SHaRKY SCaM von King_of_Sharks (SouRin) ================================================================================ Kapitel 16: Aus der Not geboren ------------------------------- Später am Abend gesellte sich Kisumi noch ein Weilchen zu ihnen, von Sousuke bekam man allerdings nichts mit, welcher sich wohl noch immer in der 3. Etage im Zimmer aufhalten musste. So aufgebracht wie er nach dem Kuss und vor allem nach Kisumis Worten war, benötigte er seine Zeit, um sich zu beruhigen, weswegen Rin auch ganz froh war, dass er die anderen beiden um sich hatte, um diese Zeit überbrücken zu können. „Ist alles okay bei dir? Sousuke hat doch ganz schön heftig gegen die Wand geschmissen“, erkundigte sich Rin bei Kisumi, welcher sich neben ihn gesetzt hatte und eine Limo aus der Dose trank. „Oh, ich hab schon Schlimmeres durchgemacht“, lachte der andere daraufhin nur. „Immerhin weißt du jetzt, dass er dich auch mag~“ „Bist du dir da sicher?“, war Rin noch nicht ganz überzeugt. „Aber klar doch! Keiner flippt so aus, wenn er nicht total eifersüchtig ist!“, bekräftigte Kisumi seine vorherige Aussage und grinste dabei breit. „Na schön…und selbst wenn? Nach der Aktion mag er mich bestimmt nicht mehr“, nuschelte Rin vor sich hin, der den Plan nicht zu Ende durchgedacht und die Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, dass Sousuke den Kuss in den falschen Hals bekommen könnte. Was, wenn dieser nun dachte, er wollte was von Kisumi? Obwohl, das hatte er indirekt verneint, als sie sich direkt danach unterhalten hatten…vielleicht war doch noch nichts zu spät? „Das denk ich nicht“, schüttelte der Rosahaarige den Kopf. „So wie ich ihn kenne, wird er mir die ganze Schuld geben. Du brauchst also nichts zu befürchten.“ „Oh man…danke, dass du das Risiko auf dich genommen hast“, seufzte Rin, der den Einsatz des anderen zu schätzen wusste. Dabei bedachte er nicht, dass Kisumi die ganze Aktion total Spaß gemacht hatte und er seine leichten Rückenschmerzen, verursacht durch Sousukes temperamentvollen Ausbruch, gerne hinnahm. Immerhin hatte er Rin küssen und Sousuke ärgern dürfen. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen! Wenn man den Punkt dazu nahm, dass er dem Rothaarigen geholfen hatte, waren es sogar drei, doch daraus zog Kisumi keinen direkten Nutzen. „Kein Ding, ich würd’s jederzeit wieder machen“, zwinkerte Kisumi dem Kleineren nun zu, wobei ein anzüglicher Blick nicht fehlen durfte. „…manchmal bin ich mir nicht sicher, ob du das ernst meinst“, erwiderte Rin auf diese Geste. „Das ich was ernst meine?“, wusste Kisumi ganz genau, worum es sich drehte. „Na die Flirterei“, rollte der Rothaarige mit den ebenso roten Augen. „Ach so~ Na ja, das hängt immer ganz von meiner Laune ab und-“ „Tut er nicht“, schaltete sich Chigusa dazwischen, die diesem Trauerspiel nicht weiter zuhören konnte. „Er liebt das Abenteuer oder so. Nimm nicht alles so ernst, was er sagt.“ „Du bist so gemein, Chi-chan!