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Decision

von

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Durst

Es war kalt. Aber gleichzeitig brannte es. Es brannte in ihrem Hals, ihrer trockenen, heißen Kehle…
 

Sie lag auf etwas weichem, ihr Körper fühlte sich leicht an. Sie hörte verschiedene Geräusche, Stimmen, das rascheln von Stoff. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen, die Decke über ihr war weiß, mit goldenen Ornamenten verziert. Was war passiert? Wo war sie? Sie brauchte einen Moment um ihre Gedanken zu sortieren. Dann fiel es ihr wieder ein, alle Erinnerungen schossen mit einem mal zurück in ihren Kopf. Sie war tödlich verwundet worden, fast gestorben. Dann hatte sie das Blut getrunken, das Blut von Urd Geales. Sie hatte Vampirblut getrunken. Das heißt, sie war…Sie fuhr hoch. Doch ein brennen in ihrem Hals hielt sie zurück. Durst, sie hatte Durst. So unbeschreiblichen Durst hatte sie noch nie gespürt. War das… „Aoi“, es war Urds Stimme, sie hörte sie so klar wie noch nie zuvor. Ihre Augen suchten ihn, er saß auf der Bettkante. „Erinnerst du dich?“, fragte er leise. Sie nickte: „Ja. Ich trank dein Blut. Bin ich…“ Urd schwieg kurz: „Ja, die Umwandlung hat ohne Probleme funktioniert. Du hast sicher Durst, also nimm das.“ Er holte eine Phiole aus seiner Tasche, gefüllt mit einer roten Flüssigkeit. Blut, ganz eindeutig. „Mach dir keine Gedanken, das ist mein Blut. Vorrübergehend kann es deinen Durst etwas stillen, aber seine Wirkung wird mit der Zeit schwächer, irgendwann hat man keine Wahl mehr, man muss Menschenblut trinken. Normalerweise tue ich das ja nicht, aber jetzt will ich mal eine Ausnahme machen. Nimm dir Zeit, um dir darüber klar zu werden, was du eigentlich willst. Wenn du bereit bist, dann komm in den Salon.“, Urd erhob sich von der Bettkante und verließ den Raum. Er ließ sie allein. Die Phiole hatte er auf der Bettdecke abgelegt. Aoi nahm sie in ihre Hand, ihr Hals begann erneut auf sich aufmerksam zu machen. Es war kein Menschenblut, sie musste sich keine Sorgen machen. Urd war ihr auf diese Weise entgegen. Er wusste genau, dass für sie alles in der Schwebe hing. Sie schraubte den Deckel ab, der Geruch von Blut stieg ihr in die Nase. Ein ausgesprochen verführerischer Geruch, was dafür sorgte, das ihr Durst nur noch mehr stieg. Egal wie sehr sie ab diesem Zeitpunkt noch dagegen war, Blut zu trinken, sie konnte sich nicht mehr wiedersetzen. Ihr Körper handelte wie automatisch, als sie die Phiole an ihre Lippen setzte. Als der erste Tropfen ihre Zunge berührte war es endgültig um all ihre Beherrschung geschehen. Ein eigentümlicher Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Etwas bitter, aber auch irgendwie süßlich, ihr fiel nichts aus ihrem Leben ein, was so ähnlich schmeckte. Es schien absolut einzigartig. Viel zu schnell war die Phiole ganz leer. Besser, viel besser. Das Brennen war fast verschwunden. Dennoch blieb ein leises Verlangen in ihr zurück, wahrscheinlich war die Wirkung von Vampirblut begrenzt und nur richtiges Menschenblut konnte ihren Durst komplett stillen. Urd hatte jedenfalls gesagt, dass sein Blut irgendwann überhaupt keine Wirkung mehr hatte. Frage bloß wie lange würde sein Blut genügen? Gut, wahrscheinlich würde er ihr keines mehr geben, er hatte ja gesagt das wäre eine Ausnahme gewesen. Von jetzt an würde ihr wohl nur noch menschliches Blut gegeben werden. Egal wie sehr sie sich darüber ärgerte, sie musste damit