Das Leben danach von KenIchijoji ================================================================================ Kapitel 27: Fehler ------------------ Während sich Takeru und Hikari aussprachen, war Mimi Masao in die Arme gelaufen und er war überrascht, dass Mimi ebenfalls anwesend war. „Kommen Sie mit in mein Büro, es gibt Dinge, die Sie wissen sollten“, somit geleitete er sie in sein Büro, wo er sich hinter seinen Schreibtisch setzte und sie ansah. „Ihrer Nichte geht es gut, Vitalfunktionen sind alle im grünen Bereich, aber Hikari bereitet mir Sorgen.“ Er sah sie ernst an „Das Ereignis mit Kazumi hat sie mehr mitgenommen, als sie hatte zugeben wollen, sie hat Angst, dass mit ihrer Tochter das Gleiche geschieht, sie hatte die Hoffnung aufgegeben, ein gesundes Kind zu bekommen...die Freude ihres Mannes über das Baby stellte für sie eine Belastung dar... sie hat eine Art Ablehnung gegenüber den Zwillingen entwickelt, sie sagte, bevor diese Babys auf die Welt kamen war alles noch in Ordnung, sie hat sich ständig mit Ihnen verglichen, ich konnte ihr zumindest begreiflich machen, dass ihr Mann sie liebt, weil sie sie ist und nicht irgendwer anders, sie glaubte, es würde weniger schmerzen, wenn sie das Kind ablehnen würde. Aber ich denke, die Ursache des Ganzen liegt noch viel, viel tiefer...“ Er seufzte. „Sie zeigt Symptome, die auf Suizidgefahr hinweisen könnten, sie lebt nicht mehr für sich selbst weiter, sondern nur für das Baby und denkt oft, es wäre besser, wenn sie nicht mehr da wäre, sie sagte, sie enttäusche ihren Mann sowieso, aber ich weiß nicht, wieso sie solche Gedanken hat, sie hat die Wochenbettdepressionen jetzt schon, also ne Art pränatale Depression. Ich bin der Ansicht, dass es gut für sie wäre, eine Therapie zu machen, die ihr richtig auf den Zahn fühlt und man so herausfindet, wo der Ursprung des Ganzen liegt, weil der wird, und da bin ich mir sicher, in der Kindheit unter Umständen liegen.“   Mimi sah ihn ebenfalls überrascht an, folgte ihm aber und setzte sich ihm gegenüber vor den Schreibtisch. „Ja, Hikari bereitet mir auch schon eine ganze Weile Sorgen, wenn ich ehrlich bin, aber ich war so sehr mit meiner eigenen Schwangerschaft beschäftigt, dass ich dem Ganzen keine weitere Beachtung geschenkt habe. Ich vermute, dass es nicht nur mit dem Kind zu tun hat, sondern auch mit der Beziehung zu ihrem Verlobten. Es gibt da eine Sache, die er bisher nicht wusste und ich denke das ändert auch für ihn einiges und macht Hikaris Verhalten für ihn auch schlüssiger.“ Als er von ihr und den Kindern erzählte, nickte sie. „Ja das hatte ich auch vermutet, nach dem was Takeru geschildert hatte, sie spiegelt meine eigene Geburt auf sich. Ich denke, dass sie eventuell einen Komplex auf ihren Bruder hat und mich als ihre Feindin sieht. Das Ganze beruht vermutlich sehr stark auf Projektion, weil sie anders damit nicht umgehen kann.“ Sie sah ihn an und lachte dann leicht. „Entschuldigen Sie, jetzt fange ich schon wieder an Fachchinesisch zu reden, ist wohl Berufskrankheit. Ich bin studierte Psychologin und schreibe gerade an meiner Abschlussarbeit für meine Zulassung als Therapeutin.“ Sie sah ihn ernst an. „Ich denke auch, dass für sie eine Therapie der einzig richtige Weg wäre, aber ich bin viel zu sehr in die Sache verstrickt, als dass ich ihr da helfen könnte, da sie ihren Selbsthass auf mich projiziert. Es reicht, dass ich meinen Mann immer wieder unbewusst analysiere und zu therapieren versuche.“ Sie grinste etwas. „Aber ich hätte auch auf eine pränatale Depression getippt, diese kann leicht entstehen, wenn bereits vor der Schwangerschaft depressive Episoden existierten, was ich mir im Fall meiner Schwägerin gut vorstellen könnte. Wie viel Erfahrung haben Sie mit therapeutischen Ansätzen? Hikari hat sich Ihnen anvertraut, daher habe ich im Gefühl, dass Sie für ihre Therapie vielleicht genau der Richtige wären. Könnten Sie sich das vorstellen? Ich kann Ihnen auch gerne mit Fachtipps zur Seite stehen.“ Als er sagte, dass sie suizidale Symptome aufwies, seufzte sie. „Also doch? Takeru hatte so etwas angedeutet, dann ist es doch ernster als ich gedacht habe. Die Gedanken, dass sie wertlos ist und alle nur enttäuscht, ruhen auf der Beziehung zu ihrem Exfreund. Er hat sie nur benutzt und sie wohl auch mehrfach zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Das wusste ihr Mann aber bis vorhin nicht, sie scheint sich wohl nur mir und ihrem Bruder anvertraut zu haben. Ich denke, dass Sie das wissen sollten, falls Sie Hikari weiter behandeln wollen.