“, schmollte Kisumi nun und Rin kam sich etwas fehl am Platz vor, nun jedoch besser informiert. Als es Zeit wurde, sich auf ihre Zimmer zu begeben, schritt Rin mit einem flauen Gefühl in der Magengegend den restlichen Weg alleine entlang, da Kisumi und Chigusa bereits in ihren Zimmer waren, welche sich in der Nähe der Aufzüge befanden. Davor, dass Sousuke ihm etwas antun würde, hatte er keine Angst, weil er das für unmöglich hielt. Eher begründete sich sein Unwohlsein damit, dass der andere ihn garantiert erneut mit dem Kuss konfrontieren würde. Rin hasste es, über solche Dinge sprechen zu müssen und zog kurz die Option in Betracht, einfach nicht ins Zimmer zurück zu kehren. Diesen Gedanken ließ er aber genauso schnell wieder fallen, wie er gekommen war, da ihm in dem Moment der beleibte Pfleger entgegenkam und ihm in gebrochenem Englisch mit russischem Akzent mitteilte, dass er sich gefälligst auf sein Zimmer begeben sollte, da sie es kurz vor 22 Uhr hatten. Wenn er die Wahl, sich entweder mit einem angepissten Sousuke, oder einem groben Pfleger anzulegen, würde er sich eindeutig für Ersteren entscheiden. Mit diesem musste er immerhin nur reden… Das hörte sich leichter an, als es sich in die Tat umsetzen ließ, denn Rins Finger zitterten vor Aufregung, als er die Türklinge herunterdrückte und ins Zimmer trat. Das Licht war bereits gelöscht, doch Sousukes Nachttischlampe brannte noch. Es schien alles normal zu sein, denn der Größere lag auf seinem Bett und las, blickte aber beim Geräusch der sich öffnenden Tür auf und legte das Buch sofort beiseite. „Hey…“, murmelte Rin leise, als er den Blick auf sich spürte und schloss die Tür hinter sich. Er fühlte sich schuldig, weil er nicht nur Kisumi in Schwierigkeiten gebracht, sondern auch Sousuke zur Weißglut getrieben und ihm schlechte Laune gemacht hatte. Des Weiteren fand Rin sich selbst in der unangenehmen Situation wieder, dich erklären zu müssen, oder wenigstens eine Ausrede für die Aktion zu finden. Vielleicht hatte er aber auch tatsächlich Glück und der andere würde alles auf Kisumi schieben, so wie dieser schon angedeutet hatte. „Hat es weh getan?“, kam die völlig aus dem Zusammenhang gerissene Frage seitens Sousuke, welcher sich aufgerichtet und an den Bettrand gesetzt hatte. „Was…?“, hatte Rin nicht den blassesten Schimmer, wovon der andere sprach. „Na der Kuss“, erklärte der andere nun. „Also wegen der Therapie…“ „Ach so…nein, hat er nicht“, schüttelte Rin den Kopf, der sich nach der Erklärung wunderte, über was sich Sousuke in den letzten Stunden wohl den Kopf zerbrochen haben musste. „Das ist gut“, legte der Größere seine Finger ans Kinn und sah sehr nachdenklich aus. „Wenigstens das…“ Ziemlich verwirrt, blieb Rin mitten im Raum stehen, den anderen musternd. Er hatte erwartet, dass dieser total sauer sein, oder ihn zur Rede stellen würde, doch nichts dergleichen war der Fall. Stattdessen machte sich Sousuke Sorgen um ihn und ob er wegen Dr. Masefields Einfluss Schmerzen hatte… „Falls du dich fragst, ob ich das wollte…also es ging alles so schnell, dass ich mich nicht wehren konnte“, versuchte der Rothaarige nun auf seine Art klarzustellen, dass er der Kuss nicht auf Gegenseitigkeit beruhte, auch wenn er geplant gewesen war. „Kisumi hat mich ziemlich überrascht.“ „Das hab ich mir schon gedacht“, ließ Sousuke seine Hand sinken. „Tut mir leid, dass du das mit ansehen hast müssen.