SHaRKY SCaM von King_of_Sharks (SouRin) ================================================================================ Kapitel 13: Blaue Flammen ------------------------- Die Wintermonate waren wirklich sehr kalt, genau wie Sousuke Rin vorgewarnt hatte. Dass es aber so dermaßen kalt werden würde, hätte dieser nicht für möglich gehalten. Inzwischen war Anfang Februar und das Schneetreiben wollte gar kein Ende mehr nehmen. Hatte sich der Rothaarige im Dezember schon gefragt, woher diese weißen Massen kamen, fühlte es sich inzwischen an, als würde das Gebäude unter einer Schneedecke begraben werden. Dementsprechend kalt war es auch in den Räumen an den Außenwänden, zu dem das Zimmer, welches er mit Sousuke bewohnte, leider zählte. Dessen Bett stand an der Außenwand, sodass er dazu übergegangen war, mit dem Kopf in die andere Richtung als gewöhnlich zu schlafen. Sousuke hatte Rin erzählt, dass als er noch alleine gewesen war, das Bett gewechselt und in dem geschlafen hatte, das der Kleinere nun für sich beanspruchte. Daraufhin hatte Rin sich ein bisschen schuldig gefühlt, obwohl der Größere ihm keinen Vorwurf gemacht hatte und hatte diesem vorgeschlagen, dass sie auch tauschen könnten. Dieses Angebot wurde aber strikt abgelehnt, denn Sousuke meinte, dass er mehr an die Kälte gewöhnt wäre und es schon in Ordnung wäre, dass sie die Bettverteilung im momentanen Zustand beließen. Tagsüber hielten sich so gut wie alle Patienten außerhalb ihrer Zimmer auf, was dazu führte, dass der Aufenthaltsraum im 6. Stock überfüllt war. Kisumi war glücklicherweise sehr schnell und reservierte oftmals einen Platz für alle vier. So auch an diesem Freitagmittag nach dem Essen: Die vier Jugendlichen saßen auf der linken Seite an einer Ecke um einen Tisch, auf den sich der Rosahaarige gelehnt hatte und sich angeregt mit Rin unterhielt. Chigusa schrieb auf ihrem Notizblock, während Sousuke sich nach hinten gedreht hatte und zur Fensterfront hinaussah. Ob er den wild umherwirbelnden Flocken zusah, oder nachdachte, ließ sich nicht sagen. „Weißt du, wir hatten Anfang letzten Jahres eine echt scharfe Schwester hier“, schmachtete Kisumi bei dieser Erinnerung. „Sie war echt cool drauf und sah wie ein Pornostar aus…lange rote Haare, total kurvig und einen riesen Vorbau…“ Rin hörte dem anderen zu, wenn er sich auch ein wenig unwohl dabei fühlte. Warum um alles in der Welt sollte er sich für irgendeine gutaussehende Krankenschwester interessieren, die einst in der Klinik gearbeitet hatte? Kisumi wusste doch, dass er schwul war. Aber vielleicht war das nur wieder eine seiner Geschichten, die er zum Besten gab, wenn ihm langweilig war. Sonst bekam Chigusa diese wohl meistens zu hören, doch da sie beschäftigt war, musste er sich ein anderes Opfer suchen. Gut, es gab wirklich schlimmeres, als sich das verträumte Gelaber eines Teenagers anzuhören und so hatte Rin beschlossen, diesen Redeschwall einfach über sich ergehen zu lassen. Irgendwann würde es schon aufhören. „Schade, dass sie so schnell versetzt wurde…“, schien es, als würde Kisumi demnächst fertig mit seiner Erzählung sein, wobei er sich zu Sousuke wandte und ihn mit einem verschmitzten Ausdruck ansah. „Sou-chan hat ihr auch immer auf die Titten geschaut, ne?