Decision von MoonLestrange ================================================================================ Kapitel 14: Treffen ------------------- Kureto und Urd schauten sich weiterhin feindselig in die Augen. Kureto stemmte die Arme in seine Hüfte: „Ach, ich werde einfach nicht schlau aus euch Vampiren, da kann noch so viel Zeit vergehen.“ „Das beruht auf Gegenseitigkeit“, erwiderte Urd. Dann geschah etwas unerwartetes, den Kureto begann zu lachen: „Dann sind wir schon zu zweit.“ „Ich finde das…nicht lustig“, kommentierte Urd, das schien ihn etwas irritiert zu haben. „Dann kann ich dir auch nicht helfen“, sagte Kureto. Urds Blick verfinsterte sich: „Danke, aber ich brauche deine Hilfe auch nicht. Ich kann auch allein zurechtkommen.“ Urd hatte wirklich null Sinn für Humor. Kureto stöhnte: „Ach, du…egal, vergiss es. Das kapierst du wohl ohnehin nicht. Ich weiß zwar nichts über dich, aber…du hast, aus was für Gründen auch immer, Aois Leben gerettet. Das hätte ich nicht erwartet, doch trotzdem bin ich irgendwie ganz dankbar dafür. Auch wenn sie ohne dich jetzt nicht in dieser Situation wäre.“ Was machten die beiden da eigentlich? Urd verschränkte wieder seine Arme vor der Brust, das schien eine seiner liebsten Posen zu sein: „Nimm es einfach so hin. Ich weiß nicht mal selbst, woher ich diesen Drang genommen habe. Mag sein, du bist nicht allein. Ich wäre auch gerne in einer andern Situation, aber das Leben ist wohl kein Wunschkonzert.“ Kureto grinste: „Ist das so? Das geht dir wohl wirklich unter deine eiskalte Haut, was?“ Jetzt war es an Urd zu seufzen: „Nicht wirklich. Ich hätte nur viel anderes zu tun.“ Dann spitzte Urd seine Ohren und schaute links an Kureto vorbei. „Da kommt jemand, viele um genau zu sein.“ Auch Aoi hörte inzwischen, wie sich Schritte näherten: „Ich glaube, das sind die Sanitäter. Mann, die haben sich aber Zeit gelassen.“ Kureto schaute einmal über seine Schulter: „Sie dürfen euch beide nicht so sehen, erst recht nicht Aoi. Los, verschwindet von hier. Überlasst das hier alles mir.“ „Meister Kureto…“, sie ballte ihre Hände zu Fäusten, sie wollte ihn nicht im Stich lassen. Aber er hatte recht, wenn sie ihn und die beiden Vampire zusammen sehen würden, dann wären die Folgen nicht abzusehen. Urd legte eine Hand auf ihre Schulter: „Ich stimme dem Mensch zu, lass uns von hier verschwinden. Wir können später weiterreden. Ich bin sicher, dass wir uns noch mal sehen werden, Kureto Hiragi.“ Kureto hob seine Hand: „Sicher, dass denke ich leider auch. Aber das du mir gut auf Aoi aufpasst, Urd Geales. Ansonsten werde ich höchstpersönlich kommen und dich umlegen.“ Urd verzog keine Miene: „Das schaffst du sowieso nicht allein.“ Kureto lächelte herausfordernd: „Sol ichs mal versuchen?“ „Wir können uns duellieren, ganz klassisch. Mann gegen Mann“, erwiderte Urd, „Du bist tatsächlich ein Mensch, gegen den ich antreten würde. Aber nicht jetzt, ein andermal, wenn es die Situation zulässt. Was Aoi betrifft, so bin ich mir sicher, dass sie nun besser auf sich selbst aufpassen kann als du auf dich. Von daher mache ich mir keine Sorgen.“ Damit warf Urd sich Aoi über die Schulter und sprang los. „Keine Sorge, Meister Kureto. Ich finde einen Weg, um Euch zu retten, ich verspreche es!