Decision von MoonLestrange ================================================================================ Kapitel 17: Training -------------------- Das Gespräch mit Lest Karr war sehr aufschlussreich und interessant gewesen. Dass die Menschen in Europa ebenfalls experimentiert hatten. Aber Urd hatte erwähnt, dass die japanische kaiserliche Dämonenarmee nicht die ersten gewesen waren. Doch anscheinend hatte Lest Karr bei der Bekämpfung dessen mehr Erfolg gehabt als die japanische Fraktion. Es hatte jedenfalls so geklungen, als wenn diese Sache mit den europäischen Magiern erledigt wäre. Nebenbei hatte sie auch gleich erfahren, welches Gebiet unter Lest Karrs Verwaltung stand, nämlich Deutschland. Urd Geales war der Verantwortliche für Russland, zumindest ging sie davon aus. Ob wirklich jedes Land seine eigene Regierung hatte? Oder waren kleinere Länder unter einer einzigen Führung zusammengelegt? Das würde sie schon noch herausfinden, sie musste den Gesprächen der Vampire sorgfältig lauschte. Nebenbei hatte sie auch erfahren, wieso Lest Karr das Aussehen eines Kindes hatte. Er musste wirklich schon einiges hinter sich haben. Kinder hatten weit weniger Disziplin und Selbstkontrolle als Erwachsene. Für ihn musste die Sache mit dem Durst noch mal schwieriger gewesen sein, als für Aoi. Noch dazu war er von seinem, sozusagen Vater, schnell fallen gelassen worden, Urd hatte sich danach um ihn gekümmert, mit Erfolg, immerhin war Lest Karr nun ein respektiertes Mitglied dieser Gemeinschaft. Ob sich Urd Geales auch noch so genau an seine Zeit als Mensch erinnerte? Irgendwann würde sie ihn fragen, vielleicht. Morgen würden sie die Stadt verlassen, um ihre Fähigkeiten an ein paar apokalyptischen Reitern zu testen. Das konnte nicht schaden, bei denen konnte sie mal ordentlich Dampf ablassen. Dennoch war es natürlich nicht dasselbe wie gegen einen Vampir oder Menschen zu kämpfen. Die hatten einen eigenen Willen, die apokalyptischen Reiter hingegen gingen nur frontal auf einen los und waren sehr vorhersehbar. Doch immer noch besser als nichts. Es war In etwa vierzehn Uhr, bei dem Training war die Zeit schnell verflogen. Wenn das morgen genauso ablief, dann war die Ratssitzung schneller an ihrer Kehle, als es ihr lieb war. Aber davor drücken konnte sie sich ohnehin nicht. Dann war es besser, wenn es schneller ging, was sie hinter sich hatte, das hatte sie hinter sich. Solange sie nicht viel sagen musste, das war ihre größte Sorge. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Ahnenrat nur aus Hohlköpfen bestand, wen sie sich verplapperte, dann könnte sie Kureto in Gefahr bringen. Also am besten Klappe halten, schön nicken und Urd reden lassen. Klang nach einem guten Plan. Kureto hatte sie auch noch nichts von dieser Versammlung gesagt, aber das würde sie noch nachholen. Für den Rest des Tages nahm sie sich vor, Sanguinem etwas zu erkunden. Das hatte sie bisher noch gar nicht getan, sie war nur einmal kurz draußen gewesen. Das war das Ende ihres menschlichen Lebens gewesen. Obwohl ganz Sanguinem tief unter der Erde lag, fühlte es sich dennoch wie eine Befreiung an, aus dem Schloss herauszukommen. In der Vampirstadt ging es jetzt deutlich geschäftiger zu, als vor ein paar Tagen noch. Überall waren Vampire unterwegs, unterhielten sich in Grüppchen miteinander oder transportierten alle möglichen Materialien. Es schien so, als wäre wieder halbwegs Normalität eingekehrt. Auch wenn sie nicht wusste wie es vor dem Angriff der Dämonenarmee gewesen war, die angespannte Stimmung, die in der Luft gelegen hatte, war anscheinend wieder etwas verzogen. Die Verstärkung durch die Mitglieder des Hochadels schien sie wieder stark motiviert und zuversichtlich gemacht zu haben, nachdem es vorher eher schlecht für sie ausgesehen hatte. Ganz unverständlich war das nicht. Hoffentlich schaffte es Shibuya, sich genauso schnell wieder zu erholen. Sonst könnten die Menschen dort in arge Probleme geraten. Kureto würde das schon wieder gerade biegen, schließlich konnten die Menschen sich doch nicht in einer der wenigen Kategorien besiegen lassen, in denen sie den Vampiren weit überlegen waren: ihrem Zusammenhalt. Zumindest sollten sie das sein. Die Vampire schienen sich trotz unterschiedlicher