klar kommen. Sie würde sich nicht in einer Ecke verstecken und heulen. Schließlich hatte sie die Entscheidung selber getroffen. Es musste vorwärts gehen und ihre neu gewonnene Kraft würde Kureto vielleicht auch von Nutzen sein. Langsam ließ sie ihre Füße auf den Boden sinken. Sie erhob sich, ihr blondes Haar fiel ihr ins Gesicht. Sie hatten ihren Zopf wohl gelöst. Sie trug wieder das weiße Nachthemd, ihre Uniform war bestimmt komplett im Eimer. Es brannte kein Licht in dem Raum, sie war sich sicher, als Mensch hätte sie hier bestimmt so gut wie gar nichts gesehen. Nur von draußen schimmerte das matte Licht der Straßenlaternen durch ihr Fenster. Sie ging ins Bad, auch hier konnte sie alles sehen, ohne Probleme. Na gut, es hatte auch ein paar Vorteile, Vampir zu sein. Das musste sie zugeben. Sie warf einen Blick in den Spiegel, sie hatte sich äußerlich noch nicht erkennbar verändert. Ihre Augen waren nach wie vor violett, ihre Ohren noch rund, aber sobald sie Menschenblut zu sich nahm würde sich das ändern. Dann würde sie für immer eine 23-jährige Frau bleiben. Sie würde nie mehr altern, sie würde auch nie sterben. Zumindest solange man sie nicht tötete. Eine seltsame Vorstellung. Lediglich ein Detail an ihr verriet ihre wahre Natur. Sie öffnete ihren Mund, nun konnte sie sie auch sehen. Die Fangzähne, die natürliche Waffe eines Vampirs. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer Zunge über sie. Sie waren scharf, eine kleine Wunde bildete sich auf ihrer Zunge, aber die verheilte sofort wieder, als wäre nichts passiert. Konnte sie Kureto je wieder unter die Augen treten, mit diesem Körper? Was würde er tun, wenn er sie so sah? Sie töten? Es ignorieren? Es akzeptieren? Kureto wollte alle Vampire vernichten, dass wusste sie. Sie schüttelte den Kopf, sie hatte sich entschieden weiterzuleben. Es wäre natürlich einfach gewesen zu sagen, sie würde lieber sterben. Aber wann war das Leben schon leicht? Erst recht in diesen Zeiten. Sie musste einfach weiter vorwärtsgehen, wie Kureto immer sagte. Sie würde sich von ihrem Vampirkörper nicht aufhalten lassen. Sie verließ das Bad, da konnte sie Chijiryu auf dem Tisch liegen sehen. Sie hob ihre Waffe auf und holte ihn aus seiner Hülle: „Ch-Chijiryu?“ Keine Antwort. „Chijiryu! Hörst du mich?“, rief sie, wieder keine Antwort. Natürlich, ihr hätte es klar sein müssen, als Vampir konnte sie ihre Dämonenwaffe nicht mehr benutzen. Sie hatte schon fast damit gerechnet, aber das sie sich nicht noch mal von ihm hatte verabschieden können, das tat dann doch etwas weh. Zwar hatte er sie das ein oder andere Mal ziemlich genervt, aber irgendwie war er doch ein Teil von ihr gewesen. „Verzeih mir, Chijiryu. Aber du findest bestimmt bald jemanden, der besser ist als ich, da unser Vertrag nun gebrochen ist.“
 

Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. War das Urd? Sollte sie nicht in den Salon kommen? Es war Lest Karr, er hielt einen großen, länglichen Koffer in seiner rechten Hand und einen schwarzen Ring in seiner linken. Ein UV-Schutzring, so viel wusste sie schon. Das hatte sie ja komplett vergessen, ab jetzt musste sie ein wenig aufpassen, was die Sonne betraf. Was da passieren konnte, das hatte man ihr bereits eindrucksvoll zur Schau gestellt. Zumindest hatte Lest Karr daran gedacht. „Guten Morgen, Ausgeschlafen?