst in dem einfachsten Outfit auszusehen wie ein Model. Verdammt, Asuna! Nicht...schwach werden! Ohne ihm mehr Aufmerksamkeit zu schenken, widmete sie ihre Aufmerksamkeit ihrer besten Freundin. Sie wollte nicht, dass er glaubte, sie würde ihn anschmachten oder etwas dergleichen. Das ließ ihr Stolz nicht zu. Jana hatte sich indes einen armen Freiwilligen geschnappt, der ein Foto von der Gruppe machen musste. Er wirkte nicht gerade begeistert, während sich die Gruppe formatierte und Asuna auf die Seite geschoben wurde. Seufzend kratzte sie an dem Etikett ihrer Glasflasche. Sie stand ganz am Rand und obwohl sie nichts gegen Fotos hatte, war sie froh, wenn dieses vorbei war und sie endlich in den Klub gehen konnten. Aus welchem Grund auch immer hatte sie das dringende Bedürfnis, Alkohol zu trinken. Nicht ihre Art, aber man konnte doch ab und zu eine Ausnahme machen, oder nicht? »Ihr zwei steht ziemlich weit auseinander. Könntet ihr noch ein Stück zusammenrücken?« Der fremde Hotelgast deutete mit seinem Finger auf Asuna, was sie im ersten Moment verwirrte. Sie sah kurz zu ihrer Rechten und hätte sich an ihrem Getränk verschluckt, wenn sie gerade davon getrunken hätte. »Sorry, aber das ist gegen die Regeln«, antwortete Oikawa trocken und sorgte für Verwirrung. Dieses Mal allerdings nicht bei Asuna. Dieser wurde nämlich unangenehm heiß. »Gegen die...Regeln?«, hörte sie Iwaizumi konfus murmeln und wusste jetzt schon, dass Jana sie später nach dem Grund für diese Aussage fragen würde. Asuna biss sich auf die Unterlippe, weil sich Oikawa so anhörte, als würde er ihre Regeln ins Lächerliche ziehen. Und sie war sich ziemlich sicher, dass es sich nicht nur danach anhörte. Selbst wenn sie wusste, dass diese Regeln übertrieben waren, hatte sie diese mit gutem Grund aufgestellt. Und das sollte er wissen, anstatt so zu reden, als hätte Hina nie bei ihm, mit ihm oder wie auch immer geschlafen. Dieser Gedanke alleine machte sie so wütend, dass sie erstmal tief Luft holen musste. Fuck, sie hasste Hina und sie hasste Oikawa dafür, dass er die Sache mit Hina nicht einfach beendete! Aber Hina hasste sie eindeutig mehr und deshalb beschloss sie, aufs Ganze zu gehen. Was hatte sie schon zu verlieren? Sie wandte sich zu Oikawa. »Fotos zählen zur Ausnahme«, erwiderte sie mit einem zugegeben provokantem Lächeln, welches ihn kurz stutzig werden ließ. Er sah ihr in die Augen, als sie sich näher zu ihm stellte. Obwohl sie hohe Schuhe trug, war sie nach wie vor einen halben Kopf kleiner als er. Asuna drehte sich mit dem Oberkörper weiter zu ihm und legte ihre freie Hand auf seine Schulter. Sie dachte nicht wirklich nach und unter Umständen, die wirklich unrealistisch waren, hätte sie Oikawas Nähe genossen. Doch jetzt versuchte sie nur seinen Blick, der auf ihrer Haut brannte wie Feuer, zu ignorieren. Stattdessen lächelte Asuna vor sich hin, wusste aber, dass es alles andere als ungezwungen aussah. Sie versuchte dabei zusätzlich irgendwie die Tatsache zu bewerkstelligen, dass sie ihre Brüste an seinen Oberarm drückte und Oikawa dadurch einen Einblick erhielt, denn er wohl seit Monaten nicht mehr gehabt hatte. Bei ihr zumindest nicht. Das Geräusch, als der Fremde abdrückte und ein Foto machte, drang zu ihr durch. Genauso wie die Wärme seines Körpers, die zu ihrer Handfläche durchdrang. Das »Fertig« des Mannes war ausschlaggebend, um wieder die Finger von ihm abzulassen und zu Jana zu gehen. Sie sah nicht zurück, denn das hätte sie bestimmt bereut. »Du stellst das auf Instagram, oder?«, fragte sie ihre beste Freundin und tauschte ihre Wasserflasche mit dem Cocktailglas von Jana aus. »Klar.« Asuna nickte und zog an dem Strohhalm. Zucker, Minze und irgendein Alkohol. Sie kannte das Getränk nicht. »Gut. Vergiss nicht, alle zu verlinken. Je mehr es sehen, desto besser.« Der Alkohol schmeckte viel zu gut und vertrug sich nicht mit dem intriganten Verhalten, welches sie selbst schockierte. Verdammt...Seit wann war sie so ein Miststück? Kapitel 20: fuck [me]. [special] -------------------------------- ● • . Sieben Monate zuvor… Asuna seufzte und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie fuhr sich über das Gesicht, da sie einfach schon viel zu lange in diesem Zimmer mit diesen anstrengenden Personen saß. Klassensprecherin zu sein, hatte durchaus seine Vorteile, aber wenn sie freitags um 20 Uhr noch immer in der Schule saß, um über ein neues Mülltrennungssystem zu sprechen, dann wusste sie, warum Jana sie bei der Klassensprecherwahl ausgelacht hatte. Wenn sie damals einfach Nein gesagt hätte, würde sie sich jetzt nicht dem Streitgespräch zwischen dem Klassensprecher der zweiten und dem der ersten Klasse auseinandersetzen müssen. Asuna sah aus dem Fenster. Es war dunkel. Niemand befand sich mehr in der Schule. Außer...Ihre Augen fixierten die hellen Fenster der Sporthalle. Sie hatten freitags meistens bis um 19 Uhr Training, also war es eigentlich schon seit einer Stunde zu Ende. Zumindest für einen Großteil des Teams. »Leute, können wir zu einem Ende kommen? Ich habe wirklich keine Lust, hier zu übernachten.« Riku rieb sich die Schläfe und brachte Asuna dazu, sich wieder auf die Sitzung zu konzentrieren. Erleichtert seufzte sie. Darauf hatte sie gehofft! Und zum Glück wurde das Gespräch tatsächlich schnell beendet. Das neue Mülltrennungssystem würde wohl durchgesetzt werden. Als sich Asuna erhob und ihre Tasche schulterte, meinte Riku: »Kommst du mit?« Er stand mit den anderen bei der Tür und sah sie abwartend an, doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, geht schon mal vor. Ich habe ein Buch in der Klasse vergessen und brauche es zum Lernen am Wochenende.« Sie lächelte halbherzig. Es war nicht gelogen, aber sie hatte andere Pläne, als mit ihnen nachhause zu gehen. Asuna ging also zuerst zu ihrer Klasse, wobei sie sich echt beeilte, denn eine stockdunkle Schule echt unheimlich war. Sie war richtig froh, als sie die Tür nach draußen aufstieß und ihr die kühle Nachtluft entgegenschlug. Statt jedoch den Weg nachhause einzuschlagen, ging sie zu der Sporthalle. Der Tag war scheiße gewesen. Nach einem Anruf ihrer Mutter, dass sie es dieses Wochenende doch nicht zurück nach Japan schaffen würden, war Jana auch noch berechtigterweise wütend auf sie, weil sie ihre Laune an ihr ausgelassen hatte. Sie hasste es, wenn Jana wütend auf sie war. Deshalb wollte sie den Tag eigentlich hinter sich lassen, aber sie tat es nicht. Asuna kam bei der Sporthalle an. Die Halle war dunkel, aber in den Räumen der Umkleide brannte ein schwaches Licht. Sie klopfte nicht, sondern öffnete die Tür ohne zu zögern. Sie war nicht das erste Mal hier, aber zum ersten Mal war es nicht Nachmittag. Und noch nie war er der Grund dafür gewesen. Sie hörte das Rauschen des Wassers in den Duschen und stellte ihre Tasche langsam auf dem Boden ab. Der Dampf drang bis in den Raum mit den Spinden. Ohne viel Lärm zu machen, zog sie sich ihre Schuhe aus. Die Strümpfe ihrer Schuluniform folgten. Sie wusste nicht wirklich, was sie dazu antrieb, das hier zu tun. Vielleicht war es gerade deshalb, weil ihr Tag beschissen gewesen war und sie einfach nicht nachhause gehen wollte. Nachhause, wo sie alleine sein würde. Mal wieder. Der Duft nach Oikawas Duschbad stieg ihr in die Nase, während sie den Duschen näherkam. Sie ging um die Ecke und lehnte sich an die feuchten Fließen. Er hatte nicht gemerkt, dass sie hier war. Oder er wusste es und hatte sich dazu entschlossen, abzuwarten, was sie tat. Fürs Erste beobachtete sie ihn dabei, wie er mit dem Rücken zu ihr stand und das Wasser auf seine Haut prasseln ließ. Mit einer Hand stützte er sich ab und wieder einmal wurde Asuna bewusst, wieso sie ihm damals geschrieben hatte. Sie wollte es lange nicht wahrhaben und gab es heute noch ungern zu, aber Oikawa Tōru löste etwas in ihr aus, das sie kaum in Worte fassen konnte. Und damit meinte sie nicht das, was er während des Sex bei ihr auslöste. Er schaffte es, dass sie alles Negative vergaß und sie etwas fühlte, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Ihre Finger glitten zu dem Kragen ihrer Bluse, als sie sagte: »Netter Anblick.« Sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn sie hätte so viele Dinge sagen können, die besser zu dieser Situation gepasst hätten. Das Beben von Oikawas Schultern machte ihr deutlich, dass er wohl Ähnliches gedacht hatte. Dennoch sorgten diese zwei Wörter dafür, dass er sich zu ihr drehte. Mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht, welches nur Oikawa auf diese Weise konnte, lehnte er sich nach hinten. »Netter Anblick? Mehr fällt dir dazu nicht ein?«  Asuna biss sich auf die Unterlippe und konnte nicht verhindern, dass ihr Blick tiefer glitt. Unschwer zu erkennen, dass ihm  Ähnliches durch den Kopf ging. Sie fühlte ein Kribbeln in ihren Fingerspitzen, wollte ihn berühren, anstatt untätig hier auf der anderen Seite des Raumes zu stehen. Doch statt auf ihn zu zugehen, erwiderte sie: »Vielleicht war nett etwas untertrieben hierfür.« Ihre Augenbrauen zuckten nach oben. Sein Lachen hallte in dem kleinen Raum und übertönte das Rauschen des Wassers. »Das lasse ich durchgehen. Bist du nur hier, um mich anzusehen, oder…?« Er beendete seine Frage nicht und ließ seinen Blick über ihren Körper gleiten. Die Art und Weise wie er sie ansah und dabei das Wasser über seine Haut ran, sorgte für einen Schauer, der über ihren Rücken lief. Asuna stieß sich von der Wand ab. »Nein. Ich bin nicht nur deshalb gekommen.« Ihre Finger griffen nach dem ersten Knopf der Bluse. Ihr war heiß. »Außer dir ist niemand mehr hier.« Der zweite Knopf wurde geöffnet und auch mit dem dritten ließ sie sich nicht lange Zeit. »Und da dachte ich mir, dass ich vorbeischauen sollte.« Sie trug einen weißen BH mit Spitze. Bei jedem anderen hätte er pure Unschuld bedeutet, Asuna hingegen machte die Farbe der Unschuld plötzlich zur verführerischsten Farbe überhaupt. Der letzte Knopf folgte. Sie entfernte die Bluse und schmiss sie achtlos nach hinten ins Trockene. Sie spürte, wie er jede ihrer Bewegungen verfolgte, weshalb sie nicht zögerte, auch ihren Rock von ihrem Körper zu entfernen. Die Farbe ihres Slips passte nicht zu ihrem Oberteil. Tiefschwarz und aufreizend. Ein Kontrast, der Asunas Persönlichkeit unterstrich. Nach außen hin war sie die perfekte Schülerin und Tochter, die weder Probleme hatte noch Probleme machte und immer das tat, was man ihr sagte. Tief in ihrem Inneren war sie aber auch eine 17-jährige Frau, die es liebte, Lippen und Hände auf ihrer nackten Haut zu spüren. Und damit waren nicht irgendwelche Lippen und Hände gemeint. Nein. Sie liebte es, Oikawa zu spüren. Mit all ihren Sinnen. Sie ignorierte das Wasser, das auf sie traf und ihre Haare durchnässte, als sie kurz vor ihm zum Stehen kam. Sie blinzelte die Wassertropfen weg und legte ihren Kopf in den Nacken, um seinen Blick erwidern zu können. Seine Hände legten sich wie selbstverständlich auf ihre Hüften, damit er sie näher zu sich ziehen konnte. Das Wasser kribbelte auf ihrer erhitzten Haut. Sie hatte in den letzten Monaten unzählige Male mit Oikawa geschlafen und doch waren auch heute diese Spannung und diese Aufregung präsent, wenn sie an seine Berührungen dachte. Asuna griff nach dem Verschluss ihres BHs, öffnete ihn und schob die Träger von den Schultern. Sie ließ das weiße Stück Stoff achtlos zu Boden fallen. Oikawa holte tief Luft, als sie sich auf Zehenspitzen stellte, um ihm näher zu sein. Er legte seine Hand in ihren Nacken und betrachtete ihre verführerischen Lippen. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich zurückzuhalten, nachdem sie sich vor ihm ausgezogen hatte und nun mit nacktem Oberkörper vor ihm stand. Doch Asuna wollte nicht, dass er sich zurückhielt, und deshalb war sie es, die den Abstand überbrückte. Fordernd legte sie ihre Lippen auf seine und presste sich mit ihrem Körper an ihn. Sie spürte sein dezentes Grinsen, während sie seine Arme um seinen Nacken schlang. Das Wasser ran ihnen über das Gesicht, doch keiner der beiden schien sich daran zu stören. Sie waren beide in ihrer eigenen Welt. »Tōru«, stöhnte sie heiser, als er seine Lippen zu ihrem Hals wandern ließ und heiße Küsse an dieser Stelle verteilte. Ungeduldig vergrub sie ihre Hände in seine nassen Haare. Zwischen ihren Beinen kribbelte es unaufhörlich. Er streifte mit seinen Lippen ihre Wange und stoppte, als er direkt in ihre Augen sehen konnte. »Ich liebe es, wenn du meinen Namen stöhnst.« »Dann hör nicht auf damit, mich dazu zu bringen«, erwiderte sie atemlos, denn er ließ ihr tatsächlich keine Zeit, Luft zu holen. Seine Lippen verschmolzen abermals gierig mit ihren. Sie liebte das hier. Sie liebte diese verbotenen und heimlichen Treffen mit Tōru, das Gefühl, begehrt zu werden und ihn nach mehr betteln zu lassen. Ohne eine Vorwarnung zu geben, löste er sich wieder von ihr. Sie war nicht begeistert darüber, als er sich von ihr entfernte, doch sie konnte kaum darauf reagieren. Er drehte sie mit einem Ruck um und drückte sie gegen die kühlen Fliesen. Sie keuchte bei der plötzlichen Kälte auf und senkte ihren Blick, als er ihr schwarzes Höschen über ihre Hüften schob. Wie auch der Rest ihrer Kleidung fand das letzte Stück den Weg auf den Boden. Asuna biss sich auf die Unterlippe, als sie seine Härte an ihrem Rücken und seine Hand an ihrem Bauch spüren konnte. Dass sie einen beschissenen Tag gehabt hatte, war längst vergessen. Alles, was ihr gerade durch den Kopf ging, waren Bilder von Oikawa und ihr. Sie wollte ihn mit jeder Faser. Hier, jetzt, sofort. Wie von selbst griff sie nach seinem Arm, mit dem er sich an der Wand abstützte und bohrte ihre Nägel in seine Haut, als er ihre empfindlichste Stelle berührte. Sie drückte ihr Becken seiner Hand entgegen, wollte mehr. Fuck, sie wollte so viel mehr! Asuna spürte, wie ihr Herz unruhig in ihrer Brust schlug und wie ihr heiß wurde. Heißer als das Wasser der Dusche. Und es wurde nicht besser, als er ihre Geduld und ihr Durchhaltevermögen weiter auf die Probe stellte. Quälend langsam drang er mit seinen Fingern in sie ein, bewegte sie langsam, aber gekonnt. Er wusste, was ihr gefiel und wie er sie um den Verstand bringen konnte. Ihre Atmung wurde flacher, als ihr mit seinen Zähnen über die empfindliche Haut an ihrem Hals kratzte. Asuna bewegte ihre Hand nach unten, um sie auf seine zu legen. Es war eine instinktive Geste, aber sie mochte das Gefühl, seine Bewegungen zu spüren. Es war intimer und persönlicher. Gepaart mit seiner schweren Atmung und den Küssen, die er auf ihrer Haut platzierte, brachte er sie bereits jetzt an ihre Grenzen. Sie stöhnte tief, als er mit seinen Fingern mehr Druck ausübte. Fest biss sie sich auf die Lippen, während ihre Atmung unregelmäßiger wurde. Verdammt…! Noch nicht! Sie schob seine Hand weg von ih, auch wenn es ihr noch so schwerfiel. Sie drehte sich um und legte ihre zittrigen Hände auf seinen Oberkörper. Sein Blick glitt tiefer zu ihren Brüsten, die sich schneller als üblich hoben und senkten. Bevor sich seine Finger selbstständig machen konnte, zog Asuna ihn zu sich runter. Kurz bevor sich ihre Lippen trafen, hielt sie inne. Es war nur eine kleine Spielerei ihrerseits, aber es machte Spaß, Tōru hinzuhalten. Vor allem, da es ihm gar nicht passte, so behandelt zu werden. Deshalb musste sie grinsen, als er seine Kiefer anspannte und seine Hand auf ihrem Hinterkopf platzierte, um sie mit leichter Gewalt näher zu sich zu ziehen. Asuna fand es heiß, wenn er ungeduldig wurde und sich kaum zurückhalten konnte, weshalb sie sich aufgeregt auf die Unterlippe biss und ihren Blick senkte. Sie klammerte sich an seine Schulter, während er mit seiner anderen Hand ihren nackten Körper erkundete. Eine zarte Gänsehaut bildete sich auf ihrer Haut, als er ihre Seite entlang strich. Sie hob ihren Kopf. Es war ein kurzer Blickkontakt, aber er reichte aus, um sie wissen zu lassen, was er vorhatte. Er zögerte nicht und hob sie mit einem Ruck hoch. Sie fühlte seine Arme, die sie hielten und sie fühlte die Hitze seines Körpers, die mit ihrer im Einklang war. Doch es war nichts im Vergleich dazu, als er in sie eindrang. Hart. Genauso wie sie es heute brauchte und wollte. Sie stöhnte auf und schlang ihre Beine bei dem überwältigenden Gefühl fester um seine Hüften. Asuna schloss ihre Augen und genoss diese Millionen Funken in ihrem Körper. Das hatte sie schon immer getan. Im Gegensatz zu Tōru, der seine Augen einfach nicht von ihr nehmen konnte. Sie wusste es. Sie konnte spüren, dass er sie ansah, während sie sich der Intensität hingab. Dabei achtete sie nicht auf ihre Umgebung oder die Lautstärke, mit der sie ihre Lust deutlich machte. Dabei schallte ihr Stöhnen von den Wänden des Duschraumes wider, machte ihre Stimme lauter, als sie schlussendlich war. Asuna ließ ihre Hände in seine nassen Haare gleiten. Indes fanden seine Lippen den Weg zu ihrem Hals, verteilten Küsse, die ein Brennen auf ihrer Haut hinterließen. Sie würde diesen Druck nicht mehr lange standhalten und sie wollte es auch nicht länger. Sie fühlte, wie das Ziehen in ihrem Unterleib stärker wurde und wie ihr Puls langsam aber stetig in die Höhe stieg. Es war wie in einem Rausch und das hier, Tōru, war der Grund dafür. Nur er war verantwortlich dafür, dass sie nachts das Gefühl der Ekstase vermisste und nur er war verantwortlich dafür, dass sie diese Ekstase nur mit ihm erleben wollte. Asuna biss sich auf die Unterlippe, doch sie konnte nicht ruhig dabei sein, wenn Tōru sie mit seinem Können, seinem Körper und den Küssen nicht klar denken ließ. Ungeduldig bog sie ihren Rücken durch und schob sich seinen Bewegungen entgegen. Sie spürte ihn tiefer und intensiver. Sie gab ihm indirekt zu verstehen, dass ihr Orgasmus zum Greifen nahe war. »Tōru«, keuchte sie abermals, »fick mich.« Normalerweise war sie niemand, der auf diese Art und Weise forderte, aber verdammt! Sie wollte es einfach so sehr, dass es ihr gerade scheißegal war, welche Wörter sie benutzte. Tōru zögerte nicht und küsste sie hart. Während er seine Zunge in ihren Mund gleiten ließ, wandelte er ihre Worte in Taten um. Er erhöhte sein Tempo. Es war wie ein kleiner Funke. Zuerst unscheinbar, aber angenehm. Mit jedem Stoß wurde dieser kleine Funke größer und stärker. Er pulsierte und schickte unzählige elektrische Impulse durch ihren gesamten Körper, der sprichwörtlich unter Strom stand. Und das heiße Wasser verstärkte diesen Strom, sodass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie spürte Tōru und sie spürte das immer stärker werdende Gefühl, welches sie an den Rand ihres Durchhaltevermögens brachte. Fuck. Sie stoppte widerwillig den Kuss und presste ihre Kiefer aufeinander. Ihre Atmung ging unregelmäßig, als sie sich dazu entschloss, sich nicht mehr zurückzuhalten und dem mittlerweile großen Funken hinzugeben. Sie gab Tōru unmittelbar zu verstehen, dass sie nicht mehr warten wollte. Sie wollte den Höhepunkt sofort und sollte ihn auch bekommen. Asuna kniff ihre Augen zusammen und kratzte mit ihren Nägel über Tōrus Rücken. Es glich einer Explosion. Eine Explosion, die ein Beben durch all ihrer Nervenbahnen schickte und ihr Blut zum Kochen brachte. Jede Faser ihres Körpers glühte, pulsierte, kribbelte. Endorphine und Adrenalin schossen durch ihren Körper und benebelten ihre Sinne. Es war, als könnte sie förmlich fühlen, wie sich der Druck von vorhin gleichmäßig und intensiv verteilte und ihr Herz zum Rasen brachte. Ihr Stöhnen wurde lauter, vermischte sich mit jenem von Tōru. Es war unbeschreiblich und kaum in Worte zu fassen, was sie in diesem Moment spürte. Es war so viel mehr als ein schlichter Höhepunkt und obwohl sie es nicht gerne zugab, wusste sie, dass es an Tōru lag. Aber in dem Moment war es ihr egal. Es war ihr egal, denn diese überwältigenden Gefühle in ihrem Inneren machte alles andere irrelevant. Wie als würde ihr Leben davon abhängen, klammerte sie sich an ihn. Ihr Kopf lehnte an den kalten Fliesen, während Tōru nicht mit seinen rhythmischen und gezielten Bewegungen stoppte. Es intensivierte das Hochgefühl, obwohl eine Steigerung kaum möglich war. Asuna grub ihre Nägel fester in den Rücken von Tōru und schlang ihre Beine fester um seine Hüfte, um ihn noch tiefer zu spüren. Sie stöhnte auf, als er sie ein letztes Mal härter gegen die Wand drückte und sich auch selbst das holte, was er wollte. Wie in einem Rausch gaben sich die beiden der Lust hin, bis auch das letzte Stöhnen in den Duschen erlosch. Asuna brauchte einen kurzen Moment, ehe sie ihre Augen öffnete. Sie blickte direkt in Tōrus Gesicht und war nicht überrascht, dass er sie ansah. Das tat er immer. Sie holte tief Luft und versuchte, ihren Herzschlag wieder auf ein normales Tempo zu bringen. Sie ließ von seinem Rücken ab und glitt mit ihren Fingern zu seinem Nacken. Dort verweilten ihre Hände. Auch sein Griff lockerte sich merkbar, doch er änderte nichts an seiner Position und Asuna war froh darüber. Sie brauchte diesen kurzen Moment, um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Sie wandte den Blick ab und entschied sich jedoch dazu, ihre Beine ebenfalls zu lockern. Er ließ sie auf den Boden. Sie fuhr sich über das Gesicht, da das Wasser ihr die Sicht verschwamm. »Geh schon mal vor. Ich werde mich gleich hier duschen, wenn das okay ist.« Sie blinzelte und griff nach dem Shampoo, welches auf der Ablage stand. Es gehörte Tōru. Das erkannte sie sofort an dem Geruch. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass er kurz zögerte. Als sie jedoch keine Anstalten machte, etwas an ihrer Aussage zu ändern, machte er kehrt und verschwand aus den Duschen. Asuna ließ sich Zeit mit dem Eincremen und dem anschließenden Duschen. Je länger sie brauchte, desto mehr schwanden die Endorphine und das Adrenalin. Sie schloss die Augen und lehnte sich mit dem Rücken die Wand. Das Wasser prasselte weiterhin auf sie herab. Wie zuvor, nur fühlte sie keine Aufregung. Sie fühlte nichts und gleichzeitig so viel. Es war ein plötzliches Durcheinander und überforderte sie maßlos. Verflucht! Sie musste sich zusammenreißen. Das Letzte was sie wollte, war, hier in Tränen auszubrechen. Es wäre peinlich und...übertrieben. Wieso nahm sie es so sehr mit, dass ihre Eltern nicht nach Hause kommen würden? Es war nicht das erste Mal, dass sie alleine war. Aber wieso tat es jetzt gerade so weh und wieso musste sie ausgerechnet jetzt daran denken? Asuna drückte ihre Handballen auf ihre Augen, wollte dadurch vermeiden, dass sich das Brennen in ihrer Nase nach oben stieg. Das abrupte Ende des Wassers sorgte jedoch dafür, dass sie ihr Vorhaben abbrach. Sie ließ ihre Arme sinken und hob ihren Kopf. Tōru sah sie eindringlich an und wenn sie sich nicht von seinem viel zu ernsten Blick losgerissen hätte, wäre ihr das Handtuch in seinen Händen gar nicht aufgefallen. Weil sie sich nicht rührte, war er es, der das Handtuch um ihren Körper schlang. »Alles okay?«, fragte er leise. Im Gegensatz zu ihr war er mittlerweile völlig angezogen. »J-Ja. Ich denke schon.« Es war eine dumme Antwort. Das Stottern und das Wort denken passte nicht zu dem, was sie eigentlich vermitteln wollte. Tōru sagte jedoch nichts dazu, sondern zog sie mit sich zu den Umkleiden. Es war kälter als gedacht. Erst als sie mitten im Raum stand und er ihr die Kleidung, die sie zuvor zu Boden geworfen hatte, in die Hand drückte, meinte er: »Du solltest dich erstmal anziehen. Ich mag es zwar, wenn du kaum etwas trägst, aber ich will nicht, dass du krank wirst.«   Asuna stieg die Hitze in die Wangen, als er sich so offensichtlich um sie sorgte. Er konnte sie noch so oft nackt sehen und noch so oft an ihren empfindlichsten Stellen berühren – wenn er sie so ansah und offensichtlich Sorge in seiner Stimme mitschwang, dann konnte sie nicht anders, als rot anzulaufen. Es ärgerte sie ungemein, dass sie so reagierte, aber verhindern konnte sie es genauso wenig. Es war einfach eine natürliche...Reaktion ihres Körpers.  Sie nickte langsam und sagte ausnahmsweise nichts darauf. Kaum hatte sie ihren Schulrock nach oben gezogen, kam ihr die Erkenntnis, dass sie wohl oder übel ohne Unterwäsche nachhause gehen musste. Immerhin lagen ihr BH und ihr Höschen nach wie vor auf dem nassen Boden der Duschen. Deshalb knöpfte sie hastig ihre Bluse zu und sammelte anschließend ihre Unterwäsche auf, die sie einfach in ein kleines und leeres Fach ihrer Umhängetasche stopfte. Sie strich sich durch die feuchten Haare, als Oikawa ihr zum zweiten Mal Kleidung entgegenhielt. Dieses Mal handelte es sich allerdings um einen dunkelblauen Pullover, der ihr bestimmt zwei Nummern zu groß war. Er sagte nichts dazu und auch sie schwieg, als sie ihm dieses Kleidungsstück ebenfalls dankend abnahm. Sie zog ihn sofort über den Kopf und musste sich zusammenreißen, um den Geruch nicht gierig zu inhalieren. Sie hatte schon immer eine Schwäche für diesen Duft gehabt. Als sie mit ihren Fingern die Ärmel weiter nach vorne zog, fiel ihr auf, wie bescheuert sie sich verhielt. Nur weil sie einen schlechten Tag hatte, musste sie dies nicht an Tōru  auslassen. »Danke«, sagte sie deshalb und brachte ein Lächeln zustande. »Wofür?«, erwiderte er und streckte seine Arme aus, um ihr die Kapuze langsam über den Kopf zu ziehen. Dabei sah er sie an. Asuna biss sich dabei auf die Lippen, weil es sie nervös machte. Weil es intensiv war und ihre Gedanken völlig durcheinanderbrachte. Und das Schlimmste daran war, dass sie ihn gerade so unheimlich gerne küssen würde. Sie wollte seine Lippen auf ihren spüren. Einfach so. Nicht weil sie kurz davor war, einen Orgasmus zu haben. Nein. Einfach so. Allerdings würde dies gegen ihre stumme Abmachung verstoßen und vor allem würde sie damit ihre eigenen Prinzipien über Bord werfen. Deshalb holte sie tief Luft und machte einen Schritt nach hinten. »Lass uns gehen. Ich sterbe vor Hunger.« Sie drehte sich um und griff nach ihrer Schultasche. Es war ihr noch immer unangenehm, dass er sie in einem so...schwachen Moment gesehen hatte. Vielleicht konnte sie das irgendwie vergesslich machen. »Warte.« Er griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie davon ab, einfach so zu tun, als wäre alles bestens. Sie hielt inne und sah langsam auf. Da war er wieder. Dieser ernste Blick, der ihr Herz vor Nervosität klopfen ließ. »Willst du wirklich nicht darüber reden?« Asuna ließ ihre Schultern sinken, die sie vor Anspannung bereits die ganze Zeit angezogen hatte. Sie sah auf Tōrus Hand, die nach wie vor ihr Gelenk umschlungen hatte. »Danke, aber nein. Ich...komme damit schon klar.« Das tat sie immer irgendwie. Außerdem durfte sie sich nicht beschweren. Einige ihrer Freunde konnten nicht einmal behaupten, zwei Elternteile zu haben. »Musst du aber nicht«, kam es leise, aber eindringlich von ihm, sodass sie kurz überrascht aufsah. »Ich weiß, aber es ist nicht deine Aufgabe, dich mit meinen Problemen herumzuschlagen.« Sie entzog ihre Hand seinem Griff. »Und jetzt gehen wir. Ich sterbe nämlich tatsächlich vor Hunger. Das Treffen mit den anderen Klassensprechern entzieht mir immer jegliche Energie. Echt langweilig.« Sie gab zu, dass sie ablenkte. Und sie wusste, dass es Tōru bemerkte. Es war ihr allerdings egal, denn es war nicht ihre Pflicht, über ihre Gefühle zu sprechen. Schon gar nicht mit Tōru. Deshalb ignorierte sie auch das tiefe und etwas frustrierte Seufzen hinter ihr und setzte den Weg zur Tür fort. Jedoch stoppte sie, als sie bemerkte, dass er ihr nicht folgte. Sie drehte sich zu ihm. »Kommt du, oder was?« Mit ihm etwas essen zu gehen, war nicht gerade das, was sie unter normalen Umständen vorgeschlagen hätte, aber...an Tagen wie diesen konnte man doch mal eine Ausnahme machen, oder? Er starrte sie an, während er mitten Raum stand und sie sich die Kapuze aus dem Sichtfeld schob. Keiner ihrer Pullover war annähernd so gemütlich wie dieser und sie hasste sich dafür, dass sie ihn am liebsten nie wieder ausziehen würde. Zum Glück unterbrach Tōru ihre weniger förderlichen Gedanken. »Schön«, meinte er kurz angebunden, woraufhin er seine Sporttasche nahm. »Weißt du, wieso ich gerade die Tatsache ignoriere, dass du vom Thema ablenkst?«, setzte er fort und machte ein paar Schritte auf sie zu. Eine Armlänge entfernt von ihr, stoppte er. »Weil du gerade echt niedlich aussiehst und ich dich...«, er hielt inne, als wäre er kurz davor gewesen, etwas Verbotenes zu sagen. »Und du mich was?«, hakte sie nach einer kurzen Pause ihrerseits nach, da sie bereits bei der ersten Hälfte des Satzes für einen Moment aufgehört hatte zu atmen. Dabei schob sie ihre Hände in die Bauchtaschen des Hoodies, da sie gerade kurz davor gewesen war, ihn zu berühren. Einfach so. Ohne Anlass und ohne groß darüber nachzudenken. Ziemlich dämlich. Er lächelte etwas zu halbherzig. »Und ich dich jetzt echt gerne aus diesem Raum zerren möchte, um dich vor einem Hungertod zu retten.« Asuna runzelte die Stirn. »Dann...sollten wir gehen.« Sie war sich ziemlich sicher, dass er eigentlich etwas anderes sagen wollte, aber es konnte ihr auch egal sein. Egal was es war, es würde vermutlich nicht von Belang sein. »Gut.« Er nickte abwesend. »Gut.« Sie sah ihn auffordernd an und machte skeptisch ein paar Schritte nach hinten. Sie griff nach der Türklinke und drückte diese nach unten, sodass sofort die kühle Nachtluft ins Innere drang. »Du bist merkwürdig«, kam es plötzlich von Tōru, der den Prozess etwas beschleunigte und die Tür zur Gänze aufriss. Er schob sich an ihr vorbei und trat nach draußen. Asuna, die perplex blinzelte, sah ihm nach. Hatte er gerade gesagt, sie wäre merkwürdig? »Hast du gerade gesagt, ich bin merkwürdig? Ich?!«, rief sie ihm nach, ehe sie im folgte. Was stimmte denn nicht mit ihm? Und was zum Teufel wollte er ihr vorhin sagen? Kapitel 21: okinawa - never have I ever... ------------------------------------------ ● • . »Ich muss das nochmal zusammenfassen, um es zu verstehen. DU hast also Regeln aufgestellt, damit ihr euch nicht näher kommt und vor allem DU diese Zeit in einem Zimmer irgendwie überstehst, nachdem Oikawa nur in einem Handtuch durchs Zimmer gerannt ist. Und nach nicht einmal einer Stunde warst DU diejenige, die bereits eine dieser Regeln gebrochen hat, nur damit Hina über Instagram sieht, wie DU dich absolut nicht von Oikawa fernhältst?« Jana starrte sie von der Seite an, während sich Asuna ihre Hände im Waschbecken wusch. Das waren eindeutig zu viele Dus mit belustigtem Unterton in einem Satz. Sie stöhnte und lehnte ihren Kopf in den Nacken. »Wenn du es aussprichst, klingt es gleich viel peinlicher als ohnehin schon. Ich glaube, ich kann Oikawa nie wieder unter die Augen treten. Er muss mich für eine Vollidiotin halten. Und fuck! Wieso mache ich mir überhaupt Gedanken darüber, was er davon hält?« Sie kniff die Augen zusammen. »War das gerade eine rhetorische Frage, oder willst du meine Meinung dazu wirklich hören?« Jana sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie seufzte und strich sich die Haare zurecht, weil sie vor dem Spiegel stand und es irgendwie dazu gehörte, dass man auf der Toilette das Aussehen checkte. »Gerade jetzt war es nur eine rhetorische Frage, aber das ändert nichts daran, dass es echt peinlich war und ich es mehr als nur bereue.« »Ehrlich gesagt finde ich es verdammt gut, dass du das gemacht hat. Hina soll ruhig sehen, wie sehr dir ihre Aussage am Arsch vorbei geht. Ich meine, sie hat echt kein recht darauf, so etwas zu verlangen. Wer denkt sie überhaupt, wer sie ist? Nicht mal in irgendeinem Paralleluniversum wäre sie mit Oikawa zusammen.« Jana verdrehte die Augen, als sie sich über Hina ausließ. »Ja, aber ich habe echt keine Lust darauf, Stress mit ihr zu haben. Sie ist jetzt schon verdammt anstrengend.« »Anstrengend? Sie ist bescheuert.« Jana stieß sich von der Wand ab. »Weißt du übrigens schon, weshalb sie bei Oikawa übernachtet hat? Ich kann mir vorstellen, dass sie ihm irgendeine abgedrehte Geschichte aufgetischt hat, nur um ihm selben Haus wie er zu schlafen. Sie hat diese Psychoausstrahlung.« Gemeinsam verließen sie die Toiletten, welche zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit kotzenden oder heulenden Mädchen vollgestopft war. »Also glaubst du nicht, dass sie miteinander geschlafen haben?« Diese Worte kamen Asuna gepresst über die Lippen. Es war nur schwer, es zuzugeben, aber es interessierte sie wirklich. Brennend sogar. Und nicht nur das. Mehrere Fragen schossen ihr durch den Kopf, wenn sie an diese Geschichte dachte. Fragen, die sie nicht gerne laut stellte. Es war...peinlich und bescheuert und überhaupt nicht ihre Art. Aber das ganze Hina-Drama ließ ihr Dinge durch den Kopf gehen, die nicht förderlich waren. Absolut nicht. Und sie wollte sich nicht ständig ausmalen, wie nahe sich die beiden wirklich waren. »Nie im Leben und wenn, dann wäre ich echt enttäuscht von Oikawa. Das wäre nämlich das größte Downgrade aller Zeiten. Ich meine, Hina??« Sie griff sich an den Kopf, als würde sie die Beziehung zwischen der Zweitklässlerin und Oikawa nicht verstehen. »Von dir zu….Hina! Downgrade. Mehr sage ich dazu nicht.« »Sei nicht so...gemein«, war Asunas wortkarges und halbherziges Kommentar dazu. Dabei hätte sie am liebsten aufgeschrien, denn eigentlich war sie diejenige gewesen, die gemein war. Zeit für Ablenkung. Sie wollte echt nicht mehr an die Kombination Hina und Oikawa denken. Dabei wurde ihr übel, ohne viel getrunken zu haben. Als sie beide die Toiletten verlassen hatten, gingen sie in Richtung Bar. »Genug von Hina. Kommen wir zu dem Wichtigsten. Nämlich dir«, fing sie an, während sich Jana an die Theke lehnte und nach der Getränkekarte griff, obwohl sie bestimmt schon wusste, was sie wollte. Asuna seufzte. Nicht, dass sie Jana nicht davon erzählen wollte. Im Gegenteil. Es war nur so, dass sie sich schwer damit tat, ihre Gedanken auszusprechen. Vor allem, wenn diese von Oikawa handelten. Dennoch versuchte sie es. »Ich glaube, ich stehe wieder ganz am Anfang, Jana. Und mit Anfang meine ich den Zeitpunkt, bevor ich die Sache mit Oikawa beendet habe.« Sie runzelte die Stirn. »Ich war richtig dumm zu glauben, dass ich einfach all die Erinnerungen löschen und dabei zusehen kann, wie er sich mit anderen...mit Hina trifft. Ich will nicht, dass es mich stört, aber der Gedanke, dass er mit ihr geschlafen haben könnt...kotzt mich an.« »Ich weiß, dass du das Wort nicht leiden kannst, aber glaubst du, dass du in Oikawa...verliebt bist?« Jana starrte sie an, als würde sie einen Ausbruch erleben. Wie damals beim Sommerfest. Und vielleicht wurde Asuna abermals übel bei dem Wort, aber statt panisch das Thema zu wechseln, schwieg sie einen Moment. Sie hatte bereits vor ein paar Stunden darüber nachgedacht und an ihrer Meinung hatte sich nichts geändert. Die Symptome deuteten darauf hin, aber noch gab es keine eindeutige Diagnose. »Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Ich weiß noch nicht mal, wie sich das überhaupt anfühlt. Woher soll ich wissen, ob es Liebe, körperliche Anziehung oder einfach nur eine unbedeutende Schwärmerei ist? Eifersucht...bedeutet noch lange nicht, dass man verliebt ist, oder?« Sie sah Jana zweifelnd an, die aufmerksam zugehört hatte. »Ich bin keine Expertin in diesen Gefühlsdingen, aber Eifersucht ist kein eindeutiges Indiz dafür, dass man verliebt ist. Da gehören mehrere Dinge dazu.« Bei Asunas fragendem Blick setzte sie fort: »Ja, wie zum Beispiel das Vermissen, wenn er nicht in deiner Nähe ist. Die Vorfreude, wenn man weiß, dass man ihn in wenigen Minuten oder Stunden trifft. Das Kribbeln, wenn er dich berührt. Das schnelle Schlagen des Herzens, wenn er in deiner Nähe ist. Das Gefühl von Glück, das einen durchströmt, wenn man Zeit miteinander verbringt. Vieles wird einfach unbedeutend, verstehst du?« Jana lächelte und unweigerlich tat es Asuna ihr gleich. Sie wusste nur allzu gut, an wen sie gerade dachte. Doch sobald ihr klar wurde, warum sie das gefragt hatte, verschwand das Lächeln wieder. Das fiel auch Jana auf. »Verdammt….Ich bin eine furchtbar schlechte beste Freundin.« Asuna runzelte bei der Aussage die Stirn. »Wie kommst du den plötzlich auf diesen Schwachsinn?« »Weil ich manchmal echt kein Taktgefühl besitze. Ich schwärme so sehr von Liebe und denke dabei nicht daran, wie du dich fühlst. So ist es auch jedes Mal, wenn wir über Oikawa reden. Und dann stecke ich dich auch noch gemeinsam mit ihm in ein Zimmer, obwohl du das natürlich absolut nicht wolltest. Es tut mir so leid, Asuna!« Jana starrte sie mit großen Augen an und sah aus, als würde sie jeden Moment anfangen, zu heulen. Anscheinend hatte sie im Hotelzimmer mehr getrunken, als gedacht. Denn normalerweise war Jana die Letzte, die sentimental wurde. »Um ehrlich zu sein bin ich froh, dass du so reagierst wie du es immer tust. Du weißt, dass ich ernsthafte Gespräche über meine Gefühle hasse. Außerdem nehme ich dir das mit dem Zimmer nicht übel. Irgendwie...habe ich das verdient nach der Aktion am Strand.« Sie lachte leise und deutete dem Kellner an, die Bestellung aufzunehmen. »Deshalb genug geredet. Nach deiner ausführlichen Erklärung bin ich nämlich zu dem Entschluss gekommen, dass ich diese Dinge erst mal austesten sollte. Vielleicht habe ich dann eine Antwort auf deine Frage. Bevor ich das aber tue, sollten wir zu den anderen gehen und einfach nur trinken. Darauf, dass Hina nicht hier ist und ich mir mit Oikawa für zwei Nächte ein Zimmer teilen muss.« Mit einem Tablett voller Gläser gingen sie zurück zu den anderen, die bereits hoch motiviert auf sie gewartet hatten. »Woah! Wessen Idee ist es, Shots zu trinken? Jana?« Suki staunte nicht schlecht, als sie die Getränke vor sich sah. »Nein. Asuna ist überraschenderweise die Schuldige.« Jana grinste und ließ sich auf den Barhocker nieder. »Sie war außerdem so gütig und hat bezahlt. Also genießt das hier mit jeder Faser eures Körpers.« Sie warf jedem einen eindringlichen Blick zu, als würde es sich hier um den letzten Moment ihres Lebens handeln. »Na, dann. Kanpai!« Asuna schmunzelte und griff nach einem Shotglas. Sie wusste nicht, ob das hier eine gute Idee war. Sie vertrug eigentlich nichts. Aber…scheiß drauf. Mehr konnte sie dazu nicht sagen. Es war weder vorbildlich noch erwachsen, aber beides davon war sie in letzter Zeit zu oft gewesen. Sie wollte auch mal dumm sein und was war besser dafür geeignet als die Abschlussreise? Ein Klischee, welches sie nur zu gern erfüllen würde und heute bereits ein paar Mal erfüllt hat. Sie schreckte aus ihren Gedanken, als Suki auf den Tisch schlug. »Ohhhhh, lasst uns Never have I ever spielen. Das habe ich ewig nicht mehr gespielt.« »Never...have I ever?«, hakte Jana nach. »Ja«, Suki nickte, »Also Ich habe noch nie bedeutet das auf Japanisch. Wenn ich zum Beispiel sage: Ich habe noch nie ehm...fünf Shots auf ex getrunken und du das schon mal getan hast, musst du trinken. Easy-peasy.« Asuna hob ihre Augenbrauen. Sie wusste nicht, welche Fragen bei dem Spiel sonst so gefragt wurden, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es nicht bei solch einfachen und auch jugendfreien Fragen bleiben würde. Zumindest wenn Jana mitmischte. Und auch Suki hatte ein fieses Grinsen im Gesicht. »Ah, das hört sich nach Spaß an! Lasst uns das spielen und herausfinden, was ihr alle so bis jetzt in eurem Leben getrieben habt.« Mia lachte. Lu schaltete sich ein. »Ich will ja keine Spielverderberin sein, aber können wir die Frage vielleicht auch an so unschuldige Personen wie mich anpassen? Ich möchte auch ein paar Shots leeren.« Jana lachte bei der Aussage. »Keine Sorge. Wir sind unschuldiger als wir aussehen.« Suki warf ihr einen überraschten Blick zu. »Ach ja?« Als Antwort bekam sie ein engelsgleiches Lächeln, welches man ihr abkaufen würde, wenn man sie nicht kennen würde. »Oh! Und sollte jemand offensichtlich lügen, wird er es bitter bereuen.« Mia schmunzelte und Asuna nahm sich fest vor, so ehrlich wie möglich zu sein. So peinlich und unangenehm es auch werden würde. Das war ja das Unterhaltsame daran, oder nicht? Gespannt stützte sie sich auf dem Tisch ab. Jana lehnte sich zu ihr und murmelte mit einer großen Portion Belustigung: »Ich bin mir nicht so sicher, ob ich all die Dinge erfahren will, die du mit Oikawa so angestellt hast.« Asuna hob ihre Augenbrauen. »Wie gut, dass ich deine und Iwas Abenteuer alle schon kenne«, erwiderte sie. Eigentlich wollte sie ernst bleiben, aber schlussendlich musste sie grinsen. Janas Angewohnheit, offen über ihre sexuellen Erfahrungen zu reden, konnte für manche vielleicht etwas überfordernd sein. Asuna war schnell damit klar gekommen. Hauptsächlich deshalb, da sie genau das Gegenteil war. Ihre Freundschaft zu Jana war geprägt von Gegensätzen und genau deshalb funktionierte sie auch so gut. Suki räusperte sich und klickte auf dem Bildschirm ihres Handys herum und legte es schließlich in die Mitte des Tisches. »Ich habe eine App für dieses Spiel. So müssen wir uns nichts selber ausdenken und die Fragen werden auch fair durchgemischt.« Sie beugte sich nach vorne und grinste. »Okay. Lu hat Glück. Etwas Harmloses. Ich habe noch nie bei einem Test geschummelt.« Sie wusste nicht, ob sie Überraschung mimen sollte, aber jeder außer Lu und sie tranken. »Als Schulsprecherin bin ich maßlos enttäuscht von euch«, kommentierte sie dieses Ergebnis mit ausdrucksloser Miene. »Wart ihr jemals außerhalb der Top 10? Alleine dafür solltet ihr mindestens einen Shot trinken müssen«, grummelte Mai, die sich in manchen Fächern nicht wirklich leicht tat. »Kann mich nicht daran erinnern. Und du Lu?« Asuna schmunzelte. »Nein, ich auch nicht, Asuna.« Sie kicherte und erntete ein dreifaches Augenrollen. »Okay, Leute. Nächste Frage bevor ich meinen Kopf tatsächlich auf die Tischplatte knalle.« Mai beugte sich nach vorne und ließ die nächste Frage vor. Es war wieder eine harmlose, doch sie war sich sicher, dass es nicht lange so bleiben würde. Und sie sollte Recht behalten. »Ich hatte noch nie Sex.« Okay. Damit konnte sie wohl leben. Asuna sah in die Runde, während sie nach dem Becher griff und in an ihre Lippen setzte. Neben ihr tat es jede. Jede außer Lu, die sich peinlich berührt die Haare zurückstrich. »Das muss dir echt nicht peinlich sein, Lu. Warte so lange, bis du den Richtigen gefunden hast. Oder zumindest so lange, bis du dir wirklich sicher bist«, meinte Asuna und erhielt von Jana, die sie gehört hatte, Zustimmung. »Ja! Asu-chan hat recht. Überstürze bloß nichts.« »Leute!« Sie hob beschwichtigend die Hände. »Macht euch um mich keine Sorgen. Ich weiß, dass es Schlimmeres gibt, als mit 18 Jungfrau zu sein. Und jetzt lasst uns weiterspielen. Ich möchte wirklich mehr versaute Dinge über euch erfahren.« Lu grinste nun schelmisch, was ihr Asuna gleichtat. Suki lachte. »Wenn ich mir die nächste Frage so ansehe, dann hat Lu nach diesem Spiel eine Menge gegen uns in der Hand. Wir müssen also von nun an sehr nett zu ihr sein.« »Schieß los!« Mai rutschte nervös auf ihrem Barhocker herum. Sie räusperte sich und beugte sich etwas nach vorne. Ihre Finger waren verdächtig nahe am Shotglas. »Ich hatte noch nie einen Freund mit gewissen Vorzügen.« Mai entkam ein spannendes »Uhhhhhhh«, während Asuna ihre Augenbrauen nach oben zog. Sie zögerte kurz, da niemand Anstalten machte, zu trinken. Sie warf Jana einen Blick zu, nachdem sie eigentlich auch den nächsten Shot trinken musste. Auch wenn das zwischen ihr und Iwa nicht lange nur ungezwungen geblieben war. Aber Jana tat es dann auch. Zur selben Zeit wie Asuna griff sie nach dem Shotglas. Asuna erntete überraschte Blicke von Mai und Suki. Die anderen zwei wusste immerhin von ihr und Oikawa. »Also von Jana weiß ich, dass es Iwaizumi gewesen ist, aber Asuna? Nicht dein ernst! Wow! Wer hat es geschafft, Kurasaki Asuna ins Bett zu kriegen?« Suki grinste und war ehrlich interessiert an der Geschichte dahinter. Asuna stützte sich mit ihrem Ellbogen ab. »Das bleibt wohl mein Geheimnis.« Sie mochte Suki und Mai zwar echt gerne, aber das würde sie mit ins Grab nehmen. Mai schmollte. »Jetzt will ich es nur noch mehr wissen. Viele würden dafür töten, um Asuna als Freundschaftsplus bezeichnen zu dürfen.« »Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch mich einige umbringen möchten, wenn sie das erfahren würden«, murmelte sie und erntete ein Lachen von Lu, die sie gehört hatte. Die ganzen Fangirls von Oikawa möchte sie echt nicht gegen sie haben. Hina reichte ihr vollkommen... »Okay, Asuna genug ausgefragt. Kommen wir zur nächsten Frage.« Die nächsten Fragen waren harmloser, sodass auch Lu ein paar Mal trinken musste. Den anderen gefiel diese Tatsache. Vielleicht auch deshalb, da sie alle bereits ein wenig angetrunken waren. Aber noch war es nicht Zeit dafür, aufzuhören. Jedoch merkte Asuna, wie sie immer gesprächiger und lockerer wurde. Obwohl sie keine Erfahrung mit Alkohol hatte, wusste sie, dass sie angetrunken war. Sie lachte öfters und redete mehr. Außerdem fühlte sie diese unnatürliche Menge an Glückshormonen durch ihren Körper strömen. Es war tatsächlich ungewohnt und auch ein wenig merkwürdig, aber sie genoss es in vollen Zügen. »Ah, Mai! Ist das dein Ernst?« Jana lachte und riss Asuna aus ihren Gedanken. Unwissend sah sie in die Runde. Anscheinend hatte sie die nächste Frage verpasst. Zum Glück entschied sich ihre beste Freundin dazu, weiterzureden: »Wo, wann und vor allem mit wem warst du im Meer nackt schwimmen?« Oh, darum ging es also. Asuna beugte sich nach vorne und zog an ihrem Strohhalm. Sie hatten sich vorhin alle noch andere Getränke bestellt, da Shots mit der Zeit etwas zu viel des Guten wurden. Die Angesprochene grinste. »Im Sommer. Wir sind nachts ins Schwimmbad eingebrochen. Es war...aufregend.« »Jetzt fehlt nur noch das Wichtigste. Mit wem bist du dort eingebrochen?«, fragte Lu. Suki daneben schmunzelte verhalten. Sie wusste es anscheinend schon, nachdem die beiden doch ziemlich gute Freunde waren. Nun wurde Mia doch etwas nervös, als sie bei der Frage ihre Haare nach hinten strich. Suki verkniff sich ein Lachen. »Also wenn ich euch das jetzt sage, müsst ihr mir versprechen, es niemanden zu verraten.« Sie sah kurz in die Runde, bevor ihr der Name kleinlaut über die Lippen kam. Asuna hatte es aufgrund der Musik fast nicht verstanden, aber die ersten Buchstaben deuteten auf einen Namen hin, den nur einer an ihrer Schule hatte. »Hanamaki?!«, rief Asuna mit großen Augen. Hanamaki ging mit ihr in die Klasse und sprach eigentlich nur dann, wenn er dazu aufgefordert wurde. Nie hätte sie gedacht, dass er tatsächlich in ein Schwimmbad einbrechen würde. »Das...hätte ich nicht erwartet.« Sie hob ihre Augenbrauen und grinste ähnlich wie Suki. Mai und Takahiro waren verdammt gute Schauspieler, wenn sie in den letzten Wochen nichts an deren Verhalten erkannt hatte. »Okay und jetzt kommen wir schnell zur nächsten Frage. Ich bekomme schlimme Flashbacks, die...eigentlich nicht so schlimm sind, aber die ich gerade nicht gebrauchen kann.« »Wir sollten aufhören, so spannende Dinge aufzudecken und dann nicht weiterzureden. Ich sterbe hier vor Neugierde.« Lu legte den Kopf in den Nacken und Asuna musste ihr Recht geben. Das Spiel war eine gute Idee gewesen. Deshalb setzten sie es auch noch fort. So lange bis sie zwei weitere Runden getrunken hatten und alle von ihnen zumindest offensichtlich betrunken waren. Manche mehr, manche weniger. In Asunas Fall, und auch bei Lu, war es doch ein wenig mehr. Anscheinend waren sie diejenigen, die am wenigsten vertrugen. Sie alle lachten gerade über eine Geschichte von Jana, als Lu plötzlich stoppte und mit großen Augen meinte: »Was machen die denn hier?« Asuna folgte ihrem Blick und hätte sich bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden an ihrem Getränk, dieses Mal war es Gin Tonic, verschluckt. Sie hatte eigentlich gehofft, Oikawa heute Abend nicht mehr sehen zu müssen. Nicht nach ihrem peinlichen Moment bei der Hotelbar. Allerdings hatte das Universum anscheinend etwas gegen sie. Verdammt. »Wusstest du, dass sie hierher kommen?«, murmelte Asuna, nachdem sie sich zu Jana gebeugt hatte. Dabei war sie dezent bemüht, deutlich zu sprechen. Diese schüttelte den Kopf. »Nein. Hajime hat nichts gesagt. Ich bin selbst überrascht. Feiern ist eigentlich nichts, was in deren Zeitplan passt.« Asuna holte tief Luft, schob den Strohhalm zur Seite und hob das Glas an. Eigentlich sollte sie jetzt aufhören zu trinken. Eigentlich, aber nachdem sie ihre Selbstkontrolle bereits im Hotel über Board geworfen hatte, dachte sie kaum mehr an die Konsequenzen. Genauso wenig dachte sie an Hina, die bei dem Bild vermutlich ihr Handy aus dem Fenster geworfen hatte und bereits irgendwelche Rachepläne schmiedete. Aus diesem Grund trank sie den restlichen Inhalt auf einmal und verzog kurz das Gesicht. Nicht ihre beste Idee. Das Getränk war viel zu stark, um es als gut zu empfinden. »Lasst uns tanzen gehen«, hörte sie sich selbst euphorisch sagen. Dieses Mal bemühte sie sich nicht um eine deutliche Aussprache. Jana, die offensichtlich mehr vertrug, sah sie überrascht an, nickte aber. »Gute Idee. Wir sind lange genug gesessen.« Ähnlich euphorisch wie Asuna bei ihrem Vorschlag sprang sie vom Barhocker. Die anderen taten es ihr gleich. Asuna tanzte eigentlich nicht und wenn sie völlig nüchtern gewesen wäre, hätte sie diesen Vorschlag nie gemacht. Allerdings verspürte sie nur ein geringes Maß an Zurückhaltung, als sie sich durch die Menge drängte und sich schließlich gemeinsam mit den anderen zur Musik bewegte. Sie tat es intuitiv und vermutlich sah es nur halb so gut aus, wie es sich gerade anfühlte, aber es war ihr ziemlich egal. Deshalb tanzte sie ausgelassen weiter, ließ sich von der Musik leiten so gut es ging. Sie wusste nicht, wie lange sie tatsächlich auf der Tanzfläche gewesen waren, allerdings brauchte sie irgendwann eine Pause. Deshalb ging sie alleine zur Bar, um für alle ein Erfrischungsgetränk zu holen. Anstatt sich jedoch für ein Wasser zu entscheiden, wie es vielleicht vernünftig gewesen wären, wollte sie das Gleiche wie vorhin. Gin Tonic. Sie stützte sich mit ihren Ellbogen an der Theke ab und wartete geduldig auf ihre Bestellung. Dabei fiel ihr auf, wie sehr die Umgebung merklich vor ihren Augen verschwamm. Sie pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und strich sich anschließend auch die restlichen Haare aus dem Gesicht. Erst dann rieb sie sich über die Augen, in der Hoffnung, dass der Schwindel besser werden würde. Vergeblich. So fühlte es sich also an, wenn man betrunken war. Gewöhnungsbedürftig. Asuna seufzte und sah sich nach einem Barkeeper um, nachdem noch immer niemand auf sie aufmerksam geworden war. Anscheinend schienen einige Leute zu warten und...sie runzelte die Stirn. Oikawa lehnte sich gegen den Tresen und im Gegensatz zu sonst grinste er nicht. Oh oh. Kapitel 22: okinawa - another point of view ------------------------------------------- ● • . Was zum Teufel tue ich eigentlich hier, dachte sich Tōru, während er sich durch die feiernden Menschen drängte. Seine Mannschaft und er sollten eigentlich trainieren. Sie sollten Ausdauer- und Krafttraining absolvieren und Aufschläge über das Netz schlagen, bis ihnen die Arme abfielen. Sie sollten Angriffe und Blocks üben, bis ihnen schlecht wurde und sie aus den Umkleiden kriechen würden. Das sollten sie tun. Stattdessen, und er konnte nicht glauben, dass er Iwas Vorschlag zugestimmt hatte, waren sie hier. In diesem Club, der brechend voll war, sodass er sich kaum bewegen konnte. Und dennoch hielt sich seine Reue in Grenzen, denn seit er das Hotelzimmer verlassen hatte, konnte er ohnehin nicht klar denken. Asunas bescheuerte Regeln sowie ihre Aktion von vorhin hatten ihn völlig aus der Bahn geworfen. Tōru verkniff sich ein Augenverdrehen, als ihn irgendein Typ unsanft anrempelte, nachdem er endlich die Tanzfläche hinter sich gelassen hatte. Vielleicht hätte er sich nicht als Freiwilliger melden sollen, um Getränke für die anderen zu beschaffen. Er suchte einen freien Platz an der Bar und lehnte sich schließlich gegen die Theke. Es fühlte sich merkwürdig an, hier zu sein, denn eigentlich hatte er einen geregelten Tagesablauf. Sein Lebensmittelpunkt war Volleyball und seine geringe Freizeit verbrachte er damit, zumindest ab und zu in Schulbücher hineinzusehen. Noch nie war er in einem Club gewesen und wenn er sich so umsah, dann wusste er auch warum. Er könnte so viel Sinnvolleres tun, als sich hier zu langweilen. Jetzt war es aber zu spät für einen Rückzug, weshalb er für die anderen die gewünschten Getränke bestellte. Bier und für sich selbst ein Wasser. Er hörte bereits jetzt Iwas nervige Stimme, die ihn deshalb aufzog. Aber einer musste ja klar im Kopf bleiben, oder nicht? »Danke«, sagte er höflich und hielt dem Barkeeper einen Geldschein entgegen. Während er auf das Wechselgeld wartete, sah er die Bar entlang. Viele der anderen Besucher standen geduldig und gelangweilt da. Ähnlich wie er. Andere hingegen sahen aus, als würden sie jeden Moment umkippen oder im schlimmsten Fall auf den Boden kotzen. Und dann war da noch... Asuna? Er runzelte die Stirn und betrachtete die Person genauer. Eigentlich war ihm klar, dass es sie war. Für ihn gab es niemanden, der an ihre Ausstrahlung und Attraktivität herankam. Vor allem wenn sie so angezogen war. Jedoch überraschte ihn ihr Verhalten. Sie hielt ihr Handy in der einen und ein Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in der anderen. Tōru war sich ziemlich sicher, dass es sich bei dem Getränk nicht um Wasser handelte. Er beobachtete sie weiter. Sie tippte auf dem Touchscreen herum und er musste kein Genie sein oder selbst Erfahrung mit Alkohol haben, um zu wissen, dass sie betrunken war. Ihre Körperhaltung war nicht so aufrecht wie sonst, ihre Handbewegungen waren untypisch und ihre Mimik wechselt von belustigt zu wütend innerhalb kürzester Zeit, sodass er ein Schleudertrauma von ihren Emotionen bekam. Außerdem hielt sie ihr Handy so nahe an ihr Gesicht, dass er sich fragte, wie sie so etwas vom Bildschirm ablesen konnte. Wenn er ehrlich war, dann wunderte es ihn, dass sie getrunken hatte. Er kannte Asuna mittlerweile lange genug, um sie einschätzen zu können. Und bis jetzt hatte er auch noch nie davon gehört, dass sie mehr als ein Becher getrunken hatte. Aber bereits ihr Verhalten im Hotel war ihm merkwürdig vorgekommen. Sie würde nie ihre eigenen Regeln brechen, auch wenn er diese nach wie vor bescheuert fand. Dass sie sich bei dem Gruppenfoto aber nicht an diese gehalten und ihn mit ihrer Aktion fast schon provoziert hatte, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Was wollte sie damit bezwecken? So merkwürdig es sich anhörte, aber so nahe waren sie sich schon lange nicht mehr gewesen. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern, wann Asuna ihn das letzte Mal bewusst berührt hatte. Meistens war er es, der nicht viel darüber nachdachte und die Distanz zwischen ihnen verringerte. Umso verwirrter war er, nachdem sie doch so euphorisch ihre Regeln verkündet hatte. Auch jetzt fragte er sich, was sie dachte und was oder mit wem sie gerade schrieb. Asuna war manchmal ein offenes und versiegeltes Buch zur selben Zeit. Und er hasste es, dass es so war. Bei niemandem tat er sich so schwer, ihre wahren Gedanken und Gefühle herauszulesen, obwohl Asuna sogar eine furchtbar schlechte Lügnerin war. Wie war das möglich? Er seufzte und beobachtete sie weiter. Die anderen waren weit und breit nicht in Sicht und so ganz gefiel es ihm nicht, dass sie alleine in Mitten von anderen Betrunkenen war. Er hatte gesehen, wie sehr die ganzen Männer hier die Frauen ansahen und Asuna war da keine Ausnahme, denn dass sie gut aussah, wusste jeder, der sie kannte. Und dass das eine Untertreibung war, wusste ebenfalls jeder. Hinzu kam, dass ihr Outfit viel Spielraum für Fantasien lieferte. Als er sie im Hotel gesehen hatte, war er tatsächlich sprachlos gewesen. Iwa hatte ihn erst nach einem unsanften Hieb mit dem Ellbogen wieder ins Hier und Jetzt befördern können. Es passierte nicht oft, dass er so aus der Bahn geworfen wurde, aber er sprach hier von Kurasaki Asuna, also wieso wunderte es ihn überhaupt? In diesem Moment sah Asuna in seine Richtung. Zuerst reagierte sie nicht. Sie sah ihn nur an, ehe sie ihre Augenbrauen hob. Ihre Hand mit dem Handy sank langsam. Plötzlich verschwand sie aus seinem Blickfeld und das gefiel ihm nicht wirklich. Er richtete sich auf und versuchte, sie über den Köpfen der anderen zu entdecken. »Suchst du jemanden?«, ertönte es plötzlich neben ihm, sodass er überrascht zusammenzuckte. »Ja, dich.« Er runzelte die Stirn und betrachtete sie näher. Sie war größer als sonst, aber noch immer bei Weitem kleiner als er. Lag wohl daran, dass sie im Gegensatz zu sonst hohe Schuhe trug. »Gefunden«, erwiderte sie und drängte sich an ihm vorbei, um zur Bar zu kommen. Er machte ihr bereitwillig Platz. Etwas anderes wäre ihm auch nicht möglich gewesen. Dabei konnte er nicht verhindern, dass er sie abermals genauer musterte. Er ließ seine Augen über ihren Körper gleiten, als sie sich mit den Ellbogen an der Bar abstützte und sich über den Tresen lehnte. Tōru überkam dabei ein schlechtes Gewissen, während er sie so schamlos abcheckte, weshalb er schnell woanders hinsah. Dennoch hatten sich ihre Kurven und die nackte Haut, die durch ihre Kleiderwahl gezeigt wurde, schon längst in sein Gedächtnis gebrannt. Obwohl er sie so oft ohne Kleidung gesehen und auf jede erdenkliche Art und Weise berührt hatte, faszinierte ihn der Anblick nach wie vor. »Wieso bist du alleine unterwegs?«, kam es ihm über die Lippen. Damit fragte er das, was ihm schon die ganze Zeit durch den Kopf ging. Und nach wie vor gefiel es ihm nicht wirklich, auch wenn er kein Recht darauf hatte, sich darüber zu beschweren. Asuna sah ihn über die Schulter an. Und erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr ihre Augen glänzten. Auch waren sie deutlich roter als sonst. »Getränke holen. Und keine Sorge. Ich habe dieses Mal niemanden provoziert. Du kannst dich also etwas entspannend.« Während sie um eine deutliche Sprache bemüht war, grinste sie und strich sich ihre Haare nach hinten. Wenn sie wüsste, dass ihr kurzer Rock und das enganliegende Oberteil durchaus jemanden provozierte. Und zwar seine Fantasie. »Hey, Tōru.« Er hob aufmerksam seinen Kopf, denn schon lange hatte sie ihn nicht mit seinem Vornamen angesprochen. »Wieso bist du überhaupt hier?« Er schüttelte das merkwürdige Gefühl ab. »Vielleicht hatte ich Sehnsucht nach dir?« Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, als er sie wie so oft anstachelte. Allerdings war es nicht völlig gelogen, denn nach ihrem widersprüchlichen Verhalten wollte er unbedingt wissen, was sie damit bezwecken wollte. Asuna hob merklich ihre Augenbrauen, während sie schnell bei dem Barkeeper bestellte. Erst dann drehte sie sich zur Gänze zu ihm. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, auch wenn es etwas aufgezwungen wirkte. »Ich glaube,« fing sie an, »du verwechselst mich mit Hina.« Sie hielt inne und tat ganz verwundert. »Warte! Tōru! Hast du etwa auch getrunken?« Sie lachte plötzlich und auch wenn er dieses Geräusch schon immer gemocht hatte, konnte er sich nicht darüber freuen. Er hatte es gewusst. Immerhin hatte er ihren Blick gesehen, als er gemeinsam mit der Schülerin aus der zweiten Klasse bei der Schule aufgetaucht war. Es war diese enorme Ausdruckslosigkeit in ihrem Gesicht gewesen, die ihn überrascht hatte. So als wollte sie mit all ihrer Kraft vermeiden, dass er etwas darin erkannte. Dennoch hakte er nach: »Wie kommst du auf Hina?« Es war eine ausweichende Frage. Immerhin wusste er genau, weshalb sie Hina zur Sprache brachte. Sie zuckte unschuldig mit ihren Schultern, nachdem der Barkeeper schneller als gedacht die gewünschte Bestellung brachte. Asuna war so fokussiert auf die kleinen Gläser mit der durchsichtigen Flüssigkeit, dass sie sich nicht mal darüber beschwerte, als er alles bezahlte. Langsam griff sie nach einem Shot und hob ihn an. Kurz bevor das Glas ihre Lippen berühren konnte, gab sie ihm eine Antwort: »Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ihr die letzte Nacht gemeinsam verbracht habt?« Erst jetzt trank sie das Getränk mit einer fließenden Bewegung. Dabei verzog sie das Gesicht keinen Millimeter. Er war sich ziemlich sicher, dass es nicht ihr erster Shot war und dass sie kein weiteres Glas davon trinken sollte. Die unnatürlichen Gestiken von vorhin waren nicht verschwunden. Tōru holte bei ihren Worten tief Luft. »Es ist nicht so, wie du denkst«, meinte er, ohne großartig darüber nachzudenken und legte seinen Kopf in den Nacken, denn er bereute es sofort, diesen klischeehaften Satz verwendet zu haben. Er hatte damit gerechnet, dass es sie stutzig machen würde, wenn er gemeinsam mit Hina auftauchen würde und so ganz unrecht hatte sie auch nicht. Sie hatten die Nacht gemeinsam verbracht und. »Wie ist es dann?«, fragte sie ihn plötzlich und schenkte ihm dennoch wenig Beachtung. Stattdessen schob sie das kleine Glas von sich und griff nach dem nächsten. Die sind doch nicht alle für sie, dachte sich Tōru skeptisch. Er sah von den Gläsern zu ihr und hielt kurz inne. »Es ist irgendwie...kompliziert.« Oder er machte es zumindest komplizierter, als es eigentlich war. Immerhin hatte er Hina gerne. Das einzige Problem dabei war, dass er nicht wusste, wie gerne er sie tatsächlich mochte. Reichte es für mehr? Asuna hingegen schien sich nicht viel dabei zu denken, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte. Fast schon provokant sah sie ihn an, nur um den nächsten Shot anzuheben. »Es ist immer alles kompliziert.« Sie legte ihren Kopf schief. Ihre Worte hatten einen negativen Beigeschmack. »Und dass wir uns ein Zimmer teilen, macht es nicht einfacher«, murmelte er mehr zu sich, doch sie hatte ihn anscheinend gehört. »Findest du? Immerhin sind wir ja...Freunde. Da sollte so etwas doch kein Problem sein«, begann sie und exte auch die anderen drei Shots schneller als Tōru schauen konnte, »Außerdem haben wir schon lange keine Zeit alleine miteinander verbracht.« Sie verzog nun doch kurz das Gesicht, als sie das letzte Glas fest auf die Bar knallte. Sie drehte sich zu ihm und sah ihm direkt in die Augen. Tōru wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Freunde? Waren sie das wirklich? Es fühlte sich nicht so an. Irgendetwas waren sie, aber keine Freunde. Es war...anders. Undefinierbar. Wie es Asuna sah, wusste er nicht. Diese wandte indes den Blick ab. »Lass uns die anderen suchen. Komm mit.« Sie griff nach seiner Hand und zog ihn durch die Menge. Davor hatte er noch nach den kleinen Flaschen gegriffen, die er bis jetzt unbeachtet gelassen hatte. Überrascht sah er zu ihren Händen. Asuna hielt ihn so fest, als hätte sie Angst, ihn zu verlieren. Er zog sie nicht zurück und ließ sich von ihr über die Tanzfläche ziehen. Obwohl er nicht so war, schlich sich ein nahezu überhebliches Grinsen in sein Gesicht. Ihm war durchaus aufgefallen, wie sie von den männlichen Besuchern angesehen wurde. Jetzt wagten sie allerdings nur einen kurzen Blick, ehe sie feststellten, dass sie nicht alleine war. Plötzlich stoppte Asuna, weshalb er beinahe in sie gerannt war. Dicht hinter ihr verweilte er, während sie euphorisch rief: »Iwa-chan!« Damit brachte sie Tōru zum Grinsen. Noch nie hatte er diese Anrede aus ihrem Mund gehört. Und schon gar nicht mit solch einer Freude. »Oh, wow.« Mehr brachte sein bester Freund nicht zustande. Man konnte es ihm auch nicht verübeln, nachdem sie ihn nicht nur angrinste, sondern auch ihre Arme um ihn legte. Tōru achtete nicht sehr darauf, denn er wurde abgelenkt, von dem Gefühl, dass etwas fehlte. Er betrachtete seine Finger, die vor kurzem noch mit Asunas verschränkt waren. Das angenehme Kribbeln war verschwunden. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Iwa ihm den Ellbogen unsanft in die Seite stieß. »Sie ist ziemlich betrunken. Und sie hat dir gerade schrecklich ähnlich geklungen«, raunte Iwa Tōru zu, nachdem sich Asuna das nächste Oper gesucht hatte. Nämlich Hanamaki. Tōru nickte und stellte die Getränke auf den Tisch. Vergessen war nun auch das Kribbeln. »Ich weiß. Deshalb werde ich sie jetzt ins Hotel bringen. Zumindest werde ich es versuchen.« Denn wenn er sie so ansah, dann war das Hotelzimmer gerade der bessere Ort für sie. Iwa klopfte ihm auf die Schulter. »Viel Spaß bei der Mission.« Beide sahen zu Asuna. Diese beugte sich gerade zu Hanamaki, um ihm anscheinend etwas Geheimes ins Ohr zu flüstern. Keine Ahnung was es war, aber anscheinend brachte es ihn dazu, seine Augen weit aufzureißen und abwehrend die Arme zu heben. Eigentlich wollte er seinen Spielkameraden erlösen, doch Asuna entschied sich selbst dazu, ihn wieder in Ruhe zu lassen. »Stille Wasser sind tief, Hanamaki!« Sie lachte und schlug ihm auf die Schulter, wie Iwa zuvor bei ihm. Er fragte sich, was sie mit dieser Aussage meinte, aber anscheinend wusste Makki ganz genau, was diese Worte zu bedeuten hatten. »Wisst ihr was? Ihr wartet hier und ich verschwinde kurz auf die Toilette, okay?«, meinte sie plötzlich. Tōru runzelte die Stirn, als sie kehrt machte und in der Menge verschwand, bevor er etwas sagen konnte. Er sah ihr nach und überlegte kurz, ob er ihr folgen sollte. »Du machst dir wirklich zu viele Sorgen um sie, Baka. Sie ist zwar betrunken, aber kein kleines Kind mehr.« Tōru unterdrückte ein Seufzen. Er wusste, dass sein bester Freund im Recht war, aber wie konnte er sich auch keine Sorgen machen? Asuna zog Ärger mit irgendwelchen Typen magisch an. »Das ist ja gerade das, weshalb ich mir sorgen mache«, murmelte er. »Hast du ihr das mit Hina erzählt?«, fragte Iwa ohne Vorwarnung und erinnerte ihn daran, dass er ein Idiot war. »Nein. Ich wollte, aber bin nicht dazu gekommen.« »Echt jetzt?« Er hob ungläubig und mit Spott seine Augenbrauen. »Wieso nicht? Sie sollte das wirklich wissen.« »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte er beschwichtigend. »Ich denke aber, dass ich es ihr sagen soll, wenn sie nüchtern ist. Vermutlich erinnert sie sich morgen an keines meiner Worte.« Iwa lehnte sich an den Stehtisch. »Ich kenne dich schon echt lange, aber trotzdem frage ich mich, weshalb du das mit Asuna beendet und das mit Hina angefangen hast.« Tōru runzelte dir Stirn. »Ich...habe nichts mit Hina angefangen. Sie war einfach da und sie war nett und hat mir Milchbrötchen gemacht. Keine Ahnung. Asuna hat mir nicht Milchbrötchen gemacht.« Er klang wie ein Idiot. »Abgesehen davon, dass ich nicht verstehen kann, wie dir überhaupt irgendjemand freiwillig Milchbrötchen machen kann,« fing Iwa an ungläubig an, »Ist das deine Begründung, weshalb du dich darauf eingelassen hast? Milchbrötchen und Nettigkeit?« Er rieb sich die Stirn. »Nein, natürlich nicht. Das hört sich lächerlich an.« »Ach! Und was waren dann die Gründe? Ich kann mich nämlich noch sehr gut daran erinnern, dass es dir gar nicht gefallen hat, als Asuna damals die Sache zwischen euch beendet hat.« Fast schon provokant hob Iwa seine Augenbrauen. »Das lag nur daran, dass Asuna es vor mir beendet hat.« Die Worte kamen ihm schon fast kleinlaut über die Lippen. Ganz und gar nicht passend für ihn. »Du kannst vieles, Tōru. Lügen gehört definitiv nicht dazu.« Iwa kannte ihn. Er kannte ihn besser, als alle anderen. Und er hatte recht. Fuck Er legte seinen Kopf frustriert in den Nacken. »Schon gut. Du hast ja recht. Es ist nur so, dass-«, begann er, wurde aber von Asuna unterbrochen. »Können wir...gehen?« Überrascht sah er sie an. Sie hatte sich am Tisch abgestützt und ihre Wange auf dem Arm abgelegt. Dass sie ziemlich fertig aussah, war nicht verwunderlich. Dass sie aber zurück ins Hotel wollte, schon. »Können wir«, antwortete Tōru ohne zu zögern und meinte zu Iwa: »Sag deiner Freundin Bescheid, dass ich mit Asuna zurückgehe.« Er bemerkte genau den eindringlichen Blick von seinem besten Freund. Allerdings entschloss er sich dazu, nicht darauf einzugehen. Dieses Mal war er es, der ihre Hand nahm und sie mit sich zog. Gemeinsam drängten sie sich durch die Menge, bis sie schließlich im Freien ankamen. Erst dann ließ er sie los. Auf den Pflastersteinen fiel es ihr mit den hohen Schuhen wesentlich schwerer, schnell vorauszugehen. Doch obwohl er geglaubt hatte, dass er nun die größte Hürde geschafft hatte, belehrte sie ihm eines Besseren. Sie bog auf einmal rechts ab und steuerte auf das Meer zu. War das ihr Ernst? Er sah ihr dabei zu, wie sie ein paar Meter im Sand zurücklegte und schließlich auf die glorreiche Idee kam, ihre Schuhe auszuziehen. Dabei fiel sie beinahe um, konnte sich aber noch retten. Die Schuhe ließ sie achtlos liegen und er war sich sicher, dass sie deren Existenz bereits vergessen hatte. Deshalb folgte er ihr und sammelte auf den Weg ihre Schuhe auf. Und da er sie nicht alleine zum Wasser lassen wollte, sorgte er dafür, dass der Abstand zwischen ihnen nicht zu groß wurde. Keine Ahnung woher dieser Beschützerinstinkt kam, aber gerade jetzt wirkte Asuna mehr als nur unbeholfen. Bei der Anzahl an Shots, die sie getrunken hatte, wunderte es ihn aber auch nicht. »Was tust du da?« Er hob seine Augenbrauen und beobachtete sie, wie sie am Boden kniete und mit ihren Fingern durch den feuchten Sand strich. Währenddessen bedeckte das Wasser ihre nackten Füße. »Muscheln suchen«, murmelte sie und im ersten Moment verstand er kein Wort. Jedoch reimte er es sich zusammen, sodass er schließlich nickte. Auch wenn er sich in seinem nüchternen Zustand wirklich nicht vorstellen konnte, Mitten in der Nacht Muscheln zu suchen. Zu seinem Glück hatte sie aber schnell das Interesse daran verloren. Gerade jetzt erinnerte sie ihn an ein kleines Kind, welches man ständig im Auge behalten musste. Damit würde er sie morgen bestimmt aufziehen und sie würde ihm wieder diesen genervten und zugleich peinlich berührten Blick, den er so mochte, zuwerfen. Seine Mundwinkel zuckten bei dem Gedanken. »Hier.« Sie drückte ihm eine Muschel, die nicht viel größer als eine 10 Yen-Münze war, in die Hand. Sie ging an ihm vorbei und entfernte sich zum Glück wieder von dem Wasser. Tōru drehte das kleine Geschenk hin und her. Er konnte nicht viel erkennen. Dafür war es zu dunkel. Deshalb verstaute er die Muschel sicher in seiner Hosentasche. »Trag mich, Tōru!«, meinte Asuna plötzlich. Er hatte keine Chance, sich umzudrehen, denn ohne eine richtige Vorwarnung, sprang sie auf seinen Rücken. Er hätte vermutlich das Gleichgewicht verloren, wenn er nicht so ausgeprägte Reflexe gehabt hätte. Dennoch taumelte er kurz. Ein Glück, dass sie so leicht war. »Wie wäre es, wenn du mich das nächste Mal vorwarnen würdest?« Er hob seine Augenbrauen und drehte seinen Kopf nach links, während er ihr half, Halt zu finden. »Habe ich doch getan.« Natürlich hatte sie das...Er seufzte und nutzte die Chance, um deren Weg fortzusetzen. Wenigstens konnte sie so nicht mehr abhauen. »Ich glaube, man kann meinen halbnackten Hintern sehen«, kam es von ihr nachdenklich, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Tōru wollte schon nachhaken, wie sie darauf kam, aber dann erinnerte er sich, dass sie nur einen kurzen Rock trug und ihre Position wohl nicht so ideal war. »Dann solltest du vielleicht wieder runter von mir.« Statt zuzustimmen, klammerte sie sich mit ihren Armen und Beinen fester an ihn und erwiderte: »Nah. Ist doch nur ein bisschen nackte Haut. Damit kann ich leben.« Tōru war froh, dass um diese Zeit fast niemand unterwegs war. Denn so locker wie sie sah er die Sache nicht. Klar zeigte man im Bikini sogar noch mehr, aber irgendwie war Unterwäsche doch etwas anderes...oder nicht? »Mal sehen, ob du das morgen auch noch so siehst.« Er glaubte nämlich nicht. »Vermutlich werde ich mich nicht an heute erinnern.« Sie kicherte. Ja, Asuna kicherte und es war das niedlichste Geräusch, das er je gehört hatte. Vielleicht auch das merkwürdigste, nachdem es ihm noch nie zu Ohren gekommen war. Witzig, wenn man bedachte, dass er andere Mädchen ständig lachen und kichern hörte. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie in seiner Gegenwart nichts anderes taten. Kichern, Lächeln und sich durch die Haare streichen, weil sie glaubten, es würde ihm gefallen. Er war nett zu ihnen. Natürlich war er das. Er wurde gut erzogen, aber er wusste auch, dass die ganzen Mädchen einfach nur für ihn schwärmten und sich Dinge ausmalten, weil er gut aussah und der Kapitän des Volleyballteams war. Niemand von ihnen kannte ihn wirklich, was ihn allerdings nicht störte. Er wollte sie nicht besser kennenlernen. Das wollte er noch nie. Nur eine Person hatte es geschafft, sein Interesse zu wecken und ausgerechnet diese Person stand nicht kichernd und lachend vor ihm. »Tōru«, fing sie an und riss ihn aus den Gedanken. Ihr Gesicht war seinem so nahe, sodass er ihre Lippen an seiner Wange spüren konnte. Ein Schauer jagte über seinen Rücken und er war froh, dass Asuna zu betrunken war, um irgendetwas davon zu bemerken. »Da ich mich ja morgen an nichts erinnern werde, kannst du mir ruhig die Wahrheit sagen, weshalb...Hina bei dir übernachtet hat.« Sie klang müde, als sie diese Worte aussprach und er hatte sich schon gefragt, wann sie wieder diese Sache ansprechen würde. »Wenn du wissen willst, ob wir miteinander geschlafen haben, dann-«, begann er, wurde aber von Asuna unterbrochen. »Ah! Nein! Eigentlich ist es mir doch egal. Eigentlich kannst du tun, was du willst und mit wem du willst. Und eigentlich würde mich das alles nicht so nerven, wenn Hina nicht so ein Miststück gewesen wäre.« Tōru runzelte die Stirn bei ihrem Genuschel. Das waren gerade viele Eigentlich. »Schön. Wenn du es nicht wissen willst, sag ich es dir auch nicht. Aber wenn wir schon mal dabei sind, dann verrate du mir doch, worüber du mit ihr gesprochen hast. Du weißt schon, bevor wir mit dem Bus losgefahren sind.« »Hm. Ja. Ich weiß, wo und wann ich mit ihr gesprochen habe. Wie könnte ich das vergessen?«, murmelte sie in seine Halsbeuge und er war kurz davor gewesen, sie fallen zu lassen. Das hätte er natürlich nie gemacht, aber ihr Atem auf seiner Haut machte ihn schwach. So richtig. »Also die Kurzfassung: Wir werden in diesem Leben keine besten Freunde mehr und der Grund dafür bist du.« »Tut...mir leid?«, fing er an, auch wenn er wusste, dass sie nichts dagegen hatte, dass sie sich nicht verstanden. »Keine Sorge, selbst ohne dich würden wir keine Freunde werden. Hinter ihrem niedlichen Gesicht verbirgt sich etwas, das ganz und gar nicht niedlich ist.« Asuna schwieg kurz und für einen Moment dachte er, sie wäre an seiner Schulter eingeschlafen. »Ich kann sie nicht leiden und das tut mir nicht mal leid, Tōru. Und solltest du jemals mit dir zusammenkommen, dann werde ich nie wieder ein Wort mit dir reden. Nicht weil ich es so will, sondern weil sie es mir verboten hat.« Tōru brauchte einen Moment, um ihre Worte zu verarbeiten. Er blieb stehen, sodass die Leute an der Rezeption ihnen einen merkwürdigen Blick zu warfen. »Sie hat was?«, murmelte er etwas fassungslos und setzte seinen Weg schnell fort, als die Blicke skeptischer wurden. Damit hatte er nicht gerechnet. Für ihn war Hina immer die netteste Person in ganz Miyagi. Das war sie zumindest gewesen. Er holte tief Luft und dachte an die vier Nachrichten und zwei verpasste Anrufe. Er hatte weder zurückgerufen noch auf ihre Nachrichten reagiert. Er hatte sich deshalb schlecht gefühlt. Hina war ziemlich...konsequent. Eigentlich war dies nichts, was ihm sonderlich gefiel. Er brauchte seinen Freiraum und Zeit für sich, was dank des Trainings beides begrenzt war. Allerdings war diese Hartnäckigkeit Hinas einzige Charaktereigenschaft, die ihn bis jetzt gestört hatte. Sie war anders, als die Mädchen, die ihm ständig hinterherliefen. Sie war ruhig, nett und höflich. Wenn er einen schlechten Tag hatte, dann stimmte sie ihn mit ihrem sonnigen Gemüt wieder positiv. Außerdem brachte sie ihm jeden Dienstag Milchbrötchen. Asuna würde ihm nie Milchbrötchen machen. Nicht nur, weil sie absolut nicht backen konnte, was er so mitbekommen hatte, sondern auch, weil sie nicht so nett war. Sie würde höchsten die Augenbrauen nach oben ziehen und ihm ein ungläubiges Lächeln schenken. Sie würde irgendwelche Widerworte geben und er würde sie ärgern, was nicht so einfach war, denn sie wollte immer das letzte Wort haben. Dann würde er sie zum Schweigen bringen, indem er sich ihr nähert, sie berührt und küs-. Tōru stolperte über den Teppich. »Woah. Sag nicht, ich bin dir zu schwer.« Asuna lachte leise und er sah sie im Augenwinkel grinsen. Anscheinend war die Aufregung über Hina bei ihr bereits längst verblasst. »Du bist alles andere als schwer«, gab er ihr zur Antwort und Asuna drückte auf den Knopf, um den Aufzug zu rufen. »Außerdem sind wir sowieso bald im Zimmer.« Mit einem Ping öffnete sich die Aufzugtür. »Ich werde mit Hina sprechen, okay?«, meinte er. Er verstand noch immer nicht, wie sie so etwas von Asuna fordern konnte. Er hatte zwar gewusst, dass die beiden sich nicht sonderlich leiden konnten, aber das ging ihm eindeutig zu weit. Vor allem da es auch ihn betraf. Je länger er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Wie hatte er ihre Eifersucht übersehen können? Jetzt, wo er darüber nachdachte, dann hatte sie immer sehr eigenartig auf Asuna reagiert. Egal ob sie in der Nähe war oder sie zufällig in einem Gespräch erwähnt worden war; Hina hatte immer merkwürdig verkrampft gewirkt. »Gut. Sag ihr auch, dass ich mit nicht von dir fernhalten werde.« Tōru konnte nun doch ihren Ärger heraushören, obwohl sie nach wie vor aufgrund des Alkohols undeutlich sprach. »Ach! Wirst du nicht?« Er schmunzelte, während sich die Türen langsam schlossen und sie in diesem engen Raum alleine waren. Asuna ließ jedoch plötzlich locker und rutschte von seinem Rücken. Als ihre Füße den Boden berührten, schwankte sie und hätte er nicht nach ihrem Handgelenk gegriffen, wäre sie unsanft gegen die Wand gekracht. Sie holte tief Luft und zog ihren Rock nach unten, der aufgrund des Huckepacks nach oben gerutscht war. Sicherheitshalber lehnte sie sich gegen die mit einem Spiegel verkleidete Wand des Aufzugs. Asuna schüttelte als Antwort den Kopf und fuhr sich anschließend mit ihrer Hand durch ihre Haare. Erst als sie ihn für einen kurzen Augenblick wortlos anstarrte, meinte sie: »Weißt du, was ich mich gerade frage? Wir haben wirklich oft miteinander geschlafen, aber wieso haben wir es nie in einem Aufzug getan?« Sie schien sich diese Frage ernsthaft zu stellen und Tōru konnte nicht anders, als ungläubig die Augenbrauen nach oben zu ziehen. Ein kleines Grinsen schlich sich allerdings dazu. »Hast du gerade ein Kopfkino oder wie kommst du darauf?