Das Leben danach von KenIchijoji ================================================================================ Kapitel 24: Bittere Wahrheit ---------------------------- Ihre Worte waren auf Takeru eingeprasselt, ohne dass er die Chance hatte, irgendwie zu reagieren und als sie aufstand, um ihre Sachen zu packen, erhob er sich ebenfalls. „Hika..., nein bitte geh nicht, es tut mir leid...“, doch als sie ihren Verlobungsring ablegte und ihn noch ein letztes Mal küsste, brach in ihm alles zusammen, er sah sie an, mit tränenerfüllten Augen und sein Blick war gekennzeichnet von Schmerz. Das letzte, was er hörte, war, wie die Tür ins Schloss fiel und nun war er alleine...sie hatte ihn verlassen...und er fragte sich, wie viel mehr sie ihm noch wehtun wollte. Er war noch zur Tür gerannt und nach unten, in der Hoffnung, sie noch zu erwischen, aber als er unten ankam, fuhr sie gerade mit dem Taxi davon. Sie hatte ihn verlassen...und er war sich sicher, sie würde nicht mehr wiederkommen. Mit schweren Schritten begab er sich wieder nach oben in die Wohnung, er fühlte sich ausgelaugt und leer... jegliches Empfinden von Freude, was er bis vor ein paar Stunden noch hatte, es war weg. Genauso wie die Frau, die er über alles liebte, sie hatte ihn verlassen, ihm den Ring zurückgegeben und war gegangen, er wusste nicht, ob er jemals schon einmal so tiefen Schmerz verspürt hatte. Er hatte beim Reingehen nicht einmal bemerkt, dass er die Tür einen Spalt offengelassen hatte. Den Ring hielt er in seiner Hand umklammert und so setzte er sich auch auf das Sofa und sah sich um. Die gemeinsamen Bilder, die an der Wand hingen, sie erdrückten ihn. Er konnte nicht anders, er sah den Ring an und pfefferte diesen zu Boden, jedoch ging dieses kein Stück zu Bruch. Seine Augen waren leer und er weinte, ohne was dagegen machen zu können, ohne Pause.     Mimi hatte an diesem Tag zum ersten Mal seit der Geburt das Haus alleine verlassen. Ihr Mann hatte ihr angeboten, mit den Kindern am Strand spazieren zu gehen und danach zu kochen, sodass Mimi auch mal wieder vor die Türe kam. Sie liebte ihren Mann so sehr und sie würde ihm aus der Stadt eine Kleinigkeit mitbringen, um sich bei ihm zu bedanken, denn er steckte in der letzten Zeit viel mehr weg, als sie selbst. Nachdem sie eingekauft hatte und für Taichi seine Lieblingssüßigkeit besorgt hatte, beschloss sie, da sie in der Nähe war, auch Takeru und Hikari einen kurzen Besuch abzustatten, denn seit der Geburt hatte sie die beiden nicht mehr gesehen. Hikari musste sich schonen und daher kamen die beiden nicht so viel vor die Türe. Sie hoffte, dass die Spannungen wieder etwas nachgelassen hatten, die ihr im Krankenhaus aufgefallen waren. Und sie war gespannt, ob Gatomon und Patamon die zwei auch gefunden hatten. Noch immer musste sie lachend an die Zeit mit Agumon und Palmon denken, die beiden waren schwerer zu hüten, als ein Sack Flöhe. Mimi parkte vor dem Haus, in dem das junge Paar wohnte und sah, dass die Haustüre offen war. Sie stieg die Treppen hinauf und stutzte, auch die Türe zu Takerus und Hikaris Appartement war einen Spalt geöffnet. Mimi überkam ein ganz komisches Gefühl. Sie wollte aus Anstand gerade klingeln, als sie das Schluchzen aus der Wohnung vernahm. Sie warf ihre Bedenken über Bord und ging in die Wohnung hinein, ehe sie die Türe leise schloss. Vom Flur aus konnte sie Takeru auf dem Sofa sitzen sehen. Er wirkte vollkommen gebrochen und weinte ununterbrochen, das Schluchzen zog Mimi das Herz in der Brust zusammen. Der Junge, der das Wappen der Hoffnung