Eine Chance für Ranma von MariLuna ================================================================================ Kapitel 2: Trost ---------------- 2. Kapitel Trost   „Ranma!“ Ein entsetzter Aufschrei und dann eine Hand, die seinen Unterarm packt. Es ist ein harter, schmerzhafter Griff, der ihn mit einem Ruck nach hinten und vom Geländer zieht. Die dazugehörige Person drückt ihn mit aller Macht an sich. Unwillkürlich klammert Ranma zurück. Der Stoff unter Ranmas Fingern und an seiner Wange ist weich. Er kann die Farbe nicht sehen, seine Sicht ist zu verschwommen, zu nass. Und das liegt nicht nur am Regen, der immer stärker fällt. „Ich kann das nicht. Ich will das nicht", schluchzt er in diesen weichen Stoff hinein. „Niemanden interessiert, was ich will. Ich muss immer... immer... i-ich will das einfach nicht. W-warum kann ich nicht..." Er holt einmal tief Luft und spürt, wie die Arme, die ihn halten, ihn noch fester drücken. „Ich will nicht mehr..." Er weint bitterlich, ein völlig unmännliches Verhalten, aber das ist egal, denn es regnet und der Regen ist doch kalt und so ist er nicht mehr Ranma, sondern Ranko, sein verhasstes, weibliches Ich. Über sich hört er beruhigende Geräusche und ein gemurmeltes „alles wird wieder gut, das verspreche ich dir" und eine Hand streichelt tröstend durch sein Haar. Ranma hat eine dumpfe Ahnung davon, wer ihn vom Brückengeländer gezogen hat, aber es stört ihn nicht. Die Arme, die ihn halten, sind stark und lassen ihn nicht los. Nicht, dass er es versuchen würde... Es ist lange her, dass er umarmt wurde. Zu lange, und er erinnert sich gar nicht mehr daran. Es ist schön. Er fühlt sich furchtbar müde, betäubt und leer wie eine leblose Hülle und er heult sich hier gerade die Augen aus dem Kopf, aber das hier ist ... schön. Irgendwann versiegen seine Tränen, und er fühlt sich einfach nur noch unendlich erschöpft. „Ranma." Warme Finger streichen ihm sanft die Tränen von den Wangen. „Du bist schon ganz durchweicht. Lass uns gehen." Das reißt Ranma aus seiner Apathie. „Ich geh nicht wieder dahin zurück!" Er versucht, sich loszureißen, doch starke Arme halten ihn zurück. „Ich meinte, zu mir nach Hause, du Dummerchen." Oh. Das... ist in Ordnung. Oder? Ranma zögert unschlüssig. „Eine warme Mahlzeit, ein heißes Bad und etwas Schlaf... Du wirst sehen, dann sieht die Welt wieder ganz anders aus." Wer kann dieser schmeichelnden Stimme schon widerstehen? Außerdem ist Ranma viel zu groggy, um zu protestieren. Hauptsache, er muß nicht zurück in dieses furchtbare Haus. Also nickt er zögernd. Das letzte, was er spürt, ist, wie er Huckepack genommen wird, dann fordert die seelische Erschöpfung ihren Tribut und ihm fallen die Augen zu.       Sarugakure Sasukes dunkle Augen weiten sich überrascht, als sein junger Herr mit einem ihm wohlbekannten rothaarigen Mädchen auf dem Rücken das Haus betritt. „Junger Herr Kunō, was ist passiert? Geht es Ranko gut?" „Nein, es geht Ranma nicht gut", ist die ziemlich barsche Antwort. Aber Sasuke weiß: das ist nur die Sorge, die da aus Tatewaki spricht. Eine Sorge, die durchaus berechtigt ist, wie Sasuke mit einem etwas genauerem Blick feststellt. Rankos Haut ist blaß, beinahe schon wächsern und obwohl sie die Augen zur Hälfte geöffnet hat, scheint sie nichts von ihrer Umgebung wahr zu nehmen. Ihr Blick ist starr und völlig leer. Außerdem ist die Schuluniform vom Regen draußen völlig durchweicht. Und sie spannt eindeutig an gewissen Stellen, ist sie doch für einen Jungen gemacht und nicht für ein kurviges Mädchen. „Sasuke, würdest du bitte Miso-Suppe bringen? Ranma braucht dringend ein heißes Bad und etwas Warmes zum Essen." „Ja, sofort!" Erleichtert über diese klaren Befehle, eilt der Hausdiener der Familie Kunō in die Küche zurück, während Tatewaki Kunō seine süße Last tiefer ins Innere des Hauses bringt.       Normalerweise würde Tatewaki es genießen, dieses entzückende Wesen in seinen Armen aus der Kleidung zu pellen, aber ihm steht nicht der Sinn nach Frivolität. Dafür steckt ihm der Schock noch viel zu tief in den Knochen. Außerdem - als er Ranko auszieht und ihr vorsichtig in die Wanne hilft, ist es, als hätte er eine willenlose Puppe vor sich. Das ist nicht sexy, das ist einfach nur beängstigend. Er hilft ihr, sich hinzusetzen und dreht dann das Wasser auf. Sobald diese blasse Haut mit dem heißen Wasser in Berührung kommt, verwandelt sich Ranko zurück in Ranma, aber genauso wenig wie er zuvor auf Rankos nackte, weibliche und überaus verführerische Rundungen reagiert hat, reagiert Tatewaki jetzt auf diese Rückverwandlung. Er hat andere Sorgen. Erst, als er sich völlig sicher ist, dass noch genug Leben in Ranma steckt und er nicht in der halbvollen Wanne untergeht, zieht sich Tatewaki