“   Was Mimi ihm nun erzählte, ließ sein Puzzle quasi zum Ende kommen und er konnte sich einen Reim auf gewisse Dinge machen. „Natürlich kann ich ihr im Rahmen meiner Möglichkeiten therapeutisch zur Seite stehen, ich habe ihr auch schon gesagt, dass ich ihre restliche Schwangerschaft und die Geburt begleiten werde. Aber die beste Therapie wird ihr Mann sein, er ist ihr emotionaler Punkt, der Vater ihres Kindes, ich denke, bei ihm wird sie sich besser fallen lassen können, sie kann die Vergangenheit nicht loslassen, sie hatte versucht, sich in Kälte zu flüchten. wenn sie für etwas nichts empfindet, kann es ihr auch nicht wehtuen. Ich habe ihr ein 3D-Ultraschallbild ihrer Tochter gezeigt und das war der Punkt, wo ich sie knacken konnte und sie die Gefühle für ihre Tochter zugelassen hat, wenn ich ehrlich bin, da mache ich mir nicht mehr so große Sorgen, aber gibt es denn keine Möglichkeit mehr, ihren Ex zur Rechenschaft zu ziehen? Das, was er ihr angetan hat…das ist das Schrecklichste, was man einem Menschen antun kann, dadurch, dass sie von Grund auf ein recht sensibler Mensch ist, wird das ihre Komplexe und Ängste nur noch verstärkt haben, dass sie sich darin bestätigt fühlt, nichts wert zu sein. Aber erzählen Sie, was ist das mit ihr und ihrem Bruder? Denn das scheint mir da durchaus mit reinzuspielen unter anderem auch, da wir ja gerade von einem Bruderkomplex reden.“   Sie lächelte leicht. „Das wäre wirklich gut. Natürlich ist Takeru ihre größte Stütze, aber er stimmt mit mir überein, dass Kari professionelle Hilfe von einer außenstehenden Person braucht, die das alles neutral bewerten kann, wir haben ihren Ex alle gekannt, er war ein sehr guter Freund von uns allen, wir kennen uns schon viele Jahre müssen sie wissen. Ich kenne Kari, seit sie 8 ist und ihren Verlobten genauso. Wir haben uns damals alle in einem Sommercamp kennengelernt. Und Hikari war auch damals schon gut darin, vor ihren Problemen wegzulaufen, ein Freund von uns war ihr da immer ziemlich ähnlich, daher kommt mir das auch so verdammt bekannt vor. Das mit dem Ultraschall war eine sehr gute Idee, das muss ich Ihnen wirklich lassen. Kari ist wirklich sehr sensibel und ein Menschenleben hat für sie viel Wert, daher hat sie ihr Kind vermutlich auch immer als Fremdkörper bezeichnet, aber Sie haben ihr wieder vor Augen geführt, dass sie einen kleinen Menschen in sich trägt, ich denke, dass das ihre Blockade fürs Erste gebrochen hat.“ Als er sie fragte, was mit ihrem Ex sei, seufzte sie und schüttelte den Kopf. „Dafür ist es leider zu lange her, die Verjährungsfrist ist bereits verstrichen. Er kann froh sein, wenn Takeru ihn nicht zwischen die Finger bekommt, mein Mann hatte ihn ja damals schon nach der Trennung grün und blau geschlagen. Und er kann froh sein, dass sein Exfreund davon scheinbar wohl auch nie Wind bekommen hatte, denn der ist Polizist. Hikaris Ex ist echt ein Vollidiot. Erzählt Kari, er hätte sich von seinem Freund getrennt und dabei hat er sich beide gleichzeitig warm gehalten in der Hoffnung, dass sich Ken vielleicht doch noch darauf einlässt, mit ihm zu schlafen. Ich hoffe, dass er ihn nicht auch noch dazu gezwungen hatte, seine psychische Verfassung ist auch nicht unbedingt die Beste.“ Sie sah ihn entschuldigend an. „Tut mir leid, ich weiche vom eigentlichen Thema ab. Ja, ich denke, dass Hikari das sehr geprägt hat, weil, von ihrer Seite zumindest, auch Gefühle im Spiel waren, da war es noch schwerer für sie, das zu verpacken.“ Als er sie nach Karis Bruder fragte, überlegte Mimi einen Moment. „Ihr Bruder Tai, also mein Mann, war eigentlich immer für Kari da. Manchmal ein bisschen überfürsorglich, er hat sie auf Händen getragen und immer in Watte gepackt, aber er war zumindest für sie da. Vor einigen Jahren hatte mein Mann einen schweren Unfall und konnte seine Karriere als Fußballspieler nicht mehr fortsetzen. Damals ist er auch in ein ziemliches Loch gefallen und Kari ist von jetzt auf gleich auf sich alleine gestellt gewesen. Ich denke das hat sie in die Arme ihres Ex getrieben, Daisuke ist vom Typ her Tai ziemlich ähnlich auf den ersten Blick, aber Tai ist fürsorglicher als er. Auf einmal wollte Hikari ihre Unabhängigkeit und hat sich von Tai distanziert, seit es ihm besser geht, nähert sie sich ihm wieder etwas an. Ich könnte mir vorstellen, dass sie diesen Hass auf mich projiziert, weil sie Tai eigentlich wieder nah sein will, wieder von ihm beschützt und behütet werden will wie damals und mich und die Babys dabei als Störfaktor sieht, denn seine ganze Energie gilt unserer Familie, insbesondere nachdem Kazumi so krank war. Ich denke, der einfachste Therapieansatz wäre hier, ihren Wunsch nach Geborgenheit von ihrem Bruder weg auf ihren zukünftigen Ehemann zu lenken. Takeru würde Kari auf Händen tragen, wenn sie ihn lässt, aber tief in ihrem Inneren will sie auch endlich erwachsen werden und unabhängig sein, deswegen stößt sie Takeru immer von sich, so meine derzeitige Hypothese. Vielleicht ist auch noch viel früher etwas zwischen den beiden gewesen, Kari war als Kind ziemlich kränklich, vielleicht ist Tai deswegen so überfürsorglich gewesen. Ich kann es Ihnen leider auch nicht genau sagen.“ Sie schaute Masao in die Augen.    „Ich will ja auch, dass es ihr und ihrem Kind gut geht und ich denke, wenn ich ihr die Therapie anbiete, dann wird es mehr Sinn machen, du wärst zu befangen und außerdem sieht sie dich ja ungewollt als Störfaktor, wie du sagtest. Aber dafür, dass sie so sensibel ist, ist sie aber auch charakterlich sehr stark, das hilft für die Therapie sehr viel, sie wirkt wie ein schüchternes Mädchen, aber sie ist im Grunde eine starke Frau...überleg mal, viele Frauen schaffen es nach einer Vergewaltigung nicht mehr, einem Mann zu vertrauen und sie hat es aber getan und noch viel mehr, sie hat sich entschieden, ihr Leben mit diesem Mann zu verbringen und das ist für mich ein riesiger Fortschritt, den sie gemacht hat im Leben“, er lächelte. „Weißt du, ich habe einen Neffen, er ist zehn, als er fünf war, war er schwer krank und ich hatte gerade als junger Arzt erst angefangen zu arbeiten, er hatte Krebs gehabt und meine Vorgesetzten meinten immer, dass es keine Hoffnung mehr gäbe, da die Schulmedizin am Ende sei. Ich habe ihn aber trotzdem operiert heimlich nachts und heute ist er wieder gesund und wächst als ganz normaler Junge auf, ich vertraue nicht auf die Schulmedizin, das habe ich bei eurer Tochter auch nicht getan, denn laut Regelwerk hätte ich sie nicht operieren dürfen, da ja die Chance zu gering war, aber ich bin froh, dass ich mich dem entgegen gesetzt habe, auch wenn mich das fast meine Zulassung gekostet hätte, denn heute geht es ihm wieder gut und das ist das Wichtigste dabei...man sollte nicht aufhören zu hoffen, weil die Regeln sagen, es sei chancenlos. Rede du mit deinem Mann und versuch alles über seine Beziehung zu Kari heraus zu finden, was du kannst und ich werde mein Bestes tun, Kari und ihrem Mann beizustehen und regelmäßig mit ihr Gespräche zu führen, ich denke, wenn wir zusammen arbeiten, dann hat sie mehr als nur eine reale Chance, dass sie das verarbeiten kann und ihr Mann und das Kind werden ihr Übriges dazu tun“   Mimi konnte ihm da nur zustimmen. „So schüchtern ist Kari gar nicht mehr, sie kann manchmal auch ganz schön stur sein, das wirst du noch merken, manchmal will sie mit dem Kopf durch die Wand, das hat sie sich von meinem Mann abgeschaut. Und ja, ich war auch überrascht, wie gut sie das weggesteckt hat, aber das war wohl nur äußerlich so, ich denke, das eigentliche Problem liegt irgendwo tief in ihrem Unterbewusstsein begraben. Aber ich bin mir sicher, gemeinsam mit ihrem Verlobten, ihrer Tochter und auch unserer Hilfe kann sie es schaffen.“ Als er von seinem Neffen erzählte, hörte sie schweigend zu. „Ja, manchmal muss man auf sein Gefühl und seine Intuition vertrauen, das ist etwas, das leider viel zu vielen Menschen in wichtigen Berufen fehlt. Mit dem Herzen sieht man oft die Dinge, die den Augen verborgen bleiben. Und ich bin froh, dass du Kazumi nicht aufgegeben hattest, ich weiß nicht, ob ich ihren Verlust verkraftet hätte, nachdem ich meine erste Tochter schon auf so grausame Weise verlieren musste. Und ich werde mit Tai sprechen, ich denke, dass es da noch etwas geben muss, wovon ich nichts weiß und ich denke er sollte wissen, dass Kari immer noch unter der Vergewaltigung leidet, damit er versteht, wieso sie sich so komisch verhält.“ Sie reichte ihm die Hand. „Da wir ja quasi jetzt Kollegen sind, ich bin Mimi.“ Sie grinste leicht und erhob sich dann. „Ich muss mich jetzt allerdings verabschieden, bevor mein Mann sich Sorgen um mich macht und er ist schon so lange mit den Kleinen alleine, er braucht bestimmt mal eine Pause. Anfangs war ich skeptisch, als er meinte, ich soll mir mal einen Tag Auszeit nehmen und etwas für mich tun, aber wenn ich sehe, wie gut er mit den Kindern zurechtkommt, dann kann ich ihn ruhigen Gewissens mal ein paar Stunden alleine lassen.“ Sie reichte ihm ihre Visitenkarte. „Scheu dich nicht davor, mich anzurufen und um Rat zu fragen, wenn du mal nicht weiterweißt.“   Eine Stunde später Haus von Taichi und Mimi   Seit Mimi morgens in Richtung Stadt verschwunden war, hatte er nichts mehr von ihr gehört und so langsam machte er sich doch Sorgen. Den Tag hatte er damit verbracht, mit den Zwillingen bei dem schönen Wetter am Strand spazieren zu gehen, danach wagte er das Experiment mit beiden in den Supermarkt einkaufen zu fahren und das ohne Mimi und er musste sagen, dass es funktioniert hatte. Fast schon kam ihm die Sehnsucht ins Herz, noch ein Kind zu wollen, am liebsten gleich, aber das würde er nicht offen sagen...Mimi würde ihn vermutlich für geisteskrank erklären, aber wer wusste schon, vielleicht in ein paar Jahren, wenn die Kleinen zu seinem Leidwesen größer sein würden. Er wollte nicht, dass sie erwachsen wurden, Makoto ja, aber nicht Kazumi, er liebte das Papa Dasein und vor allem immer der Held für seine Kleine zu sein und das irgendwann abgeben zu müssen, dass wollte er partout nicht, aber das würde er später mit sich ausdiskutieren. Als sie dann schließlich wieder daheim waren, hatte er die ganzen Einkäufe verstaut und, soweit mit Kindern möglich, das Haus aufgeräumt und die Wäsche gewaschen und aufgehangen. So langsam wurde es Abend und er fragte sich, wo Mimi bleiben würde oder sie hatte die Stadt leer geshoppt, das war natürlich auch eine Variante. Er hatte die Kleinen gefüttert und gewickelt und hatte mit ihnen auf der Couch gelegen, damit die Beiden ein Nickerchen machen konnten und es endete damit, dass die Zwillingen auf seiner Brust lagen und schliefen und er ebenfalls mit den Armen um die Kleinen eingeschlafen war.   