einst getragen hatte, er hatte scheinbar die vollkommene Verzweiflung erreicht. Auf dem Boden, ein Stück vor ihm, lag ein Ring und Mimis Herz setzte einen Moment aus. Es war Hikaris Verlobungsring, das erkannte sie sofort. Was war hier passiert? Takeru hatte sie noch immer nicht bemerkt, als aus der Küche ein Geräusch zu hören war. Mimi ging durch die Türe in der Hoffnung, dort Hikari zu finden, aber sie stutzte, es waren Patamon und Gatomon. Die kleine Katze sprang der jungen Frau in die Arme, Gatomon schien auch geweint zu haben. „Was ist hier passiert?“, fragte Mimi ganz leise und Gatomon erzählte, was sie gehört hatten. „Dann hat Kari ihre Sachen gepackt, sagte, sie will zu ihren Eltern fahren und ist gegangen“, beendete das Digimon seinen Bericht. Mimi war fassungslos. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, was hier gerade passiert war. Kari wollte ihr Baby nicht mehr? Takeru saß gebrochen im Wohnzimmer, sie hatte ihren Verlobungsring abgelegt? Mimi konnte sich ausmalen, wie es in Takeru aussehen musste. Hikari hatte es wahrscheinlich nicht einmal begriffen, aber sie hatte dem jungen Mann das Herz aus der Brust gerissen und in Stücke zerfetzt. Leise ging sie ins Wohnzimmer, Takerus Blick heftete immer noch auf dem Boden. Sie kniete sich vor ihn, hob seinen Kopf etwas an, damit er sie ansehen musste, dann legte Mimi ihre Arme um ihn und zog ihn in eine warme Umarmung und strich ihm beruhigend über den Rücken. „Shht, ich bin ja da, alles wird wieder gut werden Takeru, wir kriegen das wieder hin, ja?“, sprach sie mit ganz ruhiger und sanfter Stimme. Das hier erforderte psychologisches Fingerspitzengefühl. Takeru war wie eine Glasfigur, die jeden Moment in tausend Splitter zerbrechen konnte, wenn man sie nur einmal falsch berührte. Sie würde ihn nicht bedrängen, sondern warten, bis er von selbst anfing zu sprechen. Hikaris Reaktion war ihr vollkommen unbegreiflich. Schwanger hin oder her, diese Stimmungsschwankungen waren definitiv nicht normal und sie war der Meinung, dass die Braunhaarige auch dringend mal einen Psychologen aufsuchen sollte, bevor sie sich selbst und ihre ganze Familie in den Abgrund riss. Mimi seufzte innerlich. Das würde ein langer Tag werden und sie musste sich nachher eine Ausrede für Tai einfallen lassen, denn sollte er davon Wind bekommen, würde er vermutlich durchdrehen. Szenario 1: Er würde Kari den Kopf abreißen. Szenario 2: Er würde wieder in sein Loch fallen. Szenario 3: Er riss Takeru den Kopf ab, weil er nicht besser auf Hikari aufgepasst hatte. Keine der Optionen wollte Mimi hinauf beschwören. Aber sie war ja kreativ und hatte gute Einfälle, sie würde schon etwas Glaubwürdiges finden, dass zumindest einer Teilwahrheit entsprechen würde. Sie hoffte nur, dass Kari auch wirklich zu ihren Eltern gefahren war, aber jetzt musste sie sich um Takeru kümmern.     Takeru hatte sich kurz erschrocken, als er plötzlich Mimis Hand unter seinem Kinn spürte. Aber auf einer Seite war er auch froh, dass sie da war. Mit Matt hätte er nicht reden können, eigentlich hatte er einfach nur hier sitzen und irgendwann für immer die Augen schließen wollen, denn wenn Kari nicht bei ihm war, sah er keinen Sinn mehr weiterzuleben. Es dauerte etwas, bis er seine Stimme einigermaßen wiederfand. „Nein, es wird nichts mehr...sie will es nicht..., dass alles...das Kind ist für sie nur Ballast...und sie bereut es...sie will es nicht...sie liebt es nicht.