Das Leben danach von KenIchijoji ================================================================================ Kapitel 82: Endgültiger Zusammenbruch ------------------------------------- T.K. rieb sich die Stirn, so langsam bekam er Kopfschmerzen, das Ganze zerrte doch mehr an seinen Nerven, als er anfangs geglaubt hatte. „Ich versuche mich so gut es geht zusammenzureißen, denn ich will ja unter keinen Umständen, dass Aikos Entwicklung noch mehr gefährdet wird. Ich denke sie hatte es schon schwer genug, sie bekommt ja mittlerweile immer mehr mit was um sie rum passiert..., Masao sagte aber bei der letzten Untersuchung auch, dass sie sich trotzdem gut entwickelt, sprachlich ist sie auf dem Stand, auf dem sie  sein sollte und mittlerweile läuft sie ja auch ziemlich sicher… aktuell habe ich vor sie an das Töpfchen zu gewöhnen, dass wir die Windel vielleicht vorerst nur noch nachts brauchen und das alles halt Stück für Stück reduzieren können, ohne dass sie sich unter Druck gesetzt fühlt Und j, ich will Kari heiraten…, aber nicht jetzt… das passt einfach nicht, ich glaube das würde nur noch mehr Probleme bringen...mittlerweile glaube ich auch, dass wir nicht einmal unbedingt heiraten müssen.. ein Ring am Finger ändert doch nichts an meinen Gefühlen für sie? Aber ich weiß auch wie wichtig ihr das ist ich kann mit beidem leben ob verheiratet oder eben nicht, für mich ändert das nichts.“ T.K. atmete schließlich tief durch. „Okay, Panikattacke klingt plausibel, ich war so überfordert mit dem Ganzen, dass ich Angst bekommen hatte und sie wollte mich danach direkt wieder berühren, aber das konnte ich in dem Moment nicht ertragen, deswegen bin ich weggelaufen ins Bad, um dieser Situation zu entkommen und weil mir wirklich kotzübel war. Je älter sie wurde, desto unsicherer wurde sie. Als wir damals in der Digiwelt waren gegen Piedmon und die übrigen Meister der Dunkelheit gekämpft haben, da war sie so unglaublich stark und selbstbewusst, aber danach ging das immer weiter zurück, mit jedem Mal Älterwerden hat sie angefangen sich zurückzuziehen. Als wir damals gegen Ken gekämpft hatten, war Miyako meist ja bei ihr und hat Kari alles abgenommen, entweder war sie da oder ich oder eben auch Tai… Und wenn Tai dort war, haben fast alle gekuscht, besonders Davis hat vor ihm Stramm gestanden, bis Tai mit Sora zusammenkam, ab da begann er sich zu verändern. Ich denke aber auch, dass ihr vieles in der Digiwelt nicht gutgetan hat, sie wollte jedem gefallen und hat oft eine Fassade gehabt, bei Tai wusste sie aber, dass er sie so nimmt, wie sie ist… ich denke einfach, sie hat sich ihn in verliebt, weil er damals der einzige war, der ihr nicht wehtuen konnte.“ T.K. hörte ihr nun besonders gut zu, weil sie jetzt auf seine Frage geantwortet hatte. „Ja stimmt, er hatte schon als Profifußballer viele Verehrerinnen, aber jetzt noch mal mehr als früher, aber er hat sich zu einhundert Prozent für dich entschieden und so langsam scheinen die Leute da draußen das ja auch zu akzeptieren. Und naja ich hoffe, dass Kari bald damit aufhört an ihm zu kleben, dass Masao es mit ihr geregelt kriegt, damit alles gut wird…, uns fehlt irgendwie jegliche Grundbasis, jedes Mal, wenn ich angefangen habe ihr voll zu vertrauen kam sie mit der nächsten Sache um die Ecke… und ich habe mich wieder gefragt: kann ich ihr überhaupt vertrauen? Manchmal reicht Liebe alleine für eine Beziehung nicht aus, sie hat mir ja auch nicht wirklich vertraut... Ich erinnere an den Vorwurf, ich hätte eine Affäre mit einer anderen Frau, als ich bei dir zu der Therapiesitzung war und wieder nach Hause kam und alles eskaliert ist….jedes Mal, wenn ich geglaubt habe, es kann nicht schlimmer kommen, hat sie wieder einen draufgelegt und mir bewiesen, dass es sehr wohl geht...aber nach dem letzten Mal...schlimmer als so zu enden, dass man im Koma liegt geht glaube ich nicht oder?