Das Leben danach von KenIchijoji ================================================================================ Kapitel 32: Reue ---------------- Unsicher war Hikari durch die Klinik gelaufen, ehe sie vor Masaos Büro angekommen war. Sie atmete einmal tief durch und klopfte dann an, ehe sie hineingebeten wurde und Dr. Watanabe entgegen blickte. Sie sah immer noch verweint aus und blickte dem Arzt in die Augen. „Haben Sie etwas Zeit für mich? Ich... ich schaff das einfach nicht mehr. Am liebsten würde ich sterben, ich habe alles verloren...“ Sie fiel auf die Knie und begann wieder hemmungslos zu schluchzen. Sie hatte ihren Mann, ihre große Liebe und ihr kleines Mädchen verloren. Wofür sollte sie denn jetzt noch weiter machen? Der Tod war eine dankbare Alternative, aber jedes Mal, wenn sie überlegte, wie sie es tun könnte, sah sie Takerus und Aikos Gesicht vor sich und brachte es nicht übers Herz. Masao hatte vor circa einer Stunde seine Schicht begonnen als Springer und anscheinend war dies genau richtig, denn zur Tür kam plötzlich Hikari herein und sie war total mit den Nerven am Ende, was in ihm die Alarmglocken schrillen ließ. Er stand auf und verfrachtete sie erst einmal auf das Sofa, das in seinem Büro stand, und besorgte ihr ein Glas Wasser, was er ihr reichte, bevor er sich in den Sessel ihr gegenübersetzte. „Okay, jetzt atme einmal tief durch und erzähl mir alles, was die letzten Wochen und Stunden passiert ist, Hikari, ich versuche dir zu helfen, in Ordnung?“ Es dauerte fast eine Viertelstunde, ehe sich Hikari soweit gefangen hatte, dass sie in der Lage war, mit Masao zu sprechen. Immer noch liefen ihr die Tränen über die Wangen. „Mein Verlobter hat mich verlassen, nachdem wir einen Streit hatten. Er hat mir noch einen Brief dagelassen, als ich weg war. Aiko hat er wohl zu seinem Bruder Yamato gebracht, aber er ist weg. Er hat alles mitgenommen… ich will nicht mehr leben, ohne ihn und ohne Aiko ist alles so sinnlos...“ Wortlos reichte sie ihm den Brief, den Takeru ihr hinterlassen hatte. Masao sah sie erst mal nur an und hörte zu, innerlich seufzte er. Mit diesen mickrigen Infos konnte er nichts anfangen. „Wenn du mir nicht alles erzählst, kann ich dir nicht helfen.“ Dann nahm er den Brief entgegen und las ihn sich durch „Also Hikari... was ist passiert, dass es so weit gekommen ist, dass er diesen Brief geschrieben hat? Was hat dich dazu bewegt zu glauben, dass er dich betrügt... und anscheinend gibt es da noch viel mehr Sachen, die zwischen euch vorgefallen sind.“ Er lehnte sich etwas weiter nach vorne. „Erzähl mir Schritt für Schritt alles und wir finden eine Lösung. Immerhin schreibt er, dass er dich trotzdem liebt, also falls du ihn zurück haben willst… wir kriegen das schon hin.“   Kari wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte und seufzte. Sie erzählte davon, dass sie das Gefühl hatte, dass sie mit Aiko auch nach der Geburt nicht richtig zurechtkam, von ihrem Streit mit Tai, ihrem generellen Hass auf Mimi und dass sie besonders sauer auf diese war, weil sie ihr die Möglichkeit genommen hatte, selbst zu entscheiden, wann sie Taichi die Sache mit Daisuke erzählte und aus Wut und Frust sogar ihrem eigenen Bruder den Tod gewünscht hatte. Sie berichtete von Takerus Zusammenbruch in ihrer Wohnung und davon, dass dieser ihr nicht mehr näherkommen wollte. „Ich hatte das Gefühl, er entfernt sich immer mehr von mir und wenn er dann auch noch die Kleine mitnimmt, sie bei seiner Mum abgibt und dann stundenlang irgendwo hin verschwindet, dann wird man doch stutzig, wenn er daraus so ein Staatsgeheimnis macht. Hätte er mir von Anfang an die Wahrheit gesagt, dann wäre es nicht soweit gekommen. Was ich danach gesagt habe, das war ziemlich gemein, das weiß ich selbst, aber ich konnte in dem Moment einfach nicht anders… natürlich will ich ihn zurück, aber im Moment kann ich ihm nicht die Frau sein, die er gerne hätte.“ Sie sah Masao verzweifelt an. „Vielleicht wäre es wirklich besser, ICH wäre diejenige, die sterben würde...