“, fragte er gut gelaunt. Ungewöhnlich, bisher hatte sie Lest Karr immer als etwas mürrisch und ungeduldig wahrgenommen. Er legte den Koffer auf dem Bett ab. Anschließend drehte er sich zu ihr um: „Nun, es ist ziemlich viel auf einmal passiert und es kam alles etwas plötzlich, aber…trotzdem willkommen.“ „Ich finde, so überrascht wirkst du jetzt nicht“, bemerkte sie. „Na ja, nicht wirklich. Weißt du, Meister Geales hat schon ein paar Mal durchschimmern lassen, das er dich interessant findet. Er hätte dir nie so viel seiner Zeit gewidmet, wenn er kein Potential gesehen hätte. Er kann so etwas recht gut einschätzen, darauf kann man sich verlassen“, antwortete er ihr und hielt den Ring hoch, „Vergiss das hier nicht. Weißt du was es damit auf sich hat? Einfach am Körper anbringen, er aktiviert sich von allein.“ Aoi nahm den dunklen, kalten Ring in ihre Hand: „Ja, ich habe schon gesehen wozu das da ist.“ Er passte genau um ihren Oberarm. Sie kämpfte mit ihrer rechten Hand, somit war es besser, ihn am linken Arm anzubringen. „Wir wollen ja nicht, das du sofort gegrillt wirst, oder?“, dann wanderte sein Blick wieder zu dem schwarzen Koffer, „Wo wir gerade bei Ausrüstung sind. Das wirst du brauchen. Sieh es als kleines Willkommensgeschenk von mir.“ Er setzte sich auf das Bett und schaute sie erwartungsvoll an. Sie trat näher, was da wohl drin war? Sie öffnete die beiden Schnallen, die den Koffer verschlossen und hob den Deckel an. Das innere war mit edlem, rotem Samt ausgekleidet und in dem Stoff lag ein Schwert. Eine Waffe, die Chijiryu tatsächlich ähnlich sah, wenn sie auch nicht identisch war. „Tja, das ist eine Sonderanfertigung. Ich musste meinen Einfluss etwas spielen lassen, aber ich habe sie noch rechtzeitig ranbekommen. Da es nicht die übliche Art von Waffe ist, die wir benutzen, standen unsere Leute vor einer Herausforderung, aber ich denke wir haben es ganz gut hinbekommen. Pass also gut auf sie auf, eine Vampirwaffe erster Klasse bekommt man nicht alle Tage“, Lest Karr sprang wieder von dem Bett. Aoi hob die Waffe an, sie war wie eine Feder in ihrer Hand. Anscheinend hatte sie durch ihre Verwandlung wirklich an Körperkraft gewonnen, aber das war schon zu erwarten gewesen. Sie war nicht mehr an die Limitierungen gebunden, die sie als Mensch hatte. Sie sollte besser schnell damit klar kommen, bevor sie noch jemanden verletzte, ohne es zu wollen. „Also, wie fühlst du dich?“, fragte er. Aoi musste kurz überlegen, sie stützte ihr Kinn mit ihrem Handgelenk. „Ich…um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht so genau“, sagte sie schließlich, denn sie wusste es tatsächlich nicht. Lest Karr legte seinen Kopf etwas schräg: „Hmhmm…Keine Sorge, irgendwann gewöhnt man sich an all das. Aller Anfang ist bekanntlich schwer, doch du hast das Blut von Urd Geales bekommen. Er ist ein Urahn zweiten Ranges, also hast du bereits von Anfang an eine größere Macht als viele andere Vampire. Du bist nun ein adeliger Vampir, vergiss das nicht!“ Stimmt, sie hatte einmal gelesen, das die Stärke eines Vampirs von zwei Faktoren maßgeblich beeinflusst wird: Zum einen dem eigenen Alter. Je älter ein Vampir wurde, umso mehr stieg seine Kraft an. Der zweite Faktor jedoch waren die Fähigkeiten des eignen Schöpfers. „Gut, bis später“, Lest wandte sich zum Gehen um. „Lest Karr“, sagte sie schließlich, „Danke.“ „Hm? Oh, klar doch. Übrigens, deine Kleidung war zu stark beschädigt, auch Ana hat sie nicht reparieren können. Im Schrank findest du eine neue Uniform. Deine alte wirst du jetzt vermutlich ohnehin nicht mehr brauchen.“, damit war sie wieder allein.