« »Nein...also nicht wirklich. Ich weiß nicht. Vielleicht liegt es daran, dass du hier bist und ich...betrunken bin, oder so.« Sie wich seinem Blick aus und starrte an die Decke, an der ebenfalls ein Spiegel fixiert war. Tōru lachte nun leise und konnte nicht verhindern, dass seine Augen bei diesem Thema abermals über ihren Körper wanderten. Hier in diesem Licht sah er sie viel besser als zuvor und so fiel ihm auf, dass ihr Oberteil mehr Haut zeigte, als gedacht. Obwohl das Muster die wichtigsten Stellen verdeckte, blieb genug Platz für Fantasie. Außerdem war der Rock um einiges kürzer, als jener der Schulkleidung. Er konnte sich gut vorstellen, dass die meisten Mädchen aus der Schule bereits nach dem Outfit Ausschau hielten. Immerhin hatte Jana keine Zeit verschwendet, um das Gruppenfoto zu posten. Er wusste nicht, ob es Asuna bewusst war, aber viele Schülerinnen eiferten ihr nach. Egal ob Kleidung oder das Verhalten. Wie oft waren sie bei wichtigen Spielen schon zu ihm gekommen und trugen dabei ein ähnliches Outfit oder auch die Haare auf die gleiche Art und Weise? Tōru fand das irgendwie amüsant. Wieso? Sie konnten noch so oft versuchen, wie Asuna zu sein; schaffen würden sie es nie. Er verschränkte seine Arme und tat es ihr gleich, indem er sich an die Wand lehnte. »Ich weiß nicht. Vielleicht weil man den Aufzug nicht so einfach anhalten kann und überall Kameras vorhanden sind. Das wird in den meisten Filmen irgendwie ignoriert.« »Guter Punkt.« Sie nickte langsam, als müsste sie über das Gesagt intensiv nachdenken. Oder sie hatte tatsächlich explizite Bilder im Kopf. Bei ihr war er sich nie so sicher. Mit einem weiteren Ping in Mitten der Stille, öffnete sich die Fahrstuhltür. Asuna verschwendete keine Zeit und machte sich auf den Weg in Richtung Zimmer. Zumindest wirkte es so, denn obwohl sie eigentlich genau wissen sollte, wo ihr Zimmer lag, blieb sie vor der falschen Tür stehen. Zuvor hatte sie die Karte aus ihrer Handtasche gefischt und wunderte sich nun, weshalb kein grünes Licht erschien, wenn sie diese Karte gegen das Schloss hielt. Tōru hob seine Augenbrauen und ließ sie erstmal machen. Vielleicht ein wenig gemein, aber er war sich sicher, dass sie dasselbe mit ihm tun würde. »Das ist das falsche Zimmer, Asuna«, meinte er schließlich und deutete auf das gegenüberliegende. Sie war knapp dran gewesen. Zuerst war sie verwirrt, doch dann öffnete sie das korrekte Zimmer. Nachdem sie den Raum betreten hatte, warf sie sich aufs Bett. Tōru schloss die Tür hinter sich und stellte die Schuhe auf den Boden ab. Vermutlich hatte sie über diese keinen Gedanken verschwendet. Tōru verschwand im Bad und schnell unter der Dusche. Es war nicht lange her, dass er geduscht hatte, aber nach dem Abstecher in dem Club hatte er das dringende Bedürfnis gehabt, sich nochmal unter das Wasser zu stellen. Es war eine gute Entscheidung. Während das heiße Wasser über seinen Körper lief, hatte er ausreichend Zeit, um über Asuna nachzudenken. Obwohl er gestehen musste, dass es ihm nicht richtig behagte, dass sie alleine im Zimmer war. Wer weiß, auf welche Gedanken sie in diesem Zustand kam. Er strich sich die feuchten Haare nach hinten und war kurz davor, gleich wieder aus der Dusche zu springen. Jedoch riss er sich zusammen und griff nach dem Duschgel. Eigentlich wollte er nie zustimmen, mit ihr ein Zimmer zu teilen. Er hatte ihren Blick und ihre nicht vorhandene Begeisterung gesehen, als Jana sie gefragt hatte. Umso überraschter war er gewesen, als sie die Bitte ihrer besten Freundin angenommen und plötzlich mit ihren Sachen vor ihm gestanden hatte. Er hatte nichts gesagt, denn er hatte ihren inneren Konflikt durchaus bemerkt. Zu gerne hätte er gewusst, was ihr durch den Kopf gegangen war, aber er wusste auch, dass Asuna mit ihm reden würde, wenn sie wollte. Er konnte ihr nicht verübeln, dass sie derzeit aber nicht mit ihm reden wollte und unweigerlich musste er an ihren Ausbruch denken, nachdem sie ihm ihre Regeln verkündet hatte. Sie hatte recht gehabt. Es wirkte ganz und gar nicht so, als wäre er nicht mit Hina zusammen. Dafür waren sie viel zu oft zusammen. Außerdem, und er konnte nach wie vor nicht glauben, dass er damals weich geworden war, bereute er es zutiefst, dass Hina bei ihm geschlafen hatte. Er hatte sie eigentlich abweisen und nach Hause schicken wollen, aber dann hatte sie angefangen zu weinen und der zuvorkommende Kerl in ihm hatte ihr angeboten, hierzubleiben. Ein Moment, in dem er härter hätte sein sollen. Und deshalb glaubte jeder, dass er mit Hina zusammen war. Wer kam denn sonst gemeinsam zur Schule? Es überraschte ihn deshalb nicht, dass Asuna sie so verwirrt angesehen hatte. Er hätte nicht anders reagiert, auch wenn sie machen konnte, was sie wollte. Und mit wem sie wollte. Tōru stellte das Wasser ab und verließ die Dusche. Als er ein Bein auf den trockenen Boden stellte, kündigte sein Handy eine Nachricht an. Asuna 2:27 Uhr Vergiss niht REgel Nr 2.: Keine Nacktheit !1 Er runzelte die Stirn und musste anschließend seine Augen verdrehen. Da waren sie wieder. Diese Regeln. Als ob diese irgendetwas ändern würden. Nicht, dass er absichtlich halbnackt in ihrer Gegenwart herumrannte oder die Distanz zwischen ihnen verringerte. Die Witze waren natürlich bewusst, aber meist harmlos. Deshalb war er kurz davor, einfach nackt ins Zimmer zu gehen. Zu gerne würde er ihren Blick sehen, aber er tat es natürlich nicht, sondern zog sich ein Shirt und eine Shorts an. »Wieso Keine Nacktheit, wenn du gerade eben noch die Abstandsregel missachtet und an meinem Rücken geklebt hast?«, fragte er, während er zurück ins Zimmer ging und sich ein Handtuch um den Nacken legte. Er hob bei dem Anblick die Augenbrauen nach oben. Asuna stand mitten im Raum und hielt eine kleine Sektflasche in der einen und ihr Handy in der anderen Hand. Die Flasche hatte sie vermutlich von der Minibar. Nebenbei lief der Fernseher, den sie zusätzlich eingeschaltet hatte. Zuerst hatte Tōru gedacht, sie würde sofort auf dem Bett einschlafen, aber anscheinend dachte sie nicht ansatzweise daran, schlafen zu gehen. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn und deutete mit ihrer Hand in seine Richtung. Jetzt sah sie aus, als hätte sie mindestens zwei Promille intus. »Das zählt nicht. Ich stelle die Regeln auf, also darf ich sie auch...nicht einhalten.« Sie nickte zur Bestätigung und setzte die Flasche an die Lippen. »Warte!«, warf er mit einem ungläubigen Blick dazwischen »Und wenn ich eine deiner Regeln brechen würde, würdest du mich doch direkt aus dem Zimmer werfen. Das ist...unfair.« »Nicht wenn du derjenige bist, der ständig die Regeln bricht. Ich bin hier die Anständige.« Auch der restliche Sekt fand seinen Weg in ihren Rachen. Ob das so eine gute Idee war? Die Flasche hatte nicht lange gehalten. Tōru schnaubte belustigt. »Als ob! Das Wort anständig passt ganz und gar nicht zu dir. Oder muss ich dich daran erinnern, dass es damals deine Idee war, es –.« »Lalalalalalal«, fing Asuna laut an, während sie sich die Ohren zuhielt. »Ich kann dich leider nicht hören.« »Ich weiß, dass du mich hören kannst«, meinte er gelassen. Nachdem sie keine Anstalten machte, ihre Hände von den Ohren zu nehmen, fügte er hinzu: »Du siehst heute echt heiß aus.« Aber ohne Kleidung würdest du mir gerade besser gefallen, hätte er beinahe noch hinzugefügt. Er wollte aber nicht das Risiko eingehen, wieder als böser Regelbrecher dazustehen. Auch wenn er sie wirklich gerne ärgerte...Er wusste allerdings auch, dass er sich wirklich zurückhalten sollte. Die Momente, in denen solche Scherze okay waren, waren vorbei. Als wären es magische Worte gewesen, öffnete sie langsam ihre Augen. »Hm? Das sagst du jetzt nur, weil ich dir sonst nicht zugehört hätte.« Auf ihrer Stirn bildeten sich tiefe Falten. Er lachte leise über ihren verwirrten Blick. »Nein. Nicht nur.« Er ging an ihr vorbei und schmiss sich auf seine Seite des Bettes. Langsam bemerkte er die Müdigkeit. Es war immerhin recht spät und Asunas Aufgewecktheit kostete ihm zusätzlich Energie. »Also jetzt wäre die ideale Gelegenheit, dich auszuziehen,« begann er und machte bewusst eine kurze Pause, um sie zu ärgern, »zu duschen und schlafen zu gehen.« So ganz konnte er es dann doch nicht lassen. »Ich habe eine bessere Idee. Noch eine Flasche Sekt und...Spaß.« Sie grinste und drehte sich überglücklich um, nur um sich abermals zur Minibar zu bücken. »Ich wäre eher für Wasser und Schlaf.« Seiner Meinung nach hatte sie genug getrunken, aber er kannte Asuna. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog sie das auch durch. Sie würde morgen schon sehen, was sie davon hatte. »Spaßbremse.« Sie gab ihm einen Daumen nach unten, während sie fast schon provokant die Flasche öffnete. Dennoch ging sie auf ihren Koffer zu, kramte darin herum und verschwand mit der kleinen Sektflasche im Bad. Die Tür fiel krachen hinter ihr zu. Kurz darauf ertönte das Rauschen des Wassers. Tōru seufzte und nahm sein Handy. Er scrollte durch die App des Monthly Volleyball. Das hatte er den ganzen Tag noch nicht getan. Er war so vertieft in einen Artikel, dass er gar nicht mitbekam, wie das Wasser abgestellt wurde. Erst, als es wieder krachte und ein undeutliches »Fuck« ertönte, sah er auf. Mit gerunzelter Stirn wartete Tōru, bis die Tür aufging. Keine Ahnung was er sich erwartet hatte, aber damit hatte er nicht gerechnet. Asuna trug sein Shirt, während ihre Haare etwas feucht waren. Ihre Augen glänzten rötlich und waren nach wie vor von etwas Schminke umrandet. Auch wenn Tōru keinerlei Erfahrung mit Alkohol hatte, war er sich sicher, dass so eine Person aussah, die absolut betrunken war. Spätestens als sie wieder zu grinsen begann, hatte er die Bestätigung. »Du hättest wirklich mitgehen sollen, Tōru. Du hast eine Menge verpasst.« Sie deutete mit dem Finger auf ihn und wollte sich am Türrahmen abstützen. Allerdings rutschte sie weg und stolperte beinahe über die eigenen Füße. Tōru hatte bereits bei ihren teilweise unverständlichen Worten seine Augenbrauen nach oben gezogen und schließlich ein Grinsen unterdrücken. Dass die ach so verantwortungsbewusste und beherrschte Kurasaki Asuna betrunken war, amüsierte ihn. »Meinst du das Duschen, oder...?« Er ließ die Frage offen im Raum stehen und legte sein Handy auf die Seite. Er konnte nicht anders und musterte sie zum gefühlten hundertsten Mal heute Abend von oben bis unten. Obwohl er um einiges größer war als sie, reichte das Shirt dennoch kaum bis zu den Knien. Es war nicht das erste Mal, dass sie etwas von ihm trug. Aber es war das erste Mal seit einer längeren Zeit. »Wieso trägst du eigentlich mein Shirt?«, fragte er deshalb nach. »Erstens: Das war das Letzte, was ich damit gemeint habe und zweitens,« Asuna sah an sich hinunter, als wäre sie selbst über diese Tatsache überrascht. »Zweitens: Ich habe meinen Pyjama im Zimmer vergessen und mir war kalt und ich wollte ihn nicht holen. Dein Shirt lag da und deshalb habe ich es angezogen. Soll ich es ausziehen?« Sie griff nach dem Stoff und zog daran, als würde sie es sich wieder über den Kopf ziehen wollen. Tōru wurde leicht panisch und richtete sich halb auf. »Nein! Bloß nicht. Lass es an.« Als sie ausnahmsweise auf ihn hörte, lehnte er sich erleichtert zurück. Eine halbnackte Asuna würde ihm gerade noch fehlen. »Oooookay, dann nicht.« Sie lachte leise. Tōru fand, dass sie heute bereits mehr gelacht hatte als sonst. Wohl das einzig Gute an dem Alkohol. Es wäre schön, wenn sie öfters so ausgelassen wäre. Asuna kam auf ihn zu und schmiss sich wie zuvor aufs Bett. Sie streckte ihre Arme von sich. Ihre Beine hatte sie angewinkelt, sodass sie nicht aus dem Bett hingen. Der Stoff des Shirts schmiegte sich von ihren Brüsten zu ihrem flachen Bauch und ließ erahnen, welch perfekte Figur darunter lag. Es war schwer, die Augen von ihr zu nehmen. Er schloss seine Augen und fuhr sich mit seinen Händen über das Gesicht. Dabei hatte er sich so oft eingeredet, dass es einfach war, nicht an all die Dinge zu denken, die Asuna und ihn betrafen. Da sie aber fast halbnackt neben ihm lag, war dies schwieriger als gedacht. Vor allem, wenn er daran dachte, dass sie diese und die nächste Nacht in einem Bett schlafend verbringen würden. Das hatten selbst damals nicht getan. Eine der wenigen Regeln, die er selbst nach wie vor als gute Entscheidung betrachtete. »Woran denkst du gerade?«, kam es leise von Asuna. Tōru öffnete die Lider und sah zu ihr. Sie hatte sich aufgerichtet und saß auf dem Bett. Mit einer Hand stützte sie sich auf ihrem Bein ab. Ihre Haare fielen ihr in leichten Wellen über die Schulter. Ihre Augen waren glasig, doch sie wirkte nicht müde. Er erwiderte ihren intensiven Blick und obwohl sie ziemlich betrunken war, war es, als würde sie tief in sein Inneres sehen. »Ich denke daran, dass wir noch nie gemeinsam in einem Bett geschlafen haben und dass es ziemlich merkwürdig werden wird«, gab er ehrlich zu. Ihr so nahe zu sein, war schon immer etwas Spezielles gewesen. Jetzt und mit all dieser Ungewissheit zwischen ihnen war es noch spezieller. »Daran habe ich auch schon gedacht«, erwiderte sie und fing an, auf ihrer Unterlippe herum zu kauten. Verdammt. Einfach alles was sie tat, brachte ihn aus der Fassung. Seit wann reichten solche Gesten aus, um seine Gedanken abschweifen zu lassen? »So viel zum Thema Abstand halten«, murmelte er und vermied es, näher darauf einzugehen. Er wandte abermals den Blick ab. Wenn sie ihn länger so ansah, würde er das moralisch nicht verkraften. Der gemeinsame Sex war zwar Vergangenheit, aber er hatte sich in seinen Kopf gebrannt und er glaubte nicht, diesen je wieder vergessen zu können. Wenn er ehrlich war, dann vermisste er ihn. Alles war damals so unbeschwert und er musste sich keine Gedanken darüber machen, wenn er sie zu lange berührte. Und er gab es nur ungern zu, aber selbst die Reue nach diesem Moment, als er sie einfach so geküsst hatte und er sich danach richtig bescheuert vorgekommen war, vermisste er. »Tōru.« Asunas Stimme drang langsam aber deutlich zu ihm durch. Seinen Namen in diesem Ton von ihr zu hören, löste etwas in ihm aus, dass er nicht aussprechen wollte. Er war sich nicht sicher, ob sie in diesem Zustand irgendetwas bewusst tat, aber es gefiel ihm und das war nicht förderlich. Sie machte plötzlich eine Bewegung nach vorne und kam ihm dadurch deutlich näher. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen. Selbst wenn er etwas sagen wollte, wäre er nicht dazu in der Lage gewesen. Er war wie erstarrt und sein Körper spannte sich an, als sich ihre Hand auf seine Schulter legte und sie sich über ihn kniete. Tōru schluckte. Das war der Moment, in dem er sie von sich schieben sollte. Aber etwas in ihm weigerte sich, dies zu tun. Fuck. Das war gar nicht gut. Seine Augen glitten tiefer. Über ihre Brüste, die sich abermals deutlich unter dem Stoff abzeichneten, bis zu ihren Oberschenkeln, die zur Gänze freigelegt waren. Der Gedanke, dass nicht viel zwischen ihnen war, behagte ihm nicht. Es ließ seiner Fantasie, die bereits zu oft in kurzer Zeit ausgereizt wurde, zu viel Platz. Seine Hände fanden den Weg zu ihren Hüften. »Asuna...«, fing er heiser an, denn bei jeder noch so kleinen Bewegung ihrerseits, rieb sie sich unbewusst an ihn. Ein abwesendes und unschuldiges »Hm?« kam ihr über die Lippen, während sie sich durch die langen Haare fuhr. »Du solltest...von mir runtergehen.« Sein Verstand pflichtete ihm bei, doch sein Körper war anderer Meinung. Wenn es nach seinem Körper gehen würde, würde er sie zu sich ziehen und küssen. Er würde ihr jedes einzelne Stück Stoff von ihrem Körper reißen und sich das nehmen, was er wollte. Asuna lächelte. Verführerisch und überlegen. »Wenn du das wirklich willst,« fing sie leise an und beugte sich zu ihm, »wieso lässt du mich dann nicht los?« Ihre freie Hand legte sich auf seinen angespannten Unterarm. Tōru biss seine Kiefer fest aufeinander. Er fixierte für einen kurzen Moment seine Hände, die noch immer auf ihren Hüften ruhten. In seinem Kopf drückte er ihr Becken fester gegen seinen Schoß. In seinem Kopf würde seine Zunge ihren Hals entlangfahren. In seinem Kopf...war nichts jugendfrei. »Ich weiß es nicht.« Er schloss seine Augen und legte seinen Kopf nach hinten. Wie konnte sich etwas falsch und zugleich so gut anfühlen? Er spürte, wie ihre Finger seinen Arm entlangstrichen, bis sie diese in seinen Nacken legte. Eine Gänsehaut bildete sich und beinahe wäre ihm ein zufriedenes Seufzen über die Lippen gekommen. Er spürte ihren Atem an seinem Hals und festigte seinen Griff, obwohl er sie spätestens jetzt wirklich von sich schieben sollte. Langsam öffnete er seine Augen und drehte seinen Kopf nach rechts. Seine Augen wanderten über die nackte Haut ihrer freigelegten Schulter. Ihr Duft benebelte seine Sinne und die Hitze ihres Körpers verursachte ein heißes Kribbeln auf seiner Haut. Kleine aber bedeutende Stromstöße schossen in seine Lenden. Würde sie sich zu ihm drehen, würden sich ihre Lippen berühren. Es war das, was ihm im Kopf herumschwirrte, doch da war auch etwas anderes. Etwas, dass ihn auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Tōru festigte den Griff um ihre Hüften, nur um sie von ihm zu drücken. In einer einzigen Bewegung schob er sie auf ihre Seite des Bettes, sodass sie auf dem Rücken lag. Jedoch ließ er sie nicht los. Seine Atmung war dabei zu unregelmäßig für jemanden, der das hier gerade beendete. »Asuna«, brachte er fast schon hart heraus und sah ihr direkt in die Augen. Ihre Hand lag nach wie vor in seinem Nacken und er fragte sich, ob in ihr dasselbe vorging wie in ihm, denn mit einer mutigen und vielleicht auch unbedachten Bewegung könnte sie dafür sorgen, dass sie sich küssen würden. So leidenschaftlich wie sie es damals ständig getan hatten. Wenn sie nicht betrunken wäre, dann würde er vielleicht all seine Bedenken über Bord werfen und es einfach tun. Dann würde er seine Lippen auf ihre legen und seine Finger über ihre nackte und erhitzte Haut gleiten lassen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Als wäre Asuna...sein. Allerdings war sie betrunken und der Alkohol in ihrem Blut sorgte dafür, dass die sonst so disziplinierte und beherrschte Schülerin ihre eigenen Grenzen überschritt. Und er war sich sicher, dass sie all das morgen bereuen würde. Deshalb überraschte es ihn nicht, dass sie trotz seines harschen Tonfalls lächelte. »Keine Sorge. Ich hätte dich nicht geküsst.« Ihre Finger strichen über die empfindliche Haut in seinem Nacken und nach vorne zu seinen Lippen. Mit ihrem Daumen fuhr sie federleicht über seine Lippen. »Auch wenn ich es gerade furchtbar gerne getan hätte.« Toru wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Tief in seinem Inneren wünschte er sich jedoch, dass sie so etwas sagen würde, ohne unter dem Einfluss von Alkohol zu stehen. Und er wünschte sich auch, dass sie nicht nur jetzt seine Nähe suchen würde. Es ärgerte ihn bereits in diesem Moment, dass sie ihn in wenigen Stunden wieder meiden würde. Deshalb ließ er sie nur widerwillig los und brachte Abstand zwischen sie. Kaum hatte er das getan, schloss Asuna die Augen. »Wieso hast du es dann nicht getan?«, fragte er ehrlich interessiert, sah sie aber nicht an. »Weil du die ganze Zeit, seit ich dir nahe war, wütend ausgesehen hast. Außerdem...«, Asuna gähnte, »wäre Hina nicht begeistert darüber, oder?« Ihre Stimme wurde immer leiser, sodass er Mühe hatte, sie zu verstehen. Ohne auf seien Antwort zu warten, drehte sie sich auf die Seite, sodass sie mit dem Rücken zu ihm lag. »Wie auch immer. Ich denke aber auch, dass wir...aufhören sollten, so zu tun, als wäre nichts...zwischen uns.« Tōru stockte. In seinem Kopf herrschte Chaos. Damals, als sie die Sache zwischen ihnen beendet hatten, war er verwirrt und auch wütend gewesen. Er wollte es schlichtweg nicht beenden. Er hatte es gemocht, mit Asuna Zeit alleine zu verbringen. Dass sie plötzlich und ohne einer vernünftigen Erklärung Abstand nehmen wollte, hatte ihn aus der Bahn geworfen. Und dass sie ihm jetzt und in diesem Zustand sagte, dass sie das zwischen ihnen auch wahrnahm, änderte die Situation grundlegend. Dennoch legte er weniger erleichtert abermals seinen Kopf in den Nacken. Erschöpft von dem Tag und der Zeit, die er mit Asuna verbracht hatte, strich er sich durch die Haare. Er wagte einen kurzen Blick zu ihr. Sie hatte sich nach wie vor nicht die Decke übergestreift. Deshalb konnte er ihre Silhouette dank des spärlichen Lichts gut erkennen. »Ich war nicht wütend«, begann er und antwortete auf ihre erste Aussage, »ich war und bin nur verwirrt. Das ist alles. Und was die Sache mit Hina angeht; sie wäre bestimmt nicht begeistert darüber, aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Wir sind nicht zusammen und vor allem haben wir nicht miteinander geschlafen.« Er spürte eine Welle der Erleichterung, als er es ihr sagte. »Sie hat zwar die Nacht bei mir verbracht, aber in einem anderen Zimmer. Und selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich es nicht gekonnt.« Er hatte Hina gemocht, aber er war immer weit davon entfernt gewesen, mit ihr schlafen zu wollen. »Aber...was meinst du damit, dass da etwas zwischen uns ist?« Er wartete auf eine Reaktion ihrerseits, doch als er zu ihr sah, wusste er, dass er wohl bis morgen darauf warten musste. Sie war tatsächlich eingeschlafen und ließ ihn mit einigen Fragen hier sitzen. Verschwunden war die Müdigkeit und größer wurde das Gefühlschaos. Kapitel 23: okinawa - reminder that my heart works finde -------------------------------------------------------- ● • . Als Asuna am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich, als wäre ein LKW über ihren Körper und ein Auto über ihren Kopf gerast. Sie hatte das Gefühl, zu sterben, um es übertrieben auszudrücken. Hinzu kamen der trockene Hals und der merkwürdige Geschmack im Mund. Ihr entkam ein armseliges Stöhnen, während sie sich auf die Seite rollte und die Decke über den Kopf zog. Den geringen Sauerstoff hielt sie aber nicht lange stand, weshalb sie die Decke schnell wieder zurückschlug und gierig die stickige Luft des Raumes inhalierte. Sie blinzelte einige Male und griff sich schließlich mit verzogenem Gesicht an den Kopf. Langsam richtete sie sich auf. Die Vorhänge waren zugezogen, sodass kaum Licht in den Raum drang. Ihre Schuhe lagen irgendwo im Raum und auch hatte sie ihre Kleidung einfach so vor dem Badezimmer abgeworfen. Sie strich sich ihre Haare nach hinten, die nach wie vor offen über ihren Rücken fielen. Sie hasste es, mit offenen Haaren zu schlafen, aber anscheinend hatte sie gestern nicht mehr daran gedacht, diese zusammenzubinden. Sie sah an sich hinunter und erst da realisierte sie, dass sie nicht ihr eigenes Shirt trug. Perplex runzelte sie die Stirn. Wieso zum Teufel trug sie ein T-Shirt von Oikawa? Ah! Ja, sie hatte es sich einfach genommen, da es im Bad gelegen war. Puh. Okay. Kein Grund zur Panik. Das...war halb so schlimm. Seufzend sah sie auf ihren Nachttisch und stutzte. Dort stand ein Glas Wasser und daneben lag eine weiße Tablette. Verwundert griff sie nach der Notiz daneben. Sie hatte gedacht, dass Jana bereits nach ihr gesehen hatte, aber als sie die Schrift erkannte, überraschte es sie doch noch mehr. Du wirst sie nach gestern Nacht bestimmt brauchen. Sie brauchte keinen Namen, um zu wissen, von wem diese Nachricht war. Innerlich dankte sie ihm dafür, denn sie konnte gerade wirklich etwas gegen die Schmerzen gebrauchen. Während sie die Tablette nahm, dachte sie fieberhaft an die letzten Stunden, bevor sie eingeschlafen war. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie ohne Jana nachhause gegangen war. Viel war auf dem Weg nicht passiert und dann war sie ins Zimmer gegangen. Sie war duschen gewesen und hatte mit Oikawa gesprochen. Glaubte sie zumindest. Von da an wurden ihre Erinnerungen ein wenig schwammig. Asuna nahm die Tablette und leerte das Glas anschließend in einem Zug. Danach ging sie ins Bad, um ihre Haare zu waschen. Sie hatte irgendwie das Bedürfnis, die gestrige Nacht von ihrem Körper zu schwemmen. Außerdem tat das kalte Wasser richtig gut. Zwischendurch wurde ihr kurz schwindelig, aber zumindest die Kopfschmerzen ließen ein wenig nach. Vor dem Spiegel, den sie zuvor noch vermieden hatte, war sie dennoch erst mal über ihren Anblick erschrocken. Sie sah richtig...scheiße aus. Die Schminke klebte noch immer um ihre Augen, die merklich gerötet waren. Sie war blasser als sonst und auch hatte sie noch immer einen Abdruck vom Kissen im Gesicht. In den nächsten zehn Minuten begann sie mit der Schadensbegrenzung. Sie holte einige Male tief Luft, da ihr Magen und ihr Kreislauf irgendwie nicht so mitspielten. Dennoch stand sie nach einer dreiviertel Stunde und einigen Pausen auf ihrem Bett im Aufzug. Die Sonnenbrille hatte sie sicherheitshalber mitgenommen, damit sie nicht gleich jedem zeigen würde, dass sie gestern zu viel getrunken hatte. Während der Lift die Stockwerke passierte, lehnte sich Asuna gegen den Spiegel. Sie würde sich definitiv heute an den Strand legen und sich keinen Zentimeter bewegen. Das war sicher. Sie fühlte sich, als wäre sie innerlich und äußerlich tot. Wie konnte sich Alkohol so stark auf den Körper auswirken? Asuna verstärkte den Griff um die Tasche, in der sie alle Badesachen mit sich trug. Es war zum Verrückt werden, dass man bereits so schnell so viele Dinge vergessen konnte. Wieso konnte sie sich nicht an alles erinnern, was gestern passiert war? Sie hatte doch nichts...Peinliches getan, oder? Sie nahm ihr Handy und checkte zuerst die Uhrzeit. Okay. Kurz vor zehn. Es gab also noch Frühstück. Anschließend scrollte sie durch Instagram. Es war einfach nur Macht der Gewohnheit und sie wünschte sich, es nicht getan zu haben. Es war keine Beschreibung dabei und dennoch kam die Übelkeit von vorhin zurück. Hina hatte ein Fotos von ihr gepostet. Nicht schlimm, aber die Beschreibung hingegen störte sie ungemein. Vermisse dich. »Ob das auf Gegenseitigkeit beruht?«, fragte sie sich insgeheim. Sie klickte nicht auf das kleine Herz, sondern schloss die App wieder. Langsam ließ sie ihre Hand sinken. Völlig in Gedanken versunken starrte sie auf den Boden, bemerkte fast nicht, dass die Aufzugtür mit einem »Ping« aufgegangen war. Sie ging zum Buffet und nahm sich gerade etwas Obst, als es ihr dämmerte. Es war wie ein kleiner Funken von gestern Nacht, aber er reichte aus, um ihren Puls in die Höhe zu treiben. Das...hatte sie nicht wirklich getan? Sie hatte Oikawa nicht so schamlos angemacht, oder? Oder? »Entschuldigung, brauchen Sie noch etwas, oder kann ich vorbei?« Irgendeine ältere Frau riss sie aus ihren Gedanken und erinnerte sie daran, dass sie noch immer vor dem Buffet stand. »Nein, tut mir leid«, stammelte sie und machte sich auf den Weg in Richtung Strand. Sie stopfte das Wasser und das Obst in ihre Tasche, denn der Hunger war ihr gerade vergangen. Es war einfach furchtbar unangenehm und sobald sie an ihr peinliches Verhalten dachte, kam ihr ein gequälter Laut über die Lippen. Sie konnte einfach nicht nicht daran denken. Sie bekam ein furchtbar schlechtes Gewissen, sobald sie es tat. Denn es erinnerte sie daran, wie billig sie sich eigentlich verhalten hatte. »Asuna? Hey! Asuna!«, rief plötzlich jemand ihren Namen und zum zweiten Mal wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Zum Glück. »Hey.« Sie konnte sich nicht mal zu einem Lächeln zwingen, aber natürlich konnte sie Jana nichts vormachen. Wenigstens war sie ohne Begleitung. Ihre beste Freundin blieb vor ihr stehen und musterte sie ausgiebig. »Okay. Ich wollte dich gerade mit den neusten News zu texten, aber wenn ich dich so sehe, lasse ich es lieber.« »Danke...Ich habe gerade eine Existenzkrise und würde mich am liebsten übergeben«, brachte sie mühsam heraus. Wie aufs Stichwort schlang sie ihre Arme um den Bauch. Ihre Nägel gruben sich in ihre Seite, als würde es irgendetwas gegen ihre Gedanken und ihre Erinnerungen helfen. Zumindest für einen kurzen Moment. Als sie sich auf demselben Platz wie gestern niederließen, lehnte sich Asuna erleichtert zurück. Sie war noch nicht bereit, auf Oikawa zu treffen. Nicht nach gestern Nacht. Sie hatte zwar keine Ahnung, was sie größtenteils gesagt hatte, aber es konnte nichts Sinnvolles gewesen sein. »Sag mal. Hast du...Oikawa heute zufällig gesehen?«, fragte sie schließlich ihre beste Freundin. »Ja, aber nur ganz kurz beim Frühstück. Aber gut, dass du das ansprichst. Ich wollte dich sowieso fragen, was gestern passiert ist, nachdem du verschwunden bist.« »Nicht allzu viel,« fing sie an, »glaube ich zumindest. Ich kann mich an Vieles nicht erinnern, wenn ich ehrlich bin. Ich bin mir aber sicher, dass ich irgendetwas Peinliches gemacht habe.« Sie dachte an die...Flashbacks. »Fuck«, entkam es ihr weniger charmant. Sie legte ihre Hände auf das Gesicht. »Ich bin mir sicher, dass alles halb so schlimm war.« Jana versuchte sie mit ihren Worten aufzuheitern und war damit weniger erfolgreich. Asuna ließ ihre Arme sinken und schob ihre Sonnenbrille nach oben, um Jana einen ungläubigen Blick zuzuwerfen. »Nicht schlimm? Ich weiß zwar nicht mehr alles, aber ich bin sprichwörtlich über ihn hergefallen. Es klingt vielleicht übertrieben, aber das Wort Grenzen kenne ich im betrunkenen Zustand anscheinend nicht.« »Du bist...was?« Jana hob verwundert die Augenbrauen. »Was ist noch so passiert?« »Weiß ich nicht. Es würde mich aber nicht wundern, wenn ich ihm meine Zunge in den Hals gesteckt hätte.« Der bloße Gedanke daran verursachte einen unangenehmen Schauer. Es war ihr einfach so verdammt peinlich, dass sie gestern Nacht einfach aus ihren Erinnerungen löschen würde. Jana sah sie für einen Moment nur an, ohne dabei die Miene zu verziehen. Schließlich meinte sie ernst: »Wir wissen beide, dass Oikawa die Situation nie ausnutzen würde.« Asuna nickte, auch wenn die Worte ihrer besten Freundin kaum Trost spendeten. »Das nicht, aber es ist trotzdem unangenehm. Von all den Dingen, die ich vergessen habe, erinnere ich mich genau daran! Was ist nur in meinem Kopf vorgegangen, dass ich geglaubt habe, es wäre okay, wenn ich mich auf ihn setze? Nur mit einem T-Shirt bekleidet?« Warum sprach sie überhaupt darüber? Die Augen von Jana wurden groß. »Woah, du hast dich auf ihn gesetzt und hattest dabei kaum etwas an? Verdammt...ich hätte echt gerne seinen Blick gesehen.« Nun musste sie doch leise lachen. Frustriert rutschte sie tiefer in den Liegestuhl hinein. »Oh, ich kann dir sagen, wie er mich angesehen hat. Er war...wenig begeistert darüber.« »Vielleicht war er das nur, weil du betrunken warst und du sonst meist das Weite suchst? Vielleicht...solltest du so etwas einmal nüchtern tun und sehen, wie er darauf reagiert?« Sie zuckte mit den Schultern, als wäre es tatsächlich ihr Ernst. Asuna erwiderte nichts, sondern starrte ihre Freundin einfach nur an. Als ob sie das tun würde. Allerdings ergab der erste Teil durchaus Sinn. Es war ihr selbst aufgefallen, dass sie stets auf Abstand ging, sobald er in ihrer Nähe war. Sie machte es nicht völlig bewusst, aber es war wohl ein Mechanismus zum Selbstschutz. »Möglich, jedoch werde ich das bestimmt nicht tun. Ich hoffe einfach, dass ich ihn heute den gesamten Tag nicht sehen muss. Bis dahin werde ich hierbleiben und mich keinen Meter bewegen. Es sei denn natürlich, ich muss auf die Toilette oder bekomme Hunger.« Mit diesen Worten kramte sie ihren IPod aus der Tasche und versank in der Musik. Sie hielt ihr Wort und verweilte größtenteils am Strand, bis die Sonne unterging. ♛♔ Spät abends, als sich niemand mit Ausnahme ihrer Freunde am Strand befand, saß Asuna im Sand und starrte aufs Meer hinaus. Während der Rest ein paar Meter entfernt von ihr irgendein Trinkspiel spielten, genoss sie die Ruhe, die sie hatte. Das Lachen dröhnte bis zu ihr und wurde von dem Rauschen des Wassers untermalt. Sie wurde mehr als einmal gefragt, ob sie mitspielen wollte, doch sie hatte dankend und mit einem verzogenen Gesicht abgelehnt. Allein der Gedanke an Alkohol ließ ihren Magen rumoren. Der Alkohol und die gesamte letzte Nacht, wenn sie ehrlich war. Sie hatte versucht, irgendwie ihre Lücken zu füllen und war zu dem Entschluss gekommen, dass es besser war, wenn diese Lücken Lücken bleiben würde. Nachdem ihr wieder eingefallen war, dass sie...dass sie ihn richtig billig angemacht hatte, fiel ihr zusätzlich noch ein, dass sie bestimmt irgendetwas Dummes gesagt haben musste. Sie bereute es so sehr, zu viel getrunken zu haben. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, zog sich alles in ihr zusammen. Es war so...peinlich für sie. Jana hatte dutzende Male gesagt, dass es bestimmt nicht so schlimm gewesen sein konnte, aber sie glaubte das nicht. Die Fetzen, die sie Erinnerung nennen konnte, deuteten auf das Gegenteil hin. Vielleicht mag es für viele als übertrieben deklariert werden, aber für sie war es schlichtweg frustrierend, die Kontrolle über ihren Körper und ihren Verstand zu verlieren. Zudem hatte sie wieder darüber nachgedacht, was genau zwischen Oikawa und ihr war. Es war nicht einfach nur Freundschaft. Von einer einfachen Freundschaft waren sie meilenweit entfernt. Auch wenn sie sich das immerzu versuchte, einzureden. Es war schlichtweg nicht möglich, nachdem sie sich lange Zeit so nahe gewesen waren. Selbst wenn sie nie die gesamte Nacht miteinander verbracht hatten, wusste jeder, dass Sex nun mal verdammt intim war. Mit Gefühlen oder ohne. Und da es nicht bei einem One Night Stand geblieben war, konnte sie die Intimität lange genießen. Bei der Sache gab es jedoch einen Aspekt, der ihr noch mehr Kopfzerbrechen bereitete als ohnehin schon. Asuna merkte, dass sie bei seinen Berührungen stets unruhig wurde und ihn nach wie vor unheimlich attraktiv fand, sodass ihre Gedanken oftmals in seiner Gegenwart abschweiften. Und hinzu kamen all die Dinge, die Jana gestern aufgezählt hatte und an die sie sich teilweise erinnern konnte. Sie hatte nicht umsonst ihre Zweifel geäußert, dass sie ihre Gefühle nicht einordnen konnte und es möglich wäre, dass sie schlichtweg die körperliche Nähe zu ihm vermisste. Außerdem war ihr nach wie vor nicht klar, wie Tōru zu dieser Sache stand. Vermisste er ebenfalls nur die körperliche Nähe zwischen ihnen? Mochte er sie tatsächlich so gerne, dass er auch mit all ihren negativen Eigenschaften zurechtkommen würde? Ihre schlechten Seiten, die er bisher nie kennengelernt hatte, da sie sich immer nur für kurze Zeit getroffen hatten? Immerhin...kannte er nur die Asuna, die gut gelaunt war und ihn nicht mit irgendwelchen Problemen nervte. Würde mehr aus ihnen werden, würde er das gesamte Paket bekommen. Nicht die sexy Asuna, die immer Kontra gab. Sondern die Asuna, die auch anstrengend sein konnte. Die all ihre Sorgen hineinfraß und selten mit ihren wahren Gefühlen herausrückte. Und das waren nur einige ihrer schlechten Eigenschaften. Keine guten Voraussetzungen für eine Beziehung. Schlimmer war jedoch nach wie vor der Gedanke, ob ihr eigener Verstand ihr einen Streich spielte und er nur zum gewohnten Verhältnis zurückkehren wollte, da sie Veränderungen hasste. Vielleicht war es tatsächlich so, dass sie diejenige war, die seine körperliche Nähe vermisste. Nur seine körperliche Nähe und nichts weiter. »Was tust du hier alleine?«, ertönte es plötzlich über ihr und die Stimme sorgte dafür, dass sich ihre Schultern anspannten. Wenn man vom Teufel dachte... Asuna sah Oikawa nicht an, sondern antwortete kurz und bündig: »Nichts.« Schnell bereute sie ihre Antwort. Sie wirkte harsch und das war nicht fair. Immerhin hatte er ihr nichts getan. »Sag jetzt nicht, du machst dir noch immer Gedanken wegen heute Nacht.« Ohne hinzusehen wusste sie, dass er gerade die Augenbrauen nach oben zog. Konnte er ihre Gedanken lesen? »Wie könnte ich auch nicht?«, grummelte sie schließlich genervt. Nicht wegen der Frage, sondern weil er genau ins Schwarze getroffen hatte. Sie nahm wahr, wie er sich neben sie in den Sand niederließ und rutschte aus Gewohnheit etwas auf die Seite. Es fiel ihr gar nicht wirklich auf, weshalb sie abwesend ihre Finger in dem kühlen Sand vergrub. »Das sollte ich vielleicht jetzt nicht sagen, aber irgendwie vermisse ich die betrunkene Asuna jetzt schon.« Asuna riss sich von dem Meer los und blickte zu Oikawa. Dieses Mal war er es, der sie nicht ansah. Abgesehen davon, dass er sie mit dem Vornamen angesprochen hatte, lag diese Bitterkeit in seinen Worten, die sie überraschte und auch verunsicherte. »Wieso?«, hakte sie zögerlich nach. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Antwort wirklich hören wollte. »Weil es so viel einfacher war, in deinen Kopf zu sehen. Und weil es dir anscheinend nicht so wichtig war, so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bekommen.« Sie biss sich auf die Unterlippe und starrte auf ihre Finger, die sich umso fester in den Sand bohrten. »Also...habe ich irgendetwas gesagt.« Den zweiten Teil ließ sie bewusst unkommentiert. Immerhin erinnerte sie sich daran, dass sich das Wort Abstand vor kurzem nicht in ihrem Vokabular befunden hatte. »Hast du,« begann er und wandte sich zu ihr, »aber ich werde dir nichts verraten. Darauf musst du selber kommen.« Asuna wollte etwas darauf antworten, aber ihr Hals war wie zugeschnürt, denn er sah aus, als würde er es ernst meinen. »Wie soll ich denn von alleine darauf kommen, wenn ich fast alles vergessen habe?« Sie klang berechtigterweise verzweifelt. Noch immer war sie im Kampf mit sich selbst. Wollte sie wissen, was sie gesagt hatte, oder sollte sie es einfach dabei belassen, dass sie ein Blackout hatte? Da sich Oikawa aber nicht so verhielt, als wäre es etwas Schlimmes gewesen, tendierte sie gerade jetzt zu Ersterem. Sie konnte es selbst nicht glauben. Er stützte sich mit seinen Armen hinter sich ab und schwieg. Mit ihren Fingern zeichnete sie Muster in den Sand, während sie sich darüber den Kopf zerbrach. Sie musste zugeben, dass sie tatsächlich Abstand von ihm hielt. Immer. Selbst jetzt war sie von ihm weggerückt, obwohl es ihr erst später aufgefallen war. Es war einfach dieser Drang, nichts in ihre Nähe zu lassen. Psychisch und physisch. Deshalb auch die Regeln, die ihr betrunkenes Ich so überzeugend eingehalten hatte...Was hatte sie sich dabei bloß gedacht? Oh, scheiß auf all deine Vorsätze von damals und schmeiß dich Oikawa wieder an den Hals. Immerhin fehlen dir seine Berührungen. Frag am besten gar nicht, was er davon hält. Tu es einfach. Was hast du schon zu verlieren? Etwas in diese Richtung musste es gewesen sein. Alles andere konnte sie sich nicht vorstellen. Dummheit sollte sie ab jetzt wohl zu ihren Eigenschaften zählen. »Hat es dir gefallen, was ich gesagt habe?«, fragte sie nachdenklich und überraschte sich selbst damit. Eigentlich wollte sie ihn nicht so direkt danach fragen, aber sie war auch neugierig genug, um es dabei zu belassen. Oikawa sah zu ihr, nicht minder überrascht über ihre Frage. »Ich...weiß nicht«, antwortete er schließlich, nachdem er kurz überlegt hatte. »Ich habe Kopfschmerzen davon bekommen, wenn ich ehrlich bin.« Okay. Kopfschmerzen waren eindeutig etwas Schlechtes. Vielleicht hatte sie sich doch geirrt. »Kopf...schmerzen?«, hakte sie deshalb weniger optimistisch nach. »Ja. Lag aber vielleicht auch daran, weil ich zusätzlich damit beschäftigt war, nicht an den Moment zu denken, als du auf mir gesessen bist.« In ihre Wangen stieg eine unangenehme Hitze. »D-Daran kann ich mich erinnern. Tut mir übrigens leid, dass ich dich...irgendwie bedrängt habe. Der Alkohol ist mir anscheinend zu Kopf gestiegen.« Daran zu denken war schon verdammt unangenehm, aber es von jemanden anderen zu hören, war schlimmer. Oikawa hob fast schon spöttisch seine Augenbrauen. »Wieso? War ja nicht das erste Mal.« »Ja, aber dieses Mal war es etwas anderes. Immerhin...«, sie stoppte sich selbst, da sie nicht wusste, wie sie das formulieren sollte. Oikawa half ihr jedoch auf die Sprünge: »Immerhin sind wir dieses Mal so etwas wie Freunde und Freunde schlafen nicht miteinander.« Asuna holte tief Luft. Wenn sie noch einmal das Wort Freunde hören würde, würde sie ausrasten. »Eigentlich wollte ich sagen, dass ich dieses Mal ziemlich betrunken war.« Es war nicht ganz das, was sie sagen wollte, aber auch nicht gelogen. Sie war betrunken gewesen. Sehr sogar. Während sie aufs Meer sah, spürte sie seinen Blick auf ihr. Ihre Haut fing an zu kribbeln. Sie biss sich auf die Lippen und versuchte vehement nicht darauf zu achten, wie eindringlich er sie bei diesen Worten ansah. Sie musste zugegeben, dass sie es zweideutig formuliert hatte, aber...wer weiß, was sie getan hätte, wenn sie nüchtern oder zumindest weniger betrunken gewesen wäre. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie seine Nähe genossen hatte. Was auch sonst? Das hatte sie immer getan, auch wenn es ihr schwerfiel, das zuzugeben. Aber vor ein paar Stunden war es anders gewesen. Ihr Herz hatte angefangen, auffällig schnell zu schlagen und noch nie hatte sie so stark diesen Drang verspürt, ihre Lippen auf seine zu legen. Nicht, weil sie mit ihm schlafen wollte. Zumindest nicht nur. Sondern weil sie ihn tatsächlich einfach nur küssen und ihm nahe sein wollte. Je länger sie darüber nachdachte, desto mühsamer wurde es. Zuerst die Sache mit Riku, dann die mit Hina. Sie war es langsam leid, sich einzureden, dass sie sich nicht zu Toru hingezogen fühlte. Dass ihr grandioser Plan von damals, all das mit ihm einfach zu vergessen, die ideale Lösung war. Asuna sah zu den anderen. Ein paar waren im Wasser, während andere weiterhin Trinkspiele spielten. Dabei trugen sie nicht mehr als Unterwäsche. Kleidung war auf der Abschlussreise ja auch irgendwie überbewertet. Und anscheinend hatten sie allesamt Spaß an der Sache. Spaß war genau das, was sie jetzt auch gebrauchen konnte. Asuna überlegte nicht zweimal, stand auf und erntete von Oikawa einen verwirrten Blick. Diesen ignorierte sie und machte ein paar Schritte nach hinten. Ihre Schuhe hatte sie bereits zuvor ausgezogen. Ihre Hände glitten zum Bund ihrer kurzen Shorts. Sie öffnete den Knopf und schob den Stoff nach unten. »Was tust du da?«, murmelte Toru, während er jede ihrer Bewegungen genau verfolgte. Er schien sie nicht aufhalten zu wollen. Sie gab ihm allerdings keine Antwort. Wozu auch? Ihre Taten waren eindeutig genug. Asuna griff schließlich nach dem Knoten, welcher ihr Oberteil an der Vorderseite zusammenhielt. Sie entwirrte ihn und streifte sich den Stoff von den Schultern. Anschließend ging sie in Richtung ihrer Freunde und somit auch in Richtung Wasser. Dabei war sie sich sicher, dass Oikawa sie beobachtete. Als sie ins Meer trat, bereute sie ihre Entscheidung für einen kurzen Moment. Es war verdammt kalt. Dennoch ging sie weiter, bis sie bis zu ihren Hüften im Wasser stand. »Oh, Kurasaki-san. Ich dachte schon, du wärst zurück ins Hotel gegangen.« Iwa hob seine Augenbrauen, nachdem er sie bemerkt hatte. »Wie könnte ich? Jemand muss doch auf euch aufpassen«, erwiderte sie mit einem Schmunzeln im Gesicht. Sie schlang indes die Arme um ihren Oberkörper, da sich langsam aber deutlich die Kälte bemerkbar machte. Er lachte. »Und du bist dir sicher, dass du die Aufsicht übernehmen sollst? Nach gestern Nacht?« Asuna verzog ihr Gesicht und suchte mit ihren Augen sofort nach Jana. Wie als hätte es die Dunkelhaarige gespürt, drehte sie sich zu den beiden um. Als sie sah, dass Asuna sich ebenfalls dazu entschlossen hatte, ins Meer zu gehen, beendete sie das Gespräch mit Suki. Iwa interpretierte ihren Blick richtig und meinte deshalb belustigt: »Ah, anscheinend kannst du dich nicht daran erinnern, dass wir gestern miteinander gesprochen haben.« Asuna wäre bei diesen Worten am liebste untergetaucht. »Habe ich? Tut mir leid. Meine Erinnerungen an den Club sind praktisch nicht vorhanden.« Umso erleichtert war sie, als Jana ihre Arme um Iwa schlang und sie mit ihren großen Augen ansah. »Woah, Asuna. Hast du heute noch etwas vor, oder...?« Jana hob ihre Augenbrauen und spielte damit eindeutig auf ihre Unterwäsche an. Sie erwiderte genauso: »Musst du gerade sagen.« Als ob ihre dunkelrote Unterwäsche weniger aufreizend wäre. Jana lachte über diese Worte. »Der Unterschied ist aber, dass ich weiß, dass ich heute noch etwas vorhabe.« Kindisch zeigte sie ihre Zunge und erntete von Iwa einen skeptischen Blick. »Wer sagt, dass ich heute nicht auch noch große Pläne habe?« Provokant hob sie ihr Kinn, wusste aber genau, dass sie außer dem Nachholen von Schlaf nicht viel vorhatte. »Wo ist Bakakawa eigentlich?«, fragte Iwa und beendete somit die kleine Diskussion zwischen ihnen, als müsste er bei ihrer Frage an seinen besten Freund denken. Asuna sah zurück zum Strand, da sie nicht darauf geachtet hatte, ob er es ihr gleichtat. So konnte sie erkennen, dass er einige Meter vom Wasser entfernt stand. Da der Mond doch recht viel Licht spendete, konnte sie die Umrisse gut erkennen. Telefonierte er, oder täuschte sie sich? Iwa hob neben ihr die Hand und versuchte so, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er rief zusätzlich seinen Namen. Dadurch schaffte er es, dass er endlich zu ihnen sah. Oikawa formte jedoch ein großes X mit seinen Händen und deutete auf seine Kleidung. Sie musste sich ein ungläubiges Schnauben verkneifen. Anscheinend dachte sich Iwa das gleiche, denn er stampfte direkt in die Richtung seines besten Freundes. Asuna sah ihm nach, als Jana sie plötzlich in eine Umarmung zog. Überrascht erwiderte sie diese. »Alles okay bei dir?«, fragte sie. »Klar«, kam es nur gedämpft zurück, ehe sie sich wieder voneinander lösten. Asuna musterte das Gesicht ihrer besten Freundin genau, ehe sie meinte: »Bist du betrunken?« Es war kaum zu erkennen, allerdings verriet sie der leicht verklärte Blick. »Ein bisschen vielleicht, aber nicht so sehr wie du vor einigen Stunden.« Ihre Worte unterstrich Jana mit einem Kichern. Ohne zu zögern ließ Asuna ihre Hand in das Wasser gleiten und zog sie mit einem Ruck wieder heraus, sodass das kalte Nass direkt in die Richtung ihrer Freundin schoss. »Halt die Klappe«, murrte sie beleidigt, musste aber grinsen, als Jana aufschrie. Karma. »Aber es war witzig. Kannst du dich daran erinnern, als wir tanzen waren? Das hat so Spaß gemacht. Außerdem hast du noch nie so viel geredet wie an diesem Abend. Es war eine willkommene Abwechslung.« Sie lächelte und Asuna musste es ihr gleichtun. Wenn sie darüber nachdachte, dann war es durchaus unterhaltsam gewesen. Der Abend mit den Mädels zu verbringen hatte sie wirklich gebraucht. Auch wenn das Ende weniger förderlich für ihre Gedanken gewesen war... »Möglich. In diesem Punkt war der Alkohol anscheinend von Vorteil. Das siehst nicht nur du so.« Wie von selbst wanderten ihre Augen in Richtung Strand, nur um festzustellen, dass Iwa seinen besten Freund anscheinend überredet hatte. Und wenn sie Oikawa so ansah, dann wusste sie nicht, ob sie das so gut finden sollte. Klar hatte sie ihn bereits unzählige Male ohne Kleidung am Körper erlebt, aber das Bild gerade brannte sich in ihr Gedächtnis. Sein nackter und überaus trainierter Oberkörper, der Raum für sinnliche Fantasien bot. Sein Grinsen im Gesicht, weil sich Iwa wieder über irgendetwas aufregte. Sein Arme, die aufgrund des Trainings ebenfalls von definierten Muskeln gekennzeichnet waren. All das, während er von der Schwärze des Meeres umgeben war. Sie schluckte und wandte hastig den Blick ab, bevor ihr Starren auffällig wurde. Vielleicht war es eine Nebenwirkung von damals, denn damals hatte sie sich ständig so in seiner Gegenwart verhalten. Es war aufregend und heiß gewesen. Der einzige Unterschied war, dass sich das Starren nun verboten anfühlte und ihr mittlerweile dutzende Gedanken durch den Kopf rasten, die sie damals nicht gehabt hatte. Jana hatte bereits ein wissendes Schmunzeln im Gesicht, sagte aber ausnahmsweise nichts dazu. Es war Asuna peinlich. Jedes Mal wenn sie ihn sah, konnte sie nicht verhindern, dass ihre Augen immer länger auf dem Setter lagen als auf alle anderen. Selbst wenn es sich nur um eine Sekunde handelte. Es war eine Tatsache, die sie schwer seufzen ließ. Das Ausmaß an Einfluss, den er auf sie hatte, war nicht gesund. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Oikawa ebenfalls eine betrunkene Asuna genossen hat. Immerhin hat sich deine Komfortzone selbst mir gegenüber verringert«, raunte Jana neben ihr, ehe die beiden Volleyballspieler vor ihnen zum Stehen kamen. Im Gegensatz zu ihr wirkte Oikawa nicht so, als würde er frieren. Asuna versuchte, die Kälte abzuschütteln. Mit ihren Hände fuhr sie über die Wasseroberfläche. Das Lachen der anderen drang zu ihr und auch das Getuschel von Jana und Iwa nahm sie war. Doch am lautesten war das Meeresrauschen. Sie liebte es hier, wenn sie ehrlich war. Obwohl es auch in Miyagi schöne Orte gab, war die gesamte Atmosphäre in Okinawa etwas Besonderes. Vielleicht lag es aber auch daran, dass diese Abschlussreise die Ruhe vor dem Sturm war. Daran wollte sie aber nicht denken. »Solltest du dich nicht mehr bewegen, wenn dir kalt ist?«, meinte Oikawa mit verständnisloser Stimme. Sie spürte seinen Blick auf ihr und nahm war, wie er seine Arme verschränkte. »Auf keinen Fall. Das hier ist meine Schmerzgrenze«. Sie deutete auf ihre Hüfte. Weiter reichte das Wasser nicht. Eine auffällige Gänsehaut hatte sich zudem auf ihren Armen gebildet. Er sah sie weiterhin an und ohne Vorwarnung machte er eine schnelle Handbewegung, um das eisige Wasser in ihre Richtung zu spritzen. Asuna zuckte zusammen und machte aus Reflex einige Schritte auf die Seite. »Spinnst du?«, jammerte sie und revanchierte sich bei ihm mit derselben Aktion. Ihn schien es allerdings nicht zu stören. Stattdessen lachte er darüber. Anscheinend schlug das Karma nun zurück. »Das Meer ist kalt. Vor allem nachts. Logisch, oder? Daran hättest du denken sollen, bevor du dich ausgezogen hast und total euphorisch ins Meer gegangen bist.« »Nur weil mir kalt ist, heißt das nicht, dass ich es bereue«, antwortet sie trotzig. Oikawa sah sie an und legte den Kopf schief. Er tat es ihr gleich. Provozierend machte er einen Schritt auf sie zu und aus Erfahrung wusste sie, dass dieses offensive Verhalten nie...harmlos endete. Weil sie das wusste, machte sie hingegen einen Schritt nach hinten und vergrößerte so den Abstand zwischen ihnen. »Was hast du vor?« murmelte sie skeptisch. Sie erinnerte sich an die Aktion in den Sommerferien. »Egal was es ist – wage es nicht!«, fügte sie hinzu. Sein Grinsen machte es nicht besser. »Warum weißt du immer, was ich vorhabe?«, erwiderte er seufzend und ehe sie sich versah, hatte er sie hochgehoben. »Lass mich sofort wieder runter«, forderte sie und klammerte sich an ihn. Der Griff wurde fester, als er mit ihr in den Armen weiter aufs Meer hinaus ging. »Gleich. Einen Moment noch.« Er lachte leise, als sie ihm auf die Schulter schlug. »Komm schon! Das Wasser ist wirklich kalt.« Sie zappelte mit den Beinen, doch das schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Stattdessen drückte er sie enger an ihn. Er schüttelte den Kopf und schien seinen Spaß dabei zu haben. Mittlerweile spürte sie das Wasser an ihrem Rücken. Sie drückte ihren Körper nach oben, um der Kälte zumindest noch ein wenig zu entgehen. Das Wasser reichte auch Oikawa schon bis zum Oberkörper. »So kalt ist es doch gar nicht«, sagte er und ignorierte ihre Beleidigungen zur Gänze. Statt sie loszulassen, machte er noch ein paar Schritte weiter. Asuna kniff die Augen zusammen und hielt die Luft an, als das Wasser ihren Körper völlig einnahm. Ihr Puls schnellte in die Höhe bei der plötzlichen Kälte und auch wenn es kaum möglich war, festigte sie für einen Moment ihren Griff. Jedoch ließ sie los, als sie bemerkte, dass es lächerlich war und sie ohnehin nichts gegen das Wasser tun konnte. Sie holte Luft und hob pikiert ihre Arme. Dabei warf sie dem Setter einen verärgerten Blick zu. Kurzerhand schlug sie mit ihrer Faust gegen die Brust. Er lachte, denn sie musste echt erbärmlich aussehen. »Das musste wieder sein, oder?«, meinte sie. Diese ganze Situation hatte etwas Merkwürdiges an sich. Wie so oft, wenn sie darüber nachdachte. In einem Augenblick scherzten sie und sprachen über Belangloses und im nächsten Moment war da diese Ernsthaftigkeit zwischen ihnen, die ihr nicht behagte. »Irgendwie schon, ja.« Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Warte«, fing sie an und sah sich um. Vergessen war der Ärger über Oikawa, auch wenn sie nach wie vor fror. »Wo sind eigentlich die anderen beiden?« Oikawa sah über seine Schulter. »Anscheinend haben sie Besseres zu tun, als unsere Anwesenheit zu ertragen.« Er lachte leise und erst jetzt sah Asuna, dass die beiden wohl alleine sein wollten. Jana hatte offenbar nicht gelogen, als sie meinte, dass sie heute noch etwas vorhaben würde. »Dass sie auch nie die Finger voneinander lassen können«, stellte sie nachdenklich fest. Oikawa zuckte mit den Schultern. »Kann ich verstehen. Wenn meine Freundin nur in Unterwäsche vor mir stehen würden, würde ich es nicht anders machen.« Asuna hob ihre Augenbrauen. »Also ich würde mir einen ruhigeren Ort suchen, um...ungestört zu sein.« Sie strich sich ihre Haare nach hinten und befeuchtete sie dadurch. Aber so hielten sie wenigstens. Nass waren sie ohnehin schon. »Ach ja? Und dann?« »Ich bin mir sicher, dass du dir das ganz leicht selbst beantworten kannst.« Sie verdrehte die Augen. Doch sie wurde schnell wieder ernst, als ihr klar wurde, dass sie jetzt gerade nicht viel zu lachen hatte. Gut, es hörte sich dramatischer an, als es war, aber sie konnte es nie so wirklich genießen, wenn sie mit Oikawa sprach. Die lockeren Gespräche von damals waren schlichtweg nicht möglich. Sie hasste es. Es hatte immer so Spaß gemacht, mit ihm Zeit zu verbringen. Mittlerweile gehörte dies aber alles der Vergangenheit an. Genauso wie der Begriff Freundschaft. Egal wie oft sie es sich einreden wollte, es war nicht möglich. Selbst wenn sie zwischendurch wie gerade scherzten, hielten diese Momente nicht lange an. Es war nervenaufreibend und umso mehr wollte sie wissen, was sie gestern zu Oikawa gesagt hatte, das ihm Kopfschmerzen bereitet hatte. Und nicht nur das. Sie war nicht die einzige gewesen, die geredet hatte. Was, wenn einige seiner Worte ebenfalls überraschend gewesen waren und sie sich dank des Alkohols nicht daran erinnern konnte? Verdammt! Sie wollte so gerne wissen, was gestern alles passiert war. Zurück blieben nur ein paar Erinnerungen an den Club, dass Oikawa sie ins Hotel gebracht und sie auf ihm gesessen hatte. Gesprächsfetzen ließen sich auch noch irgendwo finden, aber ausgerechnet die wichtigsten wollten nicht zurückkommen. »Woran denkst du gerade?«, kam es plötzlich von ihm und irgendwie gehörte diese Frage bereits zum festen Bestandteil jeglicher Konversation, die sie führten. Und wie immer antwortete sie ehrlich auf diese Frage: »Dass es mich verdammt ärgert, dass mir von gestern einige wichtige Momente fehlen.« Es war bei Weitem nicht alles, was in ihrem Kopf so vorging, aber fürs Erste musste das genügen. Oikawa musterte sie eingehen, ehe er sich dazu entschloss, auf sie zu zugehen. Dieses Mal blieb Asuna trotz ihrer zahlreichen inneren Konflikte stehen. Es war das erste Mal seit damals, dass sie nicht zurückwich. Und dieses Mal war sie dabei nüchtern. Sie spürte, wie ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug, als er ihr näher kam. Plötzlich meinte er: »Wir sollten aufhören so zu tun, als wäre nichts zwischen uns.« Asuna vernahm seine Worte klar und deutlich, weshalb ihr Herz einen Sprung aussetzte. Ein klägliches »Was?« kam ihr über die Lippen. »Du wolltest wissen, was du gestern gesagt hast.« Ihr wurde übel. Sie riss sich von seinem Blick los und konnte nicht glauben, dass das ihre Worte gewesen sein sollen. Es stand so stark im Kontrast zu ihren restlichen Worten, die sie sonst mit ihm gewechselt hatte. Als sie keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, sah er aus, als hätte er es bereut, ihr davon erzählt zu haben. Asuna biss sich auf die Lippen, da ihre eigenen Worte sie dazu brachten, ernsthaft über das Überschreiten der Grenzen und das Brechen ihrer eigenen Regeln nachzudenken. Betrunken hatte sie das ausgesprochen, was sie sich bereits lange gedacht hatte und wofür sie lange zu feige war, es sich einzugestehen. Es war keine reine Freundschaft zwischen ihnen. Der Grund, weshalb sie damals auch das zwischen ihnen beendet hatte. Für viele unverständlich, aber für sie war es die beste Lösung gewesen. Sie hatte schlichtweg Angst davor, sich Oikawa ganz zu öffnen und sich emotional von jemanden abhängig zu machen. Der bloße Gedanke daran, dass ihr Herz so intensiv mit einem anderen verbunden sein könnte, versetzte sie in einen Zustand, den sie selbst nicht gekannt hatte. Asuna griff nach ihrem eigenen Oberarm und starrte vehement auf das dunkle Wasser. Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte und jetzt da sie wusste, was sie gestern vor sich hingeredet hatte, wäre es ihr lieber, er hätte es nicht verraten. Nichtsdestotrotz hatte ihr betrunkenes Ich recht gehabt. Es war mehr zwischen ihnen. Die Frage war nur, was dieses Mehr zu bedeuten hatte. »Anscheinend kann ich betrunken nicht lügen«, fing sie seufzend an. Ihr gefiel die Richtung, die dieses Gespräch einschlug, nicht. Dennoch setzte sie fort: »Ich weiß nicht was da genau zwischen uns ist, aber es ist definitiv nicht...nichts.« »Du hast recht. Es ist nicht möglich, das was war, zu vergessen und so zu tun, als wäre alles...normal.« »Nichts ist normal«, murmelte sie, ließ ihre Schultern sinken und sah auf. Tōru Blick bohrte sich in ihren, während sie in seinem Gesicht nach einer Antwort suchte. Sie hasste ernste Gespräche und am liebsten würde sie einfach untertauchen und für eine Weile unter Wasser bleiben. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das lösen sollten. So weitermachen wie bisher? Dahin zurückkehren, wo sie gewesen waren? Oder...einen Schritt weitergehen? Ihr Verstand riet ihr zu nichts davon und das war frustrierend, denn auf ihr Herz war noch nie viel Verlass gewesen. Tōru musste ihr die Frustration ansehen, denn er kam ihr näher. Er fokussierte sie, doch alles was sie tat, war, seinen Blick zu meiden. Das konnte sie am besten. Sie biss sich auf die Unterlippe, während ihr Puls unruhiger wurde. Die Ernsthaftigkeit, die dieses Gespräch einnahm, machte ihr Angst. Sie war so verdammt schlecht darin, Entscheidungen zu treffen, die ihr Leben beeinflussten. Wieso konnte sie nicht wie jeder andere ins kalte Wasser springen und alle Zweifel beiseite schieben? Wieso war da ständig dieses Zögern und dieser Knoten in ihrem Bauch, wenn es darum ging, jemanden in ihre Nähe und in ihr Herz zu lassen? Das konnte doch nicht so schwierig sein! Tōru half ihr bei ihrem inneren Konflikt jedoch kaum. Ohne zu wissen, was in ihrem Kopf vor sich ging, berührte er mit seinen Fingern ihr Kinn, um es nach oben zu drücken. So war sie gezwungen, ihn anzusehen. »Muss denn immer alles normal sein?«, hakte er leise und ernst nach, während er wieder von ihr abließ. »Nein, aber...« Asuna holte tief Luft, denn trotz all ihrer Unsicherheit erinnerte er sie wieder daran, dass ihr Herz perfekt funktionierte. Aber das bedeutete nicht, dass alles einfacher wurde. Nicht in ihrer Welt. Dennoch versuchte sie, ihre Gefühlslage zu erklären: »Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich bin verwirrt, weil ich deine Berührungen...vermisse und sich die Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben, in meinen Kopf gebrannt hat. Nichts Außergewöhnliches, aber ich frage mich, ob das alles ist?« Sie formulierte es wie eine Frage, denn sie konnte es sich selbst nicht beantworten. Es war nur ein Teil ihrer Unsicherheit, doch auch dieser Aspekt wog schwer. »Ob...das alles ist?«, wiederholte er langsam und runzelte dabei die Stirn. »Ja. Woher soll ich wissen, ob ich...« Sie hielt kurz inne, da der bloße Gedanke daran, ihre tiefsten Gefühle auszusprechen, sie nervös machte. »...Ob ich nicht nur die Intimität zwischen uns vermisse? Verstehe mich nicht falsch. Ich weiß, dass da etwas zwischen uns ist, dass ich nicht leugnen kann, aber ich weiß nicht, was dieses Etwas überhaupt sein soll.« Sie holte tief Luft, da die wenigen Worte nur schwer aus ihr herausgekommen waren. Und sie wagte es auch nicht, Oikawa anzusehen. Auch wenn sie gerade diejenige gewesen war, die ihm diese Ansichten offengelegt hatte, war sie sich nicht sicher, ob sie seine Meinung dazu wirklich hören wollte. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, murmelte er und schien ernsthaft überrumpelt zu sein. Asuna fuhr mit ihren Handflächen über das Wasser. Eine Sache hatte sie beinahe vergessen. »Und dann ist da noch Hina, die sehnsüchtig darauf wartet, dass du wieder nach Miyagi zurückkehrst. Was? Sieh mich nicht so an! Du weißt genau, dass es so ist.« Sie verdrehte dezent die Augen über seinen Blick, ehe so fortfuhr: »Aber solange Hina um dich herum schwirrt, kann ich nicht weiter über dieses Etwas...über ein Uns nachdenken. Ich will dir natürlich nichts vorschreiben. Immerhin ist das dein Leben. Was mich allerdings angeht – ich werde mich bestimmt nicht einmischen.« Nicht so, wie es Hina bei ihr getan hatte. Sie wollte sich nicht auf ihr Niveau begeben, auch wenn sie das mit dem Foto bereits getan hatte. Es war aber das erste und letzte Mal, dass sie so schamlos gewesen war. Im ersten Moment sagte Oikawa gar nichts dazu. Er sah sie weiterhin an und je länger er dies tat, desto weniger wohl fühlte sie sich. Es war wie so oft, als würde er durch sie hindurch sehen, aber sie wusste auch, dass es schwer war, in ihrem Kopf zu sehen. Gerade jetzt konnte sie dies nachvollziehen. Immerhin wusste sie selbst nicht, was sie denken sollte. Und genau deshalb hasste sie solche Gespräche. »Und jetzt?«, meinte er plötzlich. Asuna bekam ein Flashback, als sie damals in den Umkleiden miteinander gesprochen hatten. Und sie wusste, welchen Ausgang diese Unterhaltung genommen hatte. Verdammt...wenn sie ehrlich war, würde sie die Zeit gerne zurückdrehen. Zu dem Moment, als sie sich einfach nur trafen, um Sex zu haben. Keine Hina, keine Abschlussprüfungen und keine verwirrenden Gefühle. Sie hatte diese Zeit zu wenig wertgeschätzt und sie noch schneller weggeschmissen. Vielleicht hätte sie einfach warten sollen, bis sich ihre Wege ohnehin nach dem Abschluss trennen würden. »Ich weiß nicht«, murmelte sie ehrlich. Das Oikawa Hina trotz allem gerne mochte, musste er ihr nicht sagen. Es hatte gereicht, als sie die beiden letzte Woche gesehen hatte. Sie war eine Runde joggen gewesen, als sie bei der Schule und somit auch der Sporthalle vorbeikam. Eigentlich hätte niemand mehr dort sein sollen, allerdings erregte ein Licht ihre Aufmerksamkeit. Sie war, um es milde auszudrücken, überrascht über den Anblick. Überrascht und...genervt. Oikawa hatte mit Hina Volleyball gespielt. Oder es ihr gezeigt, wie man richtig spielt. Es hatte sie daran erinnert, als sie damals bei ihm war und sie sich...geküsst hatten. Asuna konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so schnell das Weite gesucht hatte. »Das ist doch lächerlich«, kam es von ihm abwertend und genervt. Man sah ihm an, dass er mit der Situation unzufrieden war. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Asuna sah ihn forschend an. »Was genau?« »Einfach alles. Dass wir nicht wissen, was dieses Etwas zwischen uns ist. Dass wir unfähig sind, das zu klären. Dass wir ständig von Freunden zu...irgendetwas Undefinierbares wechseln.« Es war das erste Mal, dass sie ihn beinahe frustriert sah. Selbst damals bei dem Gespräch in den Umkleiden war er weitaus gefasster gewesen. Anscheinend hatte ihn diese Sache zwischen ihnen ebenfalls beschäftigt. Und zwar mehr als gedacht. »Du hast recht. Das ist lächerlich«, stimmte sie ihm leise zu. »Aber ich weiß auch nicht so recht, wie wir all diese Dinge...klären sollten. Nicht solange, bis ich mir zumindest selbst im Klaren bin, was ich eigentlich möchte.« Asuna fühlte eine Welle der Erleichterung, als sie diese Worte aussprach. Nicht, weil sie irgendwelche Veränderungen mit sich brachten, aber weil sie ihre Gedanken zum ersten Mal in der Gegenwart von Oikawa ausgesprochen hatte. Es war nicht viel, aber...immerhin etwas. Die Frage war jetzt nur... »Es sei denn, du weißt mehr als ich. In allen Bereichen.« Er sah sie für eine kurze Zeit einfach nur schweigend an. Als ob in ihrem Gesicht die Antwort zu all den Unklarheiten geschrieben wären. »Nein., also....ich weiß auch nicht, in welche Richtung das alles geht und wie das alles enden wird. Und dazu zählt auch das mit Hina. Es ist verwirrend und in vielen Dingen mache ich mir selbst etwas vor. Aber...zumindest weiß ich jetzt ungefähr, was wir tun müssen.« Wie zuvor auch hob er plötzlich seinen Arm. Dieses Mal legte er seine Hand allerdings in ihren Nacken. Aufgrund der Erfahrungen von früher rechnete sie damit, dass er sie näher zu sich ziehen würde, jedoch tat er es nicht. Natürlich tat er das nicht... Ihre Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie die Wärme, die von seiner Hans ausging, spürte. Ernsthaft perplex über diese Berührung und seinen letzten Satz schluckte sie schwer. Sie ignorierte die Nervosität in ihrem Inneren. »T-Tatsächlich?« »Ja«, murmelte er, während sich sein Blick auf ihre Lippen richtete, »wir müssen nur herausfinden, was wir möchten.« Nur...was? ~ꕥ~ Kapitel 24: okinawa - a hug, a kiss and...what else? ---------------------------------------------------- ● • . Oikawa sah sie für eine kurze Zeit einfach nur schweigend an. Als ob in ihrem Gesicht die Antwort zu all den Unklarheiten geschrieben wären. »Nein., also....ich weiß auch nicht, in welche Richtung das alles geht und wie das alles enden wird. Und dazu zählt auch das mit Hina. Es ist verwirrend und in vielen Dingen mache ich mir selbst etwas vor. Aber...zumindest weiß ich jetzt ungefähr, was wir tun müssen.« Wie zuvor auch hob er plötzlich seinen Arm. Dieses Mal legte er seine Hand allerdings in ihren Nacken. Aufgrund der Erfahrungen von früher rechnete sie damit, dass er sie näher zu sich ziehen würde, jedoch tat er es nicht. Natürlich tat er das nicht... Ihre Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie die Wärme, die von seiner Hand ausging, spürte. Ernsthaft perplex über diese Berührung und seinen letzten Satz schluckte sie schwer. Sie ignorierte die Nervosität in ihrem Inneren. »T-Tatsächlich?« »Ja«, murmelte er, während sich sein Blick auf ihre Lippen richtete, »wir müssen nur herausfinden, was wir möchten.« Nur...was? »Hey! Raus da! Sofort! Nachts im Meer zu schwimmen ist verboten!«, ertönte es plötzlich lautstark vom Strand und sorgte dafür, dass alle Anwesenden die Gespräche unterbrachen. Auch Asuna und Tōru überhörten die aufgebrachte Stimme nicht und sprangen nahezu erschrocken auseinander, auch wenn sie nicht mehr getan hatten, als sich anzustarren. Beide sahen zum Strand. Eine Person fuchtelte wild mit seiner Taschenlampe herum und mit einem kurzen Blick auf den Setter beschloss sie, dass es wohl das Beste war, von hier abzuhauen. Gemeinsam verließen sie das Wasser. In dem ganzen Tumult sprachen sie kein Wort miteinander. Ab und zu sah sie zu ihm, doch weder sie noch er wagten es, nochmal das Gespräch von vorhin aufzugreifen. Es endete damit, dass die Partystimmung zunichtegemacht wurde und alle in ihre Zimmer gingen. Asuna würde also auch die letzte Nacht mit Oikawa verbringen. Es war nach wie vor merkwürdig. Verdammt merkwürdig, um ehrlich zu sein. Vor allem nach dem Moment im Meer. Außerdem war sie vollkommen nüchtern. Sie würde sich demnach an jedes einzelne Wort und an jede einzelne Tat erinnern. Nicht, dass sie etwas vorhatte, aber in Oikawas Gegenwart war es schwer, sich wie immer zu verhalten. Jetzt stand sie allerdings auf dem kleinen Balkon, welcher in Richtung des Meeres lag und somit den besten Ausblick bot. Sie hatte sich nach einer längeren Zeit unter der Dusche entschlossen, noch nicht sofort unter die Decke zu kriechen. Aus diesem Grund genoss sie den dezenten Nachtwind, wobei sie dieses Mal ihren eigenen Pyjama, welcher aus einer kurzen Shorts und einem Shirt mit dünnen Trägern bestand, trug. Asuna drehte sich um und starrte deshalb direkt auf das...Bett. Sie wollte nicht so dramatisch klingen, aber es behagte ihr nicht. Sie wusste nicht warum. Immerhin war sie alt genug, um damit klar zu kommen. Es war ja nur ein bescheuertes Doppelbett. Platz genug, um beim Schlafen nicht eng aneinanderzukleben. Und es war ja nicht so, als hätten sie es noch nie für weitaus intimere Dinge genutzt. Vielleicht war es aber auch gerade dieser Gedanke, der das Unbehagen auslöste... Asuna riss sich von dem Möbelstück los, als sie hörte, dass die Badezimmertür geöffnet wurde. Oikawa erschien in ihrem Blickfeld. Zudem war er dieses Mal vernünftig genug, um Kleidung zu tragen. Dennoch sah sie schnell auf den unspektakulären Holzboden im Zimmer, da ihr sein intensiver Blick von vorhin abermals durch den Kopf ging. Um sich selbst abzulenken, verließ sie den Balkon und schmiss sich auf ihre Seite des Bettes. Während sie nach ihrem Handy griff, fragte sie: »Ihr habt noch ungefähr vier Wochen bis zu den Playoffs, oder?« Es war eine weniger aufregende Feststellung, doch sie wollte diese Stille brechen, die sich unangenehm breitgemacht hatte. Oikawa schien fast genauso überrascht über die Tatsache, dass sie diejenige war, die die Stille brach, wie über ihr Wissen, wie viele Wochen sie noch bis zu den Spielen hatten. »25 Tage, um genau zu sein, aber woher weißt ausgerechnet du das?«, antwortete er, während er ein paar Kleidungsstücke in seiner Tasche verschwinden ließ.   »Deine Volleyballfreunde posten zu viel Zeug auf Instagram«, erwiderte sie schulterzuckend und dachte den einen Jungen aus der Zweiten, der gefühlt sein gesamtes Leben auf der Plattform veröffentlichte. »Ach ja? Vielleicht sollte ich von jetzt an auch mehr Bilder posten, damit meine Schönheit deinen Tag versüßen kann.« Er lachte leise bei ihrem angewiderten Gesichtsausdruck und griff nach seinem Handy. »Hast du gerade Instagram geöffnet? Warte!« Asuna sah ihm dabei zu, wie er seinen Arm ausstreckte und dem Smartphone entgegen grinste. Nach dem typischen Fotogeräusch tippte er kurz auf dem Bildschirm herum und schmiss das Gerät schließlich mit einem »Gern geschehen« auf das Bett. Skeptisch aktualisierte sie den Feed. Als ob das Selfie tatsächlich etwas geworden ist, ging ihr durch Kopf, musste ihre Worte jedoch sofort zurücknehmen. Fast schon fassungslos sah sie von ihrem Handy zu dem Setter. »Wie zum Teufel schaffst du es mit einem Versuch, ein gutes Foto von dir zu machen? Bei diesem Licht?« »Wozu mehr Versuche, wenn ich aussehe wie ich...naja aussehe?« Er grinste, da es seine Art war zu sagen, dass niemand so gut aussah wie er. Wenn sie ehrlich war, konnte sie nichts dagegen sagen. Immerhin lag er damit nicht so falsch. Statt zu antworten, warf sie nochmal einen Blick auf seinen Post. Er hatte bereits nach zwei Minuten einige Likes und Kommentare, als hätten viele auf ein Bild von Oikawa Tōru gewartet. Seine Beschreibung war hingegen indirekt an sie gerichtet. Um deinen Tag zu versüßen. Es folgten Emojis wie eine Palme, Sonne und ein Volleyball.   Sie schenkte dem Bild kein Herz, sondern legte das Handy auf die Seite, ehe sie nach unten rutschte und die Decke weiter nach oben zog. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie eigentlich war. Sie hatte zwar den gesamten Tag nicht viel gemacht, aber wie es scheint, war das Nichtstun nur noch schlimmer. Deshalb gähnte sie erst mal ausgiebig. Oikawa nahm dies als Anlass, sich mit Wucht aufs Bett zu schmeißen, sodass Asuna kurz befürchtete, es würde unter der Last zusammenbrechen. Grund genug, um ihm einen irritierten Blick zuzuwerfen, den er gekonnt ignorierte. Asuna verdrehte die Augen und starrte anschließend an die Decke. Ihr war warm, obwohl die Temperatur im Zimmer dank der Klimaanlage recht angenehm war. Dennoch konnte sie sich langsam mit der Tatsache anfreunden, dass Oikawa keinen Meter von ihr entfernt lag. Sie holte tief Luft und schloss ihre Lider. Dabei vernahm sie ein leises Klicken. Das kleine Nachtlicht war aus und somit war der Mond die einzige Lichtquelle. Unweigerlich schweiften ihre Gedanken wieder zu dem Moment, bevor sie so..abrupt voneinander losgerissen wurden. Noch nie hatten sie so ehrlich über die Situation zwischen ihnen gesprochen und doch hatte sich nicht viel zwischen ihnen geändert. War das möglich? Sie öffnete wieder ihre Augen und drehte ihren Kopf nach links. Oikawa lag auf der Seite in ihre Richtung. Sie wusste nicht, ob er schlief. Zumindest atmete er gleichmäßig. Anstatt ihn länger anzustarren, wandte sie ihm den Rücken zu. Herausfinden, was wir möchten, kam ihr wieder in den Sinn. Schön und gut, aber was war nun dieses Wie? Mehr Zeit miteinander verbringen? Das taten sie bereits. Also wie zum Teufel sollten sie das tun? Asuna hätte beinahe frustriert geseufzt, änderte stattdessen die Position. Und das sollte nicht das letzte Mal sein. Ständig war sie mit der Art und Weise, wie sie lag, unzufrieden. Als sie wieder herumrutschte und ihren Oberkörper aufrichtete, drückte sie plötzlich jemand wieder zurück auf die Matratze. »Könntest du mir einen Gefallen tun und einfach ruhig bleiben?«, murmelte Oikawa müde. Asuna verharrte in ihrer Position. »Sorry. Es ist merkwürdig...dass jemand neben mir liegt.« Er seufzte. »Ich weiß, aber du machst mich echt verrückt damit.« Sie erwiderte darauf nichts und bemühte sich nun, in einer Position zu verweilen. Es war schwierig und die ruhige Atmung von Oikawa neben ihr trug nicht dazu bei, dass es ihr leichter fiel. Dennoch verharrte sie in den nächsten Minuten auf ihrem Rücken, wohl wissend, dass sie noch länger wachliegen würde. Sie hatte öfters Schwierigkeiten mit dem Einschlafen, deshalb störte sie der Gedanke an wenige Stunden Schlaf nicht. Es waren vielmehr die folgenden Gedanken, die sie nervös machten. Es war auch nicht das nicht das erste Mal, dass sie ein Thema für eine Weile unter den Tisch kehrten und sich Asuna jedoch darüber den Kopf zerbrach. Wenig überraschend, dass sie erst nach mehr als einer Stunde einschlief. ♛♔ Asuna erwachte am nächsten Morgen nichtsdestotrotz ausgeruht und von einer angenehmen Wärme umgeben. Sie drückte ihr Gesicht tiefer in das Kissen und rutschte ein Stück nach hinten. Die regelmäßige Atmung hinter ihr war Grund dafür, dass sie einige Male blinzelte. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnte und ihr auffiel, woher diese Wärmequelle kam. Die Wärmequelle und diese geringe Last auf ihrer Hüfte... Aus ihren Augen, die sie bis jetzt noch nicht zur Gänze geöffnet hatte, war plötzlich die übliche Morgenmüdigkeit verschwunden. Langsam wanderte ihr Blick nah unten, während sie versuchte, den Lufthauch in ihrem Nacken zu ignorieren. Sie hatte die Bettdecke nachts wohl nach unten getreten, denn sie war nur zur Hälfte bedeckt. Das war jedoch nicht das, was sie...überraschte. Vorsichtig griff sie nach dem Arm, der sie daran hinderte, aufzustehen. Sie schob ihn von sich und entfernte sich von dem warmen Körper. Dabei versuchte sie keinen Lärm zu machen, denn sie wollte Oikawa nicht wecken. Dennoch atmete sie erleichtert auf, als sie das Bett verlassen hatte und in Richtung Badezimmer ging. Einen verstohlenen Blick zu dem Setter konnte sie sich nicht verkneifen. Sein Arm war unverändert ausgestreckt auf jener Seite, auf der sie bis vor kurzem noch gelegen hatte. Wie lange hatten sie die Nacht in dieser Position verbracht? Asuna schüttelte den Kopf und verschwand mit neuer Kleidung im Bad. Obwohl sie erst gestern Abend geduscht hatte, ließ sie es sich nicht nehmen, nochmal unter den kalten Wasserstrahl zu springen. Es befreite ihren Kopf von all den wirren Gedanken und kühlte auch ihren erhitzten Körper. Dass sie so dicht an Oikawa geschlafen hatte, hatte nicht zu einer Besserung ihres Befindens beigetragen. Als sie in ihrem weißen Sommerkleid das Bad wieder verließ, konnte sie nicht anders, als in der Tür stehen zu bleiben und einen belustigten Blick auf Oikawa zu werfen. Er war mittlerweile wach und hatte sich aufgesetzt. Seine sonst so perfekten Haare waren zerzaust und seine Augen hatte er aufgrund der Helligkeit zusammengekniffen. Er sah richtig niedlich aus und irgendwie bereute sie es gerade, dass sie bis jetzt nie eine gesamte Nacht miteinander verbracht hatten. Dieser Anblick war definitiv viel wert. »Du siehst aus, als könntest du noch ein paar Minuten Schlaf benötigen«, kommentiere sie belustigt und schritt durchs Zimmer, um ihr Handy zu holen. »Ich habe aber Hunger«, erwiderte er mit rauer Stimme und verlieh seinem Erscheinungsbild die Attraktivität, für die er so bekannt war. Verschwunden war die Niedlichkeit, die Asuna doch irgendwie genossen hatte.   »Dann...steh auf? Soweit ich weiß, sind Jana und Iwa bereits frühstücken.« Sie checkte kurz die Uhrzeit. So spät stand sie normalerweise selten auf. Sie musste wirklich gut geschlafen haben… »Hilf mir!« Oikawa streckte seine Arme aus und wartete darauf, dass sie seiner Aufforderung nachkam. Sie sah ihn allerdings konfus an und machte keine Anstalten, auf ihn zu hören. »Bestimmt nicht.« »Bitte?«, fügte er mit einem seichten Grinsen hinzu. Asuna wusste nicht wieso, aber sie seufzte genervt und umrundete das Bett. Sie hielt ihm ihre Hand entgegen, damit sie ihn mit einem Ruck dabei helfen konnte, aufzustehen. Es war schwerer als gedacht. Vor allem als er meinte, sie ärgern zu müssen und einmal überraschenderweise anzuziehen. Beinahe wäre sie aufs Bett gefallen, wenn sie sich nicht reflexartig abgefangen hätte. Sie warf ihm einen genervten Blick zu, woraufhin er leise lachte und meinte: »Sorry. Alte Angewohnheit.« »Du bist manchmal wirklich unausstehlich«, murmelte sie und verließ das Zimmer, ohne nochmal nach hinten zu sehen. Unten im Speisesaal fand sie Jana und Iwa ziemlich schnell. »Wie hältst du es eigentlich aus, so viel Zeit mit Oikawa zu verbringen?« Asuna fragte den Volleyballspieler direkt, nachdem sie beim Kellner eine Tasse Kaffee bestellt hatte. Iwa lachte über ihren Gesichtsausdruck, der ihre Begeisterung wohl deutlich machte. »Jahrelange Übung und eine sehr hohe Toleranzgrenze.