“   Er hörte sich an, was sie ihm erzählte und er konnte so langsam herauslesen, was das Problem war. „Hikari, ich will dir nicht zu nahetreten, aber ist dir in den Sinn gekommen, dass du versucht hast, ihn zu jemandem zu machen, der er gar nicht ist? Du hast deine Wut und deinen Hass, den du auf deinen Bruder und seine Frau hast, an ihm ausgelassen und das hat ihn unvorbereitet getroffen. Auch Männer haben sensible Seiten in sich und bei deinem scheint es etwas ausgeprägter zu sein, so oft ist er ruhig geblieben und hat zurück gesteckt, dass irgendwann das Fass überkocht ist doch klar, du sagst, du kannst nicht die Frau sein, die er gern hätte, aber ich glaube, du wärst es, wenn du aufhören würdest, dich in Lügen zu flüchten, du musst anfangen, du selbst zu sein. Du lässt die negativen Ereignisse deiner vorherigen Beziehung in deine Jetzige miteinfließen und genau das ist der Fehler, dein Mann ist nicht dein Ex, also hör auf damit, sie zu vergleichen, er schreit dich nicht an? Das ist doch was Gutes, das zeugt von Charakter, mit Schreien löst man keine Probleme, sondern mit reden, du hast falsche Erwartungen an eine Beziehung, es verunsichert dich, dass er ruhig und verständnisvoll ist, aber genau das ist es, was du brauchst, er will dir Halt geben, aber du gibst ihm keine Chance dazu, natürlich hätte er auch einiges anders machen sollen, aber ihr lernt noch. Wenn er dir gesagt hätte, er geht zu einer Therapeutin, sei ganz ehrlich, wie hättest du zu diesem Zeitpunkt reagiert? Du hättest ihn wahrscheinlich durchlöchert mit Fragen und Vorwürfen, aber das war ein Hilferuf für ihn selbst, er hat sich Hilfe gesucht, weil er, so wie du es beschrieben hast meiner Meinung nach, einen Burnout hat und das kann ganz schnell in tiefe Depressionen umschwingen und das wollte er wohl damit verhindern, um für dich und die Kleine da sein zu können. Dir fehlt das Vertrauen in eine Beziehung, aber mit ihm hast du die Chance, dieses wieder zu erlangen, wie er schrieb, er liebt dich trotzdem immer noch und überleg mal, was du ihm die letzten Wochen alles zugemutet hast und trotzdem lässt er dir ein Tor offen, dass ihr noch eine Chance habt, aber das ist auch eure Letzte, ihr müsst ein offenes und schonungsloses Gespräch führen, in dem ihr alles sagt, was euch auf der Seele liegt, dann findet ihr einen Weg, die Probleme in den Griff zu bekommen, wenn du dich umbringst, hat da keiner was von, er wird dann wahrscheinlich dasselbe tun und dann hat eure Tochter weder Mutter noch Vater.“   Hikari hörte Masao zu und je mehr er erzählte, desto mehr spürte sie, dass er recht hatte. Sie schüttelte traurig den Kopf. „Ja es stimmt, ich war oft wütend auf Tai und Mimi, aber ich habe es nie bewusst wahrgenommen, dass Takeru es immer abbekommen hat. Deswegen meinte er wahrscheinlich auch, dass ich ihn als Boxsack benutzen würde. Ich komme mir so dumm vor, dass ich die ganze Zeit über auf Kerus Gefühlen herumgetrampelt habe… ich wollte ihn nicht zu etwas machen, dass er nicht ist, aber… ich weiß ja nicht einmal mehr, wer ich selbst bin. Ich habe mich irgendwo zwischen Flucht, Leugnen und Verdrängung verloren.“ Sie sah ihn an und seufzte. „Ich weiß, dass er nicht mein Ex ist und darüber bin ich auch froh, aber ich kann einfach nicht damit umgehen, dass er immer so verständnisvoll ist, vielleicht habe ich wirklich falsche Vorstellungen davon, wie eine Beziehung funktioniert und weil er nicht geschrien hat, habe ich das getan, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, ich bin so eine Idiotin… ich frage mich gerade, ob ich ihm überhaupt jemals richtig zugehört habe. Eigentlich habe ich ihn immer nur von mir weggestoßen, weil ich Angst hatte, dass er mir wehtut, wie Daisuke es getan hat, aber im Endeffekt habe ich damit ihn verletzt, wie ein Igel, der seine Stacheln ausfährt, wenn man ihm zu nahekommt.