 

Zunächst nahm sie den Koffer und stellte ihn auf dem Tisch ab, Chijiryu passte perfekt hinein. So konnte sie ihn transportieren, sie sollte ihn Kureto zurückgeben. Anschließend setzte sie sich wieder auf das Bett und nahm ihre neue Waffe genauer in Augenschein. Die Klinge war nicht mehr schwarz, sondern silbern. Sie fuhr mit ihrem Finger über die Klinge, sie war scharf, aber auch diese kleine Schnittwunde war sofort wieder geheilt. Lest hatte gesagt, dass es eine Waffe erster Klasse war, das hieß auch sie musste einen Mechanismus haben, mit dem sie das Blut ihres Trägers in sich aufnehmen und an Stärke gewinnen konnte. Sie hatte es bereits ein paar Mal bei Urd gesehen, aber vielleicht funktionierte es bei ihr ja anders. Sie hoffte es fast, bei Urd hatte es ziemlich schmerzhaft ausgesehen. Daran musste sie sich wohl gewöhnen, Lest hatte sich die Mühe gemacht, ihr eine so wertvolle Waffe zu beschaffen. So wie er es beschrieben hatte musste er dafür seinen Rang voll ausnutzen. Er schien auch fest davon auszugehen, dass Aoi nun ein Teil ihrer Truppen werden würde. Egal, was sie in ihrem inneren dachte und fühlte, die Vampire glaubten jetzt, sie wäre eine von ihnen. Somit würden sie zweifellos verlangen, dass sie sich ihren Regeln unterwarf. Urd hatte nur sehr oberflächlich durchschimmern lassen, wie umfangreich die Gesetze hier waren. Der Seraph of the End schien für sie jedenfalls ein absolutes Tabu zu sein. Wenn sie es ganz genau nahmen, dann hätte Aoi sich bereits schuldig gemacht. Aber was zählte die menschliche Zeit bei Vampiren? Ob die Sonnenfolter bereits die schlimmste Strafe für einen Vampir war? Oder gab es noch etwas anderes? Urd würde es ihr wahrscheinlich bald mitteilen. Er sagte sie solle sich darüber im Klaren werden, was sie eigentlich wollte. Nur wusste sie das selber nicht. Am liebsten würde sie Kureto nach seiner Meinung fragen, aber das war im Moment nur schwer möglich. Aber hier noch länger rumzusitzen würde ihr auch nicht weiterhelfen. Sie würde noch einmal mit Urd sprechen. Allerdings nicht im Nachthemd. Da ihre Uniform nun leider tot war, musste sie sich wohl oder übel bei den Vampiren bedienen. Im Schrank, hatte Lest Karr gesagt. Natürlich war es die Standarduniform der russischen Vampire. Allerdings in Variation, entweder Hose oder Rock. Besser als weiter im Nachthemd rumzulaufen war es allemal.