Als Mimi endlich den Wagen vor der Haustüre parkte, war es schon ziemlich spät geworden. Sie hatte unterwegs an einem Schnellimbiss angehalten und sich entschieden, dass sie heute mal Pizza essen würden, denn nach diesem Tag hatte Mimi keine Nerven mehr, sich an den Herd zu stellen und von ihrem Mann würde sie das nach dem langen Tag nicht erwarten. Da sie nicht wusste, ob ihre Kleinen gerade schliefen, öffnete sie vorsichtig die Haustüre. Alles war dunkel und ruhig. Mimi stellte ihre Handtasche in der Küche ab, in der sie auf dem Tisch auch die Pizzakartons ablegte und sich auf die Suche nach Tai machte. Schnell hatte sie ihn im Wohnzimmer gefunden und weil sie die Szene so niedlich fand, zückte sie ihr Handy aus der Hosentasche und fotografierte ihren Mann kurzerhand, ehe sie sich über ihn beugte und vorsichtig Kazumi aus seinen Armen hob, die selig weiterschlummerte. Sie brachte die Kleine in ihr Bett, wiederholte das mit Makoto und dann erst weckte sie ihren Mann. Sie küsste ihn sanft auf die Stirn. „Schatz, ich bin wieder zu Hause und habe uns etwas zu Essen mitgebracht, Pizza. Ich hoffe, du hast Hunger.“ Das Drama im Hause Takaishi würde sie erst später ansprechen, erstmal brauchte sie eine Stärkung und die würde aus ihrer Thunfischpizza bestehen, Tai hatte sie natürlich auch seine Lieblingspizza mitgebracht. Sie ging in die Küche, holte die Kartons und reichte Tai, der inzwischen einigermaßen wach war, seinen. „Dann guten Appetit. Ich koche morgen wieder was Anständiges, aber heute bin ich zu erledigt dazu.“ Taichi hatte wohl ein paar Stunden schon mit den Kleinen im Arm geschlafen, als er schließlich von seiner Frau geweckt wurde. Er gähnte verschlafen und sah ihr nach, als sie in die Küche verschwand, noch war er nicht fähig, zusammenhängende Sätze zu bilden. Als sie mit den Pizzen ins Wohnzimmer kam, lächelte er, er liebte Pizza und für ihn war es kein Problem, mal etwas aus der Imbissbude zu essen. „Nein, du ruhst dich aus und nimmst dir Zeit für dich, das Kochen übernehme ich diese Woche“, sanft küsste er sie auf die Wange. „Du kannst dich entspannen, es ist alles fertig Schatz und die Wäsche auch gewaschen und aufgehängt, also musst du heute nur noch Füße hochlegen und mit mir kuscheln“, er grinste, die Zeit zu zweit war zwar weniger geworden durch die Kinder, aber dafür genossen sie jede Minute Zweisamkeit, die sie hatten und so schafften sie es auch, ihre Beziehung in gewisser Weise frisch zu halten. „Guten Appetit Schatz“, und damit fing er schon an, sich über seine Pizza her zu machen. „Wo warst du eigentlich solange heute?“   Dankbar lächelte Mimi ihn an. „Du bist wirklich ein Schatz, ich danke dir. Ebenfalls guten Appetit.“ Sie machte sich lang, setzte sich neben ihn und aß auch erst mal ein paar Stücke Pizza, ehe sie auf seine Frage einging. Sie hatte eine Weile überlegt, ob sie ihm Halbwahrheiten präsentieren sollte, aber das alles totgeschwiegen wurde, hatte dazu geführt, dass Kari überhaupt erst in diese Lage geraten war. „Ich hatte noch einen Zwischenstopp bei Takeru und Hikari eingelegt, weil ich da eh vorbeigefahren bin und das war eine ziemlich gute Idee.“ Sie sah ihn ernst an. „Ich muss dir etwas erzählen, aber versprich mir, dass du mir erst mal ruhig zuhörst. Für den Moment ist alles geklärt und Hikari und dem Baby geht es gut.“ Sie wusste, dass er sich wer weiß was ausmalen würde, also sprach sie schnell weiter. „Als ich in die Wohnung kam, habe ich einen vollkommen verzweifelten Takeru vorgefunden. Sie hatten eine Auseinandersetzung und Kari ist anschließend abgehauen. Sie hatte wohl gesagt, dass sie ihr Kind nicht wolle und es bereue, schwanger zu sein und wenn, ich zitiere sie, 'dieses Ding' nicht in ihr wäre, wäre sie schon lange weg. Takeru und ich kamen dann auf die Idee, dass sie eventuell ins Krankenhaus gefahren ist, weil ihr Baby so unruhig war vorher und Takeru und ich vermuten, dass sie sich wegen Kazumi distanziert hat, weil sie den Verlust nicht verkraften würde, wenn sie sich emotional an das Kind bindet. Masao, also Dr. Watanabe, hat sich darum gekümmert, die Krise ist vorerst überwunden, aber das Ganze geht wohl ziemlich tief, eventuell auch in ihre Vergangenheit zurück noch. Sie leidet, nach erster Einschätzung von uns, an einer pränatalen, also einer vorgeburtlichen, Depression, die der Wochenbettdepression sehr ähnlich ist. Sie ist mit der ganzen Situation und Beziehung mit Takeru wohl ziemlich überfordert, weil Takeru auf Streit vollkommen anders reagiert als Daisuke, damit kommt sie nicht klar. Sie fühlt sich sowieso schon so wertlos und versteht nicht, wieso Takeru sie nicht anschreit oder ihr droht. Daisuke hat sie echt kaputt gemacht, die Vergewaltigung war dann noch die Krönung des Ganzen, aber ich denke, dass Masao das mit ein bisschen Unterstützung hinbekommen wird. Und du stehst ja auch immer hinter ihr, ich hoffe, sie kann dieses Trauma eines Tages überwinden.