Decision von MoonLestrange ================================================================================ Kapitel 7: Gefühle ------------------ Erstaunt drehten sich Urd Geales und Lest Karr zu ihr um. „Ach, auf einmal? Willst du etwa deine kleinen Freunde warnen?“, sagte Lest Karr. War ja klar, dass sie ihr noch nicht über den Weg trauten. Aber vielleicht konnte Aoi sie dennoch davon überzeugen, sie nicht hier zu lassen. Von hier aus standen ihre Chancen eher schlecht, irgendetwas zu bewirken. Urd schien kurz nachzudenken, schließlich sagte er: „Na gut, meinetwegen kannst du mitkommen. Aber du bleibst in meiner Nähe, Du wirst dich keinen Meter von mir entfernen. Bereite dich darauf vor, längere Zeit unterwegs zu sein. Deinen Proviant musst du dir selbst zusammenpacken, dafür übernehme ich keine Verantwortung. Ana wird dir alles geben, was du dafür brauchst. Wende dich an sie.“ Aoi tat, was Urd ihr gesagt hatte und wandte sich an Ana. Mit ihrer Hilfe hatte sie schnell die Sachen zusammen, die sie für ihren kleinen Ausflug brauchte. Aber Ana war nun bei weitem nicht mehr so aufgeschlossen wie noch bei ihrem ersten Gespräch. Sie erledigte ihre Arbeit eher mechanisch. Ohne Boshaftigkeit, aber auch ohne Sympathien. Hatte Aoi sie jetzt verschreckt? Nach dem Vortrag, den sie ihr gehalten hatte, war es nicht verwunderlich, dass die Vampirin jetzt nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Nachdem sie alles hatte, sorang sie noch mal unter die Dusche und ging sie zurück in den Salon und nahm noch einmal eine warme Mahlzeit zu sich, in den nächsten Stunden brauchte sie all ihre Energie. Da hatten die Vampire mit ihren unerschöpfbaren Körpern einen deutlichen Vorteil, um so was wie Schlaf mussten sie sich nicht kümmern. Sie streckte sich einmal und lehnte sich dann in dem Sofa zurück. Sie überlegte, ob sie sich noch einmal schlafen legen sollte. Den Blutverlust hatte sie zwar gut auskuriert, aber sie wusste nicht, wann die nächste Gelegenheit kommen würde. Aber dann würde sie vielleicht den Aufbruch verpassen und die Vampire würden bestimmt nicht warten bis sie aus dem Bett kam und sich angezogen hatte. Dann öffnete sich hinter ihr die Tür und Urd trat ein. „Ich hole uns etwas Blut, Meister Geales“, es war Lest Karrs Stimme, er drehte wieder um und ging. Offenbar wollten auch sie ihre Kräfte sammeln, schließlich war auch ihnen bewusst dass sie auf starken Wiederstand treffen würden. Die Soldaten der kaiserlichen, japanischen Dämonenarmee würden bis zum letzten Mann kämpfen, da war Aoi sich sicher. Urd ging hinter sie und lehnte sich auf Rückenlehne des Sofas. „Was haben die beiden Vampire eigentlich getan, um eine solche Bestrafung zu verdienen? Ich habe zwar von euren Gesetzmäßigkeiten keine Ahnung, aber ich habe durchaus mitbekommen, dass das eine ziemlich harte Strafe ist“, fragte Aoi, was sie schon einige Zeit beschäftigte. Urd hatte sie Verräter genannt, aber das konnte doch noch nicht alles sein. „Krul Tepes und Ferid Bathory?“, Urd schaute sie direkt an, „Sie haben sich bei den Experimenten an dem Seraph of the End beteiligt. Sie haben die Leute, die der hohe Rat ihrer Obhut überlassen hat, für ihre eigenen Zwecke missbraucht und ihre Aufgabe, für die sie hier waren nicht erfüllt. Mit ihrer Aktion haben sie das Leben unseres Volkes hier in Japan bedroht. Kurz gesagt: sie haben Hochverrat begangen.