“ Er überdachte Mimis Vorschlag. „Ich denke, dass eine Paartherapie gut wäre…, aber das bringt erst etwas, wenn sie die Therapie mit Masao erfolgreich beendet hat… sonst wird dieses Tai-Thema auf ewig zwischen uns stehen...manchmal macht mich das schon ein bisschen neidisch…, ihr habt zwar auch Krisen und Probleme, aber du kannst dir seiner Gefühle immer zu absolut sicher sein, das kann ich mir bei Kari leider nicht.“   Mimi nickte, als T.K. über Aikos Entwicklung sprach und lächelte leicht. „Freut mich zu hören, dass es der Kleinen so gut geht, aber es ist wirklich besser, dass sie das heute nicht mitbekommen hat. Aber je älter sie wird, desto mehr Fragen wird sie stellen, da müsst ihr wirklich aufpassen, je nachdem wie eure Beziehung bis dahin ist, dass ihr da an einem Strang zieht und gemeinsam überlegt, was das Beste für eure Tochter ist. Ich hoffe nur, dass Kari das auch begreift, dass das Wohl von Aiko ganz oben stehen sollte.“ Sie überlegte einen Moment, bevor sie fortfuhr. „Klar macht es nicht viel Unterschied ob man verheiratet ist oder nicht… aber ich glaube tatsächlich, dass Kari das ein wenig Sicherheit geben würde, ich habe manchmal den Eindruck, dass sie auch Angst hat, dir nicht zu genügen, sicherlich ist da auch das Trauma, welches sie durch Daisuke erlitten hat, nicht ganz unbeteiligt dran. Vielleicht denkt sie unbewusst, je weiter ihr die Hochzeit verschiebt, dass du ihr den Antrag damals nur gemacht hast, damit sie nicht eifersüchtig meinetwegen ist. Eure Verlobung ist jetzt über drei Jahre her, klar nicht ungewöhnlich, aber bedenke, dass wir hier von Kari sprechen“, meinte sie seufzend. „Und deine Reaktion in dem Moment nach der Offenbarung war vollkommen normal, aber das können wir in den Griff bekommen, keine Sorge.“ Sorge bereitete ihr da eher die Tatsache, dass T.K. ihre Vermutung bestätigte, dass Kari sich die ganze Zeit zurückentwickelt hatte. „Regression kann auch ein Zeichen von Unsicherheit, gar Überforderung mit dem eigenen Leben sein. Von ihr wurde plötzlich erwartet, auf eigenen Füßen zu stehen, obwohl sie vielleicht noch gar nicht so weit war, weswegen sie sich zurückgeflüchtet hat in ihr altes Ich, welches von ihrem Bruder immer beschützt werden wollte. Und als das nicht ging hat sie sich andere Ventile gesucht, erst Miyako, eine ganze Weile du als ihr bester Freund und dann auf einmal Daisuke als Ersatz für Tai. Ich überlege nur die ganze Zeit schon, ob die Gefühle für Tai vielleicht auch nur eine Projektion sind, für Gefühle, vor denen sie Angst hatte. T.K... Hattest du damals je den Eindruck, dass Kari vielleicht mehr von dir wollen könnte, aber sich nicht getraut hatte, es dir zu sagen? Gab es in der Vergangenheit irgendein Ereignis was in ihr vielleicht die Vorstellung ausgelöst haben könnte, dass du sie nicht willst oder sie die Freundschaft mit dir kaputt macht, wenn sie dir ihre Gefühle gesteht? Es muss nicht mal euch beide betreffen, irgendetwas in ihrem Umfeld oder so?“ Mimi hatte da so eine Vermutung, die, wenn sie stimmte, vielleicht auch T.K. dabei helfen würde, das alles besser zu verpacken, wenn es von vorne herein immer schon um die Liebe zu ihm ging und die Gefühle für Tai damit zusammenhingen.   