« Daraufhin blies Asuna unzufrieden ihre Backen auf und holte sich kommentarlos ihr Frühstück beim Buffet. Als sie zurück war, hatte auch Oikawa zu ihnen gefunden. »...bewegt sich ständig und braucht echt viel Platz. Einmal hätte sie mir sogar beinahe ins Gesicht geschlagen«, beendete er gerade seine Erzählung und sie wusste natürlich sofort, worum es hier ging. Deshalb setzte sie sich mit hochgezogenen Augenbrauen neben ihn. Ihre Miene zeigte, dass sie wenig beeindruckt davon war, dass er von ihren Schlafgewohnheiten erzählte. Jana grinste und erwiderte: »Asuna teilt nicht gerne. Merk dir das.« »So schlimm ist es nicht«, begann Asuna, die nicht länger einfach nur zuhören konnte. »Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass jemand neben mir schläft. Das ist alles.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich auch nicht, aber habe ich mich ständig hin und her bewegt? Nein, denn ich bin in derselben Position aufgewacht wie ich eingeschlafen bin.« Er klopfte sich stolz auf seine Schultern, als wäre dies der ultimative Erfolg. Asuna schnaubte. »Stimmt doch gar nicht. Du hast mehr als die Hälfte des Bettes eingenommen und hast heute Morgen an mir geklebt wie Kaugummi«, erwiderte sie, bevor sie über ihre Worte nachdenken konnte.   »Tatsächlich? Dann habe ich dich wohl mit einem Kissen verwechselt. Das erklärt auch, warum ich so gut geschlafen habe.« Er grinste und war kurz davor, ihr zuzuzwinkern. Iwa hob bei den Aussagen seine Augenbrauen. »Anscheinend war die gemeinsame Nacht doch nicht so schlimm wie anfangs gedacht.« »Es war ganz okay. Immerhin habe ich die meiste Zeit geschlafen«, grummelte Asuna, während sie sich eine Tomate in den Mund schob. »Ich habe mich schon immer gefragt, wie sich ein Ganz okay aus Kura-chans Mund so anhört. Schmerzt dem Ego ganz schön.« Er griff sich theatralisch an die Brust. Jana lachte leise und meinte: »Angenommen wir denken gerade in dieselbe Richtung, enttäusche ich dich nur ungern, Oikawa-san. Frauen sprechen so etwas nicht einfach aus, sie erzählen es nur ihren besten Freundinnen.« Asuna verschluckte sich an ihrem Orangensaft, während Iwa laut auflachte. »Jana! Du darfst doch nicht einfach so Frauengeheimnisse ausplaudern«, antwortete sie empört. »Warte!«, Iwa schien sich wieder erholt zu haben, »Frauen tun das wirklich?«   »Ihr etwa nicht?«, antwortete Jana ernsthaft überrascht. »Nie im Leben war ich einfach...nur okay,« grummelte Oikawa neben ihr und war offensichtlich einer Existenzkrise nahe, »oder?« Fragend sah er sie an und erwartete sich eine ernsthafte Antwort. Asuna hob langsam die Schultern. Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen, seine Frage unbeantwortet zu lassen und so seinem Ego zumindest einen kleinen Dämpfer zu geben. Manchmal schadete es nicht, ihm nicht das zu geben, was er wollte. Wenn sie ehrlich war, dann machte es sogar Spaß. Vor allem, wenn er sie so perplex ansah. Das tat er viel zu selten. Als sie Janas Blick begegnete, formte diese sofort mit ihren Lippen »Lügnerin«, woraufhin Asuna dann doch grinsen musste. Natürlich log sie. Wenn das jemand wusste, dann ihre beste Freundin. Damit war das Gespräch darüber auch beendet, wenn man das Gejammer seitens Oikawa ignorierte. Demnach wurde über die heutigen Pläne des letzten Tages hier in Okinawa gesprochen. Der Flug würde erst um 18 Uhr starteten, weshalb sie noch einen Großteil des Tages nutzen konnten. Jana und Asuna hatten vor, in die Stadt zu gehen und einige Dinge zu kaufen, während die Jungs noch ein letztes Mal am Strand Volleyball spielen wollten. Die beiden Schülerinnen schlossen sich Mia, Lu und Suki an und verbrachten so die letzten Stunden hier in Okinawa. Ehe sie sich versahen, saßen sie im Flugzeug auf den Weg zurück nach Miyagi. Es stimmte Asuna wehmütig, denn sie würde den Strand und vor allem die Zeit, in der sie nichts lernen musste, vermissen. Zurück in den Alltag bedeutete zudem auch, dass sie Hina wieder täglich begegnen würde und darauf hatte sie absolut keine Lust. Am liebsten würde sie der jüngeren Schülerin vor allen Leuten die Meinung sagen, damit jeder die wahre Hina kennenlernte. Allerdings wollte sie sich nicht auf ihr Niveau herablassen. Stattdessen würde Asuna mit Freundlichkeit zurückschlagen. Immerhin war dieses Verhalten frustrierender. Zumindest würde sie es so empfinden. Wenn sie ehrlich war, dann war sie fast schon neugierig darauf, wie sich die Zweitklässlerin nun verhalten würde. Immerhin hatte Asuna die Worte der jüngeren nicht vergessen. In Gedanken an das Gespräch vor der Abfahrt versunken sah sie aus dem kleinen Fenster. Das Zeichen für den Gurt hatte aufgehört zu leuchten, da das Flugzeug erfolgreich und ohne Turbulenzen abgehoben war. Asuna blieb jedoch angeschnallt, während sie die Aussicht bestaunte. Es war nicht das erste Mal, dass sie flog. Dank ihrer Eltern konnte sie die Flüge, die sie erlebt hatte, nicht an ihren Händen abzählen. Dennoch behagte es ihr nicht völlig. Sicherstes Verkehrsmittel hin oder her. Deshalb erhöhte sie die Lautstärke ihres Handys, damit die Musik die Geräusche um sie herum übertönte. Allerdings dauerte es genau eine halbe Stunde, bis sie kurz davor war, einzuschlafen. Und es dauerte genau eine halbe Stunde, bis ihr jemand vorsichtig einen Kopfhörer entfernte. Asuna öffnete verwirrt ihre Augen und sah zu dem Übeltäter. »Ich habe nachgedacht und ich glaube, dass ich die ideale Lösung für unser kleines...Problem habe«, meinte Oikawa und war sich keine Schuld bewusst. »Hm?«, murmelte sie heiser, während sie sich aufrichtete. »Was es auch ist, kann das nicht bis später warten?« Sie war wirklich kurz davor, einzuschlafen. Was tat er eigentlich hier? Saß er nicht ein paar Reihen hinter ihr? »Nein...also theoretisch ja...aber wir haben jetzt mehr als zwei Stunden bis wir wieder landen. Wer weiß, ob wir zu Hause wieder so viel Zeit haben, um zu reden.« Asuna sah ihn forschend an. Sie war zugegeben neugierig, welchen Plan er sich ausgedacht hatte. Außerdem fragte sie sich, weshalb er eine Serviette in seiner Hand hielt. »Okay, dann leg los.« »Naja...Sex ist keine Lösung«, begann er und erntete hochgezogenen Augenbrauen von Asuna. »Was ich damit sagen möchte: Wir wissen beide, dass wir irgendetwas tun müssen, damit uns klar wird, was genau wir wollen. Darüber haben wir gestern bereits gesprochen. Also habe ich diese Liste erstellt.« Er wedelte mit dem mysteriösen Stück Stoff vor ihrem Gesicht herum. »Eine...Liste?«, hakte sie skeptisch nach. Wie zum Teufel sollte eine Liste dafür sorgen, dass sie dieses Rätsel zwischen ihnen lösten? »Ja. Sie ist eigentlich nichts Besonderes. Es sind schlichte Dinge, die wir irgendwie übersprungen haben, uns aber helfen könnten, dieses Wir besser zu verstehen. Hier.« Er drückte ihr das ominöse Stück Stoff in die Hand. Mit einem letzten Blick zu Oikawa, las sie sich die einzelnen Punkte durch. Es waren nicht viele, aber es reichte aus, damit ihre Atmung ins Stocken geriet.   »Eine Umarmung, ein Date, ein Kuss und,« sie stoppte und hielt die Serviette näher, um auch den letzten und durchgestrichenen Punkt lesen zu können, »eine Nacht?« Sie war verwirrt. »Ja, also wie gesagt...es ist nichts Besonderes.« Er mied ihren Blick, als wäre ihm die Liste nun doch unangenehm. »Aber haben wir die Hälfte davon nicht schon getan?« Oikawa runzelte die Stirn. »Nicht wirklich. Also ja, wir haben uns geküsst, aber irgendwie auch nicht. Zumindest kann ich mich nur an ein einziges Mal erinnern und das ist nicht sonderlich gut verlaufen. Und ein Date hatten wir auch noch nie. Nur zufällige Treffen oder ein gemeinsames Nachhausegehen.« »Was ist mit der Umarmung? Wieso hast du das aufgeschrieben?«, fragte sie ernsthaft nach. Eine Umarmung war so banal, dass es sie auf seiner Liste überraschte. »Ich weiß, dass es sich bescheuert anhört, aber mir ist aufgefallen, dass wir uns noch nie umarmt haben.« Er seufzte und starrte auf seine Hände. »Und ich weiß auch, dass all die Punkte komisch und auf den ersten Moment nichtssagend erscheinen. Und mir ist klar, dass eine Umarmung nichts Außergewöhnliches ist, aber ich denke, dass wir genau diese gewöhnlichen Dinge brauchen, um unsere Gefühle einschätzen zu können. Wir müssen bei Null anfangen. Bei mehr Zeit alleine, Dates, einfache Umarmungen und vielleicht einem Kuss.« Asuna sah ihn zugegeben sprachlos an. Sie hatte nicht mit solchen Worten gerechnet. Er war ernst und verdammt ehrlich. Beides Eigenschaften, die sie faszinierten und um die sie ihn beneidet, aber je länger sie über seine Worte nachdachte, desto klarer wurden sie. Er hatte recht. Sie mussten klein anfangen und sich irgendwie nach oben arbeiten. So schwer sie sich auch tun würde. Obwohl sie ernste Gespräche nach wie vor nicht leiden konnte, antwortete sie: »Du hast recht. Mit allem. Wir haben all die kleinen Schritte ausgelassen und konnten diese eindeutigen Gefühle nie wirklich aufbauen. Wir sollten ein paar Gänge zurückschrauben und langsam anfangen uns...kennenzulernen.« Sie schluckte den Klos hinunter und kratzte ihren Nagellack, denn es war merkwürdig, ihre Gedanken auszusprechen. Noch schlimmer war es, da sie sich in einem vollen Flugzeug befanden. Kein Ort, von dem sie einfach flüchten konnte. »Also willst du dich darauf einlassen? Ich meine, was haben wir schon zu verlieren, oder?« Sie erwiderte zuerst nichts, sondern fixierte ihre Hände. Ja, was hatten sie schon zu verlieren? Jetzt gerade standen sie im...Nichts, um es dramatisch auszudrücken. Während Oikawa aufgrund ihrer Stille unruhig wurde, begann sie, das Stück Stoff zusammenzufalten. Sie sah zu Oikawa, der bei ihrem Zögern die Stirn gerunzelt hatte. Asuna kaute kurz auf ihrer Unterlippe herum, ehe sie sagte: »Ich...kann dem aber nicht zustimmen,« begann sie und Oikawa wollte bereits dazwischenreden, als sie ihm zuvorkam, »nicht bevor du mir etwas versprochen hast.« »Alles klar. Werde ich. Was ist es?«, erwiderte er, ohne zu zögern. Asuna hob kurz belustigt ihre Augenbrauen darüber, ehe sie wieder ernst wurde. »Wir wissen beide, dass Hina mehr als nur verknallt in dich ist. Du...solltest das zwischen euch klären. Was auch immer das ist. Ich kann sie zwar nicht ausstehen, aber es wäre ihr gegenüber nicht fair, sie...naja... « Sie beendete den Satz nicht, da sie nicht konnte. Immerhin wusste sie nicht, was zwischen Oikawa und der Schülerin eigentlich lief. Sie nahm allerdings an, dass Oikawa keine Absichten hatte, die Beziehung zu Hina zu intensivieren. Zumindest hätte er ihr dann nicht diese Liste präsentiert. Also war ihre Forderung doch okay, oder? Sie wollte nicht für ihn entscheiden. Das würde sie nie wollen. Wenn er sich also doch nicht sicher war, ob er… »Keine Sorge. Das hatte ich ohnehin vor«, unterbrach er ihre Gedanken. »Ich werde mit ihr reden, sobald ich sie sehe.« Bei diesen Worten fiel ihr ungemein ein großer Stein vom Herzen. Erleichtert stieß sie die Luft aus und nickte langsam. »Okay.« Sie faltete die Serviette zusammen und schloss ihre Finger fest um den Stoff. »Und jetzt sag mir, was das durchgestrichene Eine Nacht bedeutet.« Auffordernd sah sie wieder zu ihm. »Ich bin überrascht, dass du erst jetzt fragst«, fing er grinsend an. Die Ernsthaftigkeit des Gesprächs war vorerst überstanden. »Aber keine Sorge, ich hatte dabei keine Hintergedanken. Allerdings habe ich es wieder durchgestrichen, nachdem ich Nächte nur mit schlafen verbinde. Macht für unser Vorhaben logischerweise keinen Sinn.« »Ach ja? Du verbindest Nächte nur mit schlafen? Seit wann?«, hakte Asuna skeptisch nach. »Natürlich nicht nur, aber weder das eine noch das andere wären für diese Liste geeignet. Auch wenn man nachts natürlich viele andere Dinge tun könnte.« Er sah sie an, als würden ihm gerade viele dieser Dinge durch den Kopf gehen. »Hm.« Asuna legte ihren Kopf schief und drehte die Serviette zwischen ihren Fingern hin und her. »Dann fügen wir den Punkt doch einfach wieder hinzu. Wie du bereits sagtest, man kann nachts viele andere Dinge tun. Das könnte doch interessant werden, findest du nicht?« Als sie wieder dem Blick von Oikawa begegnete, war es kurz still zwischen ihnen und nur das Surren der Turbinen des Flugzeugs waren zu hören. »Okay. Dann bin ich schon gespannt, wie diese Nacht aussehen wird. Zumindest weiß ich, dass Nächte mit dir nie langweilig werden. Au!« Asuna hatte ihm mit dem Ellbogen einen Seitenhieb gegeben, da er wieder in alte Muster verfiel. Dennoch musste sie dezent schmunzeln, als sie sein Schmollen sah. Sie selbst hatte nicht verhindern können, dass in ihren vorherigen Worten die Zweideutigkeit ein wenig zu hören gewesen war. Seine Idee klang indes tatsächlich nach einem Plan und egal wie dieser ausgehen sollte – sie hatten es zumindest versucht und genau das war es, was sie brauchte. Sie wollte nicht bereuen, dass sie all das einfach an ihr vorbeiziehen ließ. Während sie darüber nachdachte, steckte sie das Headset wieder zurück in ihr Ohr. »Tu' mir einen Gefallen und wecke mich, kurz bevor wir landen.« Das leise Surren der Flugzeugturbinen und die dezenten Farben der Beleuchtung machten sie noch müder als ohnehin schon. Und da sie das Gespräch mit Oikawa nun beendet hatte, konnte sie beruhigt ihre Augen schließen. Sie würde Okinawa vermissen, aber sie war auch gespannt darauf, was Miyagi in den nächsten Monaten für sie bereit hielt. Kapitel 25: the knight and the damsel in distress ------------------------------------------------- ● • . Mit einem heißen Becher Kaffee in der Hand war Asuna gemeinsam mit Jana auf den Weg zur Schule. Zurück zum Alltag wie es so schön hieß. Einerseits freute sie sich darauf, andererseits gab es einige Punkte, die ihr nach wie vor Kopfzerbrechen bereiteten. Sie war heute Morgen deshalb nur ungern aus ihrem warmen Bett gestiegen. Dabei half auch nicht ihr liebstes Heißgetränk. »Was genau stellst du dir unter einer Nacht vor?«, fragte Jana ehrlich interessiert, nachdem sie auf den Weg hierher über die Liste von Oikawa und ihr gesprochen hatten. Besagte Liste trug sie auch jetzt in ihrem Portemonnaie mit sich. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe bis jetzt keine einzige Nacht mit ihm verbracht, ohne mit ihm zu schlafen.« Und es waren einige Nächte gewesen. Es machte sie jetzt schon nervös, nur darüber nachzudenken. »Okay, aber ist in eurem merkwürdigen Deal inklusive, dass ihr in genau dieser Nacht nicht miteinander schlafen oder euch küssen dürft?« Bevor sie antwortete, nahm sie einen Schluck von ihrem Kaffee. »Darüber haben wir nicht wirklich gesprochen. Allerdings wäre es nicht...naja..dumm, wenn wir eines davon tun würden? Immerhin wollen wir wissen, ob mehr als körperliche Anziehung zwischen uns ist.« Jana nickte langsam, sah aber nicht völlig überzeugt aus. »Und was, wenn ihr, oder zumindest du bis dahin schon weißt, dass es definitiv mehr ist? Könntest du trotzdem standhaft bleiben? Oder wäre es dann nicht egal, wenn ihr miteinander schlafen würdet?« Asuna seufzte bei diesen Fragen. Ihre Freundin schaffte es einfach immer wieder, sie aus der Reserve zu locken. »Keine Ahnung. Vermutlich nur schwer. Ich würde es dennoch versuchen, um nichts zu ruinieren. Ich meine, es ist jetzt schon schwer, nicht an all die Nächte zu denken, aber...gerade das ist es ja. Ich kenne die körperliche Nähe, aber die emotionale?« Es war schon immer schwer für sie gewesen, andere zu vertrauen und eine Bindung aufzubauen. Jana wäre damals beinahe verzweifelt, nachdem sie so abwesend und schon fast kalt zu ihr gewesen war. Dabei war es gar nicht ihre Absicht gewesen. Es war eine Art Selbstschutz. Vor was auch immer... Die beiden setzten ihre Gespräch fort, bis sie an der Schule angekommen waren. Anstatt hineinzugehen, verweilten sie wie viele andere vor dem Gebäude. »Dein Vater hat dich vom Bus abgeholt, oder ?«, fragte Jana plötzlich. »Ja, er bleibt ein paar Tage hier.« Er hatte sie absichtlich überrascht, indem er sie ohne etwas zu sagen abgeholt hatte. Sie hatte sich richtig gefreut und war noch am selben Tag mit ihm Essen gegangen. Ausnahmsweise hatte er nicht über ihre Zukunft gesprochen, auch wenn sie wusste, wie gerne er es getan hätte. »Er ist jetzt schon nervös wegen den Abschlussprüfungen. Mehr als ich.« Sie lachte darüber. Noch, denn die Prüfungen kamen näher und näher und sie hatte noch einige Themen vor sich. Wären gute Noten nicht ein Teil ihres Lebens, müsste sie sich keine Sorgen machen, doch Perfektion war nun mal ebenfalls ein Teil ihres Lebens. Jana grinste sie an und wollte etwas erwidern, als ihr etwas hinter Asuna ins Augen fiel. »Verdammt«, murmelte sie. »Geballte Ladung Wut in Form einer 1,60 großen Zweitklässlerin im Anmarsch.« Die gute Stimmung verpuffte und Asuna wusste, von wem sie sprach, noch bevor sie sich umgedreht hatte. Sie hatte bereits darauf gewartet und hatte sich gestern Nacht ausgemalt, wie diese Konfrontation ablaufen würde. Nie im Leben hätte Hina die Sache auf sich beruhen lassen. »Kannst du dich an unser Gespräch erinnern, Kurasaki?«, begann Hina noch bevor sie wirklich bei ihnen war. Dabei ignorierte sie Jana und verzichtete auf eine Anrede. Offensichtlich respektlos, wenn man bedachte, dass sie ein Jahr jünger war. Doch statt darüber verärgert zu sein, hob Asuna ihre Augenbrauen. Endlich zeigte sie vor allen ihr wahres Gesicht. »Willst du nicht zuerst fragen, wie es in Okinawa so war?«, erwiderte sie und provozierte nicht nur mit den Worten, sondern auch mit der Ausdruckslosigkeit in ihrer Stimme. Man konnte förmlich beobachten, wie die Falte zwischen ihren Augen tiefer wurde. »Muss ich nicht. Ich weiß bereits, was dort so...getrieben wurde.« Die passive Aggressivität war deutlich zu hören. War es schlecht, dass ihr das gefiel? Asuna tat also so, als wären dies überaus interessante Neuigkeiten. Ihre Blick traf dabei kurz den von Jana, die stirnrunzelnd zwischen ihnen hin und her sah. Sie sah wieder auf die Zweitklässlerin hinab, während der Griff um ihren warmen Kaffeebecher unbewusst fester wurde. »Ahhh, okay. Dann verrätst du mir bestimmt, weshalb du mich um diese Zeit mit deiner guten Laune überfällst?« Das Gespräch, welches sie vor Okinawa geführt hatten, war ihr viel zu gut in Erinnerung geblieben. Hina verschränkte ihre Arme. »Stell dich nicht dümmer als du bist, Kurasaki. Ich habe dich gewarnt«, zischte sie und kam ihr einen Schritt näher. Asuna wich nicht zurück. Warum sollte sie auch? Stattdessen entkam ihr ein ungläubiges Schnauben. Ihre Mundwinkel zuckten, obwohl die Situation alles andere als zu lachen war. »Und ich habe dir gesagt, was ich davon halte, oder?« Sie hatte damals geantwortet, was denn passieren würde, wenn sie sich nicht von Oikawa fernhalten würde. Das hatte sie auch nicht getan, wenn sie ehrlich war. Und so wie Hina sie ansah, wusste sie das auch. Woher auch immer. »Hast du. Und ich hätte es wissen müssen, dass du deine Worte wahr machst. Immerhin nimmst du dir mit deiner Arroganz alles, was du willst.« Sie legte so viel Abscheu in ihre Worte und ihren Blick, sodass Asuna beinahe beeindruckt war. »Hörst du dir eigentlich selbst zu?«, begann Asuna und tat das, was Hina so verabscheute. Sie zog ihre Worte mit einem abfälligen Grinsen ins Lächerliche. »Eine Nacht mit Oikawa zu verbringen, macht dich nicht zu seiner Freundin. Das Thema hatten wir eigentlich schon, also verhalte dich nicht so, als wäre er dein Eigentum. Du blamierst dich damit nur selbst.« Die Worte kamen ihr trocken über die Lippen. Aufmerksam beobachtete sie, was ihr Gegenüber als nächstes tat. Hinas Kiefer spannten sich an und aus dem Augenwinkel sah sie, wie sie ihre Hände zu Fäusten ballte. Sie war kurz davor, zu explodieren. »Also gibst du zu, dass du mit ihm geschlafen hast?«, fragte sie eiskalt und ohne ihre Stimme zu erheben. Das war es, was sie interessiert?, schoss es Asuna durch den Kopf. Okay. Jetzt war vielleicht der Zeitpunkt, an dem sie klarstellen sollte, dass nichts gelaufen war. Sie sollte sagen, dass sie zwar viel Zeit miteinander verbracht hatten, aber mehr auch nicht. Sie sollte es tun. Doch Hina fasste ihre anfängliche Stille falsch auf und ließ ihr nicht mehr Zeit zu antworten. Stattdessen hob sie ihren Arm, holte aus und schlug ihr den Becher aus der Hand. Dieser fiel dumpf zu Boden und der Inhalt verteile sich einerseits auf dem Boden, andererseits auch mit einzelnen Spritzern auf ihren weißen Strümpfen. Asunas Blick wanderte langsam von dem Becher zu dem Mädchen. Sie sagte nichts dazu und ließ auch das leise aber deutlich hörbare »Miststück« über sich ergehen. »Bist du bescheuert?«, vernahm sie die fassungslose Frage von Jana, doch Asuna legte ohne zu ihr zu sehen, ihre Hand auf die Schulter. Das war eine Sache zwischen ihr und Hina. Das Grinsen war aus Asunas Gesicht verschwunden. »Ich habe immer versucht, nett zu dir zu sein, Hina«, begann sie und legte ihre nächsten Worte mit Bedacht zurecht. »Selbst als du mir diese Ansage gemacht hast, habe ich darüber größtenteils hinweggesehen und mir auch noch eingeredet, dass du und Oikawa vielleicht wirklich funktionieren könntet. Spätestens jetzt wird mir aber eine Sache klar.« Asuna wusste, dass ihre nächsten Worte harsch waren, doch sie wollte Hina ein für alle mal klarmachen, dass sie niemand war, der sich alles gefallen ließ. »Am Ende bist du eine von 80%, während ich dieser eine Prozent bin, der das bekommt, was er will. Also wenn du glaubst, dass wir beide auf demselben Niveau sind, dann solltest du schnell aufwachen und der Realität entgegensehen, Prinzessin.« Asuna beobachtete Hina abermals. Ihre Augen zuckten verdächtig und auf ihrer Stirn bildete sich diese Ader, die sie nur von Büchern kannte. Obwohl die Zweitklässlerin auffällig kleiner war, machte die Wut sie um einiges größer. »Wie kannst du es wagen?«, fing sie zischend an und wollte abermals einen Satz nach vorne machen, jedoch wurde sie unerwarteterweise aufgehalten. Oikawa war plötzlich aufgetaucht und hatte seine Hand auf ihre Schulter gelegt. »Was soll das?« Es war nicht viel, was der Setter sagte, doch es reichte aus, um Hina in eine Starre zu versetzen. Asuna sah ihn an. Vergessen war der Ärger und der Kaffeebecher. Sie hatte diesen Blick noch nicht oft bei ihm gesehen, aber meist dann, wenn etwas seinen Nerv getroffen hatte. Es war natürlich anders, als damals bei Riku. Und auch war es anders, als am Volleyballfeld. Sie konnte es nicht benennen. »Oh, hey Tōru! Ich habe nicht gemerkt, dass du auch hier bist.« Sie lächelte, doch es wirkte aufgesetzt und angestrengt. Oikawa kaufte es ihr dieses Mal nicht ab, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »Ich glaube, wir müssen reden«, erwiderte er und griff nach ihrem Handgelenk, ohne auf eine Antwort zu warten. Er zog sie mit sich und verschwand hinter den Mauern des Schulgeländes, um ungestört mit ihr sprechen zu können. Genau in diesem Moment ließ Asuna ihre Schultern sinken und ein unsittliches »Fuck« entkam ihrer Kehle. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und seufzte tief. »Lass uns gehen«, meinte Jana, als ihr die neugierigen Blicke auffielen. Hastig hob Asuna den nun leeren Kaffeebecher auf und verließ mit ihrer Freundin den Schulhof. Erst im Gebäude fand diese ihre Sprache wieder. »P-Prinzessin«, prustete sie dann doch lauthals, sodass sich einige Schüler verwirrt zu ihnen drehten. Asuna hob peinlich berührt die Schultern. »Ja, ich weiß. Es ist mir irgendwie herausgerutscht. Das hätte ich nicht sagen sollen. Es war gemein«, gestand sie jetzt im Nachhinein. »Also ich fand es genial und passend. Außerdem hat sie es verdient, nachdem sie dir deinen Kaffee aus der Hand geschlagen hat. Was sollte das überhaupt?« Ihr war das Lachen wieder vergangen. Die beiden betraten die Klasse, da der Unterricht in wenigen Minuten beginnen würde. »Keine Ahnung. Ich hoffe nur, dass sie mich ab jetzt in Ruhe lässt. Ich habe genug von ihr und ihrer anstrengenden Art.« Asuna drängte sich bei ihren Mitschülern vorbei und ließ sich schließlich auf ihren Platz nieder. Jana tat es ihr gleich und drehte sich zu ihr. »Glaubst du, dass Oikawa ihr klargemacht hat, dass in diesem Universum nichts zwischen ihnen laufen wird?« Asuna hatte tatsächlich auch schon darüber nachgedacht. Jedoch vertraute sie Oikawa. Vor allem nach dem Gespräch beim Rückflug. Zudem hatte er richtig wütend ausgesehen, als er zu ihnen gestoßen war und Hina mit sich gezogen hatte. Das Ganze war an einem Punkt angelangt, an dem Hina nur noch auf Oikawa hören würde. »Ja. Sonst wäre diese Liste umsonst gewesen.« Schulterzuckend kritzelte sie auf ihrem Collegeblock herum. »Außerdem hat er es versprochen«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Erinnere mich daran, dass ich dich nie wütend mache. Du kannst nämlich verdammt unheimlich und einschüchternd sein«, raunte ihr Jana zu und Asuna hätte gerne geantwortet, doch der Unterricht begann. So schnell waren sie zurück im Alltag. Darauf hätte sie wirklich verzichten können. Außerdem hatte sie vergessen, dass sie den Mathematiktest zurückbekamen. Es war bereits der zweite innerhalb kürzester Zeit und der zweite, der nicht so ausfiel, wie erhofft. Sie starrte stur auf die roten eingekreisten Zahlen, in der Hoffnung, sie würden sich urplötzlich ändern. Es war nicht so, als wäre ihre Leben dadurch ruiniert. Sie wusste, dass es wichtigere Dinge gab als Noten. Allerdings saß die Enttäuschung verdammt tief, weil sie geglaubt hatte, das Thema verstanden zu haben. Asuna schluckte die Wut über sich selbst hinunter und schob den Test unter ihre Bücher. Ihre Hand glitt in ihre Haare. Schlecht gelaunt versuchte sie dem Unterricht zu folgen. Als die Stunde zu ende war, flüchtete Asuna förmlich aus dem Raum. Ihr Plan ging auf, zumindest bis zur Mittagspause, als ihr Frau Narata entgegenkam. Sie wusste dank des Gesichtsausdrucks sofort, dass es kein Entkommen gab. »Schenkst du mir eine Minute, Asuna?« Tief atmete Asuna ein, während Jana mit den Worten »Ich gehe schon mal in die Cafeteria« das Weite suchte. »Es geht um den Test, oder?« Die verheerenden 71 von 100 Punkten tauchten in ihrem Kopf auf. »Nicht nur. Also ich weiß, dass jemand in deinem Alter auch andere Sorgen hat.« Als Asuna bereits protestieren wollte, wurde sie durch eine Handgeste unterbrochen. »Ich weiß aber auch, dass du eine fleißige Schülerin bist und du dir viel Mühe gibst, auch in Mathematik ganz oben zu stehen.« Etwas trotzig verschränkte sie die Arme. Sie mochte Frau Narata, da sie immer fair war und auch komplexe Sachverhalte gut erklären konnte. Es war Pech, dass sie ihr schlechtestes Fach unterrichtete. »Aber ich tue es nicht.« »Ich glaube, dass es dir helfen würde, die Thematik aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Deine Ansätze sind meist korrekt, aber du scheinst inmitten der Lösung falsch abzubiegen. Und zwar auf einen viel komplizierteren Weg. Du musst rationaler denken.« Wenig begeistert über diese Worte, runzelte sie die Stirn. »Und wie genau soll ich plötzlich rationaler denken?« Die Abschlussprüfungen waren nicht mehr allzu weit entfernt. Frau Narata schmunzelte über die Unzufriedenheit in ihrer Stimme. »Ganz einfach. Nachhilfe.« Beinahe hätte Asuna genervt aufgestöhnt. »Bei allem Respekt, Narata-sensai, aber das war das Erste, das ich versucht habe.« Damals hatte sie ein Nachhilfeinstitut aufgesucht, allerdings hatte es nur bedingt geholfen, wenn sie ehrlich war. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass es reinste Abzocke gewesen war. »Aber nicht mit demjenigen, den ich im Sinn habe.« Das Schmunzeln verschwand nicht aus ihrem Gesicht. Im Gegenteil. Asuna bekam ein ungutes Gefühl. »Ah, Oikawa-san. Könntest du kurz zu uns kommen?« Sie drehte sich um. Oikawa kam gerade aus seiner Klasse und sah überrascht aus. Er ahnte anscheinend nicht, weshalb er zu ihnen gerufen wurde. Eigentlich hätte sie es wissen müssen. Der einzige, der besser in dem Fach war als sie, war Oikawa. Und wer, wenn nicht er, konnte rational denken? Theoretisch hätte es sie schlimmer treffen können. Jedoch störte sie etwas daran. »Das...ist keine gute Idee, Narata-sensai. Sie wissen, wie viel das Volleyballteam vor den Play-Offs zu tun hat und außerdem müssen sie zusätzlich für die Prüfungen lernen. Ich denke also nicht, dass da Zeit für Nachhilfe bleibt.« Sie wollte ihm nicht die geringe Freizeit rauben, die er hatte. Wenn er überhaupt etwas wie Freizeit kannte. Immerhin wurde selbst sein freier Tag mit Nachsitzen ausradiert. Oikawa sah indes nachdenklich zwischen ihnen hin und her. Frau Narate ignorierte ihn fürs Erste. »Ich weiß, dass Oikawa-san sehr beschäftigt ist, aber ich weiß auch, dass er derjenige ist, der dir bei deinen Mathematikproblemen helfen kann. Wenn er dem zustimmt, dann würde ich auch mit dem Direktor über das Nachsitzen sprechen. Ich bin mir sicher, dass ihm die Leistungen seiner Schüler doch wichtiger sind als das Putzen von Klassenräumen.« »Das weiß ich zu schätzen, aber-« »Ich mach's«, unterbrach Oikawa sie ohne Umschweife. »Vorausgesetzt das Nachsitzen entfällt.« »Was? Aber-«, versuchte sie es erneut, dieses Mal verwirrt über die rasche Zustimmung, wurde aber sofort wieder unterbrochen. Frau Narata klatschte zufrieden in die Hände. »Sehr gut. Dann kläre ich das und gebe euch Bescheid.« Mit diesen Worten verschwand sie und ließ die beiden alleine. »Wieso?«, fragte Asuna gerade heraus, da sie seine Intention wirklich nicht nachvollziehen konnte. »Weil ich der Ritter in der goldenen Rüstung bin und die...nicht so jungfräuliche Jungfrau in Nöten.« Sein Grinsen formte sich zu einem Lachen, als er ihren Blick sah. »Lass das! Ich mein das ernst. Wieso tust du das?« »Weil ich gesehen habe, wie sehr dich dieses Fach frustriert und ich dir helfen möchte.« Er schob seine Hände in die Hosentaschen und zuckte mit den Schultern. »Und natürlich auch, weil ich Zeit mit dir verbringen möchte.« »Ach...ja?«, murmelte Asuna perplex. Sie wusste nicht ganz, welche Antwort sie erwartet hatte, doch seine direkte Art überraschte sie ungemein, obwohl sie es eigentlich gewohnt sein sollte. Oikawa beugte sich zu ihr und musterte sie eindringlich. »Es stört mich, dass dich das überrascht. Hast du unser Gespräch im Flugzeug bereits vergessen?« Asuna seufzte. »Nein, natürlich nicht.« Wie könnte sie auch? Jedes einzelne Wort hatte sich in ihre Erinnerungen gebrannt. Der ernste Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen streckte er sich und sah auf die Uhr, die im Flur hing. »Schön. Dann warten wir darauf, dass Narata das Okay vom Direktor bekommt und dann können wir den Montag sinnvoller nutzen, als Kaugummi von den Tischen zu kratzen.« Sie nickte langsam, auch wenn sie noch nie Kaugummi von den Tischen gekratzt hatten. Vor wenigen Tagen hätte sie nicht damit gerechnet, dass ihr erster Schultag nach der Abschlussreise so...ereignisreich sein würde. Zuerst die Aktion von Hina und nun würde sie mit ziemlicher Sicherheit ihren Montag mit Oikawa verbringen. Und zwar nicht beim Nachsitzen, wenn sie an Naratas Überzeugungskraft dachte. »Okay, dann sehen wir uns später. Jana wartet in der Cafeteria auf mich.« Sie straffte die Schultern und wollte bereits kehrtmachen, als Oikawa ihr Handgelenk packte. »Warte«, begann er und ließ sie erst los, als sie ihm wieder seine volle Aufmerksamkeit schenkte. »Ich wollte nur sagen, dass ich das mit Hina geklärt habe. Sie sollte dich von jetzt an in Ruhe lassen.« Asuna erwiderte seinen Blick, der nach wie vor ernst war. Nach dem Vorfall am Schulhof hatte sie gehofft, dass Hina auch von Oikawa die Bestätigung bekommen würde, dass sie schlichtweg nur eine seiner Mitschülerinnen gewesen war. Nicht mehr und nicht weniger. Es zu hören, war genauso zufriedenstellen, wie die Tatsache, dass sie nie miteinander geschlafen hatten. Es war wie ein kleiner Sieg über Hina, deren überhebliches Grinsen sie hoffentlich nicht mehr zu Gesicht bekommen musste. Deshalb schlich sich doch ein kleines aber ehrliches Lächeln auf die Lippen. »Das ist gut.« Sie machte einen Schritt nach hinten. »Wenn nicht, werde ich das nächste Mal nicht so nett zu ihr sein.« Sie zuckte mit den Schultern und das Lächeln verwandelte sich zu einem leichten Grinsen. Es hatte ihr all die Selbstbeherrschung gekostet, nicht laut zu werden und weitaus beleidigendere Dinge zu sagen. Selbst Asuna, die stets als Vorzeigeschülerin galt, war nicht immer so vorzeigbar wie angenommen. Sie hatte genauso ihre Momente, in denen sie am liebsten den nächstbesten Gegenstand an die Wand schmeißen und manchmal auch einfach nur ein Miststück sein wollte. Doch war nicht fast jeder so? Zumindest ab und zu? Sie hoffte nur, dass es von jetzt an nicht mehr notwendig sein würde, ein Miststück zu sein. Kapitel 26: slice of life. -------------------------- ● • . »Bei dir oder bei mir?« Asuna unterbrach das Lesen in ihrem Schulbuch und sah auf. Oikawa saß verkehrt auf Janas Platz. Fragend hatte er dabei den Kopf schief gelegt. Verwirrt runzelte sie die Stirn und sah sich um. Wie konnte sie nicht mitbekommen, dass er in ihre Klasse gekommen war? Die anderen schien es auf jeden Fall aufgefallen zu sein, nachdem einige neugierige Blicke in ihre Richtung warfen. »Was?«, hakte sie deshalb perplex nach. »Lernen. Bei dir...oder bei mir?« Ja, ihr war klar gewesen, was er gemeint hatte. Immerhin war es erst drei Tage her, dass Frau Narata ihnen mitgeteilt hatte, dass sie nicht mehr Nachsitzen mussten und sie somit den Nachmittag für Mathematik verwenden konnten. Dennoch überraschte es, dass er hier auftauchte, nur um diese Frage zu stellen. Außerdem hatte er zwei Sätze gesagt, ohne sie mit irgendetwas aufzuziehen und ohne sein typisches Grinsen. Das war ungewohnt. »Weder noch«, antwortete sie langsam, nachdem sie ihn für einige Sekunden eingehend gemustert hatte. Für diese Antwort erntete sie einen kaum merklichen überraschten Blick. »Wir werden hier in der Schule lernen. In der Bücherei.« Oikawa sah wenig begeistert über ihre Antwort aus. »Wieso? In der Bücherei ist es stickig und ungemütlich. Oder ist es, weil-« »Nein,« unterbrach ihn Asuna, da sie wusste, worauf er hinaus möchte, »also nicht hauptsächlich. Die Bücherei ist eine natürliche Lernumgebung und ideal für Nachhilfe.« »Nicht hauptsächlich?«, erwiderte er und ihr war klar, dass er gerne detaillierter über Gedanken gesprochen hätte. Allerdings war es ein denkbar ungünstiger Moment, um dieses Thema zu vertiefen. Vor allem, wenn sie sich ihre Mitschülerinnen so ansah. Einige von ihnen schienen mit sich selbst zu hadern, ob sie Oikawa ansprechen sollten. »Ja, also treffen wir uns Montag in der Bücherei, oder?« Oikawa schien noch etwas hinzufügen zu wollen, allerdings überlegte er es sich anders. Wieder etwas, dass Asuna aus der Bahn warf. »Okay. Übrigens habe ich dank Iwa Hatakes und somit auch deinen Stundenplan. Ich habe am Montag eine Stunde früher aus und werde in der Sporthalle sein. Können wir uns dort treffen? Wenn ich Volleyball spiele, neige ich dazu, die Zeit zu vergessen.« »Klar...« Sie zögerte und genau in diesem Moment kam ihr Maya, eine beliebte Schülerin ihrer Klasse und Vorsitzende des Leichtathletikclubs, zuvor. Asuna beobachtete, wie sie ihre langen schwarzen Haare zurückwarf und ihr einen flüchtigen Blick schenkte. Maya war sehr hübsch und wenn Asuna ihren Charakter genauer beschreiben müsste, würde sie die Worte extrovertiert, hartnäckig und selbstbewusst verwenden. Maya zögerte nicht, als sie Oikawa fragte: »Entschuldigt die Unterbrechung, aber ich wollte nur fragen, ob du mal mit mir ausgehen möchtest?« Sie redete nicht um den heißen Brei herum, sondern kam sofort zum Wesentlichen. Neugierig beobachtet Asuna die Situation. Sie rechnete es Maya hoch an, dass sie Oikawa vor allen anderen in der Klasse um ein Date bat. Immerhin hatte sie es bereits so oft erlebt, wie andere Schülerinnen vor sich hin stammelten und einen hochroten Kopf in seiner Gegenwart bekamen, nur um es sich anders zu überlegen. Doch die 17-Jährige wirkte alles andere als unsicher. Außerdem war ihr bewusst, dass sie selbst auf ihre Mitschülerinnen vielleicht einschüchternd wirken konnte. Das war wohl ihrer unfreundlichen Ausstrahlung geschuldet, wie es Jana mal bezeichnet hatte. Langsam wanderten Asunas Augen wieder zu dem Setter, woraufhin sich ihre Blicke kreuzten. Sie stockte kurz und hob ihre Augenbrauen. Hör auf zu starren und antworte, wollte sie damit vermitteln. »Tut mir leid,« begann er und sah Maya zum ersten Mal richtig an, weshalb diese auffallend die Luft einzog, »aber ich habe kein Interesse und auch keine Zeit für Dates.« Sofort senkten sich ihre Schultern und auch Asuna hatte mit dieser eindeutigen Antwort nicht gerechnet. Eigentlich lief dieser Moment immer gleich ab. Die Mädchen kamen auf ihn zu, fragten ihn um ein Date und Oikawa vertröstete sie mit einem Lächeln auf ein anderes Mal. Dieses Mal hingegen tat er genau das Gegenteil. Er lächelte nicht und er sagte auch klar und deutlich, dass er kein Interesse hatte. Das sorgte nicht nur bei Asuna für Überraschung, sondern auch bei Maya, die zumindest nicht mit einer solchen Abfuhr gerechnet hatte. »Oh, schade.« Sie zwang sich zu einem Lächeln und machte kehrt. Während Maya mit ihren Freundinnen die Klasse verließ, um vermutlich über diesen gescheiterten Versuch zu sprechen, widmete sich Asuna wieder ihrem Gegenüber. Sie sagte nichts, sondern musterte Oikawa eingehend. Irgendwie verhielt er sich seit Beginn anders. »Alles...okay?«, hörte sie sich selbst über den Lärm der tratschenden Schüler, die sich wieder von dem Ereignis losgerissen hatten, hinweg sagen. Es war eine Frage, die sie stets bis ins Unermessliche nervte, aber manchmal einfach notwendig war. Oikawa richtete sich kaum merklich auf und starrte vehement auf ihr Heft mit den fein säuberlichen Notizen für Chemie, welche unter ihrem Schulbuch sichtbar waren. »Ist es das nicht immer?«, stellte er eine Gegenfrage, die sie kurz aus der Bahn warf. Obwohl Umgebung, Worte und insbesondere Atmosphäre gegen ein Déjà-vu sprachen, kam es ihr so vor banal vor wie damals nachts in ihrem Zimmer. Sie hatte diese Seite an Oikawa erst einmal gesehen und das hatte sie völlig irritiert. Vielleicht hatte es auch daran gelegen, dass sie sich kaum mit seinen Bürden, seinen Emotionen und seiner Person auseinandergesetzt hatte. Jetzt, da sich ihre Gedanken öfters um den Setter drehten und sie gleichzeitig versuchte, ihn zu verstehen, konnte sie seine Aussage besser nachvollziehen. Nicht völlig, aber zumindest besser als damals. »Nur, wenn man es sich einbildet und sich weigert, mit anderen darüber zu reden.« Sie war nicht gut darin, andere aufzumuntern, aber sie war zumindest besser darin, sich in andere hineinzuversetzen. Und wenn sie etwas wusste, dann, wie es war, sich alles schön zu reden und zu glauben, dass alles okay war. Oikawa musterte sie eingehen, ehe er sich erhob und erst ausgiebig streckte. Anschließend schob er seine Hände in die Hosentaschen und beugte sich zu ihr. Asuna verharrte in ihrer Bewegung und kniff kaum merklich ihre Augen zusammen. »Wirst du etwas sentimental, Kura-chan?«, fragte er mit einem abwertenden schiefen Grinsen und es war offensichtlich, dass er nicht viel von ihren Worten hielt. Dabei lag es nicht daran, dass sie von Asuna kamen. Es waren schlichtweg die Worte selbst, die einen wunden Punkt getroffen hatten. Sie wusste das, und deshalb ließ sie sich auf die Provokation nicht ein. »Nicht wirklich, aber nichts und vor allem niemand ist immer okay.« Asuna setzte sich aufrecht hin und nahm ihr Schulbuch wieder in die Hand. »Das sollten wir eigentlich beide wissen.« »Sollten wir«, hörte sie ihn leise sagen, während er Abstand von ihr nahm und ein paar Schritte nach hinten machte. »Vielleicht musst du mich einfach des Öfteren daran erinnern.« Er zuckte mit den Schultern und wartete gar nicht auf ihre Antwort. Unter den heimlichen neugierigen Blicken der anderen verschwand er aus ihrer Klasse. Zurück ließ er eine frustrierte Asuna. Es war erst Vormittag und doch hatte Oikawa sie wieder einmal verwirrt. ♛♔ Als Asuna mit Jana zwei Tage später das Schulgebäude verließ, vermisste sie sofort den Strand und die Sonne in Okinawa. Hier in Miyagi war es doch um einiges kälter und die Temperaturen erinnerten sie daran, dass es doch schon Anfang Oktober war. Oktober bedeutete unter anderem auch, dass das Volleyballteam nicht mehr lange bis zu den Playoffs hatten. Laut Jana war dies eine Tatsache, die Iwa beinahe durchdrehen ließ. Ein Grund, weshalb beide nun auf den Weg in die Sporthalle waren. Laut ihrer besten Freundin sollten sie das Team mental unterstützen. Auch wenn Asuna nicht ganz klar war, in welcher Weise ihre Anwesenheit als Unterstützung fungieren sollte. »Ist dir Oikawa, seit wir zurück sind, irgendwie merkwürdig vorgekommen?«, fragte Jana plötzlich, während sie die Halle betraten und die Zuschauertribünen aufsuchten. »Du meinst merkwürdiger als sonst?«, versuchte sie zu scherzen. Immerhin war er schon immer irgendwie anders gewesen. Aber sie wusste, worauf Jana hinauswollte. Vor allem nach seinem Besuch in der Klasse. »Nein, also eigentlich ja. Hajime meinte, dass ihn das Meisterschaftsspiel total stresst, allerdings anders als sonst.« Die beiden suchten sich einen Platz weiter vorne. Sie waren nicht die einzigen hier. Es kam öfters vor, dass Schüler dem Team beim Training zusahen. Manche kamen aufgrund der Spieler, andere um einfach hier abzuhängen. Asuna musste zugeben, dass das Quietschen der Schuhe...beruhigend war. »Vor zwei Tagen war er in unserer Klasse und ich muss Iwa recht geben. Er ist zurzeit nicht der Oikawa, den man gewohnt ist. Ich kenne Oikawa nicht so gut wie Iwa, aber zumindest weiß ich, dass für ihn Volleyball an erster Stelle steht. Auch wenn das Ende der Oberschule nicht das Ende von Volleyball bedeutet, sind es nach wie vor die letzten, die Iwa, Oikawa und die anderen aus der Dritten spielen werden. Das letzte Mal gemeinsam als Team auf dem Feld stehen. Die letzte Chance, um das Turnier zu gewinnen. Das muss wirklich beängstigend sein. Nach diesem Jahr trennen sich immerhin deren Wege und zusätzlich trifft das Erwachsenenleben sie mit voller Wucht. Also nicht nur sie. Sondern auch uns.« Asuna stoppe mit ihren Gedanken und auch Jana hatte gemerkt, dass ihre Worte in eine andere Richtung gingen. »Ohhhh, lass das! Wenn du weitersprichst, muss ich heulen. Ich will nicht erwachsen werden. Ich will nicht, dass wir uns nicht mehr so oft sehen wie jetzt.« Theatralisch legte sie einen Arm um Asuna. »Ah, ja. Tut mir leid. Irgendwie überkam es mich gerade.« Sie lachte und drückte Jana kurz an sich. Bis jetzt hatte sie es tatsächlich vermieden, lange darüber nachzudenken. »Schon gut. Ich werde dich nach unserem Abschluss ohnehin nerven, dich jeden Tag anrufen und dich mindestens einmal besuchen.« »Ich liebe dich, Jana, aber wenn du das tust, muss ich deine Nummer blockieren.« Sie lachte, obwohl sie ernst bleiben wollte und erhob sich anschließend, um sich ans Geländer zu stellen. »Aber um auf vorhin zurückzukommen, – ich glaube, dass Oikawa in dem Stadium ist, welches nach der Nervosität und all dem kommt. Keine Ahnung, ob das Sinn macht, aber ich glaube, seine Gedanken erdrücken und zerreißen ihn von innen.« Sie legte ihren Kopf schief und suchte nach besagtem Spieler. Er stand am Spielfeldrand und beobachtete jeden einzelnen seiner Mitspieler genau. Sein Gesichtsausdruck war nachdenklich und zugleich mehr als nur ernst. Er war in seiner eigenen Welt, bekam auch nicht mit, wie viele Schülerinnen ihn gerade auf der Tribüne anhimmelten. »Ja, so etwas hat Hajime auch gesagt. Hört sich schmerzhaft an.« Jana stellte sich neben sie. »Oikawa hat einen wirklich...komplizierten Charakter, auch wenn es irgendwie auf den ersten Blick nicht den Anschein macht.« Oh ja. Asuna konnte ihrer Freundin nur zustimmen. Oikawa war vieles, aber nicht einfach oder leicht zu durchschauen. Es lag viel mehr hinter diesem attraktiven Aussehen als die Liebe für Aufmerksamkeit und die fehlende Ernsthaftigkeit in gewissen Situationen. Und Volleyball war nicht nur einfach eine Leidenschaft. Es war Teil seines Lebens. Sie hatte ihn noch nicht gefragt, was er nach der Schule vorhatte, doch es musste etwas mit Volleyball zu tun haben. Bestimmt hatte ein Team hier in Japan jetzt schon ein Auge auf ihn geworfen. Etwas anderes konnte sie sich nicht vorstellen. Nicht um sonst war er ständig in den Ausgaben der Monthly Volleyball zu sehen. »Glaubst du, dass von dort unter unseren Rock sehen kann?«, fragte Jana plötzlich und deutete auf die Glasfront nach unten auf das Feld. Asuna griff nach dem Saum ihres Rockes, der ihr nicht ganz bis zu den Knien reichte. In dem Moment kam Watari in ihre Richtung, hob den Ball auf, der anscheinend bis hierhin gerollt war und erstarrte kurz, als er die beiden sah. Er murmelte ein paar Worte, die sie nicht verstanden. Es hätte anscheinend irgendwelche Grußworte sein sollen, denn zusätzlich dazu verbeugte er sich. Jedoch war er so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Asuna sah zu Jana, woraufhin beide anfingen zu lachen. »Ich glaube, da hast du deine Antwort.« »Gut, dass ich heute meine schicke Unterwäsche angezogen habe«, fügte Jana kichernd hinzu. Nach der Ausgelassenheit verfielen beide wieder in Schweigen. Erst später fragte Asuna: »Hast du Lust, nächsten Samstag mit mir für die Englischwiederholung zu lernen?«, fragte Asuna, während sie den Blazer auszog. Hier war es doch wärmer als gedacht. »An einem Samstag?« Jana verzog wenig begeistert das Gesicht. »Kannst du dafür nicht auch gleich mit Oikawa lernen?« »Du weißt genau, dass sie trainieren. Außerdem hilft er mir bereits am Montag. Wenn du nicht willst, dann-«, begann sie, wurde aber von ihrer Freundin unterbrochen. »Nein, schon gut. Ich lerne gerne mit dir. Immerhin lerne ich dann wirklich und lasse mich nicht alle fünf Minuten von meinem Handy ablenken.« Sie grinste. »Gut, bei dir? Ich war schon ewig nicht mehr bei euch zuhause.« Sie liebte Janas Zuhause. Es war so herzlich, warm und auch ein wenig chaotisch. Wie...Jana. »Klar, meine Eltern haben ohnehin bereits nach dir gefragt. Aber versprich mir, dass wir um 20 Uhr fertig sind.« Sie faltete bittend ihre Hände und schob ihre Unterlippe nach vorne. Mit einer gewissen Vorahnung runzelte Asuna die Stirn. »Wieso?« »Weiiiiiil Tsuyu aus der Nebenklasse ihren Geburtstag feiert und uns vorhin eingeladen hat, als du irgendwelche Schulsprecherdinge erledigt hast.« Als Asuna bereits ablehnen wollte, setzte sie hastig fort: »Also nichts Großes, sondern nur im kleinen Rahmen. Abzulehnen wäre unhöflich. Vor allem da ich schon zugesagt habe.« Ein fettes Grinsen zierte ihr Gesicht. »Schon gut, aber dafür lernen wir umso mehr«, antwortete sie nach kurzem Zögern. »Natürlich tun wir das.« Die Dunkelhaarige nickte eifrig. Das würde sie noch bereuen, dachte sich Asuna nun doch belustigt. Jana war nicht schlecht in der Schule, aber sie könnte noch besser sein, wenn sie mehr lernen würde. Dafür war sie aber eindeutig zu faul und somit das krasse Gegenteil von ihr selbst. Sie hätte noch länger darüber nachgedacht, doch ihr Blick wanderte wie von selbst zu Oikawa, der mit einem Volleyball am Spielfeldrand stand und sich keinen Zentimeter bewegte. Niemandem schien es bis jetzt aufgefallen zu sein, doch er starrte vehement auf den gelb-blauen Ball in seinen Händen. Theoretisch hätte es sein gängiges Verhalten im Training sein können. Immerhin war sie bisher kaum hier gewesen, doch da er sich bereits die ganze Woche immer merkwürdiger verhielt, glaubte sie nicht daran. Asuna kaute auf ihrer Lippe herum und hätte ihn am liebsten gefragt, ob es ihm gut ging. Doch sie wusste, wohin dies führen würde. Immer ist alles okay. Sie hasste diese Antwort und doch würde sie genau dieselben Worte nutzen. »Sehe ich da etwa Sorge in deinem Gesicht?«, kam es plötzlich von Jana. »Um ehrlich zu sein, ja. Auch wenn mich seine Sprüche und Aussagen meistens nerven, sind sie mir viel lieber als diese Schweigen und der nachdenkliche Ausdruck im Gesicht. Ich würde ihm gerne helfen, aber abgesehen davon, dass ich nicht weiß wie, wird er das wohl oder übel alleine schaffen müssen. Außerdem hat er die Unterstützung seines Teams, auch wenn er glaubt, alles alleine schaffen zu müssen.« Was sollte sie schon großartig in dieser Situation tun? Er hatte offensichtlich Stress. Nicht nur, dass die Abschlussprüfungen, für die er trotz seiner natürlichen Intelligenz lernen musste, bevorstanden. Die letzten Meisterschaften der Drittklässler zwangen sie dazu, jede freie Minute in der Sporthalle zu verbringen. Selbst wenn Volleyball der Lebensmittelpunkt war, konnte es einen mental ins Negative beeinflussen. »Eigentlich würde ich sagen, dass du ihn wenigstens auf andere Gedanken bringen kannst, aber das ist ja keine Option mehr.« Jana zuckte grinsend mit den Schultern. »Und wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet Kurasaki Asuna jemals über Oikawa Tōru ihren Kopf zerbricht? Und dann auch noch über Volleyball? Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der du dich richtig dagegen gesträubt hast, überhaupt mit mir hierher zu kommen.« »Was soll das jetzt heißen? Ich kann ihn auch mit meinem äußerst faszinierenden Charakter und nicht nur mit meinem Körper auf andere Gedanken bringen«, erwiderte sie empört auf ihre erste Frage bezogen. Auch wenn sie zugeben musste, dass es mit nackter Haut durchaus einfacher wäre. »Was allerdings das andere betrifft: Ich schätze...ich bin gerade dabei, all das herauszufinden.« »Dann«, begann Jana, unterbrach sich aber selbst, um Iwa aufgeregt zu zuwinken, »solltest du dich beeilen. Es ist fast Ende Oktober und das Schuljahr dauert nicht mehr ewig. Nach dem Schulschluss wirst du in Tokio sein und Oikawa? Keine Ahnung, aber jeder weiß, wie schwer es ist, nach der Oberschule Kontakt zu halten.« Asuna musste unweigerlich den Klos in ihrem Hals hinunterschlucken. Die Worte ihrer Freundin wogen schwer, weil sie absolut der Wahrheit entsprachen. Es blieb tatsächlich nicht viel Zeit, um all das zu klären. Und selbst wenn sie sich darüber im Klaren war, wusste sie nicht, wie es nach der Schule weitergehen würde. »Du hast recht«, meinte sie deshalb nur kurz angebunden. Während sie sich am Geländer abstützte, beobachtete sie die Spieler weiter beim Training. Sie sprach mit Jana über die einzelnen Mitglieder, sammelten einige Dinge, die sie über sie wussten. Irgendwann sagte ihre beste Freundin: »Oikawa scheint noch immer etwas zu beschäftigen.« Scherzend fügte sie schließlich noch hinzu: »Willst du nicht doch etwas Haut zeigen?« Sie verzog das Gesicht. »Abgesehen davon, dass ich mich hier schlecht ausziehen kann, sind die Zeiten von nackter Haut vorbei.« »Ich meinte doch nicht, dass du dich ausziehen sollst«, schmunzelte sie und wandte sich zu ihr. Sie streckte ihre Arme aus und griff nach ihrer roten Krawatte. Geschickt lockerte sie diese. Asuna ließ es skeptisch über sich ergehen. Manchmal war es besser, Janas Gedankengänge nicht verstehen zu wollen. »Obwohl es irgendwie lustig wäre, die Reaktionen der anderen zu sehen.« »Dafür, dass du nur gescherzt hast, macht dir das eindeutig zu viel Spaß.« Asuna hob belustigt ihre Augenbrauen. Sie erinnerte sich daran, dass sie damals von Janas Charakter ziemlich überrumpelt war. Vielleicht lag es daran, dass die meisten Japanerinnen nicht so offen waren wie Frauen aus anderen Ländern. Aber dank Jana war sie gewissen Dingen gegenüber definitiv aufgeschlossener. »Du hast ja keiner Ahnung«, lachte sie. »Wenn mich ein Lehrer so sieht, kann ich tatsächlich für das restliche Jahr nachsitzen«, meinte Asuna nur dazu, während sie ihre Krawatte auf die Seite schob. Die Kleidervorschriften waren an einer Privatschule wie der Seijoh streng, und wenn man sich nicht daran hielt, zog das Konsequenzen nach sich. Die locker gebundene Krawatte oder auch der geöffnete erste Knopf würde für Aufregung unter den Lehrern sorgen. »Eigentlich sollten wir eine Petition starten. Die Krawatten nerven und die Röcke haben eine bescheuerte Länge. Und von den Farben will ich erst gar nicht anfangen. Wer hat sich dieses Design eigentlich ausgedacht?«, beschwerte sich Jana und zupfte an ihrer eigenen Kleidung herum. »Die Uniform gibt es bereits so lange wie die Schule selbst. Viel Glück also, wenn du daran etwas ändern möchtest.« Asuna stimmte Jana insgeheim zu. Genauso musste sie zugeben, dass es eindeutig angenehmer war, wenn die blaue Bluse nicht bis obenhin zugeknöpft war. »Was macht ihr zwei da?«, ertönte es auf einmal vom Spielfeld. Iwa sah die beiden verwirrt an, während er mit dem Ball in der Hand zu ihnen herauf sah. Jana drehte sich um und antwortete todernst: »Ich ziehe Asuna aus.« Sie konnte jedoch nicht lange ernst bleiben und grinste ihrem Freund ins Gesicht. Asuna stützte sich mit dem Arm am Geländer ab und verfolgte das ausgelassene Gespräch der beiden. Indes tasteten ihre Finger nach ihrer Halskette, die sie manchmal trug. Eine schlichte goldene Kette mit einem langen dünnen Anhänger, welcher in ihrem Dekolleté verschwand. Dabei verrutschte ihr Armband, sodass ihr Blick darauf fiel. Es war jenes von Oikawa. Nach wie vor trug sie es, wenn ihr danach war. Heute hatte sie besonders gut zur Halskette gepasst. Während sie ihren Gedanken nachhing, flog ihr Blick über das Spielfeld. Dabei fiel ihr auf, dass Oikawa keinem von ihnen nennenswerte Aufmerksamkeit schenkte. Sie beobachtete ihn ungeniert und wieder würde sie ihm gerne seine Zweifel, seine Sorgen und alles andere abnehmen, aber natürlich konnte sie das nicht. Es war, als würde ihn eine dunkle Aura umgeben. Sie wusste, es klang bescheuert, aber sie konnte es nicht anders beschreiben. Ob die Meisterschaften das Einzige waren, was ihm zusetzte? Oder war da mehr? Wenn er bloß nicht so schwer zu lesen wäre, kam ihr in den Sinn. Sie hätte noch weiter gestarrt, wenn er nicht in diesem Moment zu ihr gesehen hätte. Es sollte nur ein flüchtiger Blick sein, doch anscheinend verwirrt ihn ihr Erscheinungsbild genauso wie seinen besten Freund. Beinahe hätte sie gelacht. Er dachte zumindest für wenige Sekunden nicht an Volleyball. Es hatte anscheinend doch etwas Gutes, dass Jana ihre Uniform verunstaltet hatte. »Asuna«, vernahm sie ihren Namen und richtete ihre Augen auf Jana, die sie erwartungsvoll ansah. »Hm?« Sie stoppte mit dem Spielen ihrer Kette. »Ich habe jetzt drei Mal deinen Namen gesagt, wieso hörst du-«, begann sie, wurde aber unterbrochen, »Oi, Iwa! Lass dich nicht von deinem Mädchen ablenken und trainiere gefälligst.« Iwa rollte mit den Augen, tat aber wie befohlen. Ungewöhnlich für das Ass, aber anscheinend wollte er seinem besten Freund auch nicht widersprechen. Offensichtlich lag das an dem derzeitigen Gemüt des Setters. Sie konnte es Iwa nicht verübeln. Mit einem wütenden Oikawa wollte sie sich nicht anlegen. Er warf seinem Kapitän einen schnellen Blick zu und murmelte etwas Unverständliches, ehe er sich den Ball schnappte und zu den anderen zurückging. Oikawa allerdings kam ihnen etwas näher. »Ihr zwei lenkt meine Spieler ab.« Wenig begeistert runzelte er die Stirn. »Nur diejenigen, die sich ablenken lassen wollen, lassen sich ablenken«, erwiderte Jana altklug, »und solange sich der Kapitän nicht ablenken lässt, ist doch alles gut, nicht wahr, Oikawa-san?« Asuna sah von Jana zu Oikawa. Sie hatte eine Ahnung, worauf ihre Freundin anspielte, aber sie hatte keine, was sie damit bezweckte. Bevor der Setter antworten konnte, kam ihm Asuna zuvor: »Er hat recht, Jana. Wenn jemand Iwa ablenkt, dann du. Deshalb sollten wir jetzt wirklich gehen.« Sie griff nach ihrem Blazer, um ihren Worten Ausdruck zu verleihen. Jana wollte protestierten, sah aber schnell ein, dass sie wohl keine Chance haben würde. Aus diesem Grund verabschiedeten sie sich und verließen die Tribüne. Erst als sie ins Freie traten, fand ihre Freundin wieder ihre Sprache: »Soll ich ehrlich sein, Asuna? Ich glaube nicht, dass ihr alle vier Punkte auf eurer Liste braucht. Versteh mich nicht falsch. Mir ist bewusst, warum ihr das tut, aber...« Sie zögert, »...mehr will ich dazu nicht sagen.« Asuna sagte dazu nichts, doch diese Worte brannten sich in ihren Kopf. Wenn sie an die Liste dachte, dann wurde sie nervös. Sie bekam sogar dezent Panik, weil sie das Ergebnis nicht beeinflussen konnte. Gefühle oder keine Gefühle. Beides stand nicht in ihrer Macht und das hasste sie. Sie konnte sich noch so oft diese Nacht, dieses Date, diese unschuldige Umarmung oder diesen Kuss ausmalen. Sie musste es auf sich zukommen lassen und das war für sie das Schlimmste. Kapitel 27: worries and clichés ------------------------------- ● • . Asuna machte sich am Montag nach der Schule auf den Weg zu der Sporthalle, um Oikawa abzuholen. Wie versprochen. Es war 15 Uhr 35, also musste er seit einer Stunde hier sein. Bereits von Weitem hörte sie das Aufprallen des Balls, da zu ihrer Überraschung die Tür offenstand. Sie betrat die Halle nicht, sondern blieb in der Tür stehen. Sie hatte natürlich nicht vergessen, dass er sich bereits Anfang der Woche merkwürdig verhalten hatte. In den letzten Tagen hatte sie jedoch nicht mit ihm gesprochen und gesehen hatte sie ihn am Wochenende auch nicht. Vielleicht hatte er sich mittlerweile...beruhigt, doch wenn sie ihn sich so ansah, dann schwand ihre Hoffnung. Es war auch naiv von ihr zu glauben, dass negative Emotionen einfach so verschwanden. Neugierig musterte sie den Setter, der sie noch nicht bemerkt hatte. Er hatte sich seine Sportkleidung angezogen und stand bei der letzten Linie. Vermutlich um aufzuschlagen. Etwas anderes war ohne weitere Spieler auch nur schwer möglich. Asuna fiel allerdings schnell auf, dass er sich auch hier anders verhielt. Er starrte lange auf den Ball in der Hand, ehe er einige Schritte zurückging und den Ball routiniert aufprallen ließ. Oikawa warf den Ball hoch und stieß sich fast im selben Augenblick ab. In einer eleganten Bewegung, die zugleich an Aggressivität nicht zu überbieten war, traf er das Objekt seiner Begierde mit voller Wucht. Es war wie eine Kanonenkugel und Asuna war froh, dass sie nicht auf der anderen Seite stehen musste. Im Vergleich zu den Aufschlägen, die sie bis jetzt in Matches von ihm gesehen hatte, war dieser hier geprägt von Frustration, aber auch Ärger über genau diesen Frust. Sie fragte sich, woher diese Emotion kam, aber es war nebensächlich, als er wieder am Boden aufkam und mit seinem rechten Bein beinahe einknickte. Asuna, die bis jetzt am Türrahmen angelehnt stand, richtete sich erschrocken auf. Oikawa griff sich indes an das Knie und biss seine Kiefer fest aufeinander, während er seine Augen hartnäckig auf den Boden richtete. Sie wusste nicht wieso, aber der anfängliche Schock wurde schnell ersetzt durch ein anderes Gefühl. Wut. »Baka«, hörte sie sich selbst sagen. Das Wort klang unnatürlich laut in der leeren Sporthalle. Oikawa, der trotz Abmachung überrascht über ihre Erscheinung war, sah auf. Der verbissene Ausdruck schwächte ab. »Seit wann stehst du schon da?«, fragte er und ignorierte ihre dezente Beleidigung. Seine Hand lag nach wie vor auf seinem Knie. »Dafür, dass du ziemlich klug bist, bist du manchmal richtig dumm.« Sie konnte den Ärger in ihrer Stimme nicht unterdrücken. »Wie lange?«, stellte sie ihm schließlich die knappe Frage und musste gar nicht näher auf das Was eingehen. Er richtete sich auf, zuckte mit den Schultern und erwiderte, als wäre es etwas völlig Normales und Nebensächliches: »Ungefähr seit einem halben Jahr.« »Seit einem...halben Jahr?«, begann sie ungläubig und musste sich zusammenreißen, um ihm nicht mit ihrer Umhängetasche eine überzuziehen. Doch was hatte sie erwartet? Es war Oikawa. Weder eine Verletzung noch Schmerzen würden ihn davon abhalten, Volleyball zu spielen. Aus diesem Grund war es einfach aussichtslos, sich über ihn Sorgen zu machen. Seufzend ließ sie ihre Schultern sinken. »Weiß du was? Vergiss es. Ich warte hier auf dich, falls du dich noch umziehen möchtest.« Egal was sie sagen würde, Oikawa würde schief grinsen, es ins Lächerliche ziehen und das Gespräch in eine völlig andere Richtung lenken. Es war oft so und es war genau wie damals, als er nachts in ihrem Zimmer gestanden und sie geküsst hatte. Wenn Asuna darüber nachdachte, dann erinnerten sie viele Gespräche und Aussagen von dem Setter in den letzten Wochen an damals. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, meinte Oikawa plötzlich und sah nicht aus, als würde er das hier und jetzt klären wollen. »Wenn du das sagst.« Asuna sah ihn nicht an und griff nach einem der unzähligen Bälle, die auf dem Boden lagen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie man ihn auch nur ansatzweise bewusst über das Netz schlagen konnte. Etwas überrascht über ihre teilnahmslosen Worte, hob er seine Augenbrauen. »Du bist tatsächlich wütend«, stellte er fest. Kurz schwieg sie, während sie den Ball in ihrer Hand drehte. »Bin ich nicht.« War sie. »Bist du. Und es stimmt. Es ist wirklich nicht so schlimm wie es aussieht. Ich war beim Arzt und der hat mir das Okay geben.« Asuna seufzte abermals tief bei seiner Erklärung. Selbst wenn er das Okay des Arztes hatte, wusste er bestimmt nicht, wie viel Oikawa tatsächlich spielte. Er kam als Erster zum Training und ging als Letzter. Er verausgabte sich ständig, weil er niemanden enttäuschen wollte. Mag sein, dass ihm der Sport alles bedeutete und er seine Teamkollegen nicht im Stich lassen wollte. Dafür brauchte sie gar nicht beim Training dabei sein. Es war einfach typisch Oikawa. Am Ende stellte er Volleyball über seine eigene Gesundheit. Und genau deshalb war sie so verärgert darüber. Dennoch meinte sie: »Wütend oder nicht, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Es ist deine Sache.« »Sicher? Es gefällt mir nämlich nicht, wie du das sagst«, murmelte er. »Wieso? Ich sagte doch, dass es deine Sache ist.« »Das ist es ja. Du sagst es, meinst es aber nicht.« Mittlerweile war er es, der fast schon wütend klang. »Schön«, begann Asuna und schmiss ihm fest den Ball, den er mit Lockerheit fing, zu, »ich bin wütend. Warum? Weil du in letzter Zeit anscheinend ganz auf deine Gesundheit vergisst und dich der Druck, den du dir selber machst, offensichtlich so sehr stresst, dass du nicht mal mehr auf andere Schülerinnen reagierst, wenn sie mit dir flirten.« Sie verschränkte ihre Arme und sah ihn vorwurfsvoll an. »Du verhältst dich nicht wie sonst.« »Also wäre es dir lieber, wenn ich mich darauf einlassen würde?«, erwiderte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Verdreh nicht meine Worte. Das wollte ich nämlich nicht damit sagen.« Asuna ließ ihre Tasche fallen und krempelte die Ärmel ihrer Bluse nach oben. »Ich weiß, dass es eure letzte Meisterschaft vor dem Abschluss ist, aber deshalb solltest du dich nicht zu Tode trainieren. Das hilft weder dir noch deinem Team. Volleyball soll Spaß machen, schon vergessen?« »Es macht doch Spaß«, grummelte er fast schon beleidigt, »Es ist nur so, dass ich...gewinnen will. Um jeden Preis. Mir ist egal, ob ich dabei Schmerzen habe. Außerdem...will ich niemanden enttäuschen.« »Ich weiß, dass du gewinnen willst. Auch weiß ich, dass du niemanden enttäuschen möchtest.« Sie war sich allerdings sicher, dass er das niemals konnte. Niemand würde ihm die Schuld für eine Niederlage geben. Immerhin wusste jeder, wie hart er arbeitete. Aus diesem Grund fügte sie hinzu: »Du sollst dir nur keine ernsthaftere Verletzung zuziehen. Das ist alles.« Asuna schob mit ihrem Fuß die Tasche auf dem Boden zur Seite und anschließend trat sie einen Ball aus dem Spielfeld, damit er nicht störte. »Deshalb warst du so wütend,« begann er ahnend, nachdem er sie kurzzeitig eingehen gemustert hatte, »du machst dir Sorgen.« Als sie diese Worte hörte, spürte sie die Hitze, die in ihre Wangen stieg. Natürlich machte sie sich Sorgen um ihn. Es war nicht so, als wären sie einfach nur Bekannte. Oikawa bedeutete ihr...viel. Um das zu wissen, brauchte sie keine Liste. »Natürlich tue ich das. Vor allem da ich weiß, dass du viel zu stur bist, um auf mich zu hören. Auch ist mir bewusst, dass Volleyball deine Nummer eins ist, also kann ich es auch irgendwie verstehen.« Sie mied seinen Blick, indem sie den Ball in seiner Hand fixierte. »Wie wäre es, wenn wir das Gespräch beenden und stattdessen eine Runde spielen?«, machte sie den Vorschlag, da sie hastig davon ablenken wollte, dass sie ihm Recht gegeben hatte. »Interessant, dass du wütend wirst, wenn du besorgt bist. Das...du bist...niedlich.« Er ignorierte mit einem dezenten Schmunzeln ihre Worte. Das wusste Asuna, auch ohne ihn anzusehen. »Also...spielen wir?« Sie nahm ihm wieder den Ball aus den Händen. Zumindest wollte sie das tun, doch Oikawa gab ihn nicht her. »Unter einer Bedingung«, erwiderte er und zog mit einem Ruck den Ball und somit auch Asuna näher zu sich. Beinahe wäre sie gestolpert. »Die wäre?« Sie runzelte ihre Stirn und ließ schnell los, da seine Bedingungen nie wirklich zu ihren Gunsten ausfielen. »Du hörst auf, dir Sorgen zu machen.« Sein anfänglicher gelassener Blick wandelte sich zu einem ernsten. Asuna verdrehte darüber die Augen. Sie hatte so etwas geahnt. »Man kann nicht einfach aufhören, sich Sorgen zu machen. Das ist ein...natürliches Gefühl, welches nicht unterdrückt werden kann.« »Mag sein, aber ich mag es nicht, wenn du wütend auf mich bist. Also lass das.« Natürlich gab er nicht nach, weshalb sie ihn im ersten Moment einfach nur anstarrte. Er war nicht nur stur, wenn es um Volleyball ging. So war es einfach immer. »Kann ich leider nicht versprechen«, gab sie deshalb zurück und blieb genauso hartnäckig. Um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, riss sie ihm den Ball aus der Hand. »Zeig mir lieber, wie man diesen Sprung macht, um schnell zu punkten.« Sie hatte genug von dieser Diskussion, wenn sie ehrlich war. »Das nennt sich Spike«, sagte er fast schon genervt von ihrer Unwissenheit über seinen Lieblingssport, »und nein. Wozu? Du kommst doch nicht mal bis zur Netzkante, wenn du springst.« »Sagt wer?« Provokant reckte sie ihr Kinn nach oben, froh darüber, dass sie vom eigentlichen Thema abgewichen waren. »Ich weiß nicht. Das metrische System vielleicht?«, erwiderte er sarkastisch und musste zugeben, dass er diese Diskussion gewonnen hatte. »Das metrische System...«, wiederholte sie leise und schüttelte ihren Kopf. Sie drehte Oikawa den Rücken zu und machte ein paar Schritte in Richtung Netz. Jetzt, wo sie dicht davor stand, kam es ihr noch höher vor als ohnehin schon. Oikawa war ihr gefolgt und sah sie mit verschränkten Armen abwartend an. »Willst du mir jetzt beweisen, dass ich Recht habe, oder...?« Er ließ die Frage offen im Raum stehen und obwohl sie natürlich von Anfang an gewusst hatte, dass sie nie im Leben die Netzkante erreichen konnte, antwortete sie: »Sieh zu und lerne, Oikawa.« Asuna räusperte sich. Anschließend ging sie in die Knie und sprang hoch. Sie streckte ihren Arm aus, berührte das Netz und landete sofort wieder auf ihren beiden Beinen. »Bist du sicher, dass das richtig eingestellt ist? Ich meine...ist das die richtige Höhe für ein Volleyballnetz?«, fragte sie, nachdem sie sich wieder zu Oikawa gedreht hatte. Dieser unterdrückte offensichtlich sein Grinsen, doch Asuna reagierte nicht darauf. Wie zum Teufel konnte jemand so hoch springen? »Für Männer, ja. Für Frauen wäre es etwas niedriger. Aber sag mir, was genau ich dabei hätte lernen sollen? Wie ich gerade mal bis hierhin«, er deutete auf eine Höhe, die ungefähr 20cm unter dem weißen Rand endete, »komme? Wirklich lehrreich, Kurasaki.« Auch ohne sein Grinsen war klar, dass er sich lustig über sie machte, allerdings störte es sie nicht. Damit hatte sie ihr Ziel, ihn auf andere Gedanken zu bringen, fast erreicht »Ich frage dich jetzt nicht, ob du es mir zeigen kannst. Weißt du warum? Weil ich weiß, dass du gefühlt hundert Meter springen kannst. Das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.« »Bist du betrunken?«, fragte Oikawa plötzlich ungläubig. »Was? Wie kommst du denn darauf?« »Du...redest mehr als sonst.« »Liegt vielleicht daran, dass du mir dafür meistens nicht genug Zeit gelassen hast.« Sie zuckte mit den Schultern und irgendwie kam es ihr gerade vor, als hätten sie Rollen getauscht. Anscheinend empfand Oikawa dasselbe, denn er hob fast schon belustigt seine Augenbrauen. »Willst du etwa über meine Ungeduld reden? Ausgerechnet du?« »Ich weiß nicht, was du meinst«, erwiderte sie abtuend. »Ich lasse das so durchgehen, weil dein Sprung echt lächerlich war. Fürs Erste. Das nächste Mal erinnere ich dich aber daran.« Er stoppte, da ihn sein eigenes Das nächste Mal kurzzeitig irritierte. Allerdings fing er sich schnell wieder. »Und jetzt lass uns gehen. Wir zwei haben ein Date in der Bücherei.« Er begann die Bälle aufzusammeln, die vereinzelt herumlagen. »Warte! Das ist aber nicht dieses Date, das auf der Liste steht, oder?« Zweifelnd sah sie ihn an. Sie hatte natürlich nicht diese vier Punkte vergessen. Eine Umarmung, ein Kuss, eine Nacht und ein Date. »Natürlich nicht. Als ob ich Kurasaki Asuna ernsthaft für ein Date in die Bücherei bringen würde.« Er schnaubte bei dieser Vorstellung. Es war eine eher rhetorische Frage, denn es hätte sie gewundert, wenn es so gewesen wäre. Sie hatte Oikawa noch nie in der Bücherei gesehen und sie selbst glaubte nicht, dass dieser Ort in irgendeiner Weise für ein Date geeignet wäre. Sie ließ seine Aussage jedoch unkommentiert und half ihm dabei, die Bälle zurück in den kleinen Wagen zu geben. Anschließend wartete sie, bis er sich umgezogen hatten, sodass sie gehen konnten. Asuna hatte sich bereits gedacht, dass Oikawa noch nicht oft in der Bücherei gewesen war und es wurde ihr bestätigt, als er nach einer Minute im weitläufigen Raum von der Bibliothekarin ermahnt wurde. »Ich wusste nicht, dass man hier so leise sein muss.« Oikawa verdrehte die Augen, als sie ganz hinten einen Platz gefunden hatten, bei dem es genug Tageslicht gab. »Das haben Büchereien so an sich.« Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und holte ihre Bücher aus der Tasche. »Womit willst du eigentlich beginnen?«, fragte er und beugte sich neugierig nach vorne zu ihren Büchern. Im Gegensatz zu ihr schien er motiviert zu sein. »Integrale, Extremwertaufgaben und analytische Geometrie sind die Themengebiete, die mir absolut nicht liegen.« »Also brauchst du Hilfe bei fast der Hälfte des gesamten Stoffes?« Oikawa hob seine Augenbrauen und wusste nicht, ob er lachen oder den Kopf auf die Tischplatte knallen sollte. Asuna meinte dazu fast schon beleidigt: »Sieh mich nicht so an. Ich kann die Basics, aber irgendwie...ich weiß auch nicht.« Frustriert verschränkte sie die Arme und dachte an die bescheuerten Fehler, die sie jedes Mal machte. »Kaum zu glauben, dass du in allen anderen Fächern besser bist als ich.« »Weil alle anderen Fächer einfacher zu lernen sind. Außerdem kann ich nicht gut mit Zahlen umgehen. Das ist alles.« »Naja, wenn man bedenkt, dass viele Schüler für deine Noten töten würden...Bist du nicht in jedem anderen Fach auf Platz eins?« »Nicht in jedem. In Naturwissenschaften bin ich auf Platz 3 und Mathe weißt du doch am besten.« Seit sie denken konnte, stand er auf der Liste nach jeder Prüfungswoche ganz oben. Es hatte sie immer so verdammt geärgert, da sie wusste, dass er seine Energie in Volleyball und nicht Mathe investierte. Es war für sie auch unverständlich, wie jemand klug, gutaussehend und sportlich auf einmal sein konnte. War das nicht unfair? »Ja. Letztes Mal hätte ich deinen Namen beinahe nicht gefunden«, meinte er und sorgte bei Asuna für ein Augenverdrehen. Vor allem, weil sie dennoch in den Top 10 der Seijoh war. »Wie lustig«, murrte sie. Sie zweifelte daran, dass sie bei den Abschlussprüfungen besser sein würde als er, aber sie würde es zumindest versuchen. Und deshalb legte sie alle Bücher, Stifte und Zettel auf den Tisch, die sie brauchte. Es dauerte genau 26 Minuten, bis sie frustriert ihren Kopf auf den Tisch legte und ihre Haare raufte. »Unlogisch. Wieso stimmt das nicht?« Ohne Anstalt zu machen, weiter zu rechnen und zu grübeln, verharrte sie in ihrer Position. Oikawa, der nach 20 Minuten aufgestanden war und sich für den Zeitvertreib einige Bücher in den Regalen angesehen hatte, kam auf sie zu. Er stellte sich hinter sie und beugte sich nach vorne. Mit einer Hand stützte er sich auf dem Tisch ab, mit der anderen hielt er sich an der Lehne ihres Stuhls fest. Asuna war wie auf Knopfdruck hellwach. Zumindest hatte sie nicht mehr das Bedürfnis, ihren Kopf auf der Tischplatte abzulegen. Sie richtete sich etwas auf und sah kurz nach links. Das letzte Mal, dass er ihr so nahe war, war vermutlich beim Rückflug von Okinawa gewesen. Ihre Augen glitten über sein faszinierendes Seitenprofil und unweigerlich stieg ihr sein unverkennbarer Geruch in diese Nase. Auch damals hatte sie sich kurzzeitig gedacht, dass dieser Duft, so banal es auch klingen mag, verdammt anziehend war. Sie rief sich allerdings hastig wieder zur Besinnung, da es lächerlich war, sich davon beeinflussen zu lassen. Stattdessen fragte sie nach dem Fehler. »Naja«, begann er nachdenklich, »du hast richtig begonnen, aber dann einen Flüchtigkeitsfehler gemacht. Du warst...bist unkonzentriert und hektisch. Warum?« Er sah sie unverständlich an, während Asuna bei diesem eindringlichen Blick wahrnahm, wie ihr Puls sich ein wenig, aber deutlich spürbar beschleunigte. Sie zögerte, bevor sie antwortete. Stattdessen rutschte ihr Blick immer wieder zu seinen einladenden Lippen. »Keine Ahnung«, murmelte sie und starrte schnell wieder auf ihre Berechnung. Was war bloß los mit ihr? Hatte ihr die staubige Luft in der Bücherei etwa bereits den Verstand benebelt? Diese Umgebung sollte keine sein, die ihre Gedanken in diese Richtung lenkte. Dass es damals in ihrem Zimmer, als er ihr auch eine Rechnung erklären wollte, mit wenig Kleidung geendet hatte, machte es dennoch nicht besser. Nicht, dass sie in erster Linie daran gedacht hätte, aber in letzter Zeit holte sie dieses Gefühl eines Déjà-vus öfters ein, als ihr lieb war. »Keine Ahnung? Wenn du 100%ig bei der Sache wärst, wäre dir dieser Fehler nicht passiert. Ich weiß, dass dich diese Abschlussprüfungen stressen, aber versuche, dich zu konzentrieren.« Er sagte dies so ernst, dass Asuna beinahe ein schlechtes Gewissen bekam. Es war nur schwer, sich nicht stressen zu lassen. Bis jetzt hatte sie nie wirklich Probleme mit ihren Noten gehabt. Doch seit einem halben Jahr hatte sie gemerkt, dass sie für ihre Verhältnisse absolut nachließ. Eigentlich hatte es angefangen, seit sie...seit sie aufgehört hatte, mit Oikawa zu schlafen. Asuna stockte. Das war doch ein schlechter Scherz, oder? Sie seufzte tief. Vermutlich lag es daran, dass gute Noten damals für kurze Zeit nicht ihr Lebensmittelpunkt gewesen waren und sie andere Sorgen gehabt hatte. Allerdings hätte sie nicht gedacht, dass es sich so lange hinziehen würde. Spätestens jetzt musste sie wieder zurück zu ihrem alten Ich finden können, oder? »Ich versuche es ja«, erwiderte sie fast schon kleinlaut. Oikawa stieß sich ab und entfernte sich wieder von ihr. »Weißt du, was ich tue, wenn ich mich beim Volleyball nicht konzentrieren kann?« »Nein, aber kommt das überhaupt irgendwann vor?«, stellte sie die Gegenfrage. »Ab und zu«, er grinste, wurde jedoch schnell wieder ernst, »aber in erster Linie denke ich an Dinge, die ich kann und...mag.« Asuna hob doch überrascht über diese Antwort ihre Augenbrauen. »Ach ja? Das hat allerdings nicht nur etwas mit Volleyball zu tun, oder?« »Nein, im Gegenteil, aber gerade deshalb hilft es. Es bringt mich für kurze Zeit auf den Boden der Tatsachen und genau diese Zeit brauche ich, um mich wieder auf das Wesentliche zu fokussieren.« Etwas baff über diese ehrliche Antwort, musterte sie ihn stumm. Ihr war bewusst, dass Oikawa ein tiefgründigerer Mensch war, als es im ersten Moment den Anschein machte. Er war ein Mensch, der unheimlich viele Facetten hatte. Das hatte sie sich bereits unzählige Male gedacht und dennoch überraschte er sie jedes Mal aufs Neue. »Okay. Hört sich nach einem Plan an.« Sie unterbrach den Blickkontakt und machte sich daran, die nächste Aufgabe zu lösen. Dieses Mal funktionierte es tatsächlich besser und somit war das Ergebnis korrekt. Es blieb aber keine Zeit für Freude. Sie wollte auch die restlichen Aufgaben lösen und so saß sie in den nächsten 45 Minuten ruhig auf ihrem Platz, während Oikawa ihr ab und zu Hilfestellungen gab, wenn sie nicht weiterwusste. Es war anstrengend, weshalb sie aufstand und sich ausgiebig streckte. Außerdem waren ihr die Aufgaben zu dem Thema ausgegangen. »Warte kurz. Ich suche nach einem Buch für neue Aufgaben«, meinte sie deshalb und ging zwei Reihen nach hinten, wo die Mathematikbücher standen. Sie war schon öfters hier gewesen, also wusste sie genau, wo sie suchen musste. Da gab es allerdings ein Problem. Das, was sie brauchte, stand ganz oben. »Natürlich«, murmelte sie genervt und stellte sich auf Zehenspitzen, um vielleicht doch an das Buch zu gelangen. Der Tag dauerte bereits viel zu lange... »Nach Hilfe zu fragen war noch nie deine Stärke, oder?«, ertönte es hinter ihr, während eine Hand nach dem Buch griff, welches sie nie erreicht hätte. Asuna verharrte in ihrer Position, bis sie Oikawas Körper nicht mehr an ihrem spüren konnte. Erst dann drehte sie sich langsam um. Sie hob ihren Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. »Anscheinend kennst du mich zu gut«, entgegnete sie mit einem seichten Lächeln im Gesicht, bevor sie ihm das Buch abnahm. Sie lehnte sich gegen das Regal und wartete darauf, dass Oikawa einen Schritt nach hinten machte, jedoch passierte nichts dergleichen. »Das ist gerade sehr klischeehaft«, murmelte sie schließlich auf ihre Situation bezogen. »Sind Klischees denn schlecht?« Er legte seinen Kopf schief und musterte sie eingehend. »Nein. Eigentlich nicht. Vielleicht hätten wir Klischees auf unsere Liste setzen sollen?«, fragte sie stattdessen. »Hast du es so eilig, endlich etwas von dieser Liste abzuarbeiten?« Sie runzelte die Stirn bei dieser Frage. Es war genau das Thema, welches sie mit Jana besprochen hatten. Das Schuljahr dauerte nicht mehr ewig und wer wusste, was dann passieren würde. »Ehrlich gesagt, ja«, hörte sie sich selbst sagen. »Also es ist nicht nur die Liste, sondern...« Sie suchte nach den richtigen Worten, die ihr in seiner Gegenwart nicht zum ersten Mal fehlten. Oikawa bemerkte ihren inneren Kampf. »Ich weiß ausnahmsweise, was dir durch den Kopf geht«, fing er an und stützte sich mit seinem Arm hinter ihr ab. Hatten sie nicht gerade von Klischees gesprochen? »Ich denke aber, dass wir das schneller geklärt haben, als wir denken.« Asunas Griff um das Buch festigte sich. »Was macht dich da so sicher?« »Intuition des besten Setters? Oder weil wir rein theoretisch all diese Dinge auf der Liste innerhalb einer Nacht erledigen könnten?