 

Der Stoff war warm. Vermutlich hatten die Vampire ihre Uniform an ihre Heimat angepasst, in Russland war es vermutlich um einiges kälter als hier in Japan. Zu stören schien sie das eher weniger, da sie ihre Uniform trotzdem weiter trugen, trotz des veränderten Klimas. Sie schwitzen zwar nie, aber warm musste es doch trotzdem werden. Oder hatten sie etwa nichts anderes zum Anziehen? Ihr war noch nie unter die Augen gekommen, das Vampire etwas anderes trugen als ihre Uniform, den Adel mal ausgenommen. Oder war es schlicht und einfach nur die Dienstvorschrift? Das war schließlich auch bei der Dämonenarmee nicht anders, zum Dienst hatte man in Uniform zu erscheinen, egal wie das Wetter draußen war. Das war es wohl. Warum hatten sie nur so viel gemeinsam? In einer separaten Schublade fand sie auch Unterwäsche und einige BHs n unterschiedlichen Größen. Da Aoi an den Rock gewöhnt war fiel ihre Wahl darauf, passte wie angegossen. Lediglich bei der Schleife hatte sie einige Probleme, sie hatte noch nie so eine umgebunden. Nach einigen Versuchen sah es zwar halbwegs passabel aus, aber vermutlich noch nicht so wie es seien sollte. Sie würde sich jetzt wohl richtig blamieren, aber was sollte sie tun? Einfach weglassen? Ob die das tolerierten? Die japanische, kaiserliche Dämonenarmee erlaubte dass einige Knöpfe geöffnet blieben. Die Schleifen allerdings…sollten lieber um bleiben, da sie auch den Rang markierten. Bei Mitsuba war es ebenfalls so. Verdammt, Mitsuba. Jetzt dachte sie doch noch an sie. „Ha Ha, schau nur, Mitsuba. Schau deine große, dumme Schwester an. Erst verrätst du die Armee und jetzt bin ich eine von ihnen. Wir haben wohl beide als Sangus versagt“, sagte sie mehr zu sich selbst. Das hatte sich wohl erledigt. Dennoch…sie musste trotzdem weiter vorwärts gehen. Sie ging wieder zu dem Bett und nahm ihr neues Schwert, daran würde sie sich erst einmal gewöhnen müssen. Sie hatte so lange mit Chijiryu gekämpft und konnte recht gut mit ihrem Dämon umgehen. Jetzt war wieder lernen angesagt, Urd musste ihr die versteckten Funktionen dieser Waffe erläutern, sie musste die schnell verinnerlichen. Sie brachte es an ihrer Hüfte an, das Gewicht spürte sie praktisch gar nicht. Ihr Blick fiel auf den Boden neben ihr Bett. Ihre Schuhe! Das waren ihre Schuhe. Zumindest sie schienen dem Ruin entkommen zu sein. Sie fuhr in sie, es war wie ein Stück Heimat in der Fremde zu haben. Auf dem Nachttisch lag auch ihr Haarband. Jetzt war sie wieder einigermaßen einsatzbereit.