Danach beantwortete sie ihm ihre Frage und schlug ihm eine Paartherapie vor, aber sie nickte zustimmend, als er meinte, dass das jetzt noch nichts bringen würde. „Ich bin mir sicher, Masao wird alles tun, was ihm möglich ist, um euch eine Zukunft zu ermöglichen und Kari zu helfen. Was sie dir alles an den Kopf geknallt hat, ist hart und schwer zu vergeben, aber nach allem, was ihr erlebt habt frage ich mich, ob es wirklich gut wäre, jetzt aufzugeben, wo ihr schon so viel geschafft habt. Ich weiß, dass Gefühle für eine Beziehung nicht immer ausreichen, aber sie sind es auch, die eine Beziehung, sei sie noch so verfahren, zusammenhalten und sogar wieder kitten können, das darfst du nicht vergessen. Wenn es für dich okay ist, würde ich gern mit Masao offen auch über unser Gespräch sprechen, damit er weiß, wo er ansetzen muss. Kari wird nichts erfahren, wenn du das nicht möchtest, es geht mir nur darum, dass er und ich für euch beide die besten Optionen haben, euch zu helfen. Denn egal ob es nun auf eine gemeinsame oder getrennte Zukunft hinausläuft, so wie es euch beiden gerade geht, könnt ihr weder gemeinsam noch alleine weitermachen.“ Als er meinte, er wäre manchmal ein wenig neidisch auf sie, stand Mimi auf, ging vor Takeru in die Hocke und schloss ihn in die Arme. „Ich weiß, dass du viel mitmachen musstest und es tut mir so leid, dass du die ganze Zeit so viel Leid ertragen musstest. Als ich erfahren habe, dass du im Koma liegst… das hat mich wirklich getroffen. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt und ich bin mir sicher, dass du es finden wirst, ob nun in Kari oder darin, deine Tochter alleine großzuziehen. Denn so traurig das auch ist, aber Kari wäre nicht in der Lage alleine für Aiko zu sorgen, das würden Masao und auch ich jedem Gericht unterschreiben, zum Wohl eurer Tochter. Ich weiß nur nicht, ob und wie Kari es verpacken würde, wenn Aiko auf einmal nicht mehr da wäre.“   T.K. streckte sich und sah sie weiter an. „Aiko wird immer die oberste Priorität sein, für immer, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern und ich denke, dass Kari das genauso sieht…, zumindest hoffe ich das. Aber ich stehe dem ganzen positiv gegenüber, also sollte das schon werden. Also meinst du, wenn wir heiraten, dann würde das Kari mehr Sicherheit geben? Es ist doch nur ein Ring am Finger… sie hat mir genügt, schon immer...sie hat es sich eingeredet, mir nicht zu genügen...ich liebe sie, seit so unfassbar langer Zeit schon und sie wird für immer meine Traumfrau bleiben…, aber nicht diese selbstzerstörerische Seite an ihr…, die müssen wir in den Griff kriegen..., ich werde sie heiraten, sobald wir alles in den Griff bekommen haben! Ich liebe sie nur… , will sie das oft nicht wahrhaben und begreifen, dass es so ist... Jeder muss irgendwann auf eigenen Beinen stehen und das versuchen wir ja auch so gut es geht immer zu tun….ich glaube, sie hat in uns immer diese Geborgenheit und diesen Schutz gesucht, den sie bei Tai hatte… damals am Meer der Dunkelheit, bevor sie dorthin gelangt ist…, davor hatten wir einen kleinen Streit, denn ich habe ihr gesagt, dass sie sich nicht immer nur von Tai abhängig machen kann und lernen muss, mit Dingen alleine fertig zu werden..., danach ist sie dort gelandet und bei ihrer Rettung hätten wir uns fast geküsst…, aber danach war nie wieder so eine Situation, wo es hätte passieren können...ein paar Wochen später haben wir mit allen zusammen gesessen und geredet und Kari fragte mich, ob ich froh bin, dass wir Freunde sind und ich habe gesagt, dass ich unglaublich froh bin, dass sie für immer meine beste Freundin sein wird… vielleicht war es das gewesen? Ich konnte ja schlecht vor allen sagen: Hey ich bin übrigens vollkommen in dich verknallt, ich habe nie Signale von ihr gesehen, dass sie auch nur ansatzweise mehr als Freundschaft empfinden könnte für mich.