Kill this Killing Man (III) von Kalea (Ein neuer Anfang) ================================================================================ Kapitel 1: Far, far away ------------------------ Fandom: Supernatural Autorin: Kalea Disclaimer: Die Jungs gehören (leider immer noch) nicht mir. Ich habe keinerlei Rechte, an "Supernatural" und verdiene kein Geld damit. Wichtigste Charaktere: Dean und Sam Winchester, hin und wieder oder öfter mal Bobby Singer und Jody Mills Spoiler: Kill this Killing Man I und II Es ist nicht zwingend notwendig den ersten und/oder zweiten Teil der Geschichte gelesen zu haben – würde aber einiges verständlicher machen, denke ich. Hier ist er nun, der dritte und definitiv letzte Teil meiner Trilogie. (Ich wollte schon immer mal eine schreiben ;-)) Wieder wird es viel Auf und Ab im Leben der Jungs geben und ich hoffe, dass es euch gefällt und ihr mir, und den Jungs, die Treue haltet und mir vielleicht auch das eine oder andere Review dalasst. So, genug geredet. Lasst uns loslegen! LG Kalea 001) Far, far away „Der Schneefall wird im Laufe des Tages noch zunehmen und der Wind frischt weiter auf. Es kann zu Schneeverwehungen kommen. Fahrt vorsichtig, alle die ihr da draußen auf den Straßen des Landes unterwegs seid!“, tönte die Stimme aus dem Radio. Dean schnaufte. „Wenn ich noch langsamer krieche, komme ich zur Schneeschmelze in Bloomington an. Wo ist die Klimaerwärmung wenn man sie mal braucht?“ Er grinste schief. „Wahrscheinlich steckte die auch im Schneetreiben fest!“ Etwas wehmütig schaute er zum Beifahrersitz, auf dem normalerweise Sam sitzen würde. Irgendwie fehlte er ihm. Dabei war das doch nur ein Vorstellungsgespräch! Sammy hatte in den letzten Monaten mehrere solcher Reisen unternommen und auch nicht gejammert! Okay, er hätte es in seinem damaligen Zustand auch nicht verstanden, warum. Aber er hätte es schon mitbekommen. Also Augen zu und durch. „Besser nicht“, grinste er und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Das Schneetreiben schien noch stärker zu werden. 'Vielleicht hätte ich doch schon vor Silvester fahren sollen?', überlegte er, nur um sofort den Kopf zu schütteln. „Das meinst du nicht ernst, oder?“, fragte er sich laut. Er hatte jede einzelne Minute genossen, die er bei Bobby und Jody und mit Sam verbringen konnte. Ihm tat es noch immer leid, wie er Bobby und auch Sam im letzten halben Jahr behandelt hatte. Das würde er in hundert Jahren nicht wieder gut machen können. Klar, Bobby hatte ihm verziehen. Bobby würde ihm wohl immer verzeihen und vielleicht hatte er sogar ein dickes Pluspunktekonto, weil er es war, der Jody so in Bobbys Leben gebracht hatte. Aber er konnte sich das nicht verzeihen. Er konnte nicht verstehen, warum er mit so einem Argwohn auf den Freund reagiert hatte. Das war nicht nur die enttäuschte Erwartung in Bobbys Gesicht, die ihn wohl unbewusst immer wieder an John erinnerte. Da musste mehr sein. Ein mehr, dass er nicht ergründen konnte, egal wie sehr er sich den Kopf zerbrach. Außerdem wäre ihm, wenn er vor Silvester gefahren wäre, dieser tolle Familientag entgangen. Bobby und Jody hatten ihren Gutschein eingelöst und sie waren gemeinsam erst Minigolf spielen und dann essen gegangen. Natürlich hatte er bezahlt, schließlich war es sein Gutschein gewesen und er war froh, dass sein Geld gereicht hatte. Jetzt würde er erstmal den einen oder anderen Abend beim Billard verbringen müssen, um seine Kasse wieder aufzufüllen. Aber der Tag war es mehr als wert gewesen! So ausgelassen hatte er seine Familie schon lange nicht mehr gesehen. Sie hatten gescherzt und gelacht und sich gegenseitig immer wieder auf die Schippe genommen. Diesen Tag hätte er für nichts in der Welt verpassen wollen. Er würde ihn sein Leben lang nie vergessen und vielleicht kam ja bald ein weiterer solcher Tag dazu, wenn er mit Sam loszog. Hin und wieder huschte sein Blick zum Beifahrersitz und er wünschte sich nicht nur einmal, dass Sam neben ihm saß. Irgendwie war es nicht richtig, jetzt alleine unterwegs zu sein. Nicht, nachdem er Sam so angefahren hatte an dem Tag, als er mit seinen Erinnerungen aufgewacht war. Ja, Sam war freiwillig alleine unterwegs gewesen, genauso freiwillig wie er jetzt. Sie suchten beide nach einer Zukunft. Mit den Gedanken mehr in Sioux Falls, als im Hier und Jetzt, lenkte er den Wagen in eine leichte Kurve. Das Heck brach aus. Adrenalin flutete seine Adern während er den Impala vorsichtig wieder auf Kurs brachte. Sein Herz hämmerte! Er atmete tief durch, rieb sich über das Gesicht und starrte in das Schneetreiben. Vielleicht sollte er es für heute gut sein lassen? Im nächsten Ort suchte er sich ein Zimmer. Er schloss die Tür hinter sich, warf seine Tasche auf den Tisch und ließ sich auf das Bett fallen. Sein Blick wanderte kurz über die Wände. Keine Blümchentapete, aber auch nicht wirklich ansprechend, egal. Morgen früh wäre er hier ja wieder weg. Dean holte sein Handy aus der Tasche und wählte Sams Nummer. „Hey“, grüßte er, kaum dass der abgenommen hatte. „Wo bist du?“, fragte Sam. „Kurz vor Bloomington.“ „Du bist die ganze Strecke durchgefahren? Aber wie ...“ Er schaute auf die Uhr und runzelte die Stirn. Das war unmöglich! „Illinois“, grinste Dean breit. „Du … Trottel!“ „Blödmann!“ „Wie war die Fahrt?“ „Schneetreiben, fast durchgängig“, erwiderte Dean leichthin. Nie würde er Sam erzählen, dass er es als ganz schön anstrengend empfunden hatte. „Und wie geht´s euch?“ „Hier ist alles ruhig. Jody muss arbeiten, aber ich soll dich grüßen“, und dann begann er noch ein wenig von ihrem Tag zu erzählen und Dean wünschte sich um viele Meilen weiter nach Westen. Die Welt war doch einfach ungerecht! Nachdem er aufgelegt hatte, schrieb Dean seinen drei zurückgebliebenen „Musketieren“, Javier, Krista und Rohan eine SMS. Sie hatten sich versprochen in Kontakt zu bleiben und noch nahm Dean dieses Versprechen ernst. Erst durch die Amnesie hatte er festgestellt wie gut Freunde taten und wie viel er auch in dieser Beziehung in seinem bisherigen Leben verpasst hatte. Natürlich hätte er Freunde bis zu seiner Amnesie nie wirklich und auf Dauer haben können. Welche Freundschaft hielt schon ein ständiges Lügen aus? Es gab nur wenige, die er, warum auch immer, ins Vertrauen gezogen hatte und selbst davon wollten nur ein Bruchteil weiterhin mit ihm befreundet sein. Jetzt würde er über sein Leben nicht mehr lügen müssen und es tat ihm gut, Freunde zu haben. Auch deshalb hielt er an diesen Beziehungen fest. Er wollte wissen, wie es war, nicht nur Sam, sondern richtige Freunde zu haben und er wollte wissen, ob Freundschaften wirklich alles, oder zumindest vieles, aushielten. Ein kurzer Blick ins Fernsehprogramm zeigte ihm eine Live-Übertragung des Schneetreibens vor seinem Fenster und überzeugte ihn sehr schnell, duschen zu gehen. Anschließend kroch er, von der Fahrt erschöpft, ins Bett. Nach einem ausgiebigen Frühstück machte er sich am nächsten Morgen wieder auf den Weg. Das Wetter hatte sich über Nacht etwas gebessert und die Straßen waren meistens gut geräumt. Schon am frühen Nachmittag erreichte er Bloomington und suchte sich ein billiges Motel. Das Zimmer war, wider Erwarten, ansprechend eingerichtet. Die Zeiten der Blümchentapeten schienen endgültig vorbei zu sein und auch die Bettwäsche war neutral gehalten. Hier könnte er es sogar eine Weile länger aushalten, als nur die zwei oder drei Nächte, die er bleiben musste. Mal sehen, was der morgige Tag brachte. Er packte seine wenigen Habseligkeiten aus, richtete sich ein und machte sich dann noch einmal auf, um seine nähere Umgebung zu erkunden und in dem kleinen Dinner, das er fand, etwas zu essen. Wie schon am Vorabend telefonierte er mit Sam und an diesem Abend auch mit Bobby und ging dann zeitig ins Bett, um für seinen Test ausgeschlafen zu sein. Der folgende Morgen war der blanke Horror. Er hatte schlecht geschlafen, war hypernervös und fahrig. Alles was er anfasste, fiel ihm entweder aus der Hand oder funktionierte nicht und er verzweifelte so langsam an sich selbst. Es war doch nur ein Test! Klar! Ein Test, von dem sein weiteres Leben abhing! Ein Test, der ihm zeigen würde, ob er der Versager war, den John in ihm gesehen hatte. „Stopp!“, fuhr er sein Spiegelbild an. Dieser Gedanke war vollkommener Blödsinn! Trotzdem fühlte er sich, als ob er zur Schlachtbank geführt würde. Im Impala musste er erstmal tief durchatmen, bevor er den Schlüssel ins Zündschloss schob und ihn startete. Wie gerne hätte er jetzt Sam an seiner Seite. Der würde ihn runterbringen und aufbauen, aber Sam war tausende Kilometer weit weg! Okay, dann musste es ohne gehen, das war es ja früher auch. Allerdings wollte er eigentlich nichts mehr ohne Sam machen! Sie waren zu zweit immer besser gewesen! Alleingänge waren meistens in die Hose gegangen und zu dritt mit John hatte es auch nicht wirklich funktioniert. Argh! 'Verdammt! Winchester! Jetzt reiß dich aber zusammen! Wann ist denn so ein Jammerlappen aus dir geworden?', schimpfte er in Gedanken. In dem Moment, als er den Impala starten wollte, kündigte sein Handy eine SMS an. Er seufzte und zog das kleine Ding aus der Tasche. Sofort huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Sammy. Er konnte sich denken, was da stand und das wollte er sich noch etwas aufheben. Trotzdem ging es ihm schon besser. „Dann mal auf zur Schlachtbank“, murmelte er und startete jetzt endlich den Wagen und fuhr los. Er stellte den Impala auf dem Parkplatz neben die Gebäude ab und nhm sein Handy vom Beifahrerplatz. Er öffnete die SMS. Ich kenne dich und weiß was in deinem Kopf vorgeht. Hör nicht auf die Stimme. Du bist bestens vorbereitet. Du bist gut. Du wirst das mit Bravour meistern. Ich glaub an dich. Egal was passiert ich bin stolz auf dich. Sofort stieg seine Laune. „Danke Sammy!“, wisperte er und nahm sein Tasche aus dem Fond. Langsam stieg er die Stufen zum Eingang hinauf. Schon vor der Tür wies ein Hinweisschild ihm die Richtung zu den Aufnahmetests. Er straffte die Schultern, richtete sich auf und ging zur Anmeldung. Energisch verbot er sich jeden Gedanken an John und sein Versagen. Er hatte nichts zu verlieren! Sammy hatte Recht! Vor der Tür standen einige junge Männer, von denen ein paar auch ziemlich nervös aussahen. Er stellte sich an das Ende der Schlange und harrte der Dinge, die da kommen sollten. In kurzen Abständen wurde einer der Wartenden ins Zimmer gerufen und schon bald war er an der Reihe. Er betrat den Raum und musste zuerst einen Fragebogen ausfüllen und seine Unterlagen abgeben. Dann bekam er den schon bekannten MMPI-Test ausgehändigt. Ihm wurde ein Platz zugewiesen. Einer der anwesenden Prüfer stellte die Uhr und dann durfte er loslegen. Routiniert arbeitete er die Fragen ab und war kurz vor dem Zeitlimit fertig. Gut, dass Jody noch einmal alles mit ihm durchgegangen war. Er packte alles zusammen, erhob sich und gab die Blätter ab. „Verlassen Sie den Raum bitte durch diese Tür und folgen Sie den Pfeilen zum Ausdauertest“, sagte der Prüfer, nachdem er die Bögen in der Hand hielt, und drückte ihm eine Karte mit einem Strichcode in die Hand. „Den geben Sie bitte an jeder Station ab, bevor Sie die geforderten Übungen absolvieren.“ Dean nickte, griff nach seiner Tasche und verließ den Raum. Den Hinweisschildern folgend, betrat er einen Umkleideraum, zog sich um und ging in die große Sporthalle, in der sich schon mehrere Kandidaten an den unterschiedlichsten Geräten quälten. Schon bald gehörte er zu ihnen. Nachdem auch er alle Stationen durchlaufen hatte, musste er, nach einer verdammt kurzen Pause, noch eine Hindernisstrecke absolvieren. Seine Gedanken wanderten zurück, als er sich damals bei Bobby, mit Sams Hilfe auf ihrem selbstgebauten Parcous ins Leben zurück gekämpft hatte. Er konnte die Unterstützung seiner Familie regelrecht fühlen. Jetzt war dieser Hindernislauf nur noch ein Klacks für ihn. Abschließend folgte ein Ausdauerlauf. Erschöpft ließ er sich auf eine Bank fallen. Er hatte es geschafft. Viele seiner Mitstreiter waren nach und nach, bei dem einen oder anderen Hindernis oder dem anschließenden Lauf gescheitert und mussten nach Hause gehen. Nicht einmal die Hälfte der Teilnehmer waren durchgekommen. Er atmete noch einmal tief ein und aus, ging duschen und wartete danach mit einigen anderen darauf, seine Ergebnisse zu bekommen. Endlich war er dran und durfte in das kleine Büro. „Dean Winchester, Sir“, stellte er sich vor. Der Deputy Chief nickte und wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er nahm die Mappe mit Deans Unterlagen. „Sie kommen nicht aus Indiana“, stellte er leise fest. „Warum wollen Sie gerade hier zur Feuerwehr?“ „Meine Familie hat sich entschlossen hierher zu ziehen und da dachten wir, dass es sinnvoll wäre, wenn ich mich gleich hier bei der Feuerwehr bewerbe.“ „Sie haben eine Ausbildung als Rettungssanitäter. Was haben Sie davor gemacht?“ „Ich habe bei meinem Vater und Onkel in der Werkstatt gearbeitet. Ich sollte die mal übernehmen, wollte aber eigentlich immer schon Feuerwehrmann werden. Mein Vater war dagegen, weil meine Mutter bei einem Feuer ums Leben kam. Er gab der Feuerwehr die Schuld. Ich sehe das ganz anders und will helfen, dass solche Tragödien noch weniger werden. Nachdem mein Vater letztes Jahr starb, habe ich meine Chance ergriffen.“ „Sie denken, Sie sind der psychischen Belastung gewachsen?“ „Wir haben in der Werkstatt auch Unfallwagen geborgen und als Rettungssanitäter bringt man auch nicht nur Babys zur Welt.“ „Sie sagten, Sie ziehen gerade hierher? Das heißt, Sie gehen in Bloomington noch keiner Beschäftigung nach?“ „So sieht es aus“, nickte Dean und überlegte irritiert, was der Mann von ihm wollte. „Sie könnten also auch sofort anfangen?“ Mit schief gelegtem Kopf schaute Dean den Mann vor sich fragend an. „Schon“, antwortete er leise und fragte sich, was hier gerade vor sich ging. „Das klingt gut. Wir hatten eine Absage, also kurzfristig einen freien Platz im nächsten Kurs frei. Sie wollten eine Chance haben, das hier ist sie. Die Ausbildung ist in Vinneces und beginnt am Mittwoch! Sie könne doch, oder?“ Er reichte einem völlig verdattert dreinschauenden Dean seine Unterlagen. Der Winchester nickte wie in Trance. „Viel Erfolg! Ach, eins noch. Da es seit einiger Zeit einen Erlass gibt, dass bei der Feuerwehr von Bloominton nur Einwohner unserer Stadt arbeiten sollten, wäre es gut, wenn sich sich beim Einwohnermeldeamt anmelden würden.“ „Okay“, nickte Dean und erhob sich. Auch der Deputy Chief erhob sich kurz, reichte Dean erst die Unterlagen und dann die Hand. „Ich habe selten jemanden Ihres Alters gesehen, der so gut abgeschnitten hat.“ Er lächelte. „Viel erfolg beim Lehrgang, Mr. Winchester. „Danke Sir.“ Dean verließ das Büro und ging zu seinem Baby. Erst als er wieder hinter dem Lenkrad saß, atmete er durch. 'Was war das denn? Wieso Mittwoch?' Reichlich verwirrt startete er den Wagen. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, gerade überfahren worden zu sein. Dabei sollte er sich doch freuen, die Tests so gut gemeistert zu haben! Jetzt brauchte er erstmal ein Bier, mindestens eins, um diese zwiespältigen Gefühle zu sortieren. Einerseits war er mehr als glücklich es geschafft zu haben, andererseits war er traurig ein halbes Jahr ohne Sam hier leben zu müssen. Weder Bobby und die Schrauberei noch Sammy und Jody und ein richtiges Familienleben! Er zog sein Handy aus der Tasche, um Sam die gute, traurige Nachricht mitzuteilen. Kapitel 2: This is the life --------------------------- 002) This is the life „Wie war´s?“, tönte Sams Stimme aus dem Lautsprecher. „Ich ...“, begann Dean, dann ließ er sich erschöpft gegen die Rückenlehne fallen und schloss die Augen. „Dean?“ Sams Stimme nahm einen besorgten Klang an. „Das war schlimmer als Dämonen jagen“, maulte der Ältere. „Außerdem hatte ich Recht! Ich war nicht wirklich gut vorbereitet!“ „Also hast du ...“ „Ich habe sämtliche Tests bestanden, auch wenn es schwer war“, er schnaufte. „Aber ohne deine SMS … De hat mir echt Mut gemacht. Danke, Mann!“ „Das ist doch super. Wieso jammerst du dann wie ein altes Waschweib?“ „Weil ich nicht zurückkomme. Die hatten, warum auch immer, noch einen Platz in dem Januar-Kurs frei und da ich ja keinen Arbeitsplatz habe, also eigentlich gleich loslegen kann“, er atmete tief durch, „… Mittwoch geht der Lehrgang in Vincennes los.“ „Echt? So schnell? Das ist Wahnsinn“, Sam freute sich für seinen Bruder. „Du wirst ein richtiger Feuerwehrmann! Dann kannst du die Brände, die du legst, auch gleich wieder löschen“, Sam grinste breit. „Könnte ich, ja.“ Kurz leuchteten Deans Augen, als er nickte. „Ich bin so stolz auf dich!“ „Danke“ Dean schluckte. So viel Glück hatten sie noch nie gehabt. Hoffentlich mussten sie das nicht irgendwann teuer bezahlen. Hastig schob er diesen Gedanken beiseite. Sie hatten in ihrem Leben so viel bezahlt, dass sie in den nächsten hundert Jahren nur Glück haben müssten. Außerdem? Er zahlte ja schon. Er hatte noch nie gut alleine sein können und genau das war er jetzt! Er hatte es damals, nachdem Sam zur Uni geflohen war, schon gehasst und da war John hin und wieder aufgetaucht. Jetzt … Er schnaufte frustriert. „Du willst nicht alleine sein“, platzte Sam mit seiner Erkenntnis hervor. „Nicht gerne“, gab der Ältere zu. „Ich meine, ich werde wohl kaum viel alleine sein, wenn ich in der Ausbildung bin und es ist mir lieber, dich bei Bobby und Jody zu wissen, als hier in Bloomington alleine. Vincennes ist doch ein Stück weg. Ich hatte nur irgendwie gehofft, das halbe Jahr bei Bobby nachholen zu können.“ 'Das war wieder typisch Dean. Wenn es ihm nicht gut ging, freute er sich eben darüber, dass es seinem kleinen Bruder besser ging.' Allerdings fiel ihm auch nichts ein, was Deans Lage ändern würde. „Es ist doof, ja, aber willst du die Chance sausen lassen?“ „Nein, will ich nicht. Ich fühle mich nur etwas überfahren. Ich bin davon ausgegangen, dass ich am Wochenende wieder in Sioux Falls bin und die Zeit genießen kann, während du lernen musst.“ Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Klar, anderen beim Arbeiten zusehen“, grummelte Sam belustigt, „kannst du doch eh nicht.“ „Auch wieder wahr.“ Dean überlegte kurz. „Kannst du Bobby und Jody Bescheid sagen? Und dann soll ich mich in Bloomington anmelden. Wo mach ich das?“ „Wieso ...“, begann Sam, doch dann fiel ihm ein, dass sein Bruder wohl nie als so genannter ordentlicher Staatsbürger irgendwo gelebt hatte. „Wieso sollst du dich anmelden“, fragte er statt einer dummen Bemerkung. „Der Chief meinte, dass ich das tun soll, weil nur Einwohner von Bloomington in der städtischen Feuerwehr arbeiten sollen“, gab Dean die Info des Deputy-Chiefs weiter. „Und einkaufen muss ich auch noch. Meine Garderobe muss unbedingt aufgestockt werden. Ich habe ja kaum was mit. Außerdem brauche ich auch noch einige Bücher und Schulmaterial.“ Er schnaufte und verdrehte die Augen. „Ich will nicht hier sein!“ „Nur weil du einkaufen musst?“, lachte Sam. „Deshalb lässt du dir so eine Chance doch nicht entgehen!“ „Auch wieder wahr! Lust habe ich aber trotzdem keine.“ Er schnaufte. „Kannst du mir ein paar meiner Klamotten postlagernd nach Vincennes schicken? Und meine Gitarre?“, fragte Dean seinen Bruder. „Mache ich gleich morgen“, versprach Sam. „Gut, und wo melde ich mich nun an?“ „Am besten bei der Stadtverwaltung“, erklärte der Jüngere und verschwieg wohlweislich, dass das eine längere Angelegenheit werden konnte. „Gut“, nickte Dean. „Danke. Ich melde mich morgen.“ „Dann schlaf mal gut!“, wünschte Sam und legte auf. Er wollte jetzt erstmal Bobby Bescheid geben, dass Dean wegblieb und dann seine Sachen packen. ‚Schon verrückt, wie sich plötzlich alles zu überschlagen scheint‘, überlegte er. Dean ließ das kleine Mobiltelefon sinken und fuhr zu dem kleinen Diner, in dem er am Vortag schon war. Während er auf sein Essen wartete, starrte er aus dem Fenster. Jetzt war er also für ein halbes Jahr nur für sich selbst verantwortlich. So wirklich war er das noch nie, oder? Und richtig fühlte es sich auch nicht an. Aber es war wohl nicht zu ändern. Jetzt würde er erstmal essen fahren und dann in der kleinen Bar das ein oder andere Bier trinken, sich selbst bedauern und Trübsal blasen und dann mit der nötigen Bettschwere zurück ins Motel schlurfen und ins Bett fallen. Morgen hatte er einen furchtbaren Tag, das stand jetzt schon fest egal wie er wirklich werden würde, und übermorgen ging der Lehrgang los. Irgendwie überforderte ihn das Leben gerade. Er schüttelte den Kopf und widmete sich seinem Essen, dass die Kellnerin gerade brachte. Die Bar war gut gefüllt, als Dean sie betrat. Er hatte gut und reichlich gegessen und den Impala auf dem Parkplatz des Motels abgestellt. Jetzt stand dem einen oder anderen Bier und vielleicht auch einem Whiskey nichts mehr im Weg. Er schaute sich um und stellte erfreut fest, dass es hier auch zwei Pooltische gab. Da könnte er endlich mal wieder ein bisschen spielen und vielleicht auch noch ein bisschen Geld verdienen. Ob er es überhaupt noch konnte? Wie schön wäre es, wenn Sam jetzt hier wäre und er ein bisschen mit ihm üben könnte. Naja, dann musste es eben so gehen. Er holte sich ein Bier und ging zu den Tischen. Als einer der Spieler da ausstieg, bot er sich als Gegner an. Schnell spielte er sich wieder ein und gewann die zweite und dritte Runde. Danach war er mehr damit beschäftigt, mit der Kellnerin zu flirten, als auf das Geschehen zu achten oder sich auf seine Stöße zu konzentrieren und verlor das vierte Spiel wieder. Egal. Er hatte mehr Geld in der Tasche, als vor seinem Besuch hier und das wertete er als Erfolg. Er ging zur Bar, setzte sich auf einen Hocker, ganz am Ende der Bar und zwinkerte der süßen Brünetten zu. „Kann ich noch ein Bier und einen Whiskey kriegen?“ Sie nickte und gleich darauf stand das Gewünschte vor ihm. In aller Ruhe trank und beobachtete die restliche Kundschaft. Zu mehr war er heute nicht mehr zu gebrauchen. Der sportliche Teil des Einstellungstests steckte ihm tiefer in den Knochen, als er gedacht hatte und so machte er sich schon bald auf den Weg in sein Zimmer und kroch ins Bett. Das wilde Hupen eines Trucks riss Dean am Morgen aus dem Schlaf. Er blinzelte, angelte nach seinem Handy und stellte mit einem Blick darauf fest, dass er gut und gerne noch eine oder zwei Stunden schlafen könnte. Quietschende Reifen vereitelten dieses Vorhaben. Kurz blieb Dean noch mit geschlossenen Augen liegen und lauschte den Geräuschen des erwachenden Verkehrs auf der Straße und den Menschen, die vor seinem Zimmer vorbei gingen. Dann setzte er sich auf. Ganz automatisch glitt sein Blick zu dem leeren Bett neben ihm und das Gefühl der Einsamkeit breitete sich explosionsartig in ihm aus. Das Letzte, was er jetzt tun wollte war, darüber nachzudenken, dass er mindestens bis Ende Mai der einsame Kämpfer für Recht und Gesetz war. Selbst Batman hatte Robin! Energisch schlug er die Decke zurück, kochte Kaffee und ging, während der durchlief, ins Bad. Er würde wohl kaum alleine sein, wenn er erstmal bei dem Lehrgang war. Sammy wäre hier alleine und das wollte er auf keinen Fall. So wie es jetzt war, war es richtig. Ab Morgen würde er ziemlich eingebunden sein und Sam war bei Bobby! Er musste nur diesen einen Tag überstehen und für den hatte er ein straffes Programm, auch wenn ihm das nicht gefiel. Während er duschte überlegte er, was er heute schaffen musste und wie er es angehen sollte. Zuerst mal frühstücken. Ohne eine richtige Grundlage, würde das alles nichts werden. Danach wollte er zur Stadt und sich anmelden, dann Klamotten einkaufen, essen und zum Schluss wollte er wegen der Bücher losziehen. Mal sehen, wo es die gab. Während er seinen Kaffee trank, suchte er im Internet nach der Stadtverwaltung und nach Buchläden. Viele gab es nicht. Hier hatte wohl schon die Internetkonkurrenz zugeschlagen. Na, zur Not musste er sich ein paar Tage gedulden, und die Bücher da bestellen. Trotz seiner „Planung“ kam Dean erst am Abend wieder ins Zimmer zurück. Er stellte die Tüten mit dem Essen auf den Tisch und warf die anderen neben das Bett. Wenigstens hatte er es noch geschafft seine neuen Kleidungsstücke zu waschen. Er streifte sich die Schuhe von den Füßen, nahm sein Essen, holte ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf das Bett fallen. Heute würde er nirgendwohin gehen. Diese Rennereien konnten ihm den Spaß am normalen Leben ganz schön verhageln. Wenn er das öfter machen musste, da war er sich sicher, würde er zu seinem unsteten, unangemeldeten Leben als Jäger zurückkehren! Er würde sich lieber mit einem Poltergeist auseinandersetzen, als noch so einen Behördenmarathon durchlaufen zu müssen! Diese Warterei vor dem Schalter war einfach nur furchtbar gewesen! So stellte er sich die Hölle vor! Immerhin war er jetzt ein offizieller Bürger der Stadt Bloomington und konnte auch offiziell Feuerwehrmann werden. Er schaltete den Fernseher an, riss die erste Packung auf und begann in aller Ruhe zu Essen. Immerhin das hatte er aus seiner Amnesiezeit übernommen. Nach dem Essen holte er sich noch eine Flasche Bier und schaute sich ein Spiel im Fernsehen an. Danach ging er duschen und rief Sam an, um ihm von seinem Tag zu erzählen. Am folgenden Morgen fuhr Dean nach Vincennes. Er meldete sich in der Schule an und bekam ein Zimmer im angeschlossenen Wohnheim zugewiesen. „Die Einweisungen beginnen um 13 Uhr“, erklärte die Sekretärin. Sie händigte ihm eine Mappe aus, in der sich alle möglichen Papiere, von Stundenplänen bis zu einer Bücherliste, befanden. Mit einem freundlichen: „Ich wünsche Ihnen viel Erfolg“, wollte sie ihn wieder entlassen. „Kann ich eigentlich auch am Wochenende hier wohnen?“, fragte er, mit der Hand auf der Klinke. Sie nickte. „Wir haben ein paar Kursteilnehmer hier, die auch am Wochenende da sind. Das ist kein Problem. Wenn Sie auch bleiben wollen, füllen Sie bitte dieses Formular aus. Sie bekommen dann einen Schlüssel für die Eingangstür. Allerdings ist die Küche am Wochenende geschlossen und Sie müssen sich selbst um Ihr Essen kümmern.“ „Das ist kein Problem“, erklärte Dean lächelnd. „Vielen Dank!“ Ein Problem war schon mal aus der Welt geschafft. Er schulterte seine Taschen und machte sich im Wohnheim auf die Suche nach dem Zimmer. Die Nummern studierend lief er den Gang entlang. 313, 315, 317. Hier war es. Er klopfte. „Immer herein wenn´s kein Schneider ist“, rief eine männliche Stimme, kaum dass seine Hand die Tür berührt hatte. Er öffnete und schaute sich um. „Wollte ich nicht werden“, erklärte er ruhig und trat ein. „Hi. Ich bin Dean Winchester.“ „Hallo. Mein Name ist Christopher Saintclair aber Chris reicht“, er reichte Dean die Hand. „Such dir ein Bett. Meins ist das da drüben.“ Dean blickte sich im Zimmer um. Es gab nur zwei Betten. Er schaute zu Chris und schüttelte grinsend den Kopf. Der Kerl gefiel ihm! Er war ungefähr so groß wie Sam und wahrscheinlich auch in seinem Alter, muskulös und hatte schwarze, kurze Haare und braune Augen und ein Lachen, das einen sofort für ihn einnahm. Er warf seine Tasche auf das freie Bett und begann seine Sachen auszupacken. „Richtest du dich für länger ein oder verreist du immer mit deinem gesamten Hausstand?“, fragte Chris, der ihn neugierig dabei zusah. Er fuhr am Wochenende wieder nach Hause. Die eineinhalb Stunden Fahrt konnten ihn nicht davon abhalten, Zeit mit seinen Freunden zu verbringen. „Ich bleibe länger“, erklärte er nur. So gut, dass er ihm schon seine ganze Lebensgeschichte erzählen wollte, kannte er diesen Chris noch nicht. „Kennst du dich hier schon aus?“, fragte er stattdessen. „Nein, nicht wirklich.“ „Wollen wir die Gegend unsicher machen gehen? Noch haben wir Zeit, wenn du auch heute mit dem Lehrgang anfängst. Außerdem habe ich Hunger.“, Fragend schaute Dean, nachdem er sich eingerichtet hatte, zu seinem Mitbewohner. „Auf jeden Fall, bin dabei. Ich brauche auch noch was in den Magen, bevor das Pauken losgeht. Ich wollte nur gerne sofort wissen, wen sie bei mir einquartiert haben.