“ Als sie auf das Thema Therapeut zu sprechen kamen, schüttelte sie mutlos den Kopf. „Ich glaube, ich hätte es schon verstanden, aber dann wiederum hätte ich ihm vermutlich auch unterstellt, dass er Geheimnisse vor mir hat und das Ergebnis wäre dasselbe gewesen. Ich wollte nicht, dass es ihm so schlecht geht… ich habe gesehen, dass er immer weniger schläft, nicht mehr isst und nur noch traurig ist, aber ich habe nichts dagegen unternommen. Stattdessen dränge ich ihn auch noch, mich endlich zu heiraten, damit ich mir mit meinem Bruder nicht mehr den gleichen Namen teile und lasse meinen Frust an meinem Baby aus...“ Als er meinte, ihr fehle das Vertrauen in eine Beziehung, nickte sie. „Ja das stimmt, für mich gab es immer Tai, der auf mich aufgepasst hat, alle anderen Menschen haben mich nur enttäuscht. Die schlimmste Erfahrung war meine eigene mit Daisuke und die Beziehung zwischen meinem Bruder und Sora. Deswegen ist mir Mimi auch so ein Dorn im Auge, weil ich kein Vertrauen darin habe, dass sie Tai glücklich macht und er sich auch immer mehr von mir abgewendet hat, aber ich habe nicht das Recht dazu, ihm seine Beziehung vorzuschreiben, nur weil ich selbst damit nicht umgehen kann. Und er hat mir gezeigt, dass er Mimi zu 100% vertraut, als er sich für sie entschieden hat.“ Sie lachte bitter auf. „Ich habe ihm ja die Pistole auf die Brust gesetzt. Ich wünschte mir, dass ich sowohl mit ihm als auch mit Keru noch einmal sprechen könnte… und ich will zu meiner Tochter… ich will nicht, dass sie ohne ihre Eltern aufwachsen muss… sie kann nichts dafür, dass mich dieses Schwein immer wieder gegen meinen Willen angefasst hat… also was kann ich noch tun? Ich bin so verzweifelt, ich weiß einfach nicht weiter...“   Er lächelte innerlich, sie waren auf dem richtigen Weg, Hikari fing langsam an zu begreifen. „Jeder macht mal Krisen durch, eure war jetzt ausgeufert, das ist nicht mehr rückgängig zu machen, aber es ist gut, dass du so langsam erkennst, was falsch gelaufen ist, du sollst nicht die ganze Schuld auf dich laden, er wird auch Dinge falsch gemacht haben, aber wenn ihr euch gegenseitig sagt ‚hey das und das fand ich nicht okay von dir‘, dann habt ihr eine Basis, mit der ihr arbeiten könnt Hikari, ich habe die Male, wo ich euch zusammen gesehen habe, gemerkt, wie ihr euch anseht und das sah nach echter Liebe aus, also ist noch nichts verloren. Ich rede nichts schön, es wird noch ein schwerer, steiniger Weg und ich denke tatsächlich, um mit deinem Mann eine erfolgreiche Beziehung führen zu können, solltest du mit deinem Bruder und seiner Frau erst ins Reine kommen, denn es belastet dich und das blockiert dich dabei, dich voll und ganz auf deine eigene, kleine Familie einzulassen. Dass dein Bruder in deinem Leben so eine wichtige Rolle gespielt hat, das war an sich nicht verkehrt, er hat dir den Halt gegeben, den dir sonst niemand anderes geben konnte und du solltest auch nicht allzu streng mit ihm sein, ich bin davon überzeugt, dass Mimi ihn glücklich macht, die Beiden haben fast das Gleiche erlebt, dein Bruder nur noch viel krasser und so etwas schweißt zusammen, aber du solltest versuchen, diese Rolle, die jahrelang deinem Bruder zuteilwurde, auf deinen Mann zu lenken. Wenn du Nähe und Geborgenheit suchst, suche sie nicht bei deinem Bruder, sondern bei deinem Mann, du hast es dir zu bequem gemacht die letzte Zeit, du hast was gesagt, dein Mann hat getan und gemacht und jetzt sagte er mal nein und es ist eskaliert, du musst aufwachen Hikari und aufhören, dich immer nur auf andere zu verlassen. Du willst deinen Mann? Dann kämpfe um ihn und zeig allen, dass er deins ist. Du willst deine Bindung zu deiner Tochter? Dann arbeite daran, wälze deine negativen Gefühle nicht auf sie ab, gib ihr Positives mit, das stärkt eure Bindung. Wenn du ihr das Gefühl gibst, dass du sie nicht willst, dann kann das schwere, psychische Schäden bei ihr in der Entwicklung hervorrufen, die nicht reparabel sind, sie könnte aggressiv werden und ein gestörtes Sozialverhalten vorweisen, heißt, sie wird mit Rebellion und um sich schlagen Aufmerksamkeit einfordern, einfach weil sie nicht weiß, wie sie sich anders ausdrücken soll. Jetzt könnt ihr das noch lenken, wenn du ruhig und entspannt bist, dann ist sie es auch, bist du aufgeregt und wütend und hast sie auf dem Arm, dann spürt sie das und Kinder denken immer als erstes, sie seien schuld.