“ Anscheinend war es dem Dunkelhaarigen unangenehm, vor Rin so ausgerastet zu sein. Noch etwas, womit dieser nicht gerechnet hatte. Wenigstens wusste er jetzt, dass Sousuke keineswegs der aggressive Killer war, als den man ihn hinstellte, auch wenn Kisumi mit seinen Worten Recht behielt, dass keiner der beiden in irgendeiner Form besser war. Sie hatten gegen das Gesetz verstoßen und anderen Leid zugefügt, auch wenn die Motivation und die Auswirkungen sich unterschieden. „Schon in Ordnung“, wurde Rin leicht rot, da der Größere ihn nun musterte. Um einer unangenehmen Stille zu entfliehen, verschwand der Rothaarige im Bad, da er sich ohnehin noch die Zähne putzen musste. Was war diese seltsame Stimmung, die zwischen ihnen herrschte? Konnten Kisumi und Chigusa doch Recht behalten und Sousuke war wirklich an ihm interessiert? So schön das auch wäre, Rin konnte das nicht glauben. Dass er mal bei einem Typen landen würde, den er total attraktiv fand und der ihn mit einem bloßen Blick nervös werden ließ, kam ihm doch zu utopisch vor. Vielleicht wollte Sousuke ihn nur vor Kisumi beschützen, da er diesen nicht ausstehen konnte und der festen Überzeugung war, dass dieser einer der schlimmsten Menschen der Welt war. Doch falls dem so wäre, dachte Sousuke dann dasselbe auch von sich? Rin hielt in seiner Bewegung inne, als er seinen Mund ausspülen wollte. Falls Sousuke sich selbst auch als Monster sah, hielt ihn vielleicht dann diese Annahme davon ab, sich ihm zu nähern? Nein…das konnte es nicht sein. Rin musste aufhören, sich falsche Hoffnungen zu machen. Sousuke stand ganz einfach nicht auf Männer und hatte den Kuss vielleicht auch eklig gefunden. Das war doch ein viel logischerer Grund, weswegen er so reagiert hatte. Nachdem Rin ins Zimmer zurückgekehrt war, legte er sich sofort ins Bett und versuchte zur Ruhe zu kommen. Sousuke las auch nicht mehr und gab kein Geräusch von sich. Vielleicht schlief er schon… Genau das wollte der Rothaarige auch versuchen, scheiterte aber, da ihn noch vieles beschäftigte, wie der Kuss und Sousukes Reaktion darauf, oder Chigusas Erzählungen von ihrem Held Kisumi. Irgendwann übermannte ihn dann doch der Schlaf, weil der Tag sehr an seinen Nerven gezehrt hatte und unglaublich anstrengend gewesen war. Keineswegs körperlich, dafür umso mehr auf der emotionalen Ebene. Beflügelt von den drei Tagen der schmerzfreien Therapie, stolzierte Rin am Donnerstagnachmittag in Dr. Masefields Behandlungszimmer. Die wenigen Tage hatten ausgereicht, um ihn leichtsinnig zu machen und sich in seinem doch recht angenehmen Umfeld wohl zu fühlen. Die falsche Sicherheit umgab ihn wie eine Augenbinde, die Sicht auf die grausame Realität verschleiernd. „Good day, Rin. Are you all excited for our session today?“, begrüßte ihn der blonde Mann verdächtig gut gelaunt. Doch das ließ Rins Sicherheit noch nicht gänzlich schwinden, dass es erstmal weiter mit dieser angenehmen Phase gehen würde. Hätte er gewusst, dass diese nur die Einleitung einer wesentlich schlimmeren Behandlung war, hätte er es sich zweimal überlegt, ob er überhaupt zu dieser Sitzung erscheinen sollte. „Just get it over with“, rollte der Rothaarige mit den Augen und setzte sich auf den allseits bekannten Stuhl. Seine Hände wurden festgeschnallt, ein beinahe alltägliches Ritual, an das man sich auch gewöhnen konnte, wenn man langsam resignierte. Ob Rin schon an diesem Punkt angelangt war, ließ sich anzweifeln, da er immer noch den Willen besaß, nicht alles über sich ergehen zu lassen. Den Anfang machten tatsächlich heterosexuelle Paare, auf die keine Bestrafung folgte. Der Doktor hatte den Lügendetektor auch schon länger nicht mehr benutzt, sondern war dazu übergegangen, Rin keine Schmerzen zuzufügen, solange er ‚normale‘ Bilder zeigte, ihm dafür