« »Rein theoretisch. Klar«, wiederholte sie und war nicht wirklich schlauer als zuvor. »Also hast du...haben wir das vor? Alle Dinge in einer Nacht erledigen?« Gott, das klang wie ein Raubüberfall. Oder wie eine Einkaufsliste. »Wow, sprich es nicht so aus, als wäre es etwas Schlechtes.« Er kniff seine Augenbrauen zusammen. »Und nein, haben wir nicht. Ich glaube nur, dass es einfach schneller geklärt sein wird. Nicht mehr und nicht weniger.« Er zuckte mit den Schultern. »Habe ich nicht«, erwiderte sie. »Es wäre nur schön, wenn wir es klären würden, bevor ich nach Tokio gehe und du...keine Ahnung.« Sie klang unzufrieden und das war sie auch. Das Ganze machte sie verrückt und dabei war sie doch selber schuld. Wieso konnten sie das nicht regeln, wie zwei normale Menschen? Wieso den umständlichen Weg gehen? »Woah! Hör auf, mit der Stirn zu runzeln. Das gibt Falten.« Er schmunzelte, als die Furche nur noch tiefer wurde. Jedoch schwand das Grinsen schnell wieder. »Vertraust du mir?«, fragte er und überraschte sie ungemein. »Ob ich...? Ehm, ich denke schon?« Es war eher eine Frage als eine Antwort, aber Oikawa schien sich nicht daran zu stören. »Gut, dann...vertrau mir. Wir werden bald beide wissen, was wir wollen. Dafür sorge ich.« Asuna sah ihn an. »Okay.« Es war schwer zu beschreiben, aber seine Worte beruhigten sie ungemein. Sie wusste nicht, ob er seine Worte selbst glaubte, aber sie tat es. Irgendwie. Deshalb nickte sie und wollte etwas sagen, doch jemand kam ihr zuvor. »Was soll das? Ist die Jugend heutzutage überhaupt noch zu retten? Auseinander! Sofort!« Die schrille Stimme brachte sie beide auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie starrten die Bibliotheksleiterin an und entfernten sich langsam voneinander, obwohl sie nichts Verbotenes oder Unsittliches getan hatten. Zu perplex, um sich zu erklären, entschuldigten sie sich einfach und verschwanden auf ihre Plätze. Sie sollten ohnehin lieber weiterlernen, anstatt zu trödeln. Jedoch hatte sie die Rechnung ohne Oikawa und seinen Drang nach Reden und Bewegung gemacht. »Ich kann nicht glauben, dass du ernsthaft von der Bücherei verband wurdest«, murmelte Asuna, als sie das Gebäude verließen und die Nachhilfe frühzeitig beendeten. Sie war glimpflich davongekommen, nachdem sie fast jede Woche hier war, um zu lernen oder ein Buch auszuborgen. »Gibst du mir die Schuld für die nicht vorhandene Toleranzgrenze dieser Hexe? Außerdem konnte sie mich ab der ersten Sekunde nicht leiden. Sie hat ganz klar Vorurteile.« »Sie hat tatsächlich eine geringe Toleranzgrenze...«, gab sie zu, während sie in Richtung Bushaltestelle gingen, »Aber was heißt hier Vorurteile?« »Ich bin männlich und spiele Volleyball.« Er zuckte mit den Schultern, als wäre der Grund offensichtlich gewesen. »Also du willst damit sagen, dass sie Schülerinnen bevorzugt, die keinen Sport machen?« Asuna runzelte die Stirn, weil es für sie surreal klang. »Jap. Ich meine, sieh dich an. Du bist Schulsprecherin, Vorzeigeschülerin, Höflichkeit in Person und wunderschön. Außerdem wirst du an die Universität in Tokio gehen und erfolgreich sein. Sie hätte dich vermutlich gerne als Schwiegertochter.« Das Wort wunderschön trieb ihr die Hitze ins Gesicht. Schnell erwiderte sie: »Sie weiß nicht, dass ich studieren werde. Und ich bin definitiv nicht die Höflichkeit in Person.« »Nicht höflich? Du bist zu jedem nett, außer zu Leuten, die deine Nettigkeit nicht verdient haben. Und ich will deine Blase nicht platzen lassen, aber man sieht es dir an, dass du an einer guten Universität studieren wirst. Du hast diese...Aura.« Sie musste zugeben, dass er nicht unrecht hatte. Selbst zu Hina war sie lange genug nett gewesen. Gut, nicht immer, aber sie hätte auch gemeiner sein können. »Welche...Aura?« Sie wusste nicht, dass er an dieses Zeug glaubte. Tat er das überhaupt? »Na diese reiche Ich werde es zu etwas bringen-Aura.« »Wenn ich diese Aura habe, welche hast dann du?« Fast schon spöttisch hob sie ihre Augenbrauen. Er zuckte mit den Schultern. »Ich brauche keine. Ich habe mein Gesicht und meinen Körper. Das reicht.« »Du bist mehr als gutes Aussehen, Baka. Du bist der beste Volleyballspieler, den ich kenne.« »Ich bin abgesehen vom restlichen Team und von Kageyama auch der einzige, den du kennst«, warf er wenig beeindruckt ein. »Bist du, aber wenn du mich ausreden lassen würdest, hätte ich dir gesagt, dass ich dir eine ganze Liste über deine...Aura geben kann.« Das Wort war nach wie vor merkwürdig. »Tatsächlich?« Er sah sie von der Seite an. »Dann schieß los!« »Chance verspielt«, schmunzelte sie, obwohl sie ihm natürlich einige Punkte aufzählen könnte, aber den Gefallen wollte sie seinem Ego nicht machen. »Irgendwann wirst du es mir sagen«, meinte er zuversichtlich, doch zum Glück trennten sich hier ihre Wege. Deshalb ignorierte sie seine Worte und bog nach links ab. »Wir sehen uns«, erwiderte sie und hob ihren Arm. Sie musste grinsen, als sich ihre Blicke kreuzten. Oh, wie ihn das nervte, dass sie es ihm nicht erzählt hatte. Sie konnte seine Unzufriedenheit in seinem Gesicht ablesen. Obwohl sie die Nachhilfe früher beenden mussten, war es doch ein guter Tag. Sie war froh, dass Oikawa nach dem Gespräch in der Sporthalle fast wieder zu seinem üblichem Ich zurückgekehrt war. Mission erfolgreich, würde sie sagen. Auch wenn es keine wirkliche Mission war. Es hatte sie schlichtweg gestört, dass er seit der Abschlussreise viel zu ernst war. Sie hatte seine blöden Sprüche und sein dämliches Grinsen vermisst. Auch wenn es noch nicht so war wie zuvor, waren die letzten Stunden doch sehr erleichternd für sie. ♛♔ Fünf Tage später war sie gemeinsam mit Jana auf dem Weg zu Tsuyus Geburtstagsfeier. »Es ist so schlimm, dass ich in Englisch denke. Argh! Mein Kopf brummt.« Ihre beste Freundin verzog ihr Gesicht. Das Lernen für den Englischtest hatte es in sich gehabt. Selbst für Asuna und sie war es eigentlich gewohnt. »Dafür bekommst du jetzt das, was du wolltest«, erwiderte Asuna, während sie die Treppen zu dem Haus hinaufgingen. In ihrer Hand hielt sie die Tüte mit dem Geschenk von ihnen beiden. »Versprich mir aber, dass du dieses Mal niemandem vor die Füße kotzt.« Jana lachte bei diesen Worten. »Aber nur, wenn du dieses Mal nicht beinahe mit Oikawa schläfst.« Sie hatte damit gerechnet und musste auch irgendwie grinsen, weil sie ebenfalls die Nacht von damals noch so gut in Erinnerung hatte. »Keine Sorge. Das wird nicht passieren. Ich bin gut darin geworden, mich nicht von seinem Aussehen beeinflussen zu lassen.« »Irgendwie bezweifle ich das stark«, lachte Jana, »aber ich bewundere deine Überzeugung.« »Das ist mein Ernst!«, widersprach sie sofort, bevor sie die Klingel betätigte. »Auch wenn ich ihn nach wie vor furchtbar attraktiv finde, kann ich besser damit umgehen. Und das liegt daran, dass ich nicht sofort an Sex denke, wenn ich ihn sehe.« »Nicht sofort heißt...?«, hakte sie grinsend nach. Asuna verdrehte die Augen und murmelte ein »Halt die Klappe, ehe die Tür von dem Geburtstagskind höchstpersönlich geöffnet wurde. Die Musik drang bereits zu ihr und nach der üblichen Begrüßung und dem Überreichen des Geschenks begaben sie sich in das Innere. Es sah aus, als wäre die halbe Klasse hier versammelt. Von wegen nur im kleinen Rahmen, dachte sie sich und musste ein Augenrollen unterdrücken. Außerdem versprachen diese Becher in den Händen der anderen nichts Gutes. »Hier. Einmal Sprite mit Wodka oder auch Wodka mit Sprite, wenn man so will. Und für Asuna ein superschwaches Gin Wildberry für unser besonders kleines Mädchen.« Suki drückte ihnen Getränke in die Hand, die sie bereits in Okinawa getrunken hatten. Dieses Mal hatten ihre Haare einen dunkelvioletten Ton. Es stand ihr. »Oh, wenn ich euch so sehe, bekomme ich krasse Flashbacks«, meinte Mia, die quer durch das Wohnzimmer auf sie zu kam. Prompt verzog Asuna das Gesicht. »Erinnere mich nicht daran. Ich habe einen guten Grund, mehr Wildberry als Gin zu trinken.« »Keine Lust, heute wieder abzutanzen und eine Runde Ich habe noch nie zu spielen?« Mia grinste. »Das ist das Letzte, was ich heute tun werde.« Sie erwiderte das Grinsen mit einem Schmunzeln und nahm zum ersten Mal einen Schluck von dem Getränk. Mit wenig Alkohol schmeckte es tatsächlich lecker. »Warte ab! Ich habe gehört, dass Tsuyu noch eine Menge geplant hat.« Sukis Worte klangen unheilvoll und sofort verzogen Mia und Asuna das Gesicht. Sie waren beide keine Fans von solchen Gesellschaftsspielen. Damals war es eine Ausnahme gewesen, weil sie in einer kleinen Freundschaftsgruppe waren. »Was denn? 7 Minuten im Himmel? Flaschendrehen? Oder doch das gute, alte Pflicht, Wahl oder Wahrheit?«, zog Mia die typischen Partyspiele ins Lächerliche. Jana, die auf solche Dinge stand, erwiderte: »7 Minuten im Himmeln fand ich eigentlich schon immer ziemlich witzig. Man wird mit einem Typen in einem Raum eingesperrt und kann sieben Minuten lang tun, was man will.« »Und meistens bestehen diese Minuten aus peinlichem Schweigen oder Bereuen, dass man mitgemacht hat. Hinzu kommt, dass man genau so gut in einem leeren Zimmer rummachen kann, anstatt in einer kleinen Abstellkammer. Also 7 Minuten in der Hölle wäre da der bessere Titel«, erklärte Mia aus ihrer Sicht. Suki musste lachen. »Hattest du mal eine prägende Erfahrung, oder wieso so abgeneigt?« »Also es war definitiv nicht Hanamaki, denn dann wären ihr sieben Minuten zu wenig gewesen.« Jana wackelte mit den Augenbrauen und Asuna konnte sich ein kleines Lachen nicht zurückhalten. Ahhhh, sie hatte diese Geschichte mit dem Schwimmbad beinahe vergessen. »Ach, haltet die Klappe«, murrte Mia und vergrub ihr Gesicht in beide Hände, was die anderen zum Lachen brachte. In der nächsten Stunde unterhielt sich Asuna mit all möglichen Leuten. Selbst mit Maya hatte sie über ihr verpatztes Vorhaben, Oikawa um ein Date zu bitten, gesprochen. Sie selbst hatte nicht viel dazu zu sagen gehabt und meinte, dass ihm wohl derzeit viel durch den Kopf ging. So war es auch und da sie Oikawa nie gefragt hatte, warum er abgelehnt hatte, war dies für sie die logische Erklärung. Als sie in einer Mädchenrunde stand, unter der auch Jana und Mia anzutreffen war, und gerade detailliert darüber gejammert wurde, dass es kaum vernünftige Jungs an unserer Schule gab, wurde es irgendwie lauter in dem Raum. Es lag definitiv nicht an der Musik, weshalb sie einen Blick über ihre Schulter warf. Natürlich. Tsuyu hatte es sich nicht nehmen lassen, das Volleyballteam einzuladen. Sie konnte es sich nicht nehmen lassen und hielt nach Oikawa Ausschau. Seit Montag hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen und auch hatte sie ihn kaum gesehen. Man merkte, dass die Meisterschaft sowie die Abschlussprüfungen näherkamen. Es blieb kaum Zeit für irgendetwas außerhalb der Schule. Aber sie war froh, das Team hier zu sehen. Ablenkung tat manchmal gut, weshalb sie Jana eigentlich danken musste, dass sie der Einladung auch in ihrem Namen zugesagt hatte. Wenn sie sich jedoch Oikawas Gesichtsausdruck so ansah, dann war sie sich nicht sicher, ob er für diese Art von Ablenkung derzeit zu haben war. Insbesondere wenn man es den weiblichen Gästen beinahe ansehen konnte, dass sie plötzlich allesamt für Spiele wie 7 Minuten im Himmel und eine Chance, mit dem Setter alleine zu sein, jegliche Prinzipien über Bord werfen würden. Allerdings musste neidlos zugeben, dass er wie immer verdammt gut aussah. Außerdem musste sie ebenfalls neidlos zugeben, dass es oftmals einer ihrer ersten Gedanken war, die ihr durch den Kopf schoss. Es war nicht der wichtigste, aber der, der als erstes ihr Herz zum Rasen brachte. Und natürlich war es bei vielen anderen hier nicht anders. Nur er schaffte es, in einer schlichte dunklen Jeans und einem grauen dünnen Pullover mehr als nur attraktiv auszusehen. Asuna seufzte und trank ihr Getränk zur Gänze aus. Sie hatte gedacht, dass es ein ereignisloser und gemütlicher Abend werden würde und jetzt bekam sie langsam Panik, weil sich ein dummer und nicht förderlicher Gedanke in den Vordergrund drängte. Wie wäre es, wenn sie einen Punkt von der Liste bereits heute abhakten würden? Kapitel 28: blindfolded ----------------------- ● • . »Keine Sorge, Leute. Ich, als gute Gastgeberin, habe natürlich für Spaß und Spiel gesorgt«, verkündete plötzlich Tsuyu und stieß auf gemischte Gefühle bei den Anwesenden. Spiel und Spaß? Bitte kein Flaschendrehen, flehte sie in Gedanken. Wobei...sie könnte doch bestimmt ganz zufällig auf die Toilette verschwinden, oder? »Und damit niemand auf die Idee kommt, abzuhauen, muss jeder hier mitspielen. Die gute Gastgeberin verpflichtet euch also. Wenn ihr trotzdem verschwindet, werde ich euch für immer hassen«, fügte sie mit einem breiten Lächeln hinzu, was ihre Worte nur noch unheimlicher machte. Asuna seufzte und sah zu Mia, die ihre nicht vorhandene Begeisterung teilte. »Hier«, meinte Tsuyu, nachdem sie jedem ein Stück Stoff in die Hand gedrückt hatte. »Wozu brauche ich das?«, hakte Asuna nach. Es sah aus wie eines dieser Halstücher, die ihre Mutter sammelte und unnötig teuer waren. »Wirst du gleich sehen. Ich sag nur soviel: Mit verbundenen Augen ist es gleich doppelt so aufregend.« Tsuyu lachte über ihre eigenen Worte, während Jana, Suki, Mia und sie selbst sich allesamt fragten, was dieses es bedeutete. Gut, dass Lu nicht hier ist. Sie wäre bereits vor Nervosität gestorben, dachte sich Asuna, während sie ihr Wildberry mit einem Schluck leerte. Sie hatte das Gefühl, gleich zwei Hände brauchen zu müssen. Neugierig sah sie durch den Raum, während sie sich ihre Lederjacke, die sie vorhin nicht ausgezogen hatte, von den Schultern streifte. Sie legte das Kleidungsstück über die Lehne des Sofas. Ihre Mitschülerinnen tuschelten untereinander und scannten die männlichen Gäste einer nach dem anderen. Diese verhielten sich deutlich unauffälliger. Auch Oikawa, Iwa und die anderen Drittklässler des Teams unterhielten sich, achteten dabei aber nicht auf ihre Umgebung. Sie wollte den Blick bereits abwenden, als der Setter aufsah und sie so beim Starren erwischte. Peinlich, dachte sie sich. Um dies zu überspielen, hob sie ihre Hand mit dem Tuch. Es sollte so viel heißen wie: Machst du mit? Er verstand es sofort und zuckte mit den Schultern. Anscheinend war er sich noch nicht sicher. Ihre stumme Unterhaltung fand dank Tsuyu ihr Ende. »Wir alle kennen ja das Spiel 7 Minuten im Himmel«, begann sie und prompt ging ein Raunen durch den Raum. Manche sahen ähnlich begeistert aus wie Suki und sie, doch der Großteil schien sich tatsächlich darauf zu freuen. Okay. Asuna musste zugeben, dass sie es verstehen konnte. Nicht nur, dass äußerst attraktive Menschen anwesend waren. Einige Minuten in einem dunklen Raum mit verbundenen Augen konnte ebenfalls seine Reize haben. Die große Frage war jedoch, mit welcher attraktiven Person man diese intensiven Minuten verbringen durfte. Man konnte es einigen förmlich ansehen, dass sie gerade Stoßgebete in den Himmel schickten. Das Geburtstagskind schien die wachsende Aufregung ebenfalls zu bemerken und fuhr deshalb fort: »Ich habe mir gedacht, dass man dieses Spiel doch auch spannender gestalten kann, und deshalb würde ich euch bitten, eure Augen zu verbinden.« Weil Asuna keine Spaßbremse sein wollte, kam sie der Aufforderung ohne Murren nach. Als sie nichts sah, fühlte sie sich prompt unwohl. Es war immer schrecklich, sich nicht auf seinen Sehsinn verlassen zu können. Die Bewegungen wurden langsamer und alle anderen Sinne plötzlich messerscharf. Ungewohnt, weshalb sie angespannt ihre Bewegungen aufs Minimum beschränkte. Sie lauschte den weiteren Erklärungen. Anscheinend mussten sie eine Nummer ziehen und es würde zwei Durchgänge geben, da es logischerweise nicht genug Räume für alle gab. Damit alles ein Geheimnis blieb, hatten sie sich die Augen verbunden. So weit, so gut. Sie wurde jedoch zunehmend nervöser, als sie Tsuyu ihre gezogene Nummer gab. War es doch eine blöde Idee gewesen? Sie hatte immerhin nicht vor, mit irgendjemanden rumzumachen. Asuna wusste nicht mal, ob sie das überhaupt könnte. Das mit Riku hatte ihr gereicht. Und dann war da natürlich auch noch Oikawa. Rein theoretisch hatte sie ihm gegenüber keine Verpflichtungen, aber es fühlte sich falsch an, selbst wenn sie nur darüber nachdachte. Seufzend entschied sie sich dafür, es fürs Erste einfach hinzunehmen. Wer weiß, mit wem sie in einen Raum gesteckt werden würde? Obwohl sie gerade daran gedacht hatte, zuckte sie zusammen, als jemand nach ihrer Hand griff. Tsuyu lachte darüber und zog sie vorsichtig mit sich. Zum Glück nicht lange. »Ab jetzt dürft ihr nicht mehr reden, okay? Na dann, viel Spaß wünsche ich euch«, trällerte sie, ehe Asuna in einen Raum geschoben wurde. Beinahe wäre ihr ein sarkastisches Danke entkommen, doch sie verkniff es sich und tastete sich stattdessen nach vorne. Keine Ahnung wo sie hier war, aber sofort griffen ihre Hände zu ihrer Linken nach irgendwelchen Regalen. War das hier die gute, alte Abstellkammer? Ausgerechnet der Ort mit dem geringsten Platz? Asuna presste ihre Lippen fest aufeinander, da sie ständig das Bedürfnis hatte, etwas zu sagen. Am liebsten würde sie einfach fragen, wer da vor ihr stand. Allerdings wäre dann der Sinn des Spiels praktisch nicht vorhanden. Wobei sie nichts dagegen hätte. Zaghaft hob sie ihre Hand, ließ sie jedoch schnell wieder sinken. Was hatte sie vor? Ihr Gegenüber anzufassen? War das nicht merkwürdig? Wie sollte sie aber sonst herausfinden, wer mit ihr in diesem kleinen Raum war? Asuna stand unschlüssig da, während ihr Herz in einem schnellen Tempo schlug. Nicht zu wissen, wer vor ihr stand, machte sie nervös. Insgeheim hoffte sie, dass es jemand war, mit dem sie sich verstand. Dann könnte sie darüber lachen und die restlichen Minuten mit Reden verbringen. Aber sie hatte keinerlei Anhaltspunkte. Eigentlich war sie empfindlich, wenn es um Gerüche ging, aber gerade jetzt konnte sie den Duft nicht zuordnen. Es roch gut, aber eben nicht wie jemand, den sie kannte. Sie stieß ein unzufriedenes Seufzen aus und entschied sich schließlich doch dazu, sich sprichwörtlich heranzutasten. Langsam streckte sie abermals die Hand aus und legte sie dieses Mal auf den Oberkörper, sodass sie den kräftigen und schnellen Herzschlag spüren konnte. Sie hielt inne. In ihrem Innerem hoffte sie hierbei auf eine bestimmte Person. Dieser Gedanke brannte sich in ihren Kopf. Sie bat beinahe inständig, dass es Oikawa war, den Tsuyu ebenfalls in diesen kleinen Raum gesteckt hatte. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie recht behielt? Angestrengt blies sie Luft durch ihre Nase, da sie unbewusst aufgehört hatte, regelmäßig zu atmen. Ihr wurde zunehmend heißer und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Blut schneller durch ihre Adern fließen. Dabei tat sie nicht viel. Sollte sie einfach das Tuch von ihren Augen entfernen? Wäre sie dann eine Spielverderberin? Als sie sich diese Frage stellte, legten sich Finger um ihr Handgelenk. Gespannt wartete sie darauf, was ihr Gegenüber tat. Seine andere Hand legte sich auf ihre Seite und berührte somit nackte Haut, da ihr Oberteil an ihrer Hüfte aus zwei Bändern bestand. Für einen Moment glaubte sie, dass er deshalb zögerte, doch seine Finger strichen genau diese Bänder entlang. Asuna zuckte zusammen und stoppte ihn hastig, während sie das Gefühl hatte, jeden einzelnen Schlag ihres Herzens in dem Raum hören zu können. Sie schluckte. Das musste einfach Oikawa sein. Und er musste wissen, dass sie es war. Woher auch immer. Es musste so sein. Solange sie es aber nicht sicher sagen konnte, würde sie es vermeiden, sich hierauf einzulassen. Ihr Gegenüber machte es ihr aber nicht einfach. Vor allem als er ihr Gesicht mit beiden Händen ertastete und sie zusätzlich mit seinem Körper bestimmend nach hinten drückte. Ihre eigenen Finger umklammerten nach wie vor den Unterarm, jedoch entkam ihr kein Laut über die Lippen. Sie spürte, wie nahe er ihr war. Langsam ließ sie von ihm ab und berührte mit ihren Fingerspitzen ihr eigenes Tuch. Länger konnte sie es nicht hinnehmen, dass sie nichts sah. Dass sie nicht sah, wer vor ihr stand und ihr gerade so zusetzte. Jedoch hatte sie nicht mit ihrem Gegenüber gerechnet. Er stoppte sie in ihrem Tun, ähnlich wie sie ihn zuvor. Es gab jedoch einen bedeutenden Unterschied. Er streifte mit seinen Lippen ganz nebensächlich ihre, hinterließ ein Brennen und Chaos. Nein. Das lag nicht am fehlenden Sehsinn. Das war... »Atmen, Asuna«, murmelte er nahe an ihrem Ohr, während sie deutlich das Grinsen heraushören konnte, »sonst fange ich an, mir Sorgen zu machen.« Sobald Asuna diese tiefe und raue Stimme hörte, ließ sie ihre Schultern sinken und ihre verkrampfte Haltung verpuffte. Sie legte den Kopf in den Nacken und hatte das Gefühl, tatsächlich wieder normal atmen zu können. Diese Erleichterung hielt allerdings nur kurz. »Seit wann?«, fragte sie nach wie vor atemlos, nachdem Oikawa seine Hände von ihr entfernte. Sie berührte mit ihren Fingern abwesend ihre Lippen. Das war...war das ein Kuss? Nein. Mach dich nicht lächerlich, Asuna. Würde er sie küssen, würde sie das schon merken. Küsse von Tōru waren...intensiv. Sie räusperte sich, da ihr bei ihren eigenen Gedanken die Hitze ins Gesicht schoss. Denkbar schlechter Zeitpunkt, um an seine Küsse zu denken. Schnell schob sie diesen Gedanken deshalb zur Seite. »Ich bitte dich«, schnaubte er belustigt und riss sie aus ihren Gedanken. Er schien besser drauf zu sein als vor ein paar Tagen, was automatisch ihre eigene Laune etwas hob. »Ich würde dich unter Tausenden erkennen. Schlussendlich hat dich aber dein Geruch verraten. Was war...ist das? Grapefruit?« »Ja, aber wieso riechst du nicht wie immer?« Fast schon frustriert rümpfte sie die Nase. Sie hatte den Duft, der ihn umgab, schon immer geliebt. »Das ist dir aufgefallen?«, hörte sie ihn sagen und fand es beinahe beleidigend. Als würde er ihren Duft kennen, sie aber nicht. »Ich habe mir einen Pullover von Matsukawa geliehen, weil mir Iwa meinen mit einem Getränk ruiniert hat«, fuhr er fort. Das erklärte einiges... »Hm«, murrte sie, »was sollte das vorhin eigentlich?«, hakte sie nach und erinnerte sich daran, wie deutlich sich gerade jede einzelnen Berührung angefühlt hatte. Obwohl sie eigentlich nicht in diese Richtung denken wollte, konnte sie es nicht zur Gänze vermeiden. Verbundene Augen hatten tatsächlich auch andere Reize... »Was überrascht dich so darüber? Nur weil wir einen Deal haben, heißt das nicht, dass ich dir nicht gerne nahe bin und dich gerne berühre.« Er zuckte bestimmt gerade mit den Schultern, als läge seine Antwort auf der Hand. Er hatte Recht. Dieses Hochgefühl, wenn er sie gezielt mit seinen Händen berührte und ihr näher kam als üblich, war seit Anbeginn ihrer merkwürdigen Beziehung präsent wie die Tatsache, dass sie nicht genug davon bekommen konnte. »Schön, aber hättest du mir nicht früher sagen können, dass...du es bist?« Sie hatte hier richtig mit sich gerungen, während er seinen Spaß gehabt hatte. »Hätte es viel geändert?«, hakte er tatsächlich neugierig nach. Dieses Mal brauchte sie nicht lange nachzudenken. »Ja. Zumindest hätte ich dann eine andere Option als Schock und Panik gehabt.« »Welche denn?« Er klang neugierig. Asuna legte ihren Kopf schief und dachte nach. Das ganze Spiel war eine Achterbahn der...Nerven. Vielleicht war es an der Zeit, es ihm zurückzuzahlen? Ständig war er es, der sie reizte und wahrlich an den Rand der Verzweiflung trieb. Unzählige Male hatte er sie mit einfachen Gesten durcheinandergebracht. Ja, vielleicht sollte sie es ihm zumindest einmal mit seinen eigenen Mitteln zurückzahlen. »Das interessiert dich?«, stellte sie die Gegenfrage und machte einen Schritt auf ihn zu. Wenn nicht jetzt, wann dann? Wie er zuvor legte sie ihre Hand auf seinen Oberkörper und schob ihn so nach hinten. Sie drehte den Spieß wie gewollt zu ihren Gunsten um. Überzeugt ließ sie ihre Hand tiefer gleiten. Keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, aber sie wollte diesen Augenblicke nutzen, um frühere Momente, die gang und gäbe waren, zurückzubringen. Wer sagte denn, dass sie, nur weil sie nicht mehr miteinander schliefen, keinen Spaß haben durfte? Spaß, der zugegeben einige andere positive Dinge mit sich brachte. Stromstöße, »Wie hättest du denn reagieren?«, murmelte sie und beinahe hatte sie vergessen, wie viel Spaß diese kleinen Spielchen machten. Jedoch war es auch anders als damals, da dieses große, dicke Fragezeichen wie eine dunkle Wolke über ihnen schwebte. Gerade jetzt war ihr das aber egal. Gerade jetzt wollte sie Tōru einfach nur berühren. Aus diesem Grund tasteten sich ihre Finger weiter voran und fanden schließlich ihren Weg unter seinen grauen Pullover. Ihr Herz hüpfte aufgeregt vor sich hin, während er unter ihrer sanften Berührung zusammenzuckte. »Vermutlich sehr...ähnlich«, begann er konzentriert, »aber wie ich sehe, bist du von Nähe auch nicht abgeneigt, nachdem du weißt, dass ich es bin.« Er klang überraschend ernst, sodass Asuna kurz innehielt. »Liegt vielleicht daran, dass Nähe eigentlich nicht so mein Ding ist. Anscheinend bist du eine Ausnahme«, erwiderte sie abwesend, stockte jedoch bei ihren eigenen Worten. Nicht weil sie es bereute, sondern weil es schlichtweg die pure Wahrheit war. Es laut und nicht nur in Gedanken zu hören, war...anders. Eindeutiger und realer. Und dass sie es vor Tōru gesagt hatte, glich einem kleinen Geständnis. Vielleicht hätten sie den Punkt auf der Liste hinzufügen können. Er holte tief Luft, als sie den Bund seiner Jeans entlangfuhr. Rau meinte er: »Wir scheinen beide eine Ausnahme zu haben, wenn es um Nähe geht.« Und damit war nicht nur die körperliche Nähe gemeint. Asuna hatte die wachsende Zuneigung bemerkt, wie sie sich schleichend ihren Weg an die Oberfläche bahnte. Doch wie stark konnte diese Zuneigung werden? »Ich...«, begann sie, wurde jedoch dank eines energischen Klopfens unterbrochen. Hastig zog sie ihre Hand zurück und entfernte sich hastig von Tōru, dabei hätte sie noch viel länger Zeit mit ihm hier verbringen können. Diese sieben Minuten waren eigentlich viel zu wenig gewesen. »Warte«, meinte er, als sie die Tür öffnete und das Tuch von den Augen genommen hatte, »was wolltest du gerade sagen?« Er fuhr sich durch die Haare und kniff die Augen kaum merklich zusammen, da das Licht am Flur doch recht hell war. »Nur, dass ich diese Nähe wirklich...mag. Beide Arten von Nähe meine ich.« Sie lächelte dezent und zuckte abtuend mit den Schultern, obwohl es doch wichtiger war, als es durch ihre Geste den Anschein machte. Sie wartete ausnahmsweise nicht auf seine Antwort, sondern suchte nach Jana. Sie stand neben Iwa. Die beiden hatten die ganze Zeit über hier gewartet, da Tsuyu so nett war und Pärchen von ihrem Spiel auszuschließen. Damit war der Abend mit zwei neuen Erkenntnissen auch so gut wie überstanden. Dass sie nach wie vor seine Berührungen und seine Nähe mit all ihren Sinnen war die eine Sache. Die andere Erkenntnis hingegen ließ sie länger in Gedanken verharren und Tōru mit ihren Augen im Raum suchen. Sie wollte, dass er sie küsste. Sanft, intensiv, wie auch immer. Hauptsache sie konnte seine Lippen auf ihren spüren. Und wenn er es nicht tun würde, würde sie den Schritt wagen. Doch zuerst gab es etwas anderes, das sie erledigen wollte. ♛♔ Fast eine Woche später machte sich Asuna auf den Weg zu den Sporthallen, um Oikawa um ein Date zu bitten. Ja, um ein Date. Sie. Dessen war sie sich bereits bei der Geburtstagsfeier sicher und nun, nach einem großen Zufall, wollte sie es nicht hinauszögern und ihn fragen, bevor er es tat. Sie hatte die Idee gehabt. Sie war beinahe stolz darauf, auch wenn sie nur dank des Zufalls darauf gekommen war. Deshalb war sie bereits den gesamten Tag gut gelaunt, sodass selbst Jana genervt von ihr gewesen war. Ohne lange nachzudenken und zum Teil auch dank ihrer Euphorie, betrat sie die Halle. Das Quietschen der Schuhe sowie Gelächter und Geschrei drang zu ihren Ohren. Sie suchte mit ihren Augen nach Oikawa und fand ihn recht schnell. Er stand dort, wo er hingehörte. Auf der Position des Setters. Prompt fand sie ihre Idee bescheuert, hierher zu kommen. Jeder hier sah fokussiert und ernst aus. Auch wenn manche ein Grinsen im Gesicht hatten. Sie würde nur stören und war dementsprechend fehl am Platz. Zögerlich spielte sie mit ihren Fingern. »Oh, Kurasaki-san. Was machst du hier?« Mizoguchi, der zweite Coach des Seijoh Teams, war auf sie aufmerksam geworden. Dadurch unterbrachen jedoch manche Spieler ihr Tun. Aus manche Spieler wurde nach und nach alle Spieler. Asuna wurde neugierig gemustert. Die Blicke trieben ihr doch etwas die Hitze ins Gesicht. Das war...unangenehm. Sie räusperte sich. »Ich«, begann sie zögerlich, »wollte nur mit jemanden reden, aber ihr seid natürlich beschäftigt, also sollte ich wohl wieder gehen.« Ihre Aufregung hatte anscheinend ihren Hausverstand getrübt. Natürlich würde Oikawa nicht einfach so sein Training für sie unterbrechen, nur weil sie hier auftauchte. Sie war in einer misslichen Lage, wenn sie die irritierten Blicke näher betrachtete. Einige von ihnen sahen von ihr zu Oikawa und wieder zurück. Berechtigt, wenn man bedachte, dass es bereits das zweite Mal war, dass sie wegen Oikawa diesen Bereich der Schule aufgesucht hatte. »Dauert es lange? Sonst geht es in Ordnung.« Mizoguchi lächelte freundlich, was manche Spieler wohl genauso aus dem Konzept brachte wie ihr Auftauchen. »Ehm, eigentlich nicht?« Es klang wie eine Frage. Die gesamte Situation war unangenehm. »Gut, dann mach schnell, okay?« Bei den Worten des Coach' weiteten sich kaum merklich ihre Augen. Jetzt? Damit hatte sie nicht gerechnet. »Ich...versuche es«, murmelte sie schlussendlich. Sie holte tief Luft und suchte den Blick von Oikawa. Eigentlich wollte sie ihn alleine sprechen und sich nicht...vor den Augen der anderen blamieren. Um Schadensbegrenzung zu betreiben, räusperte sie sich. »Ich wollte eigentlich euren Setter und Kapitän um ein...Date bitten. Also hast du...nächsten Samstag Zeit?«, brachte sie heraus. Vielleicht etwas direkt. Dennoch klopfte sie sich innerlich auf die Schultern. Klang doch halbwegs vernünftig. Auch wenn sie fühlen konnte, wie ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug. Irgendwie hatte sie es sich einfacher vorgestellt. Immerhin war es ja nicht so, als würde diese Frage aus dem Nichts kommen. Während manchen die Kinnlade runterkippte, runzelte Iwa die Stirn. »Samstag...in einer Woche?«, wiederholte er und zweifelte eher an dem Tag als an ihrer Frage. Er sorgte damit dafür, dass Asuna ebenfalls hellhörig wurde. Kindaichi, der wenige Meter neben ihm stand, sah überrascht zu seinem Kapitän. »Wollten wir uns an diesem Tag nicht alle bei Matsu treffen und das Spiel ansehen?« »Ja, davon spricht er schon seit Ewigkeiten. Voll nervig«, fügte Hanamaki hinzu. Oikawa, der bis jetzt nichts dazu gesagt hatte, ignorierte die anderen getrost. »Ja. Ich bin zwar überrascht, dass du zuerst fragst, aber ja. Ich habe Zeit.« Seine Lippen bildeten ein leichtes Schmunzeln. »Ach ja?«, kam es unisono von Kindaichi und Iwaizumi. Asuna, die eine leise Ahnung hatte, was sie bei Matsukawa vorhatten, nickte zufrieden. »Okay, gut. Ich gebe dir Bescheid, wann und wo wir uns genau treffen.« Hastig entschuldigte sie sich noch bei dem Coach und den anderen für die Unterbrechung, ehe sie wieder von hier verschwand. Das war doch gar nicht so schlecht gelaufen, auch wenn sie kurz Panik gehabt hatte, dass er tatsächlich keine Zeit haben würde. Sie musste schließlich doch grinsen. Das war perfekt. Als sie gestern Abend vor dem Fernseher gegessen hatte, war ihr die Werbung über ein Spiel der Nationalmannschaft aufgefallen. Japan gegen Frankreich. Sie hatte sofort nachgesehen, wie gut Frankreich war. Nummer sechs der Welt, also sollte es durchaus spannend sein, da Japan Rang neun war. So weit, so gut. Das Spiel würde allerdings bereits in zwei Wochen stattfinden, weshalb sie sofort versucht hatte, Karten zu bekommen. Kein Problem, wenn sie sich mit normale Plätze zufriedengegeben hätte. Sie wollte jedoch bessere, was wiederum nicht so einfach gewesen war. Sie hatte den halben Tag damit verbracht, herumzutelefonieren und sie musste gestehen, dass sie auch die Beziehungen ihrer Eltern genutzt hatte. Mehr zufällig als gewollt, aber schlussendlich hatte sie verdammt gute Plätze ergattern können. Sie konnte es kaum erwarten, seinen Blick zu sehen. Noch glaubte er, dass sie ihn von dem Sehen des Spiels abgehalten hatte. Zumindest hoffte sie, dass er sich freuen würde. Möglich, dass er lieber mit seinen Freunden dort sein wollte als mit ihr, die wenig Ahnung von Volleyball hatte. Dieser Gedanke trübte etwas ihre Freude. Nichtsdestotrotz war sie froh, einem Punkt auf der Liste näher gekommen zu sein und dank der Nervosität, die sich bereits jetzt erkenntlich zeigte, sollten ihr dabei einige Dinge klarwerden. Sie konnte es kaum erwarten. Kapitel 29: one step closer --------------------------- ❝ one step closer ❝ ● • . Zum millionsten Mal betrachtete Asuna ihr Spiegelbild. Sie zupfte an den Ärmeln und strich sich fast schon genervt ihre Haare aus dem Gesicht. Kaum hatte sie ein neues Kleidungsstück an, hatte sie sich wieder umgezogen, weshalb ihr Zimmer einem Schlachtfeld glich. Schlussendlich hatte sie sich für eine schwarze Jeans, die bereits ausgewaschen war, sowie für einen weißen, weiten Pullover entschieden. Dazu trug sie ebenso weiße Sneakers. Sie tendierte offensichtlich zu einem gemütlicheren Outfit, auch wenn sie bei dem langwierigen Auswahlverfahren durchaus auffälligere Stücke getragen hatte. Diese lagen nun zurecht auf dem Haufen neben ihrem Bett. Wieder einmal fragte sie sich, weshalb sie so ein Drama daraus machte. Oikawa hatte sie immerhin öfters nackt gesehen, als sie zählen konnte, und mit ihr Dinge angestellt, die jegliche Grenzen gesprengt hatten. Da sollte es eigentlich egal sein, ob sie eine dunkelblaue oder schwarze Hose trug. Frustriert blies sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. Selbst ihre Haare hatte sie sich leicht gewellt, was recht untypisch für sie war. Gott, sie war froh, dass ihre Mutter nicht hier war. Die Begeisterung, dass sie endlich ihre Haare anders trug als in einem Zopf oder Dutt, gepaart mit ihren hauchdünnen Nerven würde keine gute Mischung ergeben. Da sie keine Änderungen mehr vornehmen wollte, ließ sie es bleiben und stopfte ihre Geldbörse, ihr Handy und natürlich die Karten für das Spiel in ihre kleine Umhängetasche. Obwohl sie voller Elan war, war sie furchtbar nervös. Nicht umsonst war sie zwei Stunden lang im Bad und in ihrem Zimmer herumgerannt wie ein aufgescheuchtes Huhn. Zwischen drinnen hatte sie sich kurz aufs Bett geschmissen und musste über sich selbst lachen. Es war nicht ihr erstes Date im Leben, aber es fühlte sich verdammt nochmal so an. Nur damals, als sie sich das erste Mal mit Oikawa getroffen hatte, war sie nervöser gewesen. Zurecht, wenn sie daran zurückdachte. Doch jetzt war ihr der Grund, weshalb ihr Puls in die Höhe schnellte, unverständlich. Bevor sie sich noch mehr darüber den Kopf zerbrach, griff sie nach dem braunen Mantel und verließ die Wohnung. Weil der Bahnhof ungefähr zwischen Oikawa und ihr lag, hatte sie ihn gebeten, dort auf sie zu warten. Die Fahrt nach Tokio würde fast zwei Stunden dauern. Ziemlich lange, aber das war es wert. Sie hoffte, dass er es auch so sehen würde. Beim Bahnhof angekommen, konnte sie ihn sofort ausmachen. Abgesehen davon, dass er alleine beim Eingang stand, stach er dank seiner Größe aus der Menge hervor. Außerdem sah er wie immer verboten gut aus. Das dachte anscheinend auch die Mädchengruppe, die in sicherer Entfernung ein neues Gesprächsthema gefunden hatten. Aber auch viele Jungs, die bei ihm vorbeigingen, warfen des Öfteren einen zweiten Blick auf den Setter. Auch Asuna musterte ihn eingehend. Er trug ausnahmsweise mehr schwarz, weshalb seine olivgrüne Jacke besonders auffiel. Sie holte noch einmal tief Luft, ignorierte ihr Herz, welches unregelmäßig und verräterisch schlug, und ging auf ihn zu. »Du siehst aus, als würdest du auf das beste Date deines Lebens warten«, meinte sie, noch bevor sie überhaupt bei ihm war. Allerdings schlug sie in Gedanken den Kopf gegen die dreckige und vollgeschmierte Wand des Bahnhofes. Anscheinend schadete die Nervosität ihrem Verhalten. Oikawa blickte bei den Worten in ihre Richtung und starrte sie für einen kurzen Moment an, als wäre sie eine übernatürliche Erscheinung. »Tue ich. Ich habe hohe Erwartungen, nachdem du diejenige warst, die mich nach einem Date gefragt hat.« Er schmunzelte und Asunas Herz bekam kleine Flügel. Seit wann hatte ein einfaches Lächeln eine solche Wirkung auf sie? Natürlich hatte sie gemerkt, dass sich etwas geändert hatte, aber es war nicht das erste Mal, dass er sie so ansah. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie ständig an die Veränderung zwischen ihnen denken musste. »Kannst du. Ich bin bekannt für meine Dates«, erwiderte sie und schob all ihre Gedanken in die hinterste Ecke. »Ach ja?« Er hob seine Augenbrauen. »Nur ein Scherz. Meine Dates waren bisher langweilig. Was vermutlich auch an mir lag, sonst wäre ich irgendwann über das erste hinausgekommen.« Sie zuckte mit den Schultern und vergrub ihre Hände in den Manteltaschen, da es doch recht kühl war. »Du bist nie zum zweiten Date gekommen?«, meinte er überrascht. »Wow, das klingt motivierend.« »Wieso? Ich habe doch schon mal gesagt, dass du eine Ausnahme bist. Also besteht Hoffnung für dich.« Asuna wollte eigentlich ernst bleiben, aber sein zweifelnder Blick brachte sie zum Lachen. »Okay, genug getrödelt. Gehen wir. Der Zug nach Tokio geht in wenigen Minuten.« »Tokio?«, entkam es ihm perplex. Sie hatte damit gerechnet, dass er überrascht sein würde. Tokio war nicht gerade ein Katzensprung. Aus diesem Grund nickte sie. »Oh ja. Tokio. Etwas weit weg, aber das, was ich vorhabe, geht nur dort. Es tut mir übrigens leid, dass ich deine Pläne für heute durchkreuzt habe.« Sie hatte damals nicht damit gerechnet, dass es eine Art Tradition im Team war, des Öfteren Matches anzusehen. »Hm? Ach das. Ich kann mir das Spiel auch später ansehen. Immerhin ist es nur ein...Spiel.« Er zog seine Mundwinkel nach oben, aber Asuna hatte bemerkt, dass es ihn doch beschäftigte. »Ich verspreche dir hoch und heilig, dass du es nicht bereuen wirst, mitgekommen zu sein.« Sie hielt ihre gekreuzten Finger nach oben und sah zu dem Shinkansen, der gerade einfuhr. »Glaubst du echt, ich könnte das hier bereuen?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich weiß nicht. Vielleicht findest du es langweilig? Vielleicht wärst du doch lieber mit den anderen bei Matsu, um das Spiel anzusehen?« Sie zuckte unsicher mit den Schultern und stieg ein. Anschließend griff sie nach den Tickets, um die richtigen Plätze zu finden. Ihre reservierten Plätze waren weit hinten. »Mach dich nicht lächerlich. Schon vergessen? Ich verbringe gerne Zeit mit dir, demnach bin ich gerne hier.« Er ließ sich auf den Platz neben dem Fenster nieder. Zum Glück, so konnte er nicht erkennen, dass sie es vermied, ihn anzusehen. Es war immer ungewohnt, solche Dinge von ihm zu hören. Mit einem erhitzten Gesicht ließ sie sich ihm gegenüber fallen. Sie lenkte das Gespräch in eine andere, weniger ernste Richtung und auf den ersten Blick erschien es nichtssagend und wie simpler Smalltalk, aber für Asuna bedeutete es und vor allem diese Zeit zu zweit viel. In all den Wochen hatte sie keine Gelegenheit gehabt, mehr von ihm zu erfahren. Dabei gab es so viele Dinge, die sie wissen wollte. Zum Teil Simples, aber zugleich auch Persönlicheres. Deshalb verbrachten sie die Hälfte der Zugfahrt damit, über alles Mögliche zu reden. Tōru griff nach einiger Zeit nach ihrer Wasserflasche und nahm einen großen Schluck daraus. »Das war gerade ein indirekter Kuss«, rutschte es ihr heraus und wie so oft in letzter Zeit schlug sie sich in Gedanken gegen die Stirn. Natürlich musste sie gerade diese kindische Spielerei von früher in den Sinn kommen und doch hielt sie seinem perplexen Blick, der auch Belustigung aufwies, stand. »Willst du einen direkten?«, erwiderte er wie üblich nonchalant, während er die Flasche wieder verschloss und auf den kleinen Tisch zwischen ihnen stellte. Asuna kniff ihre Augen zusammen und konnte es förmlich in ihrem Kopf rattern hören. Ihre Mundwinkel zuckten unweigerlich, auch wenn ihr Gesicht eine überdurchschnittliche Hitze ausstrahlte. »Ich dachte, wir haken die Liste heute ohnehin ab.« »Also bleiben wir bis morgen in Tokio?« Er lehnte sich nach vorne und Asuna war sie sich nicht sicher, ob er ihr das gerade glaubte oder nicht. »Wir zwei alleine? In einem Zimmer? Das...kommt mir bekannt vor«, fügte er hinzu. »Keine Sorge, wir fahren heute wieder zurück, aber...würde es denn anders ablaufen als in Okinawa?« Obwohl ihr doch kleine Teile der Nacht von damals fehlten, war es, als wäre es gestern gewesen. Als wäre sie ihm erst gestern so unheimlich nahe gewesen. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wärst du wieder betrunken?«, stellte er die Gegenfrage mit einem Schmunzeln im Gesicht. Sofort verzog sie das Gesicht bei der Erinnerung. Das war dann wohl der ärgerliche Teil an der Geschichte. »Uhm, bestimmt nicht. Ich behalte gerne die Kontrolle über mich selbst und meine Handlungen.« »Soll ich ehrlich sein? Es hört sich vermutlich merkwürdig an, aber es war schön, dich betrunken zu sehen. Du warst so unbeschwert und ausnahmsweise hast du nicht darüber nachgedacht, was sein könnte, sondern einfach das getan, was dir gerade in den Sinn gekommen ist. Und das sage ich jetzt nicht, weil du leicht bekleidet auf mir gesessen hast.« Tōru griff nach seinem Portemonnaie und suchte darin etwas. Während Asuna versuchte, seine Worte zu verarbeiten, legte er etwas Kleines neben die Wasserflasche. Es war eine Muschel. »Du weißt es bestimmt noch. Die hast du mir gegeben, weil du unbedingt welche suchen wolltest. Ich trage sie seitdem herum, weil es mich gerne daran erinnert, wie sehr du mitten in der Nacht unbedingt Muscheln suchen wolltest, ich dich zum Hotel getragen habe und du mir echt viele Nerven gekostet hast.« Asuna griff danach und drehte die weiß-blaue Muschel in ihren Fingern hin und her. »Ich weiß nicht wieso es mir schwerfällt, öfters so losgelöst zu sein. Ich weiß nur, dass ich mich auch gerne daran zurückerinnere.« Ein paar Dinge waren mit dem letzten Rest Alkohol in ihrem Körper weggeschwemmt worden, doch einiges war auch wieder zurückgekommen. Eine Sache ließ sie gegenüber ihrem betrunkenen Ich vor Neid erblassen. Die Ehrlichkeit. Hätte sie sonst jemals zugegeben, dass mehr zwischen ihnen war? Hätte sie sonst gestanden, dass sie ihn gerne geküsst hätte? »An alles?«, hakte er nach, da er sich bestimmt fragte, was sie alles von damals wusste. »Ja, an alles. Selbst wenn mir manches davon noch immer furchtbar peinlich ist.« »Unterhaltsam, wenn man bedenkt, dass du besagtes Manches wenigen Monaten wie selbstverständlich getan hast«, antwortete er belustigt. »Ich weiß. Seitdem hat sich aber einiges verändert.« Und gleichzeitig so wenig. Sie waren noch immer Tōru und Asuna. Sie waren noch immer zwei junge Menschen, die sich anzogen wie Magnete. Doch sie waren auch dumm genug, um all das zu hinterfragen. Von da an verlief das Gespräch weniger ernst und nach weiteren eineinhalb Stunden kamen sie am Bahnhof von Tokio an. Zuerst hatte sie ganz unromantisch nach einstimmigem Beschluss bei Ichiran Ramen gegessen. Anschließend hatten sie sofort eine Spielhalle aufgesucht. Es war wohl der Ehrgeiz in beiden gewesen, welcher dafür gesorgt hatte, dass sie fast zwei Stunden mit Reaktionsspielen verbracht hatten. Unnötig zu erwähnen, dass Asuna abgesehen von einmal nie gewonnen hatte. Sie war sich außerdem sicher, dass dieses eine Mal ebenfalls geschenkt gewesen war. Danach wollten sie sich die Skyline Tokios auf dem Skytree ansehen, endeten aber bei der dortigen Miniausstellung eines Mangas, bei dem es um verschiedene Sportarten ging. Asuna ließ es sich nicht nehmen und kaufte Tōru einen kleinen Anhänger in Form des gelb-blauen Balls, den sie zum Spielen nutzten. »Okay. Bist du bereit für den besten Teil?«, fragte sie aufgeregt wie ein kleines Kind und konnte es kaum erwarten, seinen Gesichtsausdruck zu sehen. Darauf hatte sie schon den ganzen Tag gewartet. Es war 17:15 Uhr und in einer Dreiviertelstunde würde der Grund, weshalb sie überhaupt in die Hauptstadt gekommen waren, beginnen. »Deine Freude macht mir irgendwie Angst«, murmelte er skeptisch, hatte aber ein Lächeln im Gesicht. »Das sagst du jetzt. Dreh dich für einen Moment um.« Sie griff nach seinen Schultern, um nachzuhelfen, nachdem er sich eher sträubte. »Es wird dir nicht gefallen, aber ich muss dir die Augen verbinden.« Aus ihrer Tasche zog sie ein Tuch. »Ah, so viele Dinge, die ich jetzt sagen könnte«, meinte er dazu, während sie das Tuch anlegte und festzog. Asuna schmunzelte. »Was genau? Dass du eigentlich drauf stehst und dich fragst, wieso wir das nie getan haben?« Tōru lachte bei ihren Worten. »Woah, du kennst mich echt gut, Asuna.« »Tue ich. Immerhin habe ich in damals mehr Zeit mit dir als mit meinen Eltern verbracht. Zumindest fühlt es sich so an«, meinte sie, ohne großartig darüber nachzudenken, während sie checkte, ob er tatsächlich nichts sehen konnte. »Dann...hat dir die Zeit mit mir hoffentlich auch gefallen«, erwiderte er darauf. Sie schnaubte ungläubig. »Komm schon. Brauchst du darauf tatsächlich eine Antwort?« Leise lachend tastete er vorsichtig nach dem Tuch. »Keine Sorge. Es war nur eine rhetorische Frage. Du hast aber recht. Dafür ist es zu...echt gewesen.« Asuna sah ihn an und überlegte, was er mit es meinte. Hinter diesem kleinen Wort konnte fiel stecken. Doch egal was es war – sie stimmte ihm zu. Vielleicht hatte sie die Zeit mit ihm so genossen, weil sie sich dadurch weniger allein gefühlt hatte. »Okay, genug geredet. Lass uns gehen, sonst kommen wir zu spät.« Sie griff nach seiner Hand und zog ihn langsam mit sich. Er haderte kurz mit sich selbst, denn obwohl absolut kein Gegenstand im Weg war, machte er nur kleine Schritte. Sie grinste und hob ihre Hand, um ein Taxi anzuhalten. Vorsichtig verfrachtete sie ihn in das Auto und zeigte dem Chauffeur die Adresse mit ihrem Handy. »Könntest du mir einen Tipp geben, wohin wir fahren?«, fragte er neugierig. »Natürlich nicht, sonst ist es keine Überraschung.« Amüsiert beobachtete sie ihn dabei, wie er seine Nase kräuselte. Es passte ihm nicht, dass er unwissend war. Asuna konnte ihn verstehen. Sie selbst hasste Überraschungen und wäre nicht minder unzufrieden. In der Position des Überraschenden hingegen machte es Spaß. »Euer wichtiges Turnier ist bald, oder? Bist du...sehr nervös?«, wollte sie wissen, auch wenn ihre Frage aus dem Zusammenhang gerissen war. »Ja, nächste Woche beginnt die Qualifikation für das Frühlingsturnier. Miyagi hat derzeit ziemlich starke Teams. Es wird...hart. Ich will nicht nervös sein, aber ich kann gar nicht anders«, gab er zu und legte seinen Kopf nach hinten. »Nervosität ist in diesem Fall aber auch nicht schlecht, oder? So bleibt man angespannt und fängt nicht an, sich zu überschätzen. Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall«, sinnierte sie und erntete ein tiefes Lachen. »Du solltest unsere Managerin werden. Die Jungs würden bei deinen Motivationsreden Augen machen.« »Was denn?« Sie zuckte mit den Schulter, sich keiner Schuld bewusst. »Würde ich euch nicht kennen, würde ich bei eurem Auftreten auf dem Feld glauben, ihr hättet die Weltmeisterschaft gewonnen. Ihr seid gut darin, eure Nervosität zu überspielen.« »Nicht nervös zu sein wäre töricht, um ehrlich zu sein. Selbst Ushijima ist nervös. Denke ich zumindest.« Er runzelte die Stirn, als er an den Spieler der Shiratorizawa dachte. »Kommst du zu unseren Spielen?«, fragte er plötzlich ernst und wenn sich Asuna nicht täuschte, dann schwang ein kleiner Funke Hoffnung mit. Es konnte aber auch nur Wunschdenken sein. »Bei Jana habe ich kaum eine Wahl«, fing sie an und hätte bei seiner Reaktion beinahe gelacht, »aber auch ohne sie würde ich es mir nicht nehmen lassen, euch anzufeuern. Hast du zufällig ein Fanshirt übrig? Nur für den Fall, dass ich völlig motiviert bin.« »Erstaunliche Marktlücke, aber so etwas hat unser Team nicht. Vielleicht lässt sich das ändern, wenn das heißt, dass du definitiv dabei bist.« Tōru grinste und automatisch musste es Asuna ihm gleichtun. »Danke, aber nicht nötig. Ich werde da sein. Versprochen.« Asuna sah nach draußen und erkannte, dass sie vor dem Stadion gehalten hatten. »Wir haben übrigens unser Ziel erreicht.« Sie drückte dem Taxifahrer Geld in die Hand und ehe sie sich versah, standen sie vor dem imposanten Gebäude. Sie hatte vergessen, dass sie in Tokio waren und alles um einiges größer war. Beeindruckt besah sie sich auch die wehenden Fahnen an den Seiten des asphaltierten Platzes, welche die Spieler des japanischen und französischen Nationalteams zeigten. »Gefällt es dir, mich im Dunklen zu lassen, oder...?«, kam es von Tōru ungeduldig. »Beruhige dich«, meinte sie lachend und hob ihre Arme, um ihm das Tuch zu entfernen. Hast nahm sie es ihm ab und hielt es fest in ihren Händen. Tōru blinzelte ein paar Mal und ohne sich länger Zeit zu lassen, drehte sie ihn um. Gespannt machte sie einen Schritt nach hinten. »Was zum...? Wir sind ernsthaft bei der Volleyballarena?«, murmelte er überrumpelt und während er sich die Umgebung ansah, kramte Asuna aus ihrer Tasche die Tickets hervor. Mindestens genauso aufgeregt legte sie ihm diese von hinten um. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht nervös an ihren Nägeln zu kauen. Gespannt beobachtete sie seine Reaktion. Er nahm das Sammlerticket, wie es auf der Seite geheißen hatte, in die Hand und las sich die Details durch. Es dauerte überraschend lange für seine Verhältnisse, ehe er sich wieder zu ihr umdrehte und sie sprachlos anstarrte. Weil sie ihn eigentlich nie wortlos erlebte, wurde sie unruhig. »Also, das sind VIP Tickets für das Spiel. Du weißt schon – Japan gegen Frankreich. Ich dachte -«, fing sie an, konnte ihren Satz aber gar nicht zu Ende bringen. Tōru hatte nach ihrer Hand gegriffen und sie mit einem Ruck zu sich gezogen. Fest hatte er seine Arme um sie geschlungen, sodass er sie an sich drückte und sie seinen starken Herzschlag spüren konnte. Zu perplex, um etwas zu sagen, hob sie ihre Arme und legte diese ebenfalls um ihn. Das leise aber eindringliche »Danke« ließ ihr Herz hüpfen und ihre Wangen erröten. Es klang so ehrlich und überwältigend, dass es sie ein kleines bisschen überforderte. Sie hatte gehofft, dass er sich darüber freuen würde, aber dass ihm das Geschenk so begeisterte, hätte sie nicht gedacht. Es ließ sie erleichtert aufseufzend und auch drückte sie ihr Gesicht fester an seinen Oberkörper. Die Umarmung tat...gut. »Nicht dafür«, erwiderte sie und löste sich langsam aus der Umarmung. Auch wenn sie noch viel länger diese Geste genießen wollte, konnten sie nicht ewig inmitten der anderen Besucher so bleiben. »Das ist so viel besser, als das Spiel im Fernsehen mit den anderen zu sehen«, gab er zu und schien es noch immer nicht ganz glauben zu können. Fasziniert berührte er das Plastik der Karte, als würde er träumen. »Sag ihnen das aber nicht.« Asuna lachte leise bei dem Gedanken, denn sie konnte nur erahnen, wie sehr Iwa und die anderen gerne mit ihm hier wären. Tōru schnaubte. »Pff! Und wie ich ihnen davon erzählen werde. Vielleicht schicke ich ein Foto in den Gruppenchat. Die können ruhig vor Neid erblassen.« »Gut, dann können wir jetzt hineingehen, oder? Wir haben noch 20 Minuten und ich will unbedingt noch Snacks kaufen.« Nicht dass sie oft zu Sportveranstaltungen ging, aber Snacks gehörten nun mal dazu. Aus diesem Grund verschwendeten die beiden keine Zeit und machten sich auf den Weg zur Arena. Unzählige Leute waren bereits auf ihren Plätzen, aber viele tummelten sich noch bei den einzelnen Ständen, um sich noch schnell mit Getränken und anderem einzudecken. »Oh, sie spielen sich schon ein. Warte! Das sind ernsthaft unsere Plätze?«, fragte Tōru nahezu fassungslos, als er auf der Treppe stehengeblieben war. »Ehm, ja? Ich denke schon.« Oder hatte sie sich vertan? Nein. Es musste stimmen. Sie hatte extra Plätze gewählt, die nicht auf der Seite des Schiedsrichters waren und somit Sichteinschränkung vorwiesen. Tōru murmelte etwas Unverständliches und setzte seinen Weg fort. »Entschuldigung! Könnten Sie ein Foto von uns machen?« Asuna sah auf und bemerkte, dass Tōru gerade jemanden oberhalb von ihren Plätzen um einen Gefallen gebeten hatte. Sie stellte ihr gekauftes Zeug ab. »Ein Foto? Warum willst du-«, begann sie, wurde aber von ihm unterbrochen, als er seinen Arm um sie legte und wie selbstverständlich zu sich zog. »Es wird Zeit, dass wir ein gemeinsames Foto haben. Außerdem sollten wir schöne Erinnerungen festhalten, oder?« Als wollte er ihre Bestätigung, suchte er ihren Blick. Sie nickte, während sich ihre Hand auf seine Schulter legte. Asuna lächelte. Schon wieder. »Ja. Sollten wir.« Es wäre wirklich das erste gemeinsame Foto. Bei allen anderen waren sie immer nur in der Gruppe zu sehen. Ähnlich wie damals in Okinawa, nur hatte sie dieses Mal keine Hintergedanken. Die fremde Frau drückte auf den Touchscreen und schmunzelte zufrieden, als sie Tōru das Handy wieder reichte. »Wir sehen echt gut aus«, stellte Tōru überzeugt fest und zeigte ihr das Bild. Er sah mehr als nur glücklich auf dem Foto aus. Und auch sie selbst hatte zwar ein dezenteres Lächeln aufgesetzt, konnte aber das Funkeln in ihren Augen deutlich erkennen. Es war völlig neu, sie beide von außen zu sehen. Ein Foto war etwas absolut Schlichtes und zugleich konnte sie erkennen, dass sie keine reine Freundschaft ausstrahlten. Es mag bescheuert klingen, aber selbst auf dem Foto war mehr zu sehen. Vor allem auf dem zweiten, welches durch das vermehrte Klicken entstanden war. Es war der kleine Moment, in dem sie sich angesehen hatten. Wie in einem klischeehaften Augenblick, der unnatürlich romantisch wirkte, obwohl sie von hunderten Leuten umgeben waren. »Also kannst du es mit ruhigem Gewissen in den Gruppenchat stellen?«, hakte sie nach, während sie sich setzte und nach ihrem Zitroneneistee griff. »Tut überrascht, wenn ihr uns im Fernsehen seht«, zitierte er und ließ sein Handy in seiner Hosentasche verschwinden. »Okay, dann erklär mir jetzt alles, was ich vor diesem Spiel wissen muss.« Asuna hatte sich schon längst mit Volleyball angefreundet, ganz zu Freude von Tōru, der aussah, als hätte er die ganze Zeit auf diesen Moment gewartet. Anstatt ihre Worte zu bereuen, lachte sie leise über seine kindliche Aufregung und lauschte in den nächsten Minuten gespannt seinen Erklärungen. Während des Spiels war er so angespannt, dass sie es nicht wagte, ihn im Laufe des Ballwechsels anzusprechen. Manchmal musste sie ein Lachen zurückzuhalten, wenn er aussah, als würde er sich die Spielzüge am liebsten notieren. Seine Begeisterung war ansteckend und so erwischte sie sich selbst, wie sich neben Nationalstolz auch Euphorie bei beeindruckenden Rallys und Angriffen bemerkbar machten. »Japan hat verdient gewonnen und Frankreich hätte zum Schluss den Spielerwechsel nicht vollziehen dürfen. Das war ein großer Fehler«, meinte Tōru, nachdem sie im Gedränge der anderen Besucher das Stadion verließen. »Ich kenne die Spieler nicht wirklich, aber das hätte selbst ich nicht getan«, erwiderte sie und verzog prompt das Gesicht, als sie von jemandem angerempelt wurde. Sie wollte sich gerade beschweren, als jemand nach ihrer Hand griff. Tōru hatte bemerkt, dass der Abstand zwischen ihnen größer geworden war und sorgte dafür, dass sie nicht verloren ging. Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, aber sie war froh, dass er sie nicht losließ. Tōru hatte im Gegensatz zu ihr keine Probleme mit den anderen Leuten. Immerhin war er größer als die meisten. Sie hingegen hatte Sorge, einen Ellbogen ins Gesicht zu bekommen. Aus diesem Grund drückte sie seine Hand fester, um auf Nummer sicherzugehen. »Menschenmassen sind mir manchmal nicht ganz geheuer«, meinte sie, als sie diese etwas hinter sich gelassen hatten. In ihrer Heimatstadt in Miyagi war es selten so überfüllt, allerdings hatte sie Tokio schon immer sehr gemocht. »Ist okay. Ich sorge dafür, dass du nicht mitgerissen wirst.« Tōru schmunzelte, während sie auf ihre Finger, die nach wie vor mit seinen verschränkt waren, starrte. Es fühlte sich warm und natürlich an. Wie, als hätten sie nie etwas anderes getan. Dabei war es so banal und überhaupt kein großes Ding. Vielleicht zögerte sie genau deshalb mit dem Loslassen. »Ich entschuldige mich jetzt schon dafür, wenn ich bei der Heimfahrt einschlafe«, fügte er hinzu und machte ebenfalls keine Anstalten, etwas an ihren verschränkten Fingern zu ändern. Asuna holte tief Luft und plötzlich wurde ihr heiß, obwohl die Nachtluft für Ende Oktober fast schon stechend kalt war. Sie sah auf und begegnete seinem Blick. Er wirkte so gelassen. Ganz anders als sie. »Brauchst du nicht. Vermutlich werde ich es dir gleichtun.« Mühsam hielt sie ein Gähnen zurück. Obwohl es noch nicht spät war, machte sich der Tag bemerkbar. Ihre Müdigkeit lenkte sie jedoch kurzzeitig davon ab, dass sie durch eine schlichte Berührung aus dem Konzept gebracht wurde. »Lass nicht los, okay?«, sagte Tōru plötzlich ernst, woraufhin sie überrascht die Stirn runzelte. »Ich...Nein. Werde ich nicht. Ich versuche nur weniger nachzudenken und das zu tun, was mir guttut. Und das hier tut gut.« Sie starrte auf den Boden vor sich. Ein kleiner Teil in ihr war stolz darauf, dass sie es geschafft hatte, diese Worte auszusprechen. Ehrlichkeit war der erste Schritt in die Richtung zur Lösung, welche Klarheit bringen sollte. Sie hatte das Gefühl, fast angekommen zu sein. »Du solltest öfters weniger nachdenken«, erwiderte er lächelnd. Im Shinkansen bewahrheitete sich ihre Vorahnung und binnen fünf Minuten schliefen die beiden ein. Dieses Mal saßen sie nebeneinander und Asuna hielt ihr Versprechen, nicht loszulassen. Ähnlich wie im Flugzeug verbrachten sie die Fahrt mit Schlafen. Der kleine aber signifikante Unterschied war, dass sie seine Nähe zu ihm und die sanfte Berührung ihrer Hände genoss, sich nicht dagegen sträubte oder sich einredete, dass es falsch war. Denn das war es eindeutig nicht. Auch als sie dank der Durchsage aufwachte, zuckte sie nicht zurück und war im Gegensatz so entspannt wie noch nie. Es war fast schon schade, als sie vor ihrem Wohnhaus standen und sich ihre Wege für heute trennten. »Du hast Stunden mit mir in der Spielhalle verbracht, obwohl du ständig verloren hast. Wir waren völlig ungezwungen bei Ichiran und zu guter Letzt hast du mir ein VIP-Ticket für meinen Lieblingssport geschenkt und mir fast zwei Stunden dabei zugehört, wie ich über die Spieler und langweilige Statistiken rede. Ich habe das Gefühl, als wäre ein Danke für diesen Tag nicht angemessen genug.« Tōru lächelte seicht. Asuna hingegen hätte selbst ein Danke nicht von ihm benötigt. Es hatte ihr gereicht, ihn glücklich zu sehen. Selbst all die Informationen über die Nationalspieler, die recht viel für sie als Neuling in diesem Sport waren, hatte sie ausgesogen wie ein Schwamm. Bereits aufgrund dessen, da er so begeistert davon erzählt hatte. »Ich habe den Tag gerne mit dir verbracht, weil er genau so war, wie ich es mir erhofft habe. Herumalbern in der Spielhalle, die besten Ramen Japans essen und mit einer wandelnden Wikipedia-Seite über Volleyball dem Nationalteam beim Gewinnen zuzusehen, sind für mich Definition von einem perfekten...Date. Ich würde alles wieder so machen.« Asuna spielte mit dem Schlüssel, denn wie so oft fühlte sie sich merkwürdig, nachdem sie offen ihre Gedanken mitgeteilt hatte. Außerdem kam ihr dieser Moment vor, wie aus einem kitschigen Film. Es störte sie nicht. Im Gegenteil. Es war...intensiv und anders als alles, was sie bis jetzt erlebt hatte. Damit meinte sie nicht nur diesen Moment gerade. Den ganzen Tag über war es, als würde sie schwerelos auf einer Wolke schweben. Völlig in ihren offenen Fragen versunken, hatte sie nicht bemerkt, wie sie den Schlüsselbund fest umklammert hatte, bis sie die warmen Hände von Tōru spürte. »Denkst du wieder zu viel nach, Asuna?«, kam es von dem Setter belustigt. »Nein, keine Sorge«, murmelte sie und starrte auf seine Hände, die ihre verdeckten. »Wenn ich ehrlich bin, war ich heute Morgen unsicher, wie dieser Tag verlaufen würde. Immerhin haben wir noch nie so viel Zeit miteinander verbracht, aber...es war eine gute Idee. Alles davon. Zumindest weiß ich jetzt, dass sich Stunden mit dir wie ein kurzer Augenblick anfühlen. Dieser Augenblick war mit Abstand der beste seit Monaten und gerade das brauche ich derzeit dringend.« »Dieser Tag scheint uns beiden gutgetan zu haben. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich habe bis zum Spiel nicht einmal an Volleyball gedacht. Das ist... nur dein Verdienst. Danke dafür.« Asuna fühlte ihr Herz, welches unregelmäßig in ihrer Brust schlug. Es war selten, dass er sich bei ihr bedankte. Meistens war es umgekehrt und jetzt hatte er es gleich zweimal getan. »Ich schätze, wir sind die gegenseitige Ablenkung, die wir dringend...brauchen.« Sie starrte auf seine Lippen, die mit dem dezenten Lächeln nur noch einladender wirkten. Selbst wenn sie oftmals alles abblockte, was mit ihren Gefühlen zu tun hatte, so konnte sie nicht bestreiten, dass sie seine Lippen auf ihren vermisste. Es war keine Nostalgie, nach der sich sehnte. Zumindest nicht ausschließlich. Natürlich vermisste sie diese Lockerheit in seiner Nähe, doch sie vermisste das Gefühl der Schwerelosigkeit in seiner Nähe um einiges mehr. Egal wie viel Stress sie an einem Tag gehabt hatte – Tōru hatte es immer geschafft, dass sie dank seiner bloßen Anwesenheit für einige Stunden nicht daran denken musste. »Liste hin oder her. Wir sollten das wieder tun«, meinte er, während er sie losließ. Sofort fühlte sie die kalten Temperaturen. Sie wollte antworten, doch Tōru hatte andere Pläne. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und und kam ihr näher. Viel näher, sodass Asuna die Luft anhielt. Die Müdigkeit war für diesen Moment völlig verschwunden. Stattdessen blinzelte sie öfters als gewöhnlich und musste tief Luft holen, als sie seine Lippen auf ihrer Stirn spürte. Es war so zaghaft und zurückhaltend, dass sie es kaum spürte. Doch diese kleine Berührung, die so viel unschuldiger aber nicht minder bedeutender war als ein Kuss, reichte bereits für einen kleinen glühenden Funken in ihrem Inneren aus. Und merklich öfter konnte sie nicht leugnen, dass seine Nähe etwas in ihr auslöste, dass weit über ein freundschaftliches Hochgefühl hinausging. »Ich lasse dich nur ungern alleine und ich würde wirklich noch länger an deiner Seite sein, aber es ist spät. Wir...sehen uns am Montag. Gute Nacht, Asuna«, waren seine letzten Worte, bevor er sie vor ihrem Wohnhaus stehen ließ. »Gute Nacht«, murmelte sie, bevor er in der Dunkelheit verschwunden war. Ihre Schultern verloren an Spannung, als die aufgeladene Luft langsam wieder nachließ. Sie würde lange brauche, um den Tag zu verarbeiten. Sie würde aber nicht lange dafür brauchen, um das Resultat dieses Tages zu verstehen. Mit einem langen Seufzen und einem Lächeln auf den Lippen verschwand sie in die Wärme des Foyers. Sie würde heute nach nicht ruhig schlafen können, aber das war es wert. Kapitel 30: you can be king again. ---------------------------------- ● • . Asuna lauschte den Erklärungen des Lehrers nur halbherzig, während sie mit ihrem Stift auf die abgenutzte Serviette zeichnete. Es war die Liste, die ihr Tōru damals im Flugzeug gegeben hatte und die sie seitdem mit sich trug. Gerade lag sie auf ihrem Englischbuch und lenkte sie davon ab, dem Unterricht zu folgen. Halb so schlimm, da sie in diesem Fach keine Probleme hatte. So konnte sie auf das Wort Date starren, als würde es sich dadurch verändern. Es weckte gute Erinnerungen an das vergangene Wochenende und deshalb kam es ihr zum ersten Mal vor, als wäre diese Liste tatsächlich der Schlüssel zu ihrer misslichen Gefühlslage. »Weitergeben, Asuna«, ertönte es auf einmal und in ihrem Sichtfeld erschienen einige Arbeitsblätter, die ihr netterweise von Jana gereicht wurden. Aus ihren Gedanken gerissen sah sie auf. Ihre beste Freundin musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, was sie mit einem Augenverdrehen quittierte. Sie tat wie gewünscht und gab die Papiere weiter. Als sie wieder auf den Tisch blickte, seufzte sie tief und auch ein wenig ertappt. Wie ein schwer pubertierendes Mädchen hatte sie ein Herz auf die Serviette gemalt, sodass an dieser Stelle der Stift beinahe durchgedrungen wäre. Die gesamte Zeit über, in der sie an das Date und ihre Erkenntnis gedacht hatte, war ihre Hand selbstständig geworden. Sie zeichnete oft verschiedene Symbole wie Herzen, weil es einfach war und schön aussah, aber gerade jetzt hatte sie es in Verbindung mit Tōru getan. Es spiegelte tatsächlich ihre Überlegungen wider. Nachdem sie am Samstag nachhause gekommen war und schlafen gehen wollte, hatte sie natürlich kein Auge zugemacht. Ihre Gedanken kreisten durchgehend um Tōru und den gemeinsamen Tag. Obwohl sie so nervös gewesen war, hatte er es ihr einfach gemacht. Im Gegensatz zu ihr war er völlig gelassen gewesen. Zumindest hatte es für sie diesen Anschein gemacht. Außerdem hatte es sich so angefühlt, als würden sie ständig Zeit gemeinsam auf diese Weise verbringen. Es war so einfach, in seiner Nähe sie selbst zu sein. Jedes Gespräch, jede Handlung war so selbstverständlich. Selten hatte sie so viel gelacht wie an diesem Tag. Und durchgehen hatte ihr Herz verräterisch in ihrer Brust geschlagen. Kein einziges Mal hatte sie gedacht, dass es langweilig war. Im Gegenteil. Es hatte ihr schlichtweg bewiesen, dass sie keine nackte Haut brauchten, um sich nahe zu sein. Seine Hand zu halten und das damit einhergehende Kribbeln auf jedem Zentimeter ihres Körpers hatte ihr gereicht. Sie war froh, dieser Liste zugestimmt zu haben. Es half ihr, sich auf wesentliche Punkte zu konzentrieren. Das brauchte sie einfach, so wie ihre To-Do-Listen, die sie gerne fürs Lernen erstellte. Da sie viele Dinge im Kopf hatte, verging der Schultag wie im Flug. So war sie gerade mit Jana auf dem Weg, um sich einen Kaffee zu holen. Sie würden beide gemeinsam an diesem Mittwochabend lernen und da die Nachhilfe mit Tōru aufgrund des bevorstehenden Turniers ausgefallen war, musste sie sich umso mehr auf Mathematik konzentrieren. Iwa hatte ebenfalls mit dem Training zu tun, weshalb Jana ausnahmsweise motivierter war. »Du bist mit deinen Gedanken eindeutig noch immer bei eurem Date«, stellte die Dunkelhaarige richtig fest. »Erwischt, aber wie könnte ich auch nicht? Am liebsten würde ich ihm das gerade sagen. Ihn jetzt darauf anzusprechen wäre aber...echt umsonst.« Sie hatte seit Samstag nicht wirklich mit ihm gesprochen. Man sah ihm an, dass er nur an das Frühlingsturnier dachte. Von Jana wusste sie, dass er deutlich gereizter war und sie ihn förmlich nach dem Training aus der Halle zerren mussten. Unweigerlich hatte sie dabei an sein Knie gedacht und hoffte inständig, dass er es nicht übertreiben würde. »Hm, zum Glück dauert das Turnier nicht lange. Danach hat er bestimmt genug Zeit.« Asuna zweifelte an ausreichender Zeit. Nach diesem Turnier waren es nur noch wenige Wochen bis zu den Abschlussprüfungen und das bedeutete mehr Stress für sie. »Zeit ist ein Thema, an das ich nicht denken möchte.« Nur noch wenige Monate in der Oberschule. Nur noch wenige Monate mit all ihren Freunden und auch...Tōru. Bei dem Gedanken wurde ihr übel. »Okay, dann Themenwechsel. Du gehst doch hoffentlich übermorgen mit, oder?«, fragte sie neugierig, kannte aber die Antwort schon. Asuna nickte. »Ja, ich hab es versprochen. Ich hoffe wirklich, dass sie gewinnen werden«, meinte sie und erntete ein Grinsen seitens Jana. »Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass du freiwillig zu einem Volleyballspiel von Oikawa Tōru gehen würdest? Die alte Asuna hätte mich mit einem mörderischen Blick gestraft und mich für verrückt erklärt.« »Damals war ich aber auch noch der festen Überzeugung, dass es einfach ist, körperliche und emotionale Anziehung zu trennen. Ich kann nicht glauben, dass ich mich so geirrt habe«, gab sie zu. Sie hasste es einfach, sich zu irren. »Ich finde, dass du es aber ziemlich lange durchgezogen hast. Wie lange lief das zwischen euch? Fast ein Jahr?« Kurz nach ihrem 17. Geburtstag. Sie erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. »Ja, weil ich mich meistens nur auf das Wesentliche konzentriert habe. Als wir aber mehr miteinander geredet haben und einer von uns nicht sofort nach dem Sex verschwunden ist, hat die Verwirrung angefangen. Am schlimmsten war es damals, als er mich einfach so geküsst hat und mich dann völlig vor den Kopf gestoßen alleine gelassen hat.« »Aber es zeigt eindeutig, dass es ihm nicht anders geht. Sonst hätte er diese Liste nicht erstellt«, meinte Jana dazu und hatte nicht unrecht. »Wie auch immer. In den nächsten Tagen ist dieses Thema Nebensache. Tōru wird den Kopf voller Volleyball haben und ich nutze die Zeit zum Lernen.« »Dann kommst du morgen nicht zu der ersten Runde?« »Doch schon, aber ich weiß nicht, ob ich es rechtzeitig schaffe. Ich wollte noch in der Bücherei meine Aufgaben erledigen.« »Streber«, murmelte Jana liebevoll, »und pack dein Geld weg. Der Kaffee geht auf mich.« ♛♔ Asuna band sich hastig einen hohen Zopf, da sie bereits spät dran war. Bevor sie zum Sendai City Gymnasium aufbrach, wollte sie noch unbedingt die Schuluniform loswerden und wärmere Kleidung anziehen. Deshalb lief sie in ihrem Zimmer herum und versuchte, alles gleichzeitig zu erledigen. Mit der Zahnbürste im Mund vernahm sie ein Klingeln. Weil sie keine Zeit verlieren wollte, öffnete sie die Tür. Ein Lieferant stand vor ihr und hielt ihr ein elektronisches Kästchen entgegen. Er wunderte sich nicht über ihr Aussehen. Anscheinend hatte er schon Schlimmeres gesehen. Ohne etwas zu sagen, unterschrieb sie und nahm das Päckchen an. Es war halbherzig eingepackt und fühlte sich weich an. Stirnrunzelnd suchte sie nach einer kleinen Karte, um den Absender zu ermitteln, doch sie fand nichts. Merkwürdig, dachte sie sich und legte es auf den Tisch, damit sie schnell ins Bad verschwinden konnte. Mit frisch geputzten Zähnen ging sie zurück und riss ungeduldig die Verpackung auf. Etwas Weißes kam zum Vorschein und schnell entdeckte sie auch den türkisen Schriftzug. Noch bevor sie das Geschenk zur Gänze gesehen hatte, schloss sie die Augen und legte ihren Kopf in den Nacken, während sie tief Luft holte und an Tōrus Verstand zweifelte. »Das ist nicht sein Ernst, oder?«, stellte sie die Frage in den leeren Raum. Sie griff nach dem T-Shirt und hielt es ausgebreitet vor sich. Das in Farbe geschriebene Oikawa und die große 1 darunter waren...nicht zu übersehen. Nope. Nein. Das würde sie nicht anziehen. Da konnte sie sich gleich Fangirl auf die Stirn tätowieren. Sie konnte nicht glauben, dass er sich neben dem Training und Schulpflichten hierfür Zeit genommen hatte. Das konnte sie wirklich nicht anziehen. So sehr er sich hierfür auch bemüht hatte. Im Ernst...sie konnte doch nicht einfach damit herumrennen, als wäre es ein normales T-Shirt. Alle Mädchen ihrer Schule würden sie hassen. Noch mehr als ohnehin schon. Sie wollte wirklich keinen Stress, aber natürlich wollte ein Teil von ihr Tōru einen Gefallen tun. Nicht umsonst hatte er sich die Mühe gemacht. Hätte er sich nicht etwas Dezenteres aussuchen können? »So ein Idiot«, brummte sie und legte das Oberteil in ihr Zimmer. Sie würde es nicht anziehen und beließ es bei ihrem schwarzweiß karierten Rock, dem dunklen Oberteil und den Overknees. Beim Stadion angekommen, war sie überwältigt von der Menge an Zuschauern. Sie kannte sich nicht mit den Turnieren aus, aber anscheinend war es das wichtigste im ganzen Jahr. Es würde auch die Fans, die unheimlichen Lärm machten, erklären. Jana war schnell gefunden und während sie zwischen den Reihen anderen die Sicht versperrte, erkannte sie, dass Aoba Johsai gegen eine Schule namens Niiyama Tech spielte und drei Punkte in Führung war. »Wir dachten schon, du kommst nie!«, wurde sie von Jana begrüßt und erst jetzt entdeckte sie Mia, Suki und Lu. »Sorry, ich wurde des Öfteren aufgehalten.« Sie dachte an ihr T-Shirt und an eine blöde Formel, die ihr bestimmt eine Stunde gekostet hatte. »Wie schlagen sie sich?« »Ganz gut soweit. Die andere Schule versucht alles Mögliche, aber ihre Angriffe sind ziemlich vorhersehbar«, bekam sie von Lu die Zusammenfassung. Asuna sah auf das Spielfeld. Ein Team hatte gerade ein Time-out genommen, sodass die Zuschauer laut geworden waren. Die Jungs wirkten entspannter, aber nach wie vor ernst. Zumindest ließ Tōrus Blick darauf schließen. Da es bald weitergehen würde, zog sie sich die schwarze Jacke aus und wie aufs Stichwort ertönte der Pfiff des Schiedsrichters. Das Team rund um Iwa und Tōru machte sich bereit, den Satz zu gewinnen, und während die anderen stur auf den Boden starrten, fixierte Tōru die Zuschauerränge. Er hatte die Aufmerksamkeit schon immer geliebt, aber es war eher eine Person, die er suchte. Asuna beobachtete ihn, als er fragend auf sich selbst zeigte und mit seinen Lippen einen Satz formte. Sie brauchte einen Moment, um ihn zu verstehen. Er wollte wissen, ob sie sein Shirt bekommen hatte. Ihre Augen verdrehend schüttelte sie den Kopf und es fühlte sich echt mies an, ihn enttäuschen zu müssen. Und sein Gesichtsausdruck machte es nicht besser. Sein Grinsen verschwand und binnen weniger Sekunden hatte er den Blick abgewandt. Hätte sie lügen sollen? Das schlechte Gewissen machte sich in ihr breit. »Was sollte das denn?«, fragte Jana mit hochgezogenen Augenbrauen. »Erzähle ich dir später«, erwiderte sie und verfolgte von da an das Spiel, welches nach einer Dreiviertelstunde vorbei war. Seijoh hatte gewonnen und stand in der nächsten Runde. Diese würde bereits in einer Stunde beginnen, weshalb sie sich etwas zu trinken holen wollte. Jana begleitete sie und war natürlich auf Tōrus Seite, was das Shirt betraf. »Wieso hast du es nicht an?« »Wieso ich es nicht anhabe? Es wäre wie eine Liebeserklärung an die gesamte Schule.« Trotz ihrer Worte musste sie an seinen Ausdruck denken. Er hatte wirklich gehofft, sie würde es tragen. »Du hast ja recht, aber du hättest einen Pullover darüber ziehen können. So hättest du es nicht gleich jedem gezeigt und Oikawa würde zumindest ein wenig motivierter in das nächste Spiel gehen.« Schulterzuckend drückte sie sich eine Wasserflasche aus dem Automaten. Dass Jana ihrem schlechten Gewissen beipflichtete, war nachvollziehbar und deshalb nervte es so sehr. »Hätte ich tun können, aber daran habe ich nicht gedacht«, gab sie murrend zu. Anscheinend ließ ihre Logik stark nach, sobald es um Tōru ging. »Vielleicht trage ich es morgen, vielleicht auch nicht. Was ich aber eindeutig weiß, ist, dass ich jetzt Eistee möchte. Zitrone.« »Zitroneneistee und Zitroneneis? Das ist merkwürdig«, ertönte es hinter ihnen, woraufhin ihr heiß und kalt zugleich wurde. Tōru und Iwa waren anscheinend ebenfalls auf der Suche nach Ruhe. Mit ihrem Herz, das bei seiner Anwesenheit verräterisch auf und ab hüpfte, drehte sie sich zu ihnen. »Möglicherweise fühle ich mich zu Merkwürdigem hingezogen?«, formulierte sie zweideutig und sowohl Jana als auch Tōru hoben die Augenbrauen. Nur Iwa grinste offensichtlich. »Was meinst du, Jana? Lassen wir die zwei Merkwürdigen alleine?« Das Ass des Teams nahm seine Freundin bei der Hand und zog sie mit sich. Elegant gelöst, dachte sich die Blondhaarige sarkastisch. Sie drehte an dem Verschluss ihrer Flasche und lehnte sich gegen die Wand. Erst jetzt viel ihr auf, wie ruhig es hier im Gegensatz zu den kleinen Ständen am Eingang war. Als sie Tōru ansah, der entweder mit seiner Hand durch die Haare fuhr oder mit dem Zip seiner Trainingsjacke spielte, wurde ihr bewusst, wie unruhig er gerade war. Und wie sehr sie gerade seine Hand halten wollte. Nicht nur, um ihm etwas von seiner Nervosität zu nehmen, sondern weil sie das Gefühl vermisste. »Es ist schön, das du hier bist«, meinte er plötzlich und riss sie aus den Gedanken. »Klar. Ich hab es immerhin versprochen. Und was das Shirt angeht-«, begann sie, wurde jedoch unterbrochen. »Vergiss es. Du musst es natürlich nicht tragen. Das war eine idiotische Idee.« Tōru mied ihren Blick, doch sie wusste genau, dass sie es nicht einfach so vergessen konnte. Nicht wenn er sich zwischen all dem Training die Mühe gemacht hatte und seine Reaktion weit davon entfernt gewesen war, um es jetzt einfach zu vergessen. »Morgen. Ich werde es morgen tragen. Vorausgesetzt ihr gewinnt euer nächstes Spiel. Aber ich muss gestehen, dass ich Gefallen daran gefunden habe, dir beim Spielen zuzusehen.« Sie schmunzelte und wusste genau, dass sie seinem Ego damit einen mächtigen Gefallen getan hatte. Jedoch scherzte sie nicht. Seine Leidenschaft, seine Ernsthaftigkeit und sein Kampfgeist inspirierten sie ungemein. »Tatsächlich?« Er schob seine Hände in die Taschen seiner Trainingshose. »Darauf kommst du aber reichlich spät.« Nun musste er doch leicht grinsen. »Besser spät als nie«, meinte sie mit einem Schulterzucken, »aber das heißt, dass ihr heute gewinnen müsst. Sieh mich nicht so an! Das meine ich todernst.« Sein anfängliches Schmunzeln verschwand nach und nach und machte Platz für einen Blick, den sie nur zu gut kannte. »Okay, aber was bekomme ich dafür...von dir?« Er machte einen deutlichen Schritt nach vorne und beinahe hätte sie gelacht. Einfach, weil diese eine kleine Aussage sie so sehr an die damaligen Spielchen zwischen ihnen erinnerte. »Ganz schön mutig, weitere Forderungen zu stellen. Ist es nicht genug, dass ich deinen Nachnamen für jeden sichtbar auf meinem Rücken stehen haben werde?« Ihr wurde ungemein heiß, wenn sie an den großen türkisen Schriftzug dachte. Nicht ausschließlich vor Freude, denn es kostete sie große Überwindung, das zu tun. Er streckte seinen Arm nach ihr aus, um ihre Haare nach hinten zu streichen und einen freien Blick auf ihren Hals zu haben. Seine kalten Finger verharrten auf ihrer erhitzten Haut. »Dieser Gedanke motiviert mich ungemein, wenn ich ehrlich bin. So weiß jeder, dass du zu mir gehörst.