“ „Und? Schmeißt du mich raus?“ „Nö. Ich denke, du bist ganz okay.“ „Na da bin ich aber froh“, grinste Dean und wischte sich den imaginären Angstschweiß von der Stirn. Er ging zur Tür und Chris folgte ihm. Sie machten einen kurzen Rundgang über das Schulgelände und warfen einen kurzen Blick auf die einzelnen Übungsparcours, die es hier gab. „Das wird anstrengend“, stellte Chris ruhig fest und Dean nickte. Kapitel 3: I am lonly --------------------- 003) I am lonly „Wollen wir noch was essen gehen oder fahren, bevor wir uns die trockene Kost antun? Gleich hinter dem Park gibt´s einen Diner.“ Fragend schaute Chris zu seinem Mitstreiter. Bevor Dean antworten konnte, knurrte sein Magen. Chris grinste breit während Dean die Augen verdrehte und nickte. Das sollte er seinem Magen dringend abgewöhnen! Gesättigt betraten sie am Nachmittag nacheinander das Klassenzimmer und setzen sich in eine der mittleren Bänke. Im Gegensatz zu dem Lehrgang vor vier Monaten, war Dean jetzt nicht sonderlich nervös. Damals hatte er von Nichts eine Ahnung und überhaupt keine Vorstellung von dem, was auf ihn zukommen könnte. Das sah jetzt schon mal ganz anders aus. Vielleicht spielte aber auch Chris an seiner Seite eine Rolle? Das Wissen, jemanden an seiner Seite zu haben, dem es genauso ging, beruhigte ungemein. In aller Ruhe schaute er sich um. Nach und nach trudelten die noch fehlenden Kursteilnehmer ein und wurden von den schon anwesenden neugierig beäugt. Zwei Männer in Feuerwehruniform betraten den Raum. Sofort kehrte eine Stille ein, dass man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören. Alle starrten auf die Männer, die sich als ihre Lehrer, Captain Talbot und Captain O´Leary, vorstellten. An diesem Nachmittag bekamen sie ein grob umrissenes Bild über die Einsatzmöglichkeiten eines Feuerwehrmannes. Sie klärten das Organisatorische und wurden dann, mit einer kurzen Hausaufgabe bis zum nächsten Morgen entlassen. Chris und Dean gingen in ihr Zimmer und ließen sich auf ihre Betten fallen. „Woher kommst du eigentlich?“, wollte Chris wissen. „Von überall und nirgendwo.“ „Was heißt das denn?“ „Ich bin in Lawrence, Kansas geboren worden. Meine Schulen kann ich nicht zählen, die verteilten sich auf das ganze Land. Wenn ich ein Zuhause habe, dann würde ich Sioux Falls als das bezeichnen“, gab Dean freimütig seine Vergangenheit preis. „Und wie kommst du nach Indiana?“ „Mein Bruder wird ab September in Bloomington studieren. Wir dachten, wenn ich Feuerwehrmann werden will, könnte ich mich gleich da bewerben. Dass ich den Aufnahmetest bestehe, hatte ich gehofft und dass ich genommen werde auch. Dass ich allerdings sofort anfangen kann, damit konnte keiner rechnen.“ „Dein Bruder ...?“ Noch bevor Dean antworten konnte, klingelte sein Handy. „Sammy, hey. Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich angekommen bin, aber du warst ...“, begann er, kaum dass er das Gespräch angenommen hatte. „Ich bin in der Bibliothek versackt“, antwortete der jüngere Winchester. „In der Bibliothek?“, Dean grinste. „Du hast doch noch frei!“ „Ja, schon. Ich wollte für einen meiner Kurse was suchen und dabei ist uns das teilweise doch chaotische System so richtig aufgefallen und wir haben beschlossen, endlich mal ein neues System reinzubringen.“ „Vielleicht solltest du Bibliothekar werden und kein Anwalt.“ „Nee, lass mal“, grinste Sam. „Das ist eher Bobbys Job.“ „Wie geht’s ihm und Jody? Lassen sie dich lernen oder missbraucht dich Bobby für seinen Kram?“ „Alles gut, Dean. Wir vermissen dich!“ Dean blinzelte kurz. „Ich auch“, nuschelte er heiser. „Passt auf euch auf!“ „Du auch!“ Dean wünschte Sam noch einen gemütlichen Abend und eine gute Nacht und legte auf. „Deine Freundin?“ „Mein kleiner Bruder“, antwortete Dean. „Kleiner Bruder? Der, der studieren will? Das klang eher nach Partner, als nach Bruder.“ „Das ist eine verdammt lange Geschichte“, begann Dean seine Erklärung. „Ich habe ihn aufgezogen, weil unserem Vater immer andere Dinge wichtiger waren, als seine Kinder. Ich war für ihn verantwortlich und ich fühle mich immer noch für sein Wohl zuständig.“ Chris hatte schon Luft geholt, um weiter nachzubohren, doch bei Deans letztem Satz ließ er die Luft ungenutzt wieder herausströmen. Das war wohl noch kein Gespräch für den ersten Tag. „Dein Bruder will in Bloomington studieren? Warum gerade da?“ „Sam hat sich an vielen Unis beworben. Bloomington hat ihn genommen.“ „Ihr scheint ein ziemlich bewegtes Leben zu haben?“, fragte Chris neugierig. Dean überlegte, was konnte er erzählen? Was wollte er schon am ersten Abend preisgeben? Er entschied sich für die Lightversion ihres Lebens. Dann wäre das ein für alle Mal vom Tisch. „Wie schon gesagt, wir wurden in Lawrence, Kansas geboren. Mom starb sehr früh. Das hat unserem Vater wohl den Boden unter den Füßen weggezogen. Er zog mit uns von Ort zu Ort. Wir waren nirgendwo lange und immer nur auf uns gestellt. In den letzten Monaten haben wir bei unserem Onkel in Sioux Falls gelebt. Ich habe einen Lehrgang als Rettungssanitäter gemacht und Sam wollte sein letztes Collegejahr machen und dann Jura studieren. Er hat hier einen Studienplatz bekommen und wo Sam hingeht, gehe auch ich hin.“ „Ihr hängt ziemlich aneinander, kann das sein? Ich meine, in deinem Alter geht man doch eher seine eigenen Wege, oder?“ „Wir sind alles, was wir an Familie haben“, erwiderte Dean und holte demonstrativ sein Buch hervor. Chris musterte ihn noch eine Weile stumm und grübelte über das Gehörte nach. Doch er kam zu keinem Ergebnis, also nahm auch er sein Buch. Das Lernen gestaltete sich in den folgenden Tagen und Wochen ähnlich, wie die Ausbildung zum Sanitäter, die Dean ja gerade erst hinter sich gebracht hatte. Wie da auch, arbeitete er hier konzentriert mit. Es machte ihm Spaß neues Wissen zu sammeln. Sogar das Lesen hatte seinen Schrecken verloren und das war eine Tatsache, die ihn, als er sich ihrer so richtig bewusst wurde, wohl am meisten erstaunte. Deans theoretische Leistungen pendelten sich im oberen Drittel der Klasse ein und nicht nur einmal war er sogar einer der Besten. Das überraschte ihn fast noch mehr, als die Sache mit dem Lesen. Er hatte sich nie für sonderlich intelligent gehalten, auch wenn ihm einige Lehrer etwas anderes beweisen wollten. John war Schulwissen nur wichtig, wenn es für die Jagd relevant sein konnte und er hatte dieses Mantra übernommen. Erst während seiner Amnesie hatte ihm Lernen Spaß gemacht, was er aber auf das Fehlen von Allem an Wissen geschoben hatte. Jetzt wurde er endgültig eines Besseren belehrt. Seine angehenden Kollegen respektierten ihn, vielleicht auch, weil er sich nie in den Mittelpunkt drängte. Nur wenn er direkt aufgefordert wurde mitzumachen, war er mittendrin. Es gab nur einen in seiner Klasse, dem er ein Dorn im Auge zu sein schien. Martin Bender, ein 22-jähriger Heißsporn, der direkt vom College kam und das Epizentrum seines eigenen Universums war. Jeder, der diese Weltanschauung, selbst unbewusst, unterwanderte, wurde von ihm zur unerwünschten Person ernannt. Mindestens einmal in der Woche gingen Chris und Dean in einen Pup auf ein paar Bier. Chris fand sehr schnell heraus, dass er mit Dean nicht nur den Abend für lau trinken konnte, sondern den Pup fast immer auch mit mehr Geld verließ als er ihn betreten hatte, wenn er beim Pool nur auf den Winchester setzte. Nur die Wochenenden mochte Dean überhaupt nicht, denn die waren einsam. Klar konnte er in den Pup gehen und ausschlafen, doch er vermisste Sam. Er vermisste seinen Bruder, der ihn kannte, mit dem er sich auch wortlos austauschen konnte und der einfach wusste, wann es ihm wie ging. Sam genoss das Familienleben, dass er jetzt zum ersten Mal so richtig erlebte, denn irgendwie waren Bobby und Jody schon wie Eltern. Hin und wieder half er Bobby im Büro, arbeitete am Jägernetz, doch die meiste Zeit arbeitete er für seinen Abschluss und ließ sich verwöhnen. Jeden Abend telefonierte er wenigstens kurz mit Dean, der ihn nicht nur einmal um sein Leben in Sioux Falls beneidete, es ihm aber auch von Herzen gönnte. So vergingen die Wochen. Inzwischen war es März geworden. Sams Mitschüler waren mit ihren Gedanken fast nur noch beim Spring-Break. Viele wollten nach Miami, um da ausgiebig zu feiern. Für Sam war das nichts. Er hatte überlegt, ob er nicht zu Dean nach Vincennes fahren sollte, doch Dean winkte ab, als er ihn fragte. „Für ein Wochenende lohnt sich die Fahrt nicht“, erklärte er. „Ich kann fliegen, Dean“, lachte Sam. „Kannst du. Aber ich muss für eine Zwischenprüfung lernen und nur abends mit dir in den Pup? Dafür lohnt es sich echt nicht. So gerne ich mal wieder was mit dir unternehmen würde, willst du wirklich für ein paar Stunden Zeit zusammen herkommen?“ Letztendlich entschieden sie, dass sie sich erst in Bloomington treffen würden, wenn sie beide mit ihrer Schule fertig waren. Am Abend nach diesem Gespräch, verschwand Dean wortlos im schuleigenen Schwimmbad und kam erst zwei Stunden später zurück, nur um gleich darauf im Bett zu verschwinden und in einen komatösen Schlaf zu fallen. Auch in den nächsten Tagen schaffte es Chris nicht, die genaue Ursache für diesen Schwimmmarathon herauszufinden. Und schon bald gab es andere Gesprächsthemen. Sobald es das Wetter zuließ, trafen sich die angehenden Feuerwehrmänner, auf dem Platz vor ihrem Wohnheim, auf dem unter ein paar Bäumen Bänke standen. So war es auch an diesem lauen Abend. Für den nächsten Tag stand eine Klausur auf dem Plan. Einige lernten oder fragten einander ab, aber es gab auch schon Feuerwehrschüler, die ihre Bücher beiseite gelegt hatten und sich unterhielten oder rauchten und Martin Bender schikanierte José, den Kleinsten der Klasse. José hatte sich vor ein paar Tagen das Knie verdreht und immer noch Schwierigkeiten bei den sportlichen Tests. Aber er wollte nicht aufgeben. Heute wäre diese Verletzung allerdings fast sein Aus gewesen. Sie mussten in voller Ausrüstung einen Hindernisparcours absolvieren. Dean, Chris, Martin und einige andere waren schon fertig, als José die Strecke in Angriff nahm. Er scheiterte am dritten Hindernis, versuchte es erneut und scheiterte wieder. Auch beim dritten Versuch sah es nicht besser aus. Jetzt blieb nur noch ein Versuch, seine letzte Chance. José war verzweifelt. Er wollte so gerne Feuerwehrmann werden. Doch jetzt würde er rausfliegen. Er versuchte sich zu konzentrieren und atmete tief durch. Dean stand auf. Er nahm sich seine Ausrüstung und stellte sich neben José. Mit ihm zusammen bewältigte er die Strecke noch einmal. Er feuerte ihn an, gab José kleine Tipps wie er mit dem lädierten Knie einfacher über die Wand kam und zog ihn beim Laufen mit. Er trieb ihn regelrecht über die Ziellinie. José ließ sich hinter der Ziellinie auf den Boden fallen. Tränen der Freude und Dankbarkeit standen in seinen Augen. Er hatte es gerade so geschafft. Die ganze Klasse hatte ihn auf den letzten Metern frenetisch angefeuert, nur Martin nicht. Jetzt hatte Martin ihn unter Beschuss genommen. Er nannte ihn eine Schande für die Klasse und die Feuerwehr im Allgemeinen und forderte ihn auf, endlich die Konsequenzen seines Unvermögens zu ziehen und die Schule zu verlassen. José zog den Kopf ein. Er hatte bestanden! Er wollte nicht gehen. Doch so überfahren zu werden, war wie ein Schlag in die Magengrube. Ihm fehlten die Worte. Dean kam die Eingangstreppe herunter und ging auf Martin zu. „Such dir einen in deiner Größe, den du rumschubsen kannst“, sagte er ruhig und wollte zu Chris, der neben der Eiche stand. „Etwa dich?“ Martin vertrat ihm den Weg und schlug ihm das Buch aus der Hand. Sofort starrten alle auf die Beiden. Deans Blick schien eisige Pfeile zu schießen, doch er sagte nichts. Er würde sich hier nicht provozieren lassen. Er würde sich nicht prügeln. Warum auch? Dieser Möchtegern war es nicht wert! Er zuckte schweigend mit den Schultern. Martin kochte. So behandelte ihn niemand! „Morgen nach dem Unterricht in der Sporthalle. Ich mach dich fertig“, fauchte er. Dean legte den Kopf schief. „Nur weil du ein Problem mit dir und deinem Selbstwertgefühl hast, werde ich mich nicht mit dir prügeln“, erklärte er ruhig, hob sein Buch auf und ging die Treppe hinunter. Bender schnaufte. Mit seinem Blick versuchte der dem Winchester Löcher in den Rücken zu brennen. Wie konnte der ihn einfach so stehen lassen? Niemand ignorierte ihn! Er rannte die Treppe hinunter und versuchte diesen respektlosen Schnösel von hinten anzugreifen. Deans Instinkt reagierte wie früher. Er ließ das Buch fallen, drehte sich um, packte mit seiner Linken Benders rechtes Handgelenk, langte mit der Rechten um seinen Angreifer herum und griff dessen Hosenbund. Benders eigenen Schwung ausnutzend hebelte er ihn aus. Noch bevor der wusste, wie ihm geschah, lag Bender vor Dean auf dem Boden, auf dem Rücken. „Wegen so eines aufgeblasenen Gernegroß handle ich mir keinen Verweis ein“, funkelte Dean ihn an. „und um mich zu überrumpeln musst du schon eher aufstehen!“ Er sammelte sein Buch vom Boden auf und trottete zur Eiche. Dort machte er es sich auf der Bank gemütlich. Sofort war Chris an seiner Seite. „Jetzt hast du ihn dir endgültig zum Feind gemacht!“, erklärte der Kamerad leise, aber eindringlich. „Sollte ich auf seine kindische Forderung eingehen?“ „Nein, natürlich nicht. Ich meinte ja nur, dass du jetzt noch besser auf deinen Rücken aufpassen musst.“ „Wenn er sich immer so ankündigt wie eben, komme ich damit klar.“ „Das eben … Das war Wahnsinn! Wo hast du so zu kämpfen gelernt?“ „John … mein … Vater“, Dean verzog das Gesicht, „er wollte, dass wir auf alles vorbereitet sind. Er war im Vietnam-Krieg Marine. …“ Dean zuckte mit den Schultern. Er wollte nicht darüber reden und schlug sein Buch auf. Chris nickte kurz. Er kannte seinen Mitbewohner inzwischen so gut, dass er wusste, dass der nichts mehr sagen würde und akzeptierte das. Auch er begann zu lernen. Kapitel 4: House of fire ------------------------ 004) House of fire Es wurde langsam ungemütlich draußen. Als sie ihre Bücher zuschlugen, um ins Haus zu gehen, tauchte José neben ihnen auf. „Danke Dean, ich hatte noch nicht mal Gelegenheit mich für heute Vormittag zu bedanken und für vorhin. Das war … Warum stellst du dich vor mich? Jetzt wird Bender dir das Leben schwer machen!“ „Soll er´s halt versuchen. Ich weiß mich zu wehren.“ Dean grinste breit. „Gern geschehen.“ Er überlegte kurz. „Willst du nachher mitkommen? Wir wollen in den Pup ein oder zwei Bier trinken.“ Dean schaute kurz zu Chris. Der nichts gegen eine Verstärkung ihres „Teams“ hatte. „Gerne!“ „Okay. Wir holen dich so gegen acht ab“, sagte Dean und ging hinein. Chris folgte ihm. Im Zimmer ließ sich Dean auf sein Bett fallen. Er schlug sein Buch wieder auf und las die Seiten noch einmal. Chris folgte dem Beispiel seines Zimmerkameraden. Die Stille wurde von Deans Handy unterbrochen. Er warf einen kurzen Blick aufs Display und nahm mit einem Lächeln ab. „Hey,“, grüßte er, „dass nenne ich jetzt mal Rettung durchs Klingeln.“ „Warum?“, wollte Sam wissen. „Ich hocke hier vor trockenen Vorschriften.“ „Ich könnte Sozialkunde bieten. Wir schreiben morgen eine Klausur.“ „Das klingt nicht nach meinem Kompetenzbereich und die Klausur habe ich auch im Angebot.“ „Soweit ich das mitbekommen habe, hast du dich in den letzten Monaten sehr gut in dieses Thema eingearbeitet.“ „Meinst du?“ „Meine ich. Und sonst? Bei uns gibt’s nichts Neues und bei dir?“ „Auch alles beim Alten.“ „Gut“, sagte Sam zufrieden. Ihr abendliches Telefonieren war ihm eine lieb gewonnene Routine geworden, auch wenn sie sich oft kaum etwas zu erzählen hatten. Einfach nur die Stimme des Anderen zu hören und zu fragen, wie es ihm ging, tat gut und hielt sie zusammen. „Dann sei so fleißig wie ich es bin.“ Dean prustete leise. „Gute Nacht, Sammy.“ „Gute Nacht, Dean!“ Dean legte auf, wandte sich wieder seinem Buch zu. Chris starrte zum anderen Bett hinüber. Wer war dieser ominöse Sam. Ja, Dean hatte ihm erklärt, dass er sein Bruder wäre, erzählte aber sonst nicht viel von ihm, nur dass er aufs College ging und das sie eine schwere Kindheit hatten. Aber welcher erwachsene Mann telefonierten fast täglich mit seinem Bruder, egal wie sehr sie als Kinder aneinander gehangen haben mochten?!? War Dean bisexuell? Waren sie ein festes Paar? Aber warum stand Dean dann nicht dazu? Er machte sonst nicht den Eindruck, sich etwas verbieten zu lassen, wenn er davon überzeugt war, dass es richtig war. Außerdem machte Dean ganz und gar nicht den Eindruck auf Männer zu stehen. Er flirtete mit allem was weiblich war und gut aussah. Noch so ein winchestersches Mysterium. Er warf noch einen Blick auf Dean und wandte sich wieder seinem Buch zu, bis sie kurz vor acht alles weglegten und sich für den Pup fertig machten. Im Licht der untergehenden Sonne betrat Dean am nächsten Abend ihr Wohnheimzimmer. Wieder einmal hatte er den Hörer am Ohr. „Ich hab was zu essen mitgebracht“, rief er in den Raum, um sich gleich wieder seinem Gesprächspartner zuzuwenden. „Wie war deine Klausur?“ Er stellte die Tüten auf den Tisch. „Soweit ganz gut, denke ich. Und deine?“ „Ich mag dieses ganzen Vorschriften und das Rechtszeug nicht.“ „Du sollst es ja auch nicht mögen, nur wissen.“ „Das brauche ich nie wieder“, maulte der Ältere. „und wenn, habe ich ja dich!“ „Ich könnte als befangen gelten, wenn ich meinen Bruder verteidigen will, und deshalb nicht zugelassen werden“, gab Sam zu bedenken. „Die Welt ist ungerecht!“, erklärte Dean mit gespielter Überzeugung. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Der gab ein leises Ächzen von sich und Dean verdrehte seine Augen, während Chris schon mit Besteck zum Tisch kam. „Ich muss Schluss machen“, erklärte Dean. „Wir wollen essen.“ „Werdet ihr nicht vollversorgt?“ „Nicht wirklich. Frühstück und Mittag ja, abends gibt’s eher Sandwiches aus dem Automaten, also holen wir uns oft was.“ „Dann lasst es euch schmecken!“, wünschte Sam und legte auf. Auch er würde bald etwas bekommen. Bobby war schon vor einer Weile in der Küche verschwunden. Er legte seine Bücher weg und ging nach unten, um wenigstens den Tisch zu decken. Vielleicht würde ja auch Jody noch zu ihnen stoßen. Endlich sollten die angehenden Feuerwehrmänner Kontakt zu richtigem Feuer haben. Nach den unendlichen, trockenen Trainingseinheiten, die sie dafür absolviert hatten, waren sie alle, trotz Atem- und Pulskontrolle regelrecht hibbelig. Ihrer Meinung nach hatten sie viel zu lange nur Theorie gepaukt und selbst die Übungen unter Atemschutz die Kriechstrecke entlang zu robben oder im verrauchten Container hockten, waren kein vollwertiger Ersatz für das gewesen, was sie doch alle wollten, weswegen sie hier waren. Jeder wollte der Erste sein, auch wenn er nur durch diese Lagerhalle laufen und dem Feuer ausweichen sollte. Die Ausbilder ließen sich von diesem Ameisenhaufen nicht aus der Ruhe bringen und schickten ihre Schützlinge in einer willkürlichen Reihenfolge ins Feuer. Endlich war Dean dran. Er atmete tief ein und trat in die Halle. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, schien sich seine Aufregung zu legen. Innerlich vollkommen ruhig sah er sich um. Gefühlt kam das Feuer von überall, auch von der Decke. Hitze umschloss ihn. Mom klebte an der Decke, Blut tropfte aus ihrem Bauch, Feuer verbrannte sie ... Er schüttelte den Kopf, um das Bild loszuwerden. ‚War wohl doch keine so gute Idee, Feuerwehrmann werden zu wollen, bei meiner Vorgeschichte’, überlegte er. Abgesehen davon hatte er Mom nie an der Decke hängen gesehen, nur Jess. Aber der gedankliche Weg von Jess zu Mom war nun wirklich nicht weit! Energisch schob er diese Erinnerungen beiseite. Noch einmal schaute er nach oben. Nichts. Natürlich war da nichts! Langsam blickte er sich um, als ihn ein Gedanke regelrecht überfiel. Das Feuer lebte! Wieder blickte er durch die Halle. Es schien zu atmen, sich auszubreiten und zurückzuziehen. Es lauerte darauf, dass er Fehler machte. Da konnte es lange warten! Dean holte tief Luft und lief los. Er überließ sich ganz seinen Instinkten, die ihn genau an den richtigen Stellen ausweichen oder sich ducken ließen. Im Kontrollraum wachten die Ausbilder für die praktischen Übungen und der Schulleiter das Geschehen. „Den sollten Sie im Auge behalten“, sagte Captain Talbot. “Der scheint vielversprechend.” „Wir werden sehen“, wandte Captain O´Leary ein. „Aber er macht sich auch im theoretischen Unterricht gut.“ Von diesem Tag an, gingen die angehenden Feuerwehrmänner jeden Tag durch das Feuer. Sie lernten, sich in vollkommen verrauchten Räumen zu orientieren, sie krochen in voller Ausrüstung durch dunkle, verrauchte Gänge, ohne zu wissen wann oder wo das Feuer auf sie wartete. Manchmal war es harmlos, meistens jedoch brachte es sie an ihre Grenzen, körperlich genauso wie geistig. Und doch konnte sich Dean nichts anderes vorstellen, was er bis an sein Lebensende machen wollte. Diese Herausforderungen waren genau das Richtige für ihn, wären da nicht die Nächte, die ihm schlimmer zusetzten, als es das Feuer konnte. Mom klebte unter der Decke, Blut tropfte aus ihrem Bauch, Feuer verbrannte sie. „Nimm deinen Bruder und lauf Dean, lauf so schnell du kannst“ Lisa klebte an der Decke, Blut tropfte aus ihrem Bauch. „Du versuchst mit aller Macht deine Familie zusammenzuhalten, aber die Wahrheit ist, sie brauchen dich nicht, nicht so wie du sie brauchst!“ Sam klebte an der Decke. Er starrte zu ihm hinab. „Hilf mir, Dean“, wisperte er. „SAM!“ Dean schreckte, von seinem eigenen Aufschrei geweckt, hoch. Er setzte sich auf, umschlang seine Schienbeine, legte das Kinn auf die Knie und starrte orientierungslos gegen die Wand. Wieder dieser verdammte Albtraum, der langsam aber stetig seine nervlichen Reserven auffraß und ihn aushöhlte. Er ließ sich zur Seite kippen und rollte sich wie ein Embryo zusammen. Tränen liefen in sein Kissen. ‚Warum denn immer wieder dieser Alptraum. Es gab doch weiß Gott genug andere in seinem Leben, die nichts mit Feuer zu tun hatten!’ Er schnaubte leise. Gerade deshalb träumte er ja nur diesen! Leise schälte er sich aus seinem Bett und zog sich an. An Schlaf war eh nicht mehr zu denken und er brauchte Bewegung! Leise schlich er nach draußen. Er hätte auch wie eine Horde Büffel aus dem Zimmer stürmen können, es wäre egal gewesen. Chris war schon vor ihm wach. Er wollte gerade aufstehen und Dean wecken als der von selbst schreiend aufgewachte. Er machte sich Sorgen. Seit Tagen hatte der Freund Alpträume, über die er nie sprach. Dean hatte davor schon hin und wieder mal unruhiger geschlafen, aber das tat wohl jeder. Die Bilder, die sie in ihrer Ausbildung sehen mussten, waren nicht ohne. Allerdings fraßen Dean diese Albträume auf und er sah verdammt schlecht aus, denn er schlief viel zu wenig. Schnell zog sich Chris seine Jacke über und folgte Dean. Seit diese Träume gekommen waren, schlich der Winchester sich immer wieder nachts davon und jetzt endlich wollte Chris wissen wohin. Bislang war Dean nur durch die Gänge gelaufen, doch das reichte ihm nicht mehr. Er brauchte viel mehr Bewegung. Er hatte Sam, immer wenn der joggen gegangen war, für verrückt erklärt. Durch die Dunkelheit hetzen, wenn man friedlich in seinem Bett liegen konnte. Jetzt verstand er ihn. Er fand ein Toilettenfenster im Erdgeschoss, durch das er klettern konnte. Nur kurz schaute er sich um. Der Mond beleuchtete das Gelände und zeigte ihm den Wald, der hinter der Schule begann. Er rannte los. Kaum hatte er die ersten Bäume hinter sich gelassen, verschluckten die Kronen das Licht fast vollständig. Das konnte ihn jedoch auch nicht dazu bringen, seine Geschwindigkeit zu drosseln. Seine Augen hatten sich im Laufe seines Lebens als Jäger daran gewöhnt. Vielleicht wollte er aber auch, dass ein Ast oder eine Wurzel seinen Lauf stoppten. Kurz nachdem er aus dem Koma aufgewacht war, hatte er begriffen, dass Schmerzen seine Wut dämpften konnten, dass sie von Gefühlen ablenkten und Ablenkung brauchte er jetzt dringend. Also hetzte er weiter, ohne darauf zu achten wohin er trat. Das war Chris´ Glück. Ohne die Geräusche, die Dean machte, hätte er ihn schon lange verloren. Immer wieder blieb er stehen, um zu lauschen, wo der Freund war, bevor er ihm weiter folgte. Auf einer kleinen Lichtung blieb Dean stehen und starrte in den Himmel. ‚War es nicht schon schlimm genug Mom auf diese Weise zu verlieren? Warum muss ich es immer wieder sehen? Haben wir nicht schon genug gegeben? Warum darf ich nicht einfach mal glücklich sein?‘, ging es ihm durch den Kopf. „Warum?“, brüllte er in die klare Nacht und bekam keine Antwort. Sein Herz hämmerte in seiner Brust und seine Nerven vibrierten. Vollkommen am Ende lief er weiter, bis er vor einer mächtigen Eiche stand. Er legte die Hände gegen den rauen Stamm. Wie unter Zwang ballte sich seine Rechte zur Faust und er begann sie gegen den Stamm zu rammen. Wieder und wieder schlug er zu, bis Knöchel knirschten. Die Haut platzte auf, doch der Schmerz brachte nicht die erhoffte Erleichterung. Er sackte vor dem Baum in die Knie. Tränen rannen über seine Wangen. So sehr er es auch wollte, gerade fühlte er sich von diesem Beruf und diesem Leben restlos überfordert. Eine Jagd wäre jetzt wohl genau das, was ihn in seinem Leben wieder erden würde. Wenn wenigstens Sam hier wäre! Kapitel 5: Ruby --------------- 005) Ruby Eine Welle der Erschöpfung erfasste ihn. Er kippte gegen den Stamm und war augenblicklich eingeschlafen. >>> „Dean, mein Engel! Du musst keine Angst haben. Dein Weg ist der Richtige.“ Sie setzte sich neben ihn und zog ihn in die Arme. „Mom?!“ Nur zu gerne ließ er sich von ihr halten. Sanft strich sie ihm übers Haar und drückte ihn noch fester an sich. „Es ist alles in Ordnung. Aber du darfst nicht aufgeben. Sam braucht dich. Er ist nicht so stark, wie du denkst. Du bist sein moralischer Kompass, so wie er deiner ist.“ „Ich will aber nicht mehr“, nuschelte er gegen ihre Schulter. Es hatte sich gut angefühlt, umsorgt zu werden, während seiner Amnesie. „Mein Liebling!“ Sie lächelte. „Du wirst immer Verantwortung für Andere tragen. Die kann dir keiner abnehmen. Irgendwann nicht mehr direkt für Sam, aber dann werden da andere Menschen sein, die dich brauchen.“ „Ich habe keine Kraft mehr dazu.“ „Doch mein Engel, die hast du. Mehr als du glaubst.“ Sanft strich sie ihm noch einmal über die Wange. Mit aller Macht klammerte er sich an seine Mom. Dieses Gefühl von Geborgenheit, das nur sie in ihm auslösen konnte, wollte er so lange wie möglich behalten, denn der rationale Teil in ihm, der, der nie wirklich schlief, wusste, dass er träumte. Mit sanfter Gewalt löste sie sich aus seinen Armen. Sie legte ihre Hand auf sein Herz. Wärme breitete sich in ihm aus. „Ich liebe dich, Dean. Ich werden immer bei dir sein. Einer der Engel die auf dich Acht geben. Erinnerst du dich was ich dir jeden Abend gesagt habe, als ich dich in Bett brachte? Ich liebe dich, mein Schatz!“ <<< Sie verschwand im Mondlicht. Deans Körper folgte der Berührung und kippte zur Seite. Er erwachte als sein Kopf schmerzhaft auf einen Ast schlug. „Mom?“ Orientierungslos blickte er um sich. Ganz langsam erwachte ein neuer Tag. Chris stand neben ihm. „Was willst du denn hier?“ fragte der Winchester verwirrt und etwas heiser. Er rieb sich die Augen und stemmte sich umständlich in die Höhe. „Ich hab mir Sorgen gemacht.“ Dean starrte ihn an. Die Kälte des Bodens war in seine Knochen gekrochen. Er fror und doch fühlte er in seinem Inneren einen warmen Punkt. Genau da wo Mary ihre Hand auf seine Brust gelegt hatte. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Vielleicht konnte er ja so dieses Chaos in seinem Inneren auflösen. „Deine Hand.“ Chris deutete auf Deans immer noch blutenden Knöchel. „Du solltest damit zum Arzt.