“ Der Dunkelhaarige, welcher sich bisher aus dem Gespräch herausgehalten hatte, drehte sich nun um und besah den anderen mit einem warnenden Blick, der andeutete, dass er Kisumi in dem Moment am liebsten eine verpasst hätte. Rin war beim letzten Satz zusammengezuckt und blickte nun auch zu Sousuke, der leicht rot geworden war und so aussah, als würde er jeden Moment auf Kisumi losgehen. Seiner Reaktion nach zu urteilen stimmten die Behauptungen des anderen allerdings… „Verübeln kann ich‘s ihm nicht. Sie war schon ziemlich geil~“, neckte Kisumi den Größeren noch ein wenig, bis auch er begriff, dass er zu weit ging. „Jetzt ist aber wirklich gut, Shigi!“, sah Chigusa von ihrem Block auf und wirkte genervt. „Wäre schön, wenn du nicht immer alle mit deinen Geschichten belästigen würdest.“ Die anderen beiden waren ihr für diese ehrlichen Worte sehr dankbar, während Kisumi verdutzt zu seiner Freundin blickte. So direkt war er noch nie auf eine seiner Angewohnheiten hingewiesen worden. Vielleicht war er diesmal wirklich einen Schritt zu weit gegangen… Vor allem sah Rin schockiert und auch verletzt aus, was man aber nicht lange beurteilen konnte, da er seinen Blick zu Boden senkte. Sousuke gab ein zischendes ‚Zh‘ von sich während er sich erhob und mit den Händen in den Taschen Richtung Aufzüge lief. Chigusa klappte das Deckblatt ihres Notizblocks um und legte diesem samt ihrem Stift auf den Tisch vor sich, bevor sie Rin an der Schulter berührte. Dieser blinzelte sie überrascht an und hob den Kopf. „Das ist schon länger her und selbst wenn er auf Frauen steht, heißt das nicht, dass du aus dem Rennen bist: Es gibt immerhin auch bisexuelle Menschen“, lächelte sie den Rothaarigen an. Ihr war schon vor Kisumi aufgefallen, welche Entwicklung bei den beiden Jungs von statten gegangen war und welche knisternde Spannung zwischen ihnen herrschte. Deswegen musste sie zuvor auch eingreifen, weil Kisumi viel zu weit gegangen war und Rins Gefühle verletzt und ihn verunsichert hatte. Diesem wurde in dem Augenblick als Chigusa mit Rin sprach auch bewusst, dass sein Handeln nicht ganz so förderlich gewesen war. Immerhin wusste er aus erster Hand, dass der Rothaarige an Sousuke interessiert war, doch Sensibilität zählte eher weniger zu seinen Stärken… „Und auch wenn er das nicht ist, kannst du immer noch eine Ausnahme sein“, nickte sie von ihren eigenen Worten überzeugt und ließ Rin los. „Danke“, lächelte dieser leicht und fühlte sich ein Stück weit besser. Zwar hatte er keine Ahnung, woher Chigusa wusste, dass er in Sousuke verliebt war, doch schien es sie nicht im Geringsten zu stören. Nein, es wirkte eher so, als würde sie diese Entwicklung befürworten und sie zusammen bringen wollen. „Ist es wirklich so offensichtlich…?“, wollte Rin kleinlaut und mit roten Wangen wissen, fühlte sich aber nicht annähernd so unwohl wie bei seinem Geständnis gegenüber Kisumi ein paar Wochen zuvor. „Nun, wenn man einen Blick dafür hat und ein bisschen beobachtet, kann man es sich denken“, erklärte die Brünette. „Aber keine Sorge: Ich denke nicht, dass es jemand außer uns mitbekommen hat. Immerhin lauft ihr nicht Händchen halten durch die Gegend.“ „Puh“, atmete der Rothaarige erleichtert aus. Wenn jemand davon Wind bekommen würde, dass er sich in einen Mann verliebt hatte, seine Therapie also nichts brachte, würde Dr. Masefield noch schlimmere Dinge als ohnehin schon mit ihm anstellten. Davon war Rin fest überzeugt. „Ach wo wir gerade bei Sou-chan sind: Weißt du auch, weswegen unser Großer hier ist?