« Asunas Puls schnellte bei diesen Worten in die Höhe und wie so oft in letzter Zeit verspürte sie den Drang, ihn zu sich zu ziehen und ihre Lippen auf seine zu legen. »Seit wann gehöre ich denn zu dir?«, erwiderte sie fragend und mit rauer Stimme. Dass er dies wie aus dem Nichts gesagt hatte, hatte sie...unerwartet getroffen. Tōru sah sie eindringlich an, ließ seine Finger ihre Seite entlang wandern und stoppte erst, als seine Hand auf ihrer Hüfte lag. »Ungefähr seit Juli letzten Jahres?« Diese Antwort brachte sie zum Lachen. Ausgelassen, wie sie es selten tat. Mit einer kleinen Bewegung kam sie ihm näher, während nach wie vor ein gut gelauntes Lächeln ihre Lippen zierte. »Ich wusste nicht, dass dieser einfache Kuss so ernst gewesen ist.« »Einfacher Kuss? Nette Zusammenfassung für diese...aufregende Nacht. Die übrigens dank dir stattgefunden hat.« »Ach ja?«, hakte sie nach, erinnerte sich aber genau an das Drama, welches sie vor dem Abschicken der Nachricht veranstaltet hatte. »Ja? Muss ich dich etwa an deine Worte von damals erinnern?« »Die hast du dir gemerkt?« Verblüfft hob sie ihre Augenbrauen. Als hätte er auf den Moment gewartet, räusperte er sich. »Ich bin nicht hier, um Smalltalk zu führen, um Freundschaft zu schließen oder, Gott bewahre, mich in dich zu verlieben. Also halt die Klappe, zieh dich aus und fick mich.« Mit jedem Wort wurde sein Grinsen breiter und Asunas Augen größer. »Das...Niemals habe ich das F-Wort benutzt«, versuchte sie die Situation zu retten, wusste aber genau, dass es tatsächlich ihre Worte gewesen waren. Außerdem hatte Tōru ein verdammt gutes Gedächtnis. Je länger sie aber darüber nachdachte, desto absurder klangen ihre eigenen Worte. Nach all den Monaten fragte sie sich, was ihr damals durch den Kopf gegangen war. Sie mochte den Smalltalk mit ihm. Jeden einzelnen davon. Sie hatten Freundschaft geschlossen. Mehr sogar. Und was das letzte betraf... »Hast du. Zusammen mit deinem verführerischen Anblick warst du ziemlich überzeugend. Wie hätte ich dabei also einen Rückzieher machen können?« »Scheint, als könnte ich überzeugend sein, wenn ich es darauf anlege«, meinte sie schmunzelnd. Diese erste gemeinsame Nacht tauchte oft in ihren Erinnerungen auf. Sie war aufregend, elektrisierend und heiß gewesen. Noch heute war sie stolz auf sich selbst, dass sie ihre Zweifel beiseitegeschoben und auf senden geklickt hatte. »Wie bescheiden formuliert, wenn du mich damals völlig in der Hand gehabt hast.« Tōru stützte sich mit seinem Arm neben ihr ab und machte es ihr unmöglich, sich von ihm zu entfernen. Nicht, dass sie es vorgehabt hatte. »Gehabt hast?« Provokant runzelte sie die Stirn und erntete ein amüsiertes Grinsen. »Sagte ich bescheiden?«, begann er und warf einen schnellen Blick auf die Uhr an der Wand. Widerwillig ließ er seine Arme sinken und entfernte sich von ihr. »Anscheinend musst du mir nächstes Mal auf die Sprünge helfen. Wie sehr hast du mich noch immer in der Hand?« War das eine Herausforderung? Asuna sah ihn forschend an und verfluchte die mangelnde Zeit, die ihnen gerade blieb. Gerade fing es an, interessant zu werden. Dabei störte es sie nicht, dass es morgen vielleicht wieder anders zwischen ihnen sein würde. Weniger spielerisch und dafür ernster. Umso mehr genoss sie diese lockere Atmosphäre. »Ich bin mir nicht sicher, ob du die Antwort verkraftest.« Sie stieß sich von der Wand ab und genau in diesem Moment kamen Jana und Iwa um die Ecke. »Bereit, Bakakawa? Wir müssen ein Spiel gewinnen.« Iwa ließ die Hand seiner Freundin los, um sich ausgiebig zu strecken. »Und wie ich bereit bin, Iwa-chan.« Tōru schien gelassener zu sein als zuvor und das freute Asuna ungemein. Es stand ihm besser als diese nachdenkliche Furche auf der Stirn. Während Jana Iwa auf ihre Art und Weise Glück wünschte, meinte Asuna zu Tōru: »Ich will ja keinen Druck ausüben, aber es wäre wirklich nicht schlecht, wenn ihr gewinnen würdet. Du weißt schon, damit ich dein Shirt tragen kann.« Sie versuchte eine ernste Miene beizubehalten, musste aber schlussendlich dezent lächelnd. »Beinahe hätte ich vergessen, wie motivierend du sein kannst. Danke.« Mit einem Grinsen verabschiedeten sie sich. Unnötig zu erwähnen, dass sie auch das zweite Spiel am Tag gewannen. Nächste Runde? Karasuno. ♛♔ Am nächsten Tag betrachtete sie das Shirt auf dem Schreibtisch. Zumindest hatte sie Tōrus enttäuschten Gesichtsausdruck direkt wieder vor Augen. Wie bei einem Kind, dem man das Eis weggenommen hatte. Nur Millionenmal schlimmer. Frustriert stöhnte sie auf und wechselte ihr Oberteil. Erstaunt hob sie ihre Augenbrauen. Es passte wie angegossen, weshalb sie Tōru ein indirektes Lob aussprechen musste. Grundsätzlich sah es aus wie ein eng anliegendes Oberteil für das Frauenteam, wenn es in der Seijoh eines geben würde. Asuna drehte sich um und sah über ihre Schulter. Ihre Haare verdeckten so gut wie gar nichts, doch ändern wollte sie ihre Frisur nun auch wieder nicht. »Wenn sie heute nicht gewinnen...«, murmelte sie, bevor sie sich einen Pullover schnappte, der sonst in ihrem Kasten verstaubte, aber dank der außergewöhnlichen türkisen Farbe heute gut zu ihrem Outfit passte. Außerdem offenbarte sie so nicht sofort das Shirt für alle Anwesenden. Ihren Schlüssel nehmend verließ sie die Wohnung. Wie auch das letzte Mal waren all ihre Freunde anwesend und fieberten dem Spiel entgegen. Das Halbfinale gegen Karasuno. Wenn sie sich recht erinnerte, dann war dieser Kageyama in diesem Team. Jemand, der mehr Talent besaß als Tōru. Zumindest waren das seine Worte gewesen. Und wenn sie an damals dachte, dann hatten sie damals nicht überlegen, aber dennoch klar gewonnen. »Hier. Dieses Mal habe ich vorgesorgt«, meinte Jana, als sie ihr eine Flasche Eistee in die Hand drückte. »Danke.« Sie schmunzelte ihrer Freundin entgegen. Die Teams waren dabei, sich einzuspielen und da erkannte Asuna auch diesen Kageyama. Dieser war weniger auffällig als sein orangehaariger Freund. Dieser war recht laut, sodass sie ihn bis hierher hören konnte. Wenn sie sich die Spieler und vor allem Tōru genauer ansah, dann konnte sie eindeutig die forschenden Blicke erkennen, die er dem Schwarzhaarigen zuwarf. Man sah den beiden an, dass sie an nichts anderes als Volleyball dachten. »Ich bin mir unsicher, ob Oikawa das hier gerade genießt, oder ob er richtig angepisst ist. Man! Er ist echt schwer zu durchschauen«, murmelte Suki zu ihrer Linken. Asuna legte ihren Kopf schief und musterte den Setter. Er war wie so oft beim Spielen höchst konzentriert, schaffte es aber immer wieder, herumzualbern. »Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Tōru ist vollkommen unter Spannung, während er sich aber furchtbar darauf freut, überhaupt zu spielen. Ein Teil von ihm ist aber auch nervös, weil es die Qualifikation für das letzte Frühlingsturnier der Drittklässler ist. Zu guter Letzt möchte er keinesfalls gegen Kageyama verlieren, weil er weiß, wie gut er ist«, erklärte Asuna und nahm ihre Augen nicht von Spielfeld. »Das...fasst es wohl gut zusammen«, bemerkte Lu und auch Suki meinte, dass das durchaus Sinn machte und der Setter wirklich durchgeknallt war. Jana neben ihr hatte jedoch schwer geseufzt und murmelte mehr zu sich selbst: »Könnt ihr bitte einfach zusammenkommen? Ihr seid so offensichtlich.« »Halt die Klappe«, gab sie nur zurück und konnte sich einen Hieb mit dem Ellbogen nicht verkneifen. Was hieß offensichtlich? Unweigerlich zog Asuna an ihrem Pullover. Immerhin hatte ihre beste Freundin das Shirt noch gar nicht gesehen. Jetzt konnte sie es noch weniger herzeigen, ohne von den anderen aufgezogen zu werden. Das Spiel begann und es war...durchwachsen. Seijoh hatte Probleme zu Punkten und es war in der gesamten Halle zu spüren, dass die Jungs sich darüber zu sehr den Kopf zerbrachen. Asuna erwischte sich, wie sie nervös an ihrem Nagel biss, was sie normalerweise nicht tat. Sie fühlte sich, als würde sie selbst auf dem Feld stehen. Wie ertrug Tōru das, der noch dazu der Kapitän des Teams war? »Wenn das Spiel vorbei ist, betrinke ich mich«, kommentierte Jana die Anspannung auch auf den Zuschauerrängen und sprach Asuna aus der Seele. Der gesamte Satz war schwer mitanzusehen und als sie diesen verloren hatten, musste sie erst mal tief Luft holen. Wie sollte sie zwei weitere Sätze überleben? Bei der Aufregung wurde ihr furchtbar warm und ruhig sitzen war unmöglich. Aus diesem Grund stand sie auf und stellte sich an das Geländer. Die Anfeuerungsrufe, die laut zu ihr drangen, blendete sie so gut es ging aus. Sie verbarg es nicht, dass sie Tōru offensichtlich anstarrte. Asuna wollte wissen, wie es ihm gerade ging, denn den ersten Satz zu verlieren, war eine harte Probe für das Team. Gespannt verfolgte sie seine Bewegungen. Meistens alberte er herum, aber wenn niemand hinsah, verblasste seine Lockerheit und er sah nachdenklich auf seine Hände. Als der nächste Satz begann, setzte sich Asuna wieder. Ihre Hände waren eiskalt, obwohl ihr Puls unnatürlich hoch war. In der nächsten halben Stunde musste sie einige Nerven raubende Momente überstehen, doch schlussendlich konnten sie den Stand ausgleichen. Ehe sie sich versah, war der dritte und entscheidende Satz angebrochen. Ah, scheiß drauf, dachte sie sich und zog den Pullover aus. Erleichtert seufzte sie auf, als die Hitze augenblicklich weniger wurde. »Kurz habe ich an dir gezweifelt«, kam es von Jana lachend. »Oh, Asuna. Hat das etwas zu bedeuten, oder...?« Mia rutschte aufgeregt hin und her. Hastig schüttelte sie den Kopf. »Nein, auch wenn es so aussieht...sind wir nicht zusammen. Es ist eher...wie soll ich sagen...«, sie rang nach den richtigen Worten, scheiterte dabei aber. Es zu benennen, war ein Ding der Unmöglichkeit. »Was auch immer es ist, Oikawa scheint es zu gefallen«, kam es belustigt von Suki, die auf das Spielfeld deutete. Asuna fühlte, wie die Wärme urplötzlich zurückkam und dieses Mal in ihr Gesicht schoss. Sie konnte die anderen Schülerinnen bereits in ihrem Kopf lästern hören, als sie sich umdrehte und sich ihr Blick mit dem von Tōru kreuzte. Er hatte nicht viel Zeit, aber sie konnte klar und deutlich das Lächeln und das Danke, welches er mit seinen Lippen formte, erkennen. Die Aufregung, die positiv durch ihren Körper strömte, brachte sie ebenfalls zum Lächeln. Vergessen war das merkwürdige Gefühl, sich so offensichtlich als Fan zu präsentieren. Eigentlich...sollte sie es mit mehr Stolz tragen. Das Team und vor allem Tōru gab alles, um in das Finale zu kommen. Mehr als sie anzufeuern konnte sie nicht tun. Deshalb erwiderte sie: »Ich glaube an dich.« Viel zu leise, damit er sie hören konnte, aber in diesem Fall verstanden sie sich auch ohne Worte. Zuversichtlich wandte er sich zu seinem Team und auch Asuna setzte sich wieder auf ihren Platz. Wenn sie gedacht hatte, dass die letzten beiden Sätze nervenaufreibend gewesen waren, dann wurde sie jetzt eines Besseren belehrt. Sie erwischte sich ein paar Mal, wie sie während mancher Ballwechsel die Luft anhielt. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr ging ihr Karasuno auf die Nerven. Sie waren so gut, dass sie nicht mal verärgert sein konnte, wenn sie einen Punkt machten. Dennoch ballte sie ihre Hände zu Fäusten, als dieser orangehaarige Zwerg einen schnellen Angriff startete. Asuna hätte nie gedacht, dass sie eines Tages so gefesselt bei einem Volleyballspiel sein würde. Und all das nur dank Tōru. Dieser war indes völlig fokussiert auf den Ball. Es war wohl der Moment, den man an Spannung nicht übertreffen konnte. Karasuno hatte Matchball und Seijoh stand mit dem Rücken zur Wand. Ein kleiner Fehler, eine kleine Unachtsamkeit und das Spiel wäre verloren. Mit einem ungesunden hohen Puls vergrub Asuna ihr Gesicht halb in ihren Händen. Sie konnte kaum hinsehen und schnappte nach Luft, als Tōru aus dem Feld lief, um den Ball im Spiel zu halten. Mit einem Krachen fiel er gegen Stühle und Tische, rappelte sich aber so schnell auf, dass sie kaum darauf reagieren konnte. Allerdings war sie gemeinsam mit Jana und den anderen sofort aufgesprungen. Spätestens jetzt war es unmöglich, sich auf den Plätzen zu halten. Nur nebenbei nahm sie war, wie ihre Freundin nach ihrem Arm griff und diese nahezu zerquetschte. Ihr Blick lag auf dem Ball, der von Iwa auf die andere Seite geschmettert wurde. Doch selbst dieser perfekte Angriff konnte keinen Punkt erzielen. Immer wieder wurde der Ball vom Boden ferngehalten und auch als es knapp wurde, konnte Kyotani gerade noch seinen Arm ausstrecken. Ihre Augen weiteten sich jedoch, als der Orangehaarige auf das Netz zulief und seine Hand ausstreckte. Viel zu viel passierte auf einmal und ehe sie sich versah, schoss der Ball über das Netz. Tōru hielt seine Arme in die Flugbahn, doch... Urplötzlich war es totenstill in der großen Halle. Janas Griff lockerte sich zugleich und Asuna ließ ungläubig die Arme sinken. Sofort suchten ihre Augen nach Tōru. Der Jubel von Karasuno drang unangenehm laut zu ihr und als einige Zuschauer einstimmten, musste sie ein frustriertes Seufzen zurückhalten. Enttäuscht, wenn nicht sogar verärgert, umklammerte sie das Geländer so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie hatten es sich so verdient. Jeder einzelne von ihnen und plötzlich war der Traum vom Frühlingsturnier zerplatzt. Tōru stand indes dem Jungen namens Kageyama gegenüber und betrachtete ihn mit starrer Miene. Viel zu unergründlich war sein Blick und fast schon zu leer, um etwas daraus lesen zu können. Im Gegensatz zu Iwa, Matsu und den anderen. Ihnen war es anzusehen, dass sie um Selbstbeherrschung rangen. Asuna spürte, wie die verkrampfte Haltung nachließ, als sich die Spieler an der Linie aufstellten und sich anschließend bei den Zuschauern bedankten. Sie klatschte, biss sich aber zugleich auf die Innenseite ihrer Wange. Tōru mied tunlichst den Augenkontakt und starrte vehement auf den Boden. Auch während die anderen sich über Karasuno ausließen, sagte er nichts dazu. Es dauerte demnach nicht lange, bis Seijoh und Karasuno vom Platz verschwanden. Zum ersten Mal hatte Asuna das Gefühl, wieder atmen zu können. Erschöpft, obwohl sie nur zugesehen hatte, setzte sie sich. »Ich kann nicht glauben, dass wir verloren haben«, murrte Suki enttäuscht und wenn sie sich nicht irrte, dann klang ihre Stimme brüchig. Lu nickte zustimmend und räusperte sich. »Das war schmerzhaft.« Damit sprach sie wohl jedem aus der Seele. Asuna sagte nichts dazu, denn ihre Gedanken kreisten durchgehend um Tōru. Sie wusste, dass er oftmals den unbeschwerten Kindskopf mimte, doch gerade schien er sich schwer damit zu tun, überhaupt zu reagieren. Vermutlich würde er erst mal versuchen, die Niederlage zu verdrängen. Sie herunterspielen, bis er alleine war. Schwäche vor anderen zu zeigen, war nicht seine Art. Seufzend griff sie nach ihrem Pullover und ihrer Tasche. Dieser große Raum bedrückte sie ungemein, weshalb sie von hier verschwinden wollte. Die anderen schienen nichts dagegen zu haben. Insgeheim hielt sie nach Tōru Ausschau, als sie durch die Gänge gingen. Erfolglos. Sie trafen Kyotani, Kindaichi und Hanamaki, doch von dem Setter fehlte jede Spur. Als Jana jedoch mit Iwa sprach, machte sie sich ohne viel zu sagen auf den Weg zu den Umkleiden. Nachdem alle anderen vor dem Eingang versammelt waren und größtenteils bereit waren, nachhause zu fahren, gab es nicht mehr viele Möglichkeiten, wo er sein konnte. Als sie schließlich vor der Tür stand, zögerte sie. Zu Beginn hatte sie noch geglaubt, dass das eine gute Idee war. Sie wusste, dass Tōru in diesem Raum war, aber sie wusste nicht, ob er sie sehen wollte. Ob er überhaupt jemanden sehen wollte...Dennoch sagte ihr etwas tief in ihrem Inneren, dass er nicht alleine sein sollte und wollte. Vielleicht war es aber auch einfach nur ihr Wunsch, jetzt gerade bei ihm sein zu wollen. Zumindest würde sie es sich wünschen, wenn ihr Traum, der bis vor kurzem noch in greifbarer Nähe war, zerplatzt war. Sie biss sich auf die Unterlippe und öffnete die Tür. Es war dunkel und anstatt eines Fluchens kam...nichts. Es war totenstill. Leise schlich sie hinein und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment verharrte sie an Ort und Stelle und wartete, ob er sie sofort wegschicken würde. Sie konnte sich nicht hineinversetzen, wie es war, ein so wichtiges Spiel zu verlieren. Sie hatten alles gegeben, aber manchmal war selbst alles nicht genug. Tōru würde es im Moment nicht verstehen wollen und von der Enttäuschung überrollt werden, doch sie würde dafür sorgen, dass er in dieser Zeit nicht alleine war. Ob er sie überhaupt sehen wollte, war Nebensache. Sie entdeckte ihn am Ende des Raumes, und mit jedem Schritt, den sie machte, fühlte sie sich schwerer. Er reagierte nicht auf sie, sondern kniete auf dem Boden. Asuna wollte etwas sagen, verkniff es sich aber. Sie glaubte nicht, dass sie die richtigen Worte finden würde und vielleicht war es dieses Mal besser, nichts zu sagen. Sie legte ihren Pullover und die Tasche ab, umrundete ihn langsam und kniete sich ebenfalls auf den Boden. Sie hob ihre Arme und platzierte ihre Hände auf seine angespannten Schultern. Dieser Anblick machte es ihr unheimlich schwer, sich zusammenzureißen. Asuna schluckte, während sie ihre Finger zu seinem Nacken wandern ließ und er als Reaktion tief Luft holte. Tōru beugte sich nach vorne und vergrub ihr Gesicht in ihre Halsbeuge. Seine Hände klammerten sich fest in ihr Oberteil, als würde sein Leben davon abhängen. Sein gesamter Körper bebte und sie spürte, wie etwas in ihr in tausend Stücke zerbrach. Oikawa Tōru, der bis vor wenigen Minuten noch jeden einzelnen seiner Mitspieler aufmunternde Worte zugerufen hatte, war am Boden zerstört. Asuna presste ihre Lippe aufeinander und festigte ihren Griff. Sie spürte seine Enttäuschung im gesamten Raum und noch nie in ihrem Leben war sie sich bei einer Sache so sicher. Sie wollte ihn nie wieder so sehen. Es war schmerzhaft und überwältigend. Die Sekunden, die vergingen, zählte sie nicht. Selbst wenn es Stunden gedauert hätte, wäre sie in dieser Position verharrt. In diesem Moment wollte sie die Stütze für ihn sein, auch wenn er die Last schlussendlich alleine tragen mussten. Geduldig wartete sie darauf, bis sich die verkrampften Muskeln lockerten. Als er seinen Kopf hob, vermied er es tunlichst, sie anzusehen. Es war viel zu dunkel in diesem Raum, um überhaupt etwas zu sehen, doch sie erkannte klar und deutlich seinen fast schon verzweifelnden Blick. Wie als würde er gerade gegen sein inneres Chaos kämpfen und dabei kläglich scheitern. Asuna legte ihre Hand auf seine Wange und drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Besorgt betrachtete sie sein Gesicht und fuhr mit ihrem Daumen über seine Wange. Deutlich konnte sie die Feuchtigkeit spüren, suchte mit ihren Augen jedoch seine. Unheimlich viel ging ihr durch den Kopf, aber es war vermutlich nichts im Vergleich zu Tōrus Gedanken. Sie wollte...ihm dieses Chaos nehmen. Irgendwie. Deshalb legte sie zum ersten Mal von sich aus die Arme um seinen Oberkörper, um ihm die Umarmung zu geben, die er brauchte. Und um ihm indirekt zu sagen, dass sie bei ihm war. Nicht nur heute, sondern auch morgen und an den Tagen danach. Kapitel 31: out my head, so into you. ------------------------------------- ● • . 592 Stunden bis zu den Prüfungen, 1.272 Stunden bis zum neuen Jahr, 2.760 Stunden bis zur Zeremonie der Abschlussklassen und eine Stunde, bis sie den Verstand verlieren würde. Seit den Playoffs waren ein paar Tage vergangen und irgendwie fühlte sich Asuna merkwürdig leer. Eine wenig hilfreiche Beschreibung, aber zutreffend. Sie hatte mit Tōru kaum gesprochen, nachdem sie ihn in der Umkleide aufgesucht hatte und das...störte sie. Dabei wäre es so einfach, Zeit mit ihm verbringen. Dafür müsste sie sich nur bei ihm melden. Etwas in ihr hielt sie jedoch zurück. Vielleicht redete sie sich ein, dass er Zeit brauchte, um diese Niederlage zu verkraften. Auch wenn er sich mit Iwa das Finale angesehen hatte, war sie sich nicht sicher, ob er es so locker nahm, wie es in den letzten Tagen den Anschein machte. Sie wollte nicht zu viel hineininterpretieren, aber Tōru machte es ihr auch nicht sonderlich leicht. Er...hatte sich nicht bei ihr gemeldet und das frustrierte sie. Mehr als gedacht. Sie hatte nicht mitgezählt, aber es war eindeutig zu oft vorgekommen, dass sie in der letzten Stunde zu ihrem Handy gegriffen hatte. Außer einer Nachricht von Lu und einer Benachrichtigung von Instagram war darauf nichts zu sehen. Asuna blies unzufrieden ihre Wangen auf und strich ihre Haare nach hinten. Natürlich hatte sie ihm bereits am Sonntag geschrieben, ob alles okay war. Viel mehr als ein »Natürlich, warum nicht?« hatte sie nicht zurückbekommen. Das war eindeutig gelogen. Dafür brauchte sie ihm nicht in die Augen zu sehen. Da es sich auch nicht so angehört hatte, als ob er unbedingt näher darauf eingehen wollte, hatte sie ihm danach nur einmal geschrieben, um ihm zu sagen, dass sie die Nachhilfe ausfallen lassen würden. Und gestern in der Schule hatte sie ihn ebenfalls nur selten gesehen, obwohl ihre Klassenräume nicht weit voneinander entfernt lagen. Während ihre Augen über eine Textangabe flogen, ohne die Buchstaben aufzufassen, suchten ihre Finger nach der Schale mit Nüssen. Walnüsse, Haselnüsse, Cashewnüsse. Nicht ihr Lieblingssnack, aber gut für zwischendurch. Als sie sich eine Handvoll in den Mund schob, meldete sich ihr Handy mit einem leisen Ping. Mit wenig Interesse besah sie sich den Bildschirm, doch der Name reichte aus, um die Trägheit in ihren Muskeln sofort verschwinden zu lassen. Zusätzlich verschluckte sie sich an ihren Nüssen. Damit...hatte sie nicht gerechnet. Mit Tränen in den Augen und einem Kratzen im Hals las sie die Nachricht. Shittykawa Bist du zu Hause und lernst? Asuna Ja, wieso? Shittykawa Wir müssen die Nachhilfe von gestern nachholen. Ich komme vorbei. Was? Perplex las sie die Worte drei Mal. Er kam vorbei? Jetzt? Um...die Nachhilfe nachzuholen? Wie kam er auf diese Idee? Und wieso fiel ihm das erst heute ein? Da sie ihn einerseits wirklich gern sehen wollte und andererseits neugierig wegen des plötzlichen Sinneswandels war, schickte sie einen Daumen nach oben. Anschließend legte sie ihr Smartphone wieder auf den Tisch und lehnte sich nach hinten. Sie starrte in den beleuchteten Wohnraum und runzelte die Stirn. Was sollte sie sich davon erwarten? Doch am meisten interessierte es sie, ob er diesen Moment, diese Umarmung ansprechen würde. Sie...würde es tun, denn diese einprägsame Nähe war Grund dafür, dass auf ihrer Liste nur noch zwei Punkte übrig waren. Eine Nacht und ein Kuss. Asuna sah auf die große, moderne Wanduhr. Kurz nach 21 Uhr. Mit ihrem Stift schlug sie im gleichmäßigen Takt auf den Tisch, als sie ihr Bein anzog und ihr Kinn darauf ablegte. Würde sie davon ablassen, Geräusche mit dem Bleistift zu machen, wäre es ruhig in dem großen Raum. Viel zu ruhig für ihren Geschmack. Wenn Tōru hier war, war es nie leise. Er redete gerne und viel. Sie mochte das. Einige Minuten später, in denen sie nicht wirklich weitergekommen war, klingelte es. »Es ist offen«, rief sie, ohne etwas an ihrer Haltung zu ändern. »Ist das dein Ernst? Du lässt einfach die Eingangstür unverschlossen?«, kam es von Tōru, als er die Tür hinter sich zuschlug und sie ungläubig ansah. Asuna kam nicht umhin, bei dem Klang seiner Stimme sofort aufzusehen und ihre Schultern anzuspannen. Vor Euphorie erhöhte sich ihr Puls und ließ die Müdigkeit in ihren Gliedmaßen in Vergessenheit geraten. Sie räusperte sich, denn es war überaus auffällig, wie sehr seine Anwesenheit sie beeinflusste. »Als ob hier jemand einbrechen würde«, begann sie mit einem Augenverdrehen, »außerdem bin ich jetzt ja nicht mehr alleine hier, oder?« Sie musterte ihn, als er seine Jacke aufhängte und wie selbstverständlich in die Küche ging, um sich ein Glas Wasser zu holen. »Das ist es ja. So oft bin ich nicht hier, also...sperr einfach ab.« Er setzte sich ihr gegenüber hin und stützte sich mit dem Ellbogen ab. Konfus wegen seiner Sorge, nickte sie langsam. »Ooooookay. Sagst du mir jetzt auch, weshalb du an einem Dienstagabend hier bei mir bist, anstatt in der Sporthalle zu sein?« Eindringlich sah sie ihn an, weil das eindeutig nicht normal für den Setter war. Selbst wenn sie verloren hatten, hätte sie gedacht, dass sie wie üblich trainieren würden. Bei ihrer Frage wich er ihrem Blick plötzlich aus. Wieder etwas, das nicht typisch für ihn war. »Wir machen nur eine kleine Trainingspause«, kam es von ihm, als würde er über das Wetter sprechen. Asuna hingegen sah ihn konfus an. »Eine...Trainingspause? Ihr? Und vor allem du?« Sie konnte ihre Überraschung nicht zurückhalten. Noch nie hätte sie mitbekommen, dass das Volleyballteam eine Pause einlegte. »Ja. Wir haben das einstimmig beschlossen.« Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich nach vorne. »Aber genug davon. Erzähl mir lieber, weshalb du gestern alleine lernen wolltest.« Irritiert von dem plötzlichen Themenwechsel antwortete sie rechtfertigend: »Ich wollte nicht...alleine lernen. Ich dachte nur, dass du nach letzter Woche keine Lust darauf hast, mir dabei zu helfen.« »Das hast du geglaubt? Wieso sollte ich keine Lust darauf haben? Deine Verzweiflung ist das Highlight der Woche.« Er grinste, als sie die Augen verdrehte. »Haha«, meinte sie trocken, »aber wenn dir meine Verzweiflung gefällt, sollten wir anfangen. Letzte Woche habe ich nicht wirklich viel getan, also muss ich ein wenig aufholen.« Sie wollte bei dem Gedanken ihren Kopf auf den Tisch schlagen, aber sie riss sich zusammen und schob ihre Blätter zurecht. Jetzt nahm sie es noch hin, dass er das Thema geändert hatte. »Ist das meine Schuld?«, fragte er plötzlich und es klang ganz stark nach schlechtem Gewissen. Asuna schlug eine Seite in ihrem Buch auf. »Jap. Vor einem halben Jahr hat mich Volleyball nicht interessiert und dann sehe ich, wie gut du bist und plötzlich verbringe ich meine Nachmittage in der Sporthalle. Kaum zu glauben.« »Also wenn ich schlecht spielen würde, wärst du nicht zu den Spielen gekommen?«, hakte er fast schon fassungslos nach. Sie sah auf und begegnete seinem Blick. »Doch schon. Immerhin seht ihr ziemlich gut aus. Das wäre auch ein Grund gewesen, um zuzusehen«, scherzte sie und wusste genau, dass den Setter nur ein Wort in ihrer Antwort störte. Wie aufs Stichwort kniff er die Augen zusammen. »Ihr? Damit meinst du also auch Matsu, Makki und«, er wirkte empört, »Iwa?« »Warte!«, rief sie plötzlich überrascht und schlug mit beiden Händen auf den Tisch, sodass Tōru verwirrt die Augenbrauen hob. »Hast du das gerade gespürt?« Als er nur noch konfuser aussah, fuhr sie fort: »Dein Ego. Es ist gerade spürbar gewachsen.« Völlig ernst deutete sie auf sein imaginäres Selbstbewusstsein über ihnen. Es dauerte genau drei Sekunden, ehe Tōru ihre Worte verarbeitet hatte. Er lachte. »Du bist wirklich der einzige Mensch, der gleichzeitig mein Ego mit Füßen treten und mich zum Lachen bringen kann.« »Gern geschehen«, erwiderte sie und musste nun doch schmunzeln. Sein Lachen sorgte für ein Kribbeln auf ihrer Haut. Es tat gut, es zu hören. »Bereit für Verzweiflung?« Motiviert, zumindest versuchte sie es, straffte sie ihre Schultern und tippte auf das Schulbuch. »Immer«, kam es von Tōru zurück und so begannen sie mit dem Lernen. Dafür war der Setter schließlich zu ihr gekommen, oder nicht? ♛♔ Zwei Stunden später war es beinahe 23 Uhr und Asuna rauchte der Kopf. Sie lag mit ihrer Wange auf dem Tisch und lauschte Tōru, der ihr ein Beispiel gerade geduldig zum dritten Mal erklärte. Sie hätte damals nicht gedacht, dass er dieses enorme Maß an Geduld aufwies, aber an diesem Dienstagabend wurde sie eines Besseren belehrt. »Ich habe keine Lust mehr und ich sterbe vor Hunger«, murrte sie, ohne etwas an ihrer Position zu verändern. »Was willst du jetzt dagegen tun?«, fragte Tōru nach, während er sich samt Stuhl nach hinten lehnte. Weil sie diesen Gedanken schon die ganze Zeit gehabt hatte, nannte sie überzeugt einen der größten Convenience Store Anbieter: »Lawson.« Sie richtete sich auf und streckte sich. Tōru sah ihr dabei zu und stand erst auf, als er sich sicher war, dass sie es ernst meinte. »Hast du nichts zu essen hier?«, kam es von ihm, als hinter ihnen die Tür zufiel. Asuna gähnte, bevor sie mit den Schultern zuckte. »Doch schon, aber kein Erdbeersandwich.« Als würde er an ihrem Verstand zweifeln, warf er ihr einen skeptischen Blick zu. »Das isst man aber nicht, wenn man Hunger hat.« »Du als Sportler kannst das natürlich nicht ganz nachvollziehen«, seufzte sie theatralisch. »Ich als Sportler?«, murmelte er beleidigt. »Als würde ich mich ausschließlich gesund ernähren.« »Naja, du trinkst keinen Alkohol und abgesehen von deinen Milchbrötchen isst du kaum Süßes, oder?« »Dass auf Alkohol nicht nur deshalb verzichtbar ist, solltest du am besten wissen. Und Süßes kann ich einfach nicht leiden«, rechtfertigte er sich und Asuna musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Manchmal war er wirklich niedlich. »Dabei hast du etwas sehr Süßes bei dir«, begann sie mit zuckendem Mundwinkel, sodass er sie konfus ansah. »Mich.« Sie versuchte, ernst zu bleiben, prustete allerdings bei seinem Blick los. »Tut mir leid. Ich glaube, die Müdigkeit setzt mir mehr zu, als gedacht.« Sie konnte nicht glauben, dass sie diesen idiotischen Scherz gemacht hatte. Tōru sah es anscheinend anders, denn er lachte auf. »Scheint so, aber das gefällt mir. Diese Seite an dir, meine ich. Du bist viel zu oft auf den Ernst des Lebens fixiert. Diese lockere Art steht dir. Und ich habe übrigens nie daran gezweifelt, dass du süß bist. Richtig süß sogar. Ich bekomme von dir beinahe einen Zuckerschock.« Asuna blinzelte verwirrt über den Twist in seinen Worten, stieß aber ein empörtes »Hey« aus. »Mach dich nicht lustig über mich«, setzte sie fort und stieß ihm unsanft in die Seite. Gleichzeitig stieg ihr die Hitze in die Wangen. »Siehst du? Zuckersüß. Sag ich doch.« Grinsend griff er nach ihrer Hand, um nicht zu riskieren, dass er einen blauen Fleck davontrug. Sie wollte aus Reflex ihren Arm zurückziehen, doch er hielt sie einfach weiterhin fest. »Was tust du da?«, murmelte sie und erinnerte sich augenblicklich an Tokio. Bei dem Gedanken breitete sich ein warmes Gefühl in ihr aus und obwohl sie ihn diese Frage gestellt hatte, wollte sie nicht, dass er etwas an ihren verschränkten Fingern änderte. »Ist das nicht offensichtlich? Ich halte deine Hand, da ich es irgendwie mag, dass dich das verlegen macht.« Diese Worte veränderten ihren Gemütszustand nicht. Wie konnte er immer solche Dinge sagen, als wäre es so...einfach? Und wieso tat sie sich so schwer dabei? »Wer sagt, dass es mich verlegen macht?« Trotzig kniff sie ihre Augen zusammen und versuchte mit Mühe, seinem Blick standzuhalten. »Weil du manchmal wie ein offenes Buch bist. Auch wenn sich oftmals Hieroglyphen auf der einen Seite befinden, stehen von Zeit zu Zeit deine Emotionen in einfachen Worten auf der anderen. So wie jetzt. Eine der Eigenschaften, die ich an dir...liebe, obwohl sie mich gleichzeitig verrückt macht.« Asunas Herz setzte aus, als er zu Ende gesprochen hatte. Wieder kam es so beiläufig über seine Lippen, doch dieses eine Wort hatte sie für den Moment eiskalt erwischt. Auch wenn es nicht so gemeint war, rüttelte es Gedanken frei, die ihr in letzter Zeit nicht nur einmal gekommen waren. Etwas, worüber sie bereits mit Jana gesprochen hatte und etwas, das sie oft in Panik versetzt hatte. Jetzt gerade schluckte sie das merkwürdige Gefühl hinunter und versuchte, die Gelassenheit zurückzubringen. Es gelang ihr irgendwie. »Hm. Was denke ich jetzt gerade?«, fragte sie überraschend nonchalant dafür, dass die Ruhe in ihrem Inneren noch nicht ganz zurückgekommen war. Er musterte sie eingehen. »Dass...dich das Worte liebe ziemlich aus der Bahn geworfen hat.« Mehr als nur überrascht öffnete sie ihren Mund, schloss ihn aber schnell wieder. Verdammt. Absolut ins Schwarze getroffen. Okay. Sie räusperte sich und ignorierte sein triumphierendes Grinsen. »Das war zu offensichtlich«, verteidigte sie sich. Dabei versuchte sie diese angesprochene Verwirrung nicht zu erklären. Es wäre sowieso unmöglich für sie. »Schon klar«, sagte er und öffnete die Tür zum kleinen Store, »kauf dir lieber dein Zeug, anstatt zuzugeben, dass ich dich besser kenne, als dir bewusst ist.« Grummelnd und mit etwas Widerstand ihrerseits ließ sie seine Hand los. Die ganze Zeit über gingen ihr seine Worte durch den Kopf. Er kannte sie gut. Das war ihr bewusst. Abgesehen davon, dass er ein guter Menschenkenner war, hatte er sich die Mühe gemacht, sie kennenzulernen. Und das, obwohl es zu Beginn nur Sex gewesen war. »Bist du jetzt zufrieden?«, fragte er, nachdem sie den Convenience Store wieder verlassen und sie das Plastik der Verpackung in den Müll geschmissen hatte. Mit der frischen Luft kam sie auch wieder auf andere Gedanken. Zumindest kurzzeitig. Sie nickte. »Absolut.« Erdbeeren in einem Sandwich. Wer kam auf diese geniale Idee? Schweigend, da sie in ihren Snack vertieft war, gingen sie in Richtung Wohnkomplex. Es war auf den Straßen nicht mehr viel los. Kein Wunder, immerhin war es Dienstagnacht. Die meisten Menschen waren zu Hause und bereiteten sich auf einen Arbeits- oder Schultag vor. Als sie den letzten Bissen und den fruchtig süßen Geschmack genoss, bemerkte sie etwas anderes. »Warte!«, meinte Asuna plötzlich, als sie bei der Schwimmhalle vorbeigingen. Dieses Bad existierte schon ewig und früher hatte sie hier mit ihren Freundinnen aus der Unterstufe viele Stunden verbracht. Es war nichts Besonderes, aber sie verband damit schöne Erinnerungen. Vor allem eine davon hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Yuna, eine ihrer ehemaligen Mitschülerinnen, die vor dem Beginn der Oberschule weggezogen war, hatte ihr damals eine Mutprobe aufgetragen. Es war eine kleine Spielerei der Mädchengruppe gewesen. Wie es so oft in diesem Alter üblich war. Wenn ihre Eltern erfahren würden, dass sie in das Schwimmbad eingebrochen war, wäre sie heute einen Kopf kürzer. Jetzt gerade fragte sie sich aber... Unter Tōrus verwirrtem Blick ging sie ein paar Meter zurück und bog dann nach rechts ab, wo eigentlich nicht viel mehr war als die hintere Mauer der Halle. Sie ignorierte die Stimme des Setters, der wissen wollte, was sie vorhatte. Asuna blieb beim letzten Fenster, welches sie mit der Handytaschenlampe beleuchtete, stehen. »Sie haben es nicht getauscht?«, murmelte sie viel zu begeistert über ein kaputtes Fenster. »Was tust du da?« Tōru hatte sich anscheinend dazu entschlossen, nicht tatenlos am Straßenrand zu warten und ihr zu folgen. Sie sah von dem ca. zwei Meter hohen Fenster zu ihm. »Das weiß ich erst, wenn du mir hilfst, nach oben zu kommen.« Sie steckte ihr Handy weg und machte einen Schritt auf die Seite. »Du willst nicht ernsthaft in das Gebäude einbrechen?«, zählte er eins und eins zusammen. Obwohl es hier so dunkel war, dass sie kaum etwas erkennen konnte, wusste sie, dass er sie ansah, als hätte sie den Verstand verloren. Selbst wenn sie fand, dass es eine bescheuerte Idee war, erwiderte sie: »Tun wir.« »Wir? Du weißt schon, dass das hier eine Straftat ist«, bemerkte er trocken. »Natürlich weiß ich das, aber soll ich ehrlich sein? Das ist mir gerade verdammt egal. Nicht mehr lange und wir haben keine Zeit mehr für...Dummheiten. Also will ich zumindest jetzt meinen geringen jugendlichen Leichtsinn ausleben und in ein öffentliches Bad einbrechen. Mit dir oder ohne dich.« Trotzig sah sie ihn an. Es war ihre Art, ihn herauszufordern und insgeheim wusste sie, dass er nicht Nein sagen würde. Sie wollte nicht, dass er Nein sagte. Tōru sah...nein. Er musterte sie eingehend. Es schien in seinem Kopf zu rattern, als ob er die zwei Möglichkeiten abwägen würde. Schließlich machte er einen Schritt auf sie zu und warf einen Blick nach oben zum Fenster. »Ohne mich kommst du doch niemals da hoch.« Er stellte sich an die Wand und kreuzte seine Finger. »Na los!« Mit einem Grinsen tat sie wie befohlen. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und von da an war es leichter, als sie in Erinnerung hatte. Das lag aber vielleicht auch daran, dass Tōru ihr half und nicht die 13-jährige Yuna. Einen dumpfen Klang erzeugend kam sie auf dem Boden des Bades auf. Sofort stieg ihr der Chlorgeruch in die Nase. Weil es hier sofort wärmer wurde, zog sie sich die Jacke aus und schmiss diese auf einen Liegestuhl. Während ihre Sneakers folgten, hörte sie hinter sich, dass Tōru ihr gefolgt war. »Erzählst du mir jetzt, weshalb du...wir unbedingt hier rein müssen?«, meinte er und zog den Zip seiner Jacke nach unten. Er ließ seine Augen indes über das schwach beleuchtete Wasser gleiten. Schmunzelnd drehte sie sich zu ihm und erwiderte: »Vielleicht um etwas Verbotenes zu tun? Oder vielleicht um etwas Spaß zu haben? Oder beides auf einmal?« Ihr war bewusst, dass es stark nach Flirten klang und sie bestritt es nicht, dass sie es mit Intention tat. Es machte Spaß, oder lag es an der Müdigkeit? Nein. Es machte einfach Spaß, weil er sie dann immer mit diesem herausfordernden Blick ansah. Als würde er jedes ihrer Worte genießen. Dass sie sich nachts alleine in einem Schwimmbad befanden, unterstrich dieses verbale Spiel, das sie früher ständig betrieben hatten, merklich. »Du willst also verbotenen Spaß?« Sein schiefes Lächeln war unergründlich und doch ging es ihr unter die Haut. Asuna drehte ihm den Rücken zu und wäre am liebsten mit Kleidung ins Wasser gesprungen. Statt es zu tun, spielte sie mit dem Saum ihres Oberteils. »Ah, wenn du das sagst, kling es plötzlich so...versaut.« »Ach, ich habe vergessen, dass alles so unschuldig klingt, sobald du es sagst.« »Natürlich tut es das«, erwiderte sie überzeugt und wandte sich ihm wieder zu. Tōru lehnte an der Wand und starrte sie mit verschränkten Armen an. Unter seinem Blick fühlte sie sich gut und mutiger. Sie konnte nicht verhindern, dass sie euphorisch wurde. Sie wollte mit dieser Aktion nie bezwecken, dass die Luft um sie herum gefährlich zu knistern begann. Dass sie plötzlich das Bedürfnis hatte, ihn zu sich zu ziehen, zu berühren und ihre Lippen auf seine zu legen. Nicht ihre förderlichsten Gedanken, wenn das hier nur eine gemeinsame Nacht ohne all diesen Vorstellungen werden sollte. Und doch, so sehr die Vernunft es ihr abriet, griff sie nach ihrem Oberteil und zog es über den Kopf. »Aber nur weil es unschuldig klingt, heißt es nicht, dass es auch so gemeint ist«, fügte sie mit einem dezenten Schmunzeln hinzu. Taten konnte man nicht ungeschehen machen und somit gab es auch kein Zurück, als ihre Jeans den Weg auf den Boden fand. Sie fragte sich, was ihm durch den Kopf ging. Ob er es als schamlose Einladung ansah? Asuna wusste zumindest, dass sie sich widersprach. Schuld daran war, dass sie selbst nicht wusste, was sie eigentlich wollte. Es...war zumindest nicht ihre Absicht gewesen, mit Tōru hierher zu kommen, um mit ihm zu schlafen. Ihre Gedanken kreisten nicht durchgehen darum. Im Gegenteil. In letzter Zeit waren ihre Gedanken weitaus tiefgründiger, wenn sie an den Setter dachte. Sie betrafen ihre mögliche gemeinsame Zukunft, ihre überwältigenden Gefühle in seiner Nähe und vieles mehr, das sie völlig durcheinanderbrachte. Im Positiven. Dennoch dachte sie sich immer öfters, welch bescheuerte Idee es gewesen war. Beweisen, dass sie eine Nacht auch ohne Sex verbringen konnten? Als ob sie das nicht können würden. Wieso hatten sie also dieses Vorhaben beschlossen, wenn es eigentlich kompletter Schwachsinn war? Mit diesen Gedanken nutzte sie die Treppen, die ins Wasser führten. Es war nicht warm, aber auch nicht unangenehm kalt. Dennoch spürte sie den dezenten Schauer, der ihren Rücken hinablief. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die ganze Situation, die sie im Selbstverschulden herbeigeführt hatte, sie unter Spannung setzte. Allerdings wollte sie sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Was würde das bringen? Es einfach auf sie zukommen zu lassen, wäre die bessere und einfachere Alternative. Sie ging so weit ins Wasser, bis nur noch ihre Schultern und die Träger ihres dunklen BHs sichtbar waren. »Ich hoffe, du weiß, was du da gerade tust«, ertönte die dunkle Stimme von Tōru. Asuna, die ihre Aufmerksamkeit auf die Wasseroberfläche gerichtet hatte, schüttelte leicht den Kopf. »Nein, aber vielleicht ist es besser, manchmal weniger zu wissen.« Möglicherweise war jetzt der richtige Zeitpunkt, um nicht nachzudenken und einfach auf ihre Intuition zu vertrauen. Ja, weil auf ihre Intuition in letzter Zeit Verlass gewesen ist, kam ihr sarkastisch in den Sinn. »Sag mir nur, ob du dir das in ein paar Stunden auch noch denkst«, wollte er wissen und zeigte so seine Bedenken. Auch wenn ihr sein Zögern missfiel, konnte sie ihn verstehen. Immerhin traute sie ihr selbst nicht, wenn es um ihre Gefühle und Gedanken ging. Dennoch legte sie ihre Arme auf dem Beckenrand ab und platzierte ihr Kinn darauf, während sie ihn ernst ansah. »Ich weiß, dass mein Verhalten manchmal verwirrend sein kann. Abgesehen davon, dass es meine Idee war, genieße ich die Zeit mit dir viel zu sehr. Also ja, ich werde in ein paar Stunden auch noch so denken.« Ihre eigene Stimme hallte von den Wänden wider und ließ sie unangenehm laut werden. Ehrlichkeit konnte manchmal wirklich unangenehm sein. Tōru ließ sich überraschen viel Zeit mit seiner Antwort. »Du klingst überzeugt von deinen Worten.« »Natürlich. Immerhin sollten wir auch an unsere zwei letzten Punkte denken. Was hältst du davon, sie heute...abzuhaken?«, stelle sie nahezu herausfordernd die Frage in den erhitzten Raum, während das Wasser ihre Fingerspitzen streifte. Es war wie eine Kurzschlussreaktion, aber was hatte sie schon zu verlieren? Anstatt sofort zu antworten, sah er sie eingehend an. Das tat er immer, wenn er wissen wollte, was genau hinter ihren Worten steckte. Kaum merklich regte er sich. »Heute? Also die Nacht und...den Kuss?« »Ja. Ich habe darüber nachgedacht. Mehrmals, um genau zu sein. Nach dem Date und vor allem nach dem...Halbfinale konnte ich keine Gründe finden, weshalb wir diese Punkte hinauszögern sollten. Abgesehen davon«, meinte sie und bevor sie die nächsten Worte mit all ihrer Überwindung hervorbrachte, holte sie tief Luft, »vermisse ich es, deine Lippen auf meinen zu spüren.« Asuna schloss ihre Augen, als das Pochen ihres Herzens das Rauschen des Wassers zu übertönen drohte. Anspannung oder Erleichterung. Sie konnte nicht sagen, was überwog. Niemals hätte sie heute Morgen gedacht, dass sie ihm diese Worte so unverblümt darlegen würde. Wie sehr man sich irren konnte... »Hast du dich schon mal gefragte, ob sich seit damals etwas verändert hat?«, fragte er plötzlich und brachte Asuna dazu, ihre Lider aufzuschlagen. Sie beobachtete ihn, wie er sich von der Wand abstieß und seine Hände nach dem Saum seines Pullovers griff. Selbstverständlich hatte sie sich das gefragt. Jedes verdammte Mal, wenn sie ihn gesehen hatte. Würde sie ein Kuss kaltlassen? Würde er nicht mehr als ein angenehmes Gefühl hinterlassen? Oder würde er etwas in ihr auslösen, dass völlig überwältigend für sie war? Damals hatte sie nicht darüber nachgedacht, obwohl diese Geste zu jedem ihrer Treffen dazugehört hatte wie das Ausziehen von Kleidung. Es war erregend gewesen, aber nicht... außergewöhnlich? Wie anders würde es sich also jetzt anfühlen? Asuna gab ihm keine Antwort, sondern verfolgte seine Bewegungen. Mitsamt dem Shirt zog er den Pullover aus. Sie musste ein Schmunzeln unterdrücken, als sie ihre Augen über seinen Oberkörper wandern ließ. Es war lange her, dass sie so viel nackte Haut von ihm gesehen hatte. Prompt blitzten Erinnerungen auf, wie sie ihre Finger andächtig über seine definierten Muskeln wandern ließ und wie ihre Zunge eine feuchte Spur nach unten bahnte. Um sich nicht davon irritieren zu lassen, vergrub sie ihr Gesicht dieses Mal zur Gänze in ihren verschränkten Armen. So nahm sie nur wahr, wie anscheinend auch seine Jeans folgte. »Ich habe es mich gefragt und deshalb auf die Liste geschrieben. Aber das ist nicht der einzige Grund. Hina hat mich damals geküsst.« Bei diesen überraschenden Worten verlor Asuna kurzfristig ihre Gelassenheit und richtete sich auf. Tōru war mittlerweile bis zu den Stufen gekommen und hatte sich sogar so weit hineingewagt, dass er bis zu den Hüften im Wasser stand. »Du...hast Hina geküsst?«, wiederholte sie perplex. Vergessen war für einen Moment das eigentliche Gespräch. »Andersrum. Hina hat mich geküsst. Enormer Unterschied«, erwiderte er, als wäre es ihm furchtbar wichtig, »Ich habe es dir außerdem nicht gesagt, weil es mir deutlich gemacht hat, wie wenig sie mir eigentlich bedeutet und dass sie nie im Leben an das ran gekommen wäre, was eine einzelne Berührung von dir auslöst.« Weil er es mit einer enormen Selbstverständlichkeit sagte, blieb ihr die Enttäuschung im Hals stecken. Zudem hatte sie auch kein Recht darauf, in irgendeiner Weise wütend zu sein. Riku hatte sie auch einfach so geküsst und Tōru hatte keinen Grund, sie anzulügen. Je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurden seine anderen Worte. »Was genau meinst du damit?«, hakte sie nach. »Ich habe zwar etwas gebraucht, um das zu verstehen, aber Hina unterscheidet sich nicht von meinen Fangirls, wie Iwa und du die Mädchen gerne bezeichnet. Sie hat sich schlichtweg in die Vorstellung...verliebt, mit dem Volleyballspieler und Kapitän zusammen zu sein. Dabei hat sie nicht mal versucht, mich besser kennenzulernen oder zu verstehen und hat mich mit Nettigkeit sowie Dingen, die ich in Interviews gesagt habe, überschüttet. Bei dir es anders.« Zum Schluss hin wurde er etwas leiser, sodass Asuna mühe hatte, ihn zu verstehen. Mittlerweile hatte sie sich umgedreht und beobachtete, wie er tiefer in den Pool ging. Trotz allem ärgerte es sie, dass Hina ihn geküsst hatte. Dieses...Miststück. Obwohl sie hätte lügen können, hatte sie es nicht erwähnt. Ob es ihr zu unangenehm gewesen war, dass er es nicht erwidert hatte? »Wieso war sie damals, als wir mit dem Bus zum Flughafen gefahren sind, bei dir?« Das wollte sie schon seit Langem wissen. »Weil sie recht spät am Tag davor bei uns zu Hause aufgetaucht ist. Hina wollte mit mir reden und hat angefangen zu weinen. Sie war richtig aufgelöst. Weil es schon spät gewesen ist, habe ich sie nicht den ganzen Weg nach Hause gehen lassen. Sie hat in unserem Wohnzimmer geschlafen.« »Verstehe«, murmelte sie. Damit hatte sie nicht gerechnet. Irgendwie...bekam sie nun doch Mitleid mit ihr. Ein wenig zumindest. Dass sie weinend bei Tōru zuhause aufgetaucht war, musste viel Überwindung gekostet haben. Trotz allem konnte sie die Wut nicht zur Gänze unterdrücken. Es ärgerte sie ungemein und obwohl sie es nur ungern zugab, war dieser Ärger geprägt von stechender Eifersucht. Nur mit Mühe schluckte sie den Klos hinunter. »Hast du dir mal gedacht, dass es zwischen euch doch etwas werden könnte?« »Ich habe eher versucht, es mir einzureden?« Er zuckte mit den Schultern. »Im Sommer, als du öfters mit diesem Idioten Riku Zeit verbracht hast, hat es sich falsch angefühlt, so oft an dich zu denken. Deshalb habe ich mehr Zeit mit ihr verbracht, mit dem Gedanken, dass das alles von selbst regeln würde. Im Nachhinein betrachtet, war das nicht die beste Idee. Damit habe ich ihr falsche Hoffnungen gemacht und habe damit nur noch öfters an dich gedacht. Egal was sie gesagt oder getan hat – ich habe sie immer mit dir verglichen.« Tōru seufzte und ging so tief ins Wasser, bis es auch seine Schultern bedeckte. »Wie gut, dass es uns gleich ergangen ist. Die Versuche, uns abzulenken, haben genau das Gegenteil bewirkt.« Trotz allem musste sie schmunzeln. Es war bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt und nun konnte sie sehen, wozu es geführt hatte. Zum Besseren. »Wieso...stehst du eigentlich so weit von mir entfernt?«, hörte sie sich selbst sagen. Es war ihr schon die ganze Zeit aufgefallen, dass er ungewohnt viel Abstand zu ihr hielt, seit sie das Schwimmbad betreten hatten. »Fragst du das, weil ich näher kommen oder doch genau hier stehen bleiben soll?«, wollte er wissen und obwohl es dafür zu dunkel war, konnte sie sehen, dass er seine Augenbrauen nach oben gezogen hatte. Asuna runzelte die Stirn, weil sie ernsthaft darüber nachdachte. Seine Distanz war nicht das einzige, das ihr aufgefallen ist. Dieses Knistern war beinahe sichtbar, so intensiv war es. Natürlich war es ihr verschulden. Doch wollte sie, dass die Spannung zwischen ihnen stärker wurde, wenn nicht sogar die Oberhand ergriff? Daran dachte sie bereits ungewöhnlich lange und sie war noch zu keinem Entschluss gekommen. Nicht völlig... »Kommt darauf an, wem ich vertraue. Meiner Vorsicht? Oder meinem...Körper?« Sie spielte mit dem Feuer. Wie so oft, wenn es um Tōru ging. Vor allem, da ihre Bedenken mit jedem weiteren Wort nichtiger wurden. Tōru versuchte indes herauszufinden, was ihre kryptische Aufzählung zu bedeuten hatte. »Irgendetwas sagt mir, dass es jetzt in diesem Moment das Spannendere wäre, wenn du auf deinen Körper hören würdest. Wenn es um den einfacheren Weg geht, dann kling die Vorsicht vielversprechend.« Ein wenig überrascht über seine ehrlichen Worte legte sie den Kopf schief und betrachtete ihn eingehend. »Die Vorsicht sagt mir, dass es leichtsinnig ist. Mein Körper hingegen...« Asuna musste selbst darüber schmunzeln, »...du kennst die Antwort.« »Sag es mir«, forderte er viel zu ruhig für seine Worte und den ernsten Blick. Gerade war sie froh darüber, dass das Wasser eine angenehme Temperatur hatte. »Mein Körper sagt mir, dass der Abstand zu dir viel zu groß ist und wir das dringend ändern sollten. Jetzt.« Manchmal fragte sie sich, woher das ständige Hin und Her kam. Einerseits wollte sie es so sehr und andererseits hielt sie etwas davon ab, völlig losgelöst zu sein. Sie verwirrte sich selbst und mittlerweile bekam sie ein schlechtes Gewissen, dass Tōru diese Unentschlossenheit mit voller Wucht zu spüren bekam. Vielleicht war jetzt die Chance gekommen, es zu ändern? Dass er sie beim Wort nahm und ihr näher kam, zwang sie zu einer Entscheidung. »Ich weiß, dass es auf unserer Liste steht, aber...wir müssen nichts davon tun. Ich werde dich nur berühren, wenn du es willst. Ich werde dich nur küssen, wenn du es erlaubst. Und ich werde beides davon tun, wenn du mich darum bittest«, raunte er, während er sich mit seinen Händen links und rechts hinter ihr abstützte. Er hielt sein Wort und hielt so viel Abstand zwischen ihnen, dass sie seine Wärme nur erahnen konnte. Mit zusammengepressten Kiefern versuchte sie, seinem Blick standzuhalten. Es war, als hätte er ihr die Luft zum Atmen genommen, ohne viel dafür zu tun. Dabei schrie ihr Körper nach all den Dingen, die er gerade aufgezählt hatte. »Ich...«, begann sie trotz ihrer großen Worte, da sie tief in ihrem Inneren doch Zweifel hatte. Sie hatte Bedenken, inwieweit ein Kuss etwas verändern würde. Was, wenn sie sich auf einmal peinlich zwischen ihnen werden würde? Wenn sie nicht mehr wissen würden, wie sie sich gegenüber verhalten sollten? Tōru fasste ihr Zögern jedoch als endgültige Antwort auf, sodass er seine Arme sinken ließ und sie mit einem unergründlichen Blick konfrontierte. Als er sich von ihr entfernte, bekam sie plötzlich Panik. Hastig griff sie nach seiner Hand und stoppte ihn dadurch. »Wenn ich dich darum bitte, werde ich nicht damit aufhören wollen. Dafür...vermisse ich es wirklich zu sehr. Versprich mir aber nur, dass wir uns danach nicht meiden werden und dass es nicht merkwürdig zwischen uns werden wird.« Tōru war kurz überrascht über ihre Worte, fing sich aber schnell. Langsam hob er seinen Arm. Bevor er jedoch ihr Gesicht mit seinen Fingern berührte, hielt er inne. Es war deutlich zu sehen, dass es ihm nicht so leicht fiel wie sonst, die Initiative zu ergreifen. Er war es gewohnt, die Oberhand zu haben. Ob beim Volleyball oder in seinem sozialen Umfeld. Jetzt gerade stand er aber genau wie Asuna vor einer neuen Herausforderung. Den eigenen Gefühlen. Sein Brustkorb hob sich sichtbar, woraufhin er seine Finger sachte um ihren Hals legte und ihren Kopf so nach oben drückte. Es fühlte sich so an, als würde ihr Herz explodieren, während er den Abstand zwischen ihren Körpern verringerte und sie dadurch die Wärme deutlich spüren konnte. Zum ersten Mal seit langer Zeit traf ihre nackte Haut auf seine. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht genüsslich zu seufzen. Asuna wurde bewusst, dass sie ein hoffnungsloser Fall war, wenn diese Kleinigkeit sie bereits so durch den Wind brachte. Auch weil es sich anfühlte, als würde sie in Flammen stehen. »Das werde ich nicht zulassen. Das könnte ich nie. Wie soll ich dich in wenigen Stunden meiden, wenn du mich jetzt gerade so ansiehst?«, murmelte er, während seine Augen ihre Lippen fixierten und ihr deutlich wärmer wurde. Als wäre es nicht genug, kam er ihr näher. Asuna schluckte, legte ihre Hand auf seinen Unterarm und stellte sich auf Zehenspitzen. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf und mit ihrem Herz um die Wette. Die Nervosität ließ ihre Rationalität nichtig erscheinen, oder war es die Rationalität, die endlich eingesehen hatte, dass es das Richtige war? »Wie sehe ich dich denn an?«, wollte sie wissen. Tōrus Hand glitt indes zu ihrem Nacken und verweilte dort, sodass sie ihre auf seinen Oberkörper legte. Er spannte unbewusst seine Muskeln an und erwiderte rau: »Als würdest du mich um etwas Wichtiges bitten wollen.« Die Luft war hauchdünn, als sie atemlos erwiderte: »Ich muss dich nicht bitten.« Asuna hob ihren Kopf und stoppte kurz bevor sie auch den letzten Abstand überbrückt hatte. »Nicht wenn ich es selbst tue.« Damit legte sie ihre Lippen auf seine und vernahm sofort ein Pochen, das ihr beinahe ein Keuchen entlockt hätte. Das Gefühl zog sich durch jede Vene und jede Arterie. Wie als hätte sie sich von innen heraus verbrannte, löste sie sich von ihm. Sie holte Luft, als wäre sie einen Marathon gelaufen und suchte mit ihren Augen in seinem Gesicht nach etwas, das mehr verriet als das schnelle Schlagen in seiner Brust. Obwohl es sich nur um einen scheinbar harmlosen Kuss gehandelt hatte, war es wie eine schwere Explosion gewesen. Die Erschütterung hatte sie mit voller Wucht getroffen. Damit hatte sie nicht gerechnet, wenn sie ehrlich war. Jedoch...wollte sie mehr davon. Oh, sie wollte so viel mehr, und sie musste nur seinen Blick sehen, um zu merken, dass es ihm gleich erging. Doch dieses Mal ließ Tōru seine Ungeduld Oberhand ergreifen und zog sie mit einem Ruck zu sich. Dieses Mal fackelte er nicht lange und ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten, woraufhin vor Aufregung ein Schauer über ihren Rücken schoss. Sehnsüchtig intensivierte sie den Kuss. Es war, als hätte sie seit Wochen auf diesen Moment gewartet. Mit geschlossenen Augen suchten ihre Hände nach Halt und fanden ihn, indem sie ihre Arme um seinen Nacken schlang. Jede Faser ihres Körpers schrie vor Freude und Erregung. Ungewohnt, wenn nicht sogar überraschend, dass ein einziger Kuss es schaffte, sie in diesen Zustand zu versetzen. Es zeigte ihr, wie sehr sie die Berührungen von Tōru vermisst hatte. Ihre Finger vergruben sich in seinen Haaren und es brachte sie um den Verstand, dass seine Hände nach unten glitten. Das Lodern in ihrer tieferen Region ignorierend genoss sie die zärtliche und zurückhaltende Geste, welche im Kontrast zu dem Kuss stand. Gerade jetzt erschienen ihre Sorgen von vorhin wie eine idiotische Überreaktion. Die Antwort, die ihr dieser Moment gab, war so viel mehr wert. Wieso hatte sie es nicht bereits vorhin wahrgenommen? Manchmal war es anscheinend besser, einfach Ja zu sagen und ins kalte Wasser zu springen. Denn wer wusste schon, was kommen würde? Ohne ihr Tun zu unterbrechen, schlang sie ihre Beine um seine Hüften. Es war eine Möglichkeit, um ihm noch näher zu sein, auch wenn es kaum näher ging. Tōru drückte sie als Reaktion darauf fester gegen den Beckenrand. Ihr wurde heiß, als sie spürte, dass es ihm genauso gefiel wie ihr und sofort entkam ihr ein wohltuendes Stöhnen. Asuna unterbrach ihr Tun und legte ihren Kopf in den Nacken, während sie viel schneller atmete, als es für einen einfachen Kuss üblich war. Es zeigte ihr deutlich, dass einfach als Beschreibung hierfür nicht passte. »Wieso genau tun wir das hier eigentlich?«, raunte Tōru dicht neben ihrem Ohr und ließ seine Hand tiefer wandern. Asuna brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Sie umklammerte mit ihrer Hand den Beckenrand, obwohl sie dank ihm genug Halt hatte. »Was von all dem meinst du?« Sie hatte aufgrund seiner Zunge und seinen Lippen Mühe, sich auf ihre eigene Stimme zu konzentrieren. »Ich meine, wieso wir es so kompliziert machen. Dabei ist es doch offensichtlich«, begann er und glitt mit seinen Fingern bis zum Rand ihres Höschens, »wie sehr wir...uns brauchen.« War es möglich, aufgrund des Wortes uns die Fassung zu verlieren? Nein, aber in diesem Kontext mit diesen Berührungen? Durchaus. Sie kratzte mit ihren Nägeln über seinen Rücken, da er sich gefährlich tief voran tastete. »Ich weiß es nicht...aber ich weiß, dass ich das hier viel zu sehr genieße.« »Es gibt kein viel zu sehr genießen, Asuna.« Bei ihrem Namen, der so sinnlich und rau aus seinem Mund ertönte, ging ein Ruck durch ihren Körper. Wie konnte sie dabei nicht ihre selbst gezogene Grenze überschreiten wollen? Er stellte sie hier wirklich auf eine harte Probe. War sie dieser gewachsen? »Heute schon«, murmelte sie und schloss genüsslich ihre Augen, als er mit seiner Zunge ihren Hals entlang fuhr. Sie hatte Mühe, sich auf ihre eigenen Gedanken zu konzentrieren. »Und morgen?« Tōrus Finger wanderten dieses Mal nach oben, während seine Lippen ihre Wange entlangstrichen. Es war nicht minder überwältigend. In den letzten Monaten war es nicht nur einmal vorgekommen, dass sie sich das hier ausgemalt hatte. Jedoch hatte sie nicht damit gerechnet, dass es so...intensiv werden würde. Es war besser als ihre Vorstellungen. So viel besser... »Dann«, erwiderte sie und drückte ihre Becken fester an seines, »fragst du mich noch einmal.« Damit presste sie ihre Lippen auf seine, ließ ihre Zunge im selben Augenblick in seinen Mund gleiten und erntete dafür ein tiefes Stöhnen. Dieses Geräusch schickte Dutzend Stromstöße in ihre empfindlichste Region und obwohl sie es nicht laut aussprach – sie wollte ihn. Und sie würde lügen, wenn sie behaupten würde, dass sie sich nicht zusammenreißen musste, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Es würde all ihre bisherigen Bemühungen zunichtemachen. Vor Kurzem hatte sie noch groß darüber nachgedacht, ihre Vorsätze einfach über Bord zu werfen. Ihr Verstand kämpfte sozusagen gegen ihren Körper. Und auch Tōru schien offensichtlich zu zögern, denn seine Hände wagten es nicht, den geringen Stoff von ihrem Körper zu entfernen. Diese Tatsache, dass es ihm anscheinend nicht anders erging, ließ sie unweigerlich in den Kuss hinein schmunzeln. »Was?«, murmelte er, nachdem er sich widerwillig von ihr gelöst hatte. »Nichts...nur ist diese ganze Situation tatsächlich absurd, findest du nicht? Ich...keine Ahnung.« »Hm. Es gibt aber eindeutig Schlimmeres, als dich nachts in einem Schwimmbad zu küssen.« Er schmunzelte dezent und legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. »Es fühlt sich definitiv«, begann sie und schnappte nach Luft, als sein Daumen gefährlich weit ihre Innenseite entlangglitt, »nicht falsch an.« »Dann trifft es sich gut, dass wir die Nacht miteinander verbringen, oder?« Mit diesen Worten spielte er auf den zweiten Punkt an und Asuna war sich noch nicht sicher, wie sie die nächsten sechs Stunden, bis sie zur Schule mussten, überstehen sollte. Es machte sie nervös, aber...im guten Sinn. Immerhin wollte sie die Zeit mit ihm verbringen. Während ihr Herz verräterisch schnell in ihrer Brust schlug, zog sie mit ihren Fingern feine Linien von seinem Nacken bis zu seiner Vorderseite. »Wie viel Schlaf brauchst du?«, stelle sie die Gegenfrage. »War das gerade ein Versprechen?« Asuna schmunzelte. »Nur wenn du es willst.« Er lachte leise bei diesen herausfordernden Worten. »Du kennst meine Worte, Asuna«, antwortete er und ließ es sich nicht nehmen, spielerisch den Stoff ihres Höschens nach unten zu ziehen. »Immerhin bist du Grund Nummer eins, für den ich liebend gerne meinen Schlaf opfere.« »Welch Ehre«, murmelte sie, da sie dank seiner Hände, die es nicht lassen konnten, sie aus dem Konzept zu bringen, ihre Sprache verlor. Tōru, dem diese Tatsache sichtlich gefiel, meinte dazu nur: »Stimmt. Welch Ehre für mich.« Damit machten sie da weither, wo sie aufgehört hatten, und Asuna realisierte, dass seine Anwesenheit alleine ausreichte, um ihre Gedanken zu benebeln und sie Dinge fühlen zu lassen, die mit nichts zu vergleichen waren. Und jetzt blieben ihr noch sechs Stunden, um mehr davon zu erleben. Kapitel 32: pillowtalk ---------------------- ● • . [Anm.: Spoiler ganz am Ende des Kapitels für alle, die den Manga nicht gelesen haben!] »Was tun wir jetzt?«, fragte Asuna, nachdem sie sich aufs Sofa gesetzt hatte. Es war zwei Uhr nachts. Ihr Wecker würde in ca. fünf Stunden läuten und in sechseinhalb Stunden mussten sie in der Klasse sitzen. Weder sie noch Tōru hatten allerdings vor, die angebrochene Nacht zu beenden. Hätte er etwas dergleichen vorgehabt, hätte er bereits auf dem Weg zu ihr nachhause gehen können. Jetzt gerade saß er geduscht und in gemütlicher Kleidung, die er irgendwann bei ihr vergessen hatte, neben ihr. Viel näher, als er eigentlich musste, denn seit sie den Pool und das Schwimmbad verlassen hatten, suchten sie permanent die Nähe des anderen. Schon die gesamte Zeit wollte sie nach seiner Hand greifen, als wäre es etwas völlig Selbstverständliches. »Wie wäre es mit einem richtig unheimlichen Horrorfilm?«, erwiderte er total ernst und erhielt sofort Asunas Aufmerksamkeit. »Willst du, dass ich sterbe?« Sie war zwar auch niemand, der sich in der Freizeit romantische Filme ansah, aber ein Horrorfilm musste auch nicht sein. »Wieso? Der erhöhte Puls lässt die Müdigkeit verschwinden und wenn du Angst hast...hast du mich. Ich passe darauf auf, dass die fiesen Monster dich nicht kriegen.« Tōru schmunzelte bei ihrer anhaltenden skeptischen Miene. Sie verdrehte die Augen. »Wer sagt mir, dass du nicht das fiese Monster bist, hm?« Herausfordernd hob sie ihre Brauen, während sie ihren Kopf auf die Lehne legte und mit dem Saum ihres Oberteils spielte. Auch sie war unter die Dusche gesprungen und hatte sich aus den ungemütlichen und feuchten Klamotten geschält. Jetzt trug sie eine kurze Stoffhose und ein enganliegendes Top. »Ich? Ein Monster? Bei dem engelsgleichen Aussehen?« Empört deutete er auf sein Gesicht. »Tu mir einen Gefallen: Halte dein Ego im Zaum und schalte den Fernseher ein«, gab sie nun doch mit einem leisen Lachen zurück. Mit einem Grinsen tat er wie befohlen und startete schließlich Netflix. Mit marginaler Begeisterung sah sie dabei zu, wie er das Genre auf Horror änderte. Sie sank tiefer in die Couch und bereute es, nur das schwache Licht der Stehlampe eingeschaltet zu haben. Bei seiner Auswahl weiteten sich ihre Augen. »Oh nein. Ohne mich. Nimm einen anderen!« Sie erinnerte sich daran, dass Maya und die anderen aus ihrer Klasse darüber gesprochen hatten. Es war weniger berauschend gewesen und sie hatte sich noch gedacht, dass sie diesen Film bestimmt niemals ansehen würde. »Wieso? Ich habe gehört, der soll gut sein.« Er zuckte mit den Schultern und ignorierte gekonnt ihren offensichtlichen Konflikt mit sich selbst. »Tōru«, jammerte sie und warf ihm einen leidenden Blick zu. »Hm?« Er hatte nur einen kurzen Blick für sie übrig und sie wusste genau, dass er sie gerade bis aufs Letzte ärgerte. Asuna wäre nicht Asuna, wenn sie nicht darauf anspringen würde. »Gib mir die Fernbedienung!« Bestimmend hielt sie ihm ihre Hand entgegen. Doch natürlich tat er es nicht. Er streckte seinen Arm, sodass sie noch von ihr entfernt war. »Du..«, begann sie brummend und verließ ihre bequeme Position. Sofort langte sie nach dem Gerät. Vergeblich. Das war mühsam. Mühsam und amüsant. »Ich was?«, wiederholte er mit hochgezogenen Augenbrauen und einem frechen Grinsen auf den Lippen. Sie hatte vergessen, wie sehr er sie mit wenig Mitteln provozieren konnte. Stur griff sie nach seiner Schulter, um mehr Halt zu erlangen, während sie sich zu ihm beugte. »Niedlich, wie du etwas Hoffnungsloses versuchst.« Seinen Arm hielt er nach hinten, damit das Objekt ihrer Begierde noch weiter aus ihrer Reichweite verschwand. Asuna schnaubte bei den Worten. Verbissen richtete sie sich auf und setzte sich kurzerhand auf ihn. Er lachte, woraufhin sein Oberkörper vibrierte. Selbst so schaffte sie es nicht. »Hör auf, zu lachen«, forderte sie, jedoch entkam ihr selbst ein Prusten, als er seine Hand auf ihre Taille legte. Normalerweise war sie nicht so kitzlig, aber es war anscheinend der Situation geschuldet. Ihre Ambitionen waren ab dem Zeitpunkt, als sie sich auf ihn gesetzt hatte, ohnehin verschwunden. Sie versuchte seinen Arm wegzuschieben und zuckte zusammen, als er ihre Schwachstelle nutzte. Natürlich waren ihre Bemühungen vergeblich, da er einfach stärker war als sie. Ihr entkam deshalb ein mitleidiger Laut, während sie sich unter seinem belustigten Gesichtsausdruck an ihn lehnte. Sie schnappte nach Luft, als er von ihr abließ. Dabei trafen sich ihre Blicke und ihr fiel auf, wie nahe sie seinem Gesicht war. Ihre Augen glitten von seinen warmen braunen Augen, bis hin zu seinen Lippen, die nach wie vor von einem Lächeln geprägt waren. So verlockend, dachte sie sich dabei und konnte nicht verhindern, dass sie den plötzlichen Drang verspürte, ihn zu küssen. Im Unterschied zum Moment im Wasser war es nicht ihr Körper, der es forderte. Es war ihr Verstand. Im selben Atemzug schoss ihr Puls merklich in die Höhe und verbreitete die Hitze in ihrem Körper. Asuna atmete tief ein, denn auf einmal war die Luft um sie herum furchtbar dünn und elektrisierend. Ihre Finger umklammerten die Lehne des Sofas, als sie ihrem Drang nachgab. Einfach so. Einfach so legte sie ihre Lippen auf seine und es dauerte nur ein Augenschließen, als sich ihre Zungen trafen. Als hätte er selbst auf diesen Moment gewartet, zogen sie sich an wie zwei Magnete. Asuna entkam ein sehnliches Seufzen. Ihr war bewusst, dass sie in wenig Stunden zurückdenken und die Haare raufen würde. Jetzt gerade genoss sie jedoch seine Hand, die unter ihr Oberteil glitt und über die erhitzte Haut ihres Rückens strich. Es kribbelte, es brannte und es verursachte einen Schauer, der über ihren Rücken lief. Sie konnte von seinen Berührungen und seinen Küssen nicht genug bekommen. Das wurde ihr wieder schmerzlich bewusst. Wie als wäre es eine Sucht, verlange alles in ihr nach mehr und verurteilte sie zugleich, dass sie sich all das nicht schon früher geholt hatte. Unruhig legte sie ihre Hand in seinen Nacken und kratzte mit ihren Nägel über seine Haut, während sie den Kuss unterbrach, um ihre Atmung zu kontrollieren. Egal wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte die entfachte Lust nicht bändigen. Es war unmöglich, das Kribbeln auf jedem Zentimeter ihrer Haut zu ignorieren und die entfachte Hitze im Keim zu ersticken. Erst recht, wenn sie Tōrus Erektion klar und deutlich an ihrer Mitte zu spüren. Sie konnte nicht in Worte fassen, wie sehr sie all diese Dinge vermisst hatte. Wie sehr sie...Tōru vermisst hatte. »Du machst mich verrückt«, murmelte er mit rauer Stimme und ließ ihr keine Zeit zu antworten. Ihre Lippen kollidierten abermals, ihre Zungen trafen sich erneut. Asuna entkam ein überraschtes aber nicht minder verlangendes Stöhnen. Das hier war viel zu gut, um wahr zu sein. Völlig überwältigt davon vergaß sie ihre Zurückhaltung, weshalb sie eine Hand in seinen Haaren vergrub und die andere ebenfalls unter den dünnen Stoff seines Shirts glitt. Benebelt von der Hitze, die dieser Kuss in ihr entfachte, ertastete sie die angespannten Muskeln. Das Gefühl, ihn abermals auf diese Weise berühren zu können, ließ ihr Herz schmerzhaft schnell schlagen. Die Zeit im Schwimmbad war viel zu kurz gewesen. Sie...wollte das hier nicht nur heute erleben. Sie wollte es jederzeit erleben können. Tōru legte seine Hände auf ihre Hüfte und schob sie plötzlich von seinem Schoß. Sie blinzelte einmal und fand sich unter ihm wieder. Das Letzte was sie vorhatte, war sich zu beschweren. Gott! Wie könnte sie, wenn er ihre Arme oberhalb ihres Kopfs fixierte und er seine Lippen auf die empfindliche Stelle ihres Halses legte? Asuna schloss genießerisch ihre Augen, als langsam in ihr Bewusstsein sickerte, dass sie ihm hoffnungslos verfallen war. Egal ob seine Berührungen, seine Küsse, sein Lächeln oder seine Worte. Seine bloße Anwesenheit reichte aus, um sie in den Bann zu ziehen. Dagegen war sie machtlos. Dagegen wollte sie machtlos sein. Asuna holte tief Luft, als er dieselbe Stelle reizte. Dabei dachte sie nicht daran, dass es in der Schule für alle sichtbar sein würde. Genaugenommen...war es ihr sogar absolut egal. Wenn es nach ihrem Verlangen ging, würden sie hiermit nicht aufhören. Sie würden die restlichen Stunden so und noch viel intensiver verbringen. Und Tōru konnte nicht verbergen, dass es ihm genauso erging. Dennoch war er es, der mit seinem Tun stoppte. Nach einem kurzen Augenblick, in dem er sich selbst zur Besinnung rief, meinte er: »Ich will nicht damit aufhören, aber...« »Ich weiß«, unterbrach sie den Satz, während sie ihre Augen aufschlug. Der Widerwille war selbst in ihren eigenen Ohren zu hören. Sie vernahm sein merkliches Ausatmen, bevor er sie losließ und sich von seiner Position erhob. Asuna rührte sich nicht, selbst, als sie das Zufallen der Badezimmertür vernahm. Das war...intensiv gewesen. Langsam führte sie die Hand zu ihrem Oberkörper. Ihr Herz schlug schnell und war deutlich zu spüren. Unweigerlich stiegen ihr typische Was wäre wenn-Fragen in den Kopf und verursachten ein Murren bei der Schülerin. Nichtsdestotrotz hätte sie sich vor wenigen Stunden nicht ansatzweise gedacht, dass ihre Nacht so enden würde. Tōru war um halb drei nachts in ihrem Bad, nachdem sie sich ausgiebig geküsst hatten. Ihr vergangenes Ich wäre bei dieser Tatsache ausgerastet. Ihr gegenwärtiges tat es jedoch genauso. Nur...anders. Asuna setzte sich in dem Moment auf, als Tōru aus dem Bad kam. Sie beobachtete ihn dabei, wie er neben ihr Platz nahm und wieder nach der Fernbedienung griff. »Also, was willst du sehen?«, fragte er und sah sie an, als hätte er diese Minuten dafür genutzt, wieder zu einem klaren Verstand zu finden. »Von mir aus Horror, aber nicht diesen. Wie wäre es mit...Curved?« Im selben Atemzug wusste sie, dass sie ihren Vorschlag bereuen würde. »Dein Wunsch ist mir Befehl«, erwiderte er. Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und starrte anschließend auf den großen Bildschirm. Ehe sie sich versah, startete der Vorspann. Sie kannte die Legende der Frau, die unzählige Kinder getötet haben sollte, in- und auswendig. Die Geschichte war beliebt in der Grundschule gewesen. Dass man daraus gleich einen Film machen musste, war vorhersehbar gewesen. Aus diesen Gründen rutschte sie tiefer und umklammerte die Decke mit beiden Händen. Sicher ist sicher. »Hättest du dunkle Haare, würdet ihr euch ähnlich sehen«, kommentierte Tōru nach einigen Minuten. Asuna verzog ungläubig ihr Gesicht. »Was? Sie sieht absolut unheimlich aus.« Tōru zuckte mit den Schultern. »Unheimlich, ja. Aber auch hübsch.« Einen Augenblick überlegte sie, ob er scherzte. »Du hast einen eigenartigen Fetisch, aber ich werte das mal als Kompliment.« »Solltest du eindeutig. Reagierst du eigentlich auf alle Komplimente so oder nur auf meine?«, wollte er wissen. »Ich weiß nicht, was du meinst. Vielleicht musst du mir mehr Komplimente machen?«, gab sie unschuldig zurück. »Clever, Kurasaki. Allerdings hast du anscheinend vergessen, mit wem du da redest. Ich erfülle deine Wünsche. Jeden. Also womit soll ich anfangen? Mit deinem Ehrgeiz, um den ich dich beneide? Mit deiner Gutmütigkeit, die mich im Zusammenhang mit bestimmten Leuten erstaunt? Mit deinem Verständnis für jegliche Dinge, sodass ich manchmal frage, ob du real bist? Oder doch mit-«, ratterte er, ohne nachdenken zu müssen, herunter, sodass Asuna ihm ihren Ellbogen in die Seite stieß. »Okay, lass das.« Ihre roten Wangen waren deutlich spürbar. »Das gefällt mir schon besser.« Er lachte und legte dieses Mal tatsächlich wie selbstverständlich seine Hand auf ihren nackten Oberschenkel, bevor er sich wieder dem Film widmete. Asuna hingegen tat sich in den nächsten Minuten alles andere als leicht, sich auf die Dialoge im Film zu konzentrieren. Es waren seine Worte von vorhin, die ihm so leicht über die Lippen gekommen waren, sowie seine Hand, die ihre Haut in Flammen setzte. Sie versuchte sich dennoch vehement auf den Bildschirm zu konzentrieren, was mit Mühe gelang. Weniger erfolgreich war sie aber damit, ihre Augen offen zu halten. »Ich sollte dringend ins Bett gehen«, meinte sie nach einer weiteren halben Stunde. Sie schälte sich aus der Decke, hatte aber die Rechnung ohne Tōru gemacht. Er schlang seinen Arm um ihre Taille und zog sie zurück. Unelegant fiel sie wieder nach hinten. »Ich glaube nicht, dass du in dein Bett gehen solltest«, sagte er bestimmend, während sie ihre Hand auf seinen angespannten Unterarm legte. »Wo soll ich denn sonst schlafen?«, murmelte sie, warf ihm einen kurzen Blick zu und kannte seine Antwort bereits. Oder erhoffte sie sich diese Art der Antwort? Mit einem schiefen Lächeln erwiderte er: »Hier. Bei mir.« Bei diesem zugegeben unwiderstehlichen Angebot wurde ihr heiß. Sie wusste nur nicht, ob sie so tatsächlich Schlaf finden würde. Bis jetzt hatte sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde, neben ihm zu schlafen. Damals in Okinawa war es irgendwie anders gewesen. Ebenfalls aufregend und neu. Dennoch war sie jetzt gerade so nervös und das, obwohl es so...harmlos war. Gerade deshalb, und weil es für sie wie ein neuer Meilenstein war, schlug ihr Herz ungewöhnlich schnell in ihrer Brust. »Okay.« Asuna kaute auf ihrer Unterlippe und rutschte nach vorne. Zum Glück bot ihre Couch genug Platz für zwei Personen. »Und ich dachte, ich müsste dich dazu überreden.« Tōru schaltete den Fernseher aus. »Tatsächlich? Wieso?«, fragte sie ehrlich interessiert. Immerhin hatte sie sich vor ca. zwei Stunden auf ihn gesessen und geküsst. Da sollte es ein Klacks sein, neben ihm zu schlafen. Eigentlich. »Bilder auf der einen Seite, Hieroglyphen auf der anderen. Erinnerst du dich? Manchmal weiß ich einfach nicht, was in deinem hübschen Kopf so vorgeht«, sagte er und ließ sich neben sie fallen. Da waren sie schon zwei. Oft wusste sie das selbst nicht. »Dann versuche ich es dir leichter zu machen.« Sie drehte sich auf die Seite, um ihn in dem spärlichen Mondlicht ansehen zu können. »Auch wenn es auf den ersten Moment so wirkt, als würde ich zögern – ich bin gerne in deiner Nähe. Auch...nachts.« Vielleicht sogar vor allem nachts. »Hm. Das war durchaus hilfreich. Mach ruhig weiter.« Er stützte sich mit seinem Arm ab und sein Grinsen war klar und deutlich in seiner Stimme zu hören. »Nah. Du bist klug genug, um das zu verstehen«, murmelte sie mit roten Wangen, auch wenn ihr langsam kalt in ihren Schlafshorts wurde. »Wie schade.« Er seufzte und legte seine Hand wie zuvor auf ihren Oberschenkel. Der Unterschied war, dass seine Finger auf und ab glitten. »Du hast aber recht. Du zögerst. Wieso?«, stellte er die Gegenfrage, und auch wenn seine Berührung etwas Spielerisches an sich hatten, waren seine Worte ernst. Sie schwieg für einen Moment, obwohl die Frage leicht zu beantworten war. »Weil...ich mich noch nicht daran gewöhnt habe, dass es okay ist, dir nahe zu sein? Einerseits haben wir uns in den letzten Stunden öfters geküsst als in den vergangenen Monaten, andererseits fühlt sich jede Berührung nach wie vor verboten an.« »Geht es dir besser, wenn ich dir sage, dass es mir nicht anders geht? Jedes Mal, wenn ich solche Dinge tue«, seine Hand fuhr unter ihr Shirt und schob es nach oben, bis er beinahe ihre Brüste berührte, »schlägt mein Herz wie verrückt. Es fühlt sich aber nicht nur verboten an. Es fühlt sich verdammt gut an. Und ehrlich gesagt...will ich dich jederzeit berühren und küssen können.« Asuna schnappte nach Luft, als seine Finger mutiger wurden. »Jederzeit klingt gut...nur nicht heute«, brachte sie hervor. Tōru seufzte abermals, zog aber sofort seine Hand zurück. »Du hast recht. Lass uns schlafen gehen. Ich weiß nicht, wie spät es ist, aber der Wecker klingelt bestimmt bald.« Ihr fehlte sofort etwas Essenzielles, wandte ihm aber den Rücken zu. Halbherzig zog sie die Decke bis zu ihrer Taille. Sie dachte gerade daran, wie kalt es eigentlich in der Wohnung war, als sie Tōrus Arm spürte, den er über sie legte. Sofort spürte sie die Wärme, die von seinem Körper ausging. Sie bewegte sich nicht. Auch nicht, als er wie selbstverständlich näher zu ihr rutschte, sodass sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren konnte. Hatte er nicht zuvor gesagt, dass er ebenfalls öfters zögerte, wenn es um die Nähe zu ihr ging? Asuna kniff ihre Augen zusammen, während es in ihrem Kopf ratterte. Trotz der Müdigkeit in ihren Knochen konnte sie noch keinen Schlaf finden. Ihre Gedanken kreisten um den heutigen Abend und die folgende Nacht. Ausnahmsweise handelte es sich nicht um die Nähe zu ihm. Es war etwas völlig anderes. Etwas, was sie bereits seit Tagen beschäftigte. Dank der Stille musste sie wieder an das Spiel denken. Er hatte sich die gesamte Zeit über nichts anmerken lassen. Weder ein falsches Lächeln noch ein nachdenkliches Abschweifen waren ihr aufgefallen. Es war auf den ersten Blick, als hätte es das Turnier nicht gegeben. Tōru war kein schlechter Verlierer. Wenn jemand besser war, dann sah er es ein. So wie bei diesem Kageyama. Allerdings hieß das nicht, dass er nicht enttäuscht darüber sein durfte. Insbesondere da es die letzte Möglichkeit gewesen war, gemeinsam mit den anderen bei den Nationals teilzunehmen. Kurzzeitig hatte sie darüber nachgedacht, ob sie nicht zu viel hineininterpretierte. Wenn sie aber an seinen Blick dachte, der so niederschmetternd und verzweifelt gewesen war, dann waren ihre Sorgen durchaus berechtigt, oder? »Tōru« begann sie bemüht leise, »schläfst du schon?« Sie vernahm eine dezente Regung hinter ihr. »Nein, wieso?