“ Ein knurriges Schnauben, mehr hatte der Winchester für dieses Ansinnen nicht übrig. Er ging zu dem kleinen Bach, der ein paar Meter weiter leise gluckste und wusch sich das Blut ab. Noch lange stand er, starrte auf das leise plätschernde Wasser und versuchte die Bedeutung der Worte seines Traumes zu ergründen. „Dean“, Chris wurde lauter. „Gehen wir!“ „Danke, Mom!“, wisperte Dean leise und wandte sich zu dem Freund um. Auf dem Parkplatz schob Chris seinen Freund zum Auto. “Wir fahren zum Arzt.“ Wütend starrte Dean ihn an, nickte dann aber und ließ sich widerwillig auf dem Beifahrersitz fallen. Mit bandagierter Hand und der Gewissheit, dass nichts gebrochen war, kamen sie pünktlich zum Unterricht zurück. Doch bevor Dean das Schulgebäude betrat, zog er sein Handy aus der Tasche und rief Sam an. Ohne sich darum zu scheren, dass Chris anwesend war und ihm zuhörte, berichtete er mit wenigen Worten von seinen Träumen und von Moms Besuch. „Ich glaube, sie beschützt dich“, war alles was Sam dazu sagte und doch drückten diese wenigen Worte so viel mehr aus, was wohl nur Dean wirklich verstehen konnte. „Es tut mir leid, Sammy!“ Dean wusste, wie sehr sich Sam wünschte ihre Mom wenigstens einmal sehen zu können, sie kennengelernt zu haben und mit einem Mal fühlte er sich schuldig. „Nein, Dean. Das muss es nicht. Ich würde sie wahrscheinlich nicht einmal erkennen, wenn sie vor mir stände.“ „Doch“, Dean lächelte verliebt. „Sie ist so viel schöner, als auf den Fotos. Sie ist ...“ „Mom“, lachte Sam. „Gab es da nicht ein Wort dafür, dass ein Sohn seine Mutter ...“ „Sam!“, konterte Dean entsetzt. „Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast“, sagte Sam. „Ich wünsche dir einen schönen Tag.“ „Dir auch.“ Er stopfte sein Telefon in die Hosentasche zurück. „Deine Mom hing an der Decke als sie starb?“, brachte sich Chris zurück in Deans Bewusstsein. „Es ist ein Albtraum, Chris. Sie starb im Feuer. Ich war vier und habe Sam aus dem Haus getragen, während unser … Vater versuchte sie zu retten. Ich sah sie zuletzt, als sie mich ins Bett brachte und mir eine Gute-Nacht-Geschichte erzählte.“ Trauer huschte über sein Gesicht. Er wandte sich ab und stapfte ins Haus. Chris schaute ihm nach, bevor er ihm folgte. So viel hatte Dean noch nie von sich preisgegeben und auch wenn er immer mehr über seinen Kamerad wissen wollte, so wünschte er sich jetzt, das nie erfahren zu haben. Er wusste zwar, dass Deans Mutter früh gestorben war. Dass es bei einem Feuer war, war furchtbar, erklärte aber auch Deans Verbissenheit genau diesen Beruf zu erlernen. Wieder ging es durch eine Flammenhölle, doch dieses Mal, das konnte Dean fühlen, würde es ihn nicht bis in seine Träume verfolgen. Dieses und alle folgenden Male würde das Feuer das lauernde Grauen in seinen Erinnerungen nicht mehr erreichen und entfachen können. Es war, als hätte seine Mom einen Schutzschild um sein Innerstes errichtet. Am Abend standen Chris, José, Tyron, Josés Zimmerkamerad, und Dean nach ein paar Runden Poker in ihrem Pup an der Theke und tranken noch ein Bier. Plötzlich stellten sich Dean Nackenhaare auf. Er wollte sich gerade zur Tür umdrehen als er einen warmen Atem an seinem Ohr spürte. „Hey!“ Dean fuhr herum. „Ruby“ keuchte er, zwischen Freude und der Abscheu, die ihr wahres Ich immer noch in ihm hervorrief, hin und her schwankend. Würde er sich daran jemals gewöhnen? Mit aller Macht zwang er sich, nur die äußere Ruby zu sehen. Die Frau, die ihm immer wieder das Leben rettete. Ein Lächeln kräuselte seine Mundwinkel. „Hey!“ „Wollte mal sehen wie´s dir geht.“ Sie musterte ihn intensiv. Wieder einmal hatte sie seine Gefühlsachterbahn mitbekommen, es aber als nicht lebensbedrohend eingestuft. Erst letzte Nacht, als sie fühlte wie sich eine große innere Ruhe in ihm ausbreitete, entschied sie, doch mal nach dem Rechten zu sehen. „Was ist mit deiner Hand?“ Sie deutete auf den Verband. „Deswegen bemühst du dich extra hier her?“ Dean musterte skeptisch. „Du liegst mir eben am Herzen.“ Dean schüttelte den Kopf. Sie war mehr als eine gute Freundin. Sie war da, wenn er sie brauchte, auch wenn er manchmal davon kaum etwas mitbekommen hatte und doch war sie ein Dämon, ein ganz besonderer Dämon, ja, aber eben doch ein Dämon. „Du hättest nicht herkommen müssen“, erklärte er lapidar. „Ich bin okay.“ Ruby musterte ihn stumm, bevor sie antwortete: „Das bist du wirklich.“ Sie nickte mehr sich selbst zu. „Jetzt ja.“ Dean lächelte. Er wusste, dass er ihr nichts vormachen konnte. „Danke“, sagte er leise. Sie lächelte ebenfalls, nickte, wandte sich von ihm ab und ging zur Tür. Kurz bevor sie die Bar verließ, drehte sie sich noch einmal um und warf ihm eine Kusshand zu. Gleich darauf war sie verschwunden. Dean runzelte die Stirn. Was hatte den das zu bedeuten? „Sie ist heiß!“, ließ sich Tyron vernehmen. Dean brauchte eine Weile, bis er begriff, wovon er sprach, dann musterte er ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Aber absolut nicht dein Kaliber, glaub mir. Mit ihr solltest und willst du nichts anfangen.“ „Willst du sie für dich haben?“, hakte Tyron nach. „Warum hast du sie uns noch nie vorgestellt?“, fragte Chris. „Ist sie deine Freundin?“, wollte Jose´ wissen. Dean starrte in sein Bier. Was war Ruby für ihn? Freundin, Vertraute, Lebensretterin! Mindestens zwei Mal hatte sie ihn vor dem Tod bewahrt. Jemand, der immer da zu sein schien, wenn in seinem Leben etwas quer lief und sie helfen konnte. Und ja! Eine Freundin! „Ruby ist eine Freundin. Eine sehr gute Freundin, der ich jederzeit mein Leben anvertrauen würde“, sagte er heiser und holte das Handy aus der Tasche. Er drückte eine Taste und ging mit dem Telefon am Ohr nach draußen. „Ruby war hier“, informierte er seinen kleinen Bruder, kaum dass der abgenommen hatte. „Geht´s dir gut?“, fragte Sam besorgt. „Ich bin okay.“ „Dann wäre sie nicht da gewesen!“, schlussfolgerte der Jüngere zielsicher. Dean nickte. „Es ist einfach nur … ungewohnt. Immer noch!“ „Der Lehrgang? Du hattest schon einen.“ „Nein, das ist es nicht, nicht wirklich. Es ist alles andere. Es, ich bin wieder ich. Das konnte ich beim letzten Lehrgang nicht von mir behaupten. Ich ...“ „Dir fehlen die Kämpfe und das von Ort zu Ort fahren? Das Jagen?“ „Auch das.“ Sam lächelte. „Du hast Heimweh.“ „Mein … unser Heim ist abgebrannt.“ „Ich meinte eigentlich den Impala. Vielleicht solltest du mal eine Runde drehen?“ „Das ist nicht dasselbe, wie mit dir ...“ „Du wirst sentimental“, schnaubte Sam amüsiert und setzte noch ein „alter Mann“, hinterher. „Vielleicht hast du Recht!“ Er holte tief Luft. „Wir gehen seit Tagen durch´s Feuer. Im wahrsten Sinne des Wortes und nachts … Ich seh Mom oder Jess oder dich und ...“ Sam wartete, bis sein Bruder weitersprach, denn er konnte hören, dass das noch nicht alles war. „Ich hab´s dir ja heute morgen schon erzählt.“ Sam schluckte. Wenn es Dean noch immer bewegte, wie schlimm war es dann wirklich? „Das klingt nicht gut. Ich meine nicht, dass Mom da war, aber der Rest. Soll ich doch mal auf ein Wochenende kommen?“ „Nein, das schaff ich, denke ich … Es ist … Wir haben weder das Geld noch die Zeit. Ich … Es ist kompliziert“, gab Dean leise zu. „Unser Leben war noch nie wirklich einfach“, erwiderte Sam, „Das Geld könnte ich von Bobby kriegen. Außerdem arbeite ich noch und kriege ein bisschen was. Und lernen könnte ich auch im Flugzeug.“ „Ich weiß. Aber ich schaffe das. Ich muss es. Für mich.“ Sam nickte. Auch wenn das in Deans Ohren wahrscheinlich bekloppt oder egoistisch klingen mochte, er konnte ihn verstehen und ein kleines Bisschen freute er sich auch, die Zeit nicht im Flugzeug verbringen zu müssen und stattdessen in Sioux Falls bleiben zu dürfen. „Beamen müsste man können“, wünschte sich Dean leise. Sam grinste. „Das wäre ein Fortschritt. Vielleicht hättest du Ruby fragen sollen?“ „Was? Wieso sie?“ „Dämonen können sich beamen.“ „Nee, lass mal lieber. Mir reicht noch die Erfahrung, damals mit diesem Engel. Mir war tagelang schlecht.“ „Castiel meinst du?“ Ja.“, Dean schüttelte den Kopf. „Nein. Du hast Recht. Ich will das auch nicht unbedingt erleben. Ich denke ...“ Er atmete durch. „Tu was du nicht lassen kannst, aber du weißt dass du immer auf mich zählen kannst, wenn du mich brauchst. Du musst nur Bescheid sagen!“ „Das mache ich, Sammy. Hoffe ich.“ Dean räusperte sich. „Grüß Jody und Bobby.“ Es hatte gut getan, mit Sam zu reden. Er stopfte das Handy in die Hosentasche und ging in die Bar zurück. Er nahm sein Bier und trank es in einem Zug leer. Die fragenden Blicke seiner Begleiter ignorierte er. Während Sam in der folgenden Woche in der ersten Abschlussprüfung eines Kurses schmorte, durfte Dean ein weiteres Mal durchs Feuer gehen und jetzt, wo ihn seine Albträume nicht mehr quälten, freute er sich erst richtig darauf, denn das Feuer war, als ob er Geister oder Dämonen jagen würde. Er wusste nie wann oder wo es auftauchen würde. Es blieb gefährlich und forderten seine Instinkte heraus. Das war wirklich genau der Beruf, den er für den Rest seines Lebens machen wollte und konnte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Er fühlte sich bei diesen Übungen schon großartig. Wie musste das erst sein, wenn er wirklich Brände löschen und Leben retten konnte? Wie üblich teilten die Lehrer ihre Schüler in Zweierteams ein. Heute sollte Dean mit Martin einen Löschtrupp bilden. „Ich gehe voran!“, erklärte Bender ihm auch gleich und stemmte die Arme in die Hüften. Dean zuckte mit den Schultern. Sollte er es tun. Er riss sich nicht um die Führungsrolle, auch wenn sich jeder andere in der Klasse automatisch seinen Anweisungen unterordnete. Er wusste nicht, dass sie schon ein paar Mal beobachtete hatten, wie er instinktiv dem Feuer auswich und seinen Partner schützte. Mit ihm fühlten sie sich sicherer. Natürlich sah Bender das nicht so, schließlich hielt er sich für den besten Feuerwehrmann auf Gottes weiter Erde. Er stürmte voran, sagte Dean wo er löschen sollte und wäre in eine Flammenexplosion gelaufen, hätte der ihn nicht zurückgezogen. Nur ein einziges Mal mischte sich Captain Smith in diese stumme Anerkennung von Deans Führungsrolle ein und bestimmte dass José, als der ein Team mit Dean bildete, die Führung übernahm. Er wollte sehen wie der sich als Teamchef machte und wie Dean mit Anweisungen umging. Beide gaben ihm keinen Grund für seine leisen Bedenken. Das Beste Team des Lehrganges waren jedoch Christopher Saintclair und Dean Winchester. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass es bei schwierigen Aufgaben immer wieder, nachdem zwei oder drei Teams mehr oder weniger Fehler gemacht hatten, hieß: „Saintclair, Winchester – dann zeigen sie mal wie es geht.“ Kapitel 6: babtism by fire -------------------------- 006) babtism by fire Die Wochen vergingen und Dean fieberte dem Ende seiner Ausbildung entgegen. Er wollte endlich ein richtiger Feuerwehrmann sein, endlich wieder Leben retten, endlich im richtigen Leben voll durchstarten. Wenn da nicht die Wochen alleine in Bloomington, ohne Sam, wären. Er wollte nicht alleine sein, wollte endlich nicht mehr nur mit Sam telefonieren müssen, oder mit Bobby oder Jody. Aber all das wäre ja noch zu ertragen gewesen, wenn seine Kameraden nicht immer wieder lautstark verkünden würden, dass ihre Familien zur Abschlussfeier kommen würden. Seine Familie würde nicht kommen und rational wollte er das auch nicht. Sam steckte in seinen eigenen Prüfung und die waren für sein weiteres Leben entscheidend. Tief in ihm drin jedoch, schmerzte es und so war es kein Wunder, dass seine Laune in den letzten zwei Wochen des Lehrganges immer weiter sank und es half auch nicht, dass er sich immer wieder sagte, dass es nur drei Wochen dauern würde, bis sein Bruder umzog. Selbst die Telefonate mit Sam wurden immer kürzer und immer einsilbiger. „Was ist los?“, wollte Sam nun schon zum wiederholten Mal wissen. „Nichts, ich …“ Dean holte tief Luft. „Ich bin okay!“ Jetzt war es an Sam tief durchzuatmen. „Du weißt schon, dass ich weiß, dass du weißt, dass der Satz ...“ „Hm“, grummelte Dean. „Deswegen benutze ich ihn ja.“ Er rieb sich frustriert den Nacken. „Ich will dass du zu meiner Abschlussfeier kommst und ich will zu deiner kommen und nicht von all dem wird passieren, weil wir viel zu weit auseinander leben und weil du Prüfungen hast, die für dich und deine Zukunft wichtig sind und weil ich sofort nach den Prüfungen anfange zu arbeiten und mir in der nächsten Zeit auch kein Urlaub zusteht. Es ist zum Haare raufen und ich frage mich immer wieder, warum ich im Januar nicht einfach gesagt habe, dass ich erst erst den zweiten Kurs machen kann!“ Frustriert lief Dean während dieses Monologs hin und her. „Weil du genauso wie ich diese Chance ergreifen musstest. Wer weiß, ob du noch eine zweite bekommen hättest“, versuchte Sam zu erklären. „Und wenn nicht? Ich hätte immer noch als Rettungssanitäter arbeiten können!“ „Das wäre aber kein Ersatz gewesen. Dean! Du hättest die Feuerwehr vor Augen und immer mit dir gehadert, dass du diese Chance nicht ergriffen hast. Komm schon. In einem Jahr lachen wir darüber und sind glücklich mit dem, was wir dann haben!“ ‚Ein Jahr kann verdammt lang werden, oder verdammt kurz‘, überlegte der Ältere und schob die aufkommenden Erinnerungen schnell beiseite. „Dein Wort … „, begann er stattdessen. „Nein besser nicht. Der schanzt mir immer nur das zu. Was ich partout nicht will.“ Sam schnaubte vergnügt. Er wusste etwas, das Dean nicht wusste, und das er ihm auch nicht verraten würde, auch wenn es gerade sehr schwer war und ihm die Flugkarten ein Loch in die Tasche zu brennen drohten. Jody, die in der Küche stand und das Gespräch mehr ober weniger verfolgt hatte, grinste breit. „Sam! Essen!“, rief sie gedämpft. Nicht dass er doch noch … Der Winchester drehte sich zu ihr um nickte ihr dankbar zu. „Ich muss Schluss machen. Sie warten mit dem Essen“, verabschiedete er sich von Dean. „Geh!“, erwiderte der heiser. „Und sei dir gewiss, dass ich hier vor Neid zerfließe!“ „Es tut mir leid, dass du nicht hier bist, aber es tut mir gerade alles andere als leid, dass ich hier bin und ich würde auch gerade nicht mit dir tauschen wollen“, erklärte Sam grinsend. Jody starrte den jüngeren Winchester mit großen Augen an. „Bis du gemein!“, formte sie lautlos. „Genieße es ruhig“, grummelte Dean. „Bald bis du auch in Indiana und dann musst du mit meinen Kochkünsten klarkommen.“ „Besser, als wenn ich das Kochen übernehme“, lachte Sam und Dean schnaubte kurz. „Bis morgen,Dean!“, verabschiedete er sich und legte auf. Dean starrte sein Handy an, dann stopfte er es in die Hosentasche und atmete noch einmal durch. Und jetzt? Wenn er sich hinsetzen und lernen würde, würde das seinen Leistungen vielleicht helfen, aber selbst das bezweifelte er, denn er war sich sicher, nicht stillsitzen zu können, schon gar nicht mit den Erinnerungen, die er gerade an die Oberfläche gespült hatte. Er ging zu seinem Schrank, zog sich um und flüchtete aus dem Zimmer. Über zwei Stunden später kam er vollkommen verschwitzt, verdreckt und erschöpft zurück. Er kramte seine Kleidung hervor und ging duschen. Danach wollte er nur noch ins Bett und schlafen. Chris beobachtete ihn misstrauisch. Zu gut war ihm noch Deans Aktion in Erinnerung, als der sich mit Albträumen herumschlug. „Du hast jetzt aber nicht wieder auf Bäume eingeschlagen und solltest in ein Krankenhaus?“, empfing er ihn, als er aus dem Bad kam und hielt ihm ein Bier hin. „Nein, ich ...“, Dean trank einen Schluck. „Ich bin okay.“ „Und warum bist du dann zwei Stunden durch den Wald gehetzt?“ „Bin ich nicht. Ich war auf dem Parcours.“ Dean schüttelte den Kopf und musterte Chris. Warum sollte er sich rechtfertigen? Chris war ein Kamerad, ein angehender Feuerwehrmann, wie er und vielleicht auch ein Freund. So genau wusste er das noch nicht. Aber er wusste, dass ihm eine Freundschaft nicht in den Schoß fallen würde und so wie Chris ihn musterte, machte der sich Sorgen. „Ich konnte einfach nicht mehr nur rumsitzen. Ich bin es gewohnt mich zu bewegen. Sam meinte immer mal wieder, dass ich hyperaktiv wäre. Es ...“ Dean setzte seine Flasche an und trank sie in einem Zug leer. Schon die Erwähnung Sams schmerzte. Er stellte die Flasche ab, nahm sich ein Buch vom Tisch und verzog sich auf sein Bett. Er wollte diese Schule hier endlich beenden, er wollte endlich Feuerwehrmann sein und er wollte hier nie weg, weil er es immer noch hasste allein sein zu müssen. Dabei war es ja noch nicht mal für lange! Er war wohl doch ein Fall für einen Psychiater. Wahllos schlug er eine Seite auf und begann zu lesen. Chris musterte ihn noch einmal und kam zu keinem Schluss. Dean war widersprüchlich. Mal sprühte er vor guter Laune und mal war es, als ob er in einem tiefen schwarzen Loch steckte. Er redete nie über das was ihn quälte und er war sich noch immer nicht sicher, wer Sam wirklich war und wie Dean zu ihm stand. Er würde wohl noch Tage hier stehen können und nicht einem Millimeter weiter kommen, also trank er sein Bier aus und folgte Deans Beispiel. Am folgenden Morgen betrat Captain Talbot den Schulraum. Er ließ seinen Blick über die angehenden Feuerwehrmänner wandern, die ihn mehr oder weniger aufmerksam musterten. Kurz blieb sein Blick an dem Winchester kleben, bevor er weiterwanderte. Nur durch Zufall hatte er dessen Marathon gestern Abend gesehen und sich überlegt, dass er das wohl mal wieder mit einbauen sollte, auch wenn sie jeden Tag eine Stunde Sport hatten, schien zumindest einigen diese Bewegung nicht zu reichen und dem Rest konnte es nicht schaden. „Meine Herren“, begann er also. „ab heute werden wir jeden Tag eine Runde über den Parcours drehen. Wir wollen sie doch topfit in den Berufsalltag entlassen. Aber ich will mal nicht so sein, sie dürfen sich aussuchen, wann wir den in Angriff nehmen.“ „Sofort!“, brüllte Bender, der eine weitere Chance witterte, um sich als der Beste hervorzutun. „Mr. Saintclair, was denken Sie?“, fragte der Captain. „Vorm Mittag?“ „Mr. Winchester?“ „Vorm Mittag oder zum Schluss.“ Der Captain fragte noch ein paar andere der Klasse und entschied letztendlich, dass sie vor dem Mittag rausgehen würden, so wie es die Mehrheit entschieden hatte. Bender war sauer, weil es wieder einmal nicht nach seinem Willen gegangen war. Verdammter Winchester! Daran war bestimmt nur der schuld! „hast du mit dem Captain gesprochen, gestern?“, fragte Chris leise. „Nein, warum sollte ich. Ich kann mich auch alleine quälen, dazu brauche ich keinen Aufpasser.“ „Die Herren Winchester und Saintclair möchten nachher auf dem Parcour beginnen?“, riss der Captain die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Und sie möchten den gestriegen Stoff zusammenfassen?“ Wollten beide nicht wirklich, aber es war auch kein Problem für sie. Schnell vergingen die letzten Tage und die von allen ersehnt letzte große Abschlussprüfung stand den angehenden Feuerwehrmännern bevor. Gemeinsam gingen die Prüflinge an dem Haus vorbei, in dem sie wieder und wieder geübt hatten. Dean musterte den Betonbau. Er sah die verrusten Fensteröffnungen und das halb eingestürzte Dach. ‚Wenn ich noch das ich von vor etwas mehr als einem Jahr wäre, würde ich dem Haus mit Weihwasser und einem Exorzismus zu Leibe rücken. Ist doch nicht normal, wie oft das hier brennt‘, überlegte er und grinste kurz. „Immer hinein spaziert“, wies Captain Talbot die jungen Männer an, in einen Container zu gehen. „Setzen sie sich.“ Er nahm eine Schüssel und ein blickdichtes Glas. „Jeder zieht ein Los, schaut drauf und wirft es in das Glas hier. Kein Wort zu irgendwem. Sie werden schon merken, mit wem sie die Abschlussprüfung machen werden.“ Dean zog die 7. Das hieß lange warten. Die Prüfung sollte pro Team etwas zwanzig Minuten dauern. Dann eine viertel Stunde Aufbau für die Nächsten. Er lehnte sich an die Wand in seinem Rücken, schloss die Augen und war trotz der Aufregung vor dieser Prüfung schon bald eingeschlafen. Captain Talbot schüttelte den Kopf. Langsam lehrte sich der Container. Chris und Dean warteten noch auf ihren Einsatz, genau wie Jose, Bender, Tyon und drei weitere Klassenkameraden. Chris Blick wanderte über Bender und er hoffte, dass er nicht mit dem seine Prüfung machen musste. Wieder wurden zwei nach draußen gerufen und wieder war Bender nicht darunter. „Sieben!“, gab der Captain nach einer reichlichen dreiviertel Stunde durch und Chris und Dean erhoben sich. Sie schauten sich kurz an und dann legte sich ein Strahlen auf beide Gesichter. „Dann lass uns das mal rocken“, kommentierte Chris und knuffte seinen Kumpel in den Oberarm. „Die Zwei kann wohl nichts trennen“, stöhnte Talbot in sein Mikro. „Dann lasst mal unser Dreamteam zeigen, was es kann.“ Captain O´Leary nahm die Beiden in Empfang. Er deutete auf den Ständer mit den Schutzausrüstungen. „Dann mal los. Es werden Personen im Haus vermutet“, gab er ihnen die Aufgabe. „Sie haben zwanzig Minuten Zeit sie zu bergen!“ die Beiden nickten. Sie zogen sich an, kontrollierten gegenseitig den richtigen Sitz und gingen zur Eingangstür. Dean legte seine Hand an das Türblatt. Es fühlte sich normal an. Das Feuer sollte also noch nicht direkt dahinter wüten. Ein kurzer, aber heftiger Tritt und nichts rührte sich. ‚Gut!‘ Er versuchte den Türknauf und rammte mit der Schulter dagegen. Da liet innen was dagegen“, informierte er Chris. Gemeinsam stemmten sie sich gegen das Türblatt und schoben sie langsam auf. Dean huschte hinein und drückte sich neben der Tür an die Wand, nicht dass das Feuer gerade durch den Sauerstoff angefacht wurde. Chris wartete mit dem Schlauch im Anschlag. Als jedoch nichts passierte, betraten sie das Haus. „Hier ist die Feuerwehr. Ist hier jemand? Bitte Melden Sie sich!“, brüllten sie in die ersten beiden Räumen. Es meldete sich niemand. Sie verständigten sich mit einem Blick, dann begann Dean diesen Raum zu durchsuchen, während Chris sichernd in der Tür wartete. „Hier scheint es ausgebrochen zu sein“, erklärte Dean dem Freund und leuchtete an die Wand über dem Herd. Chris nickte. Nacheinander durchsuchten sie die Räume des Erdgeschosses. „Hoch oder runter?“, wollte Chris wissen. „Hitze und Rauch gegen nach oben“, überlegte Dean. „Also erst hoch“, beendete Chris den Satz und Dean nickte. Sich abwechselnd durchsuchten sie erst das Obergeschoss und gingen dann weiter unters Dach. Hier fanden sie einen Mann, der wohl bewusstlos war. Dean kontrollierte den Puls und die Atmung und schob ihm seine Reservemaske über das Gesicht. „Du suchst weiter, ich bleibe hier“, Dean deutete auf die nächsten zwei Räume, dann kommst du her und ich mache weiter?“ Chris nickte und wandte sich ab. Deans Blick wanderte über den Dummy. „Sag mal, wieso kommst du eigentlich immer wieder her? Dich haben doch heute bestimmt schon mindestens fünf Teams aus diesem Flammeninferno geholt“, stellte er leise grinsend fest. „Hast übrigens eine ercht beschissene Wohnung. Ich hoffe die Miete ist nicht so hoch.“ Im hintersten Zimmer fand Chris einen weiteren Dummy, diesmal eine Frau, die gegen die Fensterwand gepresst am Boden hockte. In ihren Armen hielt sie eine täuschend echt aussehende Babypuppe. „Zwei Personen gefunden“, gab Chris per Funk an den Einsatzleiter durch. „Ma´am? Hier ist die Feuerwehr.“, machte er auf sich aufmerksam und ging zu der Frau. „Ich bringe Sie hier raus.“ Er kontrollierte ihre Vitalzeichen und setzte ihr seine zweite Sauerstoffmaske auf. Leider hatte er nur eine. Also nahm er ihr das Kind vorsichtig aus den Armen und schob es unter seine Jacke. Dort war es relativ sicher. „Dann los“, informierte er die Frau und schleppte sie und das Kind zu Dean zur Treppe. Kapitel 7: School´s out ----------------------- 007) School´s out Er ließ die Frau gegen die Wand gelehnt sinken.“Willst du oder soll ich weitersuchen?“, fragte er den Winchester. Dean deutete auf das Baby und antwortete: „Ich gehe. Kannst du dich auch um den Mann hier kümmern. Er ist immer noch nicht bei Bewusstsein.“ Chris nickte. Er schob die Frau näher an ihren Partner und hockte sich so vor die Beiden, dass er sie und das Baby vor den Flammen abschirmen konnte. Immer wieder wechselte er seine Zweitmaske zwischen den drei Dummys hin und her. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, kam Dean wieder. „Alles sauber“, erklärte er. Chris nickte und wechselte die Maske wieder zu der Frau. „Wie machen wir das jetzt?“ Kurz überschlug Dean ihre Möglichkeiten. „Kommst du mit ihm klar?“, fragte er dann und deutete auf den 80 Kilo Dummy. „Ich denke schon“, nickte Chris. „Gut!“, nickte Dean. Er trat zu der Frau und setzte ihr seine Zweitmaske auf. „Gibst du mir den Zwerg?“ Chris reichte ihm das Baby und Dean schob es in seine Jacke und setzte ihm seine Maske aufs Gesicht. Er schloss seine Jacke zu weit es ging. Unter seinem Helm trug er, wie alle Feuerwehrmänner eine Art Skimaske, die er sich jetzt über Mund und Nase zog. Dann hockte er sich neben die Frau, legte ihren Arm über seine Schulter, umfasste ihre Hüfte mit der anderen Hand und stand auf. Chris musterte ihn die ganze Zeit aufmerksam. „Das geht“, erklärte Dean ruhig. „Das Kleine wird vom Gurt der Sauerstoffflasche gut gehalten.“ Jetzt erst ging Chris zu dem Mann und zog ihn auf ähnliche Weise in die Höhe. „Gehst du vor?“, fragte Dean seinen Partner. „Okay“ Chris nickte und wandte sich der Treppe zu. Die Treppe war schwierig zu meistern, da sie sich durch den dichten Rauch kämpfen mussten und Dean der Rauch, trotz Stoff vor dem Mund immer öfter zum Husten reizte. Gerade als das hellere Viereck der Tür vor ihnen auftauchte und Dean dachte, sie hätten es geschafft, krachte ein Teil von der Decke. Dean drehte sich blitzschnell um und drückte die Frau und das Kind an die Wand, um ihn zu schützen. „Alles okay bei dir?“, fragte Chris während er versuchte dem Mann mit seinem Körper zu schützen. „Ja, geht schon.“ Chris schob sich zu seinem Partner. Aufmerksam musterte er ihn, bevor er ihm die Hand auf den Arm legte. „Du wartest, ich räume den Weg frei.“ „Aber ich ...“ Energisch schüttelte Chris den Kopf. „Ich gehe!“ Er blickte kurz von der Frau zu dem Mann, zu Dean und machte sich dann daran, ihnen einen Weg nach draußen zu schaffen. Ein paar Mal wechselte Dean die zweite Maske zwischen dem Mann und der Frau hin und her, dann war Chris wieder an seiner Seite. Er half dem Mann die Maske aufzusetzen. „Können wir?“ Dean nickte. Er atmete noch einmal durch seine Maske und stülpte sie dann wieder auf das Kindergesicht. Bis nach draußen sollte er es schaffen. Vier Schritte hatten sie noch von der rettenden Außenwelt getrennt. Sie legten die geretteten auf die bereitstehenden Trage und Dean übergab das Baby an eine Sanitäterin. Er setzte sich seine Maske wieder auf, atmete tief durch und musste husten. „Los“, sagte er, kaum dass er sich beruhigt hatte. „Der Keller wartet.“ Chris nickte und schon waren sie auf dem Weg zurück ins Haus. Doch hier gab es kaum etwas zu löschen und auch niemanden mehr zu retten. Sie konnten den Einsatz beenden. Noch immer hustend kam Dean wieder im Freien zu Atem. „Sie dürfen Ihr Leben nicht aufs Spiel setzen. Sie hätten Ihre Atemmaske nicht abgeben dürfen“, empfing Lt. Smith den Winchester. „Dann wäre das Kleine vielleicht erstickt“, antwortete der Winchester. Er wollte nicht verstehen, warum sein Leben mehr wert sein sollte, als das jedes anderen Menschen. Jeder Gerettete war wichtig. Das hatte er oft genug von John eingebläut bekommen und dem stimmte er auch heute noch vorbehaltlos zu. Auch wenn er wohl noch daran arbeiten musste, nicht jedes Menschenleben über seines zu stellen. Doch das war sein Problem und davon wusste hier niemand. „Sie sind gut ausgebildet und könnten danach vielleicht nie wieder als Feuerwehrmann arbeiten!“ „Das Baby könnte ein Heilmittel gegen Krebs finden, oder gegen Aids und viel mehr Menschen retten als ich es je könnte.“ Lt. Smith schaute ihn eindringlich an. Hier musste er anders vorgehen. Das hatte er bei dem schon gemerkt. Das eigene Leben schien ihm nicht viel wert zu sein. „Vielleicht“, erklärte er. „Vielleicht auch nicht. Es könnte auch ein Massenmörder werden. Sie sind gut ausgebildet. Wenn Sie berufsunfähig sind, können Sie niemanden mehr retten und damit auch keinen vielleicht mal Nobelpreisträger.