“ Er lehnte sich im Sessel vor und seufzte. „Das ist alles so furchtbar kompliziert…, es ist fast unverzeihlich…, aber ich wäre bereit ihr zu verzeihen, wenn sie wirklich daran arbeitet, diese Gefühle für Tai in eine richtige Richtung zu bringen und nicht nur um Ruhe zu haben. Er sollte keine Rolle in unserem Liebesleben spielen, er ist ihr Bruder und Aikos Onkel, aber mehr sollte er nicht sein. Ich denke, wir können das mit der gemeinsamen Zukunft hinbekommen…, wenn wir es schaffen diese Grundbasis aufzubauen und dann wird auch die Paartherapie funktionieren, ich vertraue darauf, dass Masao sein Bestes geben wird, um das mit Kari alles aufzuarbeiten.“ Als sie ihn in die Arme schloss umarmte er sie ebenfalls. „Du bist mir wirklich wichtig Mimi, nicht bloß als Therapeutin, sondern auch als Freundin, du hast mir mehr als nur einmal geholfen und dafür bin ich dir wirklich dankbar, sie soll auch nie in die Lage kommen, für Aiko alleine sorgen zu müssen, sondern nur mit mir zusammen…, aber können wir die Sitzung für heute beenden? Ich bekomme langsam wirklich Kopfschmerzen, das ist ganz schön kräftezehrend.“   Innerlich atmete Mimi nun doch durch, sie schien endlich zu T.K. durchgedrungen zu sein und ihn von seinem Hass abgebracht zu haben. Nachdenklich hatte sie den Kopf in die Handfläche gestützt. „Bei Kari ist es schwierig ihre wahren Gefühle und Empfindungen zu lesen, weil sie immer eine Maske aufsetzt. Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass du sie so sehr liebst, aber an der Oberfläche nagen die ganze Zeit Zweifel… die Situation damals kann vielleicht der erste Auslöser gewesen sein, damals wart ihr elf, aber gut möglich, dass sie es bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr versucht hat anders zu kompensieren, ehe sie dann die Gefühle für Tai aufgebaut hat. Ein gutgemeinter Rat von mir wäre auch, dass du alle scharfen Gegenstände von Kari fernhältst, bis sie die Therapie mit Masao komplett durchlaufen hat, denn es besteht immer noch die Gefahr, dass sie wieder versucht, sich selbst zu verletzen und das sollten wir so gut es geht vermeiden, damit Aiko nichts mitbekommt.“ Sie trank noch einen Schluck, ehe sie nickte. „Ich weiß, dass es kompliziert ist, aber ich bin mir sicher, dass ihr das hinbekommt!“ Danach hatte sie ihn ja bereits in die Arme geschlossen und er umarmte sie zurück, was für sie ein gutes Zeichen war. „Danke für dein Vertrauen T.K. und ja, ich wollte nur so lange mit dir reden, bis ich das Gefühl habe, dass du nicht gleich wieder zusammenbrichst oder meinem Mann an den Hals springst, sobald du ihn siehst. Kannst du mir versprechen, dass du dich zurückhältst? Sonst muss ich Masao bitten, dir noch mal ein Beruhigungsmittel zu verabreichen. Übrigens, eine Sache noch, wegen deiner Panikattacken. Wenn du das noch mal merkst, versuch die Augen zu schließen und langsam ein- und auszuatmen, bei jedem Atmen zählst du, von eins beginnend bis zwanzig, danach sollte die Übelkeit nachlassen und das Verkrampfen aufhören. Mehr Bewältigungsstrategien werde ich dann nach und nach mit dir erarbeiten, die längerfristig wirken, das ist erst mal eine Akutlösung für dich.“ Sie löste sich von ihm und blickte ihn an. „Bereit, dass wir zu Masao, Tai und Kari zurückkehren?