“ „Verstehe…“, sagte Aoi leise. Aus der Sicht von Urd machte das alles Sinn. Dadurch, dass Sanguinem gefallen war, hatten die Vampire ihre Hauptnahrungsquelle verloren und saßen auf dem Trockenen. Logisch, dass sie diesen Ort als erstes zurückholen wollten, um ihre Grundversorgung wiederherzustellen. „Sitzen die beiden denn nicht in eurem Rat?“, fragte Aoi. „Krul sitzt im hohen Rat. Ferid nicht, zum Glück. Das hätte uns noch gefehlt, wenn ein notorischer Unruhestifter dort was zu sagen hätte. Nein, Nein. Nur Urahnen bis zum 6. Rang sind zu den Sitzungen des hohen Rates zugelassen. Alles ab Rang sieben muss draußen bleiben, es sei denn es ist etwas passiert, worüber ein Vampir mit niedrigerem Rang berichten muss. Dann dürfen auch sie ausnahmsweise kurz teilnehmen.“ Dort sitzen also nur die ältesten der ältesten…und die stärksten. „Dann gehört Ky Luc also auch dazu?“, er hatte gesagt er wäre ein Urahn 5. Ranges. Urd beugte sich weiter nach vorn: „Ja. Lest Karr auch, er ist ein Urahn dritten Ranges. Auch wenn er nicht so aussieht.“ Sie hatte sich schon gedacht, dass der kleine Knirps mehr in sich hatte als sein Aussehen vermuten ließ. Wenn auch er mal ein Mensch war, dann musste er bei seiner Verwandlung noch sehr jung gewesen sein. Er war also quasi schon damit aufgewachsen, ein Vampir zu sein. Wie es wohl dazu gekommen war? Das würde er ihr bestimmt nicht so ohne weiteres sagen. Jetzt war sein erwachsener Geist im Körper eines Kindes gefangen. Ob er sich manchmal wünschte, erwachsen zu sein oder war es ihm einfach egal? „Was willst du eigentlich in Sanguinem, Aoi? Ich glaube kaum, dass du wirklich mitkommst, um uns zu helfen“, sie hätte ja damit rechnen müssen, dass er diese Frage stellte. Momentan wollte sie eigentlich erst mal die Schritte der Vampire überwachen, dann würde sie entscheiden, was sie tun würde: „Ich werde euch keinen Ärger machen. Aber…ich will auch nicht hier rumsitzen. Ky Luc hat sowieso zu tun und…“ „Schon gut. Aber du machst keine falsche Bewegung. Babysitten kann ich dich aber nicht. Ich hoffe, im Ernstfall weißt du, wie du mit deinem Schwert umgehen sollst“, sein Blick fiel auf Chijiryu. Aoi drehte beleidigt den Kopf weg: „Natürlich weiß ich das. Ich bin Soldatin, kein hilfloses Weibchen.“ „Sehr gut, ich habe nichts anderes von dir erwartet. Ich verlasse mich darauf, wenn wir erst mal da sind, kann keiner wissen was uns erwartet, im schlimmsten Fall mischen sich apokalyptische Reiter ein. Ich glaube kaum, dass dich deine Kameraden angreifen werden“, Urd klang zuversichtlich, aber Aoi war sich da nicht so sicher. Die Armee könnte sie für eine Verräterin halten. „Ich mag es sowieso lieber wenn Leute auf sich selber aufpassen können. Ich halte dich nicht für schwach, Aoi“, fügte er noch hinzu. „I-Ist das so?“, Aoi errötete etwas. Egal, aus welcher Zeit er stammte, das Weltbild, dass Frauen nichts auf dem Schlachtfeld verloren hätten schien er abgelegt zu haben. Urd beugte sich noch weiter nach vorn und seine Lippen berührten fast ihr Ohr: „Du hast es geschafft, das ein Dämon dir gehorcht. Zumindest mental scheint alles in Ordnung zu sein. Außerdem bist du auch ganz allein in den Ruinen unterwegs gewesen und hast überlebt.