rücksichtsvoll zurück. Schließlich kennt er Ranmas Temperament zur Genüge. Der Baka versteht alles bestimmt wieder falsch und verprügelt ihn, noch bevor er dazu kommt, ihm zu erklären, wieso er sich im selben Raum mit einem nackten Ranma – und zuvor einer nackten Ranko - aufhält. So erfrischend diese Diskussionen auch sonst immer sind und egal, wie reizend Ranma aussieht, wenn er sich aufregt - heute steht Tatewaki wahrlich nicht der Sinn danach. Also verlässt er das Badezimmer - lässt jedoch die Tür vorsichtshalber einen Spalt breit offen - und beeilt sich dann, trockene Kleidung für Ranma herauszusuchen und sich selbst erstmal aus seiner eigenen, regendurchnässten Schuluniformjacke zu schälen. Er will auch gerade das Hemd wechseln, als ihn ein merkwürdiges Geräusch innehalten lässt.       Ranma weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, alles ist irgendwie ganz verschwommen. Jedenfalls sitzt er plötzlich nackt in einer großen Badewanne mit heißem Wasser. Er fühlt sich etwas wärmer und auch wieder mehr wie er selbst und normalerweise würde er sich darüber freuen, nicht mehr als Mädchen herum zu springen, aber heute, hier und jetzt hilft ihm das nicht. Es ist ihm eigentlich sogar egal. Er ist müde, so unendlich müde. Er will das alles nicht mehr. Wozu denn auch? Seine Sicht verschwimmt wieder, als sich seine Augen mit Tränen füllen. Er zieht die Knie an seine Brust und umklammert sie fest mit beiden Armen, macht sich so klein wie möglich, genau wie heute Mittag in der Jungentoilette, während er in diese altbekannte, tiefschwarze Verzweiflung stürzt. Er weiß nicht, wie lange er schon so dasitzt und weint, aber allzu lange kann es nicht gewesen sein, denn der Gedanke, sich anstatt wie geplant im Fluß, nun in der Badewanne zu ertränken, ist ihm noch nicht einmal gekommen, da wird schon die Tür beiseitegeschoben. „Ranma!" Er muss draußen gewartet haben, anders ist das nicht zu erklären, so laut sind Ranmas Schluchzer nicht (er hat gelernt, leise zu weinen), und jetzt ist er binnen eines Herzschlages bei ihm. Er ruft noch einmal seinen Namen und schlingt seine Arme um ihn, und es scheint ihm ganz egal zu sein, dass er dadurch ganz nass wird. Verzweifelt klammert sich Ranma an ihm fest. „Kann nicht zurück", stammelt Ranma irgendwann, von wilden Schluchzern geschüttelt, die Finger so fest im weißen Schuluniformhemd des anderen vergraben, dass eine Naht aufreißt. „Will dieses Leben nicht." Lieber stirbt er, als in diese Familie einzuheiraten. Das ist nicht das Leben, das er anstrebt. Das ist nicht sein Leben. Er hat immer nur getan, was sein Vater wollte, und er tut alles, um seiner Mutter zu gefallen, und das nicht nur, weil diese ihn sonst zum Seppuko zwingt. Nie hat ihn jemand gefragt, was er will. Er liebt Akane nicht, hat er nie und wird er auch nie, weil... „Ich will sie nicht heiraten. Ich liebe sie nicht." Wimmernd klammert er sich noch fester. Er mag in schlechter Verfassung sein, aber sein Griff ist stark wie eh und je. „Ich liebe dich", flüstert er. Es ist nicht mehr als ein Hauch und vielleicht hat es niemand gehört, aber es tut gut, das endlich auszusprechen. Es ist einfacher als gedacht, ehrlich zu sein, wenn einem die Konsequenzen egal sind. Er hört, wie der andere kurz die Luft einzieht – oh, er scheint ihn doch gehört zu haben, verdammt noch mal... aber anstatt ihn wegzustoßen, drückt seine heimliche Liebe ihn nur noch fester an sich. Zu Ranmas tiefer Verzweiflung mischt sich unendliche Erleichterung. Trotzdem weint er, bis ihm alle Tränen versiegen und ihn alle Kräfte verlassen. Aber das geht schon in Ordnung, denn er wird gehalten. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlt er sich sicher. Er könnte ewig so bleiben. Aber das geht nicht, wie man ihn schnell daran erinnert. „Komm, du musst raus aus dem Wasser, bevor es kalt wird." Ja. Ranma nickt hastig und hilft beflissen mit, als er sanft dazu gedrängt wird, die Wanne zu verlassen. Brav lässt er sich wie ein kleines Kind in ein riesiges Badehandtuch wickeln und trocken rubbeln. Erst, als ihm auffordernd ein Jinbei entgegen gehalten wird, erwacht er aus seiner Lethargie. „Das kann ich selber!" protestiert er unwirsch. Er hat die Worte kaum ausgesprochen, da tun sie ihm schon leid. Und tatsächlich zuckt der andere erst einmal zurück, fängt sich aber rasch wieder und nickt dann einmal knapp. „Natürlich. Bitte entschuldige. Ich warte vor der Tür auf dich." Ranma öffnet den Mund, um sich zu entschuldigen, doch plötzlich tritt sein Retter und heimlicher Schwarm dicht an ihn heran und... küsst ihn mitten auf die Stirn. Dann dreht er sich um und geht, und Ranma starrt ihm wie betäubt hinterher.       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)