“ „Okay“, Dean ließ den Kopf hängen. „Ich werde beim nächsten Mal daran denken.“ Er nickte und ging zu Chris, während Shmith zu Lt. Talbot trat. „Er hat das Herz am rechten Fleck.“ meinte Lt. Talbot. „Ja, aber er kann nicht immer mit dem Kopf durch die Wand, auch wenn er damit vielleicht irgendwann einmal ein zusätzliches Leben retten sollte. Er muss lernen, dass sein Leben das wichtigere ist.“ „Stimmt schon, aber er kann führen und er scheint das Feuer fühlen zu können. Solche Leute brauchen wir. Die sind selten.“ „Trotzdem muss er einige Grundregeln einhalten.“ „Das wird er lernen, da bin ich mir sicher.“ „Hoffen wir es“, erwiderte Lt. Smith und ging in sein Büro. Aufmunternd schlug Chris seinem Kumpel auf die Schulter. „Wir sind durch“, sagte er und öffnete die Tür zu dem Raum,. In dem alle Prüflinge wartete, die die Aufgabe vor ihnen zu meistern hatte. Mir lautem Gejohle wurden sie empfangen. „Jetzt sagt nicht, dass ihr die Prüfung zusammen anlegen durftet“, begann David lachend. „Wir hatten beide die 7 gezogen“, erklärte Chris ruhig. „Ihr seid echt nicht zu trennen“, erklärte Marcus ebenfalls lachend. „Dabei hatten sich fast alle hier gewünscht mit einem von euch da durch zu müssen.“ Dean schaute fragend. „Ihr seid doch alle nicht schlechter als wir.“ „Das ja vielleicht nicht, aber mit euch wäre es einfacher gewesen! Keiner hier kann das Feuer fühlen.“ „Ich kann ...“ begann Dean, brach dann aber ab, zuckte mit den Schultern und ließ sich dann auf einen Stuhl fallen, wo er die Beine ausstreckte und den Unterhaltungen der Anderen zuhörte. Tyron hatte den schwarzen Peter gezogen. Er musste seine Prüfung mit Bender absolvieren. Als er nach dem das Zimmer betrat, verdrehte er nur kurz die Augen und ließ sich neben seinem Mitbewohner, José, fallen. Endlich waren auch die Letzten da. Lt. Talbot folgte ihnen auf dem Fuße. „Sie haben alle diese Prüfung bestanden. Das schon mal vorab“, begann er, weil er wusste, dass das die brennendste Frage war. „Wenn auch nicht alle gleich gut, doch dazu bei der Zeugnisvergabe mehr. Morgen haben sie frei. Wir sehen uns dann am Freitag Morgen pünktlich im Klassenraum. Viel Spaß morgen“, sagte er und verließ den Raum wieder. Die angehenden Feuerwehrmänner klopften sich gegenseitig auf die Schultern und beschlossen diesen Abend im Pub ausklingen zu lassen. Nur Martin Bender wollte nach Hause fahren, weil seine Mutter Geburtstag hatte, wie er erklärte. Dem Rest der Truppe war es egal. Ihn würde an diesem Abend sicherlich niemand vermissen. Den nächsten Tag wollten Dean, Chris, José und Tyron in aller Ruhe ausschlafen, irgendwo essen gehen und dann schauen, was der Abend brachte. Frustriert schaute Sam an diesem Mittag aus dem Seitenfenster, während Bobby seinen Wagen zurück zum Schrottplatz lenkte. Eigentlich hätten sie jetzt schon fast im Flieger nach Indianapolis sitzen sollen! Er hatte sich das Ganze so schön ausgemalt. Er hatte sich so auf Deans Gesicht gefreut und darauf heute Abend mit ihm das eine oder andere Bier zu trinken und endlich diesen Chris kennenzulernen. Sogar seine Bücher hatte er eingepackt, damit er während des Fluges lernen konnte. Und dann erfuhren sie beim Einchecken, dass die Maschine überbucht ist und eine ältere, Dame wollte er den Drachen nun wirklich nicht nennen, deren Familie nicht mit diesem Flug mitgenommen werden sollten, hatte den halben Flughafen zusammengekreischt. So laut und schrill, dass sie eigentlich froh waren, dass sie einen anderen Flug nehmen, sogar dass sie das Gebäude verlassen konnten, nur um diesem Ton zu entkommen. Trotzdem war er sauer. Zurück auf dem Schrottplatz wollte er sich sofort in sein Zimmer verziehen. „Sam, es ...“, begann Jody, als er einen Fuß auf der Treppe hatte. „Lass gut sein. Rein aus Vernunftgründen verstehe ich es. Emotional bin ich dazu allerdings nicht in der Lage und mehr als frustriert! Und da ist es egal, dass ich in vier Wochen nach Bloomington ziehe. Ich habe mich auf Dean gefreut, wollte sein verdutztes Gesicht sehen, und ...“ „Das wirst du morgen auch noch können!“ „Aber ich kann morgen eben nicht in aller Ruhe einen mit ihm trinken gehen! Und sagt mir nicht, dass ihr nicht auch frustriert seid!“ „Sind wir, Sam. Sind wir“, entgegnete Bobby. „Und deshalb hole ich jetzt erstmal eine Whiskey. Willst du auch einen?“ „Nein, lass mal. Der würde es nur schlimmer machen“, winkte Sam ab und ging jetzt endgültig nach oben. Der Tag der Abschlussfeier war gekommen. Chris schloss die Tür zu ihrem Wohnheimzimmer ab und schob den Schlüssel in die Hosentasche. „Na los“, sagte er mehr zu sich selbst als zu Dean. „Lass uns frühstücken.“ Wehmut machte sich breit. „Du willst wirklich heute noch fahren?“ Dean nickte. „Was soll ich alleine hier rumsitzen? Ihr seid alle mit euren Freunden und Familien verabredet und feiert euren Abschluss.“ „Du hättest mit zu meiner Feier kommen können.“ „Nee, lass mal. Es ist deine Feier.“ „Und du bist mein Freund!“ „Trotzdem kenne ich niemanden. „Ich fahre nach Bloomington und suche mir ein hübsches Zimmer und erkunde die Stadt.“ Chris nickte nur. Immerhin blieb ja die Hoffnung, dass sie sich öfter sehen würden. Beide würden sie in Bloomington arbeiten. Zur gleichen Zeit gingen Bobby, Jody und Sam durch die Flughalle zum Check in. „Wenn die heute wieder von Überbuchung anfangen, schreie ICH die Halle zusammen“, knurrte Sam leise. Jody legte ihm ihre Hand auf den Arm. „Musst du nicht. Ich verhafte sie wegen Justizbehinderung. Wir schließen sie in Bobbys Bunker und ...“ Ich werfe den Schlüssel weg“, beendete der Jäger den Satz. „Und warum haben wir das gestern nicht getan?“, wollte Sam wissen. „Gute Frage“, grummelte Bobby. „Weil wir nette, zuvorkommende Menschen sind“, erwiderte Jody. „Nett ist die kleine Schwester von Scheiße“, nuschelte Sam. Er war der Erste, der sein Flugticket abgab. „Guten Morgen, Mr. Winchester“, grüßte die junge Damen. „Sie hatten gestern auf ihren Flug verzichtet“, stellte sie ruhig lächelnd fest. Sam rutschte das Herz in die Hose. 'Nicht schon wieder!' Er holte tief Luft. „Wir sind Ihnen sehr dankbar und möchten Ihnen für zehn Dollar ein Upgrade in die erste Klasse anbieten.“ „Nur mir?“ „Nein. Ihren Begleitern natürlich auch.“ Kurz schaute Sam zu Jody und Bobby und als beide nickte, nickte auch er und reichte ihr seine Kreditkarte. „Das hätten wir doch übernehmen können“, erklärte Jody, als sie die Gangway entlang gingen. „Ich wollte hin“, erklärte Sam kurz. „Und wir wollten mit.“ Sam schüttelte nur den Kopf und ließ sich auf seinen Platz fallen. Immerhin Platz hatte er hier! „Guten Morgen, die Herren“, begrüßten Lt. Smith und Lt. Talbot ihre Klasse. „Guten Morgen, Sir“, tönte es ihnen vielstimmig entgegen und alle salutierten. „Nehmen sie Platz“, befahlt Lt. Smith, trat an den Tisch und legte seine Unterlagen ab, während Lt. Talbot an der Tür stehen blieb. „Wie Lt. Talbot ihnen gestern schon mitteilte, haben alle die Prüfung bestanden. Die Teams 2,3,5, 7,8 und 10 haben die drei Personen auf einmal gerettet. Die Teams 1, 4 und 9 gingen zweimal. Beide Möglichkeiten haben ihre Vor- und Nachteile, die es abzuwägen gilt, sind aber grundsätzlich machbare Wege. Allerdings sollten Sie, Mr. Bender, hin und wieder sofort auf ihren Partner hören.“ Mindestens die Hälfte der Klasse grinste breit. Tyron hatte ihnen erzählt, dass der seinem Dummy die Maske erst aufgesetzt hatte, als sie fast draußen waren, und das obwohl er ihn mehrfach drauf hingewiesen hatte. Nacheinander gingen die Lieutenants nun die Leistungen der einzelnen Teams durch und besprachen den Einsatz, die Kommunikation und das Vorgehen im Einzelnen, bevor sie ihre Klasse fürs Erste entließen. „Wir sehen uns 15 Uhr in der Aula. Dort erhalten sie dann auch ihre Diplome.“ Zur gleichen Zeit hatte das Flugzeug seine Reisehöhe erreicht und die Flugbegleiter begannen Getränke auszugeben. Sam nippte hin und wieder an seinem Glas Whiskey und starrte weiterhin missmutig aus dem Fenster. Den hätte er schon gestern mit seinem Bruder trinken können. Gut, dafür hätte er zahlen müssen, aber das wäre es ihm mehr als wert gewesen. Hoffentlich ging wenigstens jetzt alles glatt, sonst würde es verdammt knapp werden, mit seiner Überraschung. Nicht dass ihnen Dean vor der Nase davonfuhr! Kapitel 8: Poker face --------------------- 008) Poker face Das Flugzeug stand noch nicht richtig, als Sam sich auch schon abschnallte und zur Tür lief. Sie hatten sich noch vor dem Landeanflug darauf geeinigt, dass er den Mietwagen abholte, während Jody und Bobby sich um ihr Gepäck kümmern würden. Hoffentlich war es auch da! Es war. Die Beiden traten gerade aus dem Flughafengebäude, als Sam vorfuhr. Bobby packte ihr Gepäck in den Kofferraum und ließ sich dann auf den Beifahrersitz fallen. Bis hierher war schon mal alles gut gegangen. Sie verließen Indianapolis. Jody legte ihre Hand auf Sams Schulter. „Es wird schon alles gut gehen“, sagte sie leise. Sam wechselte einen Blick über den Innenspiegel mit ihr. „Ich hoffe es.“ Er seufzte leise. Je weiter sie fuhren, umso mehr entspannte sich Sam, nur um kurz vor Vincennes wieder nervös auf seinen Sitz hin und her zu rutschen. Hoffentlich ging alles gut! Hoffentlich war der Tisch wirklich reserviert und hoffentlich waren alle da, wenn schon ihr Flug gestern in die Hose gegangen war, was ging dann noch alles schief? „Wir fahren am Besten sofort zur Schule“, schlug Jody vor. Sam schaute zur Uhr und nickte. Gut, dass er Dean gefragt hatte wie die Feier ablaufen sollte, auch wenn er genau hören konnte, wie weh es ihm tat, dass seine Familie nicht bei der Feier sein würde. Noch einmal zog Dean seine neue Uniformjacke gerade und strich sich ein paar nicht vorhandene Fusseln vom Ärmel. Wehmütig musterte er sein Spiegelbild. Er hatte das Ende dieses Lehrganges lange erwartet, trotzdem kam es viel zu früh. Er wollte sich endlich als richtiger Feuerwehrmann beweisen und er wollte wieder an Sams Leben teilhaben und nicht nur übers Telefon erfahren, was der gerade machte. Er wollte Geld verdienen und er wollte noch ein paar Wochen dieses unerwartete Zuhause hier im Wohnheim der Feuerwehr-Akademie genießen. „Du siehst gut aus“, lachte Chris. „Und es wird sich auch nicht ändern, wenn du noch lange hier rumstehst!“ Dean nickte nur, wandte sich aber, nach einem letzten Blick in den Spiegel, zu Chris um. Er atmete noch einmal tief durch. „Lass und gehen!“, sagte er, nahm seine Tasche und verließ dieses Zuhause auf Zeit. Er warf seine Tasche in den Kofferraum, in dem der Rest seiner Sachen schon lag und der schon fast unerwartet voll schien. Gut, er hatte alles mehr oder weniger rein geworfen, aber es war schon mehr, als er in den letzten Jahren besessen hatte. Er schlug den Kofferraum zu und folgte Chris in die Aula. Sam stellte den Wagen auf dem schon ziemlich vollen Parkplatz ab, stieg aus und holte sein Handy hervor, um Krista Bescheid zu geben, dass sie da waren, da sie und der Rest der Musketiere heute morgen in einer anderen Maschine geflogen waren, als er Bobby und Jody. Sie würden sich ja erst im Restaurant treffen. „Sie sind gut gelandet machen sich gerade fertig“, gab er an Jody weiter und wählte Nicks Nummer. Doch hier ging nur der Anrufbeantworter dran. 'Hoffentlich klappte das auch noch!', schickte er als Stoßgebet gen Himmel. Gemeinsam mit Bobby und Jody folgte er den Massen zum Eingang der Halle. Sie kamen an Deans schwarzer Schönheit vorbei und Sam strich über den Lack. „Hast du mich vermisst?“, fragte er leise. Bobby gab ein amüsiertes Schnauben von sich und Sam grinste schief. „Wir sehen uns bald wieder“, versprach er Deans Baby und folgte seinen Begleitern. In der Halle suchten sich einen Platz in der Nähe der hinteren Ausgänge. Sam hielt, wie Jody und Bobby, das Handy griffbereit. Er wollte diese Momente unbedingt im Bild festhalten. Noch standen die angehenden Feuerwehrmänner am Rand der Bühne in Gruppen zusammen und unterhielten sich. Sam amüsierte sich köstlich über seinen Bruder. Er konnte nur zu deutlich sehen, dass der sich in seiner Ausgehuniform verkleidet vorkam und sie doch mit Stolz trug und er freute sich schon jetzt diebisch darauf Deans Gesicht zu sehen, wenn sie sich nachher gegenüber standen. Endlich gingen die Absolventen zu ihren Plätzen. Sie salutierten, als der Leiter der Schule, Division Chief Kerstens, gefolgt von ihren Ausbildern, Talbot und Smith, zur Bühne gingen. Der Chief hielt eine kurze Einführungsrede, dann begann die Vergabe der Diplome. Wahllos wurden die jungen Männer auf die Bühne gerufen und erhielten ihre Diplome und die Schulterklappen. Doch weder Dean noch Chris waren unter ihnen. „Und jetzt kommen wir zu unseren Besten!“, erklärte Lt. Smith. Jody, Bobby und Sam schauten sich mit großen Augen an. Dean war schon wieder unter den Besten? Platz fünf ging an Martin Bender. Chris hatte es, aufgrund er besseren Prüfungsleistung, auf den vierten Platz geschafft. Tyron belegte Platz drei. „Damit bleibt nur noch einer. Unangefochten auf Platz eins: Dean Winchester!“ Nur mit Mühe hielt es die Drei auf ihren Plätzen. Sie platzten fast vor Stolz, wollten sich aber jetzt noch nicht verraten, doch das wäre fast nicht nötig gewesen. Dean Klassenkameraden johlten vor Begeisterung, während der Winchester auf die Bühne ging. Jody schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. „Die Frauen werden ihm reihenweise hinterherlaufen“, flüsterte sie. „Noch mehr als bisher schon.“ „Was willst du mir damit sagen? Du bist auch eine Frau“, grummelte Bobby gutmütig grinsend. „Ich sagte DIE Frauen, nicht wir Frauen. Mir ist er zu jung.“ Das „leider“, behielt sie lieber für sich. Sie wollte nicht noch Öl ins Feuer gießen, auch wenn Bobby sie inzwischen so gut kannte, dass er es verstehen würde. „Älter wird er von allein.“ „Ich aber auch“, lachte sie und nahm Bobbys Hand. Dean hatte den Lehrgang als Bester abgeschlossen! Wenn das kein perfekter Start in ein neues Leben war?!! Sam strahlte breit und schoss einige Fotos. Sein Bruder hatte es geschafft und in wenigen Wochen, wenn alles gut ging, hätte er auch endlich seinen College-Abschluss in der Hand und würde nach Bloomington ziehen. Er freute sich riesig endlich Jura zu studieren und wieder mit Dean zusammen zu wohnen. Darauf Bobby und Jody zu verlassen, freute er sich allerdings überhaupt nicht! Dieses halbe Jahr hatte ihm gezeigt, wie richtiges Familienleben war und wie es sich anfühlte. Es hatte ihm gezeigt, was der Brand ihm genommen hatte und er konnte sich jetzt in Ansätzen vorstellen, wie Dean sich gefühlt haben musste. Nein, eigentlich konnte er es noch immer nicht wirklich. Doch das war heute egal! Dean hatte es geschafft! Das war ein Grund zum Feiern! Gut, dass Sam genau das vorbereitet hatte! Der Division Chief hielt noch eine Rede, in der er die Absolventen zu ihren Leistungen gratulierte und ihnen viel Erfolg in ihrem weiteren Leben wünschte. Er gab ihnen aber auch einige mahnende Worte mit auf den Weg. Danach verabschiedete er sie in ihr Arbeitsleben. Die jungen Männer erhoben sich und salutierten. Kaum hatten der Chief und die Lieutenants die Aula verlassen, umarmten sich die Feuerwehranwärter. Sam machte immer noch Fotos. Er beobachtete, wie sie sich auf die Schultern klopften. Er bemerkte das kurze Nicken Deans, dass wohl die Verabschiedung war und sah, wie der die Schultern straffte und zum Ausgang ging. Sam schnaufte. Wenn er sich nicht beeilte, war Dean weg. „Ich sehe mal zu, dass ich ihn erwische“, wandte er sich an Jody. „Wir treffen uns am Restaurant?“ Jody nickte und Sam begann sich zum Ausgang zu arbeiten. Mit seinen langen Beinen war er hier wirklich im Vorteil. Er kletterte einfach über die Stuhlreihen. Trotzdem musste er über den Parkplatz rennen, um Dean zu erreichen, bevor der den Impala startete und verschwand. „Dean!“, rief er, als er sah, dass sein Bruder einsteigen wollte. „Warte!“ Er überbrückte die letzten Meter mit einem Sprint. „Dean?“ Er erreichte den Impala. Langsam drehte sich der Ältere um und starrte auf die riesige Gestalt neben seinem Baby. Seine Augen weiteten sich ungläubig. Er hatte ihn zwar gehört, war sich aber sicher, dass ihm seine Sinne einen Streich spielten. Noch einmal ließ er seinen Blick über den Riesen gleiten. War er es wirklich? „Sammy?“, fragte er ungläubig. Halluzinierte er gerade? Hatte er Wahnvorstellungen? Das konnte doch nicht ..., oder doch? „Ich bin´s wirklich!“, lachte Sam und freute sich diebisch über das Minenspiel seines Bruders. Genau so hatte er es sich erhofft! Genau so hatte er sich die Überraschung vorgestellt. Er trat dicht an Dean heran und legte seine Hand auf dessen Arm. „Herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung!“ „Sammy!“, wisperte Dean mit rauer Stimme und musste sich räuspern. Er umfasste dessen Arme und zog ihn in eine feste Umarmung. „Gott, Sammy! Mit dir hätte ich jetzt als Letztem gerechnet. Wie kommst du her? Musst du nicht lernen?“, platzte es aus ihm heraus. Am liebsten würde er ihn nie wieder loslassen, oder ihn zumindest in den Impala packen und sofort mitnehmen. „Deinen Abschluss konnte ich mir nicht entgehen lassen! Bin geflogen und lernen? Du bist wichtiger! Außerdem kann ich das auch im Flieger. Morgen muss ich allerdings schon zurück.“ „Okay“, krächzte Dean noch immer heiser und Sam grinste. Seinen Bruder sprachlos zu sehen, passierte auch nur alle Jubeljahre einmal. Wie froh war er doch, an dieser Idee festgehalten und sie durchgezogen zu haben. Es fühlte sich so gut an, endlich mal wieder real mit Dean reden zu können, ihn sehen zu können und er wusste, dass es Dean genauso ging. Er las es in seinen Augen, als er sich von ihm gelöst hatte. „Was hältst du davon, wenn wir irgendwo essen fahren? Du hast da immer von einem Restaurant geschwärmt!“ „Das ist voll. Da wollte einer aus meiner Klasse vor zwei Wochen noch einen Tisch für drei bestellen. Die haben ihm abgesagt.“ „Lass uns trotzdem mal hinfahren. Ich will es wenigstens mal sehen. Vielleicht haben wir ja auch Glück? Wir sind nur zwei!“ „Das bezweifle ich zwar, aber wenn du willst“, gab sich Dean sofort geschlagen. Er würde alles tun, was Sammy wollte, nur um die Zeit mit ihm genießen zu können. Sam grinste breit. Seine Anwesenheit schien Dean noch immer mehr oder weniger die Sprache zu verschlagen. Das konnte gleich ja herrlich werden, überlegte er und ging um den Impala herum, um sich auf seinen Platz fallen zu lassen. „Dein Mietwagen?“, wollte Dean irritiert wissen. „Den können wir auch nach dem Essen holen, oder?“ „Klar, können wir“, nickte Dean und startete den Wagen. Auf dem Weg zum Restaurant huschte sein Blick immer wieder zu Sam und endlich wusste er auch ganz genau was die letzten Monate immer gefehlt hatte, wenn er in dem Wagen saß. SAM! Sam gehörte einfach auf den Beifahrersitz! Sam dachte genau so. Auch er fühlte sich hier mehr als wohl und auch er genoss es, neben Dean zu sitzen und sich durch die Stadt chauffieren zu lassen, Gut, dass es nur noch ein paar Wochen waren, die er alleine zurechtkommen musste. Schon bald wäre er auch hier. Dean lenkte den Wagen auf den vollen Parkplatz. „Willst du es wirklich versuchen? So wie das hier aussieht, ist es mehr als voll.“ „Jetzt lass uns doch erst mal aussteigen, reingehen und fragen, dann sehen wir weiter, okay?“ Irritiert musterte Dean seinen Bruder. Der war doch sonst nicht so versessen auf ein Restaurant. Ihm wäre es egal. Selbst wenn sie sich nur was in einem Diner holten und irgendwo auf einem Rastplatz essen würden. Solange er mit seinem Sammy Zeit verbringen konnte, würde er auch komplett auf´s Essen verzichten. Aber gut, wenn Sam wollte … Er öffnete die Tür stieg aus und … staunte nicht schlecht, als ihn Jody in ihre Arme zog. „Ich bin so stolz auf dich!“, sagte sie gerührt und drückte ihn fest an sich. Dann schob sie ihn zu Bobby weiter. „Ich könnte nicht stolzer sein, wenn du mein eigen Fleisch und Blut wärst“, erklärte er heiser. „Eigentlich seid ihr ja eh schon seit einer halben Ewigkeit meine Jungs!“ „Danke Bobby, das ...“, Dean musste sich schon wieder räuspern. „Das bedeutet mir, uns, wirklich mehr, als wir ausdrücken können.“ Der alte Jäger räusperte sich kurz und schob den Winchester von sich. „Da warten noch mehr auf dich“, grummelte er und trat zur Seite. Sofort wurde Dean von Krista, Rohan und Javier, seine Kameraden aus dem Rettungsassistenten-Lehrgang umlagerten, die ihn beglückwünschten und sich mit ihm freuten. „Wie kommt ihr denn hierher?“, fragte der Winchester verblüfft.Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und zusätzlich bildete sich auch noch ein dicker Klos, der ihm das Atmen schwer machte. Dass Sam und Jody und Bobby hier waren, machte ihn unsagbar glücklich. Dass Krista, Javier und Rohan da waren, rührte ihn zu Tränen! Schniefend zog er die Nase hoch. „Sam hat uns gebeten zu kommen. Er hat das Ganze hier organisiert, die Plätze im Flugzeug bestellt und Zimmer gebucht. Dein kleiner Bruder kann sehr überzeugend sein“, erklärte Rohan lachend. „Das kann er ja, aber trotzdem, ihr hättet nicht kommen müssen, obwohl ich mich natürlich wahnsinnig freue, euch zu sehen. Wie geht’s euch, was macht ihr jetzt?“ Sofort berichteten die drei ihm, was sich in den Tagen und Wochen seit ihrer letzten Telefonate ereignet hatte. Krista arbeitete jetzt fest in dem Krankenhaus, in dem sie und Dean ihr Praktikum gemacht hatten. Javier und Rohan hatten auch endlich Arbeit auf unterschiedlichen Feuerwachen gefunden. . Kapitel 9: Lucky man -------------------- 009) Lucky man Es dauerte eine Weile, bis Dean sich von seinen Musketieren lösen konnte, nur um einer lächelnden Ruby gegenüber zu stehen „Es ist immer wieder unheimlich, wenn du vor mir stehst und ich freue mich jedes Mal wieder, dich zu sehen. Schon komisch, oder?“, begrüßte er die Dämonin und zog sie in seine Arme. „Und ich mag einen Menschen“, sagte sie mit einem Schulterzucken, nachdem sie sich von ihm wieder gelöst hatte. „Das ist mindestens genauso komisch.“ Dean nickte. „Immerhin warst du mal einer.“ „Und du hättest ein Dämon werden sollen!“ „Touché!“, lachte Dean. „Ich sehe, dass es dir gut geht.“ „Ja“, Dean lächelte breit, bevor er leise fortfuhr: „Danke, dass du immer da bist, wenn ich, wenn wir dich brauchen.“ „Gern geschehen. Aber jetzt sollten wir feiern. Es ist ein freudiger Anlass! Ihr Winchesters seid erwachsen geworden!“ Sie grinste breit. „Und du siehst heiß aus, in deiner Uniform!“ Deans Wangen färbten sich rosa, was seine Sommersprossen noch mehr hervorhob und Ruby ein amüsiertes Schnauben entlockte. Sie mochte es, den großen Dean Winchester in Verlegenheit zu bringen. „Sind wir das?“, überging er ihren Einwurf. „Ihr seid auf dem Weg zu ehrbaren Bürgern.“ „Na das klingt irgendwie gruselig!“, lachte Dean. „Bei so guten Jägern wie euch, ja. Aber auch spannend!“ Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. „Ich denke, du bist auf einem guten Weg.“ „Bin ich das?“ „Dein Herz kennt den Weg“, nickte sie und wandte sich ab. Dean schaute ihr fragend hinterher, wie sie zu Bobby ging, um sich eine Weile mit ihm zu unterhalten. Wie kam sie darauf genau diese Worte zu wählen? Sam beobachtete die Szene mit einem Lächeln. Es war so toll zusehen zu können, dass sein Bruder Freunde hatte, mit denen er seine Freude teilen konnte und er hoffte, dass Dean diese Freundschaften soviel wert waren, dass er sie weiter pflegte. Aber das hatte er bis jetzt getan, warum also nicht auch weiter? „Wer ist sie?“, fragte Jody, die neben Sam stand und auf Ruby deutete. „Ruby. Eine Freundin. Sie hat ihm das Leben gerettet, als es niemand mehr gekonnt hätte und das nicht nur einmal.“ „Sie ist Ärztin?“ „Heilerin.“ Er sah ihren fragend, genervten Blick. „Lass uns darüber reden wenn wir wieder in Sioux Falls sind. Das ist nichts, was man auf so einer Feier diskutieren sollte.“ „Okay“, gab sie sich geschlagen und ging nun ebenfalls zu Bobby. Vielleicht konnte sie diese Ruby ja auch so besser kennenlernen, denn Dean schien sie zu mögen und auch ihr Mann unterhielt sich freundschaftlich mit ihr. Sam trat zu seinem Bruder und ergriff die Gelegenheit mit ihm zu reden, der während sie ins Restaurant gingen. „Was wollte sie?“ „Sie hat mir nur gesagt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, erwiderte er und schüttelte den Kopf, bevor er Sam breit angrinste. „Was auch immer das heißt. Aber da Ruby Ruby ist denke ich, wir sind wirklich auf dem richtigen Weg zum ehrbaren Bürger.“ „Das wollte ich immer werden. Jetzt klingt es schräg“, sagte Sam. Er nannte dem Kellner seinen Namen und sie wurden zu ihrem Tisch geführt. „Das klingt es in der Tat. Aber hey! Ich bin einen Schritt von meinem Traum Feuerwehrmann zu werden entfernt. Da solltest du deinen Traum ja wohl locker erreichen!“, nahm Dean das Gespräch am Tisch wieder auf. „Wir wissen beide, dass du hochintelligent bist, wenn du nur willst!“ Sam hob lachend die Hände. „Ich habe dein Abschlusszeugnis der Highscholl gesehen und den Redner vorhin gehört. Streite es nicht ab! Außerdem bist du der Erste in unserer kleinen Familie, der auf ehrbare Weise Geld verdient.“ „Der Erste? Lass das nicht Jody hören und Bobby auch nicht. Auch wenn er nur hin und wieder Autos restauriert. Außerdem war John Mechaniker bevor ...“ „Dad zähle ich nicht und du weißt wie ich das meine. Aber ja. Eigentlich gehören die zwei eher dazu als Dad. Gut. Ich schränke es soweit ein, dass Du der erste von uns Kindern bist.“ Sam grinste breit und schlug seinem Bruder vor die Brust. „Na so sollte es ja wohl auch sein!“, schnaubte Dean amüsiert. „Ich bin der Ältere!“ Plötzlich stand Nick am Tisch neben Dean und der Winchester stand auf. „Meinen Glückwunsch“, sagte er zu Dean und umarmte ihn herzlich. „Jetzt kann ich dich endlich auch offiziell als Freund vorstellen“, lachte er und musterte ihn kurz. „Die Uniform steht dir!“ „Nick“, freute sich Sam. „Du hast es doch geschafft!“ „Ja!“, lachte der Agent, „und ich denke, ich werde euch jetzt öfter auf die Finger schauen können.“ „Wie das?“, wollte Dean ein wenig skeptisch wissen. „Ich lasse mich zum FBI hier nach Indianapolis versetzen.“ „Kein Umherziehen mehr?“ „Nein, ich scheine auch alt zu werden“, lachte Nick. „Was heißt denn hier auch?“, fragte Dean entsetzt, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Na, ihr werdet sesshaft, warum dann ich nicht auch.“ „Solange du nicht noch Tarrington-Touluse anschleppst.“ Dean schüttelte sich. „Der ist in Florida“, lachte Nick. „Gut! Kalifornien wäre besser!“ „Warum?“ „Ist weiter weg!“ Die drei Männer grinsten. Sie stießen gemeinsam an und dann ging Nick zu dem einzigen freien Platz am Tisch, neben Ruby, mit der er sich schon bald angeregt unterhielt. Dean blickte ihm nach und schaute dann in die Runde. Er hatte ganz schön viele Freunde und dabei waren noch nicht mal alle da, die er dazu zählte. Ein gutes, warmes Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus und er beschloss diesen Tag ganz fest in seinen Erinnerungen zu speichern. Er war regelrecht geplättet von dem, was sein kleiner Bruder da auf die Beine gestellt hatte und es tat ihm doppelt leid, dass er bei Sams nicht dabei sein konnte. Er schluckte. Nicht jetzt! Dean stellte sein Glas ab und schaute zu Sam. Warm strahlten seine Augen. „Danke Sammy!“ „Bedank dich nicht zu früh“, lachte der und freute sich über Deans fragend skeptischen Blick. Zwischen Hauptgericht und Nachspeise stand Sam auf. Fast sofort herrschte Stille am Tisch. „Dean“, begann Sam und der schluckte. Was kam denn jetzt? „Ich weiß, dass du dir dein Leben, die Zeit jetzt, etwas anders vorgestellt hast.“ Dean nickte kurz. „Du hast das Beste aus dieser Zeit gemacht und wir sind wahnsinnig stolz auf dich. Du hast dir einen schönen, aber auch schweren Beruf ausgesucht und ich, wir sind uns sicher, dass du ihn auch ausfüllen wirst.