« Asuna ignorierte den Drang, sich wieder umzudrehen. »Ich musste gerade an das Spiel denken und ich weiß, dass du vermutlich nicht darüber reden willst. Irgendwie...Ich...keine Ahnung. Vergiss, was ich gesagt habe«, endete sie recht abrupt, denn während sie sprach, kam ihr doch in den Sinn, wie bescheuert ihre Idee gewesen war. Was hatte sie sich dabei gedacht? Wie erwartet antwortete er nicht und am liebsten wäre sie unter die Decke gekrochen. Jedoch wurde sie schnell hellhörig. »Hast du dir schon einmal gedacht: Egal wie gut du bist – es wird immer jemanden geben, der besser ist?«, begann er mit rauer Stimme und sorgte für eine Gänsehaut auf ihrem Körper. »Ich...bin kein Genie. Ich bin niemand, der übermäßig viel Talent vorweisen kann. Und doch besitze ich zu viel Stolz und hasse es, zu verlieren. Nicht die beste Kombination, denn manchmal wird mir das zum Verhängnis.« Sie spürte, wie er sein Gesicht in ihrem Nacken vergrub und schloss für einen Moment die Augen, als sie abermals seine ruhige Atmung auf ihrer Haut fühlte. »Schlussendlich bin ich nichts Besonderes. Ich wusste das natürlich vorher schon, aber es so gezeigt bekommen, ist immer...schmerzhaft.« Sie hatte jedes einzelne Wort aufgesaugt, als wäre es lebensnotwendiger Sauerstoff. Es war die Ehrlichkeit und auch die Bitterkeit in seiner Stimme, was sie einnahm und auch in gewisser Weise beeindruckte. So brutal es auch klingen mag - früher hatte sie es nicht für notwendig erachtet, ihn nach seinen Gefühlen zu fragen. Heute bereute sie es, dass sie nicht schon damals versucht hatte, ihn besser kennenzulernen. Hinter dem makellosen Aussehen lag so viel mehr. Arroganz, übermäßiger Ehrgeiz, Stolz und Verbissenheit, aber auch Zweifel, Ängste und Selbstkritik. Mit jedem einzelnen Charakterzug war Tōru weit von Perfektion entfernt. Und das war gut so. Niemand war perfekt. Niemand musste perfekt sein. Auch nicht Tōru, den diese fehlerhaften Aspekte schlichtweg menschlich machten. Dass er sich all dieser Fehler bewusst war, machte ihn umso beeindruckender und es sorgte bei Asuna für Bewunderung. Ihr tiefes Seufzen brachte ihn dazu, sie zu unterbrechen, bevor sie überhaupt etwas gesagt hatte. »Stopp«, murmelte er, »du sollst dir keine Sorgen um mich machen. Ich werde zwar bestimmt noch öfters daran denken und mich ärgern, aber am Ende kann ich auch aus diesem Spiel lernen. Außerdem ist mir wie so oft bewusst geworden, wie sehr ich Volleyball liebe.« Je länger er sprach, desto gelöster klang er. Diese Ruhe ging direkt zu Asuna über. »Und sollte ich also wieder einmal über Kageyama oder diesen Idioten Ushijima schimpfen, dann nur, weil sie mich anspornen, härter zu trainieren. Wobei...Ushijima geht mir tatsächlich mächtig auf die Nerven. Wenn er noch einmal meinen unnützen Stolz erwähnt und mir vorhält, ich hätte Shiratorizawa beitreten sollen, verpass ich ihm eine.« Asuna musste leise bei seinen Worten über die anderen zwei Spieler lachen, wurde aber schnell wieder ernst. »Ich kann nicht versprechen, dass ich mir keine Sorgen machen werden. Noch nicht. Es ist aber schön, dass du deine Freude an Volleyball nie verlierst. Keine Ahnung wie, aber vielleicht kann ich irgendetwas dazu beitragen. Ich habe mich nach dem Spiel so...nutzlos gefühlt.« »Du trägst bereits viel mehr dazu bei, als dir bewusst ist. Deine bloße Anwesenheit beim Spiel sorgt dafür, dass ich die notwendige Lockerheit habe. Und wenn ich weiß, dass zur selben Zeit mein Name auf deinem Rücken steht, dann bin ich fast unaufhaltsam.« Sie spürte, wie sein Körper aufgrund des Lachens vibrierte und unweigerlich musste sie ebenfalls schmunzeln. Die Richtung, die dieses Gespräch mitten in der Nacht genommen hatte, gefiel ihr. Umso schwerer wurden gerade ihre Lider. »Das tut gut, zu hören. Ich hoffe, ich kann noch öfters dazu beitragen. Es hat mir gereicht, dich einmal so zu sehen.« Asunas Herz schlug zum ersten Mal seit langsam ruhig und in einem unauffälligen Tempo. Zusammen mit der Wärme von Tōrus Körper vernahm sie, wie der Schlaf sie zur Gänze einnahm. Seine Antwort nahm sie gar nicht mehr wahr, so schnell war sie im Reich der Träume angekommen. ♛♔ Als Asuna die Augen aufschlug, dauerte es wenige Sekunden, bis sie realisierte, wo sie war. Zuerst rührte sie sich keinen Millimeter und jeder Muskel weigerte sich, aus der Wärme der Decke und auch jener von Tōru, in die Kälte des Wohnzimmers zu kriechen. Nach und nach kamen aber ihre Erinnerungen zurück. Tōrus Worte und der Kuss, der sie beinahe um jegliche Selbstbeherrschung gebracht hatte. In erster Linie konnte sie es nicht glauben. Sie wusste auch nicht, was sie gerade denken sollte. Eigentlich...wollte sie nichts denken. Dafür fühlte sich seine Nähe viel zu gut an. Ihre Gedanken würden den Moment nur ruinieren. Obwohl sie es so genoss, kam ihr auch in den Sinn, dass diese zwei mickrigen Stunden Schlaf absolut nichts gebracht hatten. Sie spürte die Müdigkeit nach wie vor in ihren Gliedmaßen und am liebsten hätte sie den heutigen Schultag einfach ignoriert und weitergeschlafen, aber die Besprechung der Klassensprecher stand an und die durfte sie nicht verpassen. Um den Setter nicht zu wecken, griff sie nach ihrem Handy und bekam dezente Panik, als sie die Uhrzeit sah. »Fuck«, fluchte sie und wollte aufstehen. Allerdings hatte sie die Rechnung ohne Tōru gemacht. Er grummelte unzufrieden, schlang seine Arme um ihren Oberkörper und zog sie zurück. Unter anderen Umständen hätte sie darüber gelacht, aber gerade waren sie kurz davor, zu spät zu kommen. Das sagte sie ihm auch. »Ist doch egal«, raunte er und kitzelte sie unbewusst, als er sein Gesicht in ihre Halsbeuge vergrub. »Ich bin noch nie zu spät gekommen«, verteidigte sie ihr Vorhaben, hörte sich aber nicht so überzeugend an, wie gedacht. Vor allem, als sie realisierte, dass es das erste Mal war, dass sie die Nacht zusammen verbracht hatten. Das bedeutete auch, dass sie zum ersten Mal nebeneinander aufgewacht waren. Sie seufzte, denn sein Körper an ihrem verursachte doch den Wunsch, da weiterzumachen, wo sie gestern so abrupt aufgehört hatten. Insbesondere als seine Hand sich selbstständig machte und unter ihr Shirt glitt. »Für alles gibt es ein erstes Mal.« Asuna holte tief Luft und war kurz davor, die Augen genießerisch zu schließen. Allerdings rannte ihnen auch die Zeit davon, weshalb sie seinen Arm widerwillig von sich schob. »Ich meine das Ernst, Tōru.« »Wie kann ich dem zustimmen, wenn du neben mir liegst und meinen Namen auf diese Weise aussprichst?« Er bewegte sich keinen Millimeter und langsam bekam sie wirklich Stress. »Wie spreche ich deinen Namen denn aus?«, hakte sie dennoch nach. »So heiß und...bestimmend. Darauf stehe ich.« Um seine Worte zu unterstreichen, begann er, Küsse auf ihrem Hals zu verteilen. Sie bekam Flashbacks und weil sie diese gerade jetzt nicht gebrauchen konnte, stoppte sie ihn. Hastig stand sie auf. Ihr Herz war dabei wie immer der Verräter. »Du bist echt unmöglich. Bist du morgens immer so drauf?«, murmelte sie. »Vielleicht.« Zum ersten Mal konnte sie das Grinsen in seinem Gesicht sehen, nachdem er sich auf den Rücken gelegt hatte. Dennoch wirkte er nicht so, als würde ihn die geringe Zeit stören. Asuna erwiderte nichts. Nicht aufgrund seiner Worte. Es war sein Anblick, der ihr die Sprache verschlug. Seine Haare hingen ihm teilweise wirr ins Gesicht und sein verschlafener Blick hatte zugleich etwas so Verführerisches an sich, dass sie für einen kurzen Moment tatsächlich daran dachte, mit Tōru hier zu bleiben. »Okay. Jetzt sollten wir wirklich gehen«, erwiderte sie und es war eigentlich eine Antwort an ihre Gedanken. Deshalb machte sie kehrt und ging ins Bad. Normalerweise brauchte sie länger, aber dieses Mal stand sie innerhalb von zehn Minuten fertig angezogen wieder im Wohnraum. Sie war gerade dabei, die Krawatte zu binden, als Tōru ebenfalls in der getrockneten Kleidung von gestern vor ihr stand. Auffällig starrte sie ihn an. Beinahe hätte sie vergessen, dass er seine Schuluniform gar nicht hier hatte. Das hieß, sie mussten einen Zwischenstopp einlegen. »Gehen wir.« Nach 15 Minuten waren sie bei Tōrus Zuhause angekommen und nach zehn weiteren waren sie kurz vor dem Eingang auf das Schulgelände. Es war niemand mehr unterwegs. Sie würden dennoch pünktlich zum Unterrichtsbeginn in der Klasse sein, weshalb sie aufatmete. Asuna konnte nicht verstehen, wie man ständig so knapp kommen konnte. »Warte«, kam es auf einmal von Tōru, sodass sie überrascht stehenblieb. Sie sah ihn abwartend an und erstarrte, als er mit einem Schritt plötzlich dicht vor ihr stand und ihr Gesicht in beide Hände nahm. »Wer weiß, ob und wann ich das wieder tun kann«, murmelte er, ehe er seine Lippen auf ihre legte. Einfach so. Einfach so wie sie vor wenigen Stunden sorgte er dafür, dass ihr Puls in die Höhe schoss und die Schmetterlinge in einem heftigen Durcheinander herumflogen. Sie erwischte sich dabei, wie sie die Augen schloss und den Kuss mit jeder vorhandenen Faser genoss. Es klang in ihren Ohren furchtbar kitschig, aber jeder ihrer Küsse sorgte dafür, dass die Welt für einen kurzen Moment stillstand. Erst als er sich langsam von ihr löste, kam alles um sie herum wieder in Bewegung. Sie bekam wieder ausreichend Luft, denn er raubte ihr wahrhaftig den Atem. Doch das Gefühl, dass er sie zum ersten Mal mitten am Tag, wenige Meter vor ihrer Schule küsste, stellte gerade alles andere in den Schatten. Während er verschmitzt grinste, versuchte Asuna, ihre Gedanken zumindest ein wenig zu ordnen. Seine Worte waren dafür essenziell. Wann würden sie sich wieder küssen? Wenn es nach ihr ginge, dann würde sie nicht lange damit warten. Auch jetzt verspürte sie diesen Drang, neben jenem, seine Hand zu halten. Ein kleiner Teil in ihr wollte damit allen Schülerinnen zeigen, dass sie aufhören konnten, von Tōru zu fantasieren. Dass sie...zusammengehörten. Auch wenn es nicht zur Gänze so war. Das Läuten, welches über den Schulhof tönte, brachte sie aber auf den Boden der Tatsachen. Es hinderte sie auch daran, über das, was gerade passiert war, zu sprechen. Das Gespräch von vor wenigen Stunden war nicht genug. Im Schulgebäude angekommen, holte sie die Realität ungewöhnlich schnell ein. »Wenn ich einschlafe, gebe ich dir die Schuld«, meinte sie, als sie vor der Klasse 3-6 zum Stehen kamen. »Okay. Ich tu dann einfach so, als wäre ich derjenige gewesen, der in ein Schwimmbad eingebrochen ist und sich ausgezogen hat.« »War es nicht so?«, fragte sie unschuldig und machte ein paar Schritte rückwärts, ehe sie belustigt mit den Schultern zuckte und zu ihrer Klasse ging. Länger konnte sie es nicht hinauszögern. Als sie den Raum betrat, war Mai die Erste, die ihr Auftauchen bemerkte. »Wow! Und wir dachten schon, wir erleben den historischen Moment, an dem Kurasaki Asuna einen Schultag verpasst.« »Ihr kennt mich. Das passiert nicht.« Sie schmunzelte und setzte sich an ihren Fensterplatz. Sie war tatsächlich selten krank und hatte dementsprechend kaum Fehltage. »Gibt es einen Grund, weshalb du kurz vor dem Läuten auftauchst?«, fragte zu ihrer Überraschung Maya. Ihr war nur gut in Erinnerung geblieben, als sie Tōru vor ihren Augen um ein Date gebeten hatte. Asuna gähnte und meinte passend dazu: »Ich habe verschlafen.« In letzter Zeit war es Standard geworden, nicht zu lügen, aber auch nicht die Wahrheit zu sagen. Allerdings war sie auch kein Fan davon, wenn Personen außerhalb ihres Freundeskreises zu neugierig waren. Jana, die sie auffallend lange mit zusammengekniffenen Augen ansah, zählte nicht dazu. Immerhin war ihre Skepsis berechtigt, nachdem sie gestern ausnahmsweise nicht auf ihre Nachricht geantwortet hatte und heute viel zu spät auftauchte. »Sieh mich nicht so an. Ich war...beschäftigt«, sagte sie zu Jana, nachdem Maya das Interesse an der Konversation verloren hatte. Das war wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Zu ihrem Glück betrat in diesem Moment die Lehrerin für Japanische Geschichte die Klasse und unterbrach die Gespräche. Allerdings hatte Asuna nun ein neues Problem. Sie hatte Mühe, ihre Augen offenzuhalten. Es war richtig unangenehm und sie konnte sich nicht auf den Unterricht konzentrieren. Bereute sie es deshalb? Nein, keine Sekunde. ♛♔ Asuna war tatsächlich eingeschlafen und wurde von Jana am Ende der dritten Stunde, in der sie einen Film angesehen hatte, geweckt. Zu ihrem Glück war ihr Ethiklehrer steinalt und hatte nichts mitbekommen. Oder ihm war es egal gewesen. »Warte, das muss ich mir notieren. Irgendwie ein Highlight in deiner Schullaufbahn.« Ihre Freundin grinste, während Asuna ihr auf den Flur folgte. Wie aufs Stichwort gähnte sie wieder. »Ah, ich bin wirklich müde. Was haben wir jetzt? Sport, oder?« Sie verzog das Gesicht. Jedoch würde es die Müdigkeit zumindest für kurze Zeit vertreiben. Jana nickte. »Vielleicht schleiche ich mich währenddessen zu den Jungs? Ist mir lieber, als Yogaübungen zu machen.« »Wenn Kato-senpai das mitkriegt, bringt sie dich um. Außerdem hat sie das letzte Mal gesagt, dass wir Basketball spielen«, merkte Asuna mit einem Grinsen an. »Basketball? Okay, das klingt nicht so übel. Was aber übel klingt, ist, dass ich von Hajime erfahren muss, dass du die Nacht mit Oikawa verbracht hat.« Mit einem tadelnden Seitenblick blieben sie vor dem Getränkeautomaten stehen. Irgendwie hatte sie darauf gewartet. »Ahhhh, da war ja was«, murmelte sie und ärgerte ihre ungeduldige beste Freundin bewusst. »Ehrlich gesagt war ich gestern selbst ziemlich überrascht über sein Auftauchen. Nachdem wir gelernt haben, sind wir zu Lawson gegangen und irgendwie in dem alten Hallenbad gelandet. Du weißt schon. Das eine, in das ich damals eingebrochen bin.« »Ja. Du hast mir davon erzählt. Soll das heißen, dass du wieder dort eingebrochen bist? Mit Oikawa?« Jana bekam große Augen und man sah ihr an, dass sie sich einen Teil bereits selbst zusammenreimte. »Mhm. Und wenn ich dir das jetzt sage, bitte ich dich, dass du nicht ausflippst«, warnte sie, da zwar nicht mehr viele Leute am Flur unterwegs waren, aber noch immer genug für Gerüchte. Asuna holte tief Luft, ehe ihr fast schon nuschelnd entkam: »Wir haben uns geküsst.« Abwartend kratzte sie an dem Etikett ihrer Wasserflasche. Jana erwiderte nichts, sondern starrte sie an, während sie an dem Strohhalm ihrer neu gewonnenen Capri-Sonne zog. »Als ob du jetzt nichts dazu zu sagen hast«, fügte sie dem Schweigen ihrer besten Freundin hinzu. »Oh, ich habe einiges zu sagen! Jetzt gerade versuche ich mir aber auszumalen, wie ihr euch geküsst habt. In einem Pool. Nackt...oder halbnackt?« Sie runzelte die Stirn. »Wir hatten Unterwäsche an«, erwiderte sie langsam, »aber das ist nicht wirklich wichtig. Wir haben uns geküsst. Ist dir klar, was das bedeutet?« »Scheiße, ja. Wurde echt Zeit, wenn du mich fragst.« Sie lachte, verstummte aber bei ihrem Blick. »Tut mir leid. Ich weiß, dass das ein großes Ding für dich ist. Ich freue mich nur so. Wie war es?« »Viel zu...gut?« Sie verzog das Gesicht bei ihrer eigenen Wortwahl. »Viel zu gut gibt es nicht, Süße.« Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu den Umkleiden, da die Pause bald zu ende sein würde. »So etwas Ähnliches hat Tōru gestern auch gesagt«, murrte sie und wurde sofort euphorisch. »Es war wirklich gut, Jana. So...richtig. Damit meine ich nicht erregend gut. Also nicht nur, aber auch eher überwältigend gut? Macht das Sinn? Außerdem war es...absolut unglaublich, neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dazu sagen soll...« »Ohhh, du bist so süß, wenn du verknallt bist«, sagte Jana mit einem Lächeln im Gesicht. Asuna seufzte und stritt es nicht ab, dass sie verknallt war, denn seit einigen Tagen und vor allem seit einigen Stunden war sie sich absolut sicher, dass es eindeutig mehr als Verknalltsein war. »Wenn es nur das wäre...«, murmelte sie deshalb. Auch wenn sie bei dem Gedanken mittlerweile nicht mehr völlig panisch wurde, war es nach wie vor ungewohnt, so ehrlich zu sich selbst zu sein. »Oh. Also ist das andere v-Wort nicht mehr tabu?« Mehr als nur begeistert war sie kurz davor, in die Hände zu klatschen. »Ich schätze nicht.« Janas Brustkorb hob sich merklich und sie sah aus, als würde sie vor Aufregung platzen. Jedoch riss sie sich zusammen, denn anstatt eines Wortschwalls kam ihr mühevoll über die Lippen: »Geht klar. Lass uns heute noch ausführlich darüber reden. Wir sind spät dran und wir wissen beide, was das bedeuten kann.« Ihre Mitschülerinnen waren fertig angezogen in der Halle, als sie diese ebenfalls in ihrer einheitlichen Sportkleidung betraten . Asuna zog ihren hohen Zopf fester, als sie sich zu den anderen gesellten, die mitten in den Dehnübungen waren. Katō-sensai war heute gnädig und hatte nur einen genervten Seitenblick für sie beide übrig. Zehn Minuten später war sie auf den Weg, um zwei Basketbälle zu holen. Wieso ist es hier so kalt?, fragte sie sich. Sie rieb sich die Arme, während sie nach oben sah. »Natürlich«, sprach sie mit sich selbst, als sie die Bälle im obersten Regal erkannte. Sie streckte sich und berührte mit ihren Fingerspitzen das raue Leder. Völlig harmlos, wenn sie nicht plötzlich Hände an ihrer Taille spüren würde. »Drei Stunden sind vergangen und irgendwie habe ich dich vermisst. Merkwürdig, oder?«, vernahm sie neben ihrem Ohr und Tōru sorgte damit mühelos für eine Schauer, der über ihren Rücken lief. Asuna stoppte mit ihrem Vorhaben, welches plötzlich nichtig wurde. Seine Worte und Nähe brachten sie dazu, kurz ihre Augen zu schließen. Es war nach wie vor ungewohnt, wie sehr er sie beeinflusste, ohne viel dafür zu tun. »Nicht merkwürdig. Höchstens...abhängig?«, scherzte sie und drehte sich zu ihm. Es sollte verboten sein, so gut auszusehen. Vor allem in schlichter Sportkleidung. »Wie auch immer du es nennen willst.« Er grinste und starrte auf ihre Lippen. Es war genauso offensichtlich wie die Tatsache, dass keiner von beiden es wagte, den anderen zu küssen. Auch wenn sie es vor kurzen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit getan hatten. Vielleicht war es die Umgebung, oder auch das Unausgesprochene zwischen ihnen. Egal was es war, sie konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie sich seine Lippen auf ihre angefühlt hatten. »Weißt du? Ich würde liebend gerne länger mit dir hierbleiben, aber wenn ich nicht bald diese zwei Basketbälle von dort oben zu Katō-sensai bringe, bekomme ich Ärger.« Oh, sie würde gerade so viel lieber bei ihm bleiben. Ohne zu zögern griff er nach dem letzten Regal und hielt ihr wenige Augenblicke später die Bälle entgegen. »Ausnahmsweise verlange ich keine Gegenleistung.« »Wie gütig. Danke.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und auch wenn es ihr schwerfiel, schob sie sich an ihm vorbei. Nur mit Mühe konnte sie es verkneifen, sich umzudrehen, obwohl sie das Kribbeln in ihrem Nacken nur zu deutlich vernahm. Sie zog es durch, bis sie bereits auf halbem Weg bei ihren Mitschülerinnen war. Genau in diesem Moment fiel ihr auf, dass sie die Schleifen für die Einteilung der Teams vergessen hatte. Mit einem genervten Seufzen rollte sie die Bälle in Richtung Lu und Jana und machte auf den Absätzen kehrt. Tōru hätte sie nicht ablenken sollen... Fast war sie wieder durch die Tür zum hinteren Bereich gelangt, als sie zwei Stimmen hörte. Eindeutig Tōru und Iwa. Sie wollte eigentlich nur schnell die Bänder holen, stoppte jedoch abrupt, als Fetzen des Gesprächs zu ihr durchdrangen. In erster Linie wollte sie nicht lauschen. Absolut nicht! Aber die Unterhaltung erwischten sie unvorbereitet und eiskalt. »Ist deine Zusage fix?«, wollte Iwa von seinem besten Freund wissen. »Ja. Sie haben bereits ziemlich Druck gemacht, obwohl ich erst in ein paar Monaten dort sein soll.« »Argentinien, hm? Ich kann es noch immer nicht glauben. Wenn du in die Nationalmannschaft kommst, bist du ein Spieler in einer der zehn besten Mannschaften der Welt.« Iwa klang beeindruckt. »Bist dorthin wird es ein ziemlicher langer Weg. Vor allem dauert es zwei Jahre, bis ich die Staatsbürgerschaft bekomme«. Es war viel zu viel auf einmal, um zu realisieren, worüber die beiden sprachen. Wenn sie ehrlich war, dann wollte sie es gar nicht wissen. Jedoch wurde ihr plötzlich heiß und übel zugleich, während ein einziges Wort wie ein Damoklesschwert in ihren Gedanken schwebte und nur von ihrer geringen Selbstbeherrschung gehalten wurde. Ar...gentinien? Kapitel 33: Not fair -------------------- ● • . Asuna stand untypisch teilnahmslos auf dem Spielfeld und ließ die gegnerischen Spielerinnen unter dem verständnislosen Fluchen seitens Suki einfach passieren. Seit zehn Minuten versuchten die Schülerinnen Körbe zu erzielen, während sie selbst noch immer nicht über das Gespräch zwischen Iwa und Tōru hinweggekommen war. Argentinien...Wieso zum Teufel das Land am anderen Ende der Welt? Und wieso...zwei Jahre? Das Schlimmste daran war, dass Tōru ihr nichts davon erzählt hatte. Keine kurze Anmerkung, keine...Warnung. Nichts davon, dass er in einem halben Jahr nach...Argentinien gehen würde. Verdammte...! Asuna holte tief und vor allem zittrig Luft. Oh, sie bekam gerade Panik. Ihr wurde übel, als sie Lu halbherzig deckte und schnell aufgab. »Kurasaki-san! Du bist hier nicht zur Zierde! Beweg dich gefälligst!«, kam es von Katō-sensai persönlich und sorgte dafür, dass ein Ruck durch Asunas Körper ging. Sie nickte geistesabwesend und setzte sich in Bewegung. Natürlich war sie noch immer nicht völlig bei der Sache. Ihre Augen bemühten sich, dem Ball zu folgen und ihre Beine schafften es mit einer verzögerten Reaktion, mit den anderen mitzuhalten. Sie hatten keine übermäßig guten Spielerinnen, aber das schmälerte nicht den Ehrgeiz. Deshalb ging es in der Sporthalle manchmal ruppig zu und wenn man nicht konzentriert war, konnte es passieren, dass man es schnell bereute. So auch jetzt. Abgelenkt von ihren eigenen Gedanken achtete sie zu wenig auf ihre Gegnerin und bekam nicht mit, wie Maya ihren Wurf nur antäuschte. Sie taumelte nach hinten, als sich ein heftiger Schmerz in ihrer Nase ausbreitete und von einem beunruhigenden Knacksen begleitet wurde. Ein Zischen entkam ihr und sofort griff sie nach dem Ausgangspunkt des Schmerzes. Sie rührte sich nicht und kniff die tränenden Augen zusammen, als sie eine warme Flüssigkeit an ihren Fingern spürte. Mayas erschrockenes Quieken sowie das nach Luft Schnappen der anderen drang zu ihr durch. »Oh, das ist eine Menge Blut«, murmelte Jana irgendwo zu ihrer Rechten. »Nicht hilfreich, Jana«, erwiderte Suki grummelnd und Asuna hätte unter anderen Umständen zugestimmt. Gerade ignorierte sie aber ihre Mitschülerinnen und verharrte in ihrer Position, bei der sie ihren Kopf in den Nacken gelegt und ihre Hand auf die Nase gepresst hatte. »Holt ihr ein Handtuch.« Katō-sensai klang ausnahmsweise weniger mürrisch. In der Zwischenzeit hatte Maya sich zum millionsten Mal entschuldigt und irgendwie brachte sie ein »Halb so wild« heraus. Es stimmte. Der Grund, weshalb sie so schweigsam war, war nicht ausschließlich das Pochen ihrer Nase. Selbst der Schmerz konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken um Tōru kreisten. »Woah, das sieht echt übel aus.« Asuna sah zu der Quelle der Stimme und erkannte Matsukawa, der mitsamt einigen anderen den Weg in ihren Teil der Sporthalle gefunden hatte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie fühlte sich wie ein Ausstellungsstück. »Verdammt...alles okay?« Tōru hatte sich nach vorne geschoben und musterte sie ernsthaft besorgt. Tunlichst vermied sie es, ihn verzweifelt anzusehen. Nein. Gar nichts war gerade okay, doch von ihrem inneren Konflikt bekam er nichts mit. War sie sauer auf ihn? Irgendwie. Wollte sie ihn gerade sehen? Nein. Hatte sie eine Ahnung, was sie gerade tun sollte? Überhaupt nicht. Während sie kaum einen normalen Gedanken zustande brachte, reichte ihr jemand zur gleichen Zeit ein Handtuch, welches sie schweigend entgegennahm. »Jemand sollte sie zur Schulärztin begleiten«, meinte Katō-sensai eher zu sich selbst und obwohl sie nicht begeistert war, dass die Jungs bei ihrem Sportunterricht aufgetaucht waren, sah sie auffordernd in die Runde. Asuna musste sich zusammenreißen, um sich nicht kleinzumachen, als Tōru antwortete: »Ich kann das machen.« Ihre Finger gruben sich ins Handtuch, bevor ihr ein energisches »Nein« entkam und für Verwirrung sorgte. Vor allem bei Tōru. Es war nicht fair, ihren Frust auszulassen, aber es war unmöglich für sie, sich normal zu verhalten. »Ich gehe alleine zur Ärztin, wenn das okay ist«, hörte sie sich selbst sagen und es klang selbst in ihren Ohren merkwürdig angespannt. »Du solltest wirklich nicht alleine gehen.« Tōru ließ sich seine vorherige Verwirrung nicht anmerken, aber sie war eindeutige zu hören. »Ich glaube nicht, dass-«, begann ihre Sportlehrerin, doch Asuna unterbrach sie mit einem eindringlichen »Bitte«. Dabei huschte ihr Blick kurz zu Tōru, dem sie nicht in die Augen sehen konnte. »Okay, gut. Die anderen spielen weiter. Die Stunde dauert ohnehin nicht mehr lange. Und ihr verschwindet wieder. Wo ist eigentlich euer Lehrer, hm?« Asuna wartete gar nicht ab, dass jemand etwas dazu sagte, sondern drehte um und verschwand aus der Halle. Sie konnte nicht verbergen, dass ihre Laune seit geraumer Zeit im Keller war. So sehr, dass sie am liebsten ihre Sachen packen und nachhause gehen würde. Wenn sie ehrlich war, dann verletzte es sie, dass er es nicht für nötig gehalten hatte, ihr seine Pläne mitzuteilen. Die Ausrede, dass sie nicht zusammen waren, galt dabei nicht. Zumindest hatte sie geglaubt, dass sie sich so nahestanden, dass er sie an solch wichtigen Entscheidungen teilhaben lassen würde. Wieso? Wieso hatte sie überhaupt gelauscht? Hätte sie es nicht getan, hätte sie zumindest noch länger mit dem Glauben leben können, dass zwei verschiedene Städte ihr größtes Problem werden könnten. Aber...Argentinien? Sie hasste sich für diesen egoistischen Gedanken, aber sie wollte, dass er dieses Angebot, was auch immer das genau sein sollte, ablehnte. Jedoch stoppte sie sich sofort von dem Gedanken. So wollte sie nicht sein. So wollte sie nicht denken. Es war aber auch frustrierend, dass ihnen anscheinend nur ein halbes Jahr blieb. Gerade jetzt, wo sie ihm näher gekommen war. Sie zerbrach sich darüber noch den Kopf, als sie bei der Schulärztin auftauchte. Diese war zu Beginn erschrocken aufgrund des vielen Blutes auf ihrem Shirt und dem Handtuch. Asuna bekam von ihr ein Kühlpad und sollte hier für zehn Minuten warten. Sicher war sicher. Gebrochen war aber zum Glück nichts. So verweilte sie, bis Jana mit ihrer Uniform und dem restlichen Zeug kam. Als sie wieder auf den Weg zu den Klassenräumen waren und sie das Kühlpad nach wie vor auf ihre Nase hielt, sah Asuna beinahe aus wie zuvor. Länger konnte sie es auch nicht mehr zurückhalten. »Wusstest du von Argentinien?«, fragte sie geradeaus, als sie nur mit wenigen anderen Schülern am Gang waren. Jana runzelte die Stirn. »Argentinien? Wie das Land in Südamerika? Was soll ich davon wissen?« In dem Moment, als sie die Worte aussprach, wusste sie, dass ihre beste Freundin wirklich keine Ahnung hatte. Jana war die schlechteste Lügnerin auf diesem Planeten. Zumindest in diesem Punkt konnte sie erleichtert aufatmen. Und mit dieser Erleichterung kam die Verzweiflung wieder. »Tōru...«, begann sie und starrte vehement auf den Boden, »Tōru geht nach Argentinien. In einem halben Jahr.« Sie schluckte den dicken Kloß hinunter, denn es auszusprechen, verstärkte den Drang, den nächstbesten Gegenstand frustriert gegen die Wand zu werfen. Sie blieb stehen und ihre entgleisten Gesichtszüge sprachen Bände. »Er tut was?«, entkam es ihr entsetzt. »Warte...In einem halben Jahr? Wie lange? Und wieso?« »Keine Ahnung. Iwa und er haben irgendetwas von zwei Jahren geredet und dass er schnell zusagen musste.« Und wieder war der Schmerz ihrer Nase nicht der einzige. »¡cónchole!«, murmelte Jana offensichtlich. »Das wusste ich wirklich nicht. Wow...sprichst du ihn darauf an?« »Ich will nicht, aber ich muss. Wenn ich es nicht tue, bin ich mir nicht sicher, ob ich ein normales Wort mit ihm wechseln kann.« Sie hatte ja bereits in der Sporthalle gemerkt, wie schwer es ihr gefallen war, ihn überhaupt anzusehen. Ständig erschien das Gespräch in ihren Gedanken und die Uhr, die markant in ihren Ohren tickte. Zeit. Zeit war gerade wirklich ihr größter Feind. ♛♔ Asuna verließ nach ihren zusätzlichen Schulaktivitäten das Gebäude und sah nach oben. Dicke Gewitterwolken zierten den Himmel und ließen keinen einzelnen Sonnenstrahl hindurch. »Verdammt", murmelte sie, als es blitzte und kurz darauf der Nachhall ertönte. Sie setzte einen Fuß auf den gepflasterten Weg, während der erste Tropfen auf dem Boden aufkam. Letztes Jahr hatten sie um diese Zeit bereits Schnee, heute spielten die Temperaturen nicht mit. Dennoch spürte sie Kälte bis zu ihren Knochen. Der Spätherbst war furchtbar. Sie fluchte abermals, als die Tropfen sich vervielfachten und es binnen kürzester Zeit merklich zu Regnen begann. Hastig zog sie den Blazer über ihren Kopf und beschleunigte ihre Schritte. Sie kräuselte die Nase und bereute es sofort. Es schmerzte nicht mehr so sehr, außer sie ärgerte sich wie gerade jetzt. »Asuna«, rief plötzlich jemand ihren Namen über den gesamten Platz und anstatt stehen zu bleiben, ging sie stur weiter. Erfolgreich war sie Tōru den ganzen Tag aus dem Weg gegangen. Es war wirklich nicht einfach gewesen. Nicht, weil ihre Klassenräume so nahe nebeneinanderlagen, sondern weil alles in ihr nach seiner Nähe verlangte. Vor wenigen Stunden war alles so...schön gewesen. Und jetzt konnte sie nicht aufhören, über Argentinien nachzudenken. »Könntest du bitte stehenbleiben?« Die anfängliche Gelassenheit war völlig aus der Stimme verschwunden. Nun dominierte die Frustration, worauf Asuna aber nicht hörte, sondern auf den nassen Pflastersteinen ihren Weg fortsetzte. Zumindest bis sie aufgehalten wurde. Tōru hatte nach ihrem Handgelenk gegriffen, noch bevor sie das Gelände verlassen hatte. Mit leichter Gewalt hielt er sie davon ab, vor ihm zu wegzurennen. Sie sah von seiner Hand zu seinem Gesicht. Seine Haare klebten ihm mittlerweile feucht auf der Stirn, die vor Unverständnis und auch vor Ärger gerunzelt war. »Kannst du mir bitte sagen, wieso du mich seit Stunden meidest?« Asuna ließ ihre Arme sinken, während der Regen auch ihre Haare benetzte. Sie wollte nicht mit ihm darüber reden. So eigensinnig und feig es auch sein mochte. Dennoch war es jetzt zu spät, weiterhin davonzurennen. Sie holte tief Luft, spürte ihr Herz, welches nervös und unangenehm in ihrer Brust schlug. »Argentinien«, sagte sie nur und konnte sich bei dem Lärm der Natur kaum selbst hören. Das Wort löste in ihr eine Wut aus, die sie nicht beschreiben konnte. Obwohl sie noch nie in dem Land am anderen Ende der Welt gewesen war, hasste sie es. Mit dem altbekannten Kloß in ihrem Hals sah sie ihm in die Augen, weil sie seine Reaktion nicht missen wollte. Tōrus Kiefer spannte sich merklich an. Er hatte anscheinend überhaupt nicht damit gerechnet. »Woher...« »Ich habe euch gehört. Iwa und dich.« Tōru wandte den Blick ab und schien im Konflikt mit sich selbst zu sein. Asuna konnte kaum ihre Enttäuschung zurückhalten, als sie stockend fragte: »Hattest du überhaupt vor, mir davon zu erzählen, oder...?« »Natürlich«, antwortete er sofort, »Ich wusste nur nicht...« Er stoppt und legte seinen Kopf in den Nacken, als müsste er ihr Wissen über seine Pläne verarbeiten. »Du wusstest nicht, wie du es mir sagen solltest?«, half sie ihm auf die Sprünge und der Spott klang bitter in ihren eigenen Ohren. Es war einer dieser klassischen Sätze, die jeder irgendwann schon mal gehört hatte. »Egal wie. Ich wünschte nur, du hättest es getan. Es sei denn...es sei denn, es war dir nicht wichtig.« Vorwürfe und Bedenken, die sie nicht haben wollte, aber gegen die sie nichts tun konnte. Vielleicht traf sie damit voreilige Schlüsse, aber gerade gab es für sie keine logische Erklärung dafür, dass er seine Zukunftspläne so lange für sich behalten hatte. »Das stimmt nicht«, kam es ohne zu zögern und sein Ausdruck wurde sanfter. »Es ist mir nach wie vor wichtig. Du bist mir wichtig.« Asuna schluckte bei den Worten und konnte den Blickkontakt nicht halten. Nach einem kurzen schweigsamen Moment brachte sie ein leises »Bist du sicher? Gerade jetzt tue ich mir schwer damit, das zu glauben« zustande. Tōru antwortete nicht sofort, sondern musterte sie eingehend. Eingehend und ungläubig. »Du zweifelst daran? Ernsthaft?« Obwohl er bis jetzt beherrscht geklungen hatte, war die aufkeimende Wut nicht zu überhören. »Was soll ich denn tun? Was erwartest du von mir, Asuna? Soll ich etwa nicht nach Argentinien gehen?« Er...was? Völlig aus der Bahn geworfen, blinzelte sie die Regentropfen weg. Seine Annahme machte sie nicht minder wütend. »Du..glaubst wirklich, dass ich dir deine Zukunftspläne ausreden würde? Für wen hältst du mich, Tōru?« Fassungslos, dass er sowas nur ansatzweise dachte, ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Das Gespräch verlief nicht so, wie gehofft. Aber wann hatte es je gut geendet, mit Wut und Frustration im Bauch ein klärendes Gespräch zu führen? Außerdem war es nie ihre Absicht gewesen, seine Entscheidung schlecht zu reden. Auch wenn sie diese Entscheidung tatsächlich richtig scheiße fand. Dennoch musste sie das hier so schnell wie möglich beenden, bevor ihre hauchdünnen Nerven endgültig rissen und sie vor ihrer Schule einen Heulkrampf erlitt. Immerhin war ihr Herz kurz davor, von den Strapazen der letzten Stunden zu zerbersten. Und Tōrus Blick, der so eindringlich, wütend und verzweifelt zugleich wirkte, machte die ganze Situation tausendmal schlimmer. Obwohl es ihr unheimlich schwerfiel, erwiderte sie mit einer überraschend brüchigen Stimme: »Weißt du was? Am besten wir beenden das hier, denn ich kann gerade nicht darüber reden. Nicht wenn ich weiß, dass in einem halben Jahr...18.000 Kilometer zwischen uns liegen werden.« Verfluchte 18.000 Kilometer. Keine zwei Länder lagen dazwischen. Sondern die halbe Welt. Gerade jetzt, in diesem Augenblick, wäre ihr dieser Abstand nur recht. Deshalb wartete sie nicht auf seine Antwort. Sie sah nicht zurück und er hielt sie auch nicht auf. Auch wenn sie ihm noch so viel mehr sagen wollte, war es für heute genug. Ihre Worte und sich ihre Energie waren aufgebraucht. Kapitel 34: make it right ------------------------- ● • . Asuna hatte die geringsten Fehlstunden von allen in ihrer Klasse und obwohl sie sich selbst bei kaum vorhandenen Stimme in die Schule schleppte, setzte sie an diesem Donnerstag keinen Fuß vor ihre Haustür. Die ganze Nacht lang hatte sie sich unruhig hin und her gewälzt. Das Gespräch hatte sich in ihren Kopf gebrannt und es ihr unmöglich gemacht, Schlaf zu finden. Auch wenn sie stundenlang darüber nachgedacht hatte, konnte sie es noch immer nicht realisieren. Wie sollte sie damit klarkommen, dass Tōru in einem halben Jahr nicht mal auf demselben Kontinent sein würde? Ja, er war nicht aus der Welt, aber es fühlte sich verdammt nochmal so an. Seufzend blickte sie auf ihr Handy, welches zum wiederholten Mal vibrierte. Sie ignorierte es. Zum wiederholten Mal. Asuna starrte wieder an die Decke, während sie weiterhin auf ihrer Couch lag. Ein Bein auf der Lehne, das andere ausgestreckt. Ihr Fernseher lief seit Stunden im Hintergrund. Wenn sie ehrlich war, dann war sie heillos überfordert. Vor wenigen Stunden war sie noch hier mit Tōru gesessen. Küssend und völlig benebelt von dem Gefühl, ihm nach Ewigkeiten nahe sein zu können. Nur ein gefühlter Wimpernschlag später diese verflucht zermürbende Neuigkeit. Dabei war sie so kurz davor gewesen, ihm zu sagen, dass sie ihn küssen wollte, wann sie wollte. Dass sie ihn berühren wollte, wann sie wollte. Dass ihr Herz jedes Mal verrückt spielte, wenn sie bei ihm war. Dass es schmerzte, wenn sie ihm nicht nahe sein konnte. Dass sie ihm…Hals über Kopf verfallen war. Das Rascheln von Schlüsseln riss sie aus ihren Gedanken und weil sie nicht damit gerechnet hatte, setzte sie sich verwirrt auf. Als sie den dunkelblonden Haarschopf erkannte, der zu einer eleganten Hochsteckfrisur gestylt worden war, verpufften ihre deprimierenden Gedanken für kurze Zeit. »Mum!«, rief sie euphorisch und sprang auf. Diese war perplex über die überschwängliche Begrüßung und realisierte erst recht spät, dass ihre Tochter um diese Zeit eigentlich nicht hier sein sollte. »Oh, wow. Ich habe nicht damit gerechnet, dich schon zu sehen. Alles okay?«, fragte sie sofort, da ihr nicht entgangen war, dass etwas nicht stimmen konnte. Asuna klammerte sich ungewöhnlich lange an ihre Mutter und zögerte mit ihrer Antwort. Schlussendlich entkam ihr ein schwerfälliges »Nicht wirklich.« Sie sprachen selten über ihre Bedenken und Gefühle. Keiner von beiden war sehr aufgeschlossen, wenn es um die tiefsten Emotionen ging. Auch wenn sie ihre Familie liebte - ihre Mutter war nun mal nicht ihre beste Freundin. Deshalb überraschte es beide, dass die Worte einfach aus ihr sprudelten, nachdem sie sich an die großzügige Kochinsel gesetzt hatte. Sie verzichtete auf Details, aber sie fasste das letzte halbe Jahr so gut es ging zusammen. Zum Schluss starrte sie auf ihr Glas, welches sie verkrampft mit beiden Händen hielt. Es war so ungewohnt, mit ihrer Mutter über solch persönlichen Dinge aus ihrem Leben zu sprechen, sodass ihr die Hitze ins Gesicht gestiegen war. Als ihre Mutter sie daraufhin nur mit diesem…mütterlichen Blick musterte, kam Asuna in den Sinn, dass sie gar nicht wusste, was sie eigentlich von Tōru hielt. Die Ansicht ihres Vaters hatte sie hingegen noch genau in Erinnerung. »Bevor du nochmal mit ihm sprichst, solltest du etwas Abstand nehmen und dir gut überlegen, wie du dir deine Zukunft vorstellst. Eine Fernbeziehung ist eine verdammt große Probe für eine Beziehung. Erst recht bei dieser enormen Entfernung. Das sollte dir bewusst sein«, begann sie eindringlich, doch ihr Ausdruck war deutlich sanfter, als ihre Worte vermuten lassen. »Ich sage das nicht, weil ich nicht mit Tōru und dir einverstanden bin. Im Gegenteil. In letzter Zeit hast du mehr gestrahlt als sonst und zu wissen, dass jemand, der dich glücklich macht, bei dir ist, wenn wir es nicht sein können, macht mich genauso glücklich. Also egal wie du dich entscheidest - es wird das Richtige sein.« »Ah, wieso ist das alles so schwer?«, murmelte sie frustriert und ließ ihren Kopf auf die Tischplatte senken. Das Lachen drang zu ihr. »Scheint, als hätten wir hier etwas gemeinsam. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich mit deinem Vater ausgegangen bin. Und das, obwohl ich total in ihn verliebt war. Entscheidungsschwierigkeiten liegen wohl in den Genen.« »Danke für nichts«, raunte Asuna und musste dennoch dezent grinsen. »Eigentlich befürworte ich es nicht, wenn du ohne Grund nicht in die Schule gehst, aber wie wäre es, wenn wir morgen nach Tokio fahren? Nur wir zwei«, schlug sie vor und überraschte Asuna ungemein. »Was ist mit Dad?« »Den lassen wir ausnahmsweise zuhause.« Und das taten sie einige Stunden später auch. Früh morgens begaben sie sich zum Bahnhof. In der Hauptstadt verbrachten sie den Tag mit einkaufen, essen und reden. Es war lange her, dass sie einen Mutter-Tochter-Tag gemacht hatten. Ihr fiel auf, dass sie kaum an Tōru dachte und darüber war sie mehr als froh. Eine Auszeit ihrer erdrückenden Gedanken hatte sie gebraucht. Eine Auszeit brauchte sie auch von…Tōru selbst. Nicht weil sie nicht mit ihm reden oder ihn sehen wollte. Denn genau da lag das Problem. Das Gegenteil war der Fall. Außerdem...war es eine schwere Entscheidung für sie, auch wenn einige bestimmt anders denken würden. Asuna wusste schlichtweg nicht, ob sie bereit für eine Fernbeziehung war. 18.000 Kilometer waren kein Katzensprung. Und sie war sich sicher, dass es verdammt viel Energie kosten würde, eine Beziehung mit dieser Entfernung aufrecht zu halten. Selbst wenn sie mit ihm zusammen sein wollte, konnte sie diese Tatsache nicht einfach ignorieren. Sie war ein logischer Mensch, der alle Möglichkeiten bedachte, bevor er sich entschied. Sie hasste es, dass sie so war. Ein Mensch zu sein, der impulsiv war und nach dem tiefsten Gefühl handelte, wäre ihr lieber. ♛♔ Das erkannte sie auch, als sie nach zwei Tagen wieder in der Schule war. Unter Janas eindringlichen Blick konnte sie sich zwar auf das Wesentliche, das Lernen, konzentrieren, wurde aber wie so oft vom Wesentlichsten aus der Bahn geworfen. Tōru hielt sich fern von ihr und sie wusste nicht, ob sie ihm dankbar sein oder ihn dafür hassen sollte. Oder ob sie sich selbst dafür hassen sollte, dass sie in diesem verfluchten Zwiespalt war. Ablegen. Das sollte sie tun. Sie sollte ihre Bedenken ablegen und auf ihr Herz hören. Dieser verdammte Verstand machte sie verrückt. Asuna seufzte tief und war beinahe dazu verleitet, ihren Frust noch deutlicher auszudrücken, wenn der Schulhof nicht voller Mitschüler wäre. Jana hatte aufgegeben, ihr in dieser Sache Mut zu machen. »Ich habe Angst davor, dir das jetzt zu sagen, aber Oikawa kommt auf uns zu und er sieht…wütend aus.« »Tatsächlich?«, murmelte sie und vergrub ihr Gesicht tiefer in dem Schal, da die Temperaturen überraschend stark gesunken waren. Auch wenn es abtuend erschien, fühlte sie sofort ihr Herz, welches verräterisch schnell in ihrer Brust schlug. Gott, sie war hoffnungslos. »Asuna«, vernahm sie seine Stimme und unter anderen Umständen hätte sie ihren Namen aus seinem Mund genossen, »wir müssen reden. Komm mit.« Sie war auf diese Forderung nicht vorbereitet gewesen, weshalb sie ihre Stirn runzelte und ihm einen konfusen Blick zuwarf. Doch das war egal, denn er wartete wie so oft nicht auf eine Antwort, sondern antwortete selbst darauf. Mit einer Tat. Er griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich. Einfach so. Unter den wachsamen Augen der halben Schule. Erst als sie an einem angelegenen Ort neben dem Hauptgebäude zum Stehen kamen, ließ er sie los. »Du willst reden? Hier?« Sie sah auf den Boden. Zigarettenstummel, Müll und die imaginäre Unschuld mancher Schülerinnen lagen verstreut. Hinter ihr prangten Anschuldigungen und Gerüchte die Wand der Aoba Johsai. Auch ihr Name stand dort irgendwo. Vermutlich in der Nähe der unzähligen Liebeserklärungen an Tōru. Es war ein Ort, der weit davon entfernt war, als einladend zu gelten. Hier wurden verbotene Dinge getan, weil man aus dem Sichtfeld aller war. »Scheißegal, wo. Hauptsache wir tun es«, raunte er und fast klang es so, als müsste er sich furchtbar beherrschen. Sie schluckte, denn sie hätte nicht gedacht, dass es ihn auf diese Weise beschäftigte. »Hör zu, Tōru«, begann sie und wieder bemerkte sie, wie sehr sie diese Art von Gespräch hasste. »Nein. Zuerst hörst du mir zu«, unterbrach er Asuna und sie war ihm nicht einmal böse. Sie erkannte, dass es ihm ebenfalls nicht leicht fiel, seine Gedanken auszusprechen. Zumindest mied er es vehement, sie anzusehen. Und seine geballten Hände waren Beweise Nummer zwei. »Ich hätte es dir sagen sollen. Das sehe ich ein. Ist dir aber jemals der Gedanke gekommen, dass ich es genauso wenig möchte wie du, dass die halbe Welt zwischen uns liegt?« Zum ersten Mal seit sie hier waren, trafen sich ihre Blicke und im selben Moment schoss ihr Puls in die Höhe. Sie bemühte sich, ihre Aufregung unbemerkt zu lassen, während es in ihren Fingerspitzen kribbelte. Plötzlich hatte es keine Minusgrade mehr in der Präfektur Miyagi. Jedoch hatte sie die Frage nicht vergessen, die ihr Unbehagen verschaffte. Nein. Sie hatte nicht wirklich darüber nachgedacht. Egoistisch. Das war es, war sie gewesen war und war. Sie antwortete nicht und das war Antwort genug für ihn. »Das habe ich mir gedacht«, murmelte er und es klang spöttisch. »Wieso rennst du vor deinen Gefühlen davon? Vor deinen Gefühlen und vor uns? Sag mir, was ich noch tun soll und gib mir…gib mir einen verdammten Grund, warum ich hiermit nicht aufhören soll?« Asuna schlug ihre Lider nieder, weil er einen wunden Punkt mit seinen Fragen getroffen hatte. Wegrennen war ihre Stärke. Genauso wie die übertriebene Vorsicht, mit der sie an Veränderungen und Bindungen heranging. Und das Hiermit musste er dafür nicht erklären. Sie wusste, was er tat und sie wusste auch, dass es nicht einfach war. Das sie nicht einfach war. »Zwei Wochen. Gib mir zwei Wochen bis nach den Prüfungen und ich kann dir sagen, was ich will«, erwiderte sie und obwohl sie überzeugt von ihren Worten war, kamen sie zaghaft über ihre Lippen. Vielleicht lag es an Tōru, der bei ihrer dreisten Forderung seine Finger durch seine Haare gleiten ließ und angestrengt Luft ausstieß. »Und der verdammte Grund?«, brachte er hervor und sorgte dafür, dass Asuna sich auf die Zunge biss. Es war kaum zu übersehen und zu überhören, dass er wütend war. Sie strapazierte seine Geduld und seine Gefühle für sie. Gerade letzteres bereitete ihr Sorgen. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb hob sie ihren Arm und legte ihre Hand in seinen Nacken. Sie stellte sich auf Zehenspitzen, sodass ihre Augen seinen dunklen nicht entkommen konnten. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz gleich in tausend Teile zerspringen, während ihre Haut vor Aufregung prickelte. »Ich schätze, ich kann gerade nicht viel mehr bieten als das hier«, meinte sie und überbrückte den Abstand zwischen ihnen. Sanft legte sie ihre Lippen auf seine und schloss ihre Augen, weil sie diesen unschuldigen Kuss mit all ihren Sinnen genoss. Asuna musste nicht lügen. Sie war verrückt danach. Als sie sich von ihm löste, war sie unsicher, wie sie reagieren sollte. Ein Kuss war ein schwacher Trost für ihr zaghaftes Verhalten. Das gab sie zu. Dennoch war es anders. Es war inniger und ehrlicher als all die Male zuvor. Wie damals, als er sie wie aus dem Nichts geküsst hatte. Tōru schien es hingegen…anders zu ergehen. Sein Brustkorb hob sich und wie so oft war er derjenige, der wusste, was er zu tun hatte. Obwohl seine Miene unergründlich war, spürte sie innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde die Mauer des Schulgebäudes an ihrem Rücken und eine Hand, die ihr Kinn nach oben drückte. Sie fühlte die fast greifbare Spannung und erwartete, dass er ihre Handlung kommentierte. Stattdessen richteten sich seine Augen auf ihre leicht geöffneten Mund. Zittrig holte sie Luft, nur um einen Hauch später zu erleben, wie ihre Lippen abermals kollidierten. Dieses Mal war es weniger zärtlich und es war unmöglich, den Frust, als seine Zunge ihre in eine aufregenden Kampf verwickelte, nicht wahrzunehmen. Asunas drückte sich näher an ihn und als wäre es nicht genug, spürte sie seine Hand, die seitlich nach oben glitt und dadurch auch ihren Rock nach oben schob. Mit seiner fordernden Art und ihrem passiven Verhalten spiegelte der Kuss ihr Gespräch wider. Zumindest eine Sache konnte Asuna aber noch nie abstreiten - das unbändige Verlangen. Ihr Körper stand unter Flammen und erlosch nicht, als er sich von ihr löste. Mit einer Verzögerung nahm er auch die Hände von ihr und sofort kroch die kalte Temperatur unter ihre Kleidung. Sie war bemüht, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen, als Tōru weitaus gefasster als sie mit seinem Daumen über ihre Unterlippe fuhr. »Zwei Wochen, Asuna. Ich hoffe, bis dahin weißt du, was du willst«, kam es ernst von ihm und mit diesen Worten, die einem Ultimatum glichen, ließ er sie stehen. Einfach so war sie mit einem Herz, das Marathon lief, und ihren verwirrten Gefühlen alleine. Sie verfiel in eine weniger angespannte Haltung und sah ihm nach, als er um die Ecke verschwand. Zwei Wochen, um eine Entscheidung zu treffen, die ihr Leben maßgeblich beeinflussen würde. Zwei Wochen, um auch ganz nebenbei Top-Platzierungen bei den Abschlussprüfungen zu erreichen. Das würden die schlimmsten 14 Tage, 336 Stunden und 20.160 Minuten ihres Lebens werden. Kapitel 35: cause of my euphoria -------------------------------- ❝ cause of my euphoria ❝ ● • . Asuna hatte zwei Wochen später die Prüfungen überstanden. Wie gut sie gewesen war, wusste sie nicht. Noch nicht. Jedoch war eine enorme Last von ihren Schultern abgefallen und von nun an konnte sie entspannen. Zumindest für kurze Zeit. Die Aufnahmeprüfungen für die Universität hatte sie nicht vergessen. Verdrängt vielleicht, aber nicht vergessen. Bis Jänner würde sie Zeit dafür haben, aber in den nächsten Tagen würde sie keinen Gedanken daran verschwenden. Jana hatte sie dennoch vertröstet, heute nicht mit ihr zu feiern. Das musste warten. Heute würde sie einfach...nichts tun. Und dabei wie so oft an Tōru denken. In der Schule hatte sie ihn in den letzten Tagen nur kurz gesehen. Im Gegensatz zu ihr schien er entspannt zu sein. Obwohl er mit seinem sportlichen Talent nicht ausschließlich auf Noten angewiesen war, würde er dennoch Spitzenplätze in jedem Fach erzielen. Gott hatte bei dem Setter wirklich nicht gespart. Asuna zog sich ihr dünnes, schwarzes Oberteil über den Kopf. Ein teures Top aus Satin, welches sie nur trug, weil ihr Lieblingsshirt in der Wäsche war. Die lockere Shorts folgte. Die letzte halbe Stunde hatte sie in der Badewanne verbracht. Mit viel Schaum, Kerzenlicht und einem Mix ihrer Lieblingslieder. Das waren die besten 30 Minuten seit langem. Vor wenigen Minuten hatte sie schließlich den Fernseher eingeschaltet. Allerdings kam sie nicht zu dem Film, denn kurz vor 22 Uhr läutete es und erschrak sie so sehr, dass sie sich ihr Knie unsanft am Couchtisch anstieß. »Autsch«, jammerte sie. Sie schlurfte durch das Wohnzimmer, während sie sich die Stelle rieb. Ohne nachzusehen, wer es sein könnte, öffnete sie die Tür. Sie wusste selbst nicht, wen sie erwartet hatte, aber es war der Moment, in dem sie erstarrte. Vor ihr stand Tōru. Ohne Jacke, als wäre er überstürzt zu ihr geeilt und mit einem eindringlichen Blick, der sie beinahe in die Knie zwang. »Zwei Wochen. Heute sind es genau zwei Wochen. Sag mir, was du willst. Hier und jetzt«, forderte er und ging an ihr vorbei in die spärlich beleuchtete und leere Wohnung. Asuna hingegen stockte bei diesen Worten. Nicht weil sie überraschend kamen. Immerhin hatte sie vor 14 Tagen dieses Versprechen gegeben. Es war die Art, wie er sie an dieses Versprechen erinnerte. Resolut. Sie verharrte kurz in ihrer Position, da sie sich sammeln musste. Schließlich schloss sie leise die Tür, sodass die Helligkeit des Flurs nicht mehr in den großzügigen Raum gelangte. »Ich werde dir sagen, was ich will.« Asuna verschränkte unsicher ihre Arme, als ihr diese Worte über die Lippen kam. »Zuerst...möchte ich aber wissen, wie lange du weg sein wirst. Zwei Jahre? Drei? Vier?«, stellte sie die Frage und klang dabei gefasster als gedacht, obwohl es in ihrem Inneren völlig anders aussah. Doch es war eine der Dinge, die sie nachts unruhig schlafen ließ. Es reichte ihr, zu wissen, dass er nicht bei ihr sein würde. Wie lange er tatsächlich in Argentinien sein würde, war eine andere Sache. Tōru musterte sie, als würde er damit ihre Entscheidung kenntlich machen. Mehr als eine starre Miene ihrerseits konnte er nicht entdecken. Zwei Wochen hatte sie gehabt, um über alles nachzudenken. In dieser Zeit, oder besser gesagt in den Nächten, war ihr einiges klar geworden. Sie hatte ihn vermisst. Natürlich hatte sie das. Nicht mit ihm reden zu können, obwohl er tagsüber nur wenige Meter von ihr entfernt war, war reine Folter gewesen. Jetzt, während ihr Herz euphorisch auf und ab hüpfte, konnte sie ihre Aufregung kaum zurückhalten. Sein Zögern trübte jedoch ihre Freude. »Zwei, drei oder vier, Tōru?«, wiederholte sie dieses Mal gepresst. Sie wusste nicht, was sie sich erwartet hatte. Dass er verkünden würde, er würde doch nur ein Jahr in Argentinien verbringen? Davon hatte sie höchstens geträumt, aber die Realistin in ihr hatte es natürlich nicht gewagt, sich tatsächlich solche Hoffnungen zu machen. »In zwei Jahren finden die Olympischen Spiele hier in Tokio statt und dann...keine Ahnung.« Seine Überzeugung von vorhin hatte einen kleinen Dämpfer bekommen. Bei dieser Antwort musste Asuna angestrengt ausatmen. Zwei Jahre oder auch mehr, in denen sie sich kaum sehen würden. Und wieder wurde ihr bei dem Gedanken übel. Wie sollte sie das ertragen, wenn zwei Wochen schon eine Herausforderung waren? »Wie soll ich dir gerade in die Augen sehen, wenn ich weiß, dass du in sechs Monaten für eine unbestimmte Zeit in Südamerika sein wirst?«, wollte sie deshalb bedrückt wissen. Tōru vergrub seine Hände in den Hosentaschen und lehnte sich gegen die Kochinsel. »Das kann ich dir nicht sagen, aber ich verschwinde nicht, Asuna. Es würden nur ein paar Flugstunden zwischen uns liegen.« »Wie optimistisch«, murmelte sie, denn 22 Stunden ohne Zwischenstopp waren für sie nicht nur ein paar Stunden. Sie spürte, wie sehr ihr diese Tatsache abermals zusetzte. Vor allem, als er sie so ansah, als wäre er von seinen Worten überzeugt. Die Entfernung hatte bei ihren erdrückenden Überlegungen auch eine zentrale Rolle gespielt. Wenn sie ihr Studium beginnen würde, konnte sie sich nicht einfach so freinehmen und eine Woche in Argentinien verbringen. Im Sommer würde sie mit dem Praktikum beschäftigt sein und~ Er presste sein Kiefer zusammen und wandte für einen Moment seinen Blick ab. »Ja, optimistisch. Als ich die Entscheidung getroffen habe und dabei ständig an dich denken musste, war ich es ebenfalls. Wie hätte ich das Angebot sonst annehmen können? Es war eine verdammt schwere Entscheidung und keine, die ich an einem Tag getroffen habe. Auch wenn du das anscheinend nach wie vor glaubst.« Asuna ignorierte seinen Vorwurf. Eine Frage prangte seit Tagen in großen Lettern über ihrem Kopf wie ein Damoklesschwert. »Wie soll das funktionieren?« Seine angespannten Gesichtszüge glätteten sich merklich, nachdem er sich die Zeit genommen hatte, über die folgenden Worte nachzudenken. »Ich...weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass du mir wichtiger bist als alles andere. Wichtiger als Volleyball. Ich hätte dir das alles schon früher sagen sollen«, begann er und kam auf sie zu, während er sie durchdringend ansah. Bei seiner Ehrlichkeit stockte sie und es war, als würde die Zeit stillstehen. Ihren eigenen, schnellen Herzschlag hörend, legte sie ihren Kopf in den Nacken, als er vor ihr zu stehen kam. »Ich will nicht in deiner Nähe sein, ohne dir nahe zu sein. Ich brauche dich, Asuna, denn ohne dich bin ich nicht vollständig.« Tōru hob seinen Arm und strich mit seinen Fingern ihre Haare nach hinten. Sie schluckte bei dieser zärtlichen Berührung und wusste genau, dass er hier und jetzt eine Antwort von ihr wollte. Es keimte die bekannte Unsicherheit auf, die sie nie abgelegt hatte. Das konnte sie gar nicht. Es war aber nie ihr Ziel gewesen. Im selben Raum zu sein und ihm nur verstohlene Blicke zuzuwerfen, war absolut beschissen. Es war nicht genug. Genauso war es nicht genug, die Nächte alleine zu verbringen und Tōru nur in ihren Träumen nahe zu sein. Und es war nicht nur die verdammte körperliche Abhängigkeit, die sie damit meinte. Ihr verfluchtes Herz verlangte nach seiner Anwesenheit, seinen Worten, seinem Lachen. Selbst seine bescheuerten Sprüche wollte es als tägliche Dosis. Und auch ihr Verstand war ein hoffnungsloser Fall, der genug davon hatte, alleine zu sein, wenn ihr perfektes Gegenstück genau vor ihr stand. All das wollte sie ihm sagen, stattdessen brachte sie kein Wort über ihre Lippen. Doch Tōru fasste ihre starre Reaktion falsch auf. »Wovor läufst du weg, Asuna? Wovor hast du solche Angst?«, fragte er unverständlich und zog seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. »Ich...«, brachte sie hervor, zu perplex, um ihre Gedanken zu versprachlichen. »Du was? Du weißt noch immer nicht, was du willst? Du willst darauf warten, bis ich wieder die Offensive ergreife? Was verflucht nochmal willst du, Asuna?« Der enttäuschte Klang ließ sie zusammenzucken. »Ich kann nicht glauben, dass ich dich einfach nicht aufgeben kann.« Den letzten Teil murmelte er nur, bevor er an ihr vorbeiging und zielstrebig auf die Tür zu steuerte. Panik machte sich Asuna breit und in ihrem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Es wäre so einfach. So einfach, ihn nicht gehen zu lassen. Sie durfte nur nicht zögern. Es könnte das letzte Mal sein, dass sie überhaupt die Möglichkeit dazu hatte. Und noch bevor sie irgendwelche logischen Schlussfolgerungen aufstellen konnte, platzte die sorgfältig gestaltete Blase des Zögerns. »Ich liebe dich, Tōru«, gestand sie mit einem Herz, dessen Pochen beinahe schmerzhaft war und sorgte dafür, dass er abrupt stehenblieb. Zum ersten Mal sprach sie die wichtigste Erkenntnis der letzten Tage aus und sofort überrollte sie eine Welle der Erleichterung. Die Wahrheit war, dass sie nicht verliebt in ihn war Sie war wahnsinnig verliebt in ihn. Nicht erst seit letzter Woche, sondern seit mehr als einem halben Jahr. Damals hatte sie davon gesprochen, sich in ihn zu verlieben, ohne zu wissen, dass sie es längst tat. Sie hatte es sich nur eingeredet, es nicht zu sein, weil sie es nicht wahrhaben wollte. Sie wollte sich nicht eingestehen, für Oikawa Tōru, den Kapitän des Volleyballteams, mehr zu empfinden als körperliche Anziehung. Tōru war aber so viel mehr als ein Sportler mit attraktivem Aussehen. Diese Tatsache wurde ihr in all den Momenten, in denen sie zusammen waren, stets vor Augen geführt. »Ich liebe dich«, wiederholte sie abermals und dieses Mal klang sie weniger panisch, »Und...ich will dich. Aber ich habe auch Angst und bin verunsichert. In vielerlei Hinsicht. Ich habe einen Großteil meines Lebens trotz Eltern alleine verbracht und jetzt, wo es sich dank dir nicht mehr einsam anfühlt, gibt es diesen Stichtag in wenigen Monaten, der mir schlaflose Stunden beschert. Ich hasse es. Aber auch wenn es sich anhört, als würde ich wieder davonlaufen, tue ich es dieses Mal nicht. Weißt du weshalb? Jedes Mal, wenn ich versucht habe, dich nicht zu lieben, habe ich mich nur mehr in dich verliebt.« Bemüht ruhig sah sie ihm in die Augen, obwohl in ihrem Inneren ein Feuer loderte. Doch es tat so unheimlich gut, all ihre Gedanken endlich in Worte packen zu können. Trotz ihrer Ängste und Zweifel, die sie zum ersten Mal seit langem in den Hintergrund stellte. Tōru rührte sich nicht und für einen kurzen Moment glaubte sie, dass er nichts dazu sagen würde. Dass er sie einfach so stehenlassen würde, als hätte sie ihm nicht gerade ihr Herz dargelegt. Die Stille war unbehaglich und sie war kurz davor, erleichtert aufzuatmen, als Bewegung in ihn kam. Wie zuvor blieb er vor ihr stehen. »Versprichst du mir, keinen Rückzieher mehr zu machen? Nicht mehr davonzulaufen?« Dieses Mal zögerte sie nicht mit ihrer Antwort . »Ich verspreche es«, erwiderte sie leise. »Gut. Dann lass mir dir zeigen, dass du...uns nicht bereuen wirst. Lass mir dir zeigen, dass du keinen Grund hattest zu zögern. Sechs Monate. Gib uns sechs Monate und wir werden die Jahre danach mit Leichtigkeit überwinden.« Sie wollte mit Tōru zusammen sein. Das wollte sie mit jeder Faser ihres Körpers und mit jedem einzelnen Herzschlag. Der Gedanke, dass sie seine Hand halten und ihn küssen könnte, wann sie wollte, ließ sie erschaudern. Es war so banal, aber gleichzeitig auch so aufregend. Trotz des Wissens, dass sechs Monate schnell vorüber waren und der Moment, in dem sie ihn plötzlich nicht mehr jeden Tag sehen konnte, absolut schrecklich werden würde. Die Unsicherheit bestand nach wie vor, genauso wie die Angst, wieder allein zu sein. Jedoch würde sie es sich nie verzeihen, jetzt einen Rückzieher zu machen. Asuna wollte einmal in ihrem Leben auf ihr Herz hören und das tat sie auch. »Zeig es mir,« hauchte sie, »bitte.« Tōru ließ bei ihrer Antwort seine Schultern, die bis jetzt offensichtlich angespannt waren, sinken. Er holte tief Luft und fuhr sich mit geschlossenen Augen durch die Haare. Was ihm gerade jetzt durch den Kopf ging, war unergründlich. Allerdings musste sie es nicht von selbst herausfinden, denn er drängte sie in diesem Moment nach hinten, bis sie gegen den Tisch stieß. Auch seine Hand legte sich in ihren Nacken, während seine Augen nach ihrem Blick suchten, der ausschlaggebend für seine nächste Handlung war. Der Kuss, der folgte, ähnelte nahezu jenem vom letzten Mal. Beinahe, denn der Frust war verblasst, Asuna war zur Besinnung gekommen und sie waren...allein. Keine Schüler in ihrer Nähe, sondern nur Tōru, sie und die Sehnsucht nach den Berührungen des anderen. Losgelöst von den immensen Zweifeln seufzte sie, als sich ihre Zungen trafen. Sie wollte mehr von dem hier. Es war wie eine Natürlichkeit. Wie die Luft zum Atmen. Deshalb vergruben sich ihre Finger in seinem Hoodie, als würde ihr Leben davon abhängen. Und weil sie selbst überrascht darüber war, wie sehr sie bereits auf diesen Kuss reagierte. Ihr Körper verlangte nach mehr und Tōru gab ihr auch mehr. In einer fließenden Bewegung hob er sie auf den Tisch. Seine Hände glitten, ohne Zeit zu verschwenden, tiefer und ertasteten ihre Taille. Klar und deutlich konnte sie seine Finger wahrnehmen, die sich unter das Top schummelten und über ihren Bauch strichen. Der Schauer breitete sich prompt auf jedem Zentimeter ihrer Haut aus und das Kribbeln zwischen ihren Beinen machte sich deutlich erkennbar. Sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn auf jede erdenkliche Weise wollte. Aus diesem Grund griff sie nach dem Ende seines dunkelroten Pullovers. Er verstand ihr Vorhaben und half nach, indem er von ihr abließ und kurzerhand selbst den störenden Stoff entfernte. Mitsamt des Shirts. Asuna konnte nicht anders, als den trainierten Oberkörper zu erkunden, obwohl sie ihn in- und auswendig kannte. Dennoch war es viel zu lange her, seit sie ihn mit dem Wissen, dass es nicht nur bei einem Kuss bleiben würde, berührt hatte. Völlig benebelt von dem Moment erreichten ihre Finger das Ende seines nackten Oberkörpers, während seine Lippen zu ihrem Hals wanderten. Dennoch wollte sie keine Zeit verschwenden. Ungeduldig und mit vor Aufregung zittrigen Fingern öffnete sie den Knopf, sodass sie Tōru die Jeans über die Hüfte schieben konnte. Alles geschah innerhalb einiger Wimpernschläge und in der kurzen Zeit war seine Hand nicht untätig geblieben. Er ließ ihre Brüste nicht außer Acht und reizte ihren Nippel mit seinem Daumen, weshalb ihr ein leises Keuchen entkam. »Diesen Laut aus deinem Mund habe ich vermisst. Ihn mir vorzustellen, war langweilig«, murmelte er gegen ihre erhitzte Haut und brachte damit ihre Gedanken durcheinander. Begleitet von einem stetigen Ziehen in ihrer Mitte. Tōru ließ es sich nicht nehmen, ihre Beine auseinanderzudrücken, während er sie ablenkte, indem er eine feuchte Spur auf ihrem Hals hinterließ. Asuna legte ihren Kopf in den Nacken und schloss ihre Augen. Es war, als würde er ihr nicht die Oberhand überlassen wollen. Sie beschwerte sich nicht und ließ es zu, dass er die Innenseite ihres Oberschenkels entlangfuhr. Quälend langsam und Stück für Stück, bis er über den dünnen und weichen Stoff ihrer Shorts strich. Die sanfte Berührung entfachte ein kleines Feuerwerk und sie fragte sich, wie sie es aushalten sollte, Tōru in ihr zu spüren. Sie war bereits jetzt am Ende, wollte aber mehr davon. Ihre Hand fand wie von selbst zu seinem Nacken, bevor er seitlich unter ihre Short glitt und nur noch ihr Slip zwischen ihnen war. Quälend langsam strich er über ihre Mitte und wusste gar nicht, was er ihr damit antat. Unruhig bewegte sie ihr Becken gegen seine Bewegungen. Ein paar Handgriffe mehr und sie könnte die Erlösung ihres wunderbaren Leids erfahren. Doch noch war es nicht so weit. Noch wollte sie ihm genauso diese leidenschaftliche Qual bereiten. »Tōru«, raunte sie heiser, »Schlafzimmer. Bitte.« Sie wollte nicht länger warten. Dafür hatte sie viel zu lange diese Berührungen missen müssen. Tōru spürte ihre und auch seine Ungeduld und tat wie von ihr gefordert. Mit Leichtigkeit hob er sie hoch, sodass sie ihre Beine um seine Hüfte schlingen konnte. Ihre Umgebung wurde nichtig. Alles, was sie wahrnahm, war Tōru. Ihn und sein Drang, Küsse auf ihrem Dekolleté zu verteilen. So reagierte sie fast überrascht, als er sie in ihrem Zimmer absetzte. Asuna nahm ihre Hände nicht sofort von seinen Schultern und holte tief Luft, ehe sie ein paar Schritte nach hinten tätigte. Dankend für ihre Fensterfront und den Mondschein, der ihr Zimmer erhellte, bemerkte sie, dass ihr Brustkorb sich merklich schneller hob und senkte als sonst. Und sie bemerkte auch, dass ihre Brüste deutlich mehr von seinen Liebkosungen wollten. Unter Tōrus wachsamen Blick griff sie nach dem Saum ihres Tops und zog es langsam über den Kopf, sodass sie halbnackt vor ihm stand. Noch war Tōru ruhig geblieben, doch als er ihre wohlgeformten Brüste sah, konnte er nicht anders, als den überflüssigen Abstand zwischen ihnen zu verringern. Asuna blinzelte, ehe sie die kalte Scheibe an ihrem Rücken spürte und erschrocken die Luft einzog. Tōrus ließ ihr nicht viel Zeit, ihre Gedanken daran zu verschwenden, denn seine Hände strichen über ihre Seite, bis hin zu ihren Brüsten und ließen dabei kaum einen Zentimeter aus. Ihre Empfindungen überschlugen sich und sie war sich sicher, dass er mittlerweile vergeblich nach einem trockenen Stoff zwischen ihren Beinen suchen musste. »Dreh dich um«, forderte er rau. Mit einem Kribbeln in ihrem Bauch tat sie es und spürte sofort, wie er nach ihrer Hand griff, mit der sie sich an der Fensterscheibe abstützte. Genießerisch schloss sie die Augen, als sie an ihrem Rücken spürte, wie hart er war. Oh, sie konnte es nicht erwarten, dass er sie nahm. Gerade jetzt konzentrierte sie sich aber auf seine andere Hand, die ohne zu zögern den Weg unter ihre Shorts sowie ihren Slip fand. Asuna bog ihren Rücken durch und stöhnte genüsslich, als seine Finger schamlos in ihrer nassen Mitte versanken. Begleitet von seinen Lippen auf ihrem Nacken und der unregelmäßigen Atmung von ihnen beiden. Vor Asunas Augen tanzten Sterne, als er ihr keine Zeit ließ, zu regenerieren. Unaufhörlich nutzte er sein Fingergeschick, um sie immer weiter an den Rand des Höhepunkts zu treiben. »Tōru«, stöhnte sie atemlos, als seine feuchten Finger plötzlich über ihre nach Aufmerksamkeit lechzende Hügel kreisten. Sie konnte nicht klar denken. Sie wollte, dass er sie erbarmungslos fickte. Zu lange war es bloß ein Produkt ihrer Fantasie gewesen. Sein harter Schwanz, welcher sich fest gegen ihren Rücken stemmte und sie an ihre Gelüste erinnerte, war jedoch pure Realität. »Sag mir, was du willst, Asuna«, raunte Tōru mit einer vor Erregung verzerrten Stimme dicht neben ihrem Ort und griff mit einer Hand nach ihrer Hüfte. Ein Schauer breitete sich aus und intensivierte sich, als er sie abermals viel zu langsam mit zwei seiner Finger auf das vorbereitete, was ihr noch bevorstehen würde. Folter. Das hier war pure und absolut himmlische Folter. »Alles. Gib mir...alles, was du hast.« Es war vage. Als sie aber plötzlich abermals die Kälte des Fensters hinter ihr spüren konnte und er den seidigen Stoff ein Stück nach unten schob, wurde klar, dass er sie verstanden hatte. Auch wenn sie nicht erregter oder feuchter sein konnte, bebte ihr Körper vor Erwartung auf seine nächste Handlung. Diese Gefühle spiegelten sich auch in ihrem Blick wider, mit dem sie seinen erwiderte. Seine Lippen waren nur wenige Zentimeter von ihren entfernt, während sich ihre Brüste fest gegen seinen erhitzten und harten Oberkörper drückten. Ungeduldig legte sie ihre Hand in seinen Nacken, wollte ihn zu sich ziehen, um ihn endlich wieder schmecken zu können. Tōru hingegen stemmte sich gegen ihre Versuche, was sie frustrierte. Er spielte mit ihr. Dadurch und durch seine Hände, die verantwortlich waren, dass ihre Shorts sowie ihr Slip über ihren Hintern und zu Boden glitten. Sie schnappte nach Luft, als er ihr Kinn nach oben drückte und mit seinem Mund ihr Kiefer entlangfuhr. Er hinterließ eine feuchte und gefährliche Spur, bevor er heiße Küsse auf ihrem Hals verteilte. »Alles nur für dich«, hörte sie ihn gegen ihre Haut murmeln, ehe er sich nach unten arbeitete. Seine Zunge triezte ihre flammende Haut, stoppte bei ihrem Nippel, um ihm wohlverdiente Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Asunas Lippen verließen ein gequältes Stöhnen, während Tōru sie weiter an ihre Grenzen brachte. Ihre Mitte kribbelte unaufhörlich und bei jeder Bewegung konnte sie die Feuchtigkeit wahrnehmen. Oh, sie war sowas von bereit für ihn. Und wenn sie geglaubt hatte, dass seine Finger bereits Wunder vollbracht hatten, dann wurde sie jetzt eines Besseren belehrt. Mit einer gezielten Bewegung legte er ihr Bein über seine Schulter, sodass sie ihm völlig ausgeliefert war, und umklammerte ihre Hüften, um ihr den nötigen Halt zu geben. Das brauchte sie auch, denn ihre Beine waren wie Wachs, als er seine Zunge ohne Vorwarnung über ihren Eingang gleiten ließ. Sie konnte sein Grinsen trotz ihren geschlossenen Augen vor ihr sehen. Dieses diabolische und zufriedene Grinsen, das ihre Flehen nach einer Erlösung wahrhaftig genoss. Verloren in ihrer Ekstase, vergrub sie ihre Hand in seinen Haaren. Das Stöhnen, welches ihre Kehle verließ, zeugte von dem geringen Widerstand, mit dem sie gegen den aufkeimenden Höhepunkt ankämpfte. Natürlich war es Tōru egal. Er reizte sie weiter, indem er ihren empfindlichsten Punkt umkreiste und sie leckte, als hätte er seit Wochen darauf gewartet. Es war so unfassbar gut. So verdammt gut... Sie konnte einfach nicht länger darauf warten. Sie... Ein unzufriedener Laut entkam ihr, als er plötzlich stoppte. Sie begegnete seinem Blick und entdeckte weder Reue noch andere Anzeichen von Schuldgefühle. Doch sie konnte nicht lange böse sein, denn dafür verschmolzen ihre Lippen viel zu schnell miteinander. Ihr eigener Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus, wurde begleitet von seiner Zunge, die vor wenigen Augenblicken noch in sie vorgedrungen war. Der bloße Gedanke daran machte sie an und sorgte für eine Welle der Erregung. Ungeduldig drängte sie Tōru nach hinten. bis er die Bettkante spürte und sich auf der Matratze niederließ. Er rutschte nach hinten, sodass sie sich über ihn knien konnte. Es gab ihr Zeit, Tōru zu mustern, als hätte sie es nicht schon tausendmal getan. Doch wie als wäre es das erste Mal, konnte sie die Faszination über seinen Körper nicht verbergen. Dabei war sie es, die sich nackt über ihn beugte. Feucht und bereit, alles mit ihm zu tun, was ihm durch den Kopf ging. Ihre Augen wanderten tiefer. Über seinen von Muskel geprägten Oberkörper, bis hin zu der vielversprechenden V-Linie. Ihr Interesse galt jedoch der Erhebung, die nur erahnen ließ, was darunter verborgen lag. Deshalb wanderten ihre Hände über seinen Oberkörper, bis sie bei dem dünnen Bund seiner Boxershorts ankamen. Sie ließ es sich nicht nehmen, die Härte zu ertasten. Groß. Das war das erste, was ihr dazu einfiel und was sie dazu veranlasste, sich unzählige Stellungen auszumalen, bei denen er diese Größe mehr als nur sinnvoll nutzte. Tōru atmete bei ihrer Tat tief ein, intervenierte aber nicht. Stattdessen beobachtete er, wie sie sich nach unten beugte, um ihre Lippen auf seinem Oberkörper zu platzieren. Sie verbrachte nicht viel Zeit damit, sondern rutschte nach unten. Asuna griff nach dem dünnen Bund seiner tiefschwarzen Boxershorts. Ohne zu zögern zog sie diese nach unten und biss sich bei dem...überdurchschnittlichen Anblick auf die Unterlippe. Sie verspürte den Drang, ihren Mund um sein steifes Glied zu legen. Stattdessen kratzte sie mit ihren Fingernägel über die Innenseite seines angespannten Oberschenkels und entlockte ihm ein tiefes Seufzen. Erst dann schlossen sich ihre Lippen um seinen Schaft. Der salzige Geschmack, der sich verbreitete, war eine Genugtuung für sie. Genauso wie das heisere Stöhnen aus Tōrus Kehle. »Fuck«, fluchte er und legte prompt seine Hand auf ihren Hinterkopf. Sie wusste, dass sich ein kleiner Teil in ihm zurückhielt. Nicht umsonst vergrub er seine Finger fest in ihren Haaren. Aus diesem Grund beschleunigte sie ihre Bewegung und nahm seinen Schwanz tiefer in den Mund. Es war das, was er wollte. Und es war bei Gott auch das, was sie wollte. »Asuna«, zischte er mahnend. Oh, sie wusste, was das bedeutete, weshalb sie bereitwillig stoppte. Mit einem Grinsen im Gesicht und einem Daumen, der über ihre Lippen wischte, stützte sie sich schließlich links und rechts neben ihm ab. Provokant drückte sie ihren nackten Körper an seinen, sodass sie sofort seine Hände an ihrer Seite spürte. Jedoch hatte sie kurzzeitig vergessen, mit wem sie es zu tun hatte. Ihr Grinsen bröckelte, als seine Finger ohne Vorwarnung in ihrer feuchten Mitte verschwanden. Überrascht keuchte sie auf, krallte sich fester in das Laken. Doch sie konnte nicht verhindern, dass sich ihr Becken rhythmisch bewegte. Allerdings wollte sie nicht mehr spielen. Sie wollte den puren Ernst. Deshalb griff sie nach seinem Handgelenk und als er es widerwillig zugelassen hatte, richtete sie sich auf. Sie suchte seinen Blick, der dunkel auf ihr lag. Seine Hände ruhten dieses Mal auf ihren Oberschenkeln. Völlig gefesselt folgte er ihrem Tun. Mit einer Hand auf seinem Oberkörper ließ sie sich langsam auf ihm nieder. Den Blickkontakt nicht länger aufrecht erhaltend, legte sie mit geschlossenen Augen ihren Kopf zurück und stöhnte, als sie Tōrus Härte voll und ganz in ihr aufnahm. Bevor sie etwas anderes tat, genoss sie den Moment mit all ihren Sinnen. Es war elektrisierend, magisch und viel zu lange her, dass sie ihn auf diese Weise gespürt hatte. Diese Erkenntnis und die Empfindungen trafen sie mit voller Wucht. Und dennoch bewegte sie ihr Becken gekonnt auf ihm, als hätte es diese Monate zwischen ihnen nie gegeben. Schnell, aber nicht minder sinnlich, ritt sie ihn. Das Geräusch von nackter Haut, die aneinander rieb und überwältigendem Stöhnen vermischte sich. Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit stoppte Tōru allerdings mit seinem Tun. Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, fand sie sich mit dem Rücken zu ihm wieder. Sie konnte abermals die Härte an ihrem Rücken spüren, während er ihre Haare zur Seite strich. Seine Lippen an ihrem Hals verursachten eine Gänsehaut, doch seine Worte versetzten sie in Wallung. »Ich denke, wir sollten das zu ende bringen, oder? Ich kann nicht länger warten, in dich zu stoßen.« Es klang wie eine Drohung. Wie Asunas persönliche Lieblingsdrohung. Sie war verdammt. Tōru fackelte nicht lange und zeigte ihr, was er meinte. Von hinten legte er seine Hand auf ihren Bauch, während sie seine Erektion deutlich an ihrem Eingang spüren konnte. Ihre Finger zitterten vor Aufregung, gleichzeitig umklammerte sie das Kopfteil ihres Bettes. Und sie verlor ihren Verstand. Liebend gerne verlor sie ihn, als er erbarmungslos in sie eindrang. Nicht zaghaft, sondern mit einem Ziel vor Augen. Beiden entkam ein Stöhnen, während sich ihre warmen Wände um seinen Schwanz schlossen. Er füllte sie, er nahm sich das, was er wollte. Zärtlichkeit war in diesem Moment fehl am Platz. Dafür waren beide zu ausgehungert, zu lustvoll. Sie liebte es. Sie brauchte es. Beide brauchten es. »Tōru...«, entkam es ihr heiser und er verstand sie ohne Worte. Gezielt glitt seine Hand auf ihrem Bauch tiefer, bis er zwischen ihren Beinen angelangte. Niemand wusste so gut wie er, was sie wollte. Unter gleichmäßigen, harten Stößen massierte er ihren feuchten und geschwollenen Hügel. Diese doppelte Stimulierung brachte sie weit über ihre Grenzen. Ein ersticktes Ächzen verließ ihre Kehle »So verdammt eng«, presste er hervor und war kurz davor, sich dem Höhepunkt hinzugeben. »Ich k-kann...«, keuchte sie, denn etwas Sinnvolles wollte ihre Lippen nicht verlassen. Und das war auch nicht nötig. In diesem Moment gab sie auf. Der Orgasmus, der folgte, schickte sie in Sphären, die sie bis jetzt nicht gekannt hatte. Unkontrolliert zuckten ihre Muskeln, reizten auch sein pulsierendes Glied, als diese einzigartige Welle sie überrollte. Sein Stöße wurden zur selben Zeit fester, unkontrollierter. Eine Hand griff für einen besseren Zugang nach ihrer Hüfte. Laute der Ekstase erfüllten das Schlafzimmer und während in Asunas Körper ein Feuerwerk herrschte, erreichte auch Tōru den Zenit. Heiß ergoss er sich in ihr, sorgte mit einigen festen Stößen dafür, alles in ihr zu lassen. Schwere Atmung diente als einzige Geräuschkulisse und Asuna war froh, dass er sich nicht sofort aus ihr zurückzog. Nicht nur, dass sie die Art von Nähe genoss. Es war so intim, einfach...schön. Asuna lockerte ihren Griff um das Eisengestell und biss sich auf die Unterlippe, als sie seinen Atem an ihrem Nacken spürte. In der Zeit, als sie mit ihren Körpern und ihrem Verlangen beschäftigt gewesen waren, hatte sie die ehrlichen Worte zuvor beiseite geschoben. Jetzt, da sie endlich wieder klar denken konnte, stieg ihr bei dem Gedanken die Hitze ins Gesicht. Tatsächlich hatte sie ihm ihre Liebe gestanden. Ihre Liebe und alles andere, das sie bis heute mit sich getragen hatte. Tōrus Lippen auf ihrer empfindlichen Haut brachte sie dazu, die Augen zu schließen und sein Zurückziehen kaum wahrzunehmen. »Du fühlst dich noch besser an, als ich in Erinnerung habe«, murmelte er mit dem Mund nahe ihrem Ohr. Unbeirrt begann er, ihre Seite entlangzustreichen. »Vielleicht ist der Moment nicht gerade passend, aber...ich hatte zuvor keine Gelegenheit, es dir zu sagen. Dabei konnte ich es kaum erwarten.« Er stoppte bei ihren Brüste, während sie sich an ihn lehnte. Die nächsten Worte rissen sie allerdings aus ihren losgelösten Haltung. »Ich liebe dich auch. So sehr, dass es wehtut. So sehr, dass ich Volleyball für dich aufgeben würde. Und ich...hasse mich dafür, es nicht schon früher gemerkt zu haben, damit ich noch mehr Zeit mit dir als meine Freundin verbringen kann.« Asuna verkrampfte und fühlte ihr Herz, welches zersprang, weil sie sein Geständnis nicht verarbeiten konnte. Der dicke Kloß in ihrem Hals wuchs und als wäre es nicht genug, spürte sie, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Vielleicht lag es am erhöhte Anteil an Hormonen nach ihrem Orgasmus. »Ich-«, begann sie brüchig, stoppte sich aber selbst. Das Letzte was sie wollte, war zu weinen. Deshalb hielt sie es mit aller Kraft zurück. Tōru stockte und sah auf ihre Finger, die sich in seinem Unterarm vergruben hatten. »Hey«, meinte er beruhigend und drehte sie um, damit er ihr seit Längerem wieder ins Gesicht sehen konnte. Gezielt griff er nach der dünnen Decke und obwohl er ihren nackten und perfekten Körper stundenlang betrachten könnte, bedeckte er sie damit. »Tut mir leid.