“ Er trank einen Schluck Wasser. „Ich möchte jetzt, dass du mir sagst, was du für deine Zukunft willst und wer du sein willst.“   Sie sah Masao an. „Meinst du denn, dass er überhaupt noch mal mit mir reden wird? Ich habe mich schon so oft entschuldigt, was wenn er mir nicht mehr glaubt, wie ernst es mir dieses Mal ist? Ich weiß, dass es nicht einfach wird und ja, die Sache mit Taichi geht mir nicht aus dem Kopf, aber ich weiß nicht, ob das überhaupt möglich sein wird, ich habe solche Angst, dass es nie wieder etwas wird. Dass es niemals mehr wird wie es mal war, das ist mir bewusst, ich kann nur noch nach vorne schauen, aber nicht mehr zurück. Das mit Tai ist vorbei, er muss jetzt sein eigenes Leben leben. Vielleicht können wir eines Tages wieder aufeinander zugehen, aber du hast recht, er muss jetzt für seine Familie da sein und ich für meine.“ Masao hatte recht, Hikari hatte sich immer auf alle anderen verlassen aber nie selbst etwas erreichen müssen und das hatte ihrer Beziehung den Rest gegeben, weil Takeru zu nachsichtig mit ihr war, genauso wie ihr Bruder. „Ich will nicht, dass Aiko unter meinen Fehlern leiden muss, ich will für die Zukunft, dass sie zu einer gesunden Frau heranwächst und meine Fehler nicht wiederholt. Ich wünsche mir, dass Takeru an meiner Seite ist, wir heiraten und mit einem Geschwisterchen für Aiko eine liebevolle Familie werden. Auch wenn ich immer gesagt habe, dass mir Aiko egal wäre, ich hatte einfach nur Angst es zuzulassen, weil ich nicht verletzt werden will, aber damit habe ich alle Menschen von mir weggestoßen, die versucht haben mir zu helfen. Was Daisuke mir angetan hat, ist nicht mehr zu ändern, aber ich will meine Chance nutzen, um zu lernen, wie ich damit umgehen kann. Ich will nicht, dass Takeru die ganze Last alleine tragen muss, sondern dass wir uns gegenseitig unter die Arme greifen. Ich will unabhängig sein, aber trotzdem Nähe zulassen können.“ Sie sah Masao in die Augen. „Kannst du mir dabei helfen, das zu erreichen? Ich will meine Familie nicht kampflos aufgeben...“   Masao wollte ein Stoßgebet zum Himmel senden, sie hatte nun verstanden, worum es ging und darauf konnten sie aufbauen. „Du hast endlich verstanden, worum es geht und das ist gut so, wenn du daran festhältst werden diese Depressionen und alles nicht mehr dein Leben bestimmen, sondern du kannst sie von dir fernhalten und stärker sein als sie.“ Er lächelte. „Deine Beziehung zu deinem Bruder wird vermutlich nicht mehr dieselbe sein wie vorher, aber vielleicht ist das auch gut so, dass ihr quasi neu anfangen könnt, du hast deine kleine Familie und er seine, das ist normal, dass man nicht mehr ist wie mit 15 oder 16. Deine Zukunftspläne klingen gut und ich glaube es dir auch, aber du solltest mit deinem Mann reden, sonst wirst du es nie herausfinden, ob er dir noch eine Chance gibt, aber überlege dir vorher am besten, was du ihm sagen möchtest, was deine Wünsche sind und deine Ängste und auch, was dich an ihm gestört hat, aber gewähre ihm auch die Chance selbiges zu tun und dann bin ich davon überzeugt, dass es mit euch funktionieren wird.“ Damit stand er auf und ging vor die Tür, um kurz zu telefonieren, er rief Matt an und brachte in Erfahrung, wo T.K. sich mittlerweile aufhielt. Nach knapp drei Minuten ging er wieder ins Behandlungszimmer. „Du solltest Koffer packen, dein Mann ist in Thailand, genauer gesagt auf Koh Samui. Und ja, ich helfe dir, das zu erreichen, was du dir vornimmst, Hikari.“   Hikari lächelte nun leicht. „Ja, vielleicht habe ich einfach wirklich nicht bedacht, dass Tai und ich beide älter geworden sind. Aber darum werde ich mich später kümmern, ich möchte erst die Sache mit Takeru bereinigen. Ich will in erster Linie, dass Aiko nicht ohne Vater oder Mutter aufwachsen muss, selbst wenn es für Takeru und mich keine gemeinsame Zukunft mehr gibt. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, unsere Beziehung von Grund auf neu zu gestalten. Ich danke dir und hoffe, dass ich mit guten Nachrichten das nächste Mal hier stehe.“ Als er wiederkam und meinte, dass Takeru auf Koh Samui in Thailand sei, lächelte sie leicht. „Da wollten wir eigentlich in unseren Flitterwochen hin, dann denke ich, weiß ich auch genau, wo ich hinmuss. Vielen Dank und bis bald!“   Sonntag, 19. Februar 2017 Koh Samui, Thailand   Noch am selben Abend, nach dem Gespräch mit Masao, war Hikari bei Yamato gewesen, hatte sich um ihre Tochter gekümmert, ihre Sachen gepackt und hatte am nächsten Tag einen Flieger nach Thailand genommen. Nach einem anstrengenden Flug und vielen Telefonaten hatte sie herausgefunden, wo Takeru war und sie würde ihm heute, zwei Tage nach ihrem Streit, gegenübertreten. Als sie das Schiff verließ, beschloss sie, am Strand entlang zu gehen und so den Bungalow zu finden, in dem Takeru hauste. Es dauerte nicht lange und das Glück war mit ihr, als sie ihn im Sand sitzen sah aus der Ferne, sein Blick schien aufs Meer gerichtet zu sein. Sie trug das Kleid, dass sie am Tag ihrer Verlobung bereits angehabt hatte und bewegte sich auf ihn zu. Da er sie immer noch nicht bemerkt hatte, blieb sie neben ihm stehen und sagte mit sanfter Stimme: „Hallo Keru“, während ein unsicheres Lächeln ihre Lippen zierte. Die letzten zwei Tage hatten Takeru schon gutgetan, er hatte nichts gemacht, außer am Strand zu sitzen und ab und an im Meer schwimmen zu gehen, die meiste Zeit jedoch hatte er nachgedacht, über sich und sein Leben und seine Familie. Er hatte sich immer wieder gefragt, wieso sie nur so auseinandergebrochen waren und wünschte sich, sie könnten zu einer Zeit zurück, wo sie alle drei glücklich waren. Aber das schien nicht mehr möglich zu sein. Auch heute saß er wieder am Strand und blickte aufs Meer hinaus, seine Haut hatte mittlerweile etwas Farbe bekommen und sah nicht mehr ganz so ungesund aus, wie noch am Anfang. Als er Hikas Stimme vernahm, stand er auf und sah sie an. Wie hatte sie ihn gefunden und was zum Teufel wollte sie hier? „Was machst du hier? Und was willst du?“   Kari biss sich auf die Lippe und senkte den Blick etwas, als sie ihre Reisetasche vor ihren Füßen abstellte. „In erster Linie bin ich hier, weil ich mich entschuldigen wollte und um dir zu sagen, dass ich mich unmöglich verhalten habe. Ich war bei Dr. Watanabe und er hat mir die Augen geöffnet. Ich verstehe jetzt, was ich die ganze Zeit getan habe und Keru...“, sie blickte auf und braune Augen trafen auf Blaue, „ich will nicht kampflos das Feld räumen. Ich liebe dich, habe dich immer geliebt, aber ich bin einfach nicht in der Lage, eine Beziehung zu führen, weil ich völlig falsche Erwartungen habe. Ich habe nur Daisuke als Vergleichsmöglichkeit und weil du nicht geschrien hast, wenn etwas schief ging, habe ich es getan, um das zu kompensieren. Du hast meinen ganzen Frust abbekommen, Aiko auch und das tut mir leid. Ich will für meine Kleine eine Mama sein, auf die sie später stolz sein kann und ich will nicht, dass sie das gleiche Schicksal durchmachen muss wie du als Kind.“ Sie griff nach seiner Hand und hielt sie fest. „Takeru, du bist die Liebe meines Lebens und ich schäme mich, dass ich es erst erkannt habe, als du gegangen bist. Damit hatte ich nie im Leben gerechnet und jetzt ist mir erst bewusst, was du die ganze Zeit getragen hast. Was ich getan habe, tut mir leid. Die Ohrfeige, meine Worte, alles. Ich weiß nicht ob und wie ich es wieder gut machen kann, aber wer nicht kämpft hat schon verloren und deswegen bin ich hier. Nachdem ich von selbst den Wunsch hatte, um dich zu kämpfen, hat mir Watanabe geholfen, dich zu finden und mir fiel dann wieder ein, dass du einen dieser Bungalows für unsere Flitterwochen mieten wolltest, also wusste ich, wo ich dich suchen muss.