“, rief sie ihm noch zu, bevor er außer Hörweite war. Keine Sekunde später waren die Sanitäter und einige andere Soldaten vor Ort. Er landete auf dem Dach des Hauptgebäudes, wo er sie absetzte: „Lass uns nach Sanguinem zurückkehren, Aoi. Wir können die Einzelheiten später ausdiskutieren, wenn Lest Karr auch bei uns ist. Sieh das jetzt als Chance, deinen Körper besser kennenzulernen. Du scheinst noch ein paar Probleme mit der Koordinierung zu haben. Du musst dir schon vor dem Sprung überlegen wo du hinwillst. Dein Körper ist nun nicht mehr derselbe. Du musst aufhören wie ein Mensch zu denken. Wenn du so springst und kämpfst wie ein Mensch, dann bist du auch nur so gut wie ein Mensch. Aber du schaffst es, davon bin ich überzeugt. Es haben schon viele vor dir geschafft, mit weit weniger Potenzial. Gut, los geht’s. Wir müssen hier raus, ohne gesehen zu werden. Ich bin hinter dir.“ Urd hielt sich wirklich hinter ihr. Zuvor hatte sie rein instinktiv gehandelt, doch nun schaute sie das erst Mal bewusst nach unten. Die Höhe war beängstigend, aber es würde sie nun nicht mehr umbringen, selbst wenn sie da unkontrolliert hinunterfiel. Austesten wollte sie das aber nicht unbedingt. Am Anfang lief es noch etwas holperig und Urd musste sie ihr etwas Hilfestellung geben, aber so langsam kam sie damit klar, auch wenn sie sich sicher war, dass es noch die ein oder anderen Feinheiten gab. Niemand hielt sie auf, niemand versuchte auf sie zu feuern, niemand schien sie überhaupt zu bemerken. Es war einfach zu chaotisch. Sie erreichten ohne Probleme die Stadtmauern. „Es ist niemand hier, von dem unschönen Bild mal abgesehen“, kommentierte Urd die Szene, „Worum ging es überhaupt? Oder ist das ein Menschenkonflikt, den ein Vampir unmöglich verstehen kann?“ Es lagen noch viele gefallene Soldaten hier, ihr Blut klebte auf dem Boden. Das machte Aoi fast verrückt, seit sie von Kureto weg waren, war ihr Durst wieder rapide gestiegen. Urd stellte sich auf die Kante der Mauer: „Ich weiß. Du bekommst etwas zu trinken, aber nicht hier. Sieh es als Selbstbeherrschungstraining.“ Aoi räusperte sich einmal: „Mach ich.“ Das war eines der ersten Dinge, die sie in den Griff bekommen sollte. Dieser Blutdurst war so unangenehm, im Moment drehten sich ihre Gedanken nur darum. Bis gerade eben konnte sie sich noch gut ablenken, aber jetzt… „Dort hinüber. Von dort können wir einen Wagen nehmen“, holte Urd sie zurück in die Realität. Er nahm Schwung und landete perfekt an der vorgegebenen Stelle. Aoi kletterte auf die Kante, atmete noch einmal tief ein, versuchte die Höhe zu ignorieren und sprang. Es war doch etwas knapp gewesen, aber Aoi hatte es dennoch irgendwie geschafft. Urd hatte das Steuer übernommen und Aoi saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Die erste Hälfte der Fahrt absolvierten sie schweigend. Es kam ihr fast wie Stunden vor, Stunden in denen ihr Durst immer weiter stieg. „Ich dachte du wolltest noch warten, bevor du menschliches Blut trinkst. Wie fühlst du dich?“, sagte Urd schließlich. Aoi schaute auf ihren Schoß: „Es hat sich so ergeben. Mit diesem Durst hätte ich nie kontrolliert kämpfen können. Also hatten wir nicht wirklich eine andere Wahl. Wie ich mich fühle? Erst mal nicht viel anders als zuvor. Aber irgendwie auch schon. Ich kann es nicht genau sagen.“ „Mhm…“, Urd schaltete einen Gang höher und rutschte etwas weiter in den Sitz zurück, „Ich verstehe. Was sich verändert hat, das wirst du im Laufe der Zeit merken. Du bist nicht nur stärker und alterst nicht mehr. Jetzt realisierst du es vielleicht noch nicht wirklich. Doch ab jetzt tickt die Uhr. Sobald wir Menschenblut trinken verlieren wir unsere Menschlichkeit, Stück für Stück. Ja, es wurde ein großes Blutbad angerichtet. Ich würde zu gern sagen dass mich das alles nicht interessiert aber nun hänge ich zum Teil auch mit drin, also erzähl.“ „Es ging um unseren bisherigen General, Tenri Hiragi. Wir wollten ihn besiegen um Kureto den Weg zu ebnen. Doch…“, Aois Körper verkrampfte sich als sie daran dachte, „Als wir gesehen haben, was aus ihm geworden war. Da war mir klar, wir müssen ihn ausschalten.