“, schaltete sich Kisumi wieder dein, der seine Phase des schlechten Gewissens bereits wieder überwunden hatte. „Ähm…ja. Weswegen fragst du?“, entgegnete Rin verwirrt von dieser Frage. „Ach…nur so“, zuckte dieser mit den Schultern. „Wenn du an ihm interessiert bist, muss ich ja dafür sorgen, dass du alles über ihn weißt.“ „…er hat mir erzählt, dass er jemanden umgebracht hat“, nuschelte der Kleinere und senkte dabei den Blick. Diese Information hatte eine Weile gebraucht, um sich bei ihm zu setzen. Noch immer wollte Rin es nicht glauben, doch er musste eben mit dieser Realität leben. Es gab ja auch Schlimmeres…und Sousuke war nicht böse, ganz sicher nicht. „Hat er dir auch gesagt, dass dieser ‚jemand‘ seine Mutter war?“, grinste der Rosahaarige schief. „Shigi!“, stieß Chigusa Kisumi in die Seite und sah ihn tadelnd an. „Was denn? Stimmt doch…“, hielt er sich die Stelle, an der sie ihn getroffen hatte. „Aber…“, starrte Rin die beiden entgeistert an. [style type=“italic“]Das[/style] war wirklich neu. Einen Menschen zu töten war eine Sache, doch wenn es jemand aus der Familie war, jemanden, den man liebte, warf das ein ganz anderes Licht auf die Sache. „Sprich lieber direkt mit ihm, ich weiß auch nichts Genaueres…“, sah Kisumi erneut ein, dass er besser den Mund gehalten hätte. An diesem Tag hatte er es sich ganz schön bei Sousuke und auch Rin verbockt. Von Chigusa bekam er auch nur Schläge und Ermahnung ab. Echt kein guter Tag für Kisumi Shigino. „Werd ich machen“, entgegnete Rin ein wenig abwesend. „Oh man…“, seufzte Chigusa und schnappte sich ihren Block. „Mit euch Jungs gibt es immer nur Drama.“ Völlig in Gedanken begab sich Rin ein wenig später zu seiner Therapiestunde. Abgelenkt von seinen Sorgen und Vermutungen darüber, wie es dazu gekommen war, dass Sousuke angeblich seine eigene Mutter umgebracht haben sollte, bereitete er sich nicht mental auf diese Sitzung vor, so wie er es sonst immer tat. Der Psychologe wurde von Mal zu Mal grausamer, sodass man vermuten konnte, dass es kein Maß für seine Brutalität gab und sich langsam seine wahre Natur offenbarte: Hinter dem Lächeln steckte nichts als purer Sadismus. „Good afternoon, Rin. Are you looking forward for your [style type=“italic“]special[/style] treatment today?“, begrüßte Dr. Masefield seinen Patienten mit dem falschen Lächeln, das nie zu seinen kalten blauen Augen durchdrang. Bei dem unmissverständlichen Tonfall der säuselnden Männerstimmte wurde Rin sich schlagartig wieder bewusst, dass es noch andere, vielleicht schlimmere Dinge gab, um die er sich sorgen sollte, als dass sein Mitbewohner seine Mutter ermordet hatte. Der Arzt kam auf ihn zu, blieb kurz vor ihm stehen und deutete dann hinter sich. „Please sit down and make yourself at home“, waren die freundlichen Worte, die einen ihren Zweck vollkommen verfehlten. Sie beruhigten keineswegs, nein, sie ließen Panik in Rin aufsteigen, welcher wusste, dass der blonde Mann immer genau das Gegenteil von dem meinte, das er sagte. Das bedeutete also, dass er sich auf eine harte Stunde gefasst machen musste, voller Schmerzen und Selbstzweifeln, die seinen Willen testen und vielleicht brechen würden. Mit wackligen Beinen ging Rin in die Richtung des Stuhles mit den Armlehnen, an denen man seine Handgelenkte schon so oft gefesselt hatte. Zitternd schloss er die Augen, als