“ Er holte ein Päckchen aus der Tasche. „Wir haben hier eine Kleinigkeit, die dir vielleicht mal helfen.“ Sam grinste breit. Er umarmte seinen Bruder, der inzwischen auch stand, herzlich und reichte ihm das Päckchen. Alle am Tisch standen nun ebenfalls auf, hoben ihr Glas und prosteten dem angehenden Feuerwehrmann zu. Dean trank ebenfalls einen Schluck. Schon fast erleichtert ließ er sich wieder auf seinen Stuhl fallen und öffnete, noch immer leicht rosa um die Nase, das Päckchen. Es enthielt ein Messer zum Zerschneiden von Sicherheitsgurten und einen Nothammer, um eine Autoscheibe zu zertrümmern.„Danke“, wisperte er rau. Der Kellner erlöste ihn aus der Situation jetzt auch noch etwas sagen zu müssen, indem er mehrere Pies auf den Tisch stellte. Nach dem Essen zogen sie in einen Pub um und feierten bis in die Nacht hinein und keiner wollte darüber nachdenken, dass sie sich am nächsten Morgen schon wieder trennen mussten. Die Nacht verbrachten alle in einem Motel und trafen sich am folgenden Vormittag in dem kleinen Diner, das sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, zum Frühstück. Sie waren alle noch ein wenig müde, doch der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee und Pfannkuchen mit Ahornsirup weckte die Lebensgeister. Krista führte Javier gerade ihr neuestes Messanger-Programm vor, dass ihr ihre Cousine empfohlen hatte. „Das ist Klasse“, schwärmte sie. „Das könnten wir doch auch machen!“ Erwartungsvoll schaute sie zu Dean, der sich an seiner Tasse festhielt und geistesabwesend das Kaffeearoma inhalierte. „Was könnten wir machen?“, fragend blickte er von Einem zum anderen. „Diesen Messanger nutzen. Da können wir uns Infos schicken und Bilder und nur wir können es alle lesen. Das ist wie ein Chat.“ Dean grinste. „Erklär das mal lieber Sam. Mein Kopf ist noch nicht so aufnahmefähig.“ „Aber Sam fliegt doch mit uns zurück!“, wandte sie ein. „Lass mir noch Zeit, bis ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, dann bin ich vielleicht wach genug, um das zu verstehen ...“ Also wandte sie sich erstmal an Sam, der ihr auch sofort zuhörte. Etwas Neues kennenzulernen war er nie abgeneigt. Letztendlich spielte er Dean das Programm auf, während Krista ihm zeigte, was es alles für Möglichkeiten gab. Mit dem Versprechen, in Kontakt zu bleiben, trennten sich die Wege der Freunde wieder. Bobby und Jody hätten ihre beiden Jungs gerne ein paar Tage nach Sioux Falls eingeladen, doch Dean musste sich am Montagmorgen in der Zentrale der Feuerwehr in Bloomington melden und würde dann wohl auch sofort mit der Arbeit beginnen, falls nicht, wollte er nachkommen. Aber vielleicht konnten sie bei Sams Umzug ja für ein paar Tage mit nach Bloomington kommen. „Bis bald“, sagte sie und zog Dean in eine feste Umarmung. „Halt die Ohren steif und lass dich nicht unterkriegen“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Erst dann ließ sie ihn los und stieg in den Wagen während Bobby Dean in die Arme schloss. „Ich bin stolz auf dich, Junge“, sagte der alte Jäger heiser. Dean nickte. Das ..., diese Aussage, bedeutete ihm mehr als er zugeben würde. Er drückte Bobby fest an sich. Mit leisem Bedauern löste er sich von dem alten Freund, um gleich von Sam in eine brüderliche Umarmung gezogen zu werden. „Wir sehen uns in ein paar Wochen. Pass auf dich auf, lass dich nicht ärgern und melde dich, wie immer“, bat Sam ihn. Dean nickte. Er schluckte und war eigentlich nicht gewillt, seinen kleinen Bruder wieder ziehen zu lassen, nicht mal für eine Stunde. Er drückte ihn noch einmal fest an sich. „Sammy!“, begann er dann heiser. „Das hier, die Feier, meine Freunde … ich weiß nicht wie ich dir dafür danken soll. Das kann ich nie wieder gut machen! Du hast mich vor einem traurigen Abend gerettet und …“ Dean zuckte mit den Schultern. „Danke!“ „Genau das war es, was ich wollte“, Sam lachte und holte etwas aus seiner Jackentasche. „Ich habe hier noch was für dich.“ Er hielt eine St. Florian Medaille in der Hand. „Es ist der Schutzpatron der Feuerwehr. Ich habe sie in einem Antikladen gefunden und ich habe sie auf Verfluchungen geprüft. Alles sauber.“ Dean wusste nicht, was er sagen sollte. Er schluckte die Tränen der Rührung herunter, holte den Impalaschlüssel heraus und befestigte die Medaille daran. Bedächtig schob er den Schlüssel wieder in seine Tasche. Er strahlte Sam warm an und zog ihn in eine Weitere feste Umarmung. „Danke!“ Er schniefte. „Ich drück dir die Daumen für die restlichen Prüfungen.“ „Danke“ Sam wandte sich von Dean ab, drehte sich auf den halben Weg zum Mietwagen aber noch einmal um. „In vier Wochen bin ich auch da!“, versprach er. Dean nickte und hob die Hand zu einem kurzen Gruß und wandte sich dann ab. So schön und überraschend und lustig und fröhlich der Tag gestern auch war, alle wieder wegfahren sehen, musste er dann doch nicht. Er ging zu seinem Baby und tätschelte ihr über den Kotflügel. „Dann waren es wieder nur wir zwei“, sagte er leise und stieg ein. Jetzt würde er nach Bloomington fahren, ein Motelzimmer für Sam und sich suchen und sich häusliche einrichten. Danach wollte er die Umgebung erkunden. Mal sehen, was die Stadt zu bieten hatte, immerhin sollte er es hier mindestens die nächsten drei Jahre aushalten. Kapitel 10: Beautiful loser --------------------------- 011) Beautiful loser Am Montagmorgen fuhr Dean zum Hauptquartier. Sein Wochenende war ruhig gewesen. Er war in ein billiges Motel gezogen und hatte anschließend ein paar Runden durch die Stadt gedreht. Jetzt wusste er immerhin wo Supermarkt, Diner und Pub waren. Mehr interessierte ihn vorerst noch nicht. Und er hatte sich die Uni angesehen. Jetzt stand er auf dem Parkplatz und musterte das Gebäude. Schnellen Schrittes ging er zum Eingang und lief die Treppen hoch. Auf den Fahrstuhl zu warten, dafür hatte er nun echt keine Geduld. Vor der Tür des Sekretariats von First Chief Reed, dem Leiter der Bloomingtoner Feuerwehr, stand schon ein Anwärter. Er grüßte mit einem kurzen Nicken und lehnte sich dann gegen die Wand. Langsam atmete er ein und aus, um seine Ungeduld zu bekämpfen. „Hey“, riss ihn eine bekannte Stimme aus der Betrachtung seiner Schuhspitzen. Er schaute auf. „Chris“, freute er sich und umarmte seinen Zimmergenossen und Partner aus dem Lehrgang. „Wie war dein Wochenende?“ „Ruhig“, begann Dean und wollte gerade mit funkelnden Augen von der unerwarteten Feier erzählen, die Sam für ihn ausgerichtet hatte, als Bender aus dem Fahrstuhl kam. Nein, dem wollte er das nicht erzählen! „Wir müssen uns mal treffen“, sagte er deshalb nur und Chris nickte. Inzwischen traf auch der letzte Anwärter ein. Stumm standen sie im Gang und warteten darauf, dass sie ihre Wachen erfuhren. Und dann wurde der Erste zum First Chief gerufen. Bender grinste selbstsicher, als er als dritter hereingerufen wurde. Als er heraus kam, sprühten seine Augen vor Wut. „Das wird er bereuen!“, knurrte der und hämmerte auf den Knopf für den Fahrstuhl ein. Nun war Chris dran. Er verschwand im Büro und kam, wenig später, mit einem Lächeln auf den Lippen wieder heraus. „Viel Glück“, wünschte er dem Freund und ging zur Treppe. Blieb nur noch Dean, der auch sogleich ins Büro gerufen wurde. „Sie können durchgehen“, sagte die Sekretärin. „Danke!“ Dean nickte, zog seine Uniform gerade und ging zur Tür. Er klopfte und trat, nach einem knappen „Herein“ ein. „Guten Morgen, Sir“, Er salutierte. „Mr. Winchester. Ich mache es kurz. Sie melden sich auf der Wache 39. Sie haben 12-Stunden-Schichten. Ihre erste Schicht beginnt um 18 Uhr. Es ist keine einfache Wache, ich weiß. Aber wir haben in diesem Ausbildungsturnus für jede Wache einen Anwärter und ich gehe davon aus, dass Sie als Bester des Jahrgangs da klarkommen werden!“ Er drückte Dean die Papiere in die Hand und schon stand der wieder vor der Tür. „Viel Glück“, wünschte ihm die Sekretärin. „Danke!“, sagte er grübelnd und verließ das Gebäude. ‚Keine einfache Wache‘, überlegte Dean auf dem Weg zu seinem Baby. Was hieß das denn? Was war einfach an einer Feuerwache und was nicht? Er hatte kein einfaches Leben gehabt! Hieß das jetzt es gab viele Einsätze oder gar keine? Nein, dann hätten sie ihn da wohl nicht hingeschickt. Er schüttelte den Kopf. Das brachte nichts. Er würde da sein Bestes geben und dann weitersehen! Noch hatte er Zeit. Er fuhr ins Motel zurück, um sich noch ein paar Stunden aufs Ohr zu legen. Er wollte nicht gleich in seiner ersten Nacht müde aus der Wäsche gucken. Eine knappe Stunde vor Schichtbeginn stellte Dean den Impala auf dem Parkplatz neben der Wache ab. Sein Arbeitsplatz war verdammt weit außerhalb von Bloomington! Und verdammt weit weg vom Motel. Ob er sich eins suchen sollte, was näher dran war? Aber dann müsste Sam weiter zur Uni fahren. Diese Überlegung verschob er auf später. Er schaute sich um. War hier überhaupt etwas los? Er würde es erfahren, überlegte er und stieg aus. Ein Löschfahrzeug fuhr auf den Platz und rangierte in die Halle. Sein Herz schlug höher. Bald würde er auch da drinsitzen und Hab und Gut und Menschen retten. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und die Entfernung war vergessen. Dean wartete noch bis das Fahrzeug eingeparkt war, dann betrat er die Wache 39. Er trat zu dem Lieutenant: „Hallo, ich bin Dean Winchester, der neue Anwärter“, stellte er sich vor „Lt. Benjamin Pratt. Battalion Chief Grady ist schon da, ich bringe Sie hin.“ „Danke“ Dean folgte dem Lieutenant. „Ihre Sachen können Sie hier in einen Spind packen“, er zeigte in den Umkleideraum. „Ja, danke“, erwiderte Dean und folgte dem Mann weiter. Kurz klopfte der Lieutenant an eine Glastür und trat ein. „Der neue Anwärter ist hier“, meldete er Dean an. „Soll eintreten und Pratt? Die Schläuche können Sie liegen lassen!“ „Aber …?“ „Was haben Sie nicht verstanden, Pratt? Das ist ein Befehl.“ „Ja, Sir.“ Entschuldigend schaute der Dean an, als er ihm Platz machte, damit er in das Büro treten konnte. „Dean Winchester, Sir“, stellte sich Dean vor. „Ich bin Battalion Chief Grady und das ist Lieutenant Miller, ihr Lieutenant.“ Er blätterte in einer Mappe auf seinem Tisch. „Sie waren also Klassenbester?“ „Ja, Sir.“ „Und darauf bilden Sie sich jetzt was ein?“ „Nein, Sir.“ Grady musterte ihn skeptisch. „Wir werden sehen, wie gut Sie sich machen.“ Er reichte die Mappe an Miller weiter. „Zeig ihm die Wache, stell ihn vor und dann soll er sich um die Schläuche kümmern, auf die alte Art und Weise. Mal sehen wie gut er das kann!“, sagte er an seinen Lieutenant gewandt und grinste süffisant. „Mitkommen“, forderte Miller Dean auf, erhob sich und verließ das Büro. Wenn Dean jetzt gehofft hatte annähernd eine so gute Führung zu bekommen, wie vor einem Jahr von Chief Morris, hatte er sich geirrt. „Das hier ist der Umkleideraum. Kannst den Spind nehmen!“, sagte Miller und deutete auf den einzigen, der eine verbogene Tür hatte. „Daneben ist einer mit einer intakten Tür frei“, versuchte Dean einen Einwurf. „Na und? Du nimmst den!“ Dean nickte. ‚Die Wache ist nicht ganz einfach‘, hallten ihm die Worte des Chiefs in den Ohren. ‚Super‘ Er legte seinen Rucksack in den Spind. Nachher würde er sich die Tür mal ansehen. Irgendwie sollte er die wohl hinbekommen. Sie gingen in den Aufenthaltsraum. „Das ist unser Anwärter, Dean Winchester und das sind Chuck Webb, Robert Davis, Rodney Coon, James Leyne, Ian Dearing und John Lund.“ Nacheinander deutete Miller auf die einzelnen Männer, die an den Tischen saßen, Kaffee tranken und ihn mit undurchdringlicher Mine musterten. Immerhin Dearing und Lund nickten ihm kurz zu. „Und hier ist die Küche“, Miller schob ihn in den angrenzenden Raum. „Kannst du kochen?“ „Für den Hausgebrauch reicht es“, erwiderte Dean mit einem Schultern zucken. „Dann wird das wohl dein Reich!“ Miller musterte die Arbeitsflächen. Da hatten seine Kollegen ja ganze Arbeit geleistet, freute er sich. Dean schaute sich ebenfalls um. Hier sah es aus … Er schluckte. Scheinbar saute jeder rum so gut er konnte und keiner machte den Mist weg. Super. So schlimm hatte es bei ihnen nie ausgesehen und sie hatten auch immer einen Männerhaushalt geführt. Mit einem selbstgefälligen Grinsen verließ Miller die Küche wieder. Er führte Dean in einen Raum im Keller. ‚Na super. Die reinigen die Schläuche noch mehr oder weniger manuell', ging es Dean durch den Kopf. „Du weißt, wie das geht!“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage, die Miller da in den Raum stellte und Dean nickte. „Ja, wir haben es ein oder zweimal durchgenommen.“ Er schluckte den Rest seiner Erwiderung herunter. Es stimmte wohl doch nicht, dass alle Wachen mit einer vollautomatischen Schlauchwäsche ausgestattet worden waren. „Okay, dann gebe ich dir noch deine Klamotten und dann kannst du dich hier vergnügen!“, grinste Miller und ging wieder nach oben. „Wer prüft die Schläuche?“, wollte Dean wissen. „Das mache ich, wenn sie sauber und trocken sind!“ In seinem Büro drückte Miller dem Anfänger ein in Papier eingewickeltes Paket in die Hände. „Das sind 2 Einsatzmonturen. T-Shirts und Jacken kannst du bei mir bestellen, müssen aber bezahlt werden.“ Dean nickte. „Wie viele T-Shirts und Jacken sind üblich?“ „Zwei oder drei und eine Jacke.“ „Okay, dann erstmal zwei und die Jacke“, nickte Dean und unterschrieb die Quittung für seine Einsatzkleidung. Im Umkleideraum zog er sich um, räumte seine Sachen in den Spind und versuchte die Tür so gut es ging zu schließen. Warum musste er den nehmen? Wenn er sich hier eingelebt hatte, würde er einfach in den daneben wechseln. Heute wollte er nicht gleich Ärger machen. Die Wache schien wirklich komisch zu sein! Vielleicht bekam er die Tür ja auch wieder hin. Jetzt hieß es Schläuche reinigen. Er ging in den Keller und machte sich daran die 20 Schläuche über den Waschtisch zu ziehen, damit sie von den Bürsten gereinigt werden konnten. Anschließend packte er sie in den Trockenraum. Während die Schläuche trockneten, ging er in die Küche, um sich einen Kaffee zu holen. „Kannst hier gleich putzen und danach losfahren und für´s Essen einkaufen“, blaffte Webb ihn auch sofort an. Auf der Anrichte lagen Pizzakartons in einem unordentlichen Haufen. „Ihr habt Pizza bestellt?“, fragte Dean und wunderte sich, dass ihm keiner Bescheid gesagt hatte. Immerhin waren diese Kartons eindeutig leer. „Dich hatten wir vollkommen vergessen“, log Miller und grinste schadenfroh. „Kannst die Reste haben. Lund und Coon haben nicht alles geschafft.“ Er griff nach einer Tüte und warf sie so schwungvoll auf den Tresen, dass sie über die ganze Fläche schlitterte und Dean vor die Füße fiel. „Oder die hier.“ Dean bückte sich und legte sie zurück auf den Tisch. „Danke, ich verzichte!“ Er nahm sich den Kaffee und holte sich aus seinem Rucksack seine Notfallration Schokoriegel. Den Tag würde er überleben und morgen brachte er sich ein Sandwich mit, oder auch zwei. Irgendwas schienen die gegen ihn zu haben. Ob es an dem Klassenbesten lag? Woher wussten die das überhaupt? Hatte Grady es ihnen lang und breit erzählt? Kauend ließ er sich auf die Bank in der Mitte des Raumes fallen. Genau in dem Moment kam der Captain an der Tür vorbei. „Haben Sie nichts zu tun? Die Küche sieht aus wie ein Saustall! Räumen Sie die auf!“ „Ich warte darauf, dass die Schläuche trocknen“, verteidigte sich der Winchester. „Dann haben Sie ja Zeit für die Küche!“, wischte Grady diesen Einwand beiseite. Dean nickte. Diskutieren hatte keinen Sinn. Die saßen hier alle am längeren Hebel. Er schob sich den Schokoriegel in den Mund, spülte mit Kaffee nach und ging in die Küche. Bevor er jedoch mit dem Aufräumen anfing setzte er neuen Kaffee auf. Erst danach begann er diesen Saustall wieder in eine Küche zu verwandeln. ‚Was waren das hier nur für Schweine‘, überlegte er sich nicht nur einmal. Endlich war er mit dem Ergebnis halbwegs zufrieden. Er goss sich Kaffee in seine Tasse und verschwand in den Keller. Solange sie ihn nicht sahen, konnten sie ihm keine neuen Aufgaben geben, oder? Die Schlauchwäsche entwickelte sich schnell zu Deans Lieblingsbeschäftigung. Hier unten hatte er meistens seine Ruhe. Selbst als sie ihm erklärten, dass das im Nebenraum auch komplett automatisch gemacht werden konnte, blieb er bei der mehr oder weniger manuellen Wäsche. Als die Schläuche trocken waren, rollte er sie ordentlich zusammen und räumte sie in das Regal, über dem ein Schild zu prüfen hing. Dann meldete er seinem Lieutenant, dass er fertig war. Miller nickte. „Dann haben Sie ja noch Zeit hier durch zu wischen“, erklärte der und deutete auf den Gang und den Umkleideraum. Dean war der letzte, der die Wache nach der Schicht verließ und nach Hause fuhr. Er war nervlich vollkommen ausgelaugt. So hatte er sich seinen ersten Arbeitstag nicht vorgestellt! Kapitel 11: Absolute Beginners ------------------------------ 011) Absolute Beginners Zurück in seinem Zimmer ließ Dean seinen Rucksack neben der Küchenzeile fallen. Er schälte sich aus seiner Kleidung und ging zum Kühlschrank. Jetzt brauchte er mindestens ein Bier. Besser ein ganzes Six-Pack. Allerdings müsste er dafür erst Einkaufen fahren und dazu hatte er keine Lust. An die Theke gelehnt, trank er das Bier in einem Zug aus. Er stellte die Flasche ab und ging ins Bad. Vielleicht half ja auch eine Dusche, die Nacht abzuwaschen. Mit einem Handtuch um die Hüften kam Dean zurück ins Zimmer. Er fühlte sich nicht wirklich besser. Wie gerne würde er jetzt zu Bobby fahren, Sam einfach einpacken und mit ihm irgendwohin fahren. Einfach weg hier und nie wieder kommen. Diese Feuerwehrsache war eine blöde Idee gewesen! Sie würden wieder durch das Land fahren und Übernatürliches bekämpfen! Wütend warf er das Handtuch, mit dem er sich die Haare trocken gerubbelt hatte in die Ecke. 'Klar Dean! Nur weil du einen schlechten Tag hattest, willst du Sam die Chance seines Lebens nehmen? Die letzte Chance, die er je haben wird, um seinen Traum doch noch zu verwirklichen! Du hast ihm ja auch noch keine versaut!' Dean schnaubte. Er hatte Sammy aus Stanford geholt, weil er nicht alleine nach John suchen, alleine jagen wollte und nicht zu vergessen hatte er ihn aus El Paso zurück in die Gegenwart gebracht, ohne ihn zu fragen, ob er das wollte. Gut, da war Sam nicht zurechnungsfähig gewesen, aber trotzdem. Er hatte kein Recht Sam auch noch diese Chance zu zerstören. 'Also reiß dich zusammen Winchester und zeige ihnen, dass du wirklich der Klassenbeste warst. Dass du es verdient hast Feuerwehrmann zu werden, egal was sie denken. Verdiene dir ihren Respekt und wenn es nur damit ist, das Jahr durchzuhalten! Tu es für dich und für Sam! Ein Winchester kneift nicht!' Er trocknete sich fertig ab und zog sich sein Schlafzeug über. Mit einem weiteren Bier setzte er sich auf sein Bett. Er trank einen Schluck und überlegte. Wenn die das weiterhin so durchzogen würde es ein verdammt hartes Jahr werden. 365 Tage, 12 Monate, über 3000 Stunden. Das würde viel Alkohol, sein Pokerface, wenn Sam erst hier war und eine alternative Beschäftigung für die Freizeit bedeuten, um das wegzustecken. Aber vielleicht war das ja nur ein Test? Vielleicht waren sie ja ganz anders? Vielleicht lachten sie morgen gemeinsam darüber und alles wäre gut? Zu gerne wollte er daran glauben, wenn da nicht diese kleine Stimme in seinem Kopf wäre, die immer wieder diesen einen Satz des Chiefs wiederholte. „Es ist eine keine einfache Wache ...“ Er trank das Bier aus und kroch unter die Decke, drehte sich auf den Bauch, seine Arme umschlossen das Kissen und gleich darauf war er eingeschlafen. Dean erwachte in der relativen Stille seines Zimmers. Er schaute auf die Uhr. Ein paar Stunden blieben ihm noch, bis er wieder los musste. Er kochte Kaffee. Mit der Tasse in der Hand ließ er sich auf dem Rand seines Bettes nieder und dachte über seine erste Schicht nach. Er wusste nicht was er erwartet hatte, das was da passiert war jedenfalls nicht. Aber würde er es anders machen? Er war Anwärter. Derjenige, auf den wohl fast überall die Arbeiten abgeschoben wurden, die keiner gerne machte. Ob er mal mit Chris sprach? Besser nicht! Er wusste nicht, ob er es verkraften konnte, wenn der ihm vorschwärmte wie schön seine Schicht gewesen war. Also doch, Zähne zusammenbeißen und durch und darauf hoffen, dass bald ein Einsatz kam und er sich beweisen konnte und seine Kollegen ihn dann für voll nahmen. Sam würde er jedenfalls nichts von diesem Desaster erzählen! Er griff nach seinem Handy und wählte die Nummer seines Bruders. „Hey!“, begann der, kam dass er abgehoben hatte. „Wie war dein erster Tag?“ „Ging so“, erklärte er leise. „ich bin der Neue. Da bleibt alles, was keiner machen will an mir hängen.“ „Das wird besser!“, versprach Sam im Brustton der Überzeugung. „Wenn sie erstmal sehen, was du kannst, werden sie dich schneller integrieren, als dir lieb ist.“ „Mal sehen“, murmelte Dean. „Mein erster Schultag war auch ätzend“, begann Sam von seiner College-Erfahrung in Sioux Falls zu erzählen. „Aber letztendlich habe sie mich akzeptiert. Die musst dich ja nicht mit ihnen anfreunden, nur arbeiten.“ „Hast ja Recht, Sammy. Ich fühle mich hier nur irgendwie einsam.“ „Ich werde dir schneller auf die Nerven gehen, als du denkst“, lachte Sam. „Na darauf hoffe ich“, erwiderte Dean mit einem Lächeln. „Ich wünsche dir einen schönen Tag“, verabschiedete sich Sam und legte auf. Dean seufzte und schob sein Handy in die Tasche. Vielleicht hatte Sammy ja Recht? Auf dem Weg zur Wache fuhr er einkaufen. Mehrere Six-Packs und eine Flasche Johnny Walker wanderten in den Kofferraum des Impalas. Man konnte ja nie wissen! „An meinem ersten freien Tag bekommst du eine Wellness-Kur“, versprach er ihr. Die Hoffnung, dass alles nur ein Scherz gewesen war, zerschlug sich, kaum dass er auf der Wache ankam. Keiner grinste ihn breit an. Keiner klopfte ihm auf die Schulter und erklärte die Aktion vom Vortag als Willkommensspaß. Dean atmete tief ein. Das konnte ein langes Jahr werden, ein sehr langes Jahr! Aber er würde durchhalten. Für Sam! Sammy begann hier bald sein Studium und er wollte Feuerwehrmann werden! Dieser Beruf vereinte alles, was er machen wollte, alles was sein Leben ausmachte, ohne dabei in der Illegalität leben zu müssen. „Anwärter!“ „Ja“ Dean schloss die Tür seines Spinds, so gut es ging. „Mitkommen“, forderte Lieutenant Miller. Er ging in die Fahrzeughalle. „Sie haben in der Ausbildung sämtliche Geräte kennengelernt“, er schob das Rollgitter des Gerätewagens nach oben. „Sie wierden alles hier nacheinander ausräumen, sauber machen, fetten, wenn nötig, und wieder einräumen. Verstanden?“ Dean nickte mit regloser Mine. Nur nicht zeigen, dass das sicher nicht das Schlimmste war, das man ihm auftragen konnte. „Lappen und Fett stehen wo?“, fragte er nur. „Da hinten!“ Miller wedelte mit der Hand in die entsprechende Richtung. Dean ging, um sich seine Hilfsmittel zu suchen und Miller holte sich einen Stuhl. Er setzte sich so, dass er seinen Anwärter immer im Auge hatte und begann in einem Playboy zu blättern. Kurz vor Mitternacht glänzte der Einsatzwagen wie frisch ausgeliefert. Dean räumte Lappen und Öl wieder weg. „Dann können Sie jetzt die Küche weiter aufräumen. Die Schränke müssten mal ausgewaschen werden, die Dunstabzugshaube trieft vor Fett, also los!“, knurrte Miller, sichtlich unzufrieden, weil er nichts gefunden hatte, um an dem Anwärter herum zu meckern. Aber der würde ihm schon irgendwann einen neuen Anlass liefern. Der Chief und er waren sich einig, dass sie den nicht hier haben wollten. Ihr Wunschkandidat war der kleine Bender gewesen, der Neffe vom Chief. Warum Reed ihnen diesen Vogel hier auf´s Auge gedrückt hatte, konnten sie sich nicht erklären. Bisher waren ihre Wünsche immer erfüllt worden. Vielleicht musste der neue First Chief sich ja beweisen? Tja, da hatte dieser Winchester dann wohl Pech gehabt. Niemand drückte der Wache 39 einen Anwärter auf, den der Battalion Chief und er nicht wollten! Dean nickte und verschwand, stumm fluchend, in der Küche. Wozu hatte er eigentlich diesen langen, teuren Lehrgang absolviert, wenn er jetzt nur Putzfrau spielte? Aber immer noch besser als nur rumzusitzen und sich zu langweilen, oder? Außerdem musste es ja irgendwann mal irgendwo brennen! Er wünschte es keinem, doch gerade jetzt würde ihm so ein Feuer gerade recht kommen. Außerdem hätte er dann etwas, das er Sam erzählen konnte. Von seinem Putzdienst wollte er nicht berichten. Die Woche verging nur langsam. Doch dann, endlich, ging Freitag, kurz vor Mitternacht ein Alarm ein. Ein schwerer Unfall. Sofort rückten die Wagen aus und Dean brannte regelrecht auf seine erste Bewährungsprobe. „Den Spreizer“, los!“, brüllte Chuck Webb ihn an, kaum dass sie am Unfallort angekommen waren. Dean hastete um den Wagen und schob das Rollgitter nach oben. Der Vorschlaghammer fiel heraus und schlug ihm hart gegen das Schienbein. Er keuchte. Verdammt! Er hatte das Ding doch richtig befestigt! Oder etwa nicht? Ihm blieb keine Zeit, um darüber nachzudenken, er hob den Spreizer heraus und humpelte damit zum Wagen. „Wird das noch was?“, brüllte Miller. Dean setzte das Gerät an. Es rutschte ab. Er brauchte noch zwei Versuche, bis er eine passende Stelle gefunden hatte und die Tür mit dem Druckluftspreizer aufdrücken konnte. Seine Kollegen drängten ihn beiseite, während sie das Dach aufbogen, wie bei einer Blechbüchse und den jungen Fahrer bargen. „Das hat ewig gedauert!“, fuhr der Chief Dean an, kaum dass der Krankenwagen abgefahren war. „Sie wollen der Beste Ihrer Klasse gewesen sein? Wie dämlich waren denn die Anderen? Wenn Sie sich hier schon so ungeschickt anstellst, wie soll das erst bei einem Großbrand werden? So wird nie ein richtiger Feuerwehrmann aus Ihnen!“ Dean ließ den Kopf hängen. Was sollte er dagegen auch sagen? Er hatte verdammt lange gebraucht, dabei zählte doch jede Sekunde. Das hatten sie im Lehrgang immer wieder zu hören bekommen „Sehen Sie zu, dass das Öl von der Straße kommt! Wenigstens zum Putzen scheinen Sie ja zu gebrauchen zu sein!“, forderte Grady und Dean ging, um das katzenstreuähnliche Granulat zu holen. Er verteilte es großzügig auf der Straße und begann dann es wieder aufzufegen. „Nimm es dir nicht so zu Herzen“, versuchte Leyne Dean Mut zu machen. „Beim ersten Mal im Einsatz stellt sich jeder etwas umständlich an.“ Er hatte ebenfalls einen Besen in der Hand und half beim Kehren. Dean schaute kurz zu ihm und versuchte ein dankbares Lächeln. So ganz konnte er seine Kameraden nicht einschätzen. Wer war offen gegen ihn und wer konnte ihn zumindest tolerieren? Waren sie überhaupt gegen ihn? War das nur das normale Gebaren einem Anwärter gegenüber? Das bezweifelte er zwar, aber was wusste er schon? Und außerdem? Was konnte er denn dagegen unternehmen? Wo sollte er sich beschweren, wenn er das denn wollte? Wer würde ihm zuhören? Wer würde ihm glauben? In seinem Leben musste er sich immer selbst durchbeißen und das würde er auch jetzt machen. Kündigen wollte er nicht. Das war immer noch der Beruf, den er machen wollte und mit dem er alt werden wollte. Wenn er das Jahr überstand, konnte er sich versetzen lassen. Vielleicht blieben sie ja auch nicht in Bloomington. Wer wusste schon, wohin es Sam verschlug, wenn er fertig studiert hatte? Er musste nur durchhalten! 361 Tage und der Rest von heute. Zurück in der Wache verzogen sich alle in ihre Betten. „Du hast hier noch zu tun! Alles säubern, einfetten und das Verbrauchte auffüllen“, hielt Webb ihn auf. „Okay“, erwiderte Dean und ging wieder in die Fahrzeughalle, um Werkzeug und Geräte wieder auf Vordermann zu bringen. Das war immerhin etwas, das ihm Spaß machte. Zu seinem Leidwesen hatte sich auch Miller nicht schlafen gelegt, sondern Papierkram erledigt. Als Dean fast fertig war, kam der in die Fahrzeughalle. Er kontrollierte das Fahrzeug und fand wieder nichts worüber er sich aufregen konnte, aber er hatte ja noch ein Ass im Ärmel. Und das packte er jetzt aus. „Wenn Sie hier fertig sind, können Sie losfahren und für´s Essen einkaufen. Sie sind mit kochen dran!