“ Aoi lehnte sich gegen die Scheibe und beobachtete die vorbeiziehende Landschaft, die Ruinen um genau zu sein. Was anderes gab es hier ja nicht zusehen. „Dann war das also schon von langer Hand geplant. War mal wieder die Politik und Flügelkämpfe der Grund. Warum bringen sich Menschen wegen sowas gegenseitig um? Wir Vampire geraten zwar auch manchmal aneinander, aber für gewöhnlich bringen wir uns dann nicht um. Ich sollte wohl wirklich endgültig aufgeben, das zu verstehen“, antwortete Urd. Aoi lehnte sich wieder im Sitz zurück: „Das solltest du vielleicht.“ „Ja, vielleicht“, sagte Urd und bremste. Damit hielt der Wagen. „Wir sind zurück. Lass uns reingehen“, er öffnete die Autotür und machte sich daran Auszusteigen. „Urd?“, fragte Aoi. Er drehte sich noch einmal zu ihr um: „Ja? Was ist noch?“ Aoi legte eine Hand auf ihr Herz: „Wie lange wird es dauern bis ich meine Menschlichkeit vollständig verliere? Wann werde ich wirklich…eine von euch sein?“ Urd verharrte in seiner Position: „Das wird sich zeigen. Ich habe im Laufe der Zeit beobachtet, dass es vom Charakter der Person abhängt, wann sie auch im Geiste ein Vampir wird. Du wirst noch sehr lange leben, Aoi. Zumindest wenn du gut aufpasst. Der menschliche Geist ist für so eine lange Zeit nicht ausgelegt. Von daher ist es nur natürlich, dass er sich irgendwann verändert. Lass es einfach auf dich zukommen, man kann es ohnehin nicht verhindern.“ Lest Karr lag in einem der großen Sessel. Er schien entspannt. Aber bei der luxuriösen Ausstattung war das wohl kein Wunder. Obwohl sie nur ein paar Stunden fort gewesen war, so kam es ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Der Frischling kehrt zurück. Wo sie sich herumgetrieben hat, ist nicht schwer zu erkennen“, Lest schlug seine Beine übereinander, „Du scheinst vollständig zu sein, Aoi. Setzt euch doch, du scheinst Durst zu haben, das sehe ich dir an der Nasenspitze an.“ Auf dem Tisch stand wieder die obligatorische Glaskaraffe, sie war bereits zum Teil leer, Lest Karr schien sich schon bedient zu haben. Urd nahm ein Weinglas vom Tisch und füllte es. Anschließend hielt er es Aoi hin: „Hier, trink. Bei uns brauchst du es nicht zu verstecken, wir wissen genau, wie es sich anfühlt.“ Sie nahm ihm das Glas ab, wenn auch etwas zögerlich. Dieser Geruch, es war nicht so gut wie Kuretos, aber dennoch reichte es. Es reichte, um sie völlig um den Verstand zu bringen. Urd navigierte sie zu der Couch und sie setzten sich. Sie hatte vorhin schon Kuretos Blut getrunken, aber bei ihm wusste sie, dass er es freiwillig für sie getan hatte. Hier hatte sie keine Ahnung, wer der Besitzer dieses Blutes war. Doch da musste sie wohl durch, sie hatte sich entschieden weiter zu leben. Bis sie das so gut unter Kontrolle hatte wie Urd, das würde noch dauern. Sie unterdrückte ihre Gefühle und nahm einige Schlucke. Es war kalt. Kein Vergleich zu Kuretos Blut. Dennoch reichte es um ihre Schmerzen zu lindern. „Wollt Ihr auch etwas, Meister Geales?“, fragte Lest und hob ein Glas an. Doch Urd schüttelte seinen Kopf: „Nein, aber danke. Ich habe schon getrunken.“ Sie konnte sich auch schon vorstellen wo er das getan hatte. Hoffentlich hatte er das gut kaschiert und das war auch bitte kein Zivilist gewesen. Sie trank das Glas aus und stellte es wieder zurück. „Da wir hier schon alle sitzen“, begann Urd, „Aoi, ist es in Ordnung, wenn Lest Karr erfährt, was in Shibuya vorgefallen ist?“ Er würde es ihm doch eh erzählen: „Ja, nur zu.