Dr. Masefield hinter ihn trat und die Riemen um seine Unterarme zuzog. Das raue Leder stank nach Angstschweiß und Metall, die Rin in die Nase zogen und nur einen kleinen Vorgeschmack auf das bildeten, das folgen würde. Fünf Minuten später befanden sich rote Striemen auf Rins Unterarmen und er atmete schwer. Noch fiel es ihm relativ einfach zu widerstehen und dem anderen nicht die Antworten zu geben, die dieser hören wollte. Selbst wenn er gelogen hätte, würde er geschlagen werden, also gab er nicht auf und kämpfte. Sich zu ergeben kam für Rin nicht in Frage, dazu war er zu stolz und wollte sich nicht von irgendjemandem vorschreiben lassen, wen er liebte. Leider zeigte diese Form der Therapie schon erste Anzeichen bei ihm, dass er, wann immer ein Bild eines schwulen Paares auf dem Projektor gezeigt wurde, schon zusammenzuckte, die Strafe dafür erwartend, dass er es schöner fand als das von einem Mann und einer Frau. Auch wenn Rin mit aller Kraft versuchte, nicht nachzugeben, war der inzwischen natürlich gewordene Reflex seines Körpers nicht zu unterdrücken. Dr. Masefield grinste amüsiert vor sich hin, als er seinen Patienten nicht einmal mehr anrühren musste, dass dieser Schmerzen empfand. Die nächsten paar Bilder tat er nichts, sondern beobachtete den Rothaarigen einfach nur, wie er sich entweder entspannte, wenn er keine Schläge zu befürchten hatte, oder sich verkrampfte. Dieses Spielchen wurde dem Psychologen aber schnell zu langweilig, sodass er bald zu einem der Schränke ging, diesen öffnete und darin etwas suchte. Rin blickte verwirrt zu ihm. War diese Tortur nun endlich vorüber? Würde man ihn nie wieder schlagen, egal wie er reagierte? Ein Teil von ihm hoffte das, da die letzten paar Minuten, egal welche Bilder gezeigt worden waren und egal wie er darauf reagiert hatte, keine Schläge für ihn bereitgehalten hatten. Ein anderer ahnte Schreckliches: Was, wenn dies nur der Beginn war und man ab sofort ganz anderes mit ihm anstellen würde? Welche Schmerzen hielten die weißen Schränke für ihn bereit? „Looks like we haven’t got the supplies I need in this room”, sprach der Arzt zu sich selbst, ehe er den Schrank geräuschvoll schloss und sich an Rin wandte. „I’ll be right back, so stay where you are…not that you’ve got a choice.“ Über seinen eignen Witz lachend, verschwand Dr. Masefield aus dem Behandlungszimmer und Rin atmete für einen Moment auf. Ihm war bewusst, dass nichts Gutes folgen würde, doch eine kleine Verschnaufpause ohne diesen Verrückten tat gut. An diesem Tag war er auch nicht so viel und so hart wie sonst geschlagen worden, auch wenn seine Arme schon ziemlich schmerzten. Dabei war er sich nicht sicher, ob er den realen Schmerz fühlte, oder sich diesen schon einbildete. Hatte sich sein Körper in den zweieinhalb Monaten, in denen er dieser Bestrafungstherapie ausgesetzt war, schon so an die Gefühle gewöhnt, dass er diese automatisch aussandte, egal ob man ihn tatsächlich schlug, oder nicht? Die Rückkehr des Doktors hatte tatsächlich nichts Gutes für den nicht mehr ganz so neuen Insassen von Dimayz zu bedeuten, wie dessen Instinkt ihm schon versucht hatte mitzuteilen. Rin ging mit langsamen Schritten den weißen Gang entlang, der ihm noch länger und leerer vorkam als sonst. Die Deckenbeleuchtung flackerte hier und da, doch das bekam er schon lange nicht mehr mit, nicht in seinem derzeitigen