“ „Kochen?“ ‚Hier hatte noch niemand gekocht‘, überlegte Dean. Doch er behielt den Gedanken für sich.“Eier, Toast und Bohnen oder ...“ „Ich rede nicht von Frühstück“, fiel ihm Miller ins Wort. „Okay. Soll ich auslegen und danach wird es unter allen aufgeteilt oder gibt´s hier ´ne Kasse?“ „Sie legen aus, kochen und wenn´s schmeckt, wirft jeder das in die Kasse, was er dafür bezahlen würde. Wenn Sie damit nicht auskommen? Pech gehabt, würde ich sagen. Dann sollten Sie wohl besser kochen lernen!“ Und wieder einmal war Millers Grinsen schadenfroh. „Ich sponsere hier sicher kein Essen!“, begehrte Dean auf. „Doch! Genau das machen Anwärter hier, einmal in der Woche. Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie sich ja beschweren. Wenn Sie jemanden finden, der Ihnen zuhört.“ Abschätzig wanderte Millers Blick über den Winchester bevor er sich abwandte und wieder in seinem Büro verschwand. Dean schluckte. Was sollte er machen? Einkaufen fahren und kochen, wisperte die Stimme in ihm. Es gab keine andere Wahl. Zähneknirschend machte sich Dean auf den Weg. Er würde eine Art Shepards Pie machen. Für einen richtigen würde die Zeit nicht reichen und Miller fragen, was sie hier gerne aßen wollte er nicht. So wie der Kerl drauf war, würde der ihm sonstwas erzählen. Kapitel 12: Run boy run ----------------------- 012) Run boy run Zwei Stunden später hatte Dean das Essen fertig. Battalion Chief Grady kam als erster. Er stellte seinen Kaffeebecher auf die Theke und nahm sich einen Teller voll. Nach und nach trudelten auch die anderen ein, nahmen sich Essen und Kaffee und ließen sich an den Tischen nieder. Natürlich sagte niemand Dean wie es schmeckte und erst recht bedankte sich keiner von denen, aber wenn Dean die Frage ob es schmeckte daran bemaß, wie wenig sie miteinander sprachen und wie schnell sich die Teller leerten, so musste er ihren Geschmack getroffen haben. Es herrschte mehr oder weniger gefräßiges Schweigen. Webb und Coon holten sich sogar einen Nachschlag. Nach dem Essen brachten einige ihre Teller zur Anrichte. Der Rest ließ einfach alles stehen, aber alle warfen Geld in die Kaffeetasse auf der Anrichte, bevor sie sich wieder verzogen. Dean biss die Zähne zusammen und atmete durch, dann begann er die Teller einzusammeln und in die Spülmaschine zu räumen. Vielleicht sollte er es als einen von Johns Test sehen? Ein verdammt langer Test und so wie er John heute gegenüber stand, wohl auch eher ein Grund zur Rebellion, auf jeden Fall einer, um ihn noch mehr zu hassen. Aber ohne ihn wäre er jetzt nicht hier. Ohne ihn hätte er jetzt ein ganz anderes Leben! Also ja, er nahm es als Test an und er würde durchhalten! Für Sam! Erst als Dean die Küche soweit wieder in Ordnung gebracht hatte, griff er nach der Tasse und kippte das Geld aus, und sich den Kaffeerest, der auch noch in der Tasse war, über das Shirt. ‚War ja eigentlich klar‘, ging es ihm durch den Kopf. Er schloss die Augen und ballte die Fäuste. Erst als sein Kiefer schmerzhaft zu pochen begann merkte er, dass er auch die Zähne zusammengebissen hatte. Er atmete drei Mal tief durch, zog sich das Shirt aus und warf es mit dem Geld in die Spüle. Er wusch den Fleck so gut es ging aus und spülte den Kaffee vom Geld. Immerhin hatte er bei dem Essen keinen Verlust gemacht. Das sollte er dann wohl als Erfolg der Woche verbuchen! Endlich war Feierabend und seine erste Woche geschafft. Er hätte nie gedacht, dass es so schwierig sein konnte, sich in eine bestehende Gruppe zu integrieren. Vor Allem in eine, die ihn augenscheinlich nicht wollte. In seiner Schulzeit hatte er sich nie die Mühe gemacht, Freunde zu finden. Sie kamen, blieben mal eine Woche, mal zwei Monate und verschwanden wieder. Es hatte ihm gereicht Sammy zu haben. Konnte er das wieder aktivieren? Wenn Sam zur Uni ging bestimmt. Aber jetzt? Jetzt fühlte er sich so verlassen, wie zuletzt vor sechs Jahren, als John verschwand und er sich auf den Weg gemacht hatte, um Sam zu holen. Das brauchte er dieses Mal gar nicht. Sam würde kommen. In drei Wochen. Das Einzige, was ihn so richtig weh tat war, dass er absolut keine Chance hatte zu Sams Abschluss zu kommen. Nicht mal mit Fliegen reichte die Zeit. Er hatte sich erkundigt. Er würde entweder kurz nach Anfang der Veranstaltung los müssen, oder er würde zu spät zum Dienst kommen. Dabei wäre er wirklich gerne dabei gewesen. Blieb, mal wieder, nur das Anrufen. Wie er das inzwischen hasste! Klar! So konnte Sam nur hören wie es ihm ging, aber er vermisste die kleinen Wortgefechte, die Ärgereien. Er vermisste es, mit einem kurzen Blick sehen zu können wie es dem Kleinen ging und er vermisste die moralische Unterstützung die Sam ihm durch seine bloße Anwesenheit bot. Dean stellte den Impala vor seinem Motelzimmer ab, stieg aus und ging zum Zimmer. „Oh nein, verdammt!“, hörte er einen frustrierten Ausruf aus einem offenen Fenster. Dean zuckte mit den Schultern und ging nachschauen. Im Zimmer, auf einem Stuhl stand Mrs. Hagen, ihren Vermieterin, und versuchte irgendwie die Deckenleuchte wieder an die Decke zu hängen. „Kann ich helfen?“, fragte Dean ruhig. Sie zuckte zusammen, verdrehte den Hals, um zum Fenster zu schauen. „Mr. Winchester“ Erleichterung machte sich in ihrem Gesicht breit. „Die Leuchte hat sich gelöst als ich sie saubermachen wollte. Heute Nachmittag kommen neue Mieter und ...“ Sie seufzte leise. „Um den Abfluss vom Waschbecken muss ich mich auch noch kümmern und die Leuchte vorm Eingang funktioniert nicht ...“ Dean betrat das Zimmer und stellte seine Einkaufstüten neben der Tür ab. „Erstmal erlöse ich Sie von Ihrer Deckenleuchte“, erklärte er. „Haben Sie eine Leiter?“ „Ja, im Büro.“ „Können Sie die Lampe noch so lange halten oder soll ich ...“ „Wenn Sie die holen? Sie steht in dem kleinen Raum hinter dem Büro, gleich links neben der Tür. Werkzeug ist in dem Regal daneben!“ Der Winchester nickte und lief los. Gleich darauf war er wieder zurück, stellte die Leiter neben ihren Stuhl, nahm einen Schraubendreher und stieg hoch. Schnell war die Lampe wieder fest und er schaute nach dem Abfluss. „Hier ist nichts mehr zu machen“, erklärte er. „Der muss erneuert werden. Haben Sie einen da?“ Er versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Nein. Den muss ich erst holen.“ „Okay, dann überprüfe ich noch die Lampe draußen“, sagte er und war verschwunden. Keine fünf Minuten später stand er wieder vor ihr. „Die Birne ist hin.“ „Ich weiß nicht, ob ich noch welche habe“, überlegte sie. „Kann ich Sie denn gleich nochmal belästigen, wenn ich alles besorgt habe?“ „Wenn Sie mich erst ein paar Stunden schlafen lassen? Ich komme grade von der Nachtschicht.“ „Ich... Entschuldigen Sie, ich hätte doch nicht … wenn ich gewusst hätte, dass Sie ...“ „Schon okay, ich habe ja gefragt.“ Dean lächelte und musste schon wieder gähnen. „Ich komme zu Ihnen, wenn ich ausgeschlafen habe, okay?“ Sie nickte sofort. „Danke, Sie sind ein Schatz!“ Ein rosa Schimmer zierte Deans Wangen. „Ich bin Dean!“, erklärte er leise, nahm seine Tüten und wollte in sein Zimmer gehen. „Danke, Dean. Ich bin Marielle! Schlafen … Schlaf gut!“ Er schloss die Tür seines Zimmers hinter sich und ging zum Tisch, um die Tüten abzustellen. Jetzt würde er in aller Ruhe frühstücken und sich dabei vom Frühstücksfernsehen berieseln lassen und danach wollte er sich ausschlafen. Gleich nachdem er am Nachmittag aufgewacht war, ging er zu Marielle und reparierte den Abfluss und das Licht vor der Tür und war gerade rechtzeitig fertig, bevor die neuen Gäste kamen. Als er das Werkzeug wieder zur Anmeldung brachte, stand das Pärchen bei Marielle und checkte ein. „Dean, warte kurz“, hielt Mrs. Hagen ihn auf als er sich schnell wieder verdrücken wollte. Sie deutete auf einen Stuhl am Tisch in der Ecke. Es dauerte nicht lange, bis sie dem Pärchen den Schlüssel ausgehändigt hatte. Sie ging in ihr Büro und kam mit zwei Tassen Kaffee wieder. Schnell verschwand sie noch einmal und holte zwei Teller Apfelkuchen, von denen sie einen vor Dean stellte. Der Duft des noch leicht warnen Kuchens stieg ihm in die Nase. Seine Mine auf hellte sich schlagartig. „Frisch gebacken“, sagte sie und setzte sich auf den zweiten Stuhl. „Als kleines Dankeschön. Und jetzt hau rein!“ Das ließ sich Dean nicht zweimal sagen. „Der ist gut!“, erklärte er nach dem ersten Bissen und zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Sie unterhielten sich noch eine Weile und Marielle erzählte von ihrem Mann, der vor einem halben Jahr gestorben war und wie schwierig war, in diesen Zeiten. Dean bot ihr an sich um die kleineren anfallenden Reparaturen zu kümmern, wenn er da war. Solange Sam noch nicht hier war, würde er eh genug Zeit haben und so hin und wieder brauchte auch ein Winchester mal jemanden, mit den er einfach nur nett plaudern konnte und der ihm freundlich gesonnen war. Sie holte ihm noch ein zweites Stück und gab ihm, als er sich verabschiedete, weil ein neuer Kunde ankam, noch zwei Stücke mit. Zurück in seinem Zimmer kochte sich Dean noch einen Kaffee, setzte sich mit seinen Laptop an den Tisch und suchte nach einer Freizeitbeschäftigung. Die Alternative wäre der Pub und da würde er restlos versumpfen. So weit war er dann doch noch nicht. „Minigolf und Trampolinhalle“, murmelte er während er den Kuchen verdrückte. Eine perfekte Kombination, die schon im letzten Jahr für Spaß gestanden hatte. Allerdings wollte er nicht alleine auf den Minigolfplatz. Das machte mit Sam einfach mehr Spaß. Also Trampolin. Dann wäre er heute Abend auch richtig fertig und würde schlafen können. Ob er Chris anrufen sollte? Zu zweit würde s schon mehr Spaß machen, aber wollte er hören, wie gut es ihm auf seiner Wache ging? Wollte er sich seinen Fragen stellen, wenn er nach dieser „nicht so einfachen Wache 39“ fragte? Darüber konnte er dann nachdenken, entschied er. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief Chris an, um ihn zu fragen. Doch der hatte Dienst. Leider. Also zog Dean alleine los. An seinem freien Tag erkundete er weiter die Stadt. Vor Allem auf dem Uni-Gelände schaute er sich um. Dann konnte er Sam schon mal erklären wo die wichtigen Gebäude waren. In seiner zweiten Woche hatte er die Tagschicht. Das zeitige Aufstehen fiel ihm sichtlich schwer, vor allem auch, weil er wusste was da auf ihn wartete. Er brauchte zwei Tassen Kaffee, um überhaupt die Augen offen halten zu können. Auf der Wache angekommen, kochte er als Erstes Kaffee und versuchte dann endlich die Tür seines Spinds zu reparieren. Es blieb bei einem Versuch. „Hey, Anwärter“, brüllte Miller durch die Halle. „Musst du so schreien?“, maulte Coon. „Muss ich scheinbar, Rodney. Wenn unser Frischling nicht hört.“ „Was ist?“, fragte Dean, der inzwischen neben Miller stand. „Ach, da bist du ja. Schon ausgeschlafen?“ Miller grinste hinterhältig. Dean nickte. Wer wusste schon was sich der Lieutenant ausdachte, wenn er zugab noch müde zu sein. „Gut! Ich habe Konditionstraining für dich. Webb? Du kannst auch mitkommen.“ „Warum ich?“, begann der auch sofort zu lamentieren. „Hör auf zu maulen, oder du trainierst mit ihm zusammen.“ „Bin da!“ Webb erhob sich, mit seiner Kaffeetasse in der Hand und schaute Miller fragend an. „Du gehst auf´s Dach hoch“, erklärte der Lieutenant seinem Kollegen und der verschwand grinsend. „Und du ziehst dich an. Volle Montur, Atemschutz. Dann nimmst du dir eine der 16 m - Schlauchrollen und kommst zum Trainingsturm.“ Dean ahnte was da auf ihn zukam. Hätten sie das nicht vorige Woche machen können? Da war er ausgeschlafener und außerdem hätte er sich eine Runde in der Trampolinhalle sparen können. Obwohl? Nein! Den Spaß, den er da auch alleine gehabt hatte, wollte er nicht missen. Außerdem würde ihm Erinnerung an diesen Spaß und die Hoffnung das bald wieder mit Sam machen zu können, über die Woche helfen. Er zog sich seine Einsatzmontur an, holte einen aufgerollten Schlauch und kam zur Treppe. „Du läufst unter Atemschutz nach oben auf´s Dach bis zu Webb und wieder runter. So schnell wie möglich!“ Dean nickte und setzte sich den Atemschutz auf. „Und los“, forderte Miller und drückte die Stoppuhr. Am Ende seiner Kräfte, vollkommen durchgeschwitzt und mit zitternden Knien kam der Winchester nach der dritten Runde die Stufen herunter gestolpert. „Das habe ich aber auch schon mal schneller gesehen!“, grinste Battalion Chief Grady. „Du hast den Chief gehört! Noch mal das Ganze!“, forderte Miller. „Hört auf zu spielen, ich habe Arbeit für ihn, draußen! In zehn Minuten meldest du dich bei mir, Anwärter!“, wandte sich Grady nun direkt an Dean. Der nickte und schlurfte schwer atmend zum Wagen, um den Schlauch aufzuräumen. An diesem Tag wollten sie ihn wohl fertig machen! Na, die kannten John Winchester nicht. Aufgeben war bei ihm nie eine Option gewesen. Er war mehr als einmal soweit gewesen aufgeben zu wollen, doch John hatte ihn nie gelassen. Aufgeben konnte er, wenn er tot war, hieß es dann immer. Diese Einstellung hatte Sam und ihm nicht nur einmal das Leben gerettet. Die würde er jetzt nicht ändern! Wenn sie hier dachten sie könnten ihn so brechen, hatten sie sich geschnitten. Kapitel 13: little talks ------------------------ 013) little talks Zehn Minuten später stand Dean im Büro von Batallion Chief Grady. Die Zeit hatte gerade gereicht, dass er sich seine Montur ausziehen und ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht spritzen konnte. Nicht mal das nasse T-Shirt hatte er wechseln können. Hoffentlich musste er das nicht bereuen. „Sir?“ „Mitkommen!“, forderte Grady und ging in den Hof. Neugierig folgte Miller ihnen, wollte er doch unbedingt wissen, warum er so kurz bevor der Winchester aufgegeben hätte abbrechen musste. Im Hof stand ein Hänger vollbeladen mit Baumstämmen in unterschiedlicher Dicke. „Dein Konditionstraining führen wir hier fort. Abladen, in handliches Kaminholz verwandeln und wieder ordentlich auf den Hänger stapeln. Du kannst dir die Länge der Scheite zusägen, danach nimmst du das Beil!“ Grady musterte Dean noch einmal finster, dann ging er wieder nach drinnen und Miller folgte. „Du willst ihn unbedingt hier raus haben“, stellte der Lieutenant fest. „Ich meine, er ist ein bisschen alt für einen Frischling, aber sonst stellt er sich nicht so doof an, wie manch anderer. Mal abgesehen davon bezweifle ich, dass wir Martin bekommen, wenn der geht. Nicht bevor der sein Anwärterjahr durch hat.“ In seinem Büro angekommen musterte Grady Miller kurz. Er bot er ihm einen Platz an und deutete auf die Kaffeemaschine. Erst als sie beide eine Tasse in der Hand hatten, begann er: „Ich weiß und inzwischen finde ich es nicht ganz so schlimm, ihn noch nicht hier zu haben. Soll er sich die Hörner auf einer anderen Wache abstoßen. Nächstes Jahr macht er dann sein Lieutenant-Patent. Danach können wir ihn vielleicht gegen Pratt tauschen. Der Kerl nervt mich schon seit einer ganzen Weile. Leider konnte ich ihm noch nichts nachweisen, um ihn feuern zu können.“ Miller grinste boshaft. „Ein guter Plan.“ Er trank einen Schluck. „Und was hat das mit dem Winchester zu tun?“ Jetzt war es Grady, der einen Schluck Kaffee trank bevor er antwortete. „Irgendwas stimmt nicht mit dem! Keiner fängt mit über dreißig bei der Feuerwehr an. Wo kommt der her und wieso gerade hier?“ „Das ist aber nicht das ganze Problem, oder?“ „Nein, aber auch ein Grund. Der andere ist Martin.“ „Nur weil wir deinen Neffen nicht bekommen haben? Dafür kann der Winchester nix, das ist auf Reeds Mist gewachsen. Wahrscheinlich muss der sich als neuer Chief erstmal beweisen, was für ein harter Hund der ist.“ „Auch möglich. Aber nein. Der Winchester war mit Martin in einer Klasse und ist ihm mehr als einmal in die Parade gefahren. Martin hat sich so oft über den beschwert und als ich ihm erzählt habe, dass wir den gekriegt haben, musste ich ihm versprechen, dass ich ihm dem Beruf so richtig vergälle. Dass ich ihn nicht mag, macht es um so leichter.“ „Dann sollten wir eigentlich hoffen, dass der nicht so schnell aufgibt“, grinste Miller. „Vielleicht lassen wir ihn zwischendurch mal ein paar Tage in Ruhe?“ Er hob seine Tasse und trank den Kaffee aus, während Grady nickte. Dean atmete durch. Grady und Miller waren schlimmer als John und das wollte schon etwas heißen! ‚Lamentieren bringt nichts!‘, rief er sich in Gedanken zur Ordnung und holte sich die Kettensäge. Sein Holzfällerdasein wurde kurz von einem Einsatz unterbrochen, bei dem jedoch nur ein Kätzchen vom Baum gerettet werden musste und Dean lediglich als Zuschauer mit vor Ort war. Die Unterbrechung kam ihm jedoch ganz recht, hatte er so wenigstens Zeit richtig durchzuatmen und seine Hände zu strecken. Trotz der Handschuhe schmerzten sie. Zurück auf der Wache umwickelte er seine Hände mit Stoffstreifen. Das machte zwar das Zupacken schwerer, erlaubte ihm aber einen anderen Griffwinkel und er hoffte ohne Blasen davon zu kommen. Bis zum Feierabend hatte er den Auftrag ausgeführt. Er erntete einen skeptischen Blick und musste natürlich mit Miller und Grady zusammen nach draußen gehen und seine Arbeit begutachten lassen. Leider, zumindest aus der Sicht von Miller und Grady, gab nichts zu beanstanden und er durfte endlich duschen gehen. Das heiße Wasser auf seinem Körper war eine Wohltat. Er entspannte sich sichtlich. Selbst dass zum Schluss nur noch eiskaltes Wasser aus der Brause kam, konnte ihn nicht wirklich schocken. Grady und Miller standen noch eine Weile neben dem ordentlich vollgepackten Hänger. „So werden wir den nicht los“, überlegte Miller und kam nicht umhin die hier geleistete Arbeit anzuerkennen, auch wenn er das seinem Chef nicht zeigen würde. „Ist doch gut für uns, oder?“ Grady holte seinen Truck, um den Hänger anzukoppeln. Kaminholz hatte er jetzt auf jeden Fall genug für den Winter. Schon auf der Fahrt ins Motel fühlte Dean die Schmerzen in seinen Händen immer stärker. Er musste sie nicht mal ansehen, um zu wissen, dass sich doch Blasen gebildet hatten. Na, das konnte in den nächsten Tagen ja heiter werden, denn er bezweifelte, dass sie ihn nur deshalb in Ruhe lassen würden. Vielleicht sollte er gleich morgen kochen? In der Küche hatte er auf jeden Fall seine Ruhe. Oder die 2. Schicht hatte gleich noch einen Einsatz und er konnte die Schläuche waschen. In den Keller verirrte sich auch kaum einer. Das hatte er in der letzten Woche bemerkt. Im Zimmer schälte er sich aus seiner Jacke, ließ sie fallen und schlappte die zwei Schritte zu seinem Bett. Er kippte einfach hinein, griff nach der Decke und wickelte sie um sich, während er sich auf die Seite rollte. Er hatte die Bewegung noch nicht ganz ausgeführt, als er auch schon eingeschlafen war. Draußen war es dunkel, als Dean von seinem knurrenden Magen geweckt wurde. Er brauchte eine Weile, bis er sich orientiert hatte. Seine Hände pochten. Das konnte ja heiter werden! Er kämpfte sich aus dem Bett und wünschte sich, nicht zum ersten Mal seit er hier war, dass Sam da wäre. Der könnte ihm jetzt zumindest mental helfen. Er schnaufte frustriert. Sam war nicht hier, also musste er wohl oder übel selbst klar kommen. Er stand auf und tappte ins Bad, wo er das Verbandszeug hervorholte und begann sich die Blasen aufzustechen. Nachdem er seine Hände mit einer dünnen Schicht Verbandsmull bedeckt hatte, zog er sich an und machte sich auf den Weg ins Diner. Zu Fuß, denn er wusste nicht, wie gut er das Lenkrad würde halten können. Außerdem war die Luft mild und diese Art der Bewegung tat ihm gut, um wieder runter zu kommen und Kraft für den nächsten Tag zu tanken. Zumindest versuchte er sich das einzureden, denn wenn er jetzt in den Impala stieg, würde er fahren und nur mit viel Glück wirklich bei Bobby landen. Nein! Noch war er nicht so weit aufzugeben, noch würde er für seine und für Sammys Zukunft kämpfen. Noch hatten sie ihn nicht gebrochen! Noch! Nicht! Im Diner ließ er sich an einem freien Tisch nieder und begann die Speisekarte zu studieren. „Was ist denn mit Ihren Händen passiert?“, fragte die niedliche brünette Kellnerin mitfühlend. „Wir haben um die Wette Holz gehackt und ich hab gewonnen!“ Er grinste schief. „Ein zweifelhafter Sieg, wenn ich mir Ihre Hände anschaue.“ „Da haben Sie wohl recht“, antwortete er leise. „Was kann ich Ihnen bringen?“ „Ich nehme den Hackbraten mit extra Zwiebeln, Kartoffelpüree und Salat. Dazu einen Kaffee, bitte.“ „Gerne“, sie notierte sich seine Wünsche und ließ ihn mit seinen trüben Gedanken wieder allein. Doch schon bald brachte sie ihm wenigstens den Kaffee und Dean beschloss für heute zu vergessen, was nicht zu ändern war und sich einfach nur auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Das Essen war gut und nicht zu teuer und brachte Dean zumindest einen Teil seines Seelenfriedens zurück. Er zahlte mit einem großzügigen Trinkgeld und ging zurück in sein einsames Zimmer. Hoffentlich kam Sam bald! Er wollte nicht mehr alleine sein! Eigentlich wollte er sich noch ein Spiel anschauen, doch er war so müde, dass er während der Halbzeitpause ausschaltete und ins Bett kroch. Am nächsten Morgen wurde Dean von seinem Handywecker aus dem Schlaf gerissen. Gut, dass er den gestellt hatte. Er schlurfte ins Bad und entfernte die Verbände, bevor er duschen ging. Seine Hände sahen ganz gut aus, auch wenn er noch aufpassen musste, damit er nirgends hängen blieb. Wer wusste schon, was sie sich heute wieder für ihn ausgedacht hatten. Er hätte nie damit gerechnet, dass sich das, was ihm noch vor zwei Wochen als Traumberuf erschienen war, so schnell zu einem Albtraum entwickeln konnte. Immerhin hatte er ein bisschen Glück. Die restliche Woche verging recht friedlich. Am Mittwoch konnte er sich zur Schlauchwäsche in den Keller verziehen. Hier hatte er seine Ruhe, dachte er, bis es plötzlich klopfte. Er erstarrte und schaute zur Tür. Dearing und Lund kamen herein. Dearing hielt eine Tasse Kaffee in jeder Hand. Eine davon hielt er kurz hoch. „Für dich“, sagte er und stellte sie auf einem Regal ab. Misstrauisch schaute Dean von dem Mann zum Kaffeebecher und wieder zurück. Was wollten die hier? Konnte er ihnen trauen oder war das ein weiterer perfider Plan ihn zum Aufgeben zu bewegen? „Ich glaube ich weiß, was du jetzt denkst“, begann Lund. „und ich kann es sehr gut verstehen. Dearing und ich hatten das Glück fast zur gleichen Zeit begonnen zu haben. Ich war schon drei Jahre Feuerwehrmann als ich herkam und Dearing war vor der Ausbildung jahrelang bei der Jugendfeuerwehr der Nachbarwache. Außerdem hatte Battalion Chief Grady nicht den ausdrücklichen Wunsch geäußert, einen bestimmten Anwärter auf die Wache zu bekommen. Dieses Mal hat er es und augenscheinlich wurde seinem Wunsch wohl nicht entsprochen. Das musst du jetzt ausbaden.“ „Und das erzählt ihr mir hier, weil …?“ wollte Dean ruhig wissen. Diese Äußerung musste er erstmal überdenken. Konnte er mit dem Wissen etwas anfangen? Brachte es ihm etwas? Half es ihm? „Naja, wir wollten uns wohl irgendwie für das Verhalten der Anderen entschuldigen. Grady hat hier Narrenfreiheit. Der alte Chief hat ihm alles durchgehen lassen. Grady hat sich seine Mannschaft so zusammengestellt wie er wollte. Miller ist sein Ziehkind und Webb biedert sich bei beiden an, wo er nur kann. Der Rest hält die Klappe und macht mit.“ Er schaute zu Dearing. „Wie wir auch. Gut, wir halten uns raus, aber das ist wohl auch nicht besser, als das Verhalten der Anderen.“ Er senkte den Blick. „Bislang war es auch nie so schlimm. Es gab fiese Streiche, aber dass einer so behandelt wurde, das gab es noch nie“, ergänzte Dearing. „Zumindest nicht solange wie wir da sind.“ Dean zuckte nur mit den Schultern und nahm den nächsten Schlauch, um ihn durch die Wäsche zu ziehen. „Wir wollten dir sagen, dass wir nicht so sind und das nicht unterstützen und auch nicht mitmachen werden.“ „Okay, danke“, sagte Dean und nickte kurz. „Wisst ihr wen Batallion Chief Grady wollte?“ „Nein. Nicht namentlich. Nur dass der sein Neffe ist.“ „Hm“ Dean ging um den Tisch herum und schaltete den Waschgang ein. Er würde ihnen weder den Gefallen tun gegen seine Vorgesetzten zu hetzen, sollten sie nur darauf warten, noch ihnen eine Absolution für ihr Stillschweigen zu erteilen. Kurz traten die beiden noch von einem Fuß auf den anderen, bevor sie mit einem kurzen Nicken wieder verschwanden. Überlegend schaute Dean zur Tür. Half ihm das Ganze jetzt weiter? Nein. Überhaupt nicht. Das Wissen, dass das nicht gegen ihn persönlich gerichtet war, sondern nur gegen den falschen Anwärter, der er war, half ihm auch nicht. Es traf ihn persönlich! Wenn er zum Chief ging würde der ihm wohl nicht glauben und die zwei würden es nicht bestätigen. Er könnte kündigen. Klar, aber so schnell gab ein Winchester nicht auf und diese Genugtuung wollte er Grady und Miller auch nicht verschaffen. Noch nicht, zumindest. Außerdem würde Sam bald kommen und mit dem Wintersemester sein Studium hier beginnen. Das hieß, die nächsten drei Jahre saß er hier in Bloomington fest und wenn er wirklich weiter als Feuerwehrmann arbeiten wollte, musste er sich hier wohl oder übel durchbeißen. Bevor er nach oben ging, kippte er den Kaffee in den Ausguss. Entschuldigung hin oder her. Er würde hier keinem weiter trauen, als er ihn werfen konnte. Kapitel 14: Garduation ---------------------- 014) Garduation Jody brachte Wäsche nach oben. Die Tür zu Sams Zimmer stand offen. Unweigerlich warf sie einen Blick hinein und sah Sam auf der Couch hocken und ins Nichts starren. Sie räumte die Wäsche weg und trat wieder an die Tür. Vorsichtig klopfte sie. „Sam?“ Der Winchester hob den Kopf. „Komm rein“, sagte er leise. „Was ist los?“, wollte sie wissen und setzte sich neben ihn. Sam seufzte und musterte sie eindringlich. Erst dann antwortete er. „Ich bin ein furchtbarer Bruder. Ich ...“ Er holte tief Luft und schnaufte. „Ich weiß wie ungern Dean alleine ist und … Er hat immer alles versucht, um mir eine Kindheit zu ermöglichen, egal wie es ihm ging. Er hat immer versucht für mich da zu sein, hat mich und meine Launen ertragen als ich ein Teenager war und einfach unausstehlich und ich … Ich habe mich monatelang auf diesen Tag gefreut. Ich bin so froh diese Schule hinter mir zu haben und ich freue mich so sehr auf mein Studium, aber gerade will ich nichts weniger als zu packen und nach Bloomington zu fahren.“ Wieder schnaufte er schwermütig. „Ich hatte nie eine richtige Familie. Erst hier durch dich und Bobby habe ich sowas wie Familienleben kennengelernt und ich würde es gerne noch länger genießen. Nur ein paar Wochen. Das Studium beginnt doch erst im Herbst. Ich …“ Er fuhr sich frustriert durch die Haare. „Ich bin ein furchtbarer Bruder! Ich denke wirklich darüber nach Dean noch länger alleine zu lassen, nur damit es mir gut geht.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu und starrte dann wieder auf seine Hände. „Dean hat immer alles versucht, um mich glücklich zu machen ... Er war immer für mich da, solange ich es zugelassen habe.“ Sam grinste schief. „Aber es war eben keine Familie. Da war nur er, selbst noch Kind, und … John. Ein Vater der keiner war. Bobby war uns immer mehr Vater als … Ich würde so gerne hier bleiben und ich will endlich zu Dean … und … Klingt das nicht vollkommen paranoid? Klingt das nicht nach einem furchtbar egoistischen Bruder?“ „Du bist kein schlechter Bruder, Sam“, sagte Jody und legte ihre Hand auf seinen Arm. Sam schaute sie missbilligend an. „Dean hätte nicht mal darüber nachgedacht. Wahrscheinlich hätte er, wenn ich alleine in Bloomington wäre, noch nicht mal die Abschlussfeier mitgemacht. Er hätte nach der letzten Stunde, oder eher schon ab Abend davor, seine Sachen gepackt und wäre nach der Stunde sofort losgefahren. Egal wie sehr er es hier geliebt hätte! Und ich sitze hier und denke darüber nach ihn noch länger alleine zu lassen. Dabei ist er doch nur wegen mir da!