“ Er hatte ebenfalls die Arme um sie gelegt, aber hauptsächlich, damit er sie nicht ansehen musste. „Ich kann nicht mehr Mimi....ich weiß nicht mehr weiter...das geht jetzt schon Wochen so, aber das heute, sie hat es geschafft, mir innerhalb weniger Minuten das Herz mehrmals rauszureißen und wegzuwerfen...sie kann unser Kind nicht lieben und will nicht Mutter sein...ich verstehe es nicht, sie gibt dem Kind die Schuld daran, dass wir uns ab und an halt streiten...sie meinte, es reißt uns auseinander...und egal wie oft ich ihr versuche zu sagen, dass es nicht so ist, sie schmettert es ab, das geht jetzt schon so seit Makoto und Kazumi da sind. Wahrscheinlich habe ich es irgendwie verbockt, meine Liebe, sie reicht nicht, ich kann sie nicht glücklich machen“ Er war wirklich ein Wrack, er wusste nicht mehr, was er noch tun sollte, er wollte, dass es aufhörte, dieser Schmerz und dieses Gefühl von Leere. „Sie glaubt mir nicht..., dass unsere Tochter auch sie bedingungslos lieben wird. Sie ist irgendwie sauer auf mich, weil ich sie nicht anschreie...und wenn ich ihr Tee bringe oder Schokolade, dann ist sie auch böse mit mir..., weil ich das mache, obwohl sie manchmal mit ihren Worten ekelig zu mir ist... Und jetzt? Hat sie uns aufgegeben...und ist weg... und ich glaube nicht daran, dass sie jemals wiederkommt.“     Schweigend hörte sie ihm zu, sie machte sich große Sorgen um die Beiden, aber als er meinte, dass es so sei, seit Kazumi und Makoto geboren worden waren, stutzte sie etwas. Konnte das denn sein? Sie atmete tief ein. „Ich glaube nicht, dass sie nie wiederkommt. Es gibt Frauen, die keine Bindung zu ihren Kindern aufbauen können. Meistens passiert das nach der Geburt, das nennt man dann Wochenbettdepressionen oder auch postnatale Depressionen. Das ist nicht ungewöhnlich und gerade unsichere und sensible Menschen wie deine Kari kann es leicht treffen, ich denke in diesem Fall haben wir es mit einer pränatalen Depression zu tun, ich schätze, dass sie schon länger daran leidet, das erklärt auch ihre Frühgeburtssymptome. Sie setzt ihr Kind permanentem Stress aus, weil jeder von ihr erwartet, dass sie sich auf das Kind freut, aber sie Angst vor der Veränderung hat und verunsichert ist. Aber dass sie so vehement abstreitet, ihr Kind zu lieben, ist selbst dafür sehr extrem. Takeru, wie hat Kari reagiert, als sie von Kazumis Herzfehler gehört hat und dass sie es eventuell nicht überleben würde? Ich habe die Vermutung, dass sie Angst hat, dass eure Tochter auch krank ist und sterben könnte. Und dass sie deswegen keine Bindung aufbauen will, weil sie genau weiß, dass sie das nicht verkraften würde. Das erklärt zumindest, wieso sie so auf das Baby reagiert. Aber warum eure Beziehung so belastet ist, erklärt sich daraus nicht.“ Sie erhob sich und setzte sich neben Takeru auf die Couch. „Hör bitte auf, dir einzureden, dass es an dir liegt, Takeru. Du machst das wundervoll und ich denke, Kari liebt dich immer noch. Zu gehen war vielleicht ein bisschen sehr krass, aber ich denke, sie wollte nicht noch mehr Dinge sagen, die sie hinterher bereut, vielleicht braucht sie auch nur einen freien Kopf. Möglicherweise liegt es auch an Tai und mir, weil wir so eine friedliche Ehe führen, während ihr euch immer mal wieder in den Haaren habt. Aber das ist gut so, davon lebt eure Beziehung und wächst auch, Tai und ich sind vollkommen andere Menschentypen. Ich bin psychisch wesentlich stabiler als Kari und Tai kam mit meinen Stimmungsschwankungen besser zurecht, aber das heißt nicht, dass eure zukünftige Ehe zum Scheitern verurteilt ist, sofern du Hikari jetzt noch heiraten kannst und willst. Sie hat euch echt an die