umso mehr zu bereiten, sobald zwei Männer zu sehen waren. Dadurch sollte der Heranwachsende positiv auf Frauen reagieren lernen und Angst vor Berührung von Männern bekommen, diese mit dem Schmerz assoziieren, den er beim Betrachten der Szenen spürte. Im Verlauf der Diashow wurden jedoch hier und da ein paar fragwürdige Bilder gezeigt, auf die die logische Schlussfolgerung für sowohl Patient, als auch Arzt war, dass Schläge folgen mussten. Doch auch diese steckte Rin weg, denn solange der Psycho(loge) mit dem Trockeneis weg blieb, war ihm alles recht. Die Erinnerung an den physischen Schmerz hatte sich in seine Haut eingebrannt und dieser war eindeutig keiner, den er noch einmal empfinden wollte. „So well now, you’re doing pretty good lately“, säuselte Dr. Masefield vor sich hin. „Then how about you let me go?”, schlug Rin vor, wenig von seinen eigenen Worten überzeugt. „Now now, don’t get cocky”, tadelte der Arzt seinen Patienten, für den er eine ganz besondere Überraschung bereit hielt. Bei dem Wort ‚cock‘ musste Rin nur leider an etwas völlig anderes denken, als dass der Arzt ihn ‚übermütig‘ benannt hatte. Verdammt aber auch, dass man in der Anstalt so wenig Privatsphäre hatte und er ein pubertierender Junge war! Ein total Unter- sowie Ungevögelter noch dazu… Rins Gedanken, die total abgedriftet, wenn sie auch noch nicht bei Sexfantasien angelangt waren, wurden je auf etwas vollkommen anderes gelenkt, als der Doktor plötzlich mit ein paar Gegenständen in der Hand neben ihm stand, die wie Nadeln aussahen. Oh scheiße, was wurde das jetzt? Rin schluckte schwer, als sich der andere zu ihm beugte. „I recommend you not to move…or else you’ll get hurt“, lächelte Dr. Masefield seinen nun eingeschüchterten Patienten an, der sich verkrampfte und die Zähen zusammenbiss, als die erste Nadelspitze seine Haut durchbohrte. Ob er sich bewegte oder nicht, es war glasklar, dass diese Behandlung ganz und gar nicht angenehme und wehtun würde. Nach dieser Sitzung eilte Rin vollkommen aufgelöst zu seinem Zimmer zurück und warf sich auf sein Bett. Die vor Schmerz pochenden Hände unter sein Kissen drückend, presste er sein Gesicht von der anderen Seite dagegen. Die Tränen liefen ihm schon seitdem er den Gang entlanggerannt war über die Wangen, wurden nun jedoch vom Stoff aufgefangen und färbten diesen an zwei Stellen eine Nuance dunkler. Als Sousuke einige Minuten später ebenfalls ins Zimmer zurückkehrte, brachte er keine zwei Sekunden, um zu realisieren, dass etwas nicht in Ordnung war. Rins bebender Körper, der von den Heulkrämpfen völlig entkräftet war, lag zusammengekauert und mit dem Kissen vorm Gesicht ganz an der Wand, die Decke wie eine Schutzwand um sich gelegt, sodass es aussah, als würde er sich zu verstecken versuchen. „Rin…“, entwich es Sousuke leise, sodass die mitfühlende Stimme wohl nicht einmal zu diesem durchdrang. Der Dunkelhaarige ließ die Tür hinter sich zufallen, zog die Schuhe von den Füßen und kniete sich dann auf die Matratze. Zögerlich streckte er seine Hand nach dem Kleineren aus, zuckte jedoch kurz zurück, als sich dieser ruckartig bewegte, bevor er zum Stillstand kam und er ihn berühren konnte. Als sich die warme Hand auf den zitternden Rücken legte, durchfuhr Rin ein nicht gekannter Schmerz, der daher rührte, dass sich sein Körper inzwischen so sehr an Bestrafung erinnerte, wenn ihm ein Mann zu