“ ‚Dean‘, Jody schüttelte innerlich den Kopf. ‚Der ältere Winchester war ein Unikum, in jeder Hinsicht. Er war mit Pauken und Trompeten in ihr Leben gestürmt. Eher mit einer Schrotflinte und er hat ihr Leben gerettet und das nicht nur wortwörtlich. Es waren die Kleinigkeiten, die richtigen Gesten zur richtigen Zeit, und er hatte sie mit seinen dummen Sprüchen aus der Spirale aus Angst, Wut und Trauer gerissen, in die sie abzurutschen drohte und er hat ihr mit seiner verrückten Idee eine neue Familie beschert. Dean musste sie einfach lieben und noch mehr, je mehr sie von seinem Leben erfuhr. Sam war da ein ganz anders Kaliber. Viel bedachter und zurückhaltender als sein Bruder. Jemand, der erst alles von allen Seiten betrachtete und überdachte und damit oft auch zerdachte. Sam wollte das richtige und war dabei manchmal so übereifrig, dass er ziemlich am Ziel vorbei schoss. Immer nahm er die Schwächeren in Schutz und wenn Dean ihn ließ, versuchte er zurückzugeben, was Dean Zeit seines Lebens für ihn getan hatte und wurde dabei wohl ziemlich von seinen Schuldgefühlen, seinem Bruder gegenüber geplagt. Was seinem Tun selten das richtige Maß verlieh. Trotzdem, oder vielleicht deshalb mochte sie den Großen nicht weniger als Dean. Es hatte nur gedauert ihn kennenzulernen. Sam atmete tief durch und riss sie damit aus ihren Gedanken. Sie lächelte ihn aufmunternd an. „Deshalb packst du ja auch und fährst übermorgen zu ihm.“ Sam erwiderte ihr Lächeln zögernd. Er stand auf und ging zu der Wand, an der die Bilder von Mary hingen und nahm das Erste in die Hand. „Die solltest du hier lassen, genau wie die in Deans Zimmer und seine Cowboykleidung.“ „Warum?“, fragte Sam irritiert. „Ihr wohnt im Motel. Da könnt ihr nicht einfach so Löcher in die Wand schlagen. Holt es, wenn ihr eine richtige Wohnung habt. Dann habt ihr wenigstens auch einen Grund mal wieder her zu kommen.“ Jetzt lächelte Sam. „Wenn es nicht so weit wäre, würden wir euch ständig auf dem Hals hängen!“ Darauf wusste Jody nichts zu erwidern, außer einem breiten Lächeln. Sie stand auf. „Du solltest dich langsam fertig machen.“ Sam nickte. Viel hatte er nicht mehr zu packen, außerdem hatte er auch heute Abend noch Zeit. Er nahm das Hemd und die Hose vom Haken und verschwand im Bad. Als er fertig war warf er seine Kleidung in sein Zimmer und nahm den Talar und den Doktorhut vom Bügel. Er wollte gerade die Treppe hinunter gehen, um mit Bobby und Jody zu seiner Abschlussfeier zu fahren, als sein Handy klingelte. „Dean, hey“, freute er sich. „Hey, Sammy. Ich wollte dir wenigstens zu deinem Abschluss gratulieren. Ich würde dir jetzt gerne wenigstens ´n Bier ausgeben, wenn ich dir schon keine Überraschungsparty geben kann“, erklärte er rau. „Verdammt! Ich wäre gerne bei dir! Ich ...“ Naja, für ein bisschen Überraschung hatte er mit Jodys Hilfe schon gesorgt, aber das konnte er ihm ja noch nicht verraten. „Es ist ...“ Sam schluckte. „Nein, es ist nicht okay. Ich hätte dich gerne dabei. Aber du hängst in Bloomington fest. Wegen mir.“ „Genieße die Zeit und lass dich noch ml richtig von Jody und Bobby verwöhnen. Wenn du erst hier bist, wird das nicht mehr so sein. Dann müssen wir wieder miteinander klar kommen.“ „Als ob wir das nicht könnten!“, schnaubte Sam. „Ich dich auch, Schatz“, flötete Dean lachend. „Du bist ein Idiot!“ „Kaum hast du den Collegeabschluss, schon bin ich ein Idiot“, grummelte Dean. „Wenn du das denkst, bist du wirklich einer!“ „Ich liebe dich auch, Miststück!“, lachte Dean. Er schluckte. „Hey, Kleiner. Genieße die Zeit und dann komm so schnell wie möglich her, okay?“ „Mache ich, Dean. Wir sehen uns. Genieße du die letzten freien Tage, bald ist deine kleine Nervensäge wieder da.“ „Na hoffentlich!“, Dean schluckte erneut. „Bis bald, Sammy! Und grüße Bobby und Jody.“ „Bis bald, Dean.“ Sam steckte das Telefon weg und ging langsam die Treppe hinunter. Wie hatte er nur daran denken können, noch länger hier zu bleiben? Doch jetzt würde er tun, was Dean ihm gesagt hatte. Er würde seinen Abschluss genießen. „Ich soll euch von Dean grüßen“, erklärte er und musterte die beiden. Bobby hatte einen Anzug an und sogar auf sein Baseball-Cap verzichtet. Jody trug ihre Ausgehuniform. „Wow“, entfuhr es ihm. „Ihr seht toll aus! Nehmt ihr mich so überhaupt mit?“ „Du siehst perfekt aus, Sam.“ Jody musterte ihn in seinem FBI-Anzug. „Also dass dir die Mädels nicht hinterher rennen, verstehe ich nicht!“ „Erst Dean und jetzt Sam?“, fragte Bobby brummelig. „Wenn ich auf junge Hüpfer stehen würde ...“ erklärte sie lachend und gab ihm einen Kuss. „Aber du bist und bleibst mein Ritter Graubart. Da kann kein Jungspund mithalten.“ Bedauerns schaute sie zu Sam. „Ihr solltest euch ein Zimmer nehmen“, erklärte der und ging zur Tür. „Brauchen wir nicht. Wir haben ein Haus“, erwiderte Bobby, hielt seiner Frau den Arm hin und geleitete sie zum Wagen. In der Aula der Schule suchten sich Bobby und Jody einen Platz, von dem aus sie gut filmen konnten. Wenn Dean schon nicht da war, wollte Jody ihn den Moment, wenn Sam sein Diplom bekam, wenigstens im Bild festhalten. „Sheriff Mills“, wurden sie auf dem Gang aufgehalten. „Mr. Und Mrs. Clarke“, grüßte Jody das Ehepaar. „Sie sind im Dienst?“, wollte Mrs. Clarke wissen. „Nein. Der Neffe meines Partners bekommt heute sein Diplom.“ Sofort wanderte Mr. Clarkes Blick zu Bobby. Ein abfälliger Ausdruck huschte über sein Gesicht. Mrs. Clarke musterte Jody eher mitleidig. „Sie müssen es wissen“, erklärte sie, hakte sich bei ihrem Mann unter und ging mit ihm weiter. ‚Natürlich weiß ich es‘, schimpfte Jody in Gedanken, während sie den Beiden nachsah. Bobby war ein toller Mann! Vielleicht hätte sie ja doch zuhause bleiben sollen? Aber warum? Sie liebte Bobby und er liebte sie. Ihr Mann war seit fast zwei Jahren tot und sie hatte jedes Recht auf Glück. Sie wollte sich nicht mehr verstecken! Sie wollte zu ihrem Mann stehen und sie wollte, dass ihre Mitmenschen ihr Privatleben akzeptierten und sie nach ihrer Arbeit beurteilten. Aber nein. Sie vermischten beides und nicht wenige standen ihr ablehnend gegenüber, weil sie mit Robert Singer, dem Säufer, eine Affäre gehabt hatte und jetzt offen mit ihm zusammen war! Gut, die Affäre hatte es nie gegeben doch die hatte ihr das Leben gerettet. Vielleicht hätte sie das Ganze auch anders lösen können, doch letztendlich war es so richtig und gut. Ohne diese „Affäre“ hätte sie jetzt weder diesen wundervollen Mann an ihrer Seite noch diese zwei unersetzlichen Jungs. Sie straffte sich und ging zu Bobby. „Alles gut bei dir?“, fragte der auch sofort. „Ja. Nur ein paar Ignoranten mehr.“ Mitfühlend drückte Bobby ihre Hand. „Es ...“ „Nein! Ich will hier sein, mit dir und mit Sam. Ihr seid das Beste, was mir seit Langem passiert ist!“ Sie lächelte ihn warm an und setzte sich. Der Rektor der Schule trat an das Rednerpult. Die letzten Eltern und Schüler suchten sich ihre Plätze und setzten sich. Es kehrte Ruhe ein und der Rektor begann seine Rede vom Ende der behüteten Schulzeit und vertanen und genutzten Chancen. Die ihm folgenden Lehrer schlugen in ihren Reden mehr oder weniger die gleichen Töne an. Danach begannen sie mit der Vergabe der Diplome in alphabetischer Reihenfolge. Als sie bei W angekommen waren, machte Jody ihr Handy filmbereit, stand auf und drückte bei jedem Schüler der kam auf den Startknopf und schaltete die Aufnahme gleich wieder aus, wenn es nicht Sam war. Diese Schnipsel würde sie nachher gleich wieder löschen. Dann endlich wurde Sams Name genannt und Jody ließ die Aufnahme laufen. Der Winchester erhob sich und ging zu Bühne. Einige der Lehrer schüttelten ihm die Hand und der letzte von ihnen drückte ihm sein Diplom in die Hand. Sam drehte sich zum Publikum und strahlte Jod breit an, bevor er von der Bühne ging und sich wieder auf seinen Platz neben Damon setzte. Zum Schluss entließ sie der Rektor mit den besten Wünschen und einigen Ermahnungen für die Zukunft ins Leben. Jody schickte, kaum dass Sam wieder auf seinem Platz saß, das kleine Video an Dean weiter, der mal wieder bei der Schlauchwäsche stand. Er hatte das Handy auf extra laut und Vibrationsalarm gestellt. Er trocknete sich die Hände ab und öffnete die Datei. Wehmütig schaute er auf seinen kleinen Bruder. Wie gerne hätte er das miterlebt. Er schaute sich das Video noch einmal an, bevor er das Handy wieder wegsteckte und zurück an seine Arbeit ging. Die Absolventen warfen ihre Hüte in die Luft und liefen dann zu ihren Familien, um sich gebührend feiern zu lassen. Sam drückte Damon die Hand. „Alles Gute für deinen weiteren Weg!“, wünschte er ihm. „Dir auch, Sam. Es tat gut, in den letzten Monaten einen Freund gehabt zu haben“, erwiderte Damon. „Das kann ich nur zurückgeben“, nickte Sam. Sie verabschiedeten sich. Damon würde nach Yale gehen. Es war also eher unwahrscheinlich, dass sie sich in diesem Leben noch einmal trafen. Sam nahm seinen Doktorhut, er hatte ihn nicht geworfen, warum auch? Es waren genug geflogen. Mit langen, weit ausgreifenden Schritten lief er die Treppen zu seiner Familie hoch. Sofort zog Bobby ihn in eine herzliche Umarmung. „Ich bis so stolz auf dich, Sam. Auch wenn du uns übermorgen verlässt.“ „Wir sehen uns wieder, Bobby!“ „Das will ich auch schwer hoffen!“ Der alte Jäger gab Sam frei und schob ihn zu Jody weiter, die ihn nun ebenfalls herzlich umarmte. „Ich freue mich so für dich, Sam“, sagte sie und löste sich von ihm. Sie schluckte. „So, und bevor wir hier alle noch rührselig werden, lasst und essen fahren!“ Die beiden Männer nickten und folgten ihr zum Parkplatz. Kapitel 15: Good stuff ---------------------- 015) Good stuff Am Wagen angekommen schälte sich Sam aus seinem Talar und legte ihn, ordentlich zusammengefaltet, samt Doktorhut in den Kofferraum. Er nahm seine Anzugjacke heraus und mit in den Fond. Amüsiert schaute Jody zu, wie sich der Winchester auf der Rückbank zusammenfaltete. „Du hättest auch hier vorne sitzen können“, erklärte sie leise lachend. „Lass mal. Für das Stück geht es. Außerdem wollte ich dir deinen Platz nicht streitig machen“, erwiderte Sam. „Das tust du nicht“, schaltete sich jetzt auch Bobby ein. Auch ihm war ein Lachen anzuhören. „Aber ich finde es schon schöner Jody neben mir zu haben.“ „Wäre ja schlimm, wenn nicht!“, entgegnete Sam. „Ich wäre dir trotzdem sehr verbunden, wenn wir jetzt losfahren könnten.“ Bobby startete den Wagen und fuhr los. Schon bald waren sie bei dem Steakhouse angekommen. Sie stiegen aus. Sam zog sich sein Jackett über und folgte den Beiden hinein. Jody meldete sich beim Kellern, um an ihren Tisch geführt zu werden. Das gab Sam etwas Zeit, sich umzusehen. Er erstarrte kurz, bevor ein breites Lachen sein Gesicht erhellte. An der Bar standen Nick, Ruby und Mr. Davenport. Er ging zu ihnen. „Sam“, kam Mr. Davenport auf ihm zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich möchte Ihnen ganz herzlich zu Ihrem Abschluss gratulieren. Ich bin stolz auf Sie und hoffe, dass es Ihnen in Bloomington genauso gut gefällt und Sie Ihr Studium genießen werden.“ „Vielen Dank Mr. Davenport. Ich freue mich, Sie hier zu sehen, und möchte Ihnen noch einmal für die Chancen danken, die Sie und Ihr Bruder mir gegeben haben.“ Der Anwalt lächelte warm. Der Winchester hatte ihn überrascht, im positivsten Sinn, auch wenn er Jody immer noch ein bisschen böse war, dass sie ihm nicht gesagt hatte, wie nahe sie ihm stand, als sie, nein, nicht nur für ihn gesprochen hatte. Sie hatte nur für die anderen Kandidaten gesprochen, die er rundweg abgelehnt hatte, hatte nur für die eine Chance gesprochen, die er allen geben sollte und das hatte er getan. Er hatte sich ja nicht nur den Winchester angesehen. Dass der ihn von sich überzeugt hatte, war nicht auf Jody zurückzuführen gewesen. Es hätte ja auch einer der anderen Beiden so gut sein können. Sie waren es nicht gewesen. Sie waren wirklich das, was er in ihnen gesehen hatte. Trotzdem würde er Jodys Bitte folgen und weiterhin jeden einladen, der sich bei ihm bewarb. Es würde ihn mehr Zeit kosten, aber wenn er noch so einen Rohdiamanten wie diesen Winchester fand, war das die Mühe mehr als wert. Er schaute noch einmal zu Sam auf und ging, mit einem kurzen Nicken, zu Jody und Bobby. Er würde später noch mit Sam reden können. Sam drehte sich wieder zur Bar und schon stand Ruby vor ihm. „Hey, Kleiner“, begrüßte sie ihn, was Sam ein amüsiertes Schnauben entlockte. „Jetzt wird also auch der letzte Winchester langsam erwachsen.“ „Langsam?“ „Naja, du hast einen weiteren Schritt gemacht. Den letzten musst du noch. Aber ich denke, dass du das auch schaffen wirst. Ihr habt so viel in eurem Leben geschafft. Das wird da nur ein kleiner, wenn auch ein wichtiger Schritt sein.“ Sie lächelte ihn warm an. „Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss. Müsstest du nicht so ein schwarzes Nachthemd tragen?“ „Nachhemd? Das ist ...“ Er sah das Glitzern in ihren Augen und schloss grinsend die Augen. Sie hatte ihn. „Woher weißt du, dass man beim Collegeabschluss ein Nachthemd trägt?“ „Ich habe meine Quellen“, erklärte sie. „Das Teil liegt im Kofferraum. Vielleicht kann ich es ja noch mal brauchen.“ Er lächelte. Sie umarmte ihn herzlich und ging dann zu Bobby, um den alten Jäger zu begrüßen. Jetzt endlich trat auch Nick zu Sam und umarmte ihn kurz. „Auch von mir Herzlichen Glückwunsch!“ Er klopfte Sam freundschaftlich auf die Schulter. „Danke Nick. Schön dich zu sehen! Wie kommts?“ „Dean hat mich bei seiner Abschlussfeier gefragt, ob ich auch zu deiner fahren würde, weil er es vielleicht oder eher wahrscheinlich nicht könnte und er hatte wohl Recht.“ „Ja, leider und es wurmt ihn ungemein.“ „Schade, ja.“ „Wie steht es mit deiner Versetzung nach Indianapolis?“, hakte Sam jetzt nach. „Du hast bei Deans Feier sowas angedeutet.“ „Wird wohl erst frühestens Ende des Jahres was. Vielleicht auch erst Mitte nächsten Jahres. Unser Chef hat angeregt, dass wir uns weitere, bislang ungeklärte, Fälle nochmal vornehmen und ich denke, dass die Opfer und ihre Familien es verdient haben, alles mit den neuen Ermittlungsmethoden noch einmal zu überarbeiten.“ Sam nickte. „Und was machst du wenn du noch mal auf einen unserer Spielkameraden triffst?“ „Keine Ahnung. Den Fall ungelöst liegen lassen? Ihr steht ja wohl nicht mehr zur Verfügung, oder?“ „Nein, Dean und ich sind raus. Aber du kannst mich trotzdem anrufen. Ich kann es weitergeben.“ „Gut, aber jetzt lass uns zu etwas Fröhlicherem übergehen. Deine Gäste warten und ich habe Hunger!“, lachte Nick. Sam nickte und gemeinsam gingen sie zum Tisch. Das Essen war hervorragend und die Gespräche drehten sich um Alltägliches. Nick erzählte von seinen Fällen und versuchte immer wieder Ruby mit in die Unterhaltung einzubeziehen und war ganz versessen darauf, mehr von ihr zu erfahren. Sam warf ihm mehr als einen verwunderten Blick zu. Erst nach dem Nachtisch, als Sam sich mit vollem Bauch an die Lehne sinken ließ, wandte sich Mr. Davenport an noch einmal an ihn. „Wie lange bleiben Sie noch in Sioux Falls?“ „Ich fahre übermorgen nach Bloomington.“ „Dann wird es jetzt also ernst und ich muss mir einen neuen Praktikanten suchen?“ „Das haben Sie doch schon längst“, erwiderte Sam. „Ja,“, nickte Davenport. „Trotzdem verliere ich sie ungern. Falls es Sie nach Ihrem Studium doch wieder nach Sioux Falls ziehen sollte und Ihre Leistungen so vielversprechend bleiben, melden Sie sich bei mir. Einen guten Anwalt kann ich immer brauchen.“ „Das ...“ Sam schaute ihn verblüfft an. „Danke. Ich werde darüber nachdenken.“ Er wusste, dass er einen guten Eindruck hinterlassen hatte, aber dass es ein so guter war. „Grüßen Sie meinen Bruder von mir“, bat Mr. Davenport Sam noch. „Das mache ich. Und Sie, grüßen Sie bitte Esther und Allison.“ Der Anwalt nickte lächelnd. Er verabschiedete sich von Jody und Bobby mit einem Nicken und ging zu seinem Wagen. Sam schaute ihm kurz nach, dann trat er zu Bobby. „Wollt ihr noch auf ein Glas mit zu uns kommen?“, fragte der Jäger in die Runde. „Ich denke nicht“, entgegnete Ruby. „Auch du bist willkommen, Ruby.“ „Wollt ihr den ganzen Abend draußen verbringen? Dein Haus ist inzwischen eine Festung, habe ich gehört.“ „Darüber wollte ich auch mit dir reden“, bestätigte Bobby. Ruby legte den Kopf schief. Sie musterte Bobby, bevor ihr Blick zu Jody glitt, die sie anlächelte, und dann weiter zu Sam ging. Auch er lächelte nickend. „In einer Stunde“, sagte sie und nickte. Auch über ihr Gesicht huschte ein Lächeln, als sie sich umdrehte und hinter dem Restaurant verschwand. „Warum hat sie nicht hier auf dem Parkplatz geparkt? Wir hätten sie auch mitnehmen können.“ Überlegend schaute Nick ihr hinterher. Sam grinste nur. „Sie wird da sein.“ „Wie ist es mit Ihnen Mr. Traven?“, fragte Jody, „Haben Sie schon ein Zimmer oder wollen Sie bei uns schlafen?“ „Ich habe das Zimmer zwar schon bezahlt, aber das Angebot auf einen Whiskey nehme ich gerne an und dann sehen wir weiter“, er grinste und hielt ihr die Hand hin. „Ich bin Nick.“ Bei Deans Abschlussfeier hatten sie kaum Zeit gehabt, sich näher kennenzulernen. „Jody“, lächelte sie, „und das ist mein Mann Bobby.“ Ihr Blick suchte den des Jägers und ihre Augen strahlten warm. „Ich freue mich, euch endlich besser kennenlernen zu können.“ „Lasst uns fahren. Zuhause ist es gemütlicher als hier auf dem Parkplatz“, warf Sam ein und ging zu Bobbys Wagen. „Folgst du uns, Nick?“ „Du kannst auch mit ihm fahren. So sehr es mich auch reizt, dir noch einmal dabei zuzusehen, wie du dich hinten ins Auto quälst.“ „Na danke“, grummelte Sam. Er warf Bobby noch einen Blick zu und folgte Nick dann zu dessen Wagen. „Sag mal, was ist das mit dir und Ruby?“, fragte Sam, kaum dass Nick den Wagen in den fließenden Verkehr gelenkt hatte. „Ich mag sie, aber ich weiß nicht wie sie das sieht.“ „Du magst sie?“ „Sie ist heiß, verdammt!“ „Das ist sie in der Tat“, grinste Sam. „Heiß und verdammt.“ Irritiert warf Nick seinem Beifahrer einen Blick zu. „Was willst du damit sagen?“ „Das musst du schon selbst rausfinden.“ „Du willst mich ins offene Messer laufen lassen?“ „Ruby ist … besonders. Dean und ich, wir haben ihr so viel zu verdanken. Wir nennen sie Freundin und ...“ Sam rieb sich den Nacken. „Und?“ „Ruby ist ein Dämon.“ Erschrocken trat Nick auf die Bremse. Sofort ertönte hinter ihn ein wütendes Hupen und er gab wieder Gas. „Sie ist was?“ „Ruby ist ein Dämon. Als wir sie kennenlernten, hat sie uns das Leben verdammt schwer gemacht, letztendlich aber hat sie Dean das Leben gerettet und das nicht nur einmal. Sie ist der einzige Dämon, der das Zusammentreffen mit uns auf lange Sicht überlebt hat.“ Sam lächelte. „Sie hat mal gesagt, dass die da unten bei ihr was falsch gemacht haben. Sie ist menschlich geblieben.“ „Weißt du noch mehr von ihr?“ „Nein. Vielleicht Dean. Warum fragst du?“ „Ich habe sie beim Essen gefragt, was sie macht und sie sagte, dass sie Heilerin wäre.“ „Das hat sie uns auch gesagt und sie tut es. Sie heilt und sie ist gut darin.“ Sam mustert ihn. „Wenn du mehr wissen willst, müssten wir Dean fragen. Vielleicht hat sie ihm mehr erzählt.“ „Waren die Beiden zusammen?“ „Nein. Am Anfang haben sie sich gehasst, dann eher als notwendiges Übel akzeptiert. Jetzt sind sie Freunde, ehrliche Freunde. Aber nein. Dean würde nie etwas mit ihr anfangen. Er weiß was sie ist.“ „Dann werde ich ihn mal fragen, wenn wir uns sehen“, entschied Nick. Sam schaute auf die Uhr. „Wir können ihn auch gleich anrufen“, sagte er und zog sein Handy hervor. Er drückte die Kurzwahltaste für Dean und wartete. Es klingelt zwei Mal, dann nahm Dean ab. „Hey Sammy. Wie war das Essen?“, tönte Deans Stimme aus dem Lautsprecher. „Du hast was verpasst. Das war so lecker. Wenn wir mal wieder hier sind, müssen wir unbedingt mal da hin. Das Fleisch … sowas von zart und ...“ „Klar. Reib auch noch Salz in die Wunde“, grummelte Dean. „Aber du rufst nicht nur an, um mir das zu sagen, oder?“ „Nein. Nick hat sich in Ruby verguckt“, ließ Sam die Bombe platzen. „Oh Himmel. Weiß er was er da tut?“ „Du meinst also, ich soll besser die Finger von ihr lassen?“, klinkte sich jetzt Nick in die Unterhaltung ein. „Oh hallo, Nick. Schön, dass du zu Sams Abschluss fahren konntest.“ „Hey Dean. So sehr wie du mich darum gebeten hast.“ Nick grinste. „Immer gerne.“ „Einer sollte da sein, wenn ich schon nicht kann. Du hast also ein Auge auf unseren Lieblingsdämon geworfen?“, kam Dean zum Grund dieser Unterhaltung zurück. „Naja, ich weiß nicht. Wenn sie ein Dämon ist?“ „Sie ist der einzige gute Dämon, den ich kenne. Obwohl das wohl auch nicht viel heißt. So viele Dämonen kenne ich nun auch wieder nicht. „Und was weißt du sonst noch über sie?“, wollte Sam jetzt wissen. Kapitel 16: Why trust you ------------------------- 016) Why trust you Dean überlegte kurz. „Sie wurde Anfang des 14. Jahrhunderts geboren, hatte zwei Brüder und zwei Schwestern und hat sich von Anfang an für die Natur und Kräuter interessiert. Sie war 20 als die Pest ins Dorf kam und ihre halbe Familie dahinraffte. Sie hat alles versucht, es hat nichts gebracht. Also hat sie sich eines Zaubers ihrer Lehrmeisterin bedient und damit einen Pakt geschlossen. Ein Bruder, die Mutter und eine Schwester überlebten die Pest. Das war im Dorf wohl nicht gut angekommen. Der Mob tötete alle und zerrte sie auf den Scheiterhaufen. Ihre Seele kam in die Hölle. Sie kam er frei als Jake ...“ „Oh Gott“, stöhnte Sam. „Wusste sie von dem Pakt?“ „Nein.“ „Wann hat sie dir das erzählt?“, wollte Sam leise wissen. „Als sie mit mir um Bobbys Haus gelaufen ist“, erklärte Dean leise. „Immer mal wieder was, wenn ich nicht weiter konnte.“ „Danke, Dean. Was machst du jetzt?“, fragte Sam. „Was essen fahren. Ich hatte noch nichts.“ „Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Wir sehen uns in drei Tagen.“ „Bis das Sammy und Nick? Viel Glück, egal wofür du dich entscheidest. Ich hoffe, ich habe dir geholfen.“ „Danke. Dean. Ich denke, ich lasse es auf mich zukommen.“ „Tu das und Sam? Grüße Jody und den alten Brummbären von mir und Ruby, falls du sie nochmal siehst.“ „Mache ich.“ Dean legte auf und auch Sam schob sein Telefon wieder in die Tasche. Überlegend schaute er zu Nick. „War es das, was du wissen wolltest?“ Nick musterte seinen Beifahrer schweigend, bevor er wieder auf die Straße schaute. War es das, was er wissen wollte? Wollte er wissen, dass die Frau, die er heiß fand, ein Dämon war? Konnte man einen Dämon heiß finden? Aber wenn er Sam und Dean nicht kennen würde, dann wüsste er auch nichts von Dämonen und auch nicht das Ruby einer war, oder? Er würde es darauf ankommen lassen! Mal sehen, was passieren würde. „Keine Ahnung, ob ich DAS wissen wollte. Aber egal. Ich mag sie und ich werde abwarten, was sie entwickelt. Sam nickte. Gleich darauf deutete er nach links. „Du musst da rein.“ Nick parkte den Wagen neben Bobbys. Er schaute sich um. Das Haus sah neu aus. Die Scheune alt und die Wracks noch älter. „Hier wohnst du?“, fragte er und drehte sich zu Sam um. „Hier ist unser Zuhause. Wir kennen Bobby schon fast unser ganzes Leben und wir kamen immer wieder hier her zurück. Irgendwann, vor drei Jahren waren ein paar Rohre verstopft und Dean und Bobby haben sie repariert und dabei das obere Bad komplett erneuert. Danach haben wir das gesamte Obergeschoss umgebaut und ein Jahr später dann den Rest.“ Sam ging zur Veranda. „Lass uns reingehen.“ Nick nickte und folgte ihm. Bobby war im Wohnzimmer beschäftigt. Sam war sich sicher, dass er die Siegel zerstörte, die Dämonen bannen sollten. „Wir sind da“, rief Sam unnötigerweise. „Wollt ihr einen Kaffee oder lieber gleich was handfestes?“, rief Jody fragend von oben. „Erstmal einen Kaffee, danke“, erwiderte Nick und Sam führte ihn in die Küche. Er holte eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie unter die Maschine. „Was willst du für einen?“ „Schwarz. Und du einen Late, wie immer?“ Nick ging zur Maschine. „Wenn du so freundlich wärst, bringe ich den Talar hoch“, erklärte Sam. Bobby oder Jody hatten ihn mit ins Haus gebracht und an die Garderobe gehängt. Er wusste nur noch nicht, ob er ihn mitnehmen oder hierlassen sollte. Erstmal würde er ihn wieder an die Tür hängen. Morgen konnte er immer noch entscheiden, was er machen wollte. Wahrscheinlich würde er ihn hier lassen. Er brauchte ihn erst in drei Jahren, wenn überhaupt. „Jody nimmt auch einen Late und Bobby schwarz“, erklärte er noch, bevor er ging. Im Vorbeigehen warf er einen Blick in Deans Zimmer, in dem Jody gerade das Kopfkissen bezog. Er hängte den Talar weg und kam zurück zu Jody. „Kann ich dir helfen?“ „Danke, aber nein, ich bin fertig.“ Sie schüttelte das Kissen noch einmal auf und ging dann mit Sam nach unten. In der Küche holte sie Cookies und Brownies aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch, an dem Nick schon saß. Dann ließ sich sich auf einem Stuhl nieder. Sam setzte sich zu ihnen und nahm einen Schluck. Jetzt stieß auch Bobby zu ihnen und ließ sich auf den letzten freien Stuhl fallen. „Alles fertig?“, fragte Sam. „Ja. Ich hoffe, dass ich das später nicht mehr machen muss und Ruby trotzdem rein kann. Mal sehen, was sie dazu sagen kann.“ Sam nickte. „Ist für uns vielleicht auch nicht verkehrt, das zu wissen. Es soll ja nur für sie gelten. Und so sehr wie Dean und sie verbunden sind, wäre es ja vielleicht auch ganz nützlich“, Sam grinste schief. „Meinst du Dean braucht sie noch?“, wollte Bobby wissen. „Ich glaube nicht, dass er sich, nur weil er jetzt Feuerwehrmann ist, nicht mehr mit fliegenden Fahnen ins dickste Getümmel stürzen wird. Also ja, eine Verbindung zu Ruby könnte ihm vielleicht noch mal das Leben retten.“ „Verbindung? Ruby? Leben retten?“, wurde Nick jetzt stutzig. „Entschuldige!“, begann Sam etwas verlegen. „Den Teil unseres Lebens kennst du ja nicht.“ „Wie bist du eigentlich zu den beiden Chaoten gekommen?“, wollte nun Bobby mit einem Augenzwinkern wissen. Auch wenn Sam hier ziemlich frei redete, wusste er nicht wie weit er dem Agenten trauen konnte. „Wir haben uns in Bangor kennen gelernt. Dean hat meinen damaligen Partner und mich aus einer misslichen Lage gerettet. Uns war ein Reifen geplatzt. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass wir an dem selben Fall dran waren. Ein paar Tage später hat ein Geisterhund meinen Partner angegriffen und ich musste mit Dean den Verrückten aufhalten, während Sam meinen Partner schützte. Später haben wir uns in Stillwater getroffen und zu guter letzte habe ich beide zu einem Fall in Dallas dazu gebeten. Wir hatten es mit einem aztekischen Gott zu tun. Und ich habe Sam geholfen, als der dieser Marienette begegnet war.“ „Wow, eine ziemlich beeindruckende Liste für einen Zivilisten“, staunte Bobby. Doch bevor er noch mehr Fragen stellen konnte, klopfte es an der Haustür. „Das wird Ruby sein“, meinte er und ging zur Tür. „Komm rein“, bat er sie, kaum dass er die Tür geöffnet hatte und hielt die Luft an, als sie wirklich durch die Tür trat. Erleichtert ließ er sie wieder fahren. „Können wir kurz reden?“, fragte er sie und deutete auf sein Büro. Ruby nickte und folgte ihm. Bobby schloss die Tür, ging zu seinem Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Er holte ein Buch heraus, legte es auf den Tisch und schlug es auf. Langsam drehte er es zu ihr herum. „Ich habe schon eine Weile danach gesucht, aber immer nur Andeutungen gefunden. Vor einer ganzen Weile haben wir ... hat Sam eine Bibliothek gefunden, die ich jetzt Buch für Buch durchgehe. Das habe ich vor ein paar Wochen gefunden.“ „Ein Zauber, der es einem Dämon ermöglicht sich an einem Ort zu bewegen, der eigentlich für Dämonen unzugänglich ist“, erkannte sie nach einem Blick auf den Text. „Ja, mir fehlen noch ein paar Zutaten ...“, Bobby schaute ihr in die Augen, „Und dein Blut.“ „Du willst mich … mir ...“, begann sie verblüfft, dann hatte sie sich wieder im Griff. Sie nahm einen Stift und kritzelte eine Telefonnummer auf einen Zettel. „Die Kräuter kann ich dir besorgen. Allerdings müssen sie bei Vollmond geerntet werden. Wenn es dir wirklich wichtig sein sollte, ruf mich drei Tage nach dem nächsten Vollmond an.“ Sie wandte sich ab, ging zur Tür und öffnete sie. „Ruby!