Wand gefahren, ich muss das gerade selbst erstmal realisieren, also bitte verzeih mir, wenn ich wirres Zeug von mir gebe. Ich bin mir sicher, dass sie wiederkommt, wenn sie sich beruhigt hat. Vielleicht hat sie auch gemerkt, dass etwas mit dem Kind ist und wollte ihm den Stress entziehen. Ich habe sie die letzten Wochen immer wieder beobachtet, sie liebt eure Tochter bedingungslos, ich weiß nicht, wieso sie auf einmal sagt, dass es nicht so sei. Irgendwas muss mit ihr passiert sein. Bitte erinnere dich zurück, was ist dir an ihrem Verhalten noch aufgefallen?“ Sie hoffte einfach nur, dass Kari nicht wirklich darüber nachdachte, sich das Leben zu nehmen, das war auch bei pränatalen Depressionen nicht unüblich. In Mimis Augen brauchte Kari im Moment ganz dringend eine Sache: Einen guten Psychologen mit Fingerspitzengefühl.   Takeru versuchte sich daran zu erinnern, was noch war. „Ich weiß nicht...es ist, als wäre sie nicht sie selbst, seit der Geburt eurer Kinder hat sie sich total verändert...sie will Tai sehen, aber nicht zu euch fahren, ich verstehe das nicht...dann habe ich vorgeschlagen, dass ihr ja herkommen könnt, aber das wollte sie dann auch nicht. Sie redet ständig davon, warum ihre Schwangerschaft nicht wie deine sein kann“, er seufzte. „Mimi, ich tue wirklich alles, um ihr zu helfen, klar manchmal verhalte ich mich auch falsch, das streite ich nicht ab. Aber das heute, es war nie annähernd so heftig, sie hat mit so viel Liebe und Freude das Zimmer eingerichtet und von heute auf Morgen will sie das alles nicht mehr, sie sagte, sie sei es nicht wert, meine Frau zu sein, dann legt sie den Ring weg, sagt sie liebt mich, küsst mich und dann geht sie einfach. Als sie vorhin auf dem Bett saß, hab ich ihren Bauch geküsst und da hat sie sich sofort versteift und war angespannt und als ich ihr die Schokolade gegeben habe..., fing sie an, mir die ganzen Sachen vor den Kopf zu knallen..., sie liebt Makoto und Kazumi..., aber nicht unsere Tochter. Der Arzt hat ihr halt Ruhe verordnet und das passt ihr nicht..., aber was sollen wir machen? In der einen Sekunde will sie Nähe, dann stößt sie mich weg, dann weint sie, dann ist sie wieder wütend und so geht es fast den ganzen Tag...und heute meinte sie halt, dass das alles ein Fehler war..., dass wir miteinander geschlafen haben..., dass wir ein Kind kriegen... und wenn es da ist soll ich mich um das Kind kümmern und sie geht wieder arbeiten, ich solle es dann alleine großziehen. Aber im nächsten Moment sagt sie, sie hofft, dass wir es zusammen großziehen..., zu den Untersuchungsterminen darf ich auch nicht mehr mit..., dass will sie nicht.“ „Sie meinte, sie erträgt es nicht, dass ich so traurig wäre und ohne das Baby wäre zwischen uns alles gut gewesen..., sie ist der Auffassung, dass das Baby alles kaputt gemacht hat. Und wenn ich sie verlassen will, ist das für sie kein Problem, ich bekomme das alleinige Sorgerecht und dann hat sie mit dem Ganzen nichts mehr zu tun, denn das Kind soll nicht ohne Vater aufwachsen... Ich weiß nicht, ob sie vielleicht eifersüchtig ist auf eure Beziehung, keine Ahnung...ihr streitet euch auch sicher, aber jeder streitet anders und geht auch anders damit um.“     Mimi sah Takeru an, was er erzählte machte die ganze Sache noch wirrer und undurchsichtiger. Mimi legte nachdenklich einen Finger an ihr Kinn. „Hmm, Eifersucht wäre möglich, vielleicht hat sie auch den Eindruck, dass ihr Bruder glücklicher ist als sie selbst und sie gönnt ihm das irgendwie nicht? Oder es liegt an mir, aber ich frage mich, wieso...