Zustand. Seine Hände waren so taub vom Schmerz, dass er sie kaum mehr fühlte, sie nicht mehr als Bestandteil seines Körpers wahrnahm. Die apathisch aufgerissenen Augen, die kaum mehr blinzelten, starrten in die Ferne. Der Blick richtete sich nicht auf die weißen Wände, oder auf irgendetwas um ihn herum. Als Rin an 207 ankam, kehrte das Leben schleichend in seine Augen zurück, die rot und vor Tränen leuchteten, welche sich in ihnen sammelten. Sein Verstand kehrte mit den Erinnerungen an die letzte halbe Stunde zurück, in der er versucht hatte, nicht vor Schmerzen wahnsinnig zu werden. Das Gefühl in seinen Händen machte sich mit einem beißenden Schmerz bemerkbar, sodass er sich nicht in der Lage fühlte, seine Schlüsselkarte aus der Tasche zu holen, oder überhaupt etwas anzufassen. Aufgelöst sank Rin so kurz vorm Ziel an der Tür zusammen, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an diese. Die Augen geschlossen, den Kopf nach oben gereckt, atmete er tief durch, um sich zu beruhigen und nicht zu weinen. Seine Hände berührten den kühlen Boden, nahmen diesen aber kaum wahr. Zu groß war der Schmerz, das Pochen, welches in ihnen tobte. Offenbar hatte diese Therapiestunde etwas länger als gewöhnlich gedauert, denn Rin hörte Schritte, die sich auf ihn zubewegten. Die Gangart war ihm inzwischen bekannt, sodass er sie direkt zuordnen konnte. Er wusste nicht letztendlich deswegen, dass es Sousuke war, der auf ihn zukam, weil sich dessen Schritte zwei Stunden zuvor – als er sich aus dem Aufenthaltsraum entfernt hatte – genauso aufgebracht angehört hatten wie in diesem Moment. Die roten Augen öffnete sich einen Spalt breit und Rin lächelte leicht, als er den anderen erblickte, der um die Ecke bog. „Rin“, blieb der Größere ruckartig stehen und starrte den Kleineren an, der zusammengesunken auf dem Boden vor ihrem Zimmer saß. „Hey…“, begrüßte Rin Sousuke, wobei sich seine Stimme schwach und kratzig anhörte. „Was ist passiert?“, kam dieser nun auf ihn zugeeilt und ging vor ihm in die Knie. „Was hat man dir angetan?“ Als sie sich auf gleicher Augenhöhe befanden, sahen die türkisenen Iriden ernst und entschlossen zu Rin, welcher die Pein seiner Finger aufgrund dieses Blickes beinahe vergaß. So schön waren Sousukes Augen, welcher sich besorgt auf sein Niveau begeben hatte. „Erzähl ich dir später, okay?“, hauchte Rin leise und schloss seine Augen dann wieder, da der Schmerz zurückkehrte. „Soll ich dir aufhelfen?“, bot Sousuke an, woraufhin der Kleinere nickte. Daraufhin erhob der Dunkelhaarige sich, schloss zunächst das Zimmer auf und ging dann wieder in die Knie, um Rin zu sich nach oben zu ziehen. Dabei packte er ihn unter den Achseln und schlang seinen Arm um dessen Taille, sobald sie standen. Mit der freien Hand drückte Sousuke die Tür auf und verfrachtete den verdutzten Rin auf dessen Bett. Die Berührung hatte sich gut angefühlt, doch ein unerklärlicher Schmerz durchzuckte nun seinen Körper, besonders seine Arme und den Rücken. Rin zitterte nun leicht, auch wenn ihm das selbst nicht bewusst war. „Was ist mit deinen Händen? Warum zitterst du?“, bemerkte Sousuke, dass mit dem anderen etwas nicht stimmte, abgesehen von der Tatsache, dass dieser heulend auf dem Boden gesessen hatte. „Es ist…“, betrachtete Rin daraufhin seine Hände, sich bewusst werdenden, dass sein ganzer Körper bebte. „…schwer zu erklären, aber…ich glaube, die Therapie schlägt an.