“ Sie sah ihren Mann an und hatte auf einmal ein ganz komisches Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben.   Schon als sie ihn bat, ruhig zu bleiben, schrillten bei ihm die Alarmglocken. Das Positive war zumindest, dass es Kari und dem Baby gut ging. Er hörte sich an, was sie sagte und das mit dem Streit fand er schon ziemlich heftig. Was sie ihm danach jedoch offenbarte, dass änderte alles, was er bisher wusste. Er wurde plötzlich ganz still und in seinem Gesicht war keine Regung mehr zu sehen. Nach und nach wurde ihm jedoch klarer, was hier nun Sache war und das mit der Vergewaltigung, dass änderte alles. Seine Stimmlage änderte sich in eine Tonart, die absolut keinen Spielraum für Interpretationen ließ. „Er hat sie was?“, sagte er ruhig, zu ruhig und sah sie vollkommen ernst an, er war wütend, unfassbar wütend und hatte das Bedürfnis, Davis in Stücke zu reißen. Kurzerhand legte er den Pizzakarton auf den Tisch und stand auf. Er begab sich in den Flur, nahm seine Schlüssel und ging aus dem Haus raus. „Ich werde ihn finden und umbringen“, ja in diesem Moment war er von seiner Wut geleitet, er war so unfassbar wütend, wie konnte jemand so etwas seiner kleinen Schwester antun?   Schon als sich Tais Mimik änderte, wusste Mimi, dass etwas nicht stimmte. Ihre Vermutung wurde bestätigt, als Tai aufstand, den Schlüssel nahm und aus dem Haus lief. Sie hatte immer gedacht, dass Kari mit ihm darüber gesprochen hatte, sie hatte den Wutausbruch, den Takeru geschildert hatte, so interpretiert. Gerade konnte sich Mimi wirklich selbst ohrfeigen. Sie sprang auf und rannte hinterher aus der Türe hinaus und hörte noch seine letzten Worte. „Tai, warte bitte.“ Sie sah ihn zerknirscht an. „Es tut mir so leid, ich habe gedacht, dass du es wusstest, dass er sie…“, noch einmal konnte sie es nicht aussprechen. „Takeru hatte mir erzählt, dass du Daisuke damals ziemlich vermöbelt hattest und ich dachte, dass es auf diese Sache bezogen war. Ich hatte keine Ahnung...“ Kari würde sie deswegen vermutlich noch mehr hassen, als eh schon. //Toll gemacht Mimi, einsame Spitze...// Sie zog ihren Mann in ihre Arme und hielt ihn einfach nur ganz fest. „Beruhige dich bitte, ich weiß, du bist unfassbar wütend und würdest ihn am liebsten umbringen, aber glaubst du wirklich, dass du deiner Schwester hilfst, wenn du wegen Mordes ins Gefängnis kommst? Dann würde sie sich die Schuld daran geben, dass würde das Baby und sie in den Tod treiben und Takeru gleich hinterher. Dich zu bitten, es meinetwegen nicht zu tun, wäre ziemlich egoistisch, aber denke bitte an Makoto und Kazumi. Willst du, dass sie ohne Papa groß werden müssen? Lass nicht zu, dass dieser Arsch unsere Familie noch mehr kaputt macht. Er hat schon genug angerichtet, aber wir haben das überwunden und Kari wird den letzten Schritt auch noch gehen. Hab Vertrauen in sie, sie liebt dich mehr als du denkst, sie ist vermutlich eifersüchtig auf mich und vergleicht sich mit mir, weil sie dich eigentlich doch mehr braucht, als sie zugibt. Sei einfach für sie da, damit sie ihre Energien und Wünsche auf Takeru umlenken kann, dann wird alles gut. Daisuke hat in unserem Leben nichts mehr verloren. Bitte...“ Sie sah ihn eindringlich an und hoffte, dass seine Wut sich legen würde. Taichi war in dem Moment hoffnungslos überfordert und er wusste nicht, was er Mimi antworten sollte, natürlich hatte sie recht, es würde nichts ändern. Aber er war damals einfach so davongekommen und das war es, was ihn so wütend machte. Er würde nichts tun, was das Wohl seiner Frau oder seiner Kinder gefährden würde. Langsam drehte er sich um und legte ebenfalls seine Arme um sie. „Ist okay, ich bleibe hier, fürs Erste...“, er atmete tief ein und aus. Das, was es wirklich war, schmerzte ihn, er hatte sie nicht genug beschützt, mal wieder hatte er versagt, genauso wie damals, als sie wegen ihm im Krankenhaus um ihr Leben kämpfen musste. Er zog sie enger sich und vergrub das Gesicht bei ihr. „Ich habe schon wieder versagt, sie schon wieder nicht beschützt, es ist fast wie damals...