“ Sie atmete einmal tief durch. „Mir ist klar, dass ich nicht erwarten kann, dass alles wieder so wie früher wird, aber ich würde mir wünschen, dass wir zusammen an unserer Beziehung arbeiten, dass wir uns gegenseitig klare Vorstellungen einer Beziehung offenlegen, dass wir miteinander reden und so auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Ich habe versucht dich zu etwas zu machen, dass du nicht bist und ich bin auch zu jemandem geworden, der ich gar nicht sein will. Es tut mir von Herzen leid, du bist die Liebe meines Lebens, Takeru Takaishi.“   Er war doch überrascht, solche Worte aus ihrem Mund zu hören, denn das klang vor ein paar Tagen und Wochen definitiv noch anders. Er hörte sich ihre Worte bis zum Ende an und ließ die auch erst einmal sacken, bevor er etwas dazu sagte. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, den du getan hast..., aber ich glaube trotzdem nicht, dass du wirklich nachvollziehen kannst, wie ich mich gefühlt habe, du warst ja in der anderen Position. Ich bin einfach nicht der Typ fürs Schreien und was weiß ich, ich halte davon nichts, man kann Probleme auch mit normalen Worten klären. Ich wollte nie gehen Hika, aber du hast mir nach dem letzten Streit keine Wahl gelassen, ich konnte sagen und tun was ich wollte, es war immer falsch, du warst immer nur genervt, ich habe Aiko bewusst nicht mit dir alleine gelassen, weil ich wusste, du bist alleine überfordert mit ihr und das hätte weder ihr noch dir gutgetan und ich will nicht, dass sie Schäden von dem Ganzen davonträgt.“ Er atmete tief durch „In den letzten Wochen hast du mir das Herz gebrochen, nicht nur einmal und auf die unschönsten Weisen, die ich kenne, ich habe mich zwischendurch gefragt, ob das mit uns nicht doch ein Fehler war, wenn ich meine Gefühle für mich behalten hätte, dann wären wir jetzt nicht in dieser Situation, aber dann wären wir wohl anders irgendwie auseinander gegangen. Ich wollte diese Beziehung niemals aufgeben, aber ich wusste am Ende nicht mehr, was ich noch tun sollte, du hast alles abgeschmettert, was ich gesagt habe. Ich habe Hilfe gebraucht, um nicht selbst zugrunde zu gehen, ich habe eine Therapie gemacht und ich weiß, du hasst sie, aber Mimi hat mir wirklich geholfen, alles mal los zu werden und mir auch ins Gewissen geredet, dass ich mit der Zurückhaltung dir zu viel habe durchgehen lassen. Indem ich dich in Ruhe gelassen habe und dir offen gelassen habe, dass du zu mir kommst, wenn du willst habe ich dein Verhalten nur bestärkt, das ist mir heute klar, ich hätte mich dir gegenüber viel eher durchsetzen müssen, dann wäre es vielleicht nicht so eskalierend geworden... ich stand vor dem Abgrund, an dem auch Tai vor einigen Jahren stand und ihn nicht überwinden konnte und ich wollte nicht auch so tief fallen. Ich glaube, dass wäre es dann gewesen, heute weiß ich es besser, was ich tun muss und dir Kontra zu geben war eine Sache davon, ich glaube doch, dass du es auch mal gebraucht hast Kontra zurück zu bekommen und du hast nie geglaubt, dass ich gehe, also war es genau das, was ich tun musste. Ich wollte Aiko nicht alleine in der Wohnung zurücklassen, also habe ich sie zu Matt gebracht da wissen wir sie in guten Händen, ich bin hierher, weil ich Ruhe brauchte, ich musste wieder zu Kräften kommen.“ Er sah sie fest an. „Ich habe nie die Hoffnung verloren, dass wir das mit uns noch einmal hinkriegen, aber wir müssen es anders angehen, du musst deine Vergangenheit mit Davis überwinden und ich muss lernen, nicht immer nur zurückzustecken. Du warst und bist meine große Liebe Hika, daran hat das Ganze, was passiert ist, nichts verändert. Ich liebe dich mit allem, was ich habe und deswegen tue ich alles, damit das mit uns wieder funktioniert und wir als Familie glücklich werden können, wenn du du selbst bist und auch lächelst, erwärmt das jedes Mal mein Herz und vielleicht helfen uns ein paar Tage hier allein zu zweit so zusammen zu finden, dass wir auch das mit Aiko auf die Reihe bekommen, wenn wir unsere Beziehung festigen, dann können wir auch Aiko gute Eltern sein.