“ Diese Erkenntnis war so plötzlich gekommen, dass Rin über seine eigenen Worte erschrak. Die neue Methode war viel effektiver als die alte: Dr. Masefield hatte ihm heute nach seiner Rückkehr ausschließlich Bilder von sich küssenden oder eng umschlungenen Männern gezeigt und ihm dann Eis auf die Handflächen gelegt. Aber kein normalen Eiswürfel aus der Tiefkühltruhe, sondern Trockeneis in einem Beutel. Bei direkter Anwendung würde dies zu Kälteverbrennungen führen, doch auch der indirekte Kontakt tat höllisch weh. Nachdem Rins Hände für längere Zeit dieser Kälte ausgesetzt gewesen waren, wunderte es nicht, dass diese rot angelaufen waren und sich erst langsam wieder aufwärmten. Sousuke hatte sich neben ihn gesetzt und schwieg seit einer geraumen Weile. Dass er Rücksicht auf Rins Zustand nahm, fand dieser wirklich nett, aber er wünschte sich doch eher, dass dieser mit ihm reden würde, um ihn abzulenken. Also riss der Rothaarige sich zusammen und ließ für einen Moment ab, seine Hände aneinander zu reiben. Gerade als er sich an den Größeren wenden wollte, wandte sich dieser zu ihm um, sodass Rin erstarrte, weil er sich leicht erschreckte. „Wie genau therapieren sie dich überhaupt?“, wollte Sousuke wissen, da er bei seinen Überlegungen zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen war und sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie man die Sexualität eines Menschen umzukehren versuchte. „Also…“, begann Rins Herz schneller zu schlagen, da es ihm peinlich war, darüber zu sprechen. „Dr. Masefield schnallt mich meistens an einem Stuhl fest und zeigt mir dann Bilder von Paaren, die sich an den Händen halten und so…“ Der Rothaarige wich dem Blick des Größeren aus und machte immer wieder Pausen beim Sprechen. Seien Hände hielt er ruhig ineinander geschlungen und drückte ab und an zu, um den Schmerz für eine Sekunde abzuwehren. „Entweder von einer Frau und einem Mann oder zwei Männern. Wenn ich nicht so reagiere, wie er es gerne hätte, schlägt er mich“, berichtete Rin so gefasst wie möglich. „Also jedenfalls hat er das bis heute getan...jetzt ist er dazu übergegangen, mir Eis auf die Hände zu legen und mir nur noch Bildern von Männern zu zeigen…“ Während er erzählte, durchlebte Rin die Therapie des heutigen Tages erneut und musste schlucken. Es hatte so verdammt weh getan, als die Eisbeutel auf seine Haut gepresst wurden… Sousuke lauschte der leisen Stimme und war nicht sonderlich schockiert über diese Methode, doch tat der andere ihm unendlich Leid. Ähnliche Techniken waren ihm von anderen Patienten, aber auch von sich selbst bekannt, doch der Grund, weswegen man Rin Schmerzen zufügte, war ein vollkommen anderer. Nicht etwa, um ihm schlechte Verhaltensmuster abzutrainieren, oder um die Wahrheit zu sagen, sondern um seine Reaktion auf Männer zu verändern. „Hast du deswegen zu zittern begonnen, als ich dich berührt hab?“, schlussfolgerte Sousuke. Bevor er Rin hochgeholfen und ihn zu seinem Bett gebracht hatte, war dessen Körper immerhin vollkommen ruhig gewesen. Das Beben war erst danach aufgetreten. „Ich denke schon…“, wurde Rin bei diesen Worten leicht rot um die Nase. Normalerweise hätte er diese Vermutung so wie sie war unterschrieben, doch er konnte sich auch vorstellen, dass es ihn so überrascht hatte, Sousuke plötzlich so nah zu sein, dass er sich einfach nicht mehr unter Korntrolle gehabt hatte. Immerhin spielte sein Herz verrückt, wenn dieser ihn nur ansah… „Glaubst du, es würde was bringen, wenn du mir jetzt deine Hände gibst?