nahe kam, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Erst recht nicht in seinem derzeitigen Zustand. Trotz der anfänglichen Qual, ließ Rin die Berührung zu und beruhige sich tatsächlich ein wenig. „Sousuke…es hat so weh getan…“, kam es kurz darauf mit kratziger Stimme vom Kleineren, der sein Gesicht nicht mehr ins Kissen drückte, sondern den leicht anhob, um den anderen ansehen zu können. „Ich weiß…aber es ist vorbei“, redete dieser ihm gut zu, mit einer so sanften Stimme, dass die Welle an Emotionen und aufgestauten Gefühlen Rin erneut erwischte. Er dachte nicht mehr nach, sondern warf sich wortwörtlich in die Arme des Größeren, klammerte sich an dessen Shirt fest und beachtete den Schmerz nicht, den jeder kleinste Körperkontakt bei ihm auslöste. Sousuke war in dem Moment auch egal, wie sehr er sich vor der Nähe anderer Menschen ängstigte. Er zuckte nicht zurück und geriet auch nicht in Panik, weil es Rin war, der sich nach seiner Nähe sehnte. Nicht nur, dass er diese zuließ, nein, sie fühlte sich gut an, vertraut… Die starken Arme umschlossen den zitternden Körper und drückten ihn behutsam an sich. Rin spürte bald wie er von einer unbekannten Wärme umschlossen wurde, als Sousuke seinen Kopf auf seine Schulter bettete. Vollkommen von diesem umschlossen, vor der bösen Welt geschützt, versiegten seine Tränen kurz darauf. Sein Körper hatte ohnehin kaum mehr Flüssigkeit übrig, um diese weiter fließen zu lassen. Sein Hals fühlte sich trocken und kratzig an, seine Hände brannten von den Schmerzen. Diesmal allerdings von den realen, nicht den eingebildeten. „Tu ich dir weh?“, raunte Sousuke ihm ins Ohr, der so nah war, dass er dessen Atem auf seiner Haut spüren konnte und eine Gänsehaut bekam. Seine Augen hatten sich überrascht geöffnet, schlossen sich im nächsten Moment aber schon wieder, da er sich sagte, dass für diesen Augenblick alles perfekt war und er sich keine Sorgen um seine oder die Aktionen des anderen machen musste. Den Moment genießen… „Nein…“, erwiderte Rin und kuschelte sich an den Größeren. Die anfänglichen Qualen bei dessen Berührungen, waren vollkommen verflogen und machten nun dem schmetterlingsartigen Gefühl Raum, das sich von seinem Nacken – von der Stelle, an der er dem Atem des anderen gespürt hatte – beginnend weiter ausbreitete. Sousuke ging es nicht viel anders, auch wenn ihn die Wärme, die sich aufgrund von Rins Umklammerung in ihm ausbreitete, erschreckte. Jedoch wollte er sich nicht von seinen vergangenen schlechten Erfahrungen bestimmen und den Moment ruinieren lassen, sodass er gegen die Panik ankämpfte, die gegen das schöne Gefühl arbeiten wollte. Als Sousuke seine Augen schloss und sich alleine auf Rin konzentrierte, gewann er den Kampf gegen sein Trauma für diese Runde, sodass er den betörenden Duft des Kleineren einatmen und sich von diesem berauschen lassen konnte. Dass er sich je verlieben würde oder könnte, hatte Sousuke bis zu diesem Augenblick für unmöglich gehalten, doch konnte er sich nicht ewig vormachen, Rin wäre nur ein normaler Freund für ihn. Die Gefühle, die er diesem entgegenbrachte, hatten rein gar nichts mit Freundschaft zu tun. Wenn man es genau nahm, hatte Sousuke von ihrem ersten Kontakt an gewusst, dass ihre Beziehung in eine vollkommen andere Richtung steuern würde, als man es von zwei jungen Männern in einer Irrenanstalt erwarten würde. Das lag schon