“   Mimi stockte etwas, strich ihrem Mann über den Rücken und sprach ihm beruhigend zu. „Was meinst du mit damals? Tai, was ist passiert? Und du kannst Kari nicht vor Allem beschützen, dich trifft keine Schuld. Ich habe Kari damals immer wieder darum gebeten, ihn anzuzeigen, aber sie war so hoffnungslos verliebt in diesen schrecklichen Kerl. Hätte Ken sich drauf eingelassen, hätte er ihn vermutlich auch noch vergewaltigt, wenn er das nicht sogar getan hat. Wir werden alle aufpassen, dass er ihr nicht mehr zu nahe kommt.“ Sie löste sich etwas von ihm. „Komm, wir gehen wieder rein und du erzählst mir in Ruhe, was passiert ist, okay? Ich liebe dich!“ Taichi sagte nichts mehr weiter dazu, sondern ging mit Mimi schließlich wieder ins Haus zurück und ließ sich aufs Sofa sinken, ehe er von ihrer Vergangenheit zu erzählen begann. „Sie war noch ganz klein, da war sie noch im Kindergarten, ihr ging es nicht gut, sie war schlimm erkältet und musste zu Hause bleiben. Ein paar Tage später, als ich von der Schule nach Hause kam, schien es ihr besser zu gehen, ich hatte mich riesig gefreut und entschieden, ich nehme sie mit nach draußen zum Spielen und es sah auch erst gut aus. Wir haben Fußball gespielt und ihre Pässe gingen daneben, bis ich ihr sagte, sie solle anständig schießen und als ich mich umdrehte, lag sie da am Boden... später im Krankenhaus kamen meine Eltern dann dazu und Mama hat mir ne ordentliche Backpfeife verpasst, das tat noch zwei Tage danach weh... Kari musste auf die Intensivstation und um ihr Leben kämpfen... und das ist alles nur allein meine Schuld. Es war in der Digiwelt genau das Gleiche, ich bin mir bis heute sicher, sie hätte nie dorthin gewollt, aber sie hatte ein Problem damit, nein zu sagen. Sie hat nie gesagt, wenn sie sich nicht wohl gefühlt hat und sich selbst immer hintenangestellt und zuerst geschaut, dass es den anderen gut geht, sie hat nie gesagt, wenn es ihr mal nicht gut ging. Seit der Sache damals habe ich mir geschworen, dass so etwas nie wieder passieren würde, dass ich sie immer beschützen werde und bei der Sache mit Davis habe ich wieder versagt, ich hätte sie vor ihm schützen müssen, aber ich habe es nicht...“, sein Körper hatte sich merklich angespannt. „Ich bin es selbst schuld, hätte ich sie damals nicht vernachlässigt, dann hätte es sie nie in Davis Arme getrieben. Und ihr wäre so etwas nie wiederfahren...“   Mimi seufzte, sie hatte das entscheidende Puzzleteil gefunden, das alles erst hatte entstehen lassen. Sie schloss ihren Mann in die Arme und strich ihm sanft über den Rücken, sie hatte sich nach dem Reinkommen neben ihn auf das Sofa gesetzt. „Tai, bitte hör auf, dir solche Schuldgefühle zu machen, es ist nicht deine Schuld. Wie alt warst du da? Sieben, vielleicht acht Jahre alt, was haben deine Eltern denn erwartet?“ Sie schluckte. „Ich muss mit dir jetzt über etwas reden, dass sehr wichtig ist, um Hikaris psychischen Genesungsprozess zu gewährleisten. Ich denke, die Ursache für alle ihre Probleme liegt in dieser Situation, die du mir gerade geschildert hast. Denn davon wusste ich nichts. Zuallererst haben deine Eltern einen Fehler gemacht, dir die Schuld dafür zu geben. Ich hätte an deiner Stelle auch gedacht, dass sie wieder gesund ist. Und Hikari hätte dir sagen müssen, dass es ihr nicht gut geht, ihre rücksichtsvolle Art ist wirklich ein starker Charakterzug, aber er tut ihrer Persönlichkeit absolut nicht gut. Diese Situation hat dazu geführt, dass du Hikari überbehütet hast und daraus sind nach und nach die ganzen Probleme entstanden. Konntest du mir soweit folgen?“ Sie machte eine kurze Sprechpause, damit er das Ganze verarbeiten konnte. „Für deine Schwester war es immer sehr bequem, dass du immer da warst, wenn etwas nicht nach Plan lief. Sie brauchte sich um ihre eigenen Probleme nicht kümmern, hat sich dadurch aber abhängig von dir gemacht. Als sie älter wurde und du dich nicht mehr so um sie kümmern konntest, was im Übrigen gut war, musste sie plötzlich auf sich selbst aufpassen, aber weil sie das nicht konnte, hat sie ihre Gefühle für dich auf Daisuke projiziert, weil er dir ähnlich sieht. Schnell hat sie aber gemerkt, dass Daisuke ein völlig anderer Mensch ist und seitdem ist sie hin und her gerissen zwischen Unabhängigkeit und dem Wunsch nach der Nähe zu dir. Das wiederum hat sie auf mich projiziert, weil sie mich und die Kinder als Hindernis sieht, warum sie dir nicht mehr Nahe sein kann, was aber völliger Humbug ist. Du siehst also, tief in Hikari drin tobt ein gewaltiger Sturm, sie durchlebt gerade eine harte, psychische Krise und die wollen Masao und ich im Duo Stück für Stück aufarbeiten und verarbeiten. Der Wunsch nach Schutz und das behütet sein wollen ist ein Teil von Karis Persönlichkeit geworden, das wird sie nie wieder ablegen können, aber wir müssen diesen Komplex durchbrechen, den sie gegen dich und mich entwickelt hat. Das geht am Einfachsten, wenn wir ihr Schutzbedürfnis in einer Verhaltenstherapie auf Takeru umlenken, sodass sie von ihrer unbewussten Eifersucht gegen mich und die Kinder wegkommt und damit auch aus ihren Depressionen heraus, denn die können auf Dauer zum Problem werden.