“   T.K. nickte. „Ja du hast recht, sie muss es auch an der Oberfläche begreifen, dass ich sie mehr liebe als alles andere, sie und Aiko, und ich hoffe, dass Masao sie dazu bringen kann, das irgendwann zu erkennen… Also hat sie jahrelang versucht ihre Gefühle für mich irgendwie zu kontrollieren, es aber nicht geschafft, bis sie sich in Tai verliebt hat, dann sind ihre Gefühle weniger geworden..., das klingt schon plausibel und natürlich werde ich alles womit sie sich verletzen kann vor ihr verschließen und sie damit nur hantieren lassen, wenn ich dabei bin, dass sie sich nochmal selbstverletzt können wir nun absolut nicht gebrauchen. Du hast es geschafft, dass es mir wirklich besser geht Mimi und dafür danke ich dir! Und ich verspreche, dass ich mich zurückhalte und nicht versuche Tai was anzutun, ich denke mal du hättest ja nachher ganz gerne noch was von ihm, also werde ich das schon hinkriegen. Und die Atemübungen werde ich austesten und wenn es gar nicht mehr geht, dann rufe ich an oder schreibe dir, versprochen, damit es nicht noch einmal so ausartet, wie es das vorhin ist.“ Er löste die Umarmung und erhob sich langsam. „Ich denke, dass ich bereit dazu bin, das wir zurückgehen können zu den anderen, je eher desto besser…“ Er lächelte und wartete.“ Ladies First, ich folge dir, denn ich denke es ist besser, wenn du als Erste reingehst.“   Masao musste währenddessen versuchen, die Situation zwischen Kari und Tai etwas deeskalieren, damit die beiden sich nicht an die Gurgel gingen. „Okay, ich möchte, dass wir hier in Ruhe miteinander reden okay? Und ich halte es für das Beste, wenn Kari dir alles sagt, was sie dir zu sagen hat Tai, ohne dass du sie unterbrichst, kriegen wir das hin?“ Dann nickte er Kari zu. „Also Kari, das Wort liegt jetzt bei dir.“   Nachdem Mimi ihren Verlobten aus dem Raum geschafft hatte, atmete Kari tief durch, damit war ein wenig der Aggression aus dem Raum genommen und als Masao meinte, es wäre besser sich nicht an die Gurgel zu gehen, nickte Kari nur. „Das will ich doch auch nicht, ich habe es doch extra heute mit T.K. besprechen wollen, um endlich alles loszuwerden und danach endlich daran arbeiten zu können, dass es bergauf geht.“ Sie schaute ihren Bruder an und seufzte. „Ich weiß, dass das für dich wahrscheinlich jetzt erst mal ein Schock ist, aber lass mich dir vorwegsagen, dass dich daran keine Schuld trifft und ich dir auch nie die Schuld dafür gegeben habe oder geben würde. Ich weiß nicht genau, was schief gegangen ist, aber ich konnte Keru nicht mehr alles sagen, weil er sofort so durchgedreht ist. Ich habe es damals nicht verstanden, aber ich weiß jetzt, dass ich schon mit elf Jahren in T.K. verliebt war, aber er hat mich immer wieder in die Friendzone gesteckt und irgendwie konnte ich das einfach nicht mehr verpacken. Du warst immer da und auf einmal habe ich begonnen, dich in einem anderen Licht zu sehen, Tai. Aber glaub mir bitte, dass ich nie die Absicht hatte, mich dir auf diese Weise anzunähern, ich wusste, dass das nicht geht und ich habe mich die ganze Zeit für meine Gefühle geschämt.“ Sie sah zu Masao. „Du weißt auch noch nicht alles… damals, als ich noch mit Daisuke zusammen war, habe ich einen einzigen, ernsthaften Versuch unternommen, mir das Leben zu nehmen, ich habe Schlaftabletten genommen, aber Daisuke kam früher heim und war zur Abwechslung auch mal nüchtern. Er hat sofort die 911 gewählt, das war schon zu der Zeit in Amerika, deswegen tauchte das auch nirgendwo in meinen medizinischen Akten hier auf. Ich war so verzweifelt und ich will nicht, dass die ganzen Jahre des Schweigens und des Leids jetzt umsonst waren und ich wieder vor dem Abgrund stehe, nicht mehr