alleine daran, dass er nicht gezögert hatte, Rin seine Hand anzubieten und ihm hoch zu helfen. Bis zu diesem Zeitpunkt war er sonst jedem Körperkontakt ausgewichen, oder hatte abwehrend darauf reagiert, diesen anzubieten war also das erste Zeichen dafür gewesen, dass er dem anderen vertraute. Manchmal kam es nicht darauf an, wie lange man sich kannte, sondern unter welchen Bedienungen das Schicksal zusammenführte. An einem trostlosen Ort die Liebe zu entdecken, hätte sich weder Sousuke, noch Rin vorstellen können. Doch nun waren sie hier, lagen einander in den Armen und nahmen die Welt um sich kein Stück mehr wahr. Alleine zählte die Anwesenheit des anderen, die so undenkbar gut tat. Wie schwer es Sousuke gefallen war, die Wärme zu seinem Herzen vordringen zu lassen, konnte man nicht in Worte fassen, doch wie glücklich und erfüllt er sich fühlte, als er es zuließ, konnte man sich vorstellen. Es war eine herzliche Umarmung, die für Angst und Zweifel keinen Raum ließ und die Dunkelheit mit einem milden Scheinen vertrieb. Selbst nachdem Rin sich vollkommen beruhigt hatte und die Schmerzen der Elektroschocktherapie kaum mehr wahrnahm, ließ Sousuke ihn nicht los. Wie dumm und gleichermaßen glücklich er sich in diesem Moment vorkam, dass er je daran gezweifelt hatte, dass der Größere an ihm interessiert war. Viel mehr als das sogar, denn dieser würde sich niemals jemandem nähern, wenn er nur neugierig auf diesen war. Nein, tiefer Gefühle mussten ihn dazu motivieren, ihn überreden sich dazu durchzuringen, einem anderen Menschen nahe zu kommen. Noch unausgesprochen war die Liebe, welche die beiden erfüllte, doch nichts könnte unangebrachter sein als Worte, die versuchten dieser Ausdruck zu verleihen. Als Rin sich langsam bewusst wurde, in welcher Position sie sich seit unzähligen Minuten befanden, errötete er, sodass seine Wangen nun farblich zu seinen verheulten, geröteten Augen passten. Für einen Moment überlegte er, ob er seine Umarmung lösen sollte, doch dann bemerkte er wieder, wie gut ihm der starke Rücken gefiel, an dem seine Hände lagen. Sousukes verführerischen Geruch einatmend, vergaß Rin die schrecklichen Dinge, die man ihm angetan hatte, für einen Moment. Am liebsten würde er sich diesem vollkommen hingeben… Das einzige, das ihn davon abhielt, war die Ungewissheit, wie der Größere ihm gegenüber empfand. Am Ende tröstete dieser ihn nur, weil er so erbärmlich ausgesehen hatte und Rin interpretierte das vollkommen falsch. Sein Herz wusste allerdings, dass dem nicht so war und dass Sousuke ihn aus dem gleichen Grund in seinen Armen hielt, aus dem Rin sich an ihn klammerte. Die Erkenntnis, die Akzeptanz und das Geständnis waren drei Schritt, von denen einer bzw. zwei getan waren. Rin war sich schon lange bewusst, dass er in Sousuke verliebt war, doch diese Gefühle zuzulassen, traute er sich erst seit wenigen Wochen. Kisumi und Chigusa hatten ihm mit ihrem guten Zuspruch und ihrer Unterstützung dabei geholfen. Sousuke hingegen befand sich noch am Anfang seiner Erkenntnis, auch wenn er seine Gefühle schon lange angenommen hatte. Das Problem dabei war nur, dass er diese nicht zuordnen und daher auch nicht ganz erkennen konnte, dass er Rin liebte. Der letzte Schritt würde endgültige Klarheit verschaffen, konnte aber noch auf sich warten lassen. Im Prinzip konnten sie sich alle Zeit der Welt lassen, denn so wie es aussah, würden sie noch eine Weile zusammen in diesem Höllenloch eingesperrt bleiben, wenn nicht für den Rest ihres Lebens. Doch diese dunklen Gedanken hatten weder in Sousukes, noch in Rins Verstand Platz; zumindest für den Augenblick. „Kannst du heute Nacht hier schlafen?