“   Sie sah ihm tief in die Augen. „Dann erkläre es mir, wenn du meinst, dass ich es immer noch nicht verstanden haben, denn ich will es wirklich nachvollziehen können. Ich weiß, dass du nicht der Typ fürs Schreien bist und ich sag dir ehrlich, ich bin auch froh darüber, von Daisuke angeschrien zu werden war das Eine, aber er hat mich im Suff oft grün und blau geprügelt. Ich hatte einfach Angst, dass du plötzlich auch ausrastest und wenn du es nicht getan hast, konnte ich damit nicht umgehen. Es lag die ganze Zeit an mir und nicht an dir, Keru. Und ich bin mit Aiko nicht überfordert, ich habe nur so wahnsinnige Angst davor, bei ihr auch alles falsch zu machen, es war gut, dass du sie zu Yamato gebracht hast.“ Als er sagte, dass er sich immer wieder fragte, ob das alles ein Fehler gewesen war, hatte sie Tränen in den Augen. „Es tut mir leid, dass ich gesagt hatte, Aiko wäre ein Fehler gewesen. Ich liebe euch beide so sehr, der einzige Fehler, den ich gemacht habe war, über die Sache mit Daisuke so lange zu schweigen, dass es mein ganzes, weiteres Leben bestimmt. Damit hat Daisuke letzten Endes doch bekommen, was er wollte… ich weiß, dass ich dich immer weggestoßen habe. Ich hatte einfach solche Angst davor, Nähe zuzulassen, weil mich das verletzlich macht. Mimi konnte mir bis in die Seele sehen, das hat mir Angst gemacht, weil ich wusste, dass sie jederzeit alles über mich wissen würde. Ich hasse sie nicht wirklich, ich hatte einfach Angst vor ihr… und das mit Tai war eine Kurzschlussreaktion, weil ich einfach nicht mehr weiterwusste und da meine Fassade gebröckelt hat vor ihm, habe ich ihn von mir weggestoßen, denn ich wusste, dass er sich immer für seine Familie entscheiden würde… Ich habe dir das Leben schwer gemacht Keru und das tut mir wirklich leid. Ich bin froh, dass Mimi dir helfen konnte und ich will nicht, dass du das durchmachen musst, was Tai erlebt hat. Bitte glaube nicht, dass du mir egal bist, Keru...“ Sie weinte nun immer mehr und sah ihn dabei lächelnd an. „Wenn wir uns gegenseitig dabei helfen, dann schaffe ich die Vergangenheit hinter mir zu lassen und du zu sagen, was du denkst. Ich möchte, dass wir eine Familie sind, für uns beide, aber auch für Aiko. Ich liebe sie so sehr, aber ich weiß, dass ich ihr im Moment nur schade. Watanabe hat gesagt, dass sie sehr schwere psychische Schäden bekommt, wenn meine Depressionen weiter andauern. Das will ich nicht!“ Sie ging einen Schritt auf ihn zu und hielt ihm ihre Hand hin. „Versuchen wir es noch einmal miteinander, über alles zu sprechen? Ich will die Liebe meines Lebens nicht kampflos aufgeben, aber dazu muss ich wissen, was dich beschäftigt. Sprich mit mir, ich werde es verstehen, wenn du mir die Möglichkeit dazu gibst.“   Er konnte es nicht fassen, als wäre die Vergewaltigung nicht schlimm genug, hatte er sie auch regelmäßig verprügelt. Und er Trottel? Er hatte einfach nicht gesehen, wie schlecht es Hika damals schon gegangen war, dafür könnte er sich ohrfeigen. Er musste schlucken. „Ich könnte dir so etwas niemals antun, Hika... ich liebe dich, egal wie sehr wir streiten oder aneinandergeraten, niemals würde ich gegen dich oder Aiko die Hand erheben. Alleine die Vorstellung ist abscheulich, ich hätte damals sehen müssen, wie sehr du gelitten hast, doch das habe ich nicht und das tut mir so unendlich leid, Hika. Ich möchte auch gerne, dass du dich mit Mimi und Tai aussprichst... ich denke, das wird dir auch eine große Last von den Schultern nehmen zu wissen, dass ihr nicht auf Kriegsfuß miteinander steht. Aber dass er sich für seine Kinder und Mimi entscheidet, kannst du ihm nicht zum Vorwurf machen, ich würde mich auch immer wieder für dich und Aiko entscheiden Hika, daran gibt es nichts zu rütteln, also sei ihm deswegen nicht böse, du hast ihn in die Enge getrieben und er musste entscheiden.