« Sie klammerte sich an den Stoff und zog ihn hoch bis zu ihrem Kinn. Ihr Bein, das trotzdem freilag, winkelte sie an. »Es gibt nichts, was dir leidtun muss«, sagte Tōru und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Asuna blinzelte die Feuchtigkeit weg und als sie in seine braunen, warmen Augen sah, spürte sie wieder diese Euphorie, diese Glücksgefühle, in ihrem Bauch Saltos schlagen. Er war der Grund dafür. Er würde immer der Grund sein. Deshalb trafen sie seine ehrlichen Worte mitten ins Herz. Sie konnte es nicht glauben. Nach diesem verfluchten halben Jahr hatte sie...hatten sie beide es endlich verstanden. Und vor allem hatten sie miteinander geredet. Sie holte tief Luft, denn es half ihr, klarer zu denken. Ihre Emotionen hatte sie langsam wieder im Griff. »Du sagtest, du willst mehr Zeit mit mir verbringen. Wie hast du mich da genannt? Das hat mir gefallen«, wollte sie von ihm hören, obwohl sie sich genau an dieses Wort erinnern konnte. Und auch Tōru schien es nicht vergessen zu haben. Er schmunzelte bei ihrem unschuldigen Gesichtsausdruck. »Meine...Freundin.« Asuna legte ihren Kopf schief und hätte bei dem Lächeln beinahe zufrieden geseufzt. Ja. Beinahe ganz weggeblasen war die Überwältigung von vorhin. Alles, was dafür notwendig gewesen war, war die Erkenntnis, dass das hier real war. Und seine Anwesenheit mit all den kleinen Gesten. Sie war wirklich verrückt nach dem Setter. »Oikawa Tōrus Freundin. Das...kling wirklich gut«, murmelte sie deshalb und legte ihre linke Hand in seinen Nacken. Ihre Finger spielten kurz mit den weichen Haaren, ehe sie ihn zu sich zog. Ihre Lippen trafen aufeinander. Sanft, weil sie den Moment genießen wollte. Doch die Aufregung darüber konnte sie kaum verbergen. »Was?«, fragte Tōru, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. Er hatte ihr zufriedenes Grinsen bemerkt. »Nichts. Es ist nur, dass ich das hier ab jetzt jederzeit tun kann. Morgens, abends, in der Schule...« Sie ließ die Optionen offen, aber der bloße Gedanke machte sie hibbelig. »Ich liebe es, dich so glücklich zu sehen«, kam es plötzlich von Tōru und überrumpelte sie etwas damit. Doch sie fing sich schnell wieder. Sie war es nicht gewohnt, solche Dinge von ihm zu hören. Noch nicht. »Gut, denn du bist der Grund dafür.« Mit einem dezenten Schmunzeln fuhr sie mit ihrem Finger sein markantes Kiefer entlang, bis sie zu seinen Lippen kam. Diese absolut perfekten und weichen Lippen, die vor wenigen Minuten noch Magie vollbracht hatten. Asuna hasste sich selbst, dass sie ausgerechnet jetzt daran dachte, aber sie wollte diese Lippen auf ihrer Haut, aber vor allem wieder zwischen ihren Beinen spüren. Zuvor noch emotional überfordert, jetzt mit einer Gier nach mehr Körperkontakt. Sie war ein hoffnungsloser Fall. Mit diesem Wissen beugte sie sich nach vorne, entblößte dabei ihren nackten Oberkörper. Mit einer gewissen Genugtuung bemerkte sie, wie seine Augen sofort zu ihren Brüsten wanderten, die nach Aufmerksamkeit lechzenden Nippel besonders im Blick. »Sieht so aus, als wärst du auch besonders glücklich, mich zu sehen«, bemerkte sie mit einem Blick auf sein Glied. Ihre Lust war nicht das einzige, das gewachsen war. »Anscheinend bist du bereit für mehr von meiner...Enge.« Sie lächelte lasziv, denn seine heiseren Worte waren ihr nicht entgangen. Tōru wäre nicht Tōru, wenn er nicht darauf einsteigen würde. Er schob die lästige Decke zu Seite und drückte sie soweit nach hinten, dass sie unter ihm lag. Das Gefühl seiner Härte an der Innenseite ihres Oberschenkels ließ sie erzittern. Schon wieder. »Asuna«, raunte er verheißungsvoll und noch nie hatte ihr Name so verführerisch geklungen, »Du hast ja keine Ahnung. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du bei jedem Schritt an mich denken.« Herausfordernd kratzte sie mit ihren Nägel über seinen angespannten Rücken. »Dann hör auf zu reden und fick mich, Tōru.« »Mein ungeduldiges Mädchen«, murmelte er gegen ihre Lippen und verwickelte sie schließlich in einen Kuss, der ein Vorbote seines Versprechens war. Gott, sie war so verflucht verliebt in diesen Idioten. Kapitel 36: one big problem --------------------------- ● • . »Lass das, Tōru. Wir kommen zu spät«, murmelte Asuna und klang absolut nicht überzeugend. Wie könnte sie auch, wenn sie seit dem Aufwachen seine morgendliche Erektion an ihrem Oberschenkel spürte und eine Hand den bekannten Weg unter ihren Slip fand? Sie war kaum wach und schon konnte sie spüren, wie feucht sie war. Anstatt auf ihre Worte zu hören, ließ er seine Finger ohne Vorwarnung durch ihre Schamlippen gleiten, entlockten ihr damit ein gequältes Stöhnen. »Bist du sicher? Sollten wir nicht zuerst diese Feuchtigkeit sinnvoll nutzen? So kannst du nicht zur Schule gehen.« Sie fühlte sein Grinsen an ihrem Hals und wollte ihre Beine zusammenpressen, doch mit seiner überlegenen Kraft hielt er sie einfach davon ab. »Tōru«, keuchte sie und bog ihren Rücken durch, als er zwei seiner Finger langsam in sie gleiten ließ und ihren G-Punkt traf. »Wieso soll ich aufhören, wenn ich es liebe, wie du meinen Namen stöhnst? Und das nur, weil ich solche Dinge«, er rieb mit seinem Daumen über ihre empfindlichste Stelle, »tue?« Sie wimmerte bei dieser verdammt erregenden Unverschämtheit: »Wenn wir schon zu spät kommen, dann fick mich wenigsten richtig«, forderte sie verzweifelt. Er liebte es, sie an ihre Grenzen zu bringen. Und sie liebte es, von ihm gefingert zu werden. Eigentlich eine Win-Win-Situation, wenn es nicht in weniger als 45 Minuten zum Unterricht läuten würde. »Hm, das wäre so einfach...« Auch wenn er sie reizte, konnte er mit seiner rauen Stimme nicht verstecken, dass er genauso aufgeheizt war. Der Unterschied war nur, dass er mehr Selbstbeherrschung hatte als sie. Deshalb zog er seine Hand abrupt aus ihrem Slip zurück. Asuna, die ihre Augen bis jetzt geschlossen hatte, sah ihn atemlos an. Er richtete sich auf und obwohl sie seine zerzausten Haare und den nackten Oberkörper furchtbar ansprechend fand, erregte etwas Anderes ihre Aufmerksamkeit. Plötzlich hellwach verfolgte sie, wie er seine Finger, die gerade eben noch in ihr gewesen waren, zu seinem Mund führte. Mit einem dreisten Grinsen schloss er seine Lippen um diese. Sie war sprachlos, weil sie selten etwas heißeres gesehen hatte. »Mein Lieblingsfrühstück übrigens«, kommentierte er nonchalant und ließ eine verdatterte und unbefriedigte Asuna in seinem Bett zurück. Was für ein...nerviger Idiot. Seufzend stand sie ebenfalls auf, um sich für die Schule fertigzumachen. Zum Schutz ihrer eigenen Sicherheit verzichtete sie auf ein gemeinsames Duschen. Auch wenn alles in ihr danach verlangte, wollte sie nicht zu spät kommen. Außerdem gab es da eine Sache, weshalb sie besonders darauf bedacht war, pünktlich zu sein. Weder Jana noch Iwa wusste davon, dass sie zusammen waren. Und es wäre auffällig, wenn sie gemeinsam zu spät erscheinen würden. »Jana hat mich wieder gefragt, ob wir uns mittlerweile vertragen haben«, meinte Asuna, als sie auf dem Weg waren. »Iwa mich auch. Er klang richtig verzweifelt.« Tōru grinste, während er mit ihren Fingern in seiner Hand spielte. Es war nur möglich, da hier keine Mitschüler unterwegs waren. Dafür nahmen sie den kleinen Umweg in Kauf. Die Gründe für diese Geheimnistuerei war, dass Asuna keine Lust auf Tōrus Fangirls hatte. Was Jana und Iwa betraf – die beiden wollten sie eigentlich nur damit aufziehen. Dafür hatten sie eine Wette abgeschlossen. Tōru meinte, dass sie bestimmt schnell draufkommen würden. Asuna hingegen hatte auf mindestens zwei Wochen getippt. Der dritte Grund war etwas banal, denn der Reiz, dass niemand von ihnen wusste, war...aufregend. Bei jedem Blick, jeder zufälligen Berührung auf dem Gang oder jedem Kuss, wenn sie alleine waren – es war verflucht erregend. »Noch hast du die Wette nicht gewonnen«, meinte sie dazu. Zwei Tage. Dann wären die zwei Wochen vergangen. »Erinnere mich nochmal an den Wetteinsatz.« Bemüht unschuldig lächelte der Setter und sorgte bei Asuna dennoch für ein erhitztes Gesicht. Trotz der kalten Temperatur. »Werde ich nicht. Du weißt genau, was es war.« Sie würde das hier nicht laut aussprechen. Nie im Leben. Nicht wenn hier andere Menschen unterwegs waren und sie hören konnte. »Hm, ja. Es hat mit einem absolut unterhaltsamen Spielzeug zu tun. Mehr weiß ich leider nicht mehr.« »Du willst mich nur leiden sehen«, murrte sie und trotzdem fühlte sie das aufregende Kribbeln bei dem Gedanken an diesen besonderen Wetteinsatz. »Stimmt. Das und feucht, stöhnend und bereit, von mir gefhmhmp.« Mit aufgerissenen Augen stoppte sie ihn, indem sie ihm die Hand auf den Mund presste. Die Blicke zweier älterer Männer bemerkend, lächelte sie diese peinlich berührt an. Ihr Freund hatte echt keinen Scham! »Was denn? Jeder darf und soll wissen, wie ich Kurasaki Asuna, meine Freundin, am liebsten sehe.« Er musterte sie und stoppte plötzlich. »Okay. Ich hab es mir gerade anders überlegt. Ich will doch mein Frühstück nachholen.« Der Setter zog an ihrer Hand, doch Asuna stemmte sich dagegen. »Zu spät. Du hattest deine Chance. Und jetzt geh voraus, oder wir verbringen die Nacht nicht mehr gemeinsam«, drohte sie, wohl wissend, dass es ein Eigentor war. »Als ob du das ertragen würdest«, meinte er überheblich, »aber weil ich dich liebe, werde ich deinem Wunsch nachkommen.« Er beugte sich zu ihr und drückte seine Lippen auf ihre. Sie war zu perplex über die Liebesbekundung, obwohl sie es mittlerweile gewohnt sein sollte. Doch es würde noch länger dauern, bis sie damit umgehen können würde. Seufzend sah sie ihm nach und spürte wieder diese Welle des Glücks. Wie als würde sie auf einer flauschigen Wolke schweben. »Jetzt wirst du kitschig, Asuna«, murmelte sie zu sich selbst und machte einen kleinen Umweg. Alles nur, damit ihr kleines Geheimnis nicht aufflog, welches rein theoretisch nicht notwendig war. ♛♔ In der 4. Unterrichtsstunde langweilte sich Asuna zu Tode. Sie hatten eine Doppelstunde Japanische Geschichte und mussten eine Gruppenarbeit über eine Epoche ihrer Wahl erledigen. Sie war mit ihrem Teil der Arbeit bereits seit zehn Minuten fertig und die Stunde würde erst in 30 Minuten enden. Asuna sah sich in der Klasse um. Die meisten arbeiteten unter dem strengen Blick von Frau Fumi, die manche Epochen selbst miterlebt hatte, so alt wie sie war. Bei Jana musste sie grinsen. Heimlich schrieb sie gerade eine Nachricht. Vermutlich an Iwa. Oder an ihre Mutter, um zu erfahren, was es heute zu essen geben würde. Plötzlich hörte sie ein leises Vibrieren, weshalb sie hektisch nach ihrem eigenen Handy in dem Bankfach griff. Unbegründete Panik, denn Frau Fumi überhörte die meisten Geräusche sowieso. Mit einem unruhigen Puls las sie die Nachricht. Shittykawa ❤️ A Hals, B Lippen oder C Bauch? Verwirrt starrte sie auf die Frage. Was hatte er vor? Asuna ???? Shittykawa ❤️ Wo willst du gerade am liebsten geküsst werden? War das sein ernst? Asuna sah sich um, ob jemanden aufgefallen war, dass sie nervös auf ihr Handy gestarrt hatte. Sie wusste, was er vorhatte und konnte nicht verhindern, dass sie bei dem Gedanken unruhig auf ihrem Platz herumrutschte. Sie räusperte sich, als ihr Lu einen fragenden Blick zuwarf und schüttelte nur den Kopf. Das war ihrer Freundin Antwort genug, weshalb sie beruhigt ihre Beine überschlagen konnte. Schnell tippte sie eine Antwort, wobei ihr bei der eigenen Nachricht die Hitze ins Gesicht und in andere Regionen kroch. Asuna D ~ Zwischen meinen Beinen Shittykawa ❤️ Warum ausgerechnet D? Asuna biss sich auf die Unterlippe und erwischte sich dabei, wie sich ihre Finger in den Stoff des Rockes gruben. Sie holte tief Luft und tippte konzentriert auf dem Touchscreen. Dabei sah sie immer wieder nach vorne, um sicherzugehen. Asuna Ich liebe jede einzelne Stelle, aber am meisten liebe ich es, wenn du deine Lippen und Zunge dafür nutzt, um mich zu lecken. Sie schickte die Nachricht ab, nur um sofort wieder zu tippen. Asuna Als Gegenleistung würde ich auf meine Knie gehen und meinen Mund um deinen Schwanz schließen... Sie grinste nun über ihre eigenen Worte, während die reine Vorstellung daran ihre Mitte zum Glühen brachte. Doch in der Zeit, in der sie über eine mögliche Antwort nachdachte, klopfte es auf einmal an der Tür. 20 Köpfe drehten sich zu dem Geräusch und auch Asuna legte ihr Handy zurück. Mit der Person hatte sie allerdings nicht gerechnet. »Entschuldigen Sie, Fumi-senpai. Ich bräuchte dringend Kurasaki-sans Expertise als Schulsprecherin für ein großes...Problem. Könnte ich sie mir kurz ausleihen?« Tōru schenkte der Lehrerin sein überzeugendstes Lächeln. Zu geblendet von dem Charme nickte diese. »Natürlich. Gehen Sie ruhig, Kurasaki-san.« Perplex, dass sie dank dieser einfallslosen Lüge von Tōru einfach so den Unterricht verlassen konnte, stand Asuna langsam auf. Sie vermied es, zu Jana oder irgendjemand anderen zu sehen, denn sonst hätte sie ihr Pokerface nicht aufrecht halten können. Erst, als Tōru hinter ihr die Tür schloss, fand sie ihre Worte wieder. »Ein großes Problem? Du~«, begann sie, wurde aber von ihm unterbrochen, als er sie einfach so gegen die Wand drücke und seine Lippen fordernd auf ihre legte. Sie stieß einen überraschten Laut aus, gewährte seiner Zunge aber liebend gerne Einlass. Der Reiz, dass sie jederzeit jemand entdecken konnte, war deutlich spürbar. Tōru löste sich von ihr, seine Iriden deutlich erweitert. »Zehn Minuten. Komm mit«, meinte er bestimmend und griff nach ihrer Hand, nur um sie den Gang entlangzuziehen. Zehn Minuten? Das...sollte machbar sein. Vor allem, wenn sie an ihre feuchte Unterwäsche dachte. Er schien genau zu wissen, wo er hinwollte. Zumindest zog er sie in ein leeres Klassenzimmer, in dem sie jederzeit jemand erwischen konnte. Asunas Herz schlug bis zum Hals. Vor Erregung und vor Nervosität. Das war verrückt. Und bescheuert. Aber definitiv aufregend. Sie hatte allerdings keine Zeit, über irgendwelche potentiellen Gefahren oder Konsequenzen nachzudenken. Das wollte sie auch gar nicht. Viel lieber konzentrierte sie sich auf seine Lippen an ihrem Hals und seine Hände, die ungeduldig über den dünnen Stoff ihrer Bluse strichen. Währenddessen bewegten sie sich weiter in den Raum hinein, bis sie ein Hindernis hinter sich spürte. Sie stemmte sich nach oben und setzte sich auf den Lehrertisch. Mit ihren Armen stützte sie sich hinter ihr ab. Indes fühlte sie seine Hände, die sich ihren Oberschenkeln widmeten und keine Zeit verschwendeten, unter ihren Rock zu gleiten. Asuna beobachtete ihn dabei, wie er ihren Slip über ihre Hüften schob. Bereitwillig hob sie ihren Hintern. Ihre Blicke trafen sich, als der schwarze Spitzenstoff schließlich auf dem Boden landete. Als er grinsend seine Lippen auf die erhitzte Haut ihrer Oberschenkelinnenseite legte und ihre Beine auseinanderdrückte, holte sie tief Luft. »Dafür...Dafür haben wir keine Zeit«, brachte sie stockend heraus, denn sein Atem strich verführerisch über ihre feuchte Mitte. »Dafür ist immer Zeit. Vielleicht solltest du aber auch aufpassen, was du dir so wünscht.« Mit diesen verheißungsvollen Worten überbrückte er den geringen Abstand und entlockte ihr mit seiner Handlung einen erstickenden Laut. Sofort presste sie ihre Lippen zusammen, während eine Hand den Weg zu seinen Haaren fand und frustriert, dass sie kaum einen Laut machen durfte, daran zog. Das brauchte sie auch, denn Tōru sparte nicht mit seinem Geschick. Viel zu schnell spürte sie den Knoten, der sich zu lösen drohte. Ihr Durchhaltevermögen war miserabel, aber dafür setzte ihr der Reiz des Verbotenen zu sehr zu. Das Verbotene und Tōrus Finger, der in kreisender Bewegung ihre Klitoris stimulierte. »Tōru«, stöhnte sie leise und gequält. Obwohl sie es liebte, was seine Zunge und seine Finger mit ihr taten, wollte sie mehr in ihr spüren. Verflucht mehr. Doch genauso sehr genoss sie diesen Moment. Genoss das Gefühl, welches sich stetig aufbaute. Allerdings erschwerte es die Mission, leise zu sein, deutlich. Tōru, der ihren inneren Kampf spürte, ließ von ihr ab. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich gleich kommen lassen«, raunte er vielversprechend. Asuna schnappte nach Luft, als ihr eine kurze Pause vergönnt war. Dennoch richtete sie sich auf und griff sofort nach seinem Gürtel. Den Blick dabei auf die Erhebung gerichtet, die sich deutlich abzeichnete, öffnete sie anschließend den Knopf. Ungeduldig schob sie die Hose mitsamt seiner Boxershort über seinen Hintern und leckte sich über die Lippen, als sein imposantes, hartes Glied in ihrem Sichtfeld erschien. Ungeduldig rutschte sie weiter nach vorne, sodass sie seine Spitze an ihrem Eingang fühlen konnte. Wie von selbst suchten ihre Hände Halt bei seinen Schultern. Ohne Worte packte er ihren Hintern und legte eine Hand in ihren Nacken, ehe er sein Becken nach vorne stieß. Ein Keuchen entkam ihr trotz des Verbots, als er in sie eindrang und Tōrus Kiefer spannte sich bei dem Gefühl ihrer warmen Wände um seine Härte an. Asuna schlang ihre Beine um ihn, wollte ihn tiefer aufnehmen. Es kostete ihr jegliche Selbstbeherrschung, nicht wie üblich ihren Gelüsten freien Lauf zu lassen, nicht wie üblich seinen Namen zu stöhnen. Nichtsdestotrotz entkam ihr in der Hitze der Erregung ein Stöhnen, sodass Tōru kurzerhand seine Lippen auf ihre legte. Während sich seine Zunge fordernd in ihren Mund schob, verstärkte er seine Stöße. Immer wieder drang er unbarmherzig in ihre feuchte Höhle ein. Asuna vergrub ihre Nägel in seinen Schultern, als sie der Erlösung immer näher kam. Ihr Herz pochte heftig und sie kniff ihre Augen zusammen, sein Mund nach wie vor dafür sorgend, dass kein Laut über ihre Lippen kam. Ein Wimmer drang hindurch und wurde von Tōru ignoriert. Viel zu beschäftigt war er damit, sein pochendes Glied in ihrer engen und heißen Mitte zu versenken. Das Ziehen in ihrem Bauch wurde stärker, unerträglicher. Bis sich schlussendlich der Knoten löste und der langersehnte Orgasmus mit voller Wucht traf. Wie von einer Klippe stürzte sie in die Tiefe, begleitet von dem magischen Gefühl des Höhepunkts. Asunas Muskeln zuckten, schlossen sich auch um Tōrus pulsierende Länge, die sich nach wie vor in ihr bewegte. Die sich immer wieder schließende Enge, die ihn stetig willkommen hieß, sorgte dafür, dass auch der Setter zum erhofften Orgasmus kam. Nur wenige Augenblicke nach ihr machten sich die Auswirkungen bemerkbar. Fest drückte er sie näher zu sich, bis kein Zentimeter zwischen ihnen zu finden war. Heiß ergoss er sich in ihr, pumpte jeden Tropfen in sie. Sie konnte sein zuckendes Glied spüren und genoss aus diesem Grund diesen Moment umso mehr. Sekunden verstrichen, ehe sie langsam die Augen öffnete und ihre Atmung beruhigte. Seine Bewegungen wurden langsamer und kamen zum Stillstand, doch keiner wagte es, sich von dem anderen zu entfernen. Asuna war die erste, die ihre Anspannung verlor und ihre Beine lockerte. Tōru nahm dies als Anlass, um sich vorsichtig aus ihr zurückzuziehen, wohl wissend, dass seine Freundin dieses Gefühl nicht mochte. Sanft und im Kontrast zu vorhin platzierte er einen Kuss auf ihrer Stirn, während er ihr auf die wackligen Beine half. »Ich hätte nie gedacht, dass mir Schule mal so gut gefallen würde«, meinte er und brachte Asuna zum Lachen. Diese strich sich die Haare nach hinten, in der Hoffnung, es würde etwas an ihrem zerzausten Aussehen ändern. Nach wie vor mit weichen Knien schob sie ihn widerwillig von sich und wollte nach ihrem Höschen greifen, jedoch kam ihr Tōru zuvor. Vor ihren Augen schnappte er sich den dünnen Stoff und hielt es provokant aus ihrer Reichweite. »Was soll das? Gib das her«, jammerte sie und langte danach. Vergeblich. »Nah. Das gehört jetzt mir. Dafür, dass du mich im Unterricht mit deinen Nachrichten scharf gemacht hast.« Er grinste und erntete einen fassungslosen Blick. »Ich hab...Du hast doch angefangen«, verteidigte sie sich, »Ich mein das Ernst, Tōru. Ich kann doch nicht ohne rumrennen!« »Oh, kannst und wirst du. Wir sehen uns später, Baby.« Er beugte sich zu ihr und verschloss ihren Mund mit seinem, während sie perplex an Ort und Stelle verharrte. Ohne eine Antwort sah sie ihm dabei zu, wie er den schwarzen Hauch von Nichts in seiner Hosentasche verstaute und anschließend die Klasse verließ. Zurück ließ er eine verdatterte Asuna, die plötzlich Flashbacks bekam. Hastig tat sie es ihrem Freund gleich, nur dass sie auf die Toilette verschwand, um sich frisch zu machen. Die ganze Zeit zog sie ihren Rock weiter nach unten, da es ihr vorkam, als könnte jeder...alles sehen. Am schlimmsten wurde es, als sie kurz vor dem Läuten wieder in die Klasse zurückkehrte. Jeder starrte sie an und sie hatte das Gefühl, alle wussten Bescheid. Sie räusperte sich und verbeugte sich vor Frau Fumi, die als Antwort nur ein Nicken übrig hatte. Sie war nun mal kein charmanter Oikawa Tōru. ♛♔ Nach der Stunde ging sie gemeinsam mit Jana in die Cafeteria. Mittagspause. Nachdem sie sich ein Tablett mit dem heutigen Menü geholt hatten, steuerte ihre beste Freundin direkt auf den Tisch zu, an dem die Volleyballspieler der dritten Klasse saßen. Die Euphorie, als sie Tōru entdeckte, entfachte ein Kribbeln auf ihrer Haut und sein Lachen ließ ihre Knie weichwerden. Ahhh, konzentriere dich, Asuna. Vorsichtig ließ sie sich auf dem Stuhl nieder, wohl wissend, dass bei einer falschen Bewegung mehr als nur ihre Unterwäsche freigelegt werden würde. Tōrus Blick entging ihr dabei nicht, genauso wie sein Grinsen, welches bei ihrer offensichtlichen Anspannung deutlich größer wurde. Und schadenfroher. »Wieso grinst du so dämlich?«, murmelte sie in seine Richtung, klang jedoch wenig verärgert und mehr schmollend. »Tu ich das?« Unschuldig zuckte er mit den Schultern. »Ich habe mich nur gefragt, ob du diesen Luftzug spürst.« Er wandte sich zu den anderen. »Leute, habt ihr den Luftzug gespürt? Irgendwie frisch, oder?« Seine Freunde sahen ihn verwirrt an und Asuna ließ es sich nicht nehmen, ihm gegen das Bein zu treten. Nicht fest und nur so, dass er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie lenkte. »Welche merkwürdigen Anwandlungen hast du dieses Mal, Bakakawa?«, fragte Iwa mit hochgezogenen Augenbrauen. »Mir geht es bestens, Iwa-chan. Danke der Nachfrage«, säuselte er. Hanamaki musterte Tōru skeptisch. »Seit du vom Unterricht verschwunden bist, bist du irgendwie...unausstehlich gut drauf.« »Und Asuna ist genervter als sonst, seit sie mit ihm verschwunden ist. Klingt, als wäre alles endlich wieder beim Alten.« Matsukawa zuckte mit den Schultern und sorgte mit seiner Aussage damit, dass Asuna ihre Stäbchen sinken ließ. »Das war also der Grund, weshalb du plötzlich unbedingt zur "Krankenschwester" musstest?«, murmelte Iwa, während Jana sie mit zusammengezogenen Augenbrauen anstarrte. Diese beugte sich zu ihr und starrte sie forschend an. »Was genau habt ihr zwei getrieben? Habt ihr gestritten? Euch wieder vertragen?«, fragte sie, sodass nur Asuna ihre Worte hören konnte. Bei diesen Fragen regte sich etwas in Asuna. Getrieben ist genau das richtige Stichwort, kam ihr in den Sinn. »Nichts davon.« Mehr konnte sie dazu nicht sagen. Inmitten der Cafeteria war nicht der richtige Zeitpunkt, um über ihre Beziehung mit Tōru zu reden. Auch wenn sie gerade den Drang verspürte, ihn einfach vor den Augen aller anderen zu küssen. Weil...es niemand außer ihr konnte und durfte »Sie hat Recht. A-Kurasaki-san musste mir nur bei etwas helfen.« Tōru schmunzelte und sie wunderte sich, dass er die Chance verpasst und nicht die Phrase zur Hand gehen verwendet hatte. »Absolut nicht interessant«, begann Asuna und schob ihr Tablett weg, »sagt mir lieber, ob ihr Ende Dezember auch dabei seid.« »Party bei Mias Luxusbungalow mitten in den Wäldern Miyagis?«, hakte Hanamaki nach. »Wir sind auf jeden Fall dabei.« Matsukawa nickte euphorisch für seine Verhältnisse. Asuna erinnerte sich, dass sich der Wing Spiker mehr als nur gut mit ihrer Freundin verstand. Vielleicht wäre dieser Ausflug die Chance, dass da mehr laufen würde? »Gut. Ich sag Bescheid und~« »Hey, Oikawa-san«, kam es zuckersüß von der Seite und unterbrach Asuna unhöflich. Sie holte tief Luft, da es nicht das erste Mal war, dass ihr Freund angesprochen wurde. Klar, er war Oikawa Tōru und niemand wusste davon, dass sie zusammen war. Ein Nachteil ihrer Geheimnistuerei. Aber es störte sie mehr denn je, seitdem sie zusammen waren. Außerdem konnte sie es nicht leiden, unterbrochen zu werden. Deshalb war es unmöglich, das Augenverdrehen zurückzuhalten. »Hey, ehm...« Tōru runzelte die Stirn und es war offensichtlich, dass er ihren Namen nicht wusste. Unangenehm. Vor allem für die Schülerin aus dem unteren Jahrgang. Iwas gekünsteltes Husten hätte Asuna trotz der Situation beinahe zum Lachen gebracht. »Sana. Itadori Sana.« Sie strich ihre Haare zurück und erst jetzt richtete sie auch ihre Augen auf die anderen am Tisch. Ausnahmslos jeder sah sie abwartend an. Asuna runzelte die Stirn, denn ihre anfängliche Überzeugung schien geschmolzen zu sein. »Okay, Itadori-san. Können wir etwas für dich tun?« Er lächelte höflich, wissend, dass dieses Wir nicht das war, was sie hören wollte. »Also eigentlich...können wir kurz unter vier Augen reden?«, versuchte sie es erneut. Jetzt begann sie, nervös an ihrer Weste zu spielen. Asuna verschränkte ihre Arme und lehnte sich nach hinten. Das zweite Mal in zwei Wochen. Mittlerweile musste doch jedes Mädchen, das Interesse an ihrem Freund hatte und mutig genug war, gefragt haben. Das letzte Mal und auch dieses hier testete ihre Geduld. Natürlich hatten sie alle das Recht dazu, zu fragen oder ihre Chance zu nutzen. Jedoch war sie drauf und dran, für Tōru zu antworten und zu sagen, dass ihre Bemühungen umsonst gewesen waren, weil seine Freundin direkt vor ihren Augen saß. Sie tat es aber nicht, sondern wartete ab. Wie damals in der Klasse, als er Maya vertröstet hatte. »Eigentlich würde ich meine restliche Pause gerne mit meinen Freunden und meiner«, er stoppte sich selbst und nach einem kurzen Blick zu Asuna fuhr er fort, »besseren Hälfte verbringen.« Sie erwischte sich dabei, wie sie unbewusst die Luft angehalten hatte. Kurz hatte sie gedacht, dass er Freundin sagen würde. Allerdings sah Sana trotzdem zu ihr. Immerhin war sie die einzige weibliche Person neben Jana an dem Tisch. Nicht wissend wie sie sich verhalten sollte, mied sie ihren Blick. Iwa, der die Situation unbewusst rettete, stieß seinem besten Freund fest in die Seite. »Yo, Shittykawa. Ich bin nicht deine bessere Hälfte! Wie oft muss ich dir das noch sagen?« Jana kicherte und sofort spürte Asuna, wie sich ihre Lippen ebenfalls zu einem Grinsen formten. Sana beinahe vergessen. »Autsch! Iwa-chan«, jammerte der Setter übertrieben, »Wie du siehst, Itadori-san, habe ich hier alle Hände voll zu tun. Tut mir leid.« Er zuckte mit den Schultern, was die Angesprochene dazu veranlasste, ihre Mission abzubrechen. Asuna sah ihr nach, als sie mit hängenden Schultern die Gruppe verließ. Das Mitleid hielt sich in Grenzen und sie widmete sich wieder Jana, die ihr vorhin noch etwas erzählen wollte. Fünf Minuten später, als Asuna ihr Tablett zum vorgesehenen Wagen brachte, drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Die Tatsache, dass die Schülerin aus der zweiten Klasse nicht die einzige sein würde, die in den nächsten Wochen nochmals ihr Glück versuchen würden, machte sie verflucht wütend. Sie gab zu, dass sie es nicht mochte, wenn jemand Tōru anmachte. Ihren Tōru. Sie stieß frustriert die Luft aus. Wow, so fühlte es sich also an, eifersüchtig zu sein. Sollte sie so empfinden? Nur deshalb? Verärgert schmiss sie die Essensreste in den Behälter. Eigentlich gefiel ihr der Gedanke, dass jeder über ihre Beziehung Bescheid wissen würde. Auch wenn der Reiz des Geheimnisses aufregend war, wollte sie seine Hand halten, wenn sie in der Schule waren. Sie wollte ihn vor dem Klassenzimmer küssen, wenn der Unterricht beginnen würde. Sie wollte sogar bescheuerte Pärchenbilder posten. Ihre Augen suchten wie von selbst nach Tōru, der vor einem anderen Tisch stand und mit dem Kapitän des Schwimmteams sprach. Keine Ahnung worum es ging, aber er hörte aufmerksam zu. In zehn Minuten würde es jedoch zum Ende der Pause läuten. Sie fasste einen Entschluss. Energisch schmiss sie die Serviette weg und ging auf Tōru zu. Zielstrebig. Asuna versuchte so selbstbewusst wie möglich zu wirken, als sie kurz davor war, zu die letzten Meter zu überwinden. Bescheuert, denn immerhin war Tōru ihr Freund. Ihr fester Freund, für den sie mehr empfand als sie je für möglich gehalten hatte. Selbst jetzt schlug ihr Herz nicht vor Nervosität, sondern als Verräter der tiefen Gefühle für den Setter. Sie lächelte dezent, als er sie bemerkte und fragend die Stirn runzelte. Seine plötzliche Unachtsamkeit sorgte dafür, dass bald einige Augenpaare mehr auf ihr lagen. Sie ließ sich davon nicht beirren. Nicht zur Gänze, denn sie konnte es kaum erwarten, das Folgende zu tun. »Tōru«, murmelte sie, während sie eine Hand in seinen Nacken legte und sich auf Zehenspitzen stellte. »Genug mit der Spielerei.« Mit diesen Worten überbrückte sie den Abstand und küsste ihn. Einfach so vor der halben Schule und manchen Lehrern. Sie spürte Tōrus Hand, die sich sachte auf ihren Rücken legte und näher zu ihm zog. Sie genoss den Kuss in vollen Zügen. Wie jeden anderen auch, obwohl es weit davon entfernt war, romantisch zu sein. Dafür erinnerte die Umgebung zu sehr an ein...Schaufenster. Und dennoch fühlte sie sich so geborgen, als könnte ihr nichts auf der Welt etwas anhaben. Schließlich musste sie sich widerwillig von ihm lösen. Atemlos, obwohl es kein langer Kuss gewesen war, warf sie einen unauffälligen Blick zu den anderen Schülern. Es war, abgesehen von einigen Gesprächen, unnatürlich still geworden. »Irgendwie unangenehm«, brachte sie hervor und spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Tōru hingegen, der die Blicke gewohnt war, lachte leise. Ohne Vorwarnung legte er dieses Mal seine Lippen auf ihre und sorgte für fassungsloses Keuchen unter manchen Schülern. »Ich liebe dich für solche Momente umso mehr«, erwiderte er, sodass nur sie es hören konnte. Sie lächelte dezent und richtete ihre Augen auf Tōrus Gesprächspartner. »Tut mir leid, dass ich euch einfach so unterbrochen habe«, meinte sie peinlich berührt zum Kapitän des Schwimmteams. Dieser wirkte weniger überrascht als manch andere Schüler. »Kein Ding. Das gerade eben war ohnehin das Spannendste, das passieren hätte können.« Er grinste. »Ist dein Leben so langweilig, Tamako-chan?«, erwiderte Tōru wie üblich höhnisch. Als Antwort bekam er ein belustigtes Lachen. »Oh, Oikawa-san, du hast ja keine Ahnung.« Sein Blick wurde zweideutig. »Und jetzt hau endlich ab und reservier uns eure Halle!« »Zu Befehl, Tam-chan!« Es fehlte nur noch, dass er salutierte. Da Tōru sie mit sich zog, schaffte sie es nur noch, ihre Hand zum Abschied zu heben. »Ich wusste gar nicht, dass du so auf Aufmerksamkeit stehst«, meinte Tōru und schmunzelte neben ihr. Mehr als ein »Halt die Klappe, Idiot« und ein Grinsen hatte sie dafür nicht übrig. Mit ineinander verschränkten Hände verließen sie die Cafeteria mit dem Wissen, dass sie wohl das Gesprächsthema für die nächsten Tage sein würden. Ob sie das störte? Absolut nicht. Immerhin würden sie ihren Namen im Zusammenhang mit Tōrus Freundin zu hören bekommen. Und das war sie. Oikawa Tōrus Freundin. Kapitel 37: madly in love with her ---------------------------------- ● • . Ein paar Wochen später war ganz Miyagi pünktlich zum 23. Dezember bedenkt mit einer dünnen Schneeschicht. Tōru war eigentlich kein Fan von Kälte, aber dennoch mochte er die Feiertage. Weihnachten war ein Tag, den er wie immer gemeinsam mit seinen Freunden verbrachte. Deshalb hatte er sich bereits am frühen Nachmittag auf den Weg zu einem Bungalow in der Nähe von Sendai gemacht. Er gehörte den Eltern von Ohara, die diesen eigentlich vermieteten. Er war perfekt für neun Personen, denn außer Asuna und ihm und natürlich Mai waren auch noch Kamatsu Suki, Inae Lu, Matsukawa und Hanamaki mitgekommen. Es war ihre persönliche Abschlussfeier der Oberschule. Es hatte bereits jetzt etwas...Nostalgisches an sich. »Ich kann nicht glauben, dass das hier deiner Familie gehört«, meinte Kamatsu, deren Haarfarbe sich zu einem dunklen Rot seit der Abschlussreise geändert hatte, staunend. Sie hatten sich nach einem ausgiebigen Essen im großräumigen Wohnzimmer versammelt. Mit leiser Hintergrundmusik und...Alkohol. Tōru hatte ebenfalls etwas von dem kleinen Vorrat seiner Eltern mitgehen lassen. So hatte der Reiz des Verbotenen und der bereits vorhandene Alkoholpegel eine ausgelassene Stimmung unter ihnen verursacht. Selbst er, der nie Alkohol konsumierte, hielt in seiner rechten Hand ein Becher wie alle anderen. Er fragte sich nach wie vor, weshalb er Ja zu dem Getränk gesagt hatte, aber das unbekannte Kribbeln des Hochprozentigen war eine willkommene Abwechslung nach den Strapazen der letzten Monate. Er gab es nur ungern zu, aber die Tatsache, dass sie ausnahmsweise kein stressiges Turnier vor sich hatten, tat ihm und auch dem restlichen Team gut. Er liebte Wettkämpfe, aber schon lange hatten die Trainingseinheiten nicht mehr so viel Spaß gemacht. Ohara grinste breit. »Es hat all meine Überzeugungskraft gekostet, damit wir hier sein können. Ich hoffe, ihr wisst das zu schätzen.« Im selben Atemzug griff sie nach den Pocky-Sticks, die auf dem Tisch neben den anderen Snacks zu finden waren. Tōru schlang seinen Arm fester um Asuna, die auf seinem Schoß saß und sich so mit ihm den riesigen Couchsessel teilte. Ihr Gesichtsausdruck wirkte belustigt. Als er ihrem Blick folgte, hoben sich seine Augenbrauen. Er lag auf Hanamaki. Asuna drehte ihren Kopf nach rechts, ohne die Augen von seinem Teammitglied zu nehmen. »Sag mal«, murmelte sie leise neben seinem Ohr, »steht Hanamaki auf Mai, oder ist er einfach nur scharf auf sie?« »Makki und Ohara?«, wiederholte er und strich ihre Haare auf die Seite. Einerseits da sie ihn kitzelten, andererseits weil er so ihren filigranen Hals im Blick hatte. »Gute Frage. Jetzt gerade sieht es so aus, als würde er am liebsten mit dem Pocky Platz tauschen wollen.« Er lachte leise, woraufhin sein Körper vibrierte. »Wäre ja nicht das erste Mal, dass er in den Genuss kommen würde«, erwiderte seine Freundin und sorgte bei ihm für Verwirrung. Allerdings konnte er sich bereits denken, was sie damit meinte. »Du weißt anscheinend mehr von meinen Teamkollegen als ich«, meinte er und ließ seine Augen über jedes Detail ihres Gesichts wandern. Von ihren bläulichen Augen bis hin zu ihrem kaum sichtbaren Muttermal auf der Wange. Schlussendlich blieb er bei ihren einladenden Lippen hängen, die zu einem dezenten Schmunzeln verzogen waren. Liebend gerne würde er sie gerade küssen. Er konnte nie genug von ihren Lippen auf seinen bekommen. Genauso wie von ihrer Nähe. Deshalb hatte er sie zuvor auch davon abgehalten, auf der anderen Seite zu sitzen und sie bestimmend auf seinen Schoß gezogen. So konnte er stets seine Hände unschuldig über ihren Körper gleiten lassen und war dabei von ihrem einnehmenden Duft umgeben. Es war perfekt, wie auch die letzten Wochen mit ihr an seiner Seite. Selbst die Stunden, an denen sie sich nicht sahen, waren so. Das Wissen, dass er jederzeit zu ihr gehen und sie in den Arm nehmen konnte, war ihm an solchen Tagen genug. »Verrate das keinem, aber sie sind gemeinsam ins Freibad eingebrochen. Das dürfte nicht allzu lange her gewesen sein.« »Kann man es ihnen verübeln? Das hat seinen Reiz. Es hat damals übrigens meine gesamte Selbstbeherrschung gekostet, dir nicht die Unterwäsche vom Leib zu reißen.« Eine halbnackte Asuna, die sich im Wasser an ihn drückte und ihr heiseres Stöhnen in seinen Ohren war der Schwachpunkt, dem er sich nur allzu gerne stellte. Es war unmöglich, bei ihrem verklärten und eindringlichen Blick, wenn ihre Haut kaum bedeckt war, standhaft zu bleiben. Und die Tatsache, dass er der einzige war, der sie so sehen durfte, dass sie ihm allein gehörte, entfachte diese neue und aufregende Zufriedenheit in ihm. »Wie gut, dass du das jetzt jederzeit tun kannst«, schmunzelte Asuna und führte den Becher an ihre Lippen. »Jetzt? Wie in jetzt jetzt?« Er richtete sich bei dem Gedanken etwas auf. Asuna lachte leise und dieses unscheinbare Geräusch sorgte dafür, dass ihm furchtbar warm wurde. »Natürlich nicht jetzt. Das wäre mehr als nur auffällig.« Er schnaubte. »Pf. Mir doch egal. Es kann ruhig jeder wissen, was ich mit meiner Freundin so tue.« Trotzig schob er seine Unterlippe vor. Ihr Lachen verstummte und wurde ersetzt durch erhitzte Wangen. »Alles müssen sie nun auch wieder nicht erfahren, Idiot«, murmelte sie und stieß ihm in die Seite. Darüber war er derjenige, der lachte. Sie konnte echt niedlich sein. »Ich will eure super süße Zweisamkeit ja nicht stören, aber trinkt aus. Es gibt Nachschub! Außerdem...«, Mai machte eine dramatische Pause, »wird jetzt gespielt.« Tōru zögerte kurz, eher er den Rest seines Getränks leerte. Er bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen, als sein Hals brannte. Wie konnten sich andere Leute in seinem Alter jedes Wochenende betrinken? Alkohol war doch etwas absolut...Ekelhaftes. »Wenn es ein Trinkspiel ist, setze ich aus.« »Buh, Spielverderber.« Mai schmollte und gab ihm einen Daumen nach unten, doch dank Makki war sie schnell wieder bei guter Laune. »Sag mal, Asuna. Hast du dich schon auf die Aufnahmeprüfungen vorbereitet?«, hörte er Lu plötzlich fragen, weshalb er mit einem Ohr der Konversation folgte. »Um ehrlich zu sein...nicht wirklich. Ich will die Ferien genießen, solange ich kann.« »Gute Idee. Ich mach es auch so. Die Abschlussprüfungen stecken mir nach wie vor in den Knochen. Urgh. Bis zu der Aufnahmeprüfung haben wir immerhin noch mehr als zwei Wochen.« Lu klingt überzeugt, dass sie die Aufnahmeprüfung schaffen würde. Er zweifelte nicht daran, dass alle aus seinem Freundeskreis auf deren Wunschuniversitäten gehen würden. Neben Lu und Asuna wollten auch die anderen studieren. Ausgenommen Makki und Matsu, die andere Ambitionen hatten. »Aber Asuna muss sich kaum Sorgen über die Prüfungen machen. Warst du nicht überall in den Top 3?« Suki hatte ihre Augenbrauen gehoben, konnte die Anerkennung nicht zurückhalten. Genauso wenig konnte sie die Verständnislosigkeit für dieses Maß an Ehrgeiz kaum nachvollziehen und verstecken. »Ja, außer in Mathe. Aaaaaaber da war ich dank Tōru auf Platz fünf. Für die Aufnahme muss ich trotzdem lernen.« Asuna schmunzelte dezent. Für die anderen mag es zwar aussehen, als würde sie ihre gute Noten mit Leichtigkeit erreichen, aber er kannte kaum jemanden, der so viel Energie in die Schule investierte wie sie. Vermutlich konnte er es mit seinem eigenen Ehrgeiz gleichsetzen, wenn es um Volleyball ging. Deshalb hatte er sich damals mindestens genauso gefreut, als sie die Ergebnisse bekommen hatte. »Ahhh, reden wir lieber darüber, dass wir in wenigen Monaten alle in Tokio sein werden. Wenn es so weit ist, lade ich euch alle in meine Wohnung ein«, meinte Ohara euphorisch und hüpfte auf dem Sofa auf und ab. Makki beugte sich nach vorne und griff in die Schüssel mit den Snacks. »Alle bis auf Oikawa, der nach Argentinien gehen und ein super erfolgreicher Volleyballspieler sein wird.« Grinsend erntete er dafür ein Seufzen des Setters. Der Schwarzhaarige wollte eigentlich nur ein normales Kommentar abgegeben, aber seine Worte lösten in Tōru Wehmut aus. Obwohl es für ihn eine große Chance war, sein Spiel weiterzuentwickeln, war es schwer, an Argentinien zu denken und dabei seine Familie, Freunde und...Asuna außen vor zu lassen. Er hatte gemerkt, wie sehr es sie seit Wochen beschäftigte und belastete. Auch wenn sie mühevoll versuchte, es zu verstecken und stattdessen ihr strahlendes Lächeln aufsetzte, welches er so liebte. Damals hatte er ihr versprochen, dass sich nichts ändern und sie es schaffen würden. Daran hatte sich auch nichts geändert. Allerdings hieß es nicht, dass es nicht schwierig werden würde. Das war unausweichlich. »Noch bin ich nicht in Argentinien und weit davon entfernt, Profi zu sein«, merkte er an und konnte nicht verhindern, dass er Makki einen mahnenden Blick zu warf. Er sollte dieses Thema nicht ansprechen und als Tōru eine Regung in seinem Arm wahrnahm, änderte sich seine Mimik. Er kniff seine Augenbrauen zusammen, als seine Freundin nach dem Leeren ihres Bechers aufstand und den Raum verließ. Es fiel den anderen nicht wirklich auf. Zumindest hielten sie Asuna nicht zurück. Das würde sie auch nicht wollen. Erst einen Augenblick später folgte er ihr stumm, ohne eine Ausrede für sein Verschwinden zu nutzen. »Alles okay?« Diese Frage war bescheuert. Dessen war er sich bewusst. Natürlich war nicht alles okay. Sonst wäre sie nicht nach Makkis Worten gegangen und würde jetzt nicht in der halbdunklen Küche stehen. Ohne Anstalten zu machen, schnell zurückzukehren. Bei dem Klang seiner Stimme hob sie ihren Kopf. »Ja....Tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dir meinetwegen Sorgen machst. Langsam sollte ich damit klarkommen, dass du in ein paar Monaten in Argentinien sein wirst.« Sie lächelte. Natürlich war es alles andere als echt. Tōru stellte den Becher auf den Tisch, um ihr Gesicht in beide Hände nehmen zu können. »Dummkopf. Wieso entschuldigst du dich?« »Weil ich dir kein schlechtes Gewissen bereiten will. Ich weiß, dass das auch für dich nicht einfach ist. Trotzdem verhalte ich mich manchmal so.« Sie seufzte tief und drückte ihre Wange fester gegen seine Handfläche. »Ich habe tatsächlich ein schlechtes Gewissen, aber das habe ich schon lange. Und ich hoffe du weißt, dass ich nicht von dir erwarte, dass du mit all dem klarkommst. Denn ich tue das auch nicht.« Tōru nahm sie ihn den Arm und drückte sie an sich. Er hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen. Wie könnte er es ihr jemals vorhalten, wenn er jedes Mal, sobald sie nicht bei ihm war, gedankenverloren und völlig frustriert an die bevorstehenden Tage ohne sie denken musste? Er war ein guter Schauspieler. Er hatte schon immer seine tiefsten Ängste und Zweifel vor allen anderen versteckt. Den Starken gemimt, obwohl ihn seit Monaten die getroffene Wahl zwischen der Volleyballkarriere und dem Bleiben bei Asuna innerlich in tausend Stücke zerriss. Er wollte beides, aber das war unmöglich. »Wie kann ich dich nicht jetzt schon vermissen, wenn du solche Dinge sagst?«, murmelte sie in sein Shirt, während sie ihre Arme um ihn schlang. »Was kann ich dagegen tun, außer nicht solche Dinge zu sagen?« Er schmunzelte und strich ihre Haare nach hinten. Asuna ließ ihre Arme locker und entfernte sich von ihm, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Der nachdenkliche Blick von vorhin war verschwunden und obwohl er nicht von dem Thema ablenken wollte, gefiel ihm die positive Veränderung seiner Freundin ungemein. »Flirtest du gerade mit mir, Oikawa?«, wollte sie nonchalant und mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. Ihre freche Art erinnerte ihn stark an die Zeit, als sie sich nur zum Vergnügen getroffen hatten. »Wenn du es so nennen willst, Kurasaki? Also soll ich dich....auf andere Gedanken bringen?« Er drängte sie langsam nach hinten, sodass sie die Kochinsel in ihrem Rücken spüren musste. Tōru hätte nichts dagegen, wenn sie sich für einige weitere Minuten zurückziehen würden. Für seinen Geschmack hatte er ihren nackten Körper schon viel zu lange nicht mehr an und unter seinem gespürt. »Schon geschafft. Du bist wirklich gut darin«, erwiderte sie und schloss ihre Augen, als er seine Lippen auf ihren einladenden Hals legte und federleichte Küsse verteilte. »Wir können nicht einfach abhauen, oder? Das würde auffallen.« Er vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge, während seine Hände am Saum ihres Shirts zogen. Ihr leises Lachen verursachte ein angenehmes Kribbeln auf seiner Haut. »Würde es, also nein. Können wir nicht. Sollen wir...wieder zu den anderen gehen?« Ihre Worte klangen nicht so überzeugt, aber er ließ dennoch widerwillig von ihr ab. Er holte tief Luft, um sich zu sammeln. Sie machte es ihm nicht leicht, bei Sinnen zu bleiben. »Wenn es sein muss. Aber versprich mir, dass wir heute noch da weitermachen, wo wir jetzt aufgehört haben.« Tōru nahm seine Hände von ihr, verzichtete aber nicht darauf, ihr einen Kuss zu stehlen. Asuna gab ihm Grinsend das Versprechen und nahm seine Hand in ihre, bevor sie ihn aus der Küche zog. In den nächsten zwei Stunden wurde Argentinien nicht mehr erwähnt, worüber Tōru unheimlich dankbar war. So konnte er die Zeit mit seinen Freunden und vor allem mit Asuna in vollen Zügen genießen. ♛♔ »Du bist betrunken«, meinte Asuna ungläubig, als sie nach Mitternacht vor dem schwach beleuchteten Pool standen. Im Hintergrund wurde laut gelacht und gekichert. Sie hatten sich vor kurzem dazu entschlossen, den kleinen Indoor-Pool zu nutzen. Tōru stellte den Becher auf irgendeinem Regal mit Handtüchern ab und griff anschließend nach seiner Freundin, um sie näher zu sich zu ziehen. Sie hatte ihre Augenbrauen gehoben und musterte ihn forschen, aber auch belustigt. »Ein bisschen vielleicht«, war seine Antwort darauf, während er ihr Shirt nach oben schob. Einerseits wollte er nicht, dass jemand seine Freundin in Unterwäsche sah. Andererseits wollte er sie selbst aber unheimlich gerne in Unterwäsche sehen, die sich an ihren perfekten Körper schmiegte und ihre Rundungen nach seinem Geschmack zur Geltung brachte. Es war ein Zwiespalt seiner Wünsche. Asuna hob ihre Arme und ließ zu, dass er ihr Oberteil entfernte. »Ein bisschen?«, wiederholte sie. Indes hatte Tōru mühe, die Augen von ihrem Dekolleté zu nehmen. Der dunkle BH mit den Spitzen hob ihre Brüste hervor und in seinen Vorstellungen legte er seine Lippen auf die blasse Haut. Gerade jetzt begnügte er sich damit, jedes Detail aufzusaugen. »Ist ein bisschen schlecht?« Sie schüttelte den Kopf und schob die Jogginghose über ihre Hüfte. »Ehrlich gesagt finde ich es fast schon niedlich.« Grinsend hob sie ihre Schultern und drehte ihm den Rücken zu. Er beschwerte sich nicht. Vielmehr beobachtete er fasziniert, wie sie über die Stufen ins Wasser ging. Es erinnerte ihn an damals und das war...gefährlich. Erst als sie sich mit ihren Unterarmen am Beckenrand abstützte und ihn ansah, kam Bewegung in den Setter. Er zog sich das Shirt über den Kopf. Die Jeans folgte. »Niedlich ist das letzte Wort, mit dem man mich beschreiben sollte«, murmelte Tōru beleidigt, nachdem er ebenfalls den Pool betreten und zu Asuna aufgeschlossen hatte. Er berührte sie ausnahmsweise nicht, sondern stellte sich neben sie. Jedoch mit dem Rücken zum Beckenrand. Asuna lachte leise bei seinem Ausdruck. »Keine Sorge. Es ist nur eines von vielen.« »Also wenn wir vorhin schon dachten, Makki wäre am Durchdrehen, dann ist das hier nichts dagegen. Sieh mal«, er deutete unauffällig zu den anderen, »Ohara in Unterwäsche scheint ihm ganz schön zuzusetzen.« Er musste ein Lachen zurückhalten. So kannte er seinen Freund und Mitspieler gar nicht. Meistens war er ruhig und eher kühl. Jetzt gerade schien er nicht zu wissen, wie ihm geschah. Tōru konnte es ihm nicht verübeln. Ihm ging es bei Asuna selbst nach all der Zeit nicht anders. Ihre Präsenz, ob angezogen oder nicht, umhüllte ihn wie eine Blase, aus der es kein Entkommen gab. »Verständlich. Selbst ich muss auf ihre beeindruckenden Brüste starren.« Ein kleines Seufzen entfloh seiner Freundin. Tōru runzelte die Stirn. »Du weißt hoffentlich, dass deine Brüste mehr als perfekt sind.« Er ließ es sich nicht nehmen, ihr mit seinem Körper die Sicht zu versperren, sodass sie ihn ansehen musste. Mit seinem Finger fuhr er den Rand ihres dunklen BHs entlang und schob diesen ein wenig nach unten. »Pure Perfektion, die niemand außer mir anfassen darf. Ziemlich privilegiert, findest du nicht?« Er verfolgte seine eigene Bewegung und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass sich auf ihrer Haut eine merkliche Gänsehaut bildete. Es war ihm wichtig, dass sie wusste, dass ihr niemand auf dieser Welt das Wasser reichen konnte. Egal in welcher Hinsicht. Selbst mit all ihren kleinen Macken und auch Makeln, die Asuna manchmal anmerkte und die er nicht ansatzweise als solche bezeichnen würde, war sie für ihn wie ein surrealer Traum. Manchmal konnte er nicht glauben, dass sie tatsächlich seine Freundin war. »Idiot«, murmelte sie leise und wandte den Blick ab, das dezente Lächeln konnte sie aber nur schwer verbergen. »Ich liebe dich auch«, antwortete er gut gelaunt und platzierte einen sanften Kuss auf ihrer Stirn. Tōru warf einen kurzen Blick über seine Schulter. »Und jetzt lass uns die anderen fertigmachen. Bei diesem Spiel haben sie keine Chance gegen uns.« Bei seinen motivierten Worten sah sie ebenfalls zu ihren Freunden. Kurz dachte Tōru, dass sie verneinen würde. Allerdings rief sie grinsend und nicht minder angespornt: »Wir machen mit. Bereit, zu verlieren?« Hastig passierte sie ihn. Asunas Ehrgeiz überraschte ihn ab und zu trotz der Zeit, in der sie sich kannten. Es war unnötig zu sagen, dass es sich dabei um ein Trinkspiel handelte. Zumindest hielt Matsu eine Flasche Champagner in der Hand, als hätte er gerade die Meisterschaft im Alleingang gewonnen. ♛♔ Nach fast zwei Stunden inklusive einigen Pausen außerhalb des Wassers endete das Spiel damit, dass Asuna und er zwar nicht gewannen, aber für die häufigsten Lachanfälle gesorgt hatten. Es war fast wie der Sieg. Dennoch genoss sie die Ruhe, als die anderen sich dazu entschlossen hatten, schlafen zu gehen. Oder was auch immer sie in den Schlafzimmern taten. Tōru hatte indes das Gefühl, als wäre ihm der Alkohol endgültig zu Kopf gestiegen. Er war zwar weit davon entfernt, seinen Zustand tatsächlich als betrunken zu bezeichnen, aber so ähnlich musste es sich anfühlen. Er als Sportler war es aber einfach nicht gewohnt, nicht völlig Herr seiner Sinne zu sein. Ob er es schon bereuen sollte? Immerhin gab es einen guten Grund, weshalb er auf Alkohol verzichtet hatte. Träge legte er seine Stirn auf die verschränkten Arme und schloss die Augen. Jetzt war es eindeutig zu spät. In dem Moment, als er sich seiner Anspannung bewusst wurde, spürte er die sanfte Berührung von Asunas Händen an seinem Rücken. Mit wenig Druck fuhr sie die Wirbelsäule entlang und sorgte dafür, dass die Spannung langsam aber stetig nachließ. Fasziniert mit welch einfachen Mitteln es seine Freundin schaffte, ihn entspannen zu lassen, wäre ihm beinahe ein wohliges Seufzen entkommen. Umso frustrierte war er, als sie damit stoppte. Sein Unmut hielt aber nicht lange an, denn im selben Atemzug legte sie von hinten ihre Arme um ihn und drückte ihren Oberkörper merklich an seinen Rücken. Ihre erhitzte Haut durchflutete ihn und ihre Hände, die nun seine Vorderseite ertasteten, vertrieben die Müdigkeit. »Alles okay?«, erklang die weiche Stimme von Asuna und ihre ernsten Worte, die auch er vorhin benutzt hatte, standen im Kontrast zu ihren Fingern, die auffallend tief kleine Kreise zogen. »Nur, wenn du auf meine nächste Frage mit Nein antwortest. Trägst du gerade einen BH?« Hoffnungsvoll öffnete er seine Augen und lauschte. Ihre leises Lachen jagte kleine Stromstöße durch seinen Körper. »Um ehrlich zu sein, trage ich gerade...gar nichts.« Tōru schmunzelte zufrieden und unter normalen Umständen hätte er sich umgedreht, um ein Bild zu ihren Worten zu haben. Jedoch hielt Asuna ihn davon ab, indem sie mit ihrer Hand nach seiner Erhebung griff. Nur mit dem dünnen Stoff zwischen ihnen übte sie Druck auf sein Glied aus, welches sofort darauf reagierte. Tōrus Kehle entwich ein Grollen, als das Blut in seine Lenden schoss. »Testest du meine Selbstbeherrschung?«, brachte er heraus, während sie sich kurzerhand dazu entschloss, ihre Spielerei einen Schritt weiterzutreiben. »Wieso sollte ich, wenn Selbstbeherrschung gar nicht notwendig ist?«, murmelte sie und ließ ihre Finger unter den Stoff seiner Boxershorts gleiten. Ohne zu zögern nahm sie seinen halb harten Schwanz in ihre Hand, sodass er binnen weniger Augenblicke zur vollen Größe anschwoll. Ihre gezielten Bewegungen waren geschickt und sorgten dafür, dass Tōru den Beckenrand umklammerte, als würde es in irgendeiner Weise Abhilfe schaffen. »Verflucht...Asuna!«, zischte er. Es waren nur eineinhalb Wochen her, seit sie das letzte Mal Sex gehabt hatten, und dennoch war das Verlangen nach ihr unerträglich. Deshalb wollte er mehr von ihr als ihre Hand, obwohl sie damit Wunder vollbrachte. Er stoppte sie mit einem Griff nach ihrem Handgelenk und drehte sich um, sodass er mit dem Rücken zum Beckenrand stand. Seine Erektion meldete sich mit einem unzufriedenen Pochen, während sein Blick über die sichtbare nackte Haut wanderte. Von ihrem perfekten Gesicht, welches von den hellen Strähnen umrahmt wurden, zu den schmalen Schultern bis hin zu ihren Brüsten, die unglücklicherweise von dem Wasser bedeckt blieben. Mit einer Hand auf ihrer Hüfte und der anderen in ihrem Nacken meinte er: »Keine Selbstbeherrschung bedeutet...keine Zurückhaltung. Bist du bereit dafür?« Er zog sie näher zu sich, sodass sie spüren konnte, wofür sie bereit sein sollte. Asuna biss sich auf die Unterlippe, was er unheimlich anziehend fand. Er wollte sie küssen, er wollte sie schmecken, er wollte mit seinen Lippen jeden Zentimeter ihrer weichen Haut verwöhnen. Er wollte sie. Während sie ihn durch ihre dichten Wimpern ansah, hob sie ihren Arm, um nach seinem zu greifen. »Es enttäuscht mich, dass du das fragst.« Mit diesen Worten schob sie seine Hand durch ihre Tat tiefer. Seine Finger strichen dabei über ihre Brüste und ihren Bauch. Er musste schmunzeln. Asuna neigte dazu, die Kontrolle behalten zu wollte. Es lag in ihrer Natur, Anweisungen zu geben, auch wenn sie das nicht so gerne hörte. Deshalb musste er sie manchmal daran erinnern, dass er ebenfalls ein Wörtchen mitzureden hatte. Das war das, was in seiner Natur lag. Tōru drückte ihr Kinn nach oben. Er liebte es, wenn sie ihn mit dieser Mischung aus Ungeduld und Verlangen ansah. Dann konnte er nicht anders, als sie zu küssen. Ihre Lippen waren weich und schmeckten nach Beeren. Umso bestimmender glitt seine Zunge in ihren Mund, verwickelten sie in einen heißen Kampf, den keiner verlieren wollten. Asuna entkam ein Stöhnen; gedämpft durch seinen Mund aber durch die hohen Decken laut genug, als er seine Finger zwischen ihre Beine gleiten ließ. Sie war feucht. Er unterbrach den Kuss, nur um zu sehen, wie sich ihre Gesichtszüge anspannten, als er mit sanften Bewegungen ihre empfindlichste Stelle umkreiste. Dieser Anblick erregte ihn, ließ ihn Dinge fühlen, die bloße Ungeduld in den Schatten stellten. Er hätte ewig so weitermachen können. Ihr dabei zuzusehen, wie sich ihr Gesicht vor Lust anspannte, war besser als alles, was er kannte. Mit dunklen Iriden stoppte er trotz allem damit. Stattdessen strich er mit seinem Daumen über ihre Unterlippe, während sich ihre Nägel in seinen Oberarm bohrten. Er hatte sie längst da, wo er sie haben wollte. Gefangen in ihren Empfindungen und dem Verlangen nach mehr. Obwohl er sich eigentlich nicht zurückhalten wollte, wollte er ihr genauso sehr das verdiente Vergnügen bereiten. Er wollte den angespannten und vor Lust verschleierten Blick genießen, der ihm versicherte, dass sie seine Berührungen in vollen Zügen genoss. Es war eine Genugtuung und zugleich wuchs die Vorfreude auf mehr. Aus diesem Grund überbrückte er den Abstand zwischen ihnen abermals. Seine Zunge glitt über ihre leicht geöffneten Lippen und im selben Moment ließ er zwei seiner Finger in sie gleiten. Asuna schnappte nach Luft und dreist wie er war, erstickte er ihren Laut, indem er auch von ihrem Mund Besitz ergriff. Ihre Nägel bohrten sich in seinen Oberarm. Doch je öfters er seine Finger in ihrer weichen und warmen Mitte bewegte und je öfters er ihr Seufzen wahrnahm, desto mehr wollte er von ihr. Tōru stoppte mit seinem Tun. Begleitet von einem unzufriedenen Zischen, betrachtete er ihren Gesichtsausdruck. Es war schwer, sich nicht auf seine pulsierende Härte zu konzentrieren, die unaufhörlich nach Asunas Aufmerksamkeit schrie. Er holte tief Luft, weil ihm all die Dinge in den Kopf schossen, die er mit ihr anstellen wollte. »Du bist so verflucht heiß, Asuna«, raunte er dicht neben ihrem Ohr, während seine Finger ihren Rücken entlangtasteten. Seine Lippen streiften ihren Hals, als er seine Forderungen stellte: »Ich will jeden Zentimeter deiner Haut küssen. Ich will,...« Tōru legte seine Hände auf ihren Hintern und zog sie näher. »...dass du meinen Namen stöhnst, weil du an nichts anderes denken kannst.« Asuna antwortete nicht, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt, seine Berührungen zu genießen. Das störte ihn nicht. So konnte er sich voll und ganz auf sein Vorhaben konzentrieren. Und er hatte einiges mit ihr vor. Nach all der gemeinsamen Zeit kannte er ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse, ihre Schwachstellen. Er wusste, wie und wo er sie berühren musste, um sie um den Verstand zu bringen. Deshalb hob er sie hoch, sodass sie ihre Beine um seine Hüfte schlang. Bei dem Gefühl ihres nackten Körpers an seinem wurde ihm unerträglich heiß. Ein weiterer Grund, um ungeduldig zu werden. Weil er das Wasser vorerst nicht verlassen wollte, ging er bis zu den integrierten Sitzmöglichkeiten. Die ganze Zeit hatte keiner von ihnen etwas gesagt. Erst als Asuna auf ihm saß, durchbrach sie die Stille: »Ich will dich in mir spüren, Tōru. Jetzt.« Um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, zog sie an dem Bund seiner Boxershorts. Er grinste bei dieser Ungeduld und legte seine Lippen auf ihr Dekolleté. »Oh, das wirst du«, murmelte er und sah nach oben. Seine Hände lagen auf ihren Oberschenkeln. Mit leichter Gewalt drückte er ihr Beine auseinander. Dass ihm dieser Anblick zur Gänze verwehr blieb, war ärgerlich. Das Wasser hatte seine Reize, aber er wollte sie zur Gänze vor sich haben, sodass er jeden Millimeter ihrer nackten Haut begutachten konnte. Asuna drückte sich an ihn und senkte ihren Kopf, bis sie problemlos ihre Lippen auf seinen Hals legen konnte. Tōru schloss die Augen, als er ihre Zunge spürte, gefolgt von ihren Zähne, die ihm ein tiefes Seufzen entlockten. Kleine aber intensive Stromstöße schossen in seine Lendengegend, woraufhin er sie fester auf seinen Schoß presste. Ein gequältes Wimmern entkam ihr und war wie Musik in seinen Ohren. Es war viel zu gut, um nur als kleines Vorspiel zu gelten. Wenn sie ihn noch länger reizte, würde er nicht lange aushalten. Fuck...er würde es definitiv nicht lange ertragen. Nicht wenn sie so unglaublich attraktiv war und ihre Hüften in dem gleichmäßigen Tempo bewegen würde. Asuna ließ von seinem Hals ab und sah ihm stattdessen in die Augen. »Zieh dich endlich aus, Tōru. Oder ich muss mich selbst um Erlösung kümmern«, raunte sie. »Um ehrlich zu sein würde ich alles dafür geben, um zu sehen, wie du es dir selbst machst.« Asunas nackter und windender Körper mit den perfekten Brüsten, die von ihren eigenen Händen verwöhnt wurden. Ihre gespreizten Beine, die einen atemberaubenden Blick auf ihre feuchte Mitte boten. Und ihr leises und unwiderstehliches Stöhnen, wenn ihre Finger ihren empfindlichsten Punkt berührten. Diese verflucht bildhafte Vorstellung ließ sein Glied vor Erwartung zucken. Bei seinen Worten schmunzelte sie. »Wenn du mich zum Kommen bringst, werde ich das nächste Mal viel mehr tun, als es mir einfach so selbst zu machen.« »Das ist alles? Du weißt hoffentlich, mit wem du es hier zu tun hast«, warnte Tōru. »Wer hat denn etwas von einmal gesagt?« Herausfordernd hob sie ihre Augenbrauen, während ihre Hände über seine Schultern und anschließend über seinen Oberkörper glitten. Tōru lachte leise und ließ von ihren Beinen ab. »Dann sollten wir keine Zeit verlieren«, erwiderte er leise, mit dem Blick längst wieder auf ihren Lippen und den Gedanken bereits viel weiter. Er konnte nicht aufhören daran zu denken, wie sie sich anfühlen würde. Obwohl er es bereits so oft erlebt hatte, war es jedes Mal aufs Neue ein Rausch, der niemals enden sollte. Sex im Pool war verlockend, aber...der Gedanke von vorhin ließ ihn nicht los. »Wir sollten das Wasser verlassen.« Er brauchte nicht den Grund nennen, denn sie verstand ihn auch ohne Worte. Deshalb ließ er es sich nicht nehmen, das bevorstehende Liebesspiel auf eine der riesigen Liegen zu verlegen. Asuna machte den Anfang, indem sie sich auf den weichen Untergrund sinken ließ und nach hinten rutschte, bis sie sich dank der unzähligen Kissen nach hinten lehnen konnte. Noch stützte sie sich mit ihren Unterarmen ab. Ihren Körper zierte seit dem Moment, als sie das warme Wasser verlassen hatten, eine merkliche Gänsehaut. Von ihren Beinen, über ihren Bauch bis hin zu ihren Brüsten zeigte sich der Temperaturunterschied, auch wenn er nur minimal war. Für Tōru war diese natürliche Reaktion faszinierend, weshalb er den Anblick verinnerlichte, als wäre es die Lösung des ultimativen Rätsels. »Tōru...«, murmelte sie leise und die Art, wie sie ihn ansah, machte ihn beinahe sprachlos. Sie war so verdammt heiß, dass er an nichts andres denken konnte, als an ihren von Wasser benetzten Körper, der sich sehnend nach Erlösung unter seinem wandte. Bei diesem Ton kam Bewegung in seine Muskeln. Er folgte ihr auf die rund gehaltene Ruheinsel und drückte ihre Beine auseinander, die ihm den Blick auf ihr Zentrum verwehrten. Dies hatte er sich so ausgiebig ausgemalt. Jetzt, außerhalb des Wassers, war sie ihm ausgeliefert. Mit einem Schmunzeln beugte er sich nach unten, um seine Lippen auf die Innenseite ihres Oberschenkels zu legen. Wenn ihm etwas Freude bereitete, dann ihr heiseres Stöhnen, würde er seine Zunge in ihrer Mitte versenkte. Doch noch tastete er sich langsam vor, wohl wissend, dass es sie ärgerte. Auch wenn er vorhin von keiner Zurückhaltung gesprochen hatte, wollte er den Moment genießen. Jede Sekunde mit Asuna war kostbar. Deshalb verteilte er die Küsse quälend langsam, anstatt zu hetzen. Tōru riskierte es und sah nach oben. Ihre Augen hatten sich nicht von ihm losgerissen, doch es war ihr anzusehen, dass es ihr Schwierigkeiten bereitete. Es gefiel ihm. Sie sollte genau sehen, was er mit seiner Zunge anstellte. Weil ihm seine eigene Lust auf die Probe stellte, entschied er sich dazu, ihr das zu geben, was sie verdiente. Er legte seine Lippen auf ihre Mitte und wurde sofort von Feuchtigkeit begrüßt. Geschickt umkreiste er ihren von Nerven durchzogenen Hügel und ließ es sich nicht nehmen, ihn manchmal bewusst nicht zu berühren. Sie murrte frustriert und lehnte sich zurück. Als Antwort ließ er seine Hand ihren angespannten Oberschenkel entlanggleiten und genoss ihre zarte Haut unter seinen Fingerspitzen. Asunas Becken bewegte sich unruhig unter seinen Berührungen und ihr leises Seufzen machte ihn verrückt. Er stoppte damit, ihr mit seiner Zunge diese engelsgleichen Töne zu entlocken und beobachtete ihre Mimik, welche sich kaum entspannte. Ohne den Blick abzuwenden, vergrub er seinen Finger in ihr. Nur einen, um ihr einen Vorgeschmack auf das gab, was noch kommen sollte. Ihre Reaktion darauf war Anreiz genug, um sich wieder den wichtigen Dingen zu widmen. Ihr Oberkörper bäumte sich auf, während sie ihre Hände zu Fäusten ballte. Gepaart mit dem gedämpften Stöhnen war das ihre Art, um mit seiner Zunge und seinen Fingern, die sich unaufhörlich in Mitten ihrer Wände krümmten, umzugehen. Sie konnte ihm nicht widerstehen und er konnte es nicht erwarten, bis sie um Erlösung betteln würde. Tōru spürte, wie sich ihre Hand in seinen Haaren vergrub. »Du...musst wirklich...damit aufhören. Jetzt.« Ihre Stimme war leise und beinahe hätte er sie nicht verstanden. Er kannte sie aber gut genug, um sich ihre Worte zusammenzureimen. Und um zu wissen, was hinter diesen Worten steckte. Auch wenn er gerne weitergemacht hätte, stoppte er damit, sie mit seiner Zunge zu verwöhnen. Seinen Finger entfernte er jedoch nicht, sondern fügte einen weiteren hinzu, was sie merklich nach Luft schnappen ließ. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Mit quälend langsamen Bewegungen traf er den richtigen Punkt und entlockte ihr ein lauteres Stöhnen. »Bist du sicher, dass ich aufhören soll?«, fragte er sie rau, denn diese Geräusche schickten mehr als nur kleine Stromstöße in Richtung seiner Lendengegend. »N-Nein!«, raunte sie erregt, »Aber wenn du es nicht tust, war das Versprechen keine Zurückhaltung umsonst.« Tōru bewegte sich nach oben, um auf ihrer Höhe zu sein. Ihre Blicke trafen sich und er ließ es sich nicht nehmen, seinen Daumen auf ihre Klit zu legen. Asuna presste ihre Lippen zusammen, doch das Wimmern drang dennoch hervor. »Du bist meine Freundin, du schaffst beides. Ich sorge dafür.« Ohne auf ihre Antwort zu warten, küsste er sie. Fest und fordernd. Wie seine Worte. Asuna schien hingegen nicht zu wissen, worauf sie sich zuerst konzentrieren sollte. Auf seine Finger, die nicht damit stoppten, immer wieder in die feuchte Enge einzudringen? Oder auf seine Zunge, die ihren eigenen Geschmack mit sich trug? Tōru konnte es nicht oft genug denken. Sie so ausgeliefert unter sich zu sehen, war für ihn jedes Mal aufs Neue ein Hochgefühl. Mit seinem Schwanz, der unaufhörlich in seiner Boxershorts pochte, trennte er seine Lippen von ihren und widmete sich ihrem Hals, der ungeschützt auf die Schärfe seiner Zähne wartete. Der Einsatz derer war nicht fest, aber er reichte aus, um Asuna wieder eines ihrer verführerischen Geräusche zu stehlen. Er saugte an der gereizten Haut mit dem Wissen, dass eine gerötete Stelle zurückbleiben würde. Sie war kein Fan davon und er hielt sich damit auch meistens zurück, aber gerade wollte er der ganzen Welt zeigen, dass sie ihm gehörte und dass niemand anderer auch nur einen Finger auf diesen perfekten Körper legen durfte. »Stopp«, kam es plötzlich von ihr, während sie nach seinem Handgelenk griff. Tōru hielt inne und sah sie an. Sie holte offensichtlich tief Luft, um ihren Puls zu beruhigen. »Leg dich hin.« Ihre Forderung traf ihn unerwartet, aber abgesehen von einer hochgezogenen Augenbraue hinterfragte er nicht und tat wie befohlen. Wenn er einer Forderung nachkam, dann war es jene von Asuna. Und vor allem jene, die eine nackte Asuna beinhaltete. »Alles was du willst.« Er legte seine Hände auf ihre Hüften und verinnerlichte jeden Zentimeter ihres Oberkörpers. Hatte er erwähnt, wie perfekt sie in jeglicher Hinsicht war? »Du weißt wirklich, was ich hören möchte«, murmelte sie und strich ihre Haare nach hinten, von deren Spitzen das Wasser auf ihre Haut tropfte. In Mitten ihrer Worte hob sie ihr Becken. Asunas Ungeduld sorgte dafür, dass seine Spitze schnell ihren feuchten Eingang fand. Erwartungsvoll pochte sein Glied, hoffend, dass es unbarmherzig in die Enge eindringen konnte. Seine Freundin schien genauso nach dem Gefühl zu lechzen, denn er konnte spüren, wie sie ihr Gesäß nach unten drückte. Tōru hielt sie aber an Ort und Stelle. Sie wollte ihn. Oh, und wie sie ihn wollte. »Bitte...« »Bitte was?« So leicht würde er es ihr nicht machen. Asuna holte tief Luft. Ihre Hände lagen mittlerweile auf seinem Oberkörper. Mit erhitzten Wangen antwortete sie: »Bitte lass mich dich in mir spüren.« Diese Worte und ihre honigsüße Stimme waren genug für ihn, um ihrer Bitte nachzukommen. Der Moment, als sie sich auf ihm niederließ und seine Erektion von ihren engen und warmen Wänden umhüllt wurde, hätten ihm beinahe den Verstand gekostet. Asuna legte ihren Kopf in den Nacken und stöhnte genüsslich, während Tōru Mühe hatte, nicht sofort in ihr zu kommen. »Fuck...Asuna! Du fühlst dich so gut an.« Als Antwort hob sie ihr Becken an, sodass die wohltuende Enge nur noch an seiner Spitze zu spüren war. Ihm blieb aber nicht viel Zeit, sich darüber zu ärgern. Langsam ließ sie sich wieder sinken, nahm ihn abermals zur Gänze in sich auf und entlockte ihm ein tiefes Grollen. Mit halb geöffneten Lidern sah sie ihn an, bevor sie begann, sich zu bewegen. Kleine Bewegungen, die auf den ersten Augenschein unsicher wirkten, doch es war genau das Gegenteil der Fall. Gezielt und wissend, was ihn an die Grenzen brachte, ritt sie ihn. Begleitet von dem lustvollem Keuchen, welches von den Wänden widerhallte. Tōru konnte spüren, wie sich ihre inneren Muskeln um seine Härte schlossen. Stück für Stück brachte sie ihn damit bis zum Rand der Klippe. Asunas Atmung ging stockend, als sie ihre Bewegungen beschleunigte. Ein weiteres Zeichen ihrer begrenzten Geduld und dem Wunsch, endlich zu kommen. Tōru presste seine Kiefer fest aufeinander. Immer wieder überrascht, wie sehr er es liebte, wenn sie auf ihm saß, ließ er seine Hand zwischen ihren Beinen verschwinden. Er wollte sehen, wie sie auf ihm kam. Jetzt. Gezielt legte er seinen Daumen auf ihren empfindlichsten Punkt und überraschte sie damit so sehr, dass sie kurz aus dem Rhythmus kam und nach Luft schnappte. Spürbar fester vergrub sie ihre Nägel in seiner Haut. Es war ihr aus dem Gesicht zu lesen, dass die kreisenden Bewegungen seines Fingers das Vergnügen wie in Wellen durch ihren Körper schickte. Asuna konnte dem nicht lange standhalten und er war sich sicher, dass sie es auch nicht wollte. Ihm war bewusst, wie sehr sie es liebte, sein Glied in ihr zu spüren und gleichzeitig den Genuss seines Fingergeschicks zu erleben. Und für ihn gab es nichts Besseres, als ihr dieses Vergnügen zu bereiten. Sie biss sich auf die Unterlippe und ihre Bewegungen wurden unruhiger. Tōru festigte den Griff um ihre Hüften und konzentrierte sich auf diese verfluchte Enge und darauf, nicht sofort in ihr zu kommen. Seine Augen wanderten von ihrem Gesicht zu ihren Brüsten, die bei jeder Bewegung verführerisch in seinem Blickfeld tanzten. Und obwohl er diesen Anblick vergötterte, konnte er es sich nehmen lassen und sie in einer Bewegung auf dem Rücken zu haben. »Ich liebe deinen nackten Körper auf mir, aber...«, meinte Tōru und hob ihr Bein an, um ihr so nahe wie möglich zu sein, »ich mag es auch, dich unter mir zum Stöhnen zu bringen.« Asuna wollte ihm antworten, aber dazu ließ er es gar nicht kommen. Ohne zu zögern drang er in sie ein und brachte sie zum Stöhnen, als hätte sie sich bis jetzt beherrschen müssen. Er hielt sich ebenfalls nicht zurück, sondern nutzte bewusst harte Stöße, um ihr mehr von diesen Lauten zu entlocken. Ihre Fingernägel kratzten dabei über seinen angespannten Rücken und hinterließen vermutlich Spuren, die noch lange nach ihrem Liebesspiel sichtbar sein würden. Ein gewohntes Vergnügen, welches ihn dazu veranlasste, seine Lippen auf ihre zu legen. Seine Zunge schob sich unbarmherzig nach vorne, genauso wie sein Becken. Ihre Bewegungen, die ihm entgegenkamen; ihre Laute, die einen Schauer über seinen Rücken schickten; ihre Fingerspitzen, die sanft und im Kontrast zu ihrem Tun über seinen Oberkörper glitten. All das und natürlich ihre feuchte Mitte, die seinen Schwanz jedes Mal willkommen hieß, brachten ihn an seine Grenzen. Mit jedem weiteren Stoß kam er seinem Ziel näher und als er sein Gesicht in ihrer Halsbeuge vergrub, spürte er, wie sich ihr Körper anspannte und sich ihre inneren Wände enger um seine Härte schlossen. Es war der Moment, in dem sich auch seine Selbstbeherrschung verabschiedete und sich der Knoten löste. Sein Orgasmus traf ihn hart, sodass er selbst Asunas Nägel in seiner Haut nicht wahrnahm. Er kam in ihr und sein pochendes Glied erlangte die erhoffte Erlösung. Mit angespannten Armen, mit denen er die Last seines Körpers von ihrem fernhielt, verharrte Tōru in dieser Position. Er genoss das Gefühl ihres Oberkörpers, welcher sich an seinen presste, und ihre Lippen, die seine Wange streiften. Er wagte es nicht, sich einen Millimeter zu bewegen und etwas an der anhaltenden Wärme ihrer Mitte, die nach wie vor um seinen Schwanz spürbar war, zu ändern. Er liebte diesen Moment und er liebte Asunas einnehmenden Duft, der eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte und ihn deshalb schläfrig machte. Dennoch richtete er sich auf und zog sich langsam aus ihr zurück. Als er Asuna ansah, wie sie erschöpft und mit errötenden Wangen ihre Augen geschlossen hielt und sich ihr nackter Oberkörper bei jedem Atemzug hob, schlich sich ein dezentes Grinsen auf seine Lippen. Er war so verflucht verliebt in sie, dass er manchmal selbst nicht glauben konnte, wie solche Gefühle überhaupt möglich waren. Wie konnte er sich in ihrer Nähe fühlen, als wäre er unbesiegbar? Wie konnte sie dafür sorgen, dass er weder Ängste noch Zweifel hatte? Wie schaffte sie es, dass ihn Volleyball, seine Lieblingssportart und zugleich Grund für seine dunkelsten Gedanken, nicht völlig zerstörte? Obwohl es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für diese Gedankengänge war, fragte er sich, wie er sie in wenigen Monaten einfach hier zurücklassen sollte... Kapitel 38: where is the good in goodbye? ----------------------------------------- ● • . day 0 Seit zehn Minuten stand Asuna unter der Dusche, obwohl sie ihre Haare bereits längst gewaschen hatte. Alles, was sie tat, war, das heiße Wasser auf ihren mittlerweile geröteten Rücken prasseln zu lassen. Es lenkte sie ab. Davor, dass Tōru in weniger als 24 Stunden im Flugzeug nach Argentinien sitzen würde. Die ganze Woche hatte sie dank ihres neu begonnenen Studiums nicht oder kaum daran gedacht. Doch jetzt, wo sie in ihrer neuen Wohnung im Distrikt Shinjuku wohnte, überschwemmten sie die negativen Gedanken. Erfolgreich hatte sie das Wissen um diesen Stichtag verdrängt. Es hatte erstaunlich gut funktioniert, doch die Zeit war viel zu schnell verflogen. Und...Asuna wollte nicht weinen. Wirklich nicht, aber wie sollte sie sich zusammenreißen, wenn die Liebe ihres Lebens bald am anderen Ende der Welt sein würde? Sie wollte das nicht. Sie wollte nicht von Tōru getrennt sein. Verflucht...sie vermisste ihn selbst dann, wenn sie ihn ein paar Tage nicht sehen konnte. Die 18-Jährige schloss ihre Augen und legte ihren Kopf in den Nacken, sodass das Wasser über ihr Gesicht rann. Sie hatte mit Tōru nicht über Argentinien gesprochen. Zumindest nicht auf einer emotionalen Basis. Es hatte eher organisatorische Dinge betroffen. Abgesehen von ein paar Kleidungsstücken sah es nun aus, als würde nur Asuna hier wohnen. Es war die Realität. Für die nächsten zwei Jahre würde sie so gut wie alleine hier essen, schlafen und lernen. Sie hatte nicht einmal Zeit, mit Tōru die Zeit in der neuen Wohnung zu genießen. Nur ein paar Wochen waren ihnen vergönnt gewesen, ehe es morgen so weit sein und er nach Südamerika fliegen würde. Bereits jetzt fühlte es sich so an, als würde ihr jemand mit Gewalt das Herz aus der Brust reißen. Es schmerzte. Völlig mit ihren Gedanken beschäftigt, bemerkte sie nur bedingt, dass jemand die Glastür öffnete. »Du bist bereits ziemlich lange unter der Dusche.« Tōrus Stimme sorgte dafür, dass sie ihre Augen öffnete, nachdem sie mit ihren Händen über das Gesicht gefahren war. Sie blinzelte ein paar Mal und war sich sicher, dass ihre Augen dieses Mal mehr über ihren Zustand verrieten, als sie hoffte. Tōru reagierte darauf, indem er seine Kiefer anspannte und es unkommentiert ließ, obwohl es ihm sichtlich Überwindung kostete. Um nicht in Schweigen zu verfallen, meinte Asuna: »Ich weiß. Es fühlt sich aber gerade ziemlich gut an.« »Soll ich wieder gehen?«, fragte er vorsichtig, woraufhin sie energisch den Kopf schüttelte und sich an ihn lehnte. Als hätte sie Angst, er würde sich in Luft auflösen, legte sie ihre Arme um ihn. »Nein...bitte bleib.« Das Letzte, das sie wollte, war, alleine zu sein. Tōru fuhr über ihren Rücken und obwohl die Dusche nicht gerade viel Platz für zwei Personen bot, blieben sie noch weitere zehn Minuten unter dem Wasserstrahl. Sie redeten nicht viel, sondern genossen einfach nur die Zweisamkeit. So war es auch, als sie beide im Bett lagen. »Ich liebe dich, Asuna«, murmelte er neben ihrem Ohr, bevor seine Lippen ihre Wange berührten. Asuna schloss ihre Augen bei dieser Geste und versuchte, die negativen Gefühle unter Kontrolle zu halten. Stattdessen konzentrierte sie sich voll und ganz auf seine Präsenz, die sie in einen Zustand der Ruhe versetzte. »Ich liebe dich auch«, hörte sie sich selbst antworten. In einem leisen Ton, denn sein Atem, der über ihre Haut strich, ließ ihre Gedanken kurzfristig verblassen. Anstatt an morgen zu denken, kamen ihr die letzten sechs Monate in den Sinn, die ihr abermals deutlich gemacht hatten, dass sie nie jemand anderes an ihrer Seite haben wollte. Das Wissen, dass sie zusammen waren, reichte ihr. Eigentlich. Sie holte tief Luft, als sich eine Hand auf ihr Bein legte und sie die Hitze seines Oberkörpers spüren konnte. Asuna drehte sich ganz zu ihm und sah ihn an. Sie wollte nicht in diesem Gemütszustand neben ihm liegen und die letzte Nacht mit Tränen in den Augen verbringen. Sie wollte ein letztes Mal für eine längere Zeit seine Nähe und die Ekstase spüren, die er unzählige Male mit Leichtigkeit verursacht hatte. Aus diesem Grund stützte sie sich mit ihrem Arm ab und beugte sich zu ihm. Sachte legte sie ihre Lippen auf seine. Es war schwierig, nicht wehmütig zu werden, doch seine Hände, die zärtlich über ihren nackten Oberschenkel strichen, brachten sie immer weiter weg von dieser Last. Sie konnte nicht denken, wenn er sie küsste, und genau das war es, was sie wollte. Tōru sorgte dafür, dass sie an nichts anderes dachte als an seine Küsse, seine Berührungen und sein heiseres Stöhnen. Die nächsten Stunden verbrachte sie in dieser Blase der Gedankenlosigkeit, bis sie erschöpft einschlief. Traumlos. Erst am nächsten Tag traf sie die Realität hart. Richtig hart. Der Flughafen tat sein Übriges. Das Wissen, in den Urlaub zu fliegen und ein neues Land erleben zu können, war unglaublich. Jetzt gerade hasste sie die hektischen Menschen, die überteuerten Produkte und das Rattern der Koffer. Die Sicherheitskontrolle prangte groß und wie ein Damoklesschwert über ihnen und war wie eine riesige, physische Mauer. Für alle, außer für Tōru, der ein Flugticket besaß. Es war Zeit. Zeit sich zu verabschieden. Und obwohl sie diesen Moment auf keinen Fall verpassen wollte, wünschte sie sich weit weg. Zu sehen, wie alle um Tōru standen und ihn nach der Reihe verabschiedeten, zerriss ihr Herz in Millionen kleine Teile. Es machte die Situation so...real. Viel lieber würde sie weiterhin in ihrer Traumwelt leben, in der niemand kilometerweit getrennt war. Jetzt gerade war der Abstand zur Gruppe ihr Retter in der Not. Er bewahrte sie davor, nicht in Mitten der anderen jeden Blickkontakt zu vermeiden. Blickkontakt bedeutete mitleidige Blicke. Oder schlimmer – tröstende Worte. Sie konnte kein Alles wird gut oder Zwei Jahre sind gar nicht so lange mehr hören. Nichts war okay und zwei Jahre waren eine verflucht lange Zeit. Aber sie riss sich zusammen. Zumindest hatte sie das vor. Abseits der anderen mit verschränkten Armen zu stehen, war weit entfernt von sich zusammenreißen. Deshalb beobachtete Asuna Tōru, der in seiner schwarzen Jogginghose und dem dunkelroten Pullover viel zu gut für Argentinien aussah. Er sprach bereits eine Weile grinsend mit Iwa. Jetzt umarmte er Jana und verabschiedete sich auch von ihr. Fehlte nur noch eine Person. Sie wollte auch grinsen. Sie wollte wirklich. Wieso war das alles hier so schwer? Der Moment, als Tōru ihren Blick suchte und fand, war der herausfordernsten ihres Lebens. Sie wollte umdrehen und rennen. Feige, weil sie Konfrontationen nach all der Zeit nach wie vor hasste. Aber sie blieb standhaft und das lag allein daran, dass sie...ihn abgöttisch liebte. »Du hast nicht vor, wegzurennen, oder?