“ Ernst sah Mimi ihren Mann an. „Hier geht es nicht um die Frage, wer woran Schuld hat, sondern darum, wie sich die einzelnen Ereignisse untereinander und gegenseitig beeinflusst haben und zur gegenwärtigen Situation geführt haben. Die Depressionen deiner Schwester gehen schon so tief, dass sie in manchen Situationen zu Selbstmordgedanken führen, aber medikamentös können wir das während der Schwangerschaft und in der Stillzeit nicht behandeln, außerdem würde das nur die Symptome unterdrücken, wir aber wollen an der Ursache ansetzen. Dein Verhalten wird entscheidend auf ihren Heilungsprozess einwirken, denn auch du musst sie dabei unterstützen, dass sie sich zukünftig auf den Schutz von Takeru verlässt. Das heißt nicht, dass ihr eure Beziehung zueinander distanzieren sollt, aber du musst aufhören, sie vor allem beschützen zu wollen. Deine Aufgabe ist es jetzt, deine Kinder zu beschützen und von mir aus auch mich, wenn dir das hilft, auch wenn du weißt, dass ich eigentlich ziemlich gut alleine zurechtkomme. Verstehst du, was ich meine?“   Als sie darauf einging, Taichi müsse seine Beziehung zu seiner Schwester ändern und das Beschützen in T.K.’s Hände legen, machte er innerlich schon dicht. „Ja, ich sehe ja, wie er sie beschützt, dass sie wegrennt, wirklich gut beschützt. Ich bin ihr großer Bruder, ich muss sie beschützen, du warst damals nicht dabei, du hast das nicht mitbekommen. Ich weiß, dass sie denkt, ich hätte sie im Stich gelassen während ihrer Beziehung mit Davis, ich habe versucht sie zu erreichen, auf jeder erdenklichen Art und Weise, aber er hatte sie quasi in seiner Hand, egal was ich gesagt habe, es war einfach abgeprallt, ich hatte darüber geschrieben zusammen mit einem Bekannten und es gibt dazu auch ein Musikvideo, aber das hat sie nie zu Gesicht bekommen und ich weiß auch nicht, ob es jemals was geändert hätte. Ich war so unfassbar froh, als ich sie wiederhatte, aber es ging ihr schlecht und ich konnte nicht der sein, der ich hätte sein sollen, mir ging es schon schlecht, als sie in den USA war und als sie dann wiederkam... ich habe meine Probleme solange verdrängt, bis es nicht mehr ging, um ihr eine Stütze sein zu können. Ich habe getan, was ich in der Zeit konnte... aber irgendwie… es war alles nie mehr wie davor.“ Er seufzte, das alles war zu viel für ihn momentan, er wollte nicht, dass T.K. seinen Platz einnehmen würde, dann würde er sie endgültig verlieren und das wollte er nicht. „Ich weiß, dass wir ihr helfen müssen, aber ich kann jetzt nicht loslassen, nicht jetzt Mimi... ich brauche Zeit, bitte gewähre mir diese, das ist mir gerade viel zu viel auf einmal.“ Er brauchte in dem Moment etwas Ablenkung vom Reden, also beschloss er, Mimi zu zeigen, was er gemeint hatte. Er nahm das Tablet vom Tisch und öffnete den Ordner, wo alles abgespeichert war. Er öffnete die Videodatei und ließ sie seinen Part sehen und hören, denn der Rest davor war nicht relevant und bezog sich auch nicht auf ihn. „Du bist meine Liebe, mein Herz, mein Verstand, mein kleines Mädchen, doch er hält deine Hand. Ich würd so gerne bei dir sein, doch es geht nicht, denn ich bin selber noch nicht der, den du seh'n willst. Hab zwar schon viel erlebt und oft mein Ziel verfehlt, doch ist es das, was mein Leben auf die Waage legt. Ich werd den Tag erleben, an dem ich dir begegne und dir dann sagen, dass du alles bist auf meinen Wegen. Doch bis dahin wird es mich nicht geben und dein Freund wird dir viel erzählen. Er wird dir sagen, wie es war und dass ich dich nicht wollt' Doch heutzutage bist du alles, weil es Gott so wollt'. Mein Tag ist nicht mit dir, doch du gehörst zu mir. So will ich alles geben, ja alles geben, weil ich dich glücklich sehen will.   Nur du und ich Bis in die Ewigkeit Du bist mein Baby Auch wenn sich unsere Wege teilen I will love you 'till the day I die You don't have to cry   Nur du und ich Bis in die Ewigkeit Du bist mein Baby Auch wenn sich unsere Wege teilen I will love you 'till the day I die You don't have to cry“* Er seufzte, dieses Lied machte ihn jedes Mal etwas traurig, weil das der letzte verzweifelte Versuch gewesen war, Kari zu zeigen, dass sie ihm mehr bedeutete, als sie glaubte, aber wie sollte sie das wissen, wenn sie dieses Video nie gesehen hatte. „Ich liebe Dich und unsere Kleinen und natürlich werde ich euch beschützen, immer und solange ich lebe Mimi, aber ich will auch als großer Bruder meine kleine Schwester beschützen“, er hoffte, sie würde verstehen, was er meinte und wie schwierig das für ihn war. Er lehnte sich zurück ins Sofa und zog sie in seine Arme, während er ihr über den Rücken strich „Ich weiß, ich bin anstrengend und nervig..., aber bitte sei nicht böse mit mir.