“, bot der Größere daraufhin völlig unerwartet an. „So als Gegenmaßnahme sozusagen…“ Daraufhin hob Rin seinen Kopf und blinzelte Sousuke mehrmals verwundert an. Es klang schon logisch, dass man gegen die Behandlung vorgehen konnte, indem man den schmerzhaften Kontakt mit angenehmem ausglich, doch von seinem Mitbewohner, der Körperkontakt sonst verabscheute, den Vorschlag zu hören, dass er ihm dabei helfen wollte, dagegen so unwirklich. „O-okay“, streckte er Sousuke seine Hände zögerlich entgegen, welche dieser in seine nahm. Diese waren größer als Rins und umschlossen seine mit einer angenehmen Wärme. Im ersten Moment stach ein kalter Schmerz in seine Hände, doch als er sich sagte, dass es nur Sousuke war, der ihn berührte, wurde es besser. Ein netter Nebeneffekt war außerdem, dass seine Hände langsam Normaltemperatur erreichten und das auf eine wesentlich angenehmere Weise, als wenn er sie unter Wasser gehalten, oder sie weiterhin gegeneinander gerieben hätte. „Danke“, schloss Rin seine Augen und genoss den Moment. Sein Herz und die Schmetterlinge im Bauch genossen diese liebevolle Geste ebenfalls und machten ihn nervöser, als er es hätte sein sollen. Allerdings es war eine willkommene Nervosität, die in einem aufkam, wenn man verliebt war. Sousuke ging es nicht viel anders, auch wenn ihm nicht so ganz bewusst war, was in ihm vor sich ging. Er glaubte, dass sein Herzrasen daher rührte, dass ihm Körperkontakt noch immer zuwider war, auch wenn er ihn angeboten hatte und Rin mochte. Je länger sie beieinander saßen und er die kleineren Hände in seinen hatte, umso bewusster wurde Sousuke, dass der Kontakt ihm nicht unangenehm war, oder zumindest nicht auf die gewohnte Weise. Gerade als er es anfing zu genießen, kamen die Erinnerungen an den Mittag zurück, als Kisumi sein Maul nicht hatte halten können und etwas ausgeplaudert hatte, dass Sousuke gar nicht passte. Ihm war es unglaublich peinlich gewesen, vor Rin auf diese eine junge rothaarige Schwester angesprochen zu werden, die er zugegebenermaßen ziemlich attraktiv gefunden hatte – wenn auch nicht bewusst. Warum genau ihm das vor Rin so peinlich war, konnte er nicht sagen. Vielleicht, weil dieser es noch nicht gewusst hatte, oder weil es in der Öffentlichkeit gewesen war? Dass es Sousuke deswegen rasend gestimmt hatte, weil er nicht wollte, dass Rin schlecht von ihm dachte, dass er nur aufs Äußere achten würde, oder auf Frauen stand, wollte er sich nicht ganz eingestehen. Sowieso war der Große ein wenig eigen, wenn es um Beziehungen und Liebe ging, wobei seine Mutter keine unbedeutende Rolle gespielt hatte. Dass Rin wegen dieser noch mit ihm sprechen wollte, ahnte Sousuke genauso wenig, wie dass er dem Kleineren schon seit dem Moment verfallen war, als sich ihre Augen in jener verregneten Nacht begegnet waren. Zu abgelenkt war er von der Wärme, die sich um sein Herz schloss und sich in seinem Körper ausbreitete, dass er es fast nicht mehr aushielt. So schön es auch war, als Rins Hände warm genug waren, löste Sousuke den Kontakt. Diese kleinen Berührungen verlangten ihm schon viel ab und zu mehr war er einfach noch nicht bereit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)