«, fragte er mit einem seichten Lächeln, als die anderen Richtung Ausgang gegangen waren und er nun alleine vor ihr zu stehen kam. Er kannte sie zu gut. »Ich habe nur kurz darüber nachgedacht«, gab sie zu, ehe sie die Arme sinken ließ. Sie starrte auf ihre schwarzen Stiefeletten. Nicht weinen! Nicht weinen! Tōru seufzte und zwang sie mit einer Hand unter ihrem Kinn, ihn anzusehen. »Du bist wirklich schlecht darin, hm?« Er verkniff sich, das Darin genauer zu definieren. Asuna bewegte sich keinen Millimeter und verlor sich etwas in seinen Augen, die sie so liebevoll ansahen, dass sie kurz vergaß, wo sie war. »In allem gut zu sein, wäre langweilig«, versuchte sie zu scherzen, vermasselte es aber gänzlich. Er musterte sie eingehend. »Okay. Also wenn du dich nicht verabschieden willst...« Tōru ließ von ihr ab und drehte sich um. Panik stieg in ihr auf und mit einer Schnelligkeit, die sie sich selbst nicht zugetraut hatte, griff sie nach seiner Hand, um ihn zurückzuhalten. Sie prallte gegen seinen Oberkörper, als sie ihre Arme um ihn schlang, als würde ihr Leben davon abhängen. »Idiot«, murmelte sie in seinen Pullover, »ich will nicht, dass du gehst.« Noch nie hatte sie diesen Satz gesagt und gerade jetzt, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, platzte sie damit heraus. Er schwieg einen Moment. »Ich weiß und ich wünschte, du würdest mitkommen.« Tōru drückte sie fester an sich. Es fühlte sich so unheimlich gut und am liebsten hätte sie nie wieder losgelassen. »Ich werde dich mehr als alles andere vermissen. Das weißt du, oder?« Sie nickte. Nicht weinen! Nicht weinen! Fest biss sie sich auf die Innenseite ihrer Wange. Nicht! Weinen! »Ich liebe dich, Tōru.« Brüchig und verräterisch. Anders konnte sie diese Worte nicht über ihre Lippen bringen. Sie legte alles was sie hatte in diese klitzekleinen Worte und doch waren sie nicht genug. Ein Ich liebe dich war zu wenig, um ihre Gefühle für Tōru in Worte zu fassen. Kein Wort dieser Welt schaffte es. »Ich liebe dich auch, Asuna«, erwiderte er leiser als zuvor, bevor sie sich soweit voneinander lösten, dass sie sich ansehen konnten. Ihre Augen brannten und sie war sich sicher, dass sie nicht nur merklich glänzten, sondern auch offensichtlich gerötet waren. Noch konnte sie das Fallen der Tränen zurückhalten. Jedoch war es nur eine Frage der Zeit, bis sie diese Zurückhaltung aufgegeben würde. Das war...schmerzhaft. Sie holte tief Luft. »Versprich mir, dass wir uns oft sehen werden. Ich weiß der Flug ist lange, aber...versprich es mir.« Als Antwort bekam sie ein schiefes Grinsen, welches sie genauso vermissen würde wie seine blöden Scherze und seine morgendliche Joggingrunde, mit der er sie fast immer weckte. »Ich verspreche es. Und ich verspreche dir, dass wenn ich wieder in Japan bin, dir nie wieder von der Seite weichen werden. Du kommst zuerst und dann kommt Volleyball. Merk dir das.« Sie presste ihr Kiefer aufeinander, schluckte und brachte ein Nicken zustande. Langsam stellte sie sich auf Zehenspitzen und ihre Fingerspitzen berührten ihre Wange. Sie blinzelte ein paar Mal, ehe sie ihre Lippen auf seine legte. Der Kuss war bittersüß, wie...dieser Abschied. Es tat weh und gleichzeitig breitete sich diese altbekannte Wärme in ihrem Inneren aus. Ein schwacher Trost für die anstehende Leere, für die sie nicht bereit war. »Vertrau...uns. Okay?« Er strich ihre Haare nach hinten und ließ schließlich von ihr ab. »Werde ich.« Sofort umklammerte Asuna ihren Arm. »Mach's gut, Tōru.« Zum ersten Mal hoffte sie, dass er schnell verschwinden würde. Länger hielt sie es nicht aus. Sie war so kurz davor, aufzugeben. »Mach's gut, Asuna.« Mit einem letzten persönlichen Lächeln für eine verdammt lange Zeit drehte er sich um und verschwand durch die Sicherheitskontrolle. Unnötig zu sagen, dass zuhause ihre Bemühungen zunichte gemacht wurden und sie all ihren aufgesparten Tränen der letzten Woche freien Lauf ließ. ♛♔ day 249... Vor zwölf Stunden hatte Asuna den argentinischen Boden betreten und nun schloss sie die Badezimmertür von Tōrus Wohnung hinter sich. Sie war angetrunken, als sie in die Küche ging, in der Tōru gerade eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank nahm. Sie blieb an Ort und Stelle und verzichtete darauf, sich hinzusetzen. Außerdem war ihr heiß und sie hatte das Gefühl, als würde sich der Rotwein nun doch bemerkbar machen. Es war Donnerstagabend und die Leute hier verhielten sich, als wäre es ein Feiertag. Trinken, tanzen und...trinken gehörte hier anscheinend zu einem gelungenen Abendessen dazu. Es hatte ihr gefallen und doch genoss sie jetzt die Ruhe in der Wohnung. Vor allem die Zweisamkeit mit Tōru hatte sie bereits den gesamten Tag herbeigesehnt, nachdem sie nur kurz in der Wohnung gewesen waren, um ihre Sachen abzuladen. Von da waren sie direkt zum Strand gegangen, wo Tōru seine Freunde vorgestellt hatte. Nun war sie todmüde, aber an Schlaf dachte sie noch nicht. Mit geröteten Wangen beobachtete sie Tōru dabei, wie er gedankenverloren die Flasche öffnete und diese zu seinen Lippen führte. Er trug ein weißes Shirt und eine schwarze kurze Trainingshose. Schlicht und dennoch würde er jedem gestylten Model die Show stehlen. Asuna verdrängte das aufkeimende und aufregende Prickeln auf ihrer Haut, welches ihr ständiger Begleiter war, seit sie wieder bei ihm sein durfte. Eingenommen von seiner bloßen Präsenz, hatte sie sich bereits in dem Lokal zusammenreißen müssen, um ihn nicht ständig anzufassen. Es wäre ihr furchtbar unangenehm gewesen, wenn man sie am ersten Abend als anhängliche Freundin abgestempelt hätte. Allerdings...je mehr Wein sie getrunken hatte, desto schlimmer war es geworden. Dieses Verlangen nach ihm war pure Folter gewesen. Jetzt, da sie alleine waren, musste sie es nicht mehr zurückhalten und genau deshalb war das Knistern in der Luft unerträglich. Da hatte auch die kalte Dusche keine Abhilfe geschaffen. In dem olivgrünen Oberteil von Tōru, welches zu groß für ihre kleinere und zierliche Statur, ging sie auf die kleine Kochinsel zu. In einem Ruck stemmte sie sich auf diese und hielt kurz überrascht inne, als die Umgebung für einen Augenblick schummrig wurde. Oh, verdammt. Der Alkoholpegel war doch noch nicht weniger geworden. Tōru neben ihr lachte leise und hatte sie anscheinend aus dem Augenwinkeln beobachtet, ehe er ihr die Flasche entgegenhielt. »Lange her, dass ich dich betrunken gesehen habe.« Sie dachte nicht wirklich über ihre nächsten Worte nach. »Hmm...und lange her, dass du mich ausgezogen hast.« Ihre Augenbrauen zuckten dennoch überzeugt nach oben, bevor sie einen besonders großen Schluck von dem eiskalten Wasser nahm. Indes entschied sich Tōru dazu, dass der Abstand zwischen ihnen zu groß war. Er stellte sich vor sie und nachdem sie die Flasche wieder losgeworden war, legte er seine Hände auf ihre Knie. Dreist drückte er ihre Beine auseinander, um ihr näher zu sein. Asuna legte bei dieser Geste ihren Kopf leicht schief, sodass ihre offenen Haare zur Seite fielen. Sie biss sich auf die Unterlippe und ein ungeduldiger Teil in ihr wollte, dass er ihren Oberkörper auf die Arbeitsfläche drückte und bedingungslos f- Gott! Sie wurde so verflucht scharf auf ihn, wenn sie getrunken hatte. Wie oft hatte sie sich zuhause in Tokio unverschämt heiße Szenarien ausgemalt, sobald sie zwei, drei Gläser Wein intus gehabt hatte? Konnte man es ihr verübeln? Sie war hungrig nach mehr als nur ihren Vorstellungen. Deshalb beobachtete sie gespannt sein nächstes Vorhaben. Die Spannung war greifbar. Unter dem spärlichen Licht wurde ihr durch seine Finger auf ihrem Oberschenkel und dem Geruch seines Duschgels bewusst, wo sie sich befand. Wie sie das vermisst hatte. Die Berührungen, seine Stimme, der Duft. Er schob ihr Shirt weiter nach oben. Langsam, Stück für Stück. »Okay. Sagst du mir jetzt auch, wie feucht du schon bist, oder muss ich das selbst herausfinden?«, fragte er unverschämt und nahm seine Augen nicht von der freigelegten Haut. Asuna entkam ein Lachen bei dieser Frage. »Und mir den ganzen Spaß verderben?« Sie legte ihre Hand auf seinen Oberkörper und ließ sie tiefer gleiten. »Es sei denn du verrätst mir, seit wann du versuchst, deine...wirklich beeindruckende Erektion zu verstecken?« Sie nuschelte etwas, doch sie hatte gerade andere Sorgen. Ihr logisches Denkvermögen löste sich gänzlich in Luft auf. Tōrus Hände ertasteten ihren Körper, als hätte er ihn zum ersten Mal vor sich. Zeitgleich brannte jeder Zentimeter ihrer Haut, den seine Fingerspitzen berührten. Als Tōru ihre Oberschenkel fast komplett freigelegt hatte, meinte er abgelenkt: »Irgendwann zwischen dem Hauptgang und deinem dritten Glas Wein, glaube ich.« Er zog sie näher zu sich, sodass sie seine offensichtliche Erhebung seiner Shorts nicht nur sehen, sondern auch verdammt intensiv spüren konnte. Sie klammerte sich an seine Schulter und hielt mit Mühe ein Stöhnen zurück. »Tatsächlich? Dann kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich mindestens seit diesem Zeitpunkt bereit für dich bin und wenn du mich nicht gleich k-«, wollte sie fordern, kam aber nicht mehr dazu. Tōru überbrückte den Abstand und legte seine Lippen fordernd auf ihre. Nicht nur fordernd. Bestimmend, ungeduldig, hungrig nach mehr. Sie keuchte in den Kuss hinein und presste sich enger an ihn, als sie dank seiner Kraft beinahe mit dem Rücken auf der Kochinsel lag. Tōrus Hände erforschten abermals ihren Körper, nur dieses Mal war das Shirt kein Hindernis für ihn. Es war ihm aber nicht genug. Er hob sie hoch, sodass sie ihre Beine um ihn schlang. Blind stolperte er durch den Flur, ohne auch nur einmal die Lippen von ihren zu nehmen. Sie schmissen irgendetwas zu Boden und als Tōru sie gegen die nächstbeste Wand drückte, hörte sie ein gefährliches Knacken eines Spiegels. Asuna war erst wieder im Hier und Jetzt, als Tōru sie auf dem Bett niederließ. Sie strich sich ihre Haare nach hinten, die einem leichten Chaos glichen und musterte ihren Freund, der in diesem Moment sein Shirt über den Kopf zog. Seine Muskeln waren klar definiert und die Sonne hatte sein übriges getan. Sie...wow. »Wie kann es sein, dass das hier«, sie deutete vage auf ihn, »in Argentinien ist, während ich in Japan bin?« Unter normalen Umständen hätte sie wehmütiger geklungen und unter normalen Umständen hätte diese Aussage von Tōru kommen können. Der Wein. Es war der Wein. Tōru schmunzelte und beugte sich über sie. Sie versuchte, nicht auf seine Arme zu starren und zu schmachten wie ein verliebtes, träumerisches Mädchen. »Dabei hast du noch nicht mal alles gesehen.« Er legte seine Hand in ihren Nacken und küsste sie. Seine Zunge berührte ihre und entlockte ihr damit ein tiefes Seufzen. Er schmeckte verführerisch. Mit einer Hand auf seinem nackten Oberkörper schob sie ihn nach hinten. Sie griff nach ihrem Oberteil und zog es ebenfalls über den Kopf. Alles was sie nun trug, war ein verführerisches Höschen. Tiefschwarz, Spitze und mit zwei dünnen Bändern, die zusätzlich ihre Hüfte zierten. Tōru hielt inne und starrte. Er musterte nicht. Er betrachtete sie nicht. Er starrte. Bevor sie ihn fragen konnte, ob sie ihn tatsächlich so sehr aus dem Konzept gebracht hatte, murmelte er: »Ich kann nicht glauben, dass du ohne mich nach Japan zurückkehrst. Fuck! Ich...will dich nicht mehr gehen lassen....« »Tief Luft holen, Tōru«, schmunzelte sie und zog ihn zu sich. Das Gefühl seines nackten Oberkörpers auf ihrem erzeugte ein Kribbeln. Es war besser, als es sich nur vorzustellen. Und das hatte sie zur Genüge getan. »Du bist wunderschön«, meinte er, ehe er sie abermals küsste. Der Kuss raubte ihr den Atem und sie konnte ein leises Keuchen nicht zurückhalten, als sie die Härte an der Innenseite ihres Oberschenkels spüren konnte. Es war lange her, dass sie so gefühlt hatte. Die körperliche Nähe war ein wichtiger Bestandteil ihrer Beziehung und diese zu missen, war furchtbar. Diese nur alle paar Monate zu spüren, glich einem Albtraum. Sie vermisste seine Küsse und Berührungen mit jeder Faser ihres Körpers und sie fragte sich, wie sie die Zeit ohne ausgehalten hatte. Auch wenn sie versucht hatte, sich selbst anderweitig Erlösung zu schaffen, war es nicht vergleichbar. Oh nein! Es kam nicht annähernd an Tōrus Künste ran! Tōru legte seine Lippen an ihren Hals. »Du«, er küsste sich tiefer, »vertraust mir, oder?« Asuna brauchte länger als sonst, um seine Worte aufzufassen. Deshalb runzelte sie die Stirn. Die Frage traf sie überraschend, sodass sie nach kurzer Stille antwortete: »Natürlich.« »Gut. Schließe deine Augen. Nicht schummeln!« Sie tat wie gewünscht und bemerkte, dass er nach etwas suchte. Eine Lade wurde geöffnet und plötzlich spürte sie, wie etwas über ihre Augen gelegt wurde. Verbundene Augen? Wirklich? Sie musste grinsen und biss sich hastig auf die Unterlippe. Irgendwie...gefiel ihr das. Auch wenn es sie etwas nervös machte. Nichts zu sehen war eigenartig. Jedoch vertraute sie Tōru bei allem, was er tat. Und das aufregende Prickeln zwischen ihren Beinen stimmte ihr mehr als nur zu. Er konnte alles mit ihr anstellen und sie würde es mit Vergnügen hinnehmen. »Ich mag deine Art zu denken«, brachte sie deshalb heraus und erntete ein leises Lachen. »Oh, das war noch nicht alles. Aber gut, dass es dir jetzt schon gefällt.« Jetzt war sie doch neugierig. Sie wollte nachfragen, wurde aber von seinen Lippen auf ihren gestoppt. Weniger hatte sie allerdings erwartet, dass er ihre Hände nahm und sie ober ihrem Kopf fixierte. Damit meinte sie nicht das übliche Fixieren. Nein. Das kalte Metall und das folgende Klicken erwischte sie doch unerwartete. »Hand...schellen?«, murmelte sie perplex und rutschte nach oben, nachdem er abermals von ihr abließ. Sie fragte nicht, woher er diese Spielerei hatte. Zumindest drehten sich ihr Gedanken um völlig andere Dinge. Das Gefühl, in ihren Bewegungen und ihrer Sicht eingeschränkt zu sein, beschleunigte ihren Puls. »Du bist...nervös.« Tōrus Hände strichen ihre Seite entlang und sofort fühlte sie den Schauer, der über ihren Rücken kroch. Es war ein angenehmer Schauer. »E-Etwas«, nuschelte sie und ihre Atmung wurde deutlich schneller, je tiefer seine Hände glitten. Wie war das möglich? Lag es daran, dass sie ihm so ausgeliefert war? Gefiel ihr das so sehr, dass diese einfache Berührung reichte, um sie hungrig auf mehr zu machen? Gott! Sie war sich sicher, dass ihr Höschen bereits völlig durchnässt sein musste! »Hm. Dabei hast du das Beste noch gar nicht erlebt.« Seine Hände schwanden von ihrem Körper und er verließ das Bett. Zumindest hörte es sich so an. »Tōru«, rief sie unsicher, bekam aber keine Antwort. Jedoch wurde wenige Augenblicke später die Tür zugeschlagen. »Sieh mal an, wer hier so ausgeliefert vor mir liegt.« Tōru klang fasziniert. »Du scheinst das viel zu sehr zu genießen«, erwiderte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und amüsiert zugleich, auch wenn sie ihn zu gerne gesehen und ihre Hände auf seinen Körper gelegt hätte. Allerdings übertrumpfte ein Gefühl die Nervosität. Und als sie wieder seine Hände auf ihr spürte, bekam sie die Bestätigung. Ihr entkam ein wohliges Seufzen und sie ließ ihre Muskeln locker. Sie hatte keine Ahnung, was er tat, aber er machte schnell klar, dass er keine weitere Zeit verlieren wollte. Asuna konnte seine Lippen fühlen, die sich auf ihren Hals legten. Der dezente Schmerz, als er in die empfindliche Haut biss, bereitete ihr Freude. Seine Zunge zog eine feuchte Spur über ihr Schulterblatt und sorgte dafür, dass sie genüsslich und trotz des Tuchs ihre Augen schloss. Er wusste, was ihr gefiel. »Gleiches gilt für dich«, raunte er gegen ihr Dekolleté. »Mal sehen, wie dir das gefällt.« Er umkreiste mit seiner Zunge ihren Nippel, welcher sofort darauf reagiert. Doch es war nicht das einzige, das sie aus der Fassung brachte. Etwas Kaltes tropfte auf ihren Bauch und sorgte dafür, dass sie überrascht die Luft einzog. Was...? Was auch immer es war, es war furchtbar kalt, als es ihre Haut traf. Asuna zuckte zusammen und riss aus Reflex an den Handschelle, sobald Tōru mit dem Eiswürfel bis zu ihren Brüsten fuhr. Asuna wollte zurückweichen, doch das ausgelöste Gefühl war besser als reine Kälte. Aus ihrer schnellen Atmung wurde ein Keuchen. Gemeinsam mit seiner Zunge, die nach wie vor ihren Nippel liebkoste, wusste sie nicht, was sie empfinden sollte. Es war so intensiv, dass es ihr die Sprache verschlug. Tōru ließ die Kälte tiefer gleiten. Es hinterließ eine eisige und nasse Spur auf ihrem Bauch und die Tropfen verschwanden schlussendlich zwischen ihren Beinen. Genauso wie seine Hand, die den Eiswürfel nicht losgelassen hatte. Die Intensität dieser unverschämten Tat brachte ihr Blut in Wallung. Die Kälte war Folter und Genuss zugleich, doch das Schlimmste daran war, dass sie absolut nichts tun konnte. Es war ihr nicht möglich einzugreifen, auch wenn sie das gar nicht wollte. Tōru konnte alles mit ihr tun und ja! Sie würde es mit jeder Faser ihres Körpers genießen. Es war wie ein Zustand des Rausches, dem sie nicht entkommen konnte. »Tōru«, stöhnte Asuna frustriert, als das Eis gefährlich nahe an ihren von Nerven durchzogenen Punkt gelangte. Sie konnte fühlen, wie feucht diese Spielerei sie bereit gemacht hatte. Auch weigerte er sich, ihr eine Verschnaufpause zu gönnen, denn in dem Moment spürte sie seine Finger, die quälend langsam in sie eindrangen. Ihre Muskeln spannten sich an und ihrer Kehle entkam ein zischender Laut aufgrund der vielen Empfindungen. Der Knoten in ihrem Unterleib wurde mit jeder Bewegung seiner Finger größer, weil er genau wusste, wie er sie an den Rand ihrer Vernunft bringen konnte. Ihre Atmung ging schnell, als er damit stoppte, sie zu reizen. Der Unmut hielt nur kurz, denn zwei Atemzüge später vernahm sie seine Zunge, die ihre Klit in Anspruch nahm. Sie liebte es, wenn er sie auf diese verwöhnte und Asuna war klar, dass sie all dem nicht länger standhalten konnte. Und schon gar nicht, wenn diese verdammte Eiswürfel ihre erhitzte Mitte traf. Er schmolz endgültig. Die unterschiedlichen Arten der Stimulation machten sie verrückt. Sie schnappte nach Luft. »I-Ich kann nicht mehr warten, Tōru.« Asuna wollte jetzt kommen. Länger ertrug sie es nicht. Er ließ nicht von ihr ab. Nicht sofort. Tōru umkreiste ärgerlich langsam ihren Venushügel und hörte erst damit auf, als ihre Atmung deutlich unregelmäßiger wurde. »Dann lass uns das beenden. Bereit dafür?«, raunte er wenige Augenblicke später neben ihrem Ohr und verursachte einen Schauer, der über ihren Körper kroch. Asuna biss sich auf die Unterlippe und nickte, bevor er bestimmend ihre Beine auseinander drückte, um sich zwischen ihnen zu platzieren. Er war nackt und ihr Körper erschauderte vor Erregung, als sie seine Erektion offensichtlich an ihrem feuchten Eingang fühlen konnte. Seine Lippen berührten ihre Wange, während sie sich auf das Kommende vorbereitete. Sie drehte ihren Kopf nach links. Sie wollte ihn küssen und seine Zunge, die sie zuvor beinahe bis zum Orgasmus gebracht hatte, an ihrer spüren. Tōru bemerkte ihre Ungeduld und kam ihrer stummen Bitte nach. Ihre Lippen verschmolzen und ihr eigener Geschmack verbreitete sich in ihrem Mund. Die Augenbinde und die Handschellen brachten sie in eine ungewohnte Situation, doch sie konnte ihm nicht genug dafür danken. Selten hatte sie seine Küsse mit dieser Intensität wahrgenommen. Plötzlich unterbrach er den Kuss und schob ihr das Tuch von den Augen. Mit dunklen Augen meinte er: »Ich will deine hübschen Augen sehen, wenn ich dafür sorge, dass du kommst.« Eine Antwort blieb aus, denn ohne den Blick von ihr zunehmen, glitt sein hartes Glied, begleitet von ihrem lustvollen Stöhnen, in sie. Asuna holte tief Luft, während sich ihre Wände um die Härte schlossen und sie ihre Becken fester an seines presste, damit sie seine Größe vollends in sie aufnehmen konnte. »Ich habe es vermisst, wie eng du dich anfühlst«, brachte er heraus, nachdem er sich aus ihr zurückgezogen hatte, um fester in sie zu stoßen. Geräusche der Lust erfüllten den Raum und Asuna ballte ihre Hände zusammen, die nach wie vor von den Fesseln an Ort und Stelle gehalten wurde. Bei jedem Stoß, bei dem er sich nicht zurückhielt, fühlte sie ihren angestauten Höhepunkt näherkommen. Das war das, was sie ebenfalls vermisst hatte. Seine Nähe und sein Geschick, sie mit scheinbarer Leichtigkeit zum Orgasmus zu bringen. Metall auf Metall ertönte, als sie ihren Oberkörper anhob und ein weiteres verzweifeltes Stöhnen nicht zurückhalten konnte. Seinen Nachbarn würde sie morgen definitiv eine Entschuldigung schuldig sein, doch jetzt gerade war ihr das verflucht egal. Sein Schwanz, der unaufhörlich von ihrer feuchten Wärme Willkommen geheißen wurde, war Grund genug, um alles andere als nichtig wahrzunehmen. Es war lange her, dass sie dieses unglaubliche Gefühl genießen konnte, von Tōru befriedigt zu werden. Aus diesem Grund dauerte es nicht lange, bis sie den Zenit erreicht hatte. »Tōru«, entkam es ihr heiser und damit gab sie ihm zu verstehen, dass sie es jetzt beenden mussten. Asuna konnte fühlen, wie sich der Knoten löste und sie unerwartet heftig zum Orgasmus kam. Ihre Muskeln verkrampften, woraufhin sich diese auch enger um seine Erektion schlossen. Tōru keuchte bei diesem intensiven Gefühl auf und seine Laute vermischten sich mit dem losgelösten Stöhnen seitens Asuna. Ihre Atmung ging stockend, als sie sich den Empfindungen hingab und für ihn kam. Er stoppte nicht, sondern erhöhte das Tempo und die Härte, mit der er in sie eindrang. Ihre Reaktion motivierte ihn, ließ ihn offensichtlich Dinge fühlen, die nicht in Worte gefasst werden konnten. Dafür zeigte er es, indem er ihr Nachbeben nutzte, um sich selbst ans Limit zu bringen. Asuna fühlte so viel auf einmal und genoss diese übermäßige Stimulierung mehr, als sie im Nachhinein zugeben würde. Sein Grollen, als er weiter in ihre Mitte eindrang, schickte kleine Stromstöße durch ihren Körper und es verursachte eine Genugtuung bei Asuna, dass sie ihm diese Geräusche entlocken konnte. Umso mehr erregte es sie, als er genauso seinen Höhepunkt erreichte und mit einem letzten Stoß in ihr kam. Sie bewegte ihre Hüfte kaum merklich, passte sich der abflachenden Geschwindigkeit an. Die Anspannung fiel nach und nach von ihr ab, als er seinen Kopf neben ihr im Kissen vergrub und seinen Puls beruhigte, ohne sein Gewicht auf ihrem zu lasten. Außer der lauten aber mittlerweile regelmäßigen Atmung war nichts in dem Schlafzimmer zu hören. »Ich habe nicht gescherzt. Ich lasse dich nicht wieder gehen«, murmelte er, als beide nach einem kurzen Besuch im Bad nebeneinanderlagen und er seinen Arm besitzergreifend um sie geschlungen hatte. Asuna lächelte müde und genoss nur den Moment. »Ich liebe dich, Tōru.« Für sie war es Antwort auf alles. Auf seine Worte, den gesamten Tag und die Zeit, die sie nicht gemeinsam verbracht hatten. Sie war überwältigt von der körperlichen Herausforderung und dem gesamten Tag, sodass sie ausnahmsweise nicht emotional wurde. Das hob sie sich für den Zeitpunkt auf, als sie wieder zurück nach Japan flog. Alleine. ♛♔ day 589... Asuna schloss den Laptop auf ihrem Schreibtisch und legte ihren Kopf frustriert in den Nacken, bevor sie sich erhob und zum Kühlschrank ging. Sie griff nach der Weinflasche, die sie von Jana zu ihrem 20. Geburtstag bekommen hatte. Janas internationaler Einstellung zu Alkohol war nach all den Jahren wohl auf sie übergegangen und gerade jetzt war sie unheimlich dankbar dafür. Nicht, dass sie öfters zu Wein und Co. tendierte, aber nach diesem Videoanruf mit Tōru hatte sie das Bedürfnis danach. Eine schlechte Verbindung, Zeitunterschied und mangelnde Zeit im Allgemeinen waren Schuld, dass sie frustriert das Gespräch frühzeitig beendet hatten. Heute war es mehr als eineinhalb Jahre her, dass er nach Argentinien geflogen war. Seit damals hatten sie sich vier Mal persönlich gesehen. Viel zu wenig und doch war es anders nicht möglich. Die Flugzeit trug dazu bei, dass sie auf diverse Medien zurückgreifen mussten, um miteinander zu sprechen. Sie hasste es. Asuna hasste es abgrundtief, dass sie sich kaum sahen. Genervt wegen der unausweichlichen Situation ließ sie sich auf der Couch nieder. In der einen Hand hielt sie nun ein volles Weinglas, während ihr Blick in die Leere ging. Es war nicht das erste Mal, dass sie in dieser Situation war. Frustriert und zweifelnd. Wütend und traurig. In diesen Moment fühlte sie sich so verflucht alleine und sie würde lügen, wenn sie sagen würde, sie hätte keine einzige Träne in dieser Zeit vergossen. Auch jetzt war sie nahe dran, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und abends um 18:00 Uhr mit einer Packung Taschentüchern auf ihrer Couch zu hocken. Freitags. Dass es bei Tōru früh morgens war und er neben seinem Unikurs auch noch Training und somit nicht länger Zeit für sie hatte, machte alles nur noch schlimmer. Sie wusste, dass es ihm leidtat und er nichts für seinen straffen Zeitplan konnte. Es war dennoch...enttäuschend. Asuna nippte an dem Wein und griff nach ihrem Handy. Sobald sie es entsperrte, grinsten ihr Tōru und sie selbst entgegen. Iwa hatte es damals beim Abschluss gemacht und es war ihr absolutes Lieblingsbild. Es war nicht gestellt, sondern ein klassischer Schnappschuss. Hastig entsperrte sie das Smartphone und klickte auf ihre gespeicherten Favoriten. Ihr Finger schwebte über Janas Namen, doch sie zögerte und legte das Gerät schlussendlich wieder beiseite. Sie war nicht dumm. Fernbeziehungen waren hart. Das war...gesunder Menschenverstand. Aber es war völlig anders, es selbst zu erleben. Deshalb hatte es Momente gegeben, in denen sie Bedenken gehabt hatte. Wollte sie so die restliche Zeit weitermachen? Was, wenn er sich nach all der Zeit dazu entschloss, einfach dort zu bleiben? Und...wollte Tōru das alles überhaupt? Als sie damals bei ihm in Argentinien gewesen war, war sie...überrascht über all die Frauen in seinem Umfeld gewesen. Natürlich war ihr bewusst, dass Tōru verflucht gut aussah und charmant war. Doch sie hatte nicht mit der offenen Art dieser Frauen gerechnet. Jana hatte sie noch gewarnt und gemeint, dass sie es nicht so ernst nehmen sollte. Japanische Frauen wären dezenter, wenn es um öffentliche Zuneigung ging. Oh, wie recht ihre beste Freundin gehabt hatte. Sie war dennoch nicht begeistert über die Offensive mancher weiblicher Freunde von Tōru gewesen. Außerdem waren sie alle so unheimlich hübsch, dass es ihr noch schwerer fiel, nicht zu viel hineinzuinterpretieren. Natürlich vertraute sie Tōru. Mit jeder Faser ihres Körpers, aber...verdammt! Sie konnte nicht aufhören, diese schmerzhaften Bilder vor sich zu sehen. Bilder, die ihrem Selbstvertrauen und der Beziehung in dieser Entfernung schadeten. All diese Sorgen trieben sie so weit, dass sie darüber nachgedacht hatte, eine offene Beziehung vorzuschlagen. Sie selbst wollte niemand anderen. Bereits bei dem Gedanken, dass jemand anderer als Tōru neben ihr im Bett lag, wurde ihr übel. Und sie hasste diesen Gedanken, dass sie überhaupt daran gedacht hatte. Sie wollte in Wahrheit auch nicht, dass Tōru auch nur daran dachte, eine andere Frau anzufassen. War sie deshalb ein schlechter Mensch? Ahhhh, sie wurde in Momenten wie diesen verrückt. Alles, was sie wollte, war, wieder bei ihm zu sein. Nicht nur für ein paar Tage oder zwei Wochen. Jeden einzelnen Tag wollte sie neben ihm einschlafen und aufwachen. Aber...langsam ertrug sie es nicht. Sobald sie länger Zeit hatte und nicht wie üblich in ihr Studium und ihre Arbeit als Rechtsanwaltsanwärterin vertieft war, nahmen sie diese düsteren Gedanken ein. Sie hasste es! Sie hasste gerade...alles! Fahrig griff sie nun doch nach dem Handy. »Jana...«, murmelte sie verzweifelt, sobald sie ein leises Rascheln gehört hatte. »Soll ich vorbeikommen?«, war das erste, das ihre beste Freundin fragte. »Nein...nein. Es ist nur die Verzweiflung und das Selbstmitleid, die wie immer freitags zuschlagen. Kein Grund zur Sorge. Ich brauche nur jemanden zum Reden.« Sie sah das mitleidige Gesicht Janas vor ihr, als diese antwortete: »Du klingst eindeutiger schlimmer als sonst. Ich komme vorbei. Gib mir 20 Minuten.« Seufzend schwenkte sie ihr Glas. »Nein. Bleib wo du bist, Jana. Ich weiß, dass ihr morgen euren Jahrestag habt und du bereits am Durchdrehen bist. Also...bleib wo du bist. Sprich nur einfach mit mir und sag mir, dass alles gut wird. Bitte. Das ist alles, was ich gerade brauche.« »Oh, Asuna«, hörte sie Jana sanft sagen. Asuna schloss ihre Augen und hatte Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. »Ich hasse es, Jana. Wann...wird das besser? Es ist schon mehr fast eineinhalb Jahre her, dass...dass...« Sie stoppte, weil sie es nicht aussprechen wollte. Ein tiefes Seufzen ertönte. »Ich weiß es nicht. Ehrlich, ich weiß es nicht. Bist du dir wirklich sicher, dass ich nicht vorbeikommen soll? Tōru hat gesagt, dass wir auf dich aufpassen sollen und irgendwie-« »Das hat er gesagt?«, unterbrach sie Jana. Sie hörte davon zum ersten Mal, aber es passte zu Tōru. Wer wenn nicht die beiden konnten ein Auge auf sie werfen? Immerhin sahen sie sich beinahe einmal die Woche. »Hat er und ich-«, begann sie, wurde aber nochmal unterbrochen. Dieses mal von Iwa im Hintergrund. »Yo, Asuna. Bakakawa hat mich angerufen und hat ziemlich niedergeschlagen geklungen. Was hat er angestellt?« Während Jana sich beschwerte, dass sie von jedem unterbrochen wurde, schloss Asuna die Augen. Es war kein Trost, dass er niedergeschlagen klang. Im Gegenteil. Sie wollte nicht, dass er so fühlte. Er sollte glücklich sein. Vor allem nach einem Videoanruf mit ihr. Oh, sie hatten es heute richtig verbockt. »Sei nicht wütend auf ihn, Iwa. Er hat gar nichts falsch gemacht. Es sind nur die...Umstände. Wie immer.« »Okay, aber falls dieser Idiot etwas Dummes tut, sag Bescheid«, forderte Iwa und brachte Asuna damit tatsächlich zum Schmunzeln. In den letzten eineinhalb Jahren war der Sportstudent zu einem großen Bruder herangewachsen, den sie nie gehabt hatte. Sie verstand nicht nur, wieso Jana ihn so sehr schätzte, sondern auch warum er in all den Jahren Tōrus mentale Stütze gewesen war. »Mach ich«, erwiderte sie und in dem Moment läutete es an der Tür. Beinahe hätte sie bei diesem unerwarteten Geräusch wertvollen Wein auf ihre nicht so wertvolle Couch gekleckert. Während Jana und Iwa über etwas diskutierten, ging sie zur Eingangstür. Ein Postbote stand davor und drückte ihr ein Paket in die Hand. Umständlich nahm sie dieses an, unterschrieb und schmiss die Tür mit ihrem Fuß wieder zu. Sie legte das A3 große Paket auf dem Küchentisch ab und stellte das Weinglas daneben ab. Mit dem Handy zwischen Schulter und Ohr drehte sie es um. Der Absender überraschte sie ungemein und deshalb konnte sie die Aufregung nicht zurückhalten. Beinahe entkam ihr ein kleiner Aufschrei. Beinahe. Was konnte ihr Tōru geschickt haben? Sie spürte, wie ihr Puls stieg, als sie das Papier ohne Rücksicht auf Verluste auseinanderriss. »Nicht sein ernst«, entkam es ihr perplex. »Jana? Ich muss auflegen. Ich melde mich morgen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, beendete sie den Anruf. Sie holte eine Schere und beeilte sich so sehr, dass sie nur knapp ihren Finger verfehlte. Als sie die Vakuumisolierung entfernte, hielt sie abrupt inne. Die Sekunden verstrichen uns als wäre es eine Art Heiligtum, fuhr sie über den weichen Stoff. Sie hob das T-Shirt hoch und umklammerte es mit der Angst, es würde sich jeden Moment in Luft auflösen. Langsam hielt sie es näher an ihr Gesicht, sodass der Duft nicht nur ein bloßer Hauch war. Sie lachte, während sie das Gesicht in dem Stoff vergrub. Sie lachte so sehr, dass ihr Körper bebte und sie nicht bemerkte, wie das Shirt mit dicken und salzigen Tränen benetzt wurde. Gott! Sie liebte diesen Idioten. Sie liebte ihn so...sehr. Und sie vermisste ihn. Verdammt. Sie vermisste ihn mehr als es erträglich für sie war. Asuna holte zittrig Luft und versuchte, sich zu beruhigen. »Hör auf damit!«, schimpfte sie mit sich selbst und brüchiger Stimme, ehe sie sich mit dem Handrücken über die Augen fuhr. Es half bedingt und ihre Sicht blieb verschwommen. Sie schüttelte über sich selbst denn Kopf und starrte kurzzeitig in die Leere. Sie entschied sich schnell und innerhalb kürzester Zeit hatte sie sich ihr Oberteil über den Kopf gezogen und war die Jogginghose los. Stattdessen trug sie nun Tōrus gesendetes Shirt. Den Stoff hatte sie sich über die Nase gezogen, um wirklich den gesamten Duft zu inhalieren. Sie kam sich dämlich vor und dennoch grinste sie von einem Ohr zum anderen. Erst in diesem Moment fiel ihr der kleine Zettel zwischen dem Plastik auf. Sie nahm diesen und las neugierig die Worte: Es ist nur ein schwacher Trost, aber ich dachte, du hättest so zumindest einen kleinen Teil von mir bei dir. [Du trägst es bereits, oder? Natürlich tust du das. :)] Und bitte...weine nicht. Es ist viel verlangt, aber ich hasse es, wenn du weinst. Vor allem, wenn ich nicht bei dir bin, um dich zu trösten. Ich liebe und vermisse dich, Asuna. Mehr, als du dir vorstellen kannst. Kann es nicht erwarten, dich an Weihnachten zu sehen! Tōru ♥ Wehmütig ließ sie sich auf dem Sofa nieder. Dank der Worte, die eigentlich tröstend waren, spürte sie abermals die aufkeimenden Tränen. Bevor es noch schlimmer wurde, griff sie nach ihrem Handy und öffnete Whatsapp. Der Nachrichtenverlauf mit Tōru war schnell gefunden. Genauso schnell hatte sie ein Foto von sich geschossen. Das Shirt gut sichtbar. Asuna 20:34 Uhr Danke, Tōru. Ich liebe es! Und ich liebe dich! Sie legte das Smartphone zur Seite, aber nicht für lange. Eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet, doch die Nachricht ließ sie schmunzeln. Tōru ♥ 20:36 Uhr Ich kann nicht glauben, dass ich nicht bei dir sein kann, wenn du nur mein Shirt trägst. Es steht dir eindeutig besser als mir. Ich liebe dich auch und...ich vermisse dich. Kurze Zeit später folgte ein Bild, oder eher ein Screenshot. Er hatte ihr gesendetes Bild als Hintergrund genutzt. Sie ließ sich mit dem Handy in der Hand zur Seite fallen. Obwohl sie sich so oft um alles sorgte, war es ausnahmsweise ein Freitag mit gutem Ende. Sie liebte Tōru und daran änderten auch 18.000 Kilometer nichts. Selbst wenn sie Angst hatte, dass sich etwas zwischen ihnen änderte, wurde ihr doch viel öfters klar, dass Veränderungen nicht schlecht waren. Nicht, wenn diese positiv waren und Tōru ihr jedes Mal aufs Neue bewies, dass sie es wert waren. Tōru und sie. Diese Kombination war es wert, dass sie all diese einsamen Nächte und Tränen in Kauf nahm. Vor allem, wenn sie an die Zeit dachte, die sie in naher Zukunft gemeinsam haben würden. Diese Challenge würden sie beide bewältigen. Mehr als ein Jahr hatte sie hinter sich. Ein weiteres würden sie schaffen. Nicht locker, aber sie würden es schaffen. Epilog: love that I love you ---------------------------- ● • . Asuna hätte beinahe den Schlüsselbund aus den Händen verloren, als sie hektisch die Wohnungstür entsperrte. Sie war spät dran. Viel zu spät. Tōrus erstes Spiel hier in Japan, Tokio, würde in 40 Minuten beginnen und wenn sie den Verkehr miteinbezog, dann hatte sie einen eindeutigen Zeitdruck. Schuld war ihre Chefin, die sie kurzfristig für eine ganze Woche nach Südkorea geschickt hatte. Dadurch hatte sie sogar Tōrus Ankunft verpasst. Es war ein Zusammenspiel vieler unglücklicher Zufälle. Auch für Tōru. Begonnen hatte es mit Problemen in Argentinien, weshalb Tōru fast drei Wochen später nach Japan gekommen war, als geplant. Deshalb hatte er kaum Vorbereitungszeit mit seinem neuen Team hier in Tokio gehabt. Dennoch würde er heute beim Spiel auf dem Feld stehen. Ungewöhnlich, aber vermutlich lag es daran, dass Tōru für das argentinische Olympiateam gespielt hatte. Argentinien lag in der Weltrangliste selbst vor Japan. Nach wie vor unglaublich und sie erinnerte sich an das olympische Spiel, als wäre es gestern gewesen. Der heute Einsatz als Spieler war deshalb etwas Besonderes. Diese Umstände sorgten dafür, dass sie nicht einmal das Entledigen ihrer hohen Schuhe genießen konnte. Stattdessen zog sie ihre Bluse über den Kopf und schmiss diese achtlos in die Ecke des Badezimmers. Die restliche Kleidung folgte. In Rekordzeit duschte sie, verzichtete aber auf das Waschen ihrer Haare, welche seit beinahe einem Jahr kinnlang waren. Das hatte sie bereits heute morgen erledigt. Asuna wollte nicht daran denken, auch nur eine Sekunde von Tōrus Spiel zu verpassen. Er sprach seit Wochen von nichts anderem und seine Aufregung war bis ins kleinste Detail auf sie übergeschwappt. So stark, dass sie den Lidstrich beinahe aufgrund ihrer zittrigen Finger versaute, nachdem sie sich umgezogen hatte. Sie trug einen schwarzen Rock und einen dünnen Pullover, welcher ihre Schulter zeigte. Mit einem Blick in den Spiegel und dem Fixieren ihrer Haare verließ sie das Bad. Sie griff nach ihrem Schlüssel und dem beigen Mantel, machte aber nochmal kehrt. Beinahe hätte sie das Wichtigste vergessen. Die Eintrittskarte. Vor dem Wohnkomplex stieg sie ins Taxi, das sie während des Zähneputzens gerufen hatte. »Zur Ariake Arena bitte« Sie nutzte die ruhigen Minuten, um ihr Gemüt zu entspannen. Die ganze Woche war hektisch gewesen und diese Tatsache wollte sie nicht mit zum Spiel nehmen. Dabei war Tōru nach all der langen Zeit in Südamerika endlich wieder in seinem Heimatland. Nach drei verfluchten Jahren. Sie hatte damals gehofft, dass es bei den zwei bleiben würde. Aber aus den zwei Jahren wurden schlussendlich drei. Das letzte Jahr war dementsprechend...lange und einsam gewesen. Länger und einsamer als die zwei davor. Sie war verärgert und enttäuscht gewesen, aber konnte man es ihr verübeln? Sie hatten eine Zeit lang nicht miteinander gesprochen und das war verdammt schmerzhaft gewesen. Sie hatten bis dahin nie ernsthaft gestritten, aber dass er diese Entscheidung getroffen hatte, hatte sie unwichtig fühlen lassen. Auch wenn ein kleiner Teil in ihr verstanden hatte, dass er seine Karriere weiter vorantreiben wollte. Und mit dem Deal, den er von seinem argentinischen Team bekommen hatte, war es...irgendwie nachvollziehbar gewesen. Dennoch...Urgh! Sie wollte gerade echt nicht an diese Zeit denken. Seufzend, aber mit einem Lächeln im Gesicht, sah sie auf die Uhr an ihrem Handgelenk. 23 Minuten. Das Stadion war riesig. Bis jetzt hatte sie es nur im Fernsehen gesehen, aber live davorzustehen, war eine andere Sache. Asuna musste schmunzeln, als sie auf den Eingang zuging. Die Oberschule kam ihr in den Sinn und wie Tōru und die anderen diese regionalen Turniere gespielt hatten. Das hier war eine völlig andere Liga. Das hier war unglaublich. Überall an den Laternen hingen Bilder von den Spielern. Richtig beeindruckende Bilder, in denen sich alle in coole Posen geworfen hatten. Das bedeutete, dass...hier! Ihr Grinsen schmerzte beinahe und sie nahm sich die begrenzte Zeit, um ihr Smartphone zu nehmen und ein Foto von Tōrus Bild zu machen. Oh, sie würde ihn lange damit aufziehen. Allerdings war sie auch unheimlich stolz auf ihn. Das war ihr Freund, der dort abgebildet war und heute auf dem Feld stehen würde. Ähnlich wie damals bei den Olympischen Spielen, wobei sie ihn nun anfeuern konnte, ohne merkwürdige Blicke von all ihren Landsleuten zu bekommen. Und ohne das Wissen im Hinterkopf zu haben, dass er nur für kurze Zeit in Japan sein würde. Dem war nicht so. Er würde Stunden später nach wie vor an ihrer Seite sein. Das Leben war gerade wirklich...gut. Im Inneren des Stadions war sie baff über die Größe. Dagegen sah das Feld winzig aus. Etwas verloren suchte sie nach ihrer Sektion und fand diese nur, weil ihr Janas knallroter Pullover ins Auge stach. Sie erinnerte sich daran, dass ihre beste Freundin immer über ihre eintönige und triste Kleidung schimpfte. In Janas Kleiderschrank gab es jede einzelne Farbe des Regenbogens. Asuna glaubte sogar, ein Shirt in all den Regenbogenfarben gesehen zu haben. Da konnte sie mit ihrer vermehrten Auswahl an schwarz, grau, beige und weiß nicht mithalten. Aber der Gedanke wurde schnell nichtig, als sie die Spieler auf dem Spielfeld erkannte, die sich gerade einspielten. Aufgeregt suchte sie sofort nach Tōru. Bei seinem Anblick schlug ihr Herz verräterisch schnell in ihrer Brust und sie musste ihre Freude im Zaum halten. Er wirkte konzentriert, als er den anderen zuspielte. Kein Wunder. Es war die ultimative Generalprobe. Seine neue Uniform, die hauptsächlich schwarz mit einigen blauen Highlight war, stand ihm ebenfalls, aber daran hatte niemand gezweifelt. Tōru wurde auch nach der Schule in diversen Magazinen abgelichtet. Sei es für Interviews oder einfachen Fotoshootings. Ein großer Teil seines Einkommens bestand aus Sponsoringverträgen, um die er sich nur wenige Gedanken machen musste. »Diese Plätze sind ja der absolute Wahnsinn«, meinte sie, als sie bei Iwa und Jana zum Stehen kam. Das Spielfeld war direkt vor ihnen. »Ahhh, wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr!« Jana sprang auf und schlang euphorisch ihre Arme um sie, während Iwa ihr ein Grinsen schenkte und eine Flasche Wasser entgegenhielt. Sie setzte sich und zog ihre Jacke aus, da die Menschenmenge die Temperaturen steigen ließ. »Und Tōrus erstes Spiel bei den Panthers verpassen?« Mit hochgezogenen Augenbrauen öffnete sie den Verschluss der Wasserflasche. »Das habe ich ihr auch gesagt«, kommentierte Iwa. »Kann mich jemand aufklären? Gegen wen spielen sie? Sind sie gut? Sind sie besser?« Ahnungslos sah sie zu Iwa, der eindeutig mehr wusste als sie. Asuna hatte sich nicht wirklich mit Statistiken oder der Rangliste befasst. Alles was sie interessiert hatte, war, dass Tōru hier war und spielen würde. »Sie sind gut, aber ich würde nicht sagen besser. Es wird jedoch eine Herausforderung für das Team, da es vor Saisonbeginn einige Zu- und Abgänge gegeben hat. Möglicherweise wird Tōru etwas brauchen, um ins Spiel zu finden und sich an alle zu gewöhnen. Training kann man immerhin nicht mit einem wichtigen Spiel vergleichen. Aber er macht das schon. Hat er immer irgendwie.« Er zuckte unbekümmert mit den Schultern. Zumindest wirkte es so. Asuna wusste, dass er genauso mit Tōru mitfieberte wie sie. Mindestens. Sie konnte nicht glauben, dass Tōru in Japan für Japan spielte. Mit einem angenehmen Kribbeln in ihrer Magengegend beobachtete sie das Spielfeld. Tōru hatte sie noch nicht bemerkt, aber das erwartete sie auch nicht. Wenn er spielte, dann lag sein Fokus nur darauf. Gespannt nahm sie den Pfiff wahr, der den Beginn des Spiels ankündigte. Ihre Hände waren kalt vor Nervosität und ihren Puls wollte sie gar nicht wissen. Sie saß auf Nadeln und bei jedem Angriff beider Seiten zuckte sie zusammen. Es war sein erstes Spiel und sie fragte sich, ob die Aufregung irgendwann weniger werden würde. Es war eindeutig nicht förderlich für ihre Nerven. So ging es ihr das ganze Spiel. Schlussendlich hatte das Team von Tōru gewonnen. Knapp, aber sie hatten gewonnen. Mit einem stolzen Lächeln beobachtete sie, wie sich die Spieler von den Gegnern verabschiedeten. Erst als sich die Panthers bei den gekommenen Zuschauern bedankten und den Moment des Triumphs in vollen Zügen genossen, trafen sich ihre Blicke. Tōru klopfte seinem Trainer auf die Schulter und kam auf sie zu. Mit Leichtigkeit sprang er über die Absperrung und noch bevor sie seinen Namen sagen konnte, hatte er die Arme um sie gelegt. Asuna stellte sich auf Zehenspitzen und kniff ihre Augen fest zusammen. Ihre Finger vergruben sich in seinem Oberteil. Dass er noch nicht geduscht hatte, war ihr völlig egal. Sie war so überwältigt, ihn zu spüren, dass sie den Lärm und die unzähligen Zuschauer ausblendete. Viel zu lange war es her, dass sie ihn vor dem Spiel gesehen hatte und viel zu lange hatte sie warten müssen, um ihn zu umarmen. »Du warst unglaublich«, murmelte sie in seine Halsbeuge und ihre Stimme klang verräterisch brüchig. Würde sie es irgendwann schaffen, ihre Gefühle in seiner Nähe unter Kontrolle zu bringen? »Du bist hier.« Fast schon überrumpelt kam ihm diese Erkenntnis über die Lippen. »Von jetzt an immer.« Als sie sich voneinander lösten, legte er ihre Lippen auf ihre. Der Kuss spiegelte die Emotionen wider und auch wenn er nicht lange dauerte, reichte er ihr, um ihre Worte damit zu verdeutlichen. Sie hätte ihn am liebsten nicht losgelassen, aber leider blieb ihnen nicht mehr Zeit, denn Tōru musste wieder zu den anderen. Das war für Asuna aber nicht schlimm. Immerhin blieb ihnen jetzt mehr Zeit miteinander als nur wenige Tage. »Das war die süßeste Begrüßung, die ich je gesehen habe«, kommentierte Jana und erntete das erste und ehrlichste Lächeln seit Langem von Asuna. Fast drei Stunden später saß Asuna mit Tōru und den beiden in einem schicken Lokal, wie sie es ausgemacht hatten. Die Stimmung war ausgelassen und nach einem leckeren Essen hatten sie noch eine Runde Wein bestellt, bevor sie nachhause fahren würden. Der ganze Tag und die Aufregung hatten sie müde gemacht, aber es war kaum eine Last, wenn sie an die letzten Stunden dachte. Tōru legte seine Hand auf ihren Oberschenkel, als Iwa meinte: »Es ist wirklich lange her, seit wir euch beide so glücklich gesehen haben. Das ist schön.« »Er hat recht. Ihr zwei habt es richtig verdient. Und wir sind stolz auf euch, dass ihr diese drei Jahre durchgezogen habt. Auf euer Durchhaltevermögen sollten wir auf jeden Fall anstoßen.« Jana grinste. Asuna griff nach ihrem Weinglas, während sie ihre andere Hand auf Tōrus legte. »Nicht nur auf unseres. Ich glaube, dass ihr dutzende Minuten geopfert habt, um uns auf andere Gedanken zu bringen.« »Oh, wenn ich mir noch einmal Bakakawas Gejammer darüber anhören müsste, wie sehr er Asuna vermisst und über alles liebt...« Iwa ließ seinen Satz offen und erntete zusammengekniffene Augen von seinem besten Freund. »Als bester Freund sollte dich das nicht gestört haben«, grummelte der Setter, dem diese Offenbarung sichtlich unangenehm war. Sie schmunzelte darüber und drückte seine Hand. Es war niedlich, ihn verlegen zu sehen. »Hat es auch nicht. Im Gegenteil. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte es mich gestört.« Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich nach hinten. »Schon klar. Asuna ist wie eine kleine Schwester für dich. Das hast du mir bei deinem Junggesellenabschied klar und deutlich erklärt. Zumindest hast du es versucht, denn ich hatte Probleme, dich zu verstehen.« Bei der Erinnerung musste Tōru lachen. Auch Jana stieg mit ein, denn die Geschichten dieser Nacht wurden mehr als einmal in der Runde erzählt. »Warte ab, bis es dir so gehen wird. Und komm mir dann nicht mit der Ausrede, dass du als Profisportler nichts trinken wirst«, warnte Iwa und eine Diskussion entstand. Asuna hörte nur halb zu, denn die Hand auf ihrem nackten Oberschenkel lenkte sie ab. Es war idiotisch, dass sie sich davon aus der Ruhe bringen ließ, aber... Okay. Konzentriere dich! »...bei deiner Hochzeit nüchtern. Das kann nicht jeder behaupten, oder Jana? Und Asuna?« Bei ihrem Namen sah sie auf und begegnete Tōrus Blick. Sie reimte sich die Frage zusammen und erwiderte: »Ich weiß nicht, was du meinst. Wir waren nur gut drauf, oder?« Sie sah mit einem unschuldigen Ausdruck zu ihrer besten Freundin, die sofort eifrig nickte. »Das würde ich dir glauben, wenn ich dich nicht kennen würde. Aber ich weiß, dass du immer sehr...speziell wirst, wenn du getrunken hast.« Er grinste und plötzlich wurde die Stelle, an der seine Hand lag, heißer. Ihre Wangen erhitzten sich ebenfalls, als sie daran zurückdachte. Einerseits, weil es ihr peinlich war. Andererseits, weil sie nichts dafür konnte, dass sie immer so unheimlich scharf auf ihn wurde, sobald sie Alkohol trank. Irgendwie kannte sie dann keine Hemmungen, was Körperkontakt mit Tōru anging. Jana lachte bei dieser wahren Anschuldigung. »Oh, als hättest du es nicht genossen. Ich erinnere mich daran, dass ihr zwei recht lange verschwunden wart, habe ich nicht Recht?« Mit ihrer üblichen Direktheit, die auch Tōru nach all den Jahren gewohnt war, hob sie ihre Augenbrauen. »Ich habe nie etwas anderes behauptet.« Sein zweideutiges Grinsen ließ Asuna spielerisch seufzen. Wenn sie darüber nachdachte, dann teilten ihr Freund und ihre beste Freundin sich diese Eigenschaft. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich zu verteidigen. »Wieso bin eigentlich ich das Opfer hier? Was ist mit Jana? Sie war diejenige, die kurz vor 2 eine Show abgeliefert hat und~« Mit in ihrem Satz wurde sie von ihrer Freundin unterbrochen. »Woah! Wenn es einen Tag gibt, an dem ich nicht für meine betrunkenen Aktionen beschuldigt werden darf, dann an meiner Hochzeit! Außerdem habe ich nicht viel getrunken. Ich bin...immer so.« Unschuldig grinsend hob sie ihre Schultern. »Stimmt. Wenn sie wirklich betrunken ist, kotzt sie üblicherweise vor meine Füße«, fügte Iwa hinzu und brachte Asuna zum Lachen, da sie sich gut an die Party erinnern konnte, bei der sich Iwa und Jana im Grunde näher kennengelernt hatten. »Okay, bevor wir hier noch mehr Dinge aus der Vergangenheit ausgraben, sollten wir endlich auf...unsere Zukunft anstoßen. Also auf den Sieg deines neuen Teams und auf die gemeinsame Zeit, die ihr beide haben werdet und die wir mit euch haben werden.« Jana hielt das Glas nach oben. »Hast du nicht eine Kleinigkeit vergessen?«, fragte Iwa mit gerunzelter Stirn. »Ach ja.« Sie griff nach ihrer Tasche und kramte darin herum, bis sie das Gesuchte fand. Schmunzelnd hielt sie es ihnen entgegen. »Und darauf, dass ich schwanger bin. Mit ein wenig Hilfe von Hajime natürlich.« Das empörte »Ein wenig?!« von Iwa in ihren Ohren, starrte Asuna fassungslos auf das schwarzweiße Ultraschallbild, welches Jana ihnen stolz zeigte. Das...wow! Sie blinzelte und gab schnell auf, darauf etwas erkennen zu wollen. Stattdessen spürte sie, wie diese Nachricht sie so rührte, dass ihr die Tränen kamen. Asuna sprang euphorisch auf. »Oh, fuck!«, entkam es ihr ohne Filter und mit einem Strahlen, welches dem von Jana fast Konkurrenz machte. Sie zog ihre beste Freundin in eine feste Umarmung. »Das ist unglaublich. Gratuliere!« Es war unheimlich schön, Jana und auch Iwa so glücklich zu sehen. »Ich bin gerade ein bisschen stolz auf dich, Iwa.« Tōru gab seinem besten Freund die Faust und grinste, nachdem sie sich wieder gesetzt hatten. »Gratuliere natürlich auch dir, Jana. Zu diesem Spaß gehören immerhin zwei dazu.« »Wie gut, dass ihr Männer immer bei dem Spaß beteiligt seid«, erwiderte Jana sarkastisch, konnte aber ein Schmunzeln nicht zurückhalten. »Ohne uns wäre es auch nur halb so unterhaltsam.« Iwa legte belustigt seinen Arm auf die Lehne von Janas Sitzplatz. »Iwa scheint nicht nur auf dem Spielfeld ein Ass zu sein.« Tōru lachte. »Was? Den konnte ich mir wirklich nicht verkneifen«, rechtfertigte er sich, als er den Blick seines besten Freundes bemerkte. Asuna schüttelte amüsiert den Kopf. »Okay. Bevor noch mehr solche Sprüche kommen, sollten wir endlich anstoßen. Immerhin wurden wir abgelenkt. Los! Gläser nach oben.« ♛♔ Asuna betrachtete die Skyline von Tokio. Es war ein Anblick, den sie in den letzten zwei Jahren beinahe jeden Tag betrachtete und doch waren die bunten Lichter der größten Stadt der Welt an diesem Abend besonders atemberaubend. Und doch befand sich neben ihr ein weitaus ansprechenderer Anblick. Ihre Haut kribbelte, ihr Herz raste und sie hatte das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. Sie war nervös und schuld daran war Tōrus bloße Anwesenheit. Der Gedanke daran, dass sie von jetzt an mehr Zeit und damit auch mehr Nächte miteinander verbringen würden, war ungewohnt. Ungewohnt und aufregend. Sie biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich prompt wieder wie damals, als sie noch in der Oberschule gewesen waren. Langsam sah sie wieder zu Tōru. »Ich wusste nicht, dass du kommen würdest.« »Als ob ich dein erstes Spiel hier in Tokio verpassen würde. Es ist immerhin lange her, dass ich dich spielen gesehen habe.« Asuna lächelte. Heute wurde ihr zum millionsten Mal bewusst, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Als sie ihn auf dem Spielfeld gesehen hatte, musste sie einen Aufschrei vor Freude unterdrücken. Er war tatsächlich hier. Hier bei ihr in Japan und er würde nicht mehr nach einer Woche verschwinden. Sobald das Taxi aufgrund des zähen Verkehrs langsamer wurde, schob sie sich den Mantel von den Schultern. Die Temperaturen waren in den letzten Tagen stark gesunken, aber hier im Auto war es verdammt heiß. Keine Ahnung wie es der Fahrer aushielt, aber sie war froh, einen Rock ausgewählt zu haben. Tōru neben ihr verfolgte ihre Bewegungen und betrachtete anschließend ihren Körper eingehen von oben bis unten, als hätte er diesen nicht schon unzählige Male nackt gesehen. »Du musstest dich bestimmt stressen. Ist der Flug nicht erst kurzem gelandet?«, fragte er nachdenklich und ließ sein unverschämtes Starren unkommentiert. Sie nickte. »Ich war nur zum Duschen zuhause, aber das ist egal. Ich wollte dich unbedingt sehen.« »Mir hat es gefallen, dass du zugesehen hast. Also danke, dass du gekommen bist.« Er lächelte und dieses Lächeln bei Tōru bekam man nicht oft zu sehen. Wärme breitete sich in ihrem Inneren aus und sofort fühlte sie diese Zufriedenheit. Ihn so glücklich zu sehen, war für sie mit nichts auf der Welt zu vergleichen. Asuna erwiderte seine Worte ebenfalls mit einem Lächeln und griff nach ihrer Halskette. Sie drehte den Anhänger in ihren Fingern hin und her. »Woran denkst du gerade?«, fragte sie, nachdem sie beide geschwiegen hatten und nur das Radio im Hintergrund lief. »Daran, wieso so viel Platz zwischen uns ist...« Er sah sie belustigt an und spielte auf den leeren Platz zwischen ihnen an. »Das war aber nicht das einzige, woran du gedacht hast, oder?« Sie schmunzelte. »Nein, aber wir sind nicht alleine hier, also...« Fast schon vorwurfsvoll sah er zum Fahrer, der anscheinend gespürt hatte, dass er im Gespräch involviert war. Sie konnte seine Augen im Rückspiegel erkennen, weshalb sie ihm ein entschuldigendes Lächeln schenkte. »Okay, soll ich stattdessen raten?« Mit ihrer Antwort brachte sie ihn kurz aus der Bahn, aber sie kannte den Fahrer nicht und würde ihn höchstwahrscheinlich nie wieder sehen. Deshalb war es ihr egal, was sie hier mit Tōru sprach. Außerdem...bogen Asunas Gedanken bereits in eine bestimmte Richtung ab und sie merkte, wie ihre Fantasie freien Lauf nahm. »Bist du dir so sicher, dass deine Antwort korrekt ist?« Tōru hob seine Augenbrauen. Asuna grinste. »Wie wäre es, wenn du zuerst den riesigen Abstand zwischen uns beseitigst und dann verrate ich dir meine Vermutung?« Sie klang ~ nein, sie flirtete! Absolut und sie liebte es. Sie hatte das echt vermisst. »Nichts leichter als das, schätze ich.« Er rutschte zu ihr und legte sofort seine Hand auf ihren nackten Oberschenkel. Wie im Restaurant, nur war der Kontext...eindeutiger. Sie beobachtete, wie er dezent zudrückte und kaute auf ihrer Unterlippe. Mit dem Gedanken, zu welchen Dingen sein Hand fähig war, widerstand sie dem Drang, sie an einen anderen und...intimeren Ort zu delegieren. »Okay. Ich hab dir deinen Wunsch erfüllt. Wie lautet deine Vermutung?« Sie ließ ihren Kopf nach hinten fallen und sah ihn an. »Hm, ich denke, dass du zumindest daran gedacht hast, wie verflucht gerne du mit mir in diesem Moment alleine wärst.« Genau dieselben Gedanken gingen auch ihr durch den Kopf, seit sie das Restaurant verlassen hatten. »Wenn das richtig wäre, wäre es zu einfach«, murmelte er. »Aber du bekommst noch einen Versuch und ich gebe dir einen Tipp.« Er griff nach ihrem Handgelenk und das nächste, das sie an ihren Fingerspitzen spürte, war die verräterische Härte seines Glieds. Asuna sah von Tōrus Gesicht zu ihrer Hand und wieder zurück. Sein schiefes Grinsen verursachte ein Kribbeln in ihrer Bauchgegend. »Das ist...hilfreich. Danke.« Ihre Mundwinkel zuckten und neben diesem Kribbeln entfachte ein Feuer, dass deutlich größer wurde. Tōru ließ ihre Hand los und suchte wieder die freigelegte Haut ihres Oberschenkels. Diese Spannung war kaum auszuhalten und sie verdammte den zähen Verkehr. Sie brauchte ihre Wohnung. Jetzt! Sie holte tief Luft und ihr wurde heiß, als sein Daumen über ihre Haut strich. Er beugte sich zu ihr und als sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte, raunte er: »Entspann dich für mich.« Asuna mied seinen Blick, weil sie ihm definitiv nicht standhalten können würde. Dennoch lockerte sie die Anspannung ihrer Beine. »Gutes Mädchen.« Er grinste, ehe er seine Hand unter ihren Rock gleiten ließ und sich zugleich aufrecht hinsetzte, um den Fahrer eine Frage stellte, damit er ihn in ein Gespräch verwickeln konnte. Indes beließ er es nicht bei der Innenseite ihres Oberschenkels, sondern drang weiter vor. Asuna drehte ihren Kopf zur Seite. Wollte er das tatsächlich hier in diesem Wagen tun? Anscheinend ja, denn als sie seine Finger zwischen ihren Beinen spürte, musste sie ein tiefes Seufzen zurückhalten. Die aufkeimende Lust war unverkennbar. Sie wunderte sich, wie lange es dauern würde, bis der dünnen Stoff völlig von ihrer Feuchtigkeit eingenommen sein würde. Solche Berührungen in der Öffentlichkeit zu spüren, hatte etwas Verbotenes an sich. Und dieses Verbotene entfachte dieses enorme Verlangen, es gleich hier und jetzt zu tun. Oh, wie gerne würde sie sich einfach auf seinen Schoß setzen wollen. Ihr Rock wäre perfekt dafür geeignet... »Hey, können Sie das Radio lauter drehen? Das ist mein Lieblingslied.« Sie verfolgte, wie der Fahrer das tat, was von ihm verlangt wurde und spürte ihr Herz rasen, als zeitgleich Tōrus Finger über den dünnen Stoff zwischen ihren Beinen strichen. Asunas Herz schlug fest und bereitwillig öffnete sie ihre Beine noch ein Stück. Selbst diese kleine und unschuldige Berührung schickte eine Welle an Stromstößen durch ihren Körper. Tōru reizte sie weiter, indem er mit mehr Druck über ihren Slip strich. Prompt beschleunigte sich ihre Atmung und fest biss sie sich auf die Unterlippe, um keinen verräterischen Laut von sich zu geben. Vehement konzentrierte sie sich auf die schimmernde Skyline, weil sie genau wusste, was passieren würde, wenn sie Blickkontakt mit Tōru haben würde. Wäre die Musik nicht, würde ihre Atmung deutlich hörbar sein. Konzentriert schloss sie ihre Augen, denn das Gefühl seiner Finger machte sie...verrückt. Sie wollte ihn so sehr, dass es ihr große Überwindung kostete, den Taxifahrer nicht einfach zur Gänze zu ignorieren. Asuna wäre am liebsten bereits in ihrem Schlafzimmer, denn der Wunsch nach Tōrus Händen und Lippen auf ihrem nackten Körper nahm Überhand. Fuck. Sie war so scharf auf ihn, dass ihr Körper und Verstand durchdrehten. Sie spürte ihr Herz rasen, während seine Finger sie unbeirrt weiter reizten. Trotz allem konnte sie nicht verhindern, dass ihre Augen zu ihrem Freund wanderten, als dieser den Stoff zur Seite schob, sodass er ungehinderten Zugang hatte. Es war schwer, ihre Mimik unter Kontrolle zuhalten, aber sie war sich sicher, dass es sie dennoch verriet. Ihre Hand suchte nach dem Türgriff, welchen sie fest umklammerte. Mit der anderen tat sie es gleich, nur dass sie den weichen Stoff ihres Rockes zwischen ihren Fingern hielt. Sie konnte nicht ruhig bleiben, sondern drückte sich weiter in den Ledersitz. Ihr verklärter Blick wurde begleitet von einem leisen Stöhnen, als er schamlos über ihren von Nerven durchzogenen Hügel strich. Es fühlte sich an, als würde sie explodieren, obwohl es sich nur um eine kurze Berührung gehandelt hatte. Doch es machte ihr bewusst, dass sie ihm völlig verfallen war. Keinen einzigen Moment lang hatte sie darüber nachgedacht, ihm diesen Spaß zu verweigern, weil sie...es mindestens genauso sehr wollte. Und das zeigte ihr auch die Tatsache, dass sie verdammt feucht war. Bereit für mehr und sie begann die Minuten zu zählen, bis sie endlich zuhause sein würden. »Heiß hier, oder?«, fragte Tōru plötzlich den Fahrer und hätte Asuna beinahe ein freudloses Schnauben entlockt. Sie hätte etwas erwidert, wenn er etwas anderes getan hätte, als seinen Daumen um ihre Klitoris kreisen zu lassen. Sie biss sich fest auf die Zunge, um sich mit ihren Geräuschen zurückzuhalten. Für sie, die ihrer Lust gerne freien Lauf ließ, kein leichtes Unterfangen. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er sich nicht zurückhalten sollte. Auch würde sie gerade liebend gerne auf ihm sitzen, als unruhig hin und her zu rutschen. Tōru stoppte mit diesen äußerst nervenaufreibenden Bewegung und gönnte Asuna eine Pause. Eine besonders kurze, denn als sie Luft holte, glitt er mit seinen Fingern in sie. Aus Reflex griff sie nach nach seinem Arm, hielt ihn aber nicht davon ab, immer wieder in sie einzudringen. Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich darauf, nicht aufzufallen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn Tōru ihren Punkt zielsicher traf und sie in Sphären schickte, von der viele nur träumten. Sie wurde verrückt. Sie wurde verflucht verrückt! »Tōru«, brachte sie so leise über die Lippen, dass sie es selbst beinahe nicht verstand. Er hielt sich nicht zurück, sondern glitt immer wieder in sie. Der Druck weitete sich aus, als sie seine Finger mit jeder Bewegung ungeduldig in ihrem feuchten Inneren willkommen hieß. »Ich kann es nicht erwarten, die ganz zu spüren«, murmelte er plötzlich neben ihr und erst da fiel Asuna auf, dass sie stehen geblieben waren. Nicht bei einer Ampel oder wegen des zähen Verkehrs. Sie standen vor ihrem Wohnkomplex. Es war der Moment, indem er seine Hand zurückzog und sie völlig atemlos auf ihrem Platz zurückließ. Sie schloss die Augen und hörte, wie die Tür zu geschlagen und der Kofferraum geöffnet wurde. Sie zählte innerlich bis drei, ehe sie ebenfalls das Taxi verließ. Ihre Knie waren weich und kurz hielt sie inne, bevor sie sich bei dem Fahrer bedankte und verabschiedete. Er warf ihr einen merkwürdigen Blick zu und kurz hatte sie das Gefühl, als wüsste er, wie verdammt feucht sie war und wie verdammt nötig sie es hatte. »Anscheinend hast du es ziemlich eilig.« Tōru grinste hinter ihr, als sie ihn förmlich in Richtung der Aufzüge zog. »Es kommt nicht oft vor, aber manchmal kann ich dich nicht leiden«, gab sie zurück. Sie wollte endlich aus ihren Klamotten raus! »Ah, du hast mich noch nie nicht leiden können. Schon damals nicht, als wir bei der Geburtstagsfeier beinahe miteinander geschlafen hätten.« »Ziemlich selbstsicher von dir.« Sie hob ihre Augenbrauen und vermied es, zu ihm zu sehen. »Aber ich weiß, dass ich scharf auf dich gewesen bin.« Genau wie jetzt, fügte sie in Gedanken hinzu. In diesem Moment war es aber noch schlimmer als damals. Vielleicht weil sie vor wenigen Minuten noch seine Finger in ihr gehabt hatte. Der Aufzug öffnete sich. »Scharf, ungeduldig und bestimmend. Ich erinnere mich daran. Eigentlich wollte ich dir dein schwarzes Oberteil ausziehen, aber dann bist du mir zuvor gekommen und hast mich förmlich aufs Bett gedrängt.« Asuna drückte den Knopf des 22. Stockwerks und lehnte sich an die Wand, während sie Tōru näher zog. Er griff nach ihre Taille und beinahe hätten ihre Beine zum zweiten Mal nachgegeben. »Du weißt noch, was ich getragen habe?« Verblüfft hob sie ihre Augenbrauen. »Ich erinnere mich nur daran, dass du mich zum Bleiben genötigt hast.« Sie grinste und legte ihren Kopf zur Seite, als sich Tōru mit seinem Arm neben ihr abstützte. »Hilf mir auf die Sprünge, wie ich dich denn...genötigt haben soll?« Eine Sache brachte ihr Herz gerade besonders zum Pochen. Nicht die Tatsache, dass sie nach wie vor da weitermachen wollte, wo sie im Auto aufgehört hatten. Eher jener Aspekt, dass sich nichts und doch so viel zwischen ihnen geändert hatte. Sie zogen sich auf, sie ärgerten sich, sie flirteten. »Dafür musst du mich schon küssen. Wie damals.« Sie legte ihre Hand in seinen Nacken. Er machte einen Schritt näher, sodass sie beinahe seinen Körper an ihrem spüren konnte. »Hm. Stimmt. So war das.« Asuna riss sich zusammen, um ihrer Lust nicht freien Lauf zu lassen. Genug gespielt, kam ihr stattdessen in den Sinn, weshalb sie den Abstand zwischen ihnen überbrückte. Ihre Zunge schob sich fordernd nach vorne und kollidierte mit seiner. Ein zufriedenes und sehnsüchtiges Seufzen entkam ihr, denn bereits den ganzen Abend hatte sie von diesem Moment fantasiert. Verlangend drückte sich ihren Oberkörper an seinen und hätte ihm am liebsten sofort das Shirt ausgezogen. Tōru, der zu Beginn noch zurückhaltender agiert hatte, ließ es sich nun nicht nehmen, sie fester gegen die Aufzugswand zu drücken. Seine Hand, mit der er sich zuvor noch abgestützt hatte, strich ungeduldig und forsch über ihren erhitzten Körper. Sie stöhnte in den Kuss hinein und ihre Hand fand wie selbstständig die harte Erhebung in seiner Jeans. Es war nur eine kleine Geste, aber der Druck auf seine Erektion entlockte auch ihm ein Zischen. Wie sehr wünschte sie sich, dass kein störender Stoff zwischen ihnen lag... Erst als der Aufzug in ihrem Stockwerk ankam, lösten sie sich widerwillig voneinander. Ihre Lippen waren geschwollen und sie hatte das Gefühl, einen Marathon gelaufen zu sein. Hinzu kam, dass ihr ganzer Körper in Flammen stand. Ohne, dass Tōru seine Hände zur Gänze von ihr ließ, begaben sie sich zu der Tür ihrer Wohnung. Asuna brauchte zwei Anläufe, um diese zu entsperren, denn Tōrus Lippen an ihrem Hals lenkten sie ab. Am liebsten hätte sie ihre Augen genießerisch geschlossen. Umso erleichterter war sie, als sie im Vorraum standen. In ihren eigenen vier Wänden und der Privatsphäre, die sie seit einiger Zeit herbeigesehnt hatten. Asuna schmiss ihre Clutch auf den Boden und auch Tōru wurde seine Sporttasche los. Beide stolperten durch die kleine Wohnung, während ihre Kleidung den Weg zu Boden fand. Nur in ihrem Slip legte sie ihre beiden Hände auf den Esstisch, als sie im Wohnbereich angekommen waren. Mit einem angenehmen Ziehen in ihrem Unterleib biss sie sich auf die Unterlippe, als sie an ihrem Rücken spüren konnte, wie hart er war. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und fühlte, wie sich seine Finger von ihrem Bauch bis hin zu ihren Brüsten tasteten. Selbst diese zurückhaltenden Berührungen brachten sie um den Verstand. Verdammt...sie brauchte ihn. »Egal wie, aber fick mich. Hier!«, entkam es ihr heiser und mit einer Wortwahl, zu der sie nur in solchen Moment griff. Tōru ließ sich es nicht zwei Mal sagen. »Darum musst du mich nicht bitten«, erwiderte er und schob den dunklen Stoff über ihre Hüften, bis er von selbst nach unten rutschte und wie alle ihre anderen Kleidungsstücke auf dem Boden landete. Asuna keuchte, als er ihren Oberkörper bestimmend nach unten drückte und sie plötzlich seine Hand zwischen ihren Beinen spüren konnte. Erst da wurde ihr das Ausmaß ihrer Erregung bewusst. Die Feuchtigkeit, die selbst die Innenseite ihrer Oberschenkel benetzt hatte, war verräterisch. »Schon gar nicht, wenn du so feucht bist«, fügte er zufrieden hinzu und ließ es sich nicht nehmen, zwei Finger in ihrer Mitte zu versenken. Ihre Atmung beschleunigte sich deutlich und sie kniff bei dieser unbarmherzigen Stimulierung ihre Augen zusammen. Es waren langsame, aber gezielte Bewegungen, die stets den empfindlichen Punkt in ihrem Inneren trafen und ihr unkontrollierte Laute entlockten. Wenn er so weitermachen würde, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sie kommen würde. Verflucht! »Du bist bereit für...mich, oder? Natürlich bist du das.« Die Stimme von Tōru klang leise und dunkeln in ihren Ohren. Und mit seinen Fingern, die sich in ihr krümmten und bis an ihre Grenze brachten, war es schwer, konzentriert zu bleiben. Sie schluckte den aufkeimenden Orgasmus hinunter und erwiderte: »Ich bin...immer bereit für dich. Nur für dich.« Sein folgendes Grinsen war beinahe hörbar, als er seine Hand zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit von ihr entfernte. Asuna holte tief Luft, jedoch war es beinahe umsonst. Sie spürte die Spitze seiner Erektion an ihrem engen Eingang. »Ich liebe diesen Anblick«, hörte sie ihn mehr zu sich selbst sagen, konnte aber nicht länger darüber nachdenken. Er schob sein Becken härter als wartet nach vorne und drang in sie ein. Ihr Stöhnen klang laut in ihren Ohren und übertönte jenes von Tōru mit Leichtigkeit. »Du fühlst dich so verdammt gut an!«, raunte er und umklammerte ihre Hüften. Geräusche der Lust erfüllten den dunklen Raum und dieses Mal hielt sich niemand von beiden zurück. Weder was die Lautstärke betraf, noch die...Handlung. Tōru testete ihre Grenzen aus und Asuna nahm es mit Vergnügen hin. Jeder einzelne Stoß spiegelte die aufgestaute Erregung und die Frust über die letzten Tage, in denen sie sich aufgrund der Umstände nicht gesehen hatten, wider. Sie umklammerte die Kante des Tisches, als sie dem Höhepunkt immer näher kam. Tōru machte es ihr sogar noch leichter. Er beugte sich nach vorne, sodass sie seinen Oberkörper an ihrem Rücken spüren konnte, und fand mit seinen Fingern ihre nach Aufmerksamkeit lechzende Klitoris. Diese Tatsache ließ ihren Körper erbeben. Jeder einzelne Muskel spannte sich an und die warmen Wände um Tōrus Glied verengten sich. Asunas Verstand wurde schummrig und der Druck in ihrem Unterleib wurde unerträglich, bis er sie losließ. Ihr Körper war ein heißes Chaos, als sich der Knoten löste und sich ihr Körper verkrampfte. Es war nicht ihr erster Orgasmus, aber der erste, der es ihr unmöglich machte, sich schnell zu erholen. Die Auswirkungen hielten an, auch wenn das weitere harte Eindringen von Tōru bereits ein neues Vergnügen verursachte. Doch er brauchte nicht lange und gepaart mit ihrer Anspannung kam Tōru mit einem tiefen Knurren in ihr. Der Griff um ihre Hüfte festigte sich, als er dafür sorgte, alles in ihr zu lassen. Mit einer gleichmäßigen Atmung wagte keiner der beiden, die Stille zu stören. Die Spannung ebbte ab und die Minuten verstrichen, bis sie schlussendlich gemeinsam im Bett lagen. Nackt, denn bei dem einen Mal war es nicht geblieben. Doch jetzt machte sich die Müdigkeit bemerkbar. Es war kurz nach 1 Uhr nachts, als Tōru hinter Asuna lag und mit seiner Hand über ihre nackte Taille strich. Damit entlockte er ihr ein wohliges Seufzen. »Heute warst du irgendwie empfindlicher als sonst«, äußerte er sich nachdenklich. »Empfindlicher? Ich würde das eher als absolut scharf auf dich bezeichnen.« Sie grinste und auch Tōru musste bei ihrer Antwort lachen. Sie griff nach seiner Hand. Kurz schwieg sie. »Vermisst du Argentinien schon?«, fragte sie schließlich. Es fühlte sich nach wie vor wie ein Traum an. Ein wirklich schöner Traum. Vielleicht wie der beste, den sie je hatte. »Wie könnte ich, wenn die Liebe meines Lebens neben mir liegt?« Asuna öffnete ihre Augen und drehte ihren Kopf zur Seite, sodass er problemlos ihre Wange küssen konnte. Ihr Herz explodierte und ein dezentes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. »Ich kann das noch gar nicht glauben. Drei Jahre...und jetzt sind wir gemeinsam in unserer Wohnung. Und zwar nicht nur für ein, zwei Wochen.« »Hört sich verdammt gut an«, erwiderte er leise und seine tiefe Stimme schickte einen Schauer über ihren kaum bedeckten Körper. Erschöpft kuschelte sich tiefer in das Kissen. »Du darfst nie wieder gehen, okay? Ich weiß, dass du es schon mal versprochen hast, aber...tu es nochmal. Bitte.« Asuna wollte diesen schönen Moment nicht mit ihrer Sentimentalität ruinieren, aber gerade jetzt, wo alles so perfekt war, brauchte sie diese Worte wie die Luft zum Atmen. Tōru legte seinen Arm um sie und zog sie näher an seinen warmen Oberkörper. Er verteilte zärtliche Küsse auf ihrer Schulter. »Keine Sorge. Du wirst mich nie wieder los. Von jetzt an werde ich das Bad besetzen, wenn du es dringend brauchst und ich werde mich über all deine Kleidung, die du in der Wohnung verteilst, im Stillen ärgern.« Als Antwort musste sie unweigerlich lachen. »Ich sagte versprechen, nicht drohen.« Er grinste. »Es war eine Mischung aus beidem.« Er strich ihre Haarsträhne nach hinten und vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. Sie hörte, wie er tief Luft holte. »Ich liebe dich, Asuna«, murmelte er gegen ihre Haut und kitzelte sie damit. »Ich liebe dich und verspreche dir, dass ich nie wieder von deiner Seite weichen werde. Ich werde da sein, wenn du aufwachst und da sein, wenn du einschläfst. Jeden verdammten Tag. Dazwischen werde ich dich küssen, dich abgöttisch lieben und dich...scharf auf mich machen. Und um das ganze symbolischer zu machen...« Er beendete seinen Satz nicht, sondern löste sich von ihr. Asuna runzelte die Stirn und richtete sich bei der plötzlichen Kälte an ihrem Rücken auf. Sie zog die Decke an ihren Körper und beobachtete Tōru dabei, wie er, nun in seinen gesponserten Calvin Klein Boxerhorts, aufstand und das Zimmer verließ. Als er zurückkam, lächelte er nicht. Tōrus Gedankengänge waren manchmal unergründlich. Selbst für sie. Asuna wollte fragen, was er geholt hatte, aber er kam zurück ins Bett, beugte sich zu ihr und erstickte ihr Vorhaben mit einem Kuss. »Tut mir leid, aber du siehst gerade unheimlich gut aus. Ich konnte nicht anders«, erklärte er schmunzelnd. Sie bekam rote Wangen und festigte den Griff um die Decke. »Also? Was hast du getan...oder geholt?« In seiner Hand konnte sie nichts erkennen. Sie war sich nicht mal sicher, ob er überhaupt etwas hielt. Er murmelte etwas, dass sich stark nach Ungeduldig anhörte. Sie ignorierte es. »Dir ist bekannt, dass romantisch nie in meinem Profil in den Monthly Volleyball Magazinen gestanden ist? Du weißt schon! In den Magazinen, die du so gerne gelesen hast.« Asuna hob ihre Augenbrauen. »Du meinst so wie die Eigenschaft bescheiden?« Er ignorierte ihren Einwurf. »Was ich eigentlich sagen will: Die letzten Jahre waren für meine Karriere wichtig und gut, aber ohne dich waren sie...nicht mal ansatzweise so schön, wie sie sein hätten können.« »Worauf willst du hinaus, Tōru?«, fragte sie langsam und Panik machte sich in ihr breit. Gute Panik? Schlechte Panik? Sie richtete sich auf und fühlte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Von der Kälte war nichts mehr übrig. Tōru fuhr sich durch die Haare, seufzte und mied ihren Blick. Ihn unsicher zu sehen, war nicht nur eine Seltenheit, sondern machte sie unheimlich nervös. Asuna kaute auf ihrer Unterlippe. Er ließ seinen Kopf in den Nacken fallen, ehe er sich sammelte und seine Hand öffnete. Seine warmen braunen Augen suchten ihre, ehe er überzeugt sagte: »Heirate mich, Asuna.« Fassungslos sah sie zu der kleinen Box und wenn sie geglaubt hatte, dass ihr Puls zuvor überdurchschnittliche Dimensionen erreicht hatte, dann war sie eindeutig falsch gelegen. Der silberne Ring, dessen Diamant selbst in dem spärlichen Licht beeindruckend glänzte, verschlug ihr beinahe so sehr die Sprache, wie seine Worte selbst. Asuna konnte im ersten Moment nicht anders, als ihn einfach nur anzustarren. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht...damit. Ihre Gedanken überschlugen sich und aus welchem Grund auch immer musste sie an all die Momente denken, in denen sie an ihrem Durchhaltevermögen gezweifelt hatte. Es erschien absolut nichtig und idiotisch, je Zweifel verspürt zu haben. Sie war so verdammt verliebt in ihn, dass sie gar nicht ohne ihn konnte. Er war wie die Luft zu atmen oder das Wasser, welches der Körper zum Überleben brauchte. Tōru war alles für sie und diese Gefühle nahmen sie so sehr ein, dass sie kein Wort herausbrachte. »Iwa hat gesagt, dass es kein gutes Zeichen ist, wenn du...nicht sofort antwortest. Und du...weinst«, murmelte er leise und klang so gebrochen, dass es ihr das Herz zerriss. Asuna hob ihren Arm und tastete nach ihre Wange, nur um festzustellen, dass er recht hatte. Sie weinte. Nicht zum ersten Mal in letzter Zeit, aber zum ersten Mal weinte sie vor jemanden. Vor Tōru... Alles was sie in den letzten Jahren gewollt hatte, war, mit Oikawa Tōru ihr restliches Leben zu verbringen. So sehr, dass sie sich selbst verrückt gemacht hatte. Dabei war es immer Tōru gewesen, dessen Nachname sie tragen und mit dem sie alt werden wollte. Sie wollte mit ihm die guten Zeiten feiern und die schlechten überwinden. Diese Frage...Diese kleinen und gewichtigen Worte bestätigten ihr, dass es wohl der schönste Traum ihres Lebens sein musste. »Ja«, meinte sie wie aus dem Nichts und lauter als gewollt. »Ja?«, hakte Tōru konfus nach, als hätte er seine eigenen Worte von vorhin bereits vergessen. Asuna lächelte und es wirkte grotesk mit den geröteten Augen und den nassen Spuren ihrer Tränen. »Ja, du Idiot. Ich will dich heiraten, auch wenn es eher eine Forderung als Frage war.« Sie lachte leise bei seinem Gesichtsausdruck und fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augen. Als wäre sein schlimmster Albtraum zu ende, ließ er seine Schulter sinken. Die Last war verschwunden und die Erleichterung war ihm ins Gesicht geschrieben. Und in dem Moment, in dem er endlich wieder lächelte, warf sie sich förmlich in seine Arme. Euphorisch legte sie ihre Lippen auf seine. »Ich wünschte, es gebe ein noch besseres Wort dafür, aber...ich liebe dich, Tōru«, murmelte sie. »Ich liebe dich auch, Asuna. Jeden Tag mehr als zuvor.« Die Ehrlichkeit, die in jedem einzelnen Buchstaben zu hören war, machte sie zusammen mit dem Ring, den er ihr nun an Finger steckte, zum glücklichsten Menschen. Obwohl es bis hierhin ein anstrengender und vor allem langwieriger Weg gewesen war, würde sie nichts an ihm ändern. Es war perfekt, wie es war. Tōru und sie, das was sie hatte und haben werden, war perfekt. Was sie haben werden... Viele Jahre. Seite an Seite. Zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)