“   Mimi hatte mit dieser Art von Reaktion gerechnet, sie kannte ihren Mann und wusste, dass er das alles erst einmal verarbeiten musste. „Niemand hat gesagt, dass du von jetzt auf gleich vollkommen anderes denken musst oder sie loslassen sollst. Ich kann mir nur ausmalen, wie es dir damals ging, denn ich war nicht dabei, ich weiß das alles nur aus Erzählungen. Ich weiß nicht, was mit Kari damals passiert ist, aber es hat eure Beziehung zueinander beeinflusst und ich weiß, dass es dir damit bis heute schlecht geht. Ihr standet euch von Kindesbeinen an sehr nah, Kari kennt ja im Grunde genommen auch kein Leben ohne dich. Ich weiß, dass du immer alles für sie getan hast und das war auch wirklich großartig von dir Tai, aber du solltest Takeru wenigstens genauso viel Raum in Karis Leben einräumen, wie du selbst auch einnimmst, denn er wird ihr Mann werden und er ist der Vater ihrer ungeborenen Tochter.“ Sie atmete einmal kurz durch, ehe sie weitersprach. „Niemand verlangt, dass eure Beziehung sich verschlechtern soll, dass du sie loslassen sollst, es geht doch nur darum, die Art der Beziehung in eine andere Bahn zu lenken, nicht um die Qualität der Beziehung an sich. Takeru soll nicht deinen Platz einnehmen, sondern einen Platz neben dir einnehmen dürfen, verstehst du? Niemand kann den Platz eines anderen einnehmen, du wirst immer ihr großer Bruder bleiben, der Mensch, den sie schon ihr ganzes Leben lang kennt und zu dem sie immer aufgeschaut hat. Sie hatte versucht, deinen Platz mit Daisuke zu füllen und wir haben gesehen, wie das geendet hat. Diesen Fehler wird Takeru nicht machen.“, sie seufzte leise. „Der Grund, warum Kari eifersüchtig auf mich ist, ist, weil sie denkt, dass ich ihren Platz in deinem Leben eingenommen habe, aber das habe ich nicht, ich habe einen Platz neben ihr in deinem Leben eingenommen und der ist ihrer Rolle ebenbürtig, genauso wie die Zwillinge auch ihren eigenen Platz haben. Das ist es, was Kari lernen muss zu verstehen und das ist es, was auch Takeru erkennen und verstehen muss. Wenn du ihm seinen Platz im Leben deiner Schwester zulässt, dann wird sich der Rest nach und nach lösen. Und natürlich weiß ich, dass es Zeit brauchen wird und die sollst du auch bekommen, keine Angst.“ Sie hoffte, dass er verstand, dass sie die beiden nicht auseinanderbringen wollte, vielleicht hatte sie es zuvor einfach falsch verpackt. Als er ihr das Video zeigte, hörte sie aufmerksam zu, ihr war klar, dass er traurig war. Sie damals nicht beschützt haben zu können, dass nagte mehr an Tai, als sie sich das ausgemalt hatte, wahrscheinlich brauchte er auch noch Zeit, um das mit der Vergewaltigung zu verarbeiten. Kari hatte über sechs Jahre Zeit gehabt, das Geschehene zu verarbeiten, aber Tai hatte bis vor wenigen Minuten nichts davon gewusst. Auch wenn sie damit wahrscheinlich Karis Hass auf sich selbst noch mehr heraufbeschwören würde, sie musste mit ihrem Bruder über die Vergangenheit reden, allein. „Das Video ist toll und ich finde, dass du es ihr zeigen solltest. Tai, ich bin ehrlich, ich glaube es wäre gut, wenn du mit Kari ganz in Ruhe und ohne mich oder Takeru noch einmal über das Geschehene sprichst. Ich schätze, sie wird wütend auf mich sein, weil ich ihr die Chance genommen habe, es dir selbst zu sagen, aber es geschah aus Unwissenheit und nicht aus böswilliger Absicht, aber ich kann ihre vorübergehende Abneigung besser ertragen, als du diese schrecklich verfahrene Situation. Vielleicht ist sie mir am Ende sogar dankbar, dass du endlich reinen Tisch hattest, ich glaube, sie wusste selbst nicht, wie sie dir so etwas Unfassbares erzählen sollte. Ich schätze, sie wollte es einfach verdrängen, Daisuke hat ihr irreversiblen, psychischen Schaden zugefügt, wir können nur noch die Auswirkungen auf ihr Leben dadurch verringern, aber sie wird dieses schreckliche Erlebnis niemals vergessen können, verarbeiten vielleicht, aber es wird sie immer begleiten. Wie ich schon sagte, ich habe einen anderen Platz in deinem Leben als Hikari, jeder von uns hat seine Rolle für dich, die sich alle von ihrer Wichtigkeit her ebenbürtig sind. Und es ist auch in Ordnung, wenn du sie beschützen willst, du musst nur nach und nach dieses Überbehütende ablegen, ich weiß, dass das dauern wird, aber jeder kleine Schritt in diese Richtung bedeutet einen Fortschritt für alle Beteiligten.“ Als er sie in den Arm nahm, lächelte sie warm. „Ich weiß, dass du anstrengend sein kannst, aber ich könnte dir deswegen niemals böse sein. Jeder von uns verarbeitet bestimmte Dinge anders und ich weiß, dass diese neue Information dir den Boden unter den Füßen weggerissen hat, aber Stück für Stück kämpfen wir uns da raus, mein Liebling, wir haben schon so viel zusammen geschafft, wir werden auch diese Hürde meistern und ich werde euch beide so gut es geht unterstützen dabei.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)