“ Sie sah Takeru an. „Meinst du, es wäre möglich, dass sie eifersüchtig auf mich ist, weil ich ihr den Bruder 'weggenommen' habe? Denn seit die Kleinen da sind, gilt Tais ganze Aufmerksamkeit hauptsächlich den Kindern und mir, klar er schreibt auch ab und zu mal eine Nachricht oder ruft an, aber er arbeitet nicht mehr und geht auch nicht mehr groß weg. Vielleicht denkt sie ja, dass ich ihn um sein Glück bringe oder so, sie weiß ja, dass Tai die Musik inzwischen sehr liebt und darin aufgeht, aber seit ich wieder hier bin, habe ich keine glücklicheren Momente bei Tai gesehen, als wenn er mit unseren Kindern zusammen ist.“ Inzwischen hatte Mimi das Gefühl, dem Kern der Sache näher zu kommen. „Vielleicht projiziert sie das auf eure Beziehung, hat den Eindruck, dass sie dich um deine Freiheit bringt oder sich selbst um ihre Eigene und bezeichnet deswegen das Baby so, als würde es alles kaputt machen. Dazu die Sache mit den Depressionen, die Angst vor dem Verlust, doch, dass passt alles zusammen. Aber ich finde immer noch nicht das Puzzleteil, warum sie das alles an dir auslässt. Ich werde aus Kari gerade auch nicht so ganz schlau. Oder sie tut das unbewusst, damit Tai sich wieder mehr um sie kümmert und weniger um mich. Aber dann bliebe die Frage: Warum? Was habe ich ihr getan?“ Mimi seufzte und sah Takeru an. „Du hast ja ne ganz schön harte Zeit hinter dir, warum hast du denn nicht früher schon etwas gesagt, ich wäre doch für dich da gewesen.“ Sie umarmte ihn noch einmal leicht. „Egal, Vergangenheit ist Vergangenheit, jetzt müssen wir nach vorne schauen.“ Mimi war mit ihrem Latein am Ende, es fehlte ihr noch ein entscheidendes Puzzlestück für das große Ganze.     So langsam rauchte auch T.K. der Kopf, das war alles ganz schön anstrengend. „Ich denke, sie stellt eure Beziehung unserer immer gegenüber, jetzt wo du es sagst... jeder fünfte Satz ist ‚Bei Tai und Mimi funktioniert das doch auch‘. Bisher habe ich mir dabei nicht viel gedacht, aber dass du ihr ihn wegnimmst? Sie wollte doch mehr Freiraum von ihm, dass er sie nicht mehr so überbeschützt..., aber weißt du, was ich eher denke? Sie behauptet zwar, sie wäre erwachsener und braucht das jetzt auch nicht mehr, aber es fehlt ihr doch. Klar, ich bin für sie da und ich beschütze sie auch..., aber sie vermisst es auch, sich in der Sicherheit ihres großen Bruders zu wissen..., er lebt jetzt ein anderes Leben, wo sie nicht mehr Nummer eins ist... Hinzu kommt wahrscheinlich, dass wir, seit sie im dritten Monat ist, keinen Sex mehr hatten, weil das zu risikoreich ist fürs Baby und bevor ich für Sex das Leben meines Kindes riskiere..., verzichte ich lieber..., das passt ihr auch nicht so ganz“, er rieb sich die Stirn. „Und deine Schwangerschaft verlief ja problemloser als ihre...und du zwingst ihn ja nicht, sich zurück zu nehmen, das tut er ja von sich aus.... Gott ist das alles kompliziert. Aber sie sagt auch nicht, wenn sie was stört. Ich bin mir sicher, wenn sie ihn fragen würde, würde er doch auch kommen, wenn etwas wäre..., aber sie kann nicht mehr Freiraum verlangen und dann eifersüchtig sein, wenn er ihr diesen gibt...und du bist seine Frau, natürlich gilt seine Aufmerksamkeit vor allem dir und den Kindern, immerhin seid ihr eine Familie. Aber meinst du, sie hat Angst, dass unserem Kind das Gleiche passiert, was Kazumi passiert ist?“, er sah sie an, er war langsam mit seinem Latein am Ende. „Sie bezeichnet unser Kind als Fremdkörper in ihrem Körper, den sie abstößt, wenn sie über das Baby redet… ist sie kühl und emotionslos.