“ Also schienen Vampire ja doch irgendwie eine Ahnung davon zu haben, wie Dämonenwaffen funktionierten. Vielleicht war Urd aber auch besser informiert, was dieses Thema anbelangt. Urds kühler Atem traf sie am Ohr, ein leichtes kribbeln lief ihren Rücken hinab. Wusste er, was er da gerade tat? Wahrscheinlich eher nicht, aber wer wusste schon was sich ein tausende Jahre alter Vampir denkt? Aus den Augenwinkeln konnte Aoi sehen, wie Urd seinen Mund öffnete. Was hatte er vor? Wollte er sie etwa beißen? Doch er machte sich nicht an ihrem Hals zu schaffen, einer seiner Fangzähne kratzte an ihrem linken Ohrläppchen, aber es reichte trotzdem um ihre Haut zu verletzen. Es tat nicht wirklich weh, dennoch spürte Aoi wie ein Bluttropfen ihr Ohr hinablief.“ Was machst-“, rief sie, doch Urd legte ihr einen Finger an die Lippen. Er leckte den Tropfen ab und saugte dann vorsichtig an der kleinen Wunde. Aoi lief knallrot an, das machte er doch nicht zu nahrungszwecken, oder? War es das, was ein Vampir unter der Bezeichnung naschen verstand? Na toll, jetzt war sie doch ein Vampirsnack geworden. Lest Karr stand an der angelehnten Tür und schaute durch den Spalt. Er hätte fast die Glaskaraffe mit dem wertvollen, roten Inhalt fallen lassen, als er Urd Geales dabei beobachtete, wie er dem Menschenmädchen Blut aus dem Ohr abnahm. Lest fragte sich langsam, was sein Meister wirklich mit ihr vorhatte. Er würde sie nicht so behandeln, wenn sie für ihn nur einfaches Nutzvieh wäre, oder? So verführerisch fand er ihren Geruch nun auch wieder nicht, aber Meister Geales schien es sich ja schmecken zu lassen. Er murmelte leise: „Meister Geales, was macht Ihr da eigentlich?“ Beschämt saß Aoi neben Urd auf dem Sofa und hielt eine warme Teetasse in der Hand. Lest Karr hatte sie mitgebracht, zusammen mit einer Karaffe Blut für ihn und Urd. Und ein Pflaster für ihr Ohr. „Wie weit sind wir, Lest Karr?“, fragte Urd und schaute in sein Glas. Lest schluckte sein Blut und antwortete ihm: „Wir laden gerade noch die letzten Kisten ein und tanken die Helikopter voll, dann kann es losgehen.“ „Ausgezeichnet. Wir sollten schnell agieren, je später uns die Menschen bemerken, umso besser. Noch hat sich keiner hier blicken lassen“, Urd setzte sein Glas an und trank es in einem Zug aus. Lest Karr ließ sich weiter in die Kissen plumpsen und schlug seine Beine übereinander: „Wie sollen wir vorgehen? Habt Ihr schon einen Plan?“ Urd stellte das Glas auf den Tisch und stützte sein Kinn auf seine Hand: „Ich habe eine Idee, wie wir es angehen können. Die japanischen Vampire kennen die Straßen und versteckten Wege Sanguinems besser als wir, von daher gehen sie voran. Es ist noch nicht lange her, seit die Menschen die Stadt besetzt haben, von daher können sie noch nicht alle Winkel und Wege von Sanguinem entdeckt haben. Nutzen wir das unwegsame Gelände zu unserem Vorteil. Es ist eng und dunkel da unten, im direkten Zweikampf haben Menschen es schwer, deswegen kämpfen sie immer in Gruppen. In den schmalen Gängen jedoch können sie ihre Formation schlechter aufstellen und halten. Sie werden sich nur gegenseitig behindern. Die Häuser sind ein guter Schutz vor Angriffen aus erhöhten Positionen. Wir werden sie in der Stadt einkesseln, ihre Funkverbindung unterbrechen und gleichzeitig aufpassen, das uns keine ihrer Einheiten in den Rücken fällt.“ Aoi biss sich auf die Lippen. Das war keine übliche Vampirstrategie. Sie hatte eher die Erfahrung gemacht, dass Vampire sich in ihrer Überheblichkeit, den Menschen überlegen zu sein, keine großen Gedanken über Taktiken machten. Dieser Plan hätte auch von Kureto stammen können. Entweder war Urd clever oder die Tatsache, dass die Hauptstadt der Vampire erobert worden war, hatte ihn zur Vorsicht angehalten. Aber es war der Beweis dafür, dass Vampire durchaus in der Lage waren komplexe Strategien auszuarbeiten. Sie konnte ihre Gedanken jedoch nicht zu Ende führen, denn es klopft an der Tür und eine Vampirin mit hellbraunem Haar trat ein: „Vse gotovo, master Geales.