 

Natürlich fand sie den Salon nicht allein, wie hatte es auch anders sein sollen? Sie kannte sich in Sanguinem wirklich null aus. Nach wenigen Minuten musste sie sich selbst eingestehen, dass sie sich hoffnungslos verlaufen hatte. Den Weg zum Eingang hatte sie als Mensch noch finden können, aber alles andere war wohl etwas schwieriger. Sie seufzte laut. „Alles in Ordnung? Kann man Euch helfen?“, ertönte eine ruhige Stimme hinter ihr. Aoi fuhr herum, da war sie schon ein Vampir und trotzdem wurde sie noch von hinten überrascht. Sollten ihre Sinne nun nicht eher ausschlagen? Da war sie wohl zu abgelenkt gewesen. Anscheinend musste sie diese Vampirsinne noch trainieren, wenn sie sich in Zukunft darauf verlassen wollte. Eine blonde Vampirin stand hinter ihr. Sie trug ein weißes, langes Kleid mit einem Schlitz, der für Aois Geschmack etwas zu tiefe Einblicke bot. Ihre Locken fielen ihr leicht über die Schulter und für eine Vampirin hatte sie einen ungewöhnlich sanften Blick. Er hatte fast etwas mütterliches, allein ihre roten Augen zerstörten das Bild etwas. „Ähm, ich glaube, ich finde den richtigen Weg nicht“, sagte Aoi, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Oh!“, sie setzte ein erstauntes Gesicht auf, „Ich verstehe, Ihr seid die Tochter von Meister Urd Geales. Ich bin Horn Skuld, eine Urahnin 17. Ranges. Fühlt Euch wie zu Hause bei uns.“ Man konnte ihr das Lächeln sogar abkaufen, so echt wie es wirkte. Doch bei ihrem Namen klingelte es. Sie war eine der bekannten Urahnen, das hieß, sie gehörte nicht zu Urd Geales Truppen, sondern zu den japanischen Vampiren. Sie war auch eine derjenigen, die von Gurens Truppen in Nagoya hätte vernichtet werden sollen. Sie wusste inzwischen, dass Gurens Trupp seine Mission nur teilweise hat erfüllen können. Sie war also eine der überlebenden. Besser, sie sagte ihr nichts davon. Aber es war schon komisch, die Vampire, die sie vorher ignoriert oder mit gewissem Missfallen begegnet waren, schienen sie nun wahrzunehmen. So etwas war also innerhalb weniger Stunden möglich. „Meister Geales ist im Salon, die Treppe da nach oben und dann immer geradeaus, am Ende des Ganges“, Horn wies in die entsprechende Richtung. „Dank-“, setzte Aoi an, sie konnte ihren Satz jedoch nicht beenden. „Horn!“, eine laute Stimme erreichte ihr Ohr. Wenig später kam eine weitere Vampirin um die Ecke. Sie war um einiges kleiner als Horn, ihre violetten Haare waren kurz geschnitten. Ihre Augen sprühten nur so vor Energie, hibbelig hüpfte sie von einem Bein aufs andere, wobei sich ihr kurzes, weißes Kleid immer wieder bedrohlich hob. Was war denn mit der los? War sie von irgendwas gestochen geworden? Horn legte einen Finger an ihre Lippen, ihr Gesicht hatte einen tadelnden Ausdruck angenommen: „Chess! Schrei hier nicht so herum! Das gehört sich nicht, wir haben Gäste. Benimm dich wie eine adelige Vampirin.“ Schmollend schob Chess ihre Unterlippe vor: „Ja, ja. Jetzt reg dich nicht schon wieder so auf.“ „Du änderst dich nie, was? Du bist noch genauso wie früher, du machst was du willst“, sagte Horn und stützte ihr Kinn. „Du auch, du bist immer noch eine Spießerin“, grummelte Chess und verschränkte beleidigt ihre Arme. „Du befindest dich in der Gegenwart einer Urahnin 7. Ranges, benimm dich etwas“, Horn packte Chess am Arm und zog sie weg, wobei letztere heftig zu zetern anfing. Etwas überrumpelt schaute Aoi dem ungleichen Paar hinterher. Was war das denn gewesen? Diese beiden waren wie Tag und Nacht, aber irgendwie schienen sie doch zusammenzugehören. Im Gespräch hatte Aoi den Eindruck gewonnen, das die beiden sich schon länger kannten. Damit war auch klar, wie die beiden sich gegen die Soldaten der Dämonenarmee behaupten konnten, sie hatten gemeinsam gekämpft. Sie hatten die Adeligen wohl gewaltig unterschätzt, vor allem in ihren sozialen Kompetenzen. Das war Gurens Leuten zum Verhängnis geworden. Sie ging in die Richtung, die Horn ihr gewiesen hatte. Über diese beiden seltsamen Adeligen konnte sie später noch nachdenken. Bald schon fand sie die richtige Tür. Sie holte noch einmal tief Luft, dann klopfte sie…



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