“ Kureto saß in seinem Schlafzimmer. Er hatte es geschafft, Tenri Hiragi war Geschichte. Dennoch, ein bitterer Nachgeschmack hatte sich in ihm breitgemacht. Erster Punkt: Aoi war ein Vampir. Zweiter Punkt: ein geheimnisvolles Monster war in ihn eingedrungen und versuchte Besitz von ihm zu ergreifen. Dritter Punkt: Die Vampire hatten Verstärkung aus Europa erhalten und formierten sich neu. Sie hatten eine Menge mächtiger Adeliger mitgebracht. Der sogenannte hohe Rat der Urahnen, die höchste Institution der Vampire, setzte seine Priorität auf die Zerschlagung der japanischen, kaiserlichen Dämonenarmee. Der Urahn zweiten Ranges, Urd Geales, der stärkste Vampir der Welt, er war hier. Kureto hatte sich mit diesem Kerl unterhalten. Er hatte schon mit viel in seinem Leben gerechnet, aber bestimmt nicht damit. Er musste es der Armee mitteilen. Sie mussten davon erfahren, von der Invasion aus Europa. Früher oder später würden sie es ohnehin herausfinden. Warum also zögerte er? Er lachte, das war doch klar. Aoi. Sie war in Sanguinem, ebenso wie all diese Adeligen. Selbst wenn sie erneut den Seraph of the End einsetzten, die Vampire waren vorbereitet. Wie konnten sie besiegt werden? Konnten sie überhaupt besiegt werden? War das alles nur Zeitverschwendung? Wo steckte eigentlich Guren? Der hatte doch sonst immer die rettenden Einfälle. Musste er sich ausgerechnet jetzt in der weiten Welt herumtreiben? Gab es den niemanden, der ihm einen Rat geben konnte? Wer war gefährlicher? Dieses Monster in ihm oder die Vampire? Lest Karr hatte ruhig zugehört, er blieb auch relativ ruhig. Nachdem Urd seine Erzählung beendet hatte streckte sich Lest Karr einmal und seufzte dann: „So was war das also wieder. Schon verstanden. Na ja, es ist ja nicht unbedingt was neues, dass die sich gegenseitig umbringen. Aber jetzt wird es vermutlich erst mal dauern, bevor sich die Wogen dort wieder geglättet haben. Wenn wir also angreifen wollen, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt.“ „Rein strategisch betrachtet hast du recht, Lest Karr“, sagte Urd, „Doch als Kureto Hiragi seinen Vater besiegt hat, da ist etwas auf ihn übergegangen. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann war es die Seele des wahren Urahnen.“ „Wa…“, Lest Karr war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. „Ja, das hat er gesagt…“, murmelte Aoi, „Er nannte sich Shikama Doji. Er hat wohl behauptet, der erste Vampir gewesen zu sein.“ „Das kann doch unmöglich sein!“, stammelte Lest, „Er ist schon seit Jahrtausenden verschwunden, gemeinsam mit Ashera Tepes. War er nicht zum Dämon geworden?“ Aoi legte einen Finger an ihr Kinn: „Wenn er wirklich ein Dämon ist, kann es dann nicht sein, dass er von Tenri Hiragi Besitz ergriffen hatte?“ „Das kann natürlich sein“, Urd erhob sich von seinem Platz, „Ich kannte Tenri Hiragi nicht. Aber Kureto schien noch nicht besessen zu sein.“ „Ist das auch sicher?“, Lest wirkte skeptisch, „Es könnte auch ein Trick gewesen sein, um uns in Sicherheit zu wiegen.“ „Raimeiki, Meister Kuretos Dämon, hält die Tür zu seiner Seele verschlossen. Aber er wird ihn nicht ewig abhalten können. Diese Kreatur muss raus aus ihm“, sagte Aoi. Lest stützte sein Kinn auf seine Hände: „Wie stellst du dir das vor? Wie sollen wir das anstellen?“ „Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen“, sagte Urd, „Ich würde gern sagen, dass es mir egal ist, aber wenn Tenri Hiragi wirklich von Shikama Doji besessen war, dann ist nicht nur Kureto in Gefahr, sondern auch wir. Immerhin hat er es geschafft, dass eine gesamte Nation Jagd auf uns gemacht hat.“ Lest Karr schloss seine Augen: „Auch wenn ich das etwas seltsam finde. Ich meine, wenn es der wahre Urahn ist…warum macht er sich plötzlich Gedanken um uns? Das hat er doch vorher auch nie.