“     Mimi nickte. „Ja, ich denke das ist ihre Hauptangst. Meine Schwangerschaft verlief viel reibungsloser als ihre und trotzdem war meine Tochter krank. Dass ich Zwillinge ausgetragen habe, lässt sie vermutlich außer Acht. Ich vermute, dass sie viele Selbstzweifel hat, sich wertlos fühlt und sich deswegen vermutlich einredet, dass sie gar kein gesundes Kind zur Welt bringen kann, aber das ist Quatsch. Auch wenn ich weniger Symptome hatte, ich hatte eine Risikoschwangerschaft in zweierlei Hinsicht. Ich habe bereits ein Kind verloren und ich habe Zwillinge in mir getragen. Das Gefühl von Wertlosigkeit ist ein Anzeichen der Depression, vermutlich ist sie einfach überfordert gewesen. Ich schätze aber, dass sie schon vorher Depressionen gehabt haben muss. Vielleicht durch die Sache, die sie mit Tai erleben musste. Sie wurde von jetzt auf gleich aus ihrer heilen Welt gerissen und musste erwachsen sein. Und das ist sie aber nie geworden, sie redet es sich ein, aber eigentlich hängt sie immer noch an Tai, das alles ergibt gerade richtig Sinn, Takeru. Ich denke sie glaubt, dass sie nicht mal mehr für ihren Bruder gut genug sei und zweifelt deswegen auch an eurer eigenen Beziehung. Für sie ist Tai immer noch ihr strahlender Held, der keine Fehler macht, bei dem alles perfekt ist. Vielleicht versucht sie auf diese Weise zu verarbeiten, was mit Tai passiert ist. Ich schätze sie sieht mich unbewusst als Störfaktor. Sie macht das nicht mit Absicht Takeru, das passiert alles unbewusst, aber sie sollte sich behandeln lassen, bevor die Depression sie in den Selbstmord treibt. Das ist jetzt ganz wichtig: Hattest du den Eindruck, dass Kari sich etwas antun wollte, als sie vorhin das Haus verließ?“ Mimi wurde auf einmal panisch, sie hatte ein ganz ungutes Gefühl. „Das könnte auch ein Grund sein, warum sie dir das alles an den Kopf geknallt hat… damit du nicht so um sie trauerst, sollte sie...“ Mimi konnte es nicht mal aussprechen. Sie sah dem Blonden nur in die Augen und betete, dass sie unrecht hatte.      „Also projiziert sie ihre ganze schlechte Laune, die Eifersucht und die Depressionen auf mich? Vielleicht sollte am besten Tai noch einmal mit ihr reden..., schließlich scheint er ja noch eine größere Rolle bei ihr einzunehmen, als sie ihm zugesteht beziehungsweise als sie ihm weismacht...“, er seufzte, das war wirklich zum Haare raufen. „Ich meine, die ganzen Jahre gab es in Tais Leben niemanden außer Kari und sie hatte ihn oft um sich gehabt, ich glaube, sie kann mit dem Gefühl nicht umgehen, dass sein Leben weitergeht, sie aber nicht loslassen will. Ich versuche wirklich mein bestes, sie in allem zu unterstützen… sie meinte, sie fährt zu ihren Eltern und kommt in ein paar Tagen wieder und hat mir versprochen, dass sie nie vorhatte, sich was anzutun..., aber sie hat den Satz fallen lassen, dass, egal was passiert, ich immer für unsere Tochter weiter machen solle...Vielleicht ist sie aber auch ins Krankenhaus gefahren...sie meinte, die Kleine sei immer so unruhig und sie wirkte so, als hätte sie Schmerzen im Rücken und sie wünschte sich, dass das Baby endlich aus ihr raus sei, damit alles wieder gut wird...“, wieso einfach wenn es auch kompliziert geht? „Vielleicht überfordert sie die Schwangerschaft, weil sie erwachsener sein will, als sie wirklich ist? Ich schätze, sie konnte sich nie so richtig von Tai lösen...und jetzt bist du auch noch in seinem Leben mit zwei Babys, obwohl sie immer sagt, ist dir unendlich dankbar, denn ohne dich hätte es keine Rettung für ihn gegeben.