“, nuschelte der Kleinere mit relativ gefasster Stimme, auch wenn sich seine Kehle trocken und rau anfühlte. Seine Wasserflasche stand nur zwei Meter entfernt auf dem Nachttisch, doch um diese zu erreichen, hätte er Sousuke loslassen müssen. So durstig war er dann auch wieder nicht… „…ich kann’s versuchen“, erwiderte der Größere nach kurzem Schweigen. Wie gerne hätte er enthusiastischer zugestimmt, doch in einem Bett mit jemandem zu schlafen, verlangte ihm wesentlich mehr als eine Berührung, oder eine Umarmung ab. Zumal er sich nicht sicher war, ob er überhaupt in der Lage war, sich neben einem anderen Menschen hinzulegen und dann auch noch schlafen zu können. Schuld daran war seine traumatische Vergangenheit, die alleine seine Mutter zu verantworten hatte. Doch darüber hatte Sousuke noch nicht mit Rin gesprochen. Genaugenommen hatte er das freiwillig noch mit niemandem. Denn selbst als man ihn vernommen hatte, verweigerte er die Aussage. Die Methoden der Ärzte in der Anstalt hatten ihm mehr entlockt, doch gerne gab er diese Details nicht preis. Rin wollte er damit auch nicht belasten und fühlte sich auch noch nicht bereit dazu, weswegen er einem Gespräch aus dem Weg gegangen war. In der Zukunft könnte Sousuke sich dem anderen eventuell öffnen, doch momentan sah es eher schlecht aus. „Danke“, hielt Rin seinen Durst nun doch nicht mehr aus. Widerstrebend löste er seinen Klammergriff, wodurch er Sousuke signalisierte, dass er ein wenig Freiraum brauchte, den dieser ihm gewährte. Als sich die Arme entfernten, bemerkte Rin wie kalt es im Zimmer war und sehnte sich nicht nur wegen der Wärme wieder in die innige Umarmung zurück. Als er nach seiner Wasserflasche griff, wozu er ein bisschen zum Rand der Matratze krabbeln musste, wich er Sousukes Blick aus. Zu peinlich war es ihm, was in den letzten Minuten zwischen ihnen gewesen war. Wie er sich dem anderen gegenüber ab sofort verhalten sollte, bildete ein neues Rätsel, dem Rin sich sehr bald stellen musste. Spätestens wenn er die Flasche wieder absetzte, musste er sich eine Lösung gefunden haben. Am besten war es, wenn sie taten, als wäre nichts geschehen, oder? Einerseits wollte er genau das nicht, andererseits war er sich auch nicht sicher, in welcher Beziehung sie überhaupt zueinander standen. Vor dem Kuss mit Kisumi stand fest, dass sie sich definitiv auf freundschaftlicher Eben verbunden fühlten, doch seit der eindeutigen Eifersucht und seit dieser Stunde, war nichts mehr sicher. Die Grenzen zwischen Zuneigung und Liebe begannen zu verschwimmen, sofern sie je existiert hatten. Falls es sie gab, hatten sie diese überschritten und es gab kein Zurück mehr. „Fühlst du dich besser?