leben zu wollen… ich habe doch eine kleine Tochter, für die ich sorgen muss…“, sagte sie und ließ den Kopf hängen. „Ich will nicht, dass du aus meinem Leben verschwindest Tai, aber vielleicht ist es wirklich besser, den Kontakt einzuschränken, bis Masao und ich an allem gearbeitet haben…, sonst werde ich nie wieder in der Lage sein, dir in die Augen sehen zu können…“   Tai ließ Kari dann erst einmal ausreden, denn dazwischen zu grätschen würde hier jetzt absolut nichts bringen. Also begann er zu reden, nachdem sie fertig war. „Also hast du, wenn ich das richtig verstehe, deine Gefühle, die du für T.K. gehabt hattest damals schon, versucht irgendwie unter Kontrolle zu kriegen und das ist schiefgelaufen und dann hast du angefangen selbige Gefühle für mich zu empfinden und hattest gehofft, das alles in der Beziehung mit Davis ausleben zu können, das hat aber nicht funktioniert, da Davis dich eigentlich getäuscht hatte und dann hat diese Trauma begonnen…, naja wenigstens hat er ein einziges Mal etwas Gutes gemacht.“ Tai atmete tief durch und versuchte das jetzt verständlich zu verpacken. „Okay Kari, hör zu, dass die Situation jetzt so ist das ist wirklich scheiße, aber wir können daran jetzt auch nichts ändern, denn was passiert ist, ist passiert. Es fühlt sich, um ehrlich zu sein, sehr merkwürdig an, dass du für mich solche Gefühle hegst, aber ich verstehe, dass du das ja eigentlich nicht willst und ich denke T.K. war auch einfach geschockt und wusste nicht, wie er darauf reagieren soll. Ich will dich gar nicht aus meinem Leben schmeißen oder so etwas, aber ich denke es ist besser, dass wir den Kontakt auf ein Minimum herunterfahren, damit du dich voll und ganz darauf fokussieren kannst, diese Therapie mit Masao abzuschließen, mit Erfolg natürlich, damit du lernst diese Gefühle wieder in eine richtige Art und Weise zu bringen, nämlich zu geschwisterlichen Gefühlen und weg von romantischen Absichten. Ich will nicht, dass wir irgendwann an den Punkt kommen, an dem wir uns wirklich nicht mehr in die Augen sehen können. Ich rechne es dir hoch an, dass du damit jetzt rausgerückt bist, das war sicherlich nicht einfach, aber alles loszuwerden nimmt einen eine riesige Las von den Schultern.“   Tai trank einen Schluck Wasser, ehe er weitersprach. „Mimi und ich hatten vorhin auch ernstere Gespräche, quasi auch ein Krisengespräch und auch da ging es um Selbstzweifel an sich, sie hatte das Gefühl sie würde mir nicht genügen, Michael hat damals viel bei ihr kaputt gemacht, aber das alles ist Vergangenheit. Michael wird nicht mehr ihr Leben beeinflussen und mir war es immer egal, wie sie aussieht, ob sie jetzt fünf Kilo mehr oder nicht auf den Rippen hat, das ist doch scheißegal, ich liebe den Menschen, der in ihr steckt, der Mensch, der mein Herz berührt und sie hat drei Kinder zur Welt gebracht, der Körper verändert sich da natürlich, ich meine mein Körper sah vor ein paar Jahren auch noch besser aus, aber das ist okay, ich fühle mich wohl in meiner jetzigen Haut, auch mit der Kurzhaarfrisur, all das ist ein Teil von meines heutigen Ichs und es hat absolut nichts an unserer Liebe geändert. Ich bin glücklich so wie es ist und es werden immer noch schwierige Situationen kommen, aber wir wissen jetzt damit umzugehen, wir haben uns gegenseitig unser innerstes offenbart und das war zwar ziemlich hart, aber macht im Nachhinein auch vieles einfacher.  