“ Er nahm ihre Hände und zog sie näher an sich. „Ich liebe Dich, ich habe nie damit aufgehört, aber ich wusste am Ende nicht mehr zu dir durchzudringen und das war anscheinend der einzige Weg, wie es funktioniert hat Hika und ich bin froh, dass man dir die Augen öffnen konnte, jetzt können wir beide zusammen neu anfangen und alles besser machen. Aber ich denke, mit einem zweiten Kind sollten wir noch ein paar Jahre warten, lass uns erst einmal lernen, gute Eltern für Aiko zu sein und auch uns als Partner gegenseitig zu respektieren und zu unterstützen und nicht vor den Problemen davon zu laufen, egal wie groß und schwer sie auch seien mögen. Ich will dich zurück in meinem Leben, das ist alles, wofür ich atme, ich konnte nicht schlafen, weil du nicht bei mir warst, ich kann ohne dich nicht einschlafen und gut schlafen, ich würde dir vermutlich immer wieder mein Herz in die Hände legen. Ich habe zu lange gewartet, dir meine Gefühle zu gestehen, dann hätten wir uns vermutlich dieses ganze Drama sparen können. Du bist mein Leben, du und Aiko, ihr seid meine Familie und der Grund, warum ich jeden Morgen wieder aufstehe, deine Liebe hat mir Halt gegeben und Aikos und dein Lächeln zu sehen ist für mich Lohn genug, alles für euch zu tun, damit es euch gut geht, wir schaffen das, als Familie glücklich zu werden und Aiko eine Kindheit zu schenken, an die sie gerne zurückdenkt. Aber fürs Erste sollten wir uns, auch wenn es egoistisch klingt, auf uns konzentrieren. Aiko wird ungefähr eine Woche noch bei Matt sein und die Zeit will ich hier in Koh Samui nutzen, damit wir beide uns wieder annähern können und an uns arbeiten können und vielleicht tut uns diese Auszeit zu zweit auch einfach mal ganz gut, weil hier ist nichts außer Meer, Sand und Ruhe und das können wir im Moment am besten gebrauchen“ er lächelte.  „Du bist meine Welt und mein Leben Hika.“   Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe die blauen Flecke so gut es ging versteckt, weil ich nicht wollte, dass ihr euch sorgen macht. Der Einzige, der es gewusst hatte, war Ken, weil er Daisuke dabei erwischt hatte und er hatte ihn ganz schon zusammengestaucht, danach hatte er nie wieder die Hand gegen mich erhoben. Aber die Vergewaltigungen gingen weiter, ich habe zwar nicht mehr nein gesagt, aber eigentlich habe ich mich nur vor ihm geekelt. Er stank immer nach Alkohol und war schlecht gelaunt und grob. Ich bin einfach froh, dass es vorbei ist. Und ich habe nicht vor, weiter mit Mimi und Tai zu streiten, aber ich brauche noch etwas Zeit, um die richtigen Worte zu finden. Bitte gib mir die, ich bin Tai nicht mehr böse, ich weiß, dass ich schreckliche Dinge gesagt habe und es tut mir leid. Es war richtig, dass er zu seiner Familie hält, aber ich möchte auch, dass Aiko ihre Tante und ihren Onkel kennenlernt.“ Als er sie näher zog, musste sie einfach lächeln. „Wir haben beide Fehler gemacht Takeru und ich denke auch, dass wir mit allem weiteren warten sollten, bis wir beide wissen, wie wir mit unseren Sorgen und Ängsten richtig umgehen können. Ich möchte einfach nur bei dir sein, wir haben Aiko… selbst wenn sie ein Einzelkind bleibt ist es für mich in Ordnung, wenn wir damit alle glücklich sind. Solange du da bist, habe ich einen Grund zu leben und das allein genügt mir. Ich möchte nicht sagen: Lass uns die Vergangenheit vergessen. Mir ist es lieber zu sagen: Lass uns die Vergangenheit zum Anlass nehmen, in der Gegenwart an uns zu arbeiten und es in der Zukunft besser zu machen. Und ich denke nicht, dass es egoistisch ist, wenn wir uns jetzt Zeit nehmen, um für Aiko an uns zu arbeiten. Yamato liebt die Kleine abgöttisch, ich war noch bei ihm, bevor ich hergeflogen bin. Takeru, du bist das Licht in meinem Herzen, meine Hoffnung und ich möchte dich nie wieder wegen so dummen Verhaltens verlieren. Ich liebe dich, Mann meiner Träume.“ Sie überwand die letzte Distanz zwischen ihnen und mit einer sanften, schüchternen Berührung trafen sich ihre Lippen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)