“, erkundigte sich Sousuke, als Rin die Hälfte seiner Wasserflasche hinuntergekippt hatte. „Ja…“, nickte dieser leicht. Dabei machte den Fehler, seinen Blick zu heben und somit direkt in die besorgten, liebevollen Augen des Größeren zu sehen. Dieser trug einen solch verzweifelnden, vielleicht auch hoffnungsvollen Ausdruck, dass Rins Herz einen Sprung machte. Als wäre dieses in der letzten Zeit nicht schon genug gefordert gewesen… Wenig später, als sich die Sonne schon längst verabschiedet hatte, lag Rin mit dem Gesicht zur Wand in seinem Bett, Sousuke mit etwas Abstand neben ihm so weit am Rand, dass er jeden Moment herauszufallen drohte. Sein Kissen und seine Decke hatte er mitgenommen, denn unter einer zu liegen ging dann doch etwas zu weit. So hatte sich der Kleinere das eindeutig nicht vorgestellt, als er den anderen darum gebeten hatte, bei ihm zu schlafen. Andererseits war er in diesem Moment auch noch von allen möglichen Umständen benebelt gewesen und hatte nicht gewusst, was er sagte. Doch Sousuke hätte auch nicht zustimmen müssen, wenn ihm die Bitte zuwider war. Wie man es auch drehte und wendete, sie würden auf diese Weise nicht schlafen können. Also musste eine Lösung her… „Du kannst näher kommen, wenn du willst“, murmelte Rin mit knallrotem Kopf in die Dunkelheit. Kurz darauf bewegte sich der Größere neben ihm, sodass er dessen vermutlich Ellenbogen an seinem Rücken spüren konnte, sowie sich ihre Beine berührten. Das löste eine derartig große Nervosität im Kleineren aus, dass er vor Peinlichkeit zu sterben glaubte. Sousuke hingegen musste mich sich kämpfen und sich langsam vortasten, sodass er sich nicht eingeengt fühlte und in Panik geriet. Überraschenderweise machte ihm der leichte Kontakt nicht im Geringsten etwas aus, bequem war es allerdings noch immer nicht. „Du sagst, wenn ich zu nah bin, okay?“, kam es Sousuke nun leise über die Lippen, der von seinen eigenen Worten überrascht war. „Okay…“, schluckte Rin nervös, fühlte sich aber nicht bedrängt, als der andere näher rückte und sich zu ihm drehte. Sonderlich viel Körperkontakt hatten sie nicht, doch die Anwesenheit Sousukes beruhigte Rin gleichermaßen, wie dieser sein Herz zum Rasen brachte. Am liebsten hätte er sich zu diesem gedreht und sich an ihn gekuschelt, doch das traute er sich nicht. Dazu war sein Verstand viel zu klar. Dass er nichts unternahm, war das Beste für sie beide, denn Sousuke war sich sicher, dass er nicht bereit dazu war, wenn Rin sich ihm nun nähern würde. Ihre Lage war für ihn schon intim genug, auch ohne dass sie sich umarmten. „Gute Nacht“, wisperte Sousuke nun, sichtlich erschöpft. „Schlaf gut“, murmelte Rin vor sich hin, der wenig später auch schon einschlief. Dieser Tag hatte eindeutig zu viele Überraschungen für ihn bereitgehalten, als dass er sich vor dem Einschlafen noch groß den Kopf über irgendetwas zerbrechen hätte können. Sousuke hingegen lag noch eine Weile wach, wobei sich seine Gedanken hauptsächlich darum drehten, dass er unendlich erleichtert gewesen war, als Rin ihm gesagt hatte, dass der Kuss ihm keine Schmerzen bereitet hatte und sie sich auch Umarmen konnten, ohne dass dieser schreiend von ihm wich. Die Erleichterung war tatsächlich größer als die Eifersucht gewesen, welche er gegenüber Kisumi empfand. Dass dieses unbekannte Gefühle diesen Namen trug, war Sousuke nicht bewusst; genauso wenig wie er ahnte, dass die Wärme, die ihn erfüllte, wenn Rin bei ihm war, ‚Liebe‘ hieß. Zu der Erkenntnis, dass seine Erleichterung über die nicht vorhanden Schmerzen daher rührte, dass das bedeutete, dass er Rin ohne Sorgen küssen konnte – geschweige denn, dass das wiederum bedeutete, dass er ihn liebte – kam er nicht mehr, da er vorher ins Land der Träume abdriftete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)