Und das können T.K. und du auch hinkriegen, wenn ihr es schafft eine Basis aufzubauen mit Grundlagen, denn dann wird eure Beziehung Bestand haben und sich immer mehr festigen. Ich denke das bekommt ihr hin, auch wenn der Weg hart wird, ihr tut es nicht nur für euch, sondern auch für eure Tochter, damit ihr als Familie zusammenwachsen könnt.., eine Ehe ist immer verdammt viel Arbeit und vor allem mit Kindern darf man nie vergessen, sich auch Zeit für einander zu nehmen und ihr findet euren Weg das  zu deichseln, genauso wie wir unseren Weg gefunden haben uns auszubalancieren.“ Er lächelte. „Du liebst diesen Kerl mehr als dir jetzt noch bewusst ist, sobald diese Neigung zu mir weg ist, wirst du erkennen, wieviel schöner es noch werden wird, es gibt für mich in Bezug auf Mimi immer einen Leitsatz den ich verfolge. ‚I'm here to stay through the good and the bad times‘ und es hilft nicht sofort aufzugeben, sondern für seine Liebe zu kämpfen und ich wünsche mir für dich und T.K., dass ihr das auch hinkriegt.“ Masao war ziemlich baff, noch nie zuvor hatte er Tai so selbstreflektiert und geerdet erlebt, jetzt lernte er also den wahren Tai kennen und Masao hatte dem, was Tai gesagt hatte, nichts hinzuzufügen denn Tai machte es genau richtig und Masao hatte in dem Moment auch das Gefühl, dass Tai eher zu ihr durchdringen konnte als er, sodass Kari es endlich begreifen würde.   Kari seufzte leicht, nickte dann aber. „So in etwa kann man es sagen. Mir war das aber auch nicht wirklich bewusst, mir ist das erst nach und nach klargeworden, seit ich mit T.K. zusammen bin eigentlich… deswegen bin ich auch immer zu dir geflüchtet Tai, wenn ich Stress mit Keru hatte, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste… es gab Zeiten, in denen ich mir echt gewünscht hätte, dass Daisuke nicht mehr rechtzeitig gekommen wäre, aber ich weiß, dass ich jetzt Verantwortung für das Leben meiner Tochter habe, also kann ich mich nicht feige davonstehlen...“ Was Tai sagte, war richtig und Kari merkte gar nicht, dass sie ihre Nägel immer fester in ihren Arm bohrte, während sie ihm zuhörte, das alles wurde auch für sie allmählich zum Spießrutenlauf und sie bekam nun ebenfalls einen Würgereiz, wurde schlagartig auch blass im Gesicht, aber da sie den Blick nach unten gerichtet hatte, fiel es nicht sofort auf. „Ist sicherlich besser so…, es tut mir leid, dass ihr meinetwegen jetzt alle schon wieder so viel Theater habt…“, sagte sie mit gepresster Stimme, aber sie hörte ihrem Bruder trotzdem weiter zu. Ein wenig Übelkeit legte sich, als sie hörte, dass er ihr die Ehrlichkeit hoch anrechnete, aber dennoch wusste sie gerade nicht, ob das alles nicht doch ein riesiger Fehler war. Zu hören, dass Mimi auch so eine harte Vergangenheit hinter sich hatte und so viel erleiden musste, tat ihr leid. „Meine Eifersucht tut mir leid und auch das mit der Kaffeetasse heute Morgen… ich habe meine Emotionen einfach nicht mehr unter Kontrolle…“, die ersten Tränen rollten bereits über ihre Wangen. „Im einen Moment bin ich glücklich, dann wieder traurig, dann wütend auf andere, dann wieder wütend auf mich selbst. Wenn ich jetzt alleine wäre, würde ich mir sicher wieder die Klinge über die Haut ziehen, damit dieses Gefühl endlich aufhört…, es ist, als würde ich innerlich brennen, es tut so verdammt weh.“ Sie hatte sich inzwischen ein wenig zusammengekrümmt und es wurde immer deutlicher, dass die Gefühle für Tai nur die Spitze eines riesigen Eisberges waren und Kari noch viel, viel mehr Probleme mit sich herumschleppte, als auf den ersten Blick zu sehen war. „Natürlich liebe ich T.K…, er war immer für mich da, aber ich weiß, dass ich nie gut genug für ihn sein werde, er hat was Besseres verdient als mich und Aiko auch eine bessere Mutter…, wie lange kämpfen wir jetzt schon um diese Beziehung und es wird einfach nicht besser… sicher ist er auch froh, wenn er mich endlich los ist, ich bin ihm doch nur ein Klotz am Bein.