“ Aoi hatte schon befürchtet, dass sie die Vampire in mühevoll davon überzeugen müsste, ihr dabei zu helfen, Kureto von diesem Wesen zu befreien. Aber wie es schien, waren auch sie davon überzeugt, dass diese Kreatur eine Gefahr darstellte. Sie hatten noch eine Weile zusammengesessen, Urd und Lest hatten sich über verschiedene Dinge unterhalten, Aoi konnte dabei größtenteils nur zuhören. Es war wohl um die Situation in Europa gegangen. So wie es klang, schienen die Vampire dort wirklich alles sicher in ihrem Griff zu haben. „Ich lege mich ein wenig hin“, damit verließ Lest Karr den Raum. Urd neben ihr studierte einige Papiere: „Du kannst dich gerne auch hinlegen, wenn du willst. Ich möchte gerne noch auf Ky Luc warten, bevor wir irgendetwas unternehmen, ich möchte seine Meinung dazu hören. Eventuell werden wir auch noch einmal Rücksprache mit dem Rest des hohen Rates halten. Dann können wir dich auch gleich offiziell vorstellen. Zwei Sachen in einem erledigt. Die anderen haben auch ein Recht darauf zu erfahren, was hier vor sich geht.“ Er wollte sie… „Du willst mich denen vorstellen?“, fragte sie. Sie hatte mit viel gerechnet, aber das sie jemals diesen hohen Rat zu Gesicht bekommen würde, damit nicht. Urd schaute an seinen Papieren vorbei, direkt zu ihr: „Natürlich. Du bist eine Urahnin siebten Ranges und irgendwann wirst du die entsprechende Verantwortung übernehmen. Bis dahin wird es noch etwas dauern, aber irgendwann muss der hohe Rat von dieser Verwandlung erfahren, je eher, desto besser. Ich bin das Oberhaupt des Rates, ich muss mich vor allen anderen an die Regeln halten.“ Zumindest hatte er Verantwortungsbewusstsein. Er war keiner dieser Anführer, die der Meinung waren, das die Regeln nur für die Untergebenen zählten und für ihn selbst nicht. „Uh…wenn es sein muss…“, sagte sie schließlich. Urd nickte zufrieden und ließ seine Unterlagen in einem weißen Umschlag verschwinden: „Scheint alles soweit in Ordnung zu sein.“ Er legte den Umschlag auf dem Tisch ab und ging zu einem der Schränke. Er öffnete eine Schublade und holte eine quadratische Pappschachtel heraus. Er öffnete sie und darin befand sich eine schwarze, runde Platte. Er begutachtete sie von allen Seiten: „Die scheint wirklich noch funktionstüchtig zu sein. Das ist fast schon ein Wunder.“ Aoi runzelte die Stirn: „Was ist das?“ Urd sah davon auf: „Das kennst du wohl nicht mehr? Eine Schallplatte ist das. Bevor Kassetten und CDs erfunden wurden, waren Schallplatten eine gängige Methode, Musik auf zu zeichnen und abzuspielen. Erinnerst du dich an das Einkaufszentrum, wo wir uns begegnet sind? Ich habe sie dort gefunden. Ich ging davon aus, dass sie niemand vermissen wird, also habe ich sie mitgenommen. Es wäre eine Schande für die Kunst gewesen, sie da verrotten zu lassen. Allerdings ist die Schrift schon so verblasst, dass ich nicht weiß was drauf ist. Bisher hatte ich noch nicht wirklich die Zeit, es auszuprobieren.“ „Da ist Musik drauf? Ist das nicht etwas unpraktisch? Worauf spielt man das ab?“, fragte Aoi. Urd Geales schien wirklich auf Musik zu stehen, nicht nur auf Ballett. „Auf einem Grammophon spielt man die ab. Beides gibt es heute nicht mehr so oft zu finden. Aus heutiger Sicht ist es vielleicht auch unpraktisch, aber damals war es eine Revolution“, er ging zu einem Holzkasten, der auf einer der Kommoden stand und legte die Platte hinein. Er führte die Nadel auf die Platte. Wenige Sekunden später gab der Kasten eine ruhige Klaviermusik von sich. Urd schloss entspannt seine Augen: „Ja…das ist ein schöner Walzer. Den habe ich noch nicht auf Schallplatte.“ Beruhigend war diese Musik wirklich. Urd öffnete seine Augen wieder: „Sag, Aoi. Kannst du tanzen?“… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)