Fraktionen schon recht gut zusammengerauft zu haben. Sie nahm jedenfalls kein Streitgespräch wahr. Aber sie hatten ja auch nicht vor kurzem versucht, sich gegenseitig umzubringen. Noch dazu war das hier eine ungewöhnliche Situation und ihnen war wohl klar, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für interne Streitigkeiten war. Das war es den Menschen der Armee hoffentlich auch. Je weiter sie nach unten vorstieß, umso enger und verwinkelter wurden die Straßen. Nur hin und wieder kamen ihr Vampire entgegen, welche ihren Blick aufmerksam über die Umgebung schweifen ließen. Entweder suchten die irgendetwas…oder sie bewachten was. Nicht was, sondern jemanden. Wahrscheinlich Menschen. Lebten sie in den großen, alten Backsteingebäuden, welche sich zu beiden Seiten erhoben? Sie hatte noch keine gesehen, vielleicht verkrochen sie sich auch gerade in ihren Unterkünften. Könnte sein, wenn sie sich auch unbewaffnet in der Nähe von so vielen Vampiren befinden würde, dann würde sie sich auch verstecken. Fliehen war für sie ja keine Option. Wie lief das überhaupt im Allgemeinen mit dem Blut? Wurden sie dazu gerufen? Hatten sie feste Termine, zu denen sie erscheinen mussten und wenn sie es nicht taten erhielten sie weniger freundlichen Besuch? Wie versorgten die Vampire die Menschen überhaupt? Woher bezogen sie Getränke und Nahrung? Gut, Wasser war noch gut im Bereich des Möglichen. Das Meer war zwar verseucht, aber Süßwasserquellen waren größtenteils verschont geblieben. Am Anfang hätten sie sich auch an den Vorräten der Menschen bedienen können, die noch in Märkten und Lagerhallen waren, aber diese Quellen waren ja auch endlich. Doch vielleicht hatten sie in der Zeit auch andere Möglichkeiten gefunden, betrieben vielleicht auch Handel untereinander um sich auszutauschen. Es gab noch eine Menge, was sie hier lernen konnte, so viel stand fest. Sie erreichte einen kleinen Platz, von dem aus mehrere Straßen abzweigten. In der Mitte befand sich eine größere Straßenlaterne um die kreisförmig angeordnet Bänke standen. Auf dem Boden lagen einige Bälle, Kreidestückchen und anderes Spielzeug. Hier schienen Kinder gespielt zu haben. Einige Kinder waren von der Armee bereits aus der Vampirstadt nach Shibuya, Shinjuku und Ikebukoro gebracht worden, aber einige waren noch hier gewesen, als die Vampire ihren Überraschungsangriff gestartet hatten. Für sie musste das ganze am schlimmsten gewesen sein. Erst durch Vampire gefangen worden, dann kam die kaiserliche Dämonenarmee um sie zu befreien und plötzlich standen die Vampire wieder vor der Tür. Hoffentlich war kein Unschuldiger bei diesem Konflikt zu Schaden gekommen. Sie setzte sich auf eine der Bänke und ließ die Umgebung auf sich wirken. Das Spielzeug in diesen düsteren Wegen. Es wirkte schon fast unrealistisch. Wie gut man hier wirklich unbeschwert spielen konnte, das war fraglich. Auf einmal hörte sie Stimmen. Aoi hob ihren Kopf. Vor ihr wurde eine Tür geöffnet und eine kleine Gruppe kam heraus. Aoi schätzte sie zwischen 12 und 15 Jahre ein. Sie unterhielten sich und lachten sogar eine Weile. Zumindest so lange bis sie Aoi bemerkten. Dann erstarrten sie in ihren Bewegungen und auch ihr Lachen verstummte. Aber auch Aoi bewegte sich keinen Zentimeter. Auch sie starrte die Kinder einfach nur an. Ein etwas größerer Junge trat vor, er stemmte seine Arme in die Hüfte und schaute Aoi genau in die Augen. „Was tust du hier, Monster?“, fragte er sie und baute sich auf. Aoi presste ihre Zähne aufeinander. Monster. Er hatte sie tatsächlich Monster genannt. Auch wenn sie ihn verstehen konnte, irgendwie traf es sie. Hatte sie nicht immer für die Menschheit gekämpft? Doch das wusste er natürlich nicht. Für ihn war sie ein Vampir wie jeder andere. Aoi stand langsam auf. Ein Mädchen sagte zittrig: „Nicht! Sag so was nicht, sie wird dich töten!“ Natürlich würde sie das nicht. Aber das zu sagen würde wohl nicht viel bringen. Der Junge verengte seine Augen: „Ich habe doch keine Angst vor der!“ Er würde wohl einen perfekten Soldaten für die japanische kaiserliche Dämonenarmee abgeben, da war sie sich sicher. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen als sie sich umdrehte und wieder die Straße zurückging, aus der sie gekommen war. Doch kurz bevor sie um die Ecke verschwand stoppte sie. Sie drehte sich noch einmal um: „Keine Sorge, ich war vor kurzem selbst noch ein Mensch.“ Ob das irgendetwas änderte? Vielleicht nicht. Sie ging weiter, ihre Schritte beschleunigten sich immer mehr, zum Schluss rannte sie fast. Sie stieß einige Male fast mit dem ein oder anderen Vampir zusammen, aber das interessierte sie gerade wenig. Erst als sie das Eingangsportal des Palastes wieder erreicht hatte blieb sie stehen. Was hatte sie erwartet? Natürlich hassten die Kinder sie jetzt, dass hätte ihr klar seien sollen. Vielleicht sollte sie sich in Zukunft aus diesem Teil der Stadt fernhalten. Sie hatte ohnehin genug anderes zu tun. Zumindest redete sich das ein. Es war schon wieder heiß. Die Sonne war bereits an ihrem Zenit. Zwar schwitzte Aoi nicht, aber unangenehm war es trotzdem. Sie und Urd saßen auf dem Straßenschild einer Autobahnbrücke und hielten nach apokalyptischen Reitern Ausschau. Eigentlich wollten sie ja trainieren, aber es war noch keiner aufgetaucht. „Verflixt, normalerweise kommen sie doch zu Haufen aus ihren Löchern gekrochen und jetzt, wo wir wollen das sie auftauchen kommen sie nicht“, beschwerte Aoi sich und drehte sich noch einmal in die andere Richtung. Urd blieb jedoch entspannt: „Nur Geduld, Aoi. Die Reiter greifen normalerweise keine Vampire an, zumindest nicht von selbst. Von daher müssen wir sie finden und nicht umgekehrt. Doch sobald wir welche sehen überlasse ich dir das Feld.“ Dann eben warten. Einige Minuten später meldete Urd sich wieder zu Wort: „Hörst du das?“ Aoi drehte mehrmals ihren Kopf: „Nein, was?“ Sie hörte nichts Ungewöhnliches. „Konzentriere dich, Aoi. Deine Augen sind nicht alles was du hast. Wenn du in Zukunft effektiv kämpfen willst, dann musst du lernen auch auf deine anderen Sinne zu hören. Versuche für einen Moment alles andere auszublenden und nur auf Geräusche zu achten“, riet er ihr. Aoi schloss ihre Augen und lauschte. Sie konnte den Wind hören, das Rascheln von Blättern und das Rauschen eines Flusses. Doch da war noch etwas anderes. Eine Art Rumpeln. Als würde sich etwas Schweres über den Asphalt bewegen. Das Geräusch kam näher. Aoi öffnete ihre Augen wieder und ihre Hand legte sich um ihren Schwertgriff. „Hast du es?“, fragte Urd sie. Aoi nickte: „Ja, ich höre es. Er kommt näher.“ „Irgendwann wirst du auch lernen, das im Hintergrund ablaufen zu lassen. Das ist jedoch eine Erfahrungssache, für heute soll es genügen, ihn zu erledigen. Bist du soweit?“, fragte er und lehnte sich gegen das Schild. Aoi nahm den Reiter ins Visier, jetzt konnte sie ihn auch sehen. „Ja, ich bin soweit“, sie zog langsam ihre Waffe. Sie ging in die Hocke und sprang auf den Asphalt: „Schwert, trinke Blut!“ Der bekannte Schmerz fuhr kurz durch sie. Doch das war nicht weiter relevant. Sie sendete einen Energiestoß mit ihrem Schwert aus, welcher den Boden um den apokalyptischen Reiter aufriss. Dadurch wurden seine Bewegungen verlangsamt. Sie wich seinen Klauen aus und konnte eine von ihnen abtrennen. Das gefiel ihm so gar nicht, er begann mit seinen Beinen nach ihr zu treten. Aber das war kein Problem, durch seine Größe war er träge und langsam. Aoi konnte unter ihm hindurchrutschen und auf seinen Rücken springen. Sie stach ihr Schwert in ihn, er begann sich zu schütteln und versuchte sie abzuwerfen. Was ihm nicht gelang. Sie drang noch tiefer vor und zog es mit einem Ruck nach vor. Der Reiter heulte auf und brach zusammen. Sie zog ihr Schwert heraus und rammte es in seinen Kopf. Er gab nur noch ein klägliches Geräusch von sich bevor er endgültig Geschichte war. Das war’s, war doch gar nicht so schlecht gelaufen. Sie säuberte ihr Schwert und ließ es wieder in ihrer Scheide verschwinden. Sie drehte sich zu Urd, der immer noch auf dem Schild stand. Sie wollte ihm etwas zurufen, doch dann begann der Boden unter ihr zu knacken. „Aoi, pass auf!“, hörte sie Urd rufen. Oh nein, der Boden unter ihr musste instabil gewesen sein, und durch ihren Angriff und den Reiter war er wohl zu porös geworden. Sie versuchte noch weg zu springen, aber es war zu spät. Der Boden brach unter ihr weg, sie verlor den Halt und stürzte in die Tiefe… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)