“ „My idem“, antwortete er ihr. Aoi verstand natürlich kein Wort von dem, was gesprochen wurde. Doch Lest Karr erhob sich und ging zur Tür. War es soweit? Waren die Vorbereitungen für die Rückeroberung Sanguinems abgeschlossen? Urd stand auf und zog sich seinen Mantel über. Anschließend drehte er sich zu ihr: „Wir sind bereit. Komm, die Helikopter warten. Ich hoffe, du hast alles was du brauchst. Wir haben einen straffen Zeitplan.“ Aoi nahm ihre Tasche vom Sofa und schulterte sie: „Ja, alles da.“ Sie hatte sich für etwas über eine Woche eingedeckt. Sicher war sicher. „Gut, dann los“, er wandte sich schon zum Gehen um, als Aoi ihn noch mal festhielt. „Warte. Warum…vertraust du mir? Ich könnte euch genauso gut jederzeit in den Rücken fallen“, fragte sie ihn. Sie war sich sicher, dass ihm klar war, dass Aoi nicht deswegen mitkam, weil sie helfen wollte. Also, warum? Urd nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände: „Das ist mir alles bewusst. Aber irgendetwas sagt mir, dass du mehr bist, als eine willenlose Empfängerin von Befehlen. Ich kenne mich in eurer Gesellschaft genauso wenig aus, wie ihr in unserer. Aber ich vermute mal, dass irgendeiner die aktuelle Situation genutzt hat, um sich an die Macht zu katapultieren. Ich kenne ihn zwar noch nicht, aber ich kann es mir denken. Bei mir war es auch nicht anders.“ „Was…meinst du damit?“, fragte sie, ihre Anspannung stieg. Ganz Unrecht hatte er ja nicht. Die Hiragis waren durch die Apokalypse an die absolute Macht in Japan gelangt. Ihre Familie, die Sangus, die schon immer den Hiragis gedient hatten, kamen dadurch ebenfalls zu großem Ruhm. Und er? Hatte auch er eine Krise genutzt, um an die Macht über die Vampire zu kommen? Urd ließ ihr Gesicht los: „Das erzähle ich dir später, wenn wir im Helikopter sitzen. Jetzt sollten wir jedoch wirklich los.“ Aoi konnte bereits die Rotorblätter des Helikopters hören, als sie an Deck gingen. Die Sonne war bereits etwas hinter den Horizont gesunken und tauchte die Umgebung in ein orangenes Licht. „Da seid ihr ja. Was habt ihr solange gemacht?“, fragte Lest Karr mit verschränkten Armen. Urd nahm Aoi am Ellenbogen und zog sie Richtung Helikopter: „Entschuldige, jetzt sind wir bereit.“ Aoi musste einen relativ großen Schritt machen und sich an der Tür festhalten, um ins Innere gelangen zu können. Für Urd war es aufgrund seiner Größe einfacher, Lest Karr jedoch musste springen. Aber das war wahrscheinlich kein Problem für ihn. „Bist du schon mal in einem Hubschrauber geflogen, Aoi?“, fragte Urd. „ Ja, aber nicht sehr oft“, antwortete Aoi ihm. Sie schaute sich um. Es war eine Passagierkabine, wenn auch karg, aber auf Komfort kam es wohl bei einem Militärhubschrauber nicht an. Urd und Lest nahmen auf den Bänken Platz. „Dann setz dich neben mich und fass am besten nichts weiter an“, befahl Urd ihr. Aoi atmete tief ein: „Alles klar.“ Sie nahm neben Urd Platz und faltete ihre Hände auf ihrem Schoß. „Gut. My mozhem snyat'“, rief Urd. Vermutlich war das an den Piloten gerichtet gewesen, denn kurz darauf hob der Helikopter spürbar ab... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)