“ Sie merkte gar nicht, dass sie begonnen hatte, über die Haut an ihrem Arm zu kratzen und bereits die ersten blutigen Striemen sich zeigten, sie hatte einen emotionalen Zusammenbruch und wollte einfach nur noch hier raus. Völlig unerwartet begann sie plötzlich zu hyperventilieren, sprang auf und rannte Richtung Tür, aber mit zwei erwachsenen, starken Männern würde sie wohl nicht weit kommen. Doch das hatte sie nicht auf dem Schirm, einzig ihr Fluchtinstinkt war gerade aktiv und der Drang dieses Brennen in sich selbst zu löschen.   Tai war froh, dass Kari nun langsam zu begreifen schien, jedoch sollte das nur von kurzer Dauer sein und Tai entschied jetzt Masao als ihr Therapeut das Wort zu überlassen. Dieser hörte Kari zu und sah sie an, ihre Reaktionen beunruhigten ihn wirklich. „Hey Kari hör mal, es muss dir nicht leidtun, ich bin wirklich froh, dass du es gesagt, hast so kann ich mit dir weiter daran arbeiten, eine große Last von deinen Schultern zu nehmen, damit du dich freier fühlen kannst, wir können das Geschehene nicht rückgängig machen, aber ich möchte mit dir daran arbeiten, es in Zukunft besser zu machen, okay? Wir haben schon viel Gutes geschafft und ich verspreche dir auch das kriegen wir wieder hin. T.K. liebt dich, Kari und ihr kämpft um eure Liebe und eure Familie und das ist genau richtig, denn seine Liebe die gibt man nicht auf.  Woran wir aber dringender arbeiten müssen sind deine wiederkehrenden, selbstverletzenden Tendenzen, das Schneiden wird dir nicht helfen, es verschlimmert nur alles für dich, aber wir finden einen anderen Weg, du musst fest daran glauben, dass dein Wille stärker ist als der Drang, nach der Klinge zu greifen.“   In dem Moment war Kari allerdings auch schon aufgesprungen und Richtung Tür gerannt und Masao mit Tai natürlich sofort hinterhergehechtet, bevor sie noch wirklich abhauen konnte. Masao hatte sie von hinten umklammert, während Tai ihre Füße fassen wollte, aber erstmal einen schmerzhaften Tritt in den Bauch abbekam. Er keuchte auf und sah zu Kari. „Hey, jetzt beruhige dich doch, das ist doch keine Lösung Kari.“ Zusammen mit Masao verfrachtete er sie erneut ins Wohnzimmer, wo Masao alles tat, was er gerade konnte, um sie irgendwie zu beruhigen, doch es half nichts und Masao musste jetzt die letzte Option ziehen. „Tai, hilf mir sie ins Auto zu bringen, ich werde sie einweisen lassen müssen, sofort! Sie ist eine Gefahr für sich selbst.“ Tai nickte und half Masao dabei, Kari irgendwie zum Auto zu bugsieren, was sich als sehr schwierig gestaltete, denn Kari hatte angefangen wie wild um sich zu schlagen und zu treten.   T.K. hatte währenddessen mit Mimi gerade den Bungalow verlassen und waren auf dem Weg Richtung Haus, als sie das Drama da sahen und T.K. sofort zu ihnen eilte. „Was ist denn hier los, verdammt?“ Tai, der es gerade geschafft hatte Kari auf der Rückbank ins Auto zu kriegen, sah zu T.K. „Los, steig ein, Masao wird es dir unterwegs erklären, aber du musst mit ihr fahren.“ Während T.K. also einstieg und versuchte, Kari irgendwie zu beruhigen, war Masao losgefahren Richtung Klinik. T.K. sprach sanft mir seiner Verlobten. „Hika, mein Schatz, ich bin da, es ist alles ok.“ Tai hingegen lehnte sich gegen die Hauswand und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Stelle am Bauch, denn Kari hatte ihn dort ordentlich erwischt.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)