“     Mimi sah Takeru ernst an und nickte. „Ja ich denke, dass sie ihren Frust auf dich projiziert, weil sie nicht anders damit umzugehen weiß. Ich denke auch, dass Tai der Schlüssel zu dem Ganzen ist, wie gesagt, ich schätze, dass Kari sich dessen gar nicht bewusst ist, sie hat es so lange verdrängt, bis es für sie nicht mehr präsent war, ein einfacher, psychologischer Mechanismus, um die eigene Seele vor Schaden zu schützen. Takeru, dich trifft überhaupt keine Schuld, in keinem einzigen Aspekt. Ich glaube, wenn du nicht die ganze Zeit da gewesen wärst, um sie aufzufangen, wäre sie schon vor Wochen zusammengebrochen. Das Eingesperrt sein hat sicherlich noch dazu beigetragen, dass die Depressionen schlimmer geworden sind, vermutlich fühlte sie sich erdrückt und eingeengt.“ Als er meinte, sie wollte zu ihren Eltern, nickte sie. „Ja, das sagte mir Gatomon vorhin bereits, ich hoffe einfach, dass sie es getan hat oder ins Krankenhaus gefahren ist. Wir könnten ins Uniklinikum fahren, dort wollte sie doch entbinden, richtig? Vielleicht ist sie ja dort. Ihre Eltern will ich erst danach anrufen, denn sollte sie dort nicht sein, versetzen wir sie nur in unnötige Sorgen und dann weiß Tai auch gleich Bescheid. Ihm will ich das erst sagen, wenn das hier geklärt ist.“ Bei Takerus nächster Theorie horchte sie auf. „Weißt du was, ich denke das wird es sein. Ich glaube schon, dass sie einerseits mir dankbar ist, dass ich ihm geholfen habe, aber gleichzeitig bin ich auch die Frau, die ihn ihr weggenommen hat. Tai und Kari standen sich immer sehr nah, vielleicht hängt sie wirklich mehr an ihm, als sie zugibt. Die Sache mit Daisuke damals hat ihrer Selbstständigkeit auch nicht gerade gutgetan, das könnte vielleicht sogar auch mit hineinspielen in die ganze Situation. Vielleicht denkt sie, dass sie nicht gut genug für dich ist, weil sie auch für Daisuke nicht gut genug war. Ich meine, wie er sie abserviert hat, war schon unter aller Sau, hat sie dir das jemals erzählt?“ Sie zog ihre Schuhe im Flur wieder an, ehe sie mit Takeru zum Auto lief, sie würden jetzt zuerst in diese Klinik fahren und dann weitersehen. Wenn es sein musste, würde sie jeden Stein in ganz Tokyo umdrehen, bis sie Kari gefunden hatten.      „Ich denke einfach, dass sie ihn immer noch total braucht, aber das nicht zugeben will, er hat sie immer beschützt und wenn sie Probleme hatte, hat er sie geregelt, das hat sie nie selber getan, das hast du ja in den USA nicht mitbekommen. Sie hat sich immer zu 100% auf ihn verlassen und es genossen, dass er sie so beschützt hat, denn dann war alles angenehm und von heute auf Morgen konnte er das nicht mehr, obwohl er es wirklich versucht hat..., nachdem das mit ihr und Daisuke auseinander ging, hat er ihn grün und blau geschlagen, ich habe ihn davor, glaube ich, noch nie so wütend gesehen. Und das macht mir irgendwo Angst..., dass mir das gleiche blüht, wenn es wieder so Streit gibt“, er sah sie schulterzuckend an. „Du hast ihn noch nie richtig wütend erlebt und damit meine ich wirklich wütend, dann ist er kaum zu bremsen, weil er sich von diesen Emotionen leiten lässt, aber durch dich ist er ausgeglichener, das merkt man. Vielleicht ist es auch ein Faktor, der bei Kari mitspielt, er hat aufgehört, sie vor allem und jedem zu beschützen und das kann unbequem für sie werden, das kennt sie dann so nicht. Erst wollte sie nicht mehr, dass er sie so beschützt, aber jetzt will sie sich wieder annähern und will von ihm beschützt werden, ich glaube nicht einmal, dass sie gemerkt hat, dass es Eifersucht ist, sondern einfach nur die wesentlichen Sachen gesehen hat, du kamst und hast ihn gerettet und wurdest dann sein neuer Lebensmittelpunkt mit den Kindern. Und damit kann sie nicht so richtig umgehen, weil sie nicht weiß, wo sie das einordnen soll und das ist in meinen Augen das Gefährliche daran, sie sollte eine Therapie machen, um in den Griff zu kriegen, was sie so plagt. Weil ich glaube, ich kann ihr nicht bei allem helfen, dazu reichen meine Kenntnisse nicht aus“, schließlich stiegen sie ins Auto und fuhren Richtung Uniklinikum. „Nein, das weiß ich nicht, sie blockt bei dem Thema immer ab, wie hat er denn Schluss gemacht?“     Mimi sah Takeru überrascht an. „Er hat ihn grün und blau geschlagen? Naja, bei der Art und Weise, wie er sie benutzt hat kein Wunder…, daher denke ich nicht, dass du dir deswegen Sorgen machen musst, Takeru, du trägst sie auf Händen, du würdest alles tun, damit sie glücklich ist. Ich glaube, Taichi würde eher sie zur Sau machen, wenn sie dich fallen lässt, nach allem, was du für sie getan hast. Dich trifft keine Schuld, du hast dein Möglichstes versucht. Darauf kannst du wirklich stolz sein. Ich glaube, Kari ist ein bisschen verwöhnt, sie war es gewohnt, dass sich alles um sie drehte, sie war immer der Mittelpunkt von allem, ich glaube, das erste Mal, dass sie so richtig auf die Schnauze gefallen ist, war damals mit Daisuke. Ich denke auch, dass es gut wäre, wenn Kari eine Therapie macht, ich werde mich in meinem Bekanntenkreis mal umhören, wenn ich das mache, hätte es keine Wirkung, dazu bin ich in die Sache viel zu sehr verwickelt. Aber wenn du mal einen Rat brauchst, Takeru, dann kannst du dich immer an mich wenden, okay?“ Als er sagte, dass er nicht wusste, wie Daisuke Schluss gemacht hatte, seufzte sie. „Okay, ich denke du verdienst es, das zu wissen. Und verstehst dann vielleicht auch, warum Kari immer denkt, sie wäre für niemanden gut genug. Zu der Zeit, als das mit ihm anfing, hatte Tai sich etwas von Kari entfernt, auch durch Sora bedingt und wie es ihm ging. Daisuke war für sie da, hat ihr zugehört und sie haben sich geküsst. Hikari wollte das natürlich eigentlich nicht, weil sie ja von Ken und Daisuke wusste, aber der Arsch hat ihr gegenüber behauptet, dass Ken und er nur noch Freunde wären und sich getrennt hätten. Also hat sich Kari auf ihn eingelassen, weil er ihr das Gefühl gab, gewollt und etwas wert zu sein. Etwa ein halbes Jahr ging das gut, Daisuke hatte dafür gesorgt, dass sie nicht mit Ken sprach und Ken hatte er immer noch hingehalten. Ich glaube, es hat ihm nicht gepasst, dass Ken mit Sex noch warten wollte. Dafür war Kari dann gut genug. Irgendwie kam es dann wohl doch heraus und dann hat Daisuke sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel und ist nach Amerika abgehauen. Damals hatte sie mich ja besucht und mir das Ganze erzählt. Das Schlimme war, dass Kari angefangen hatte, sich in Daisuke zu verlieben, aber er wollte einfach nur mit ihr schlafen. Er hat sie wohl auch mal gezwungen, als sie nicht wollte. Ich glaube, diese Beziehung hat Kari auch ganz schön traumatisiert. Denn Daisuke hat ihr wohl auch noch gesagt, dass es jede andere hätte sein können, dass sie austauschbar gewesen wäre. Ich konnte es nicht fassen.“ Inzwischen waren sie an der Klinik angekommen und gingen vorne zum Empfang. Mimi sprach mit der Schwester, dann ging sie zu Takeru zurück, der etwas im Hintergrund gewartet hatte und lächelte. „Sie ist bei Dr. Watanabe, die Schwester ruft ihn jetzt an, danach können wir zu ihr gehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)