“, hielt Bobby sie zurück. Sie drehte sich zu ihm um, die Klinke noch immer in der Hand, die Tür noch immer einen Spalt offenhaltend. „Du hättest nicht zu uns zurückkehren müssen nachdem Lilith dich“ Er schluckte. „Du hättest Dean nicht mit einem Teil von dir am Leben halten müssen. Du hättest den Colt nicht holen und mir nicht helfen müssen ihn zu reparieren. Wir waren Feinde Ruby. Wir sind Jäger. Du hättest nichts davon tun müssen und niemand hätte dir auch nur einen Vorwurf machen können. Du hast mir meine Jungs erhalten, meine Familie. Du hast uns ertragen, bis Dean wieder Dean war. Du hast so viel mehr getan, Ruby.“ Er schüttelte den Kopf. „Für mich bist du so viel mehr, Ruby. Du gehörst zur Familie. Und ich werde dich anrufen!“ Er schaute ihr fest in die Augen, schloss das Buch und legte es zurück in die Schublade. Sie schluckte, drehte sich ruckartig um und verließ das Büro. Bobby stand langsam auf und folgte ihr in die Küche. „Schön, dass du da bist“, empfing Sam sie, um sich das erstarrte Schweigen, dass bei Bobbys Worten, die sie alle hier gehört hatten, am Tisch entstanden war gar nicht erst ausbreiten zu lassen. „Magst du deinen Kaffee immer noch schwarz?“ Als Ruby nickte, stand er auf und holten eine weitere Tasse, die er unter den Hahn der Maschine stellte. Derweil schaute sie sich um. „Hier hat sich so einiges verändert“, stellte sie fest. „Wir hatten ein Wochenende Langeweile“, lachte Bobby. „Ein Wochenende, klar“, nickte sie. „Und was habt ihr am Sonntagmittag gemacht?“ „Das was wir jetzt auch tun.“ Er nahm seinen Kaffee und den Teller mit den Brownies und ging ins Wohnzimmer. Sam und Ruby folgten ihm und brachten Muffins und Cookies mit. „Im Wohnzimmer sind noch Chips“, sagte Jody und holte ein paar Dips und Gemüsesticks aus dem Kühlschrank. In den folgenden Stunden wurden viele Geschichten erzählt. Es wurde gelacht und getrunken und als sie sich endlich dazu durchrangen, diese Runde aufzuheben, war keiner mehr nüchtern genug fahren zu können. „Ich kann dich zu deinem Zimmer bringen“, bot Ruby dem Agenten an. „So gerne ich noch mehr Zeit mit dir verbringen würde, heute Abend bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen, als dazu ins Bett zu fallen und zu schlafen“, wehrte Nick ab. Er hatte den ganzen Abend über immer wieder mit ihr geflirtet. Er war sich aber nicht sicher, ob sie es überhaupt bemerkt hatte. Ruby nickte. „Ich wünsche dir eine gute Nacht“, wünschte sie ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie trat zu Bobby, der die Flaschen in die Küche brachte. Er stellte die ab und zog sie in eine feste Umarmung. „Ich rufe dich in drei Wochen an“, versprach er ihr. Sie lächelte, hatte sie doch den Ernst in seiner Stimme gehört. Auch Jody umarmte sie herzlich. „Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder.“ „Ich denke schon.“ Dann trat sie zu Sam. Auch er umarmte sie herzlich. „Pass auf dich auf“, bat er sie mit einem Lachen, „vielleicht brauchen wir dich ja noch.“ Sie knuffte ihn in den Arm. „Alles Gute, Kleiner“, wünschte sie dem Winchester und verließ das Haus. Fast sofort kam Marley aus dem Büro, streckte sich gähnend und trottete in die Küche. Sie hatte diese Frau nicht gemocht und ihre Gegenwart gemieden. Jetzt endlich konnte sie sich ruhig ihrem Futter widmen. „Nimm am Besten das Bad hier unten“, sagte Sam zu Nick und zeigte auf die Tür. „Aber jetzt komm erstmal mit“, bat er. Er streichelte dem Hund den Rücken und ging nach oben. Nick nahm seine Tasche, die er schon vor einer ganzen Weile ins Haus geholt hatte und stieg hinter Sam die Treppe hinauf. „Du kannst hier schlafen“, erklärte er und schob die Tür zu dem Zimmer weiter auf. „Es ist Deans Zimmer. Meins ist nebenan.“ Sam betrat den Raum und schaltete das Licht an. Nick folgte ihm. Er stellte seine Tasche ab und sah sich um. Fast sofort fiel sein Blick auf die Bilder an der Wand. „Wer ist das?“ „Mom! Mom und Dean und ich.“ Nick schaute genauer hin. „Sie war eine schöne Frau.“ Sam nickte. „Ich sehe euren Dad nirgends.“ „Der ist hier auch nicht willkommen.“ Der Agent musterte Sam überrascht, sagte aber nichts dazu. Darüber würde er später mal nachdenken, wenn er nüchterner war und nicht so müde. Sam fuhr sich durch die Haare, die endlich wieder so aussahen, wie er es wollte. Sollte er noch mehr sagen? Nein, entschied er. „Ich gehe ins Bett. Gute Nacht, Nick.“ „Gute Nacht, Sam.“ Kapitel 17: Abschied ist ein bisschen wie sterben ------------------------------------------------- 017) Abschied ist ein bisschen wie sterben Der folgende Morgen begann ruhig. Sie waren wohl alle noch nicht ganz ausgeschlafen. Aber noch länger in den Betten zu bleiben, konnten und wollten sie sich nicht leisten. Außerdem ging Nicks Flieger in drei Stunden. Jody stand schon am Herd brutzelte Speck und Würstchen und in eine zweite Pfanne kippte sie gerade eine Kelle Teig für Pfannkuchen. „Kann ich dir helfen?“, fragte Sam und wunderte sich, mal wieder, wie diese Frau all die Töpfe und Pfannen handhaben und überwachen konnte und wie sie es immer wieder schaffte, alles gleichzeitig fertig auf den Tisch zu kriegen. Phne dass auch nur ein Teil angebrannt war. „Wenn du dich um die Pfannkuchen kümmerst?“ Mit einem Lächeln überreichte sie Sam die Kelle. Er hatte so oft mitgemacht, dass er die inzwischen fast perfekt hinbekam. Langsam wuchs der Berg auf dem Teller. Als der letzte Rest Teig in der Pfanne war, kam Nick in die Küche. „Hier richt´s ja gut“, stellte er fest und schaute sich um. „Kann ich was helfen?“ „Du könntest uns Kaffee kochen. Die Tassen sind im Schrank über der Maschine.“ Sofort machte sich Nick daran, die Bitte umzusetzen. Neben den Tassen entdeckte er Teller und begann nebenher den Tisch zu decken. „Oh super, danke Nick“ freute sich Jody. Sie stellte Würstchen und Speck auf den Tisch und machte sich daran, Rühreier zu machen. Auch Sam beendete sein Tun und stellte den Berg Pfannkuchen auf den Tisch. Er holte Ahornsirup aus dem Schrank. Genau in diesem Moment kam Bobby mit Marley in den Raum. Schnell füllte Sam ihren Napf. Nicht dass sie sich auf dem Tisch bediente, denn auch das hatte sie schon getan und wenn es auch mächtig Ärger gegeben hatte, so wollte Sam seine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass das nie wieder passieren würde. Die Hündin stürzte sich auch sofort auf ihre Futter. Bobby grinste dann deckte er den Tisch fertig und setzte sich dann zu Nick. „Wir hätten sie Deana nennen sollen“, überlegte Bobby und nahm sich eine Scheibe Toast vom Teller, den Jody gerade auf den Tisch stellte. Sie setzte sich neben ihn. Sam schaute grinsend zu der Hündin und Nick schaute fragend. „Ganz so schlimm ist Dean eigentlich nicht“, überlegte Sam laut. „Er hilft zumindest beim Kochen und Backen“, Sam grinste, „und er schmatzt nicht ganz so laut.“ „Immer über die lästern, die nicht da sind.“ Jody schüttelte den Kopf. Auch ihr Gesicht zierte ein Lächeln. „Aber du hast schon Recht. Dein Bruder verputzt genau diese Mengen in genau der selben Zeit.“ „Jetzt lasst uns essen. Dean klingeln die Ohren bestimmt schon genug.“ Sam und Jody nickten und begannen grinsend ihre Teller zu füllen. „Wann willst du nach Bloomington aufbrechen?“, wollte Nick von Sam wissen. „Morgen am späteren Vormittag.“ „Fährst du oder fliegst du?“ „Nein, ich fahre. Ich werde in Bloomington ein Auto brauchen und so kann ich auch ein bisschen mehr mitnehmen. Nicht, dass ich viel hätte. Aber etwas mehr als als Handgepäck zulässig ist schon.“ „Und was macht ihr heute noch, ober packst du nur?“ „Nein, wir wollen nachher noch was zusammen unternehmen. Wer weiß schon, wann wir uns mal wieder sehen.“ „Wir fahren Minigolf spielen und danach machen wir ein Picknick an den Fällen“, warf Jody ein. „Ach deshalb das Hähnchen im Ofenrohr“, stellte Nick kauend fest. „Genau. Wir werden hier restlos verwöhnt“, erklärte Bobby und Sam nickte. „Ich glaube, ich sollte sie mitnehmen. Allerdings würde ich dann wohl in kürzester Zeit zur Uni rollen müssen.“ „Nah“, begehrte Jody jetzt auf. „Du lebst schon ein halbes Jahr hier und mit meiner Küche und bist immer noch rank und schlank.“ „Es kostet mich aber auch jeden Tag jede Menge Beherrschung nicht alles aufzuessen, so gut wie das schmeckt.“ „Gut“, lachte Jody. „Das wollte ich hören.“ In aller Ruhe frühstückten sie. Danach packte Nick seine Tasche in den Mietwagen, verabschiedete sich ganz herzlich von allen. „Wenn du mal wieder in der Gegend sein solltest, komm vorbei“, bat Jody den Agenten und Bobby nickte zustimmend. „Das werde ich tun“, versprach Nick. „Vielen Dank für diesen schönen Abend und das opulente Frühstück.“ Dann drehte er sich zu Sam um. „Und du fahr vorsichtig, komm gut an und grüße deinen Bruder von mir.“ „Mache ich.“ Sam umarmte den Freund. „Melde dich mal, nicht erst, wenn du in Indianapolis bist.“ „Wir sehen uns, Sam.“ Nick drückte ihn noch einmal und ging dann zu seinem Wagen. Er stieg ein und startete den Motor. Ein kurzes Hupen und dann entschwand der Agent auf die Straße. ‚So wie Sam morgen‘, überlegte Bobby. Er schluckte und verdrängte den Klos aus seinem Hals. „Lasst uns aufräumen und dann das schöne Wetter genießen!“ Sie gingen zurück ins Haus und während Jody alles für ihr Picknick vorbereitete und zusammenpackte, räumten die Männer die Küche auf. Als sie zum Minigolf aufbrachen, nahmen sie Marley mit. Leider musste die Hündin die ganze Zeit an der Leine bleiben und durfte keinem der so verführerisch an ihr vorbei sausenden Bälle nachjagen. Egal wie bettelnd sie ihre Menschen ansah. Nach dem Minigolf fuhren sie zu den Wasserfällen. Hier durfte Marley endlich frei laufen. Sam holte eines ihrer Lieblingsspielzeuge hervor und warf es immer wieder, damit sie es apportieren konnte. Erst als sie mit hängender Zunge neben Bobby ins Gras plumpste, ließ sich auch Sam auf der Decke nieder, die Jody und Bobby inzwischen ausgebreitet hatten. Sein Blick wanderte immer wieder zu den Wasserfällen. Vor ungefähr einem Jahr war er hier mit Dean über die Steine geklettert und Bobby hatte ein paar Bälle mit ihm geworfen. Gott! War das wirklich erst ein Jahr her? Es kam ihm vor wie in einem anderen Leben. „Worüber denkst du nach, Sam?“, fragte Jody leise. „Darüber, dass wir vor zehn Monaten hier waren und dass die Vorzeichen damals ganz andere waren und doch irgendwie die gleichen. Wir sind ausgezogen.“ Er schaute ihr in die Augen und konnte die Trauer in seinen nicht verbergen, genauso wie er die in ihren sah. „So ist der Lauf der Zeit“, erklärte Bobby etwas heiser. „Kinder ziehen aus, gehen auf´s College und zur Uni.“ „Ja. Aber sie hatten viele Jahre ein Zuhause“, sprach Sam den ersten Gedanken aus, der ihm in den Kopf kam. „Und die Meisten sind froh endlich raus zu kommen!“, erklärte Jody. Sam schüttelte den Kopf. So gerne er auch über Gefühle reden wollte, heute würde so ein Gespräch die grade eh schon gedrückte Stimmung nur noch weiter in den Keller reißen und das wollte er nicht. Er wollte diesen Tag genießen und das würde er auch. Seinem Weltschmerz konnte er sich morgen ergeben. Morgen Abend, wenn er alleine in einem Motelzimmer hockte und darauf warten würde dass er einschlafen und am nächsten Tag zu Dean fahren würde. „Lasst uns den Tag genießen. Trübsal blasen können wir auch morgen noch“, bat er. Er warf noch einen Blick auf die Fälle, ganz so, als wollte er sich das Bild einprägen, wusste er doch nicht ob er sie je wiedersehen würde. ‚Schon komisch‘, überlegte er. Früher hatte er auch nie gewusst, ob er einen Platz je wiedersehen würde und doch hatte es ihm nie etwas ausgemacht. Hieß das jetzt, dass er alt wurde? Oder war es einfach weil er sich hier wohl fühlte? Weil seine Familie hier war? Mit Mühe riss er sich von dem Anblick los, stand auf und begann den Picknickkorb auszuräumen. Ihr Gespräch drehte sich während des Essens um die Natur allgemein und um den Platz hier. Sam überlegte, dass ihm Marley fehlen würde, die Spaziergänge mit ihr. Dean arbeitete ja im Schichtdienst. Außerdem war er noch nie ein Freund von Joggen oder Spaziergängen. Der Nachmittag verging viel zu schnell, genau wie der Abend. Trotzdem war Sam froh, als er im Bett lag. Der Abend hatte sich wie Kaugummi gezogen, wie ein ausgekauter Kaugummi. Sie wollten sich noch so viel erzählen und hatten sich doch nichts zu sagen. Der kommende Abschied schlug ihnen allen auf´s Gemüt. Selbst Marley lag nur auf ihrer Decke. Sonst hatte sie immer von einem zum anderen geschaut und darauf gewartet, dass etwas für sie abfiel. In dieser Nacht schlief Sam nicht besonders. Lange bevor ihn der Wecker wecken konnte, lag er wach und überlegte, ob er alles eingepackt hatte. Plötzlich hörte er ein Geräusch im Erdgeschoss. War ein Einbrecher im Haus? Aber warum hatte Marley dann nicht angeschlagen? Er stand auf und schlich nach unten. Die Geräusche kamen aus der Küche. Vorsichtig öffnete er die Tür und erstarrte. Jody stand am Herd. „Du musst keine Frühstück machen, nicht für mich. Ich kriege heute eh nichts runter“, erklärte er leise. Jody zuckte zusammen und drehte sich hastig um. „Ich mache kein Frühstück, jedenfalls noch nicht“, erwiderte sie nachdem sie sich von dem Schrecken erholt hatte. „Was machst du dann?“ „Wegzehrung für dich und Leckereien für Dean.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich konnte nicht schlafen.“ „Du auch nicht?“ Sam löste sich von der Tür. „Kann ich dir was helfen?“ Sie reichte ihm das Rezept für Brownies. „Versuchs mal.“ Sam nickte und suchte sich alle Zutaten zusammen. Bobby kam in die Küche als Sam und Jody den Tisch deckten. Die Leckereien standen zum Auskühlen auf der Anrichte. „Wie lange seid ihr denn schon wach?“, wollte er wissen und machte sich daran, Kaffee zuzubereiten. „Zwei“, sie schaute auf die Uhr, „drei Stunden.“ „Ich habe dich aufstehen gehört und wollte dir eigentlich auch gleich folgen, aber dann muss ich wohl noch einmal eingeschlafen sein.“ „Ist doch nicht so schlimm. Wir haben uns hier ganz gut beschäftigt“, lachte Jody. „Das sehe ich. Ist das alles für Dean oder bekommen wir auch was davon?“ „Erstmal nimmt Sam es mit. Was er davon an seinen Bruder weiterreicht, muss er entscheiden. Für uns kann ich nachher noch was backen, wenn Sam uns verlassen hat. Dann habe ich wenigstens was zu tun.“ „Das klingt, als ob ich das gerne tun würde“, grummelte Sam und schnaufte. „So sollte es aber nicht klingen. Ich weiß wie schwer es dir fällt“, versuchte Jody die Wogen zu glätten. Sam nickte. Er befand sich in einer echten Zwickmühle. Weder wollte er sein derzeitiges Zuhause verlassen noch wollte er Dean noch länger alleine an einem Ort wissen, an dem er nur war, weil er dahin wollte. „Lasst uns frühstücken. Obwohl ich mir sicher bin kaum was runter zu kriegen“, bat er. Danach würde er duschen, seinen Wagen packen und sich dann auf den Weg Richtung Bloomington machen. Und genau so geschah es. Zwei Stunden später stand Sam auf der Veranda. Er hatte den Kombi gepackt. Der Kofferraum war dank Jodys Backtherapie von heute morgen gut gefüllt und da sich das Wetter mit Wärme noch zurückhielt, würde auch der Key Lime Pie gut in Bloomington ankommen. Sam knuddelte Marley. „Pass gut auf die Beiden auf“, bat er sie. Dann richtete er sich auf und zog Jody in eine feste Umarmung. „Vielen Dank, für Alles!“ Sie lächelte mit Tränen in den Augen. Jetzt war es also soweit. Ihr Junge verließ das Haus. Sam umarmte Bobby. „Auch dir möchte ich für Alles danken, was du für uns getan hast. Ohne dich würden wir wohl nicht mehr leben!“ Bobby schniefte. „Ihr seid Familie!“, begann er heiser. „Versprich mir, dass ihr auf euch aufpasst und vergesst uns nicht!“ „Wie könnten wir das?“, fragte Sam und schluckte hart. Er umarmte beide noch einmal, zog Marley kurz am Ohr und ging zum Wagen. Er stieg ein, öffnete das Fenster und ließ den Motor an. Langsam rollte der Wagen an und Sam winkte noch einmal, als er aus der Einfahrt auf die Straße fuhr. Noch eine ganze Weile standen Bobby und Jody, Arm in Arm, auf der Veranda und schauten zu der leeren Auffahrt, von der Sam aus ihrem Leben verschwunden war. Bobby seufzte. Jetzt hatten sie das Haus wieder für sich. Hin und wieder hatte er sich das in den letzten Wochen gewünscht. Doch jetzt wo es soweit war, wollte er die Zeit gerne zurückdrehen. Er seufzte noch einmal, löste sich von Jody und drehte sich zum Haus um. Mit schweren Schritten ging er hinein. Kapitel 18: to have and to hold ------------------------------- 018) to have and to hold Eine Weile fuhr Sam noch durch bekannte Straßen, dann verließ er das Stadtgebiet von Sioux Falls und die Trauer überfiel ihn. Nein, eigentlich war es keine Trauer. Er fühlte sich niedergeschlagen und, so komisch wie es für ihn jetzt wohl klang, entwurzelt. Sioux Falls, Bobby, war immer der ruhende Pol in ihrem unsteten Leben gewesen. Egal wie gut oder schlecht etwas lief, egal wie oft sie hergekommenen waren und egal wie weit weg sie waren, hierher hatten sie immer kommen können. Hier waren sie immer willkommen gewesen und hier hatten sie ihre Wunden lecken und neue Pläne schmieden können. Am Liebsten würde er umdrehen und sich in seinem Zimmer verkriechen. „Verdammt, Sam!“, knurrte er seine Frontscheibe an. Das Thema hatte er doch schon! Dean saß in Bloomington fest. Wegen ihm! Er wollte Jura studieren. Er hatte da einen Studienplatz. Dean hätte auch in Sioux Falls Feuerwehrmann werden können! ‚Also stell dich nicht so an, Sam!‘, schimpfte er in Gedanken. Trotzdem ließ sich der Klos in seinem Hals nicht so richtig vertreiben. Meile um Meile spulte er ab. Er hielt nur kurz an, um etwas zu essen und selbst da achtete er darauf, dass er auf der Interstate blieb. So das er nicht so einfach wenden konnte. Als er die Grenze zu Iowa überquerte, war der Klos in seinem Hals verschwunden und als er Iowa wieder verließ, freute er sich nur noch auf seinen Bruder. Bobby, Jody und Marley waren eine wundervolle Erinnerung die er nicht missen wollte, aber jetzt wartete die Zukunft! Das Ortseingangsschild von Bloomington kam in Sicht. Sam musste grinsen. Es war leider nur Illinois und nicht Indiana, aber immerhin. Hier würde er übernachten und wenn er morgen zeitig aufstand, wäre er bei seinem Bruder, wenn der gerade aufgestanden ist. Okay, so zeitig wollte er nicht los, aber Mittag wollte er schon in Bloomington sein. An einem Diner hielt er an und holte sich einen Salat mit Putenstreifen, Kaffee und drei Samdwiches. Eins oder zwei konnte er dann morgen zum Frühstück essen. Dafür müsste er dann keine Zeit verschwenden. Er fand ein Motel, checkte ein und warf seinen Rucksack auf das Bett. Auspacken lohnte sich fast gar nicht, für die eine Nacht. Aber zuerst würde er essen. Er schaltete den Fernseher ein und zappte unmotiviert durch die Kanäle. Bei einer Dokumentation über den Yellowstone-Nationalpark blieb er hängen. Ohne hinzusehen kippte er das Dressing in den Salat, verschloss die Packung wieder und schüttelte alles. Dann verzog er sich mit Laptop, Kaffee und seinem Essen auf das Bett. Unbewusst schob er sich den ersten Bissen in den Mund. Er kaute und stockte. Schon fast angewidert schaute er auf die Packung. Hatte der schon immer so pappig geschmeckt? Oder war es einfach der Tatsache geschuldet, dass er in den letzten Monaten immer frische Nahrungsmittel bekommen hatte? Dann würde er sich demnächst umstellen müssen. Bei Dean würde wohl eher wieder genau sowas auf den Tisch kommen. Weniger weil sie nicht wollten, sondern weil sie es sich wohl nicht würden leisten können. Den pappigen Geschmack ignorierend aß er den Salat und nahm sich vor, sich schnell nach einem Job umzuschauen, um Dean finanziell zu entlasten und um vielleicht doch mehr Frisches auf den Tisch zu bringen. Nach den Essen telefonierte er mit Dean. „Wo bist du?“, wollte der wissen. „In Bloomington.“ Sam grinste. Dean wollte gerade maulen, dass das ja wohl nicht nett wäre, als ihm einfiel, dass: „Illinois.“ ‚Mist‘, grummelte Sam stumm. Deans internes Navi hatte ihm den Spaß verdorben. Egal. „Ja. Ich mache hier Rast und fahre morgen zeitig los, dann sollte ich so gegen Mittag da sein.“ „Das klingt gut“, freute sich Dean. „Was ist los?“, wollte Sam wissen, der meinte einen traurigen Unterton wahrgenommen zu haben. „Nichts. Ich bin es nur leid hier alleine zu hocken. Ich meine, ich habe nicht so viel Freizeit, aber wenn … Chris hat seinen Freundeskreis hier und auch nicht immer Zeit. Es ist öde alleine!“ „Ab morgen bin ich ja da“, lachte Sam. „Gut!“, entgegnete Dean. „Dann sollte ich jetzt aber auch ins Bett.“ „Hmhm. Schlaf gut, Sammy“, verabschiedete sich Dean und legte auf. Sam räumte sein Zimmer auf, machte sich im Bad bettfertig und stellte seinen Handywecker, bevor er ins Bett ging. Ausgeschlafen machte er sich am nächsten Morgen, nach einem schnellen Frühstück, wieder auf den Weg. Dean war aufgeregt, wie ein Teenager vor seinem ersten Date. Er wuselte schon seit Stunden, genauer, seit er kurz nach acht aufgestanden war, durch das Zimmer und lief immer wieder zum Fenster. Zwischenzeitlich kam er sich für ein paar Minuten blöd vor, weil es doch „nur“ sein Bruder war und er schon viel länger ohne ihn gelebt hatte, und setzte sich aufs Bett, nur um gleich wieder aufzustehen, die Decke glatt zu ziehen und das Ganze von vorn zu beginnen. Das Sam auf den Parkplatz fuhr, bekam er jedoch nicht mit, weil er gerade versuchter Kaffee zu kochen und eine Wiederholung von Oprah lief, die er etwas lauter gestellt hatte. Erschrocken ließ er den Kaffeelöffel fallen, als es an der Tür klopfte. Er ließ den verschütteten Kaffee verschütteter Kaffee sein, stürmte zur Tür, riss sie auf und fiel Sam regelrecht um den Hals. „Endlich“, nuschelte er in dessen Schulter. Für eine Sekunde war Sam vollkommen perplex. Was lief denn hier? Dann schlich sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht. Er legte seine Arme um Dean und genoss diese unerwartete Geste der Zuneigung. „Ich dich auch“, erwiderte er voller Freude. „Komm rein“, sagte Dean, nachdem er sich von seinem Bruder gelöst hatte. „Ich wollte gerade Kaffee kochen.“ Er ging in den abgetrennten Küchenbereich zurück und wischte das verstreute Pulver mit der Hand von der Arbeitsplatte. Danach schaufelte er neues Pulver in den Filter und stellte die Maschine an. Sam schaute sich im Zimmer um. Es war wie ein kleines Apartment geschnitten. Gleich neben dem Eingang gab es links und rechts je eine Tür. Hinter der rechten Tür war ein Durchgang in die kleine, L-förmige Küche, in der Dean jetzt werkelte. Ein Tresen, an dem zwei Hocker standen, trennte die Küche vom Wohn- und Schlafraum mit zwei Betten, einem Tisch, Fernseher und zwei Sesseln. Die Wände waren in einem hellen Grau gestrichen. Gardinen und Bettwäsche waren dunkelblau. Er setzte sich auf einen Hocker und schaute seinem Bruder bei dessen Tun zu. „War´s so schlimm?“, fragte er erst, als er die Tasse in der Hand hielt. „Nein, ich ...“, Dean zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich doch“, gab er dann kleinlaut zu und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Es war langweilig“, gestand er dann. „Vor allem an meinen freien Tagen. Ich konnte ja nicht ständig in einer Bar rumhängen und Chris hatte auch nicht immer Zeit. Außerdem haben wir unterschiedliche Dienstpläne. Wir waren zweimal los. Aber auch nur im Pub.“ Für einen kurzen Augenblick war er versucht, Sam seine ganze Misere zu erzählen. Energisch schob er dieses Ansinnen beiseite. ‚Doch nicht heute!‘, ermahnte er sich. ‚Lass ihn doch erstmal ankommen!‘ „Du warst doch immer wieder mal los, hast du mir erzählt“, erwiderte Sam fragend. „War ich, ja. Trotzdem war es irgendwie nicht das Gleiche wie mit dir.“ Er grinste schief. „Ich klinge wie die verlassene Ehefrau, oder?“ „Ein wenig“, neckte Sam ihn, bevor er wieder ernst wurde. Dean konnte noch nie gut alleine sein und er hatte in dem vergangenen halben Jahr die volle Bandbreite Familienleben mitbekommen. Bobby und Jody hatten sich in sein Leben eingemischt und sie hatten ihn machen lassen. Sie hatten ihn dazu gedrängt, das Lernen auch mal Lernen sein zu lassen und raus zu gehen. Sie hatten ihn bekocht und sie waren immer da, wenn er jemanden zum Reden brauchte. Dean war hier gewesen und ein Anruf eben nicht zu vergleichen mit dem direkten Gespräch. „Lass mich auspacken und dann würde ich gerne was essen“, sagte er leise und stellte seine Tasse ab. „Klar“ Dean lächelte. Gemeinsam gingen sie zu dem Kombi, den Bobby für Sam fertig gemacht hatte. Dean musterte den Wagen. Irgendwann würde er einen Ort brauchen, an dem er den und sein Baby warten konnte. Bis jetzt hatte er sich darum noch nicht gekümmert und die Wache konnte er dafür getrost vergessen. Inzwischen hatte Sam den Kofferraum geöffnet. Er holte einen Karton heraus. „Der ist für dich“, sagte er und drückte ihn Dean in die Hände. „Für mich? Wieso?“ „Jody meinte, dass du den Rest deiner Klamotten bestimmt gerne haben wolltest. Ich habe sie eingepackt und die Kiste ist auch eher für dich“, Sam stellte die auf den Karton. Dean verdrehte die Augen und tat, als würde er unter der Last in die Knie gehen. Sam grinste. „Dann sage ich dir eben nicht, dass da Muffins und Brownies und Apfelkuchen und Key lime pie drin sind.“ „Oh“, machte Dean. Ein breites, fast verliebtes, Strahlen legte sich auf sein Gesicht und er beeilte sich ins Zimmer zu kommen. Sam fand ihn genüsslich kauend in der Küche stehend, als er das Zimmer betrat. „Da ist noch mehr!“, lachte er. „Noch mehr Kuchen?“, sofort eilte Dean nach draußen und schleppte die nächste Kiste ins Zimmer. „Sind da Wackersteine drin?“, warf er Sam entgegen, der den letzten Karton holen kam. „Da ist ja gar kein Kuchen drin“, maulte Dean leise. Er hatte den Deckel der Kiste in der Hand und schaute auf, als Sam das Zimmer mit dem letzten Karton wieder betrat und die Tür hinter sich schloss. „Das habe ich auch nicht gesagt“, lachte der. „Ich habe nur gesagt, dass da noch mehr ist. Wenn du das auf Kuchen beziehst ...“ „Oh man“, maulte er leise, legte den Deckel weg und räumte den Kuchen in den Kühlschrank. Er zog sein Handy und wählte Jodys Nummer. „Hallo Dean,“ meldete sie sich nach dem zweiten Klingeln. „Hallo. Sam ist gut angekommen und ich möchte mich für den Kuchen bedanken.“ „Schmeckt er denn?“ „Hmmhm. Ich bin versucht Sam zu dir zurück zu schicken, nur damit er nochmal mit Kuchen kommt.“ Sofort hielt Sam in seinem Tun inne und musterte seinen Bruder und er sah das Blitzen in dessen Augen. Ein Lächeln in sein Gesicht. Ja, Dean liebte Kuchen über alles, aber er würde seinen Bruder nie noch einmal wegschicken, nicht für allen Kuchen der Welt. „Und du bist dir sicher, dass ich ihn nochmal gehen lasse?“ Jody lachte. „Oh“, machte Dean. Dann schlich sich wieder ein Lächeln in sein Gesicht. „Er will hier studieren!“ „Aber vielleicht gebe ich ihm dann ja nichts mit, oder er isst es selbst auf, auf dem Weg.“ „Das sind Argumente, die ich nicht so schnell entkräften kann. Außerdem wäre ich dann wieder alleine hier und das ist dann doch ein Grund, ihn sofort zu behalten.“ Er schnaufte. „Danke, Jody, für Alles, und grüße Bobby.“ „Für euch doch immer“, lächelte sie. „Und mache ich.“ Dean übersah Sams Blicke, legte auf und begann seine Sachen in den Schrank zu räumen. Er stellte ein paar Bücher ins Regal. Sam beobachtete ihn noch immer lächelnd. Erst jetzt merkte er wirklich, wie sehr ihm sein Bruder wirklich gefehlt hatte, wie gut es tat, wieder mit ihm zusammen zu sein. ‚Und wer ist jetzt die verlassen Ehefrau‘, grübelte er stumm grinsend. Andächtig holte Dean, wenig später, das Feuerwehrauto, den Esel Caro und Ringo den Bären aus der zweiten Kiste. Er seufzte stumm. Der Truck erinnerte ihn an den Traum, an seinen Traum von der Feuerwehr und daran, wie wenig sein Traum doch mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Er stellte den Truck in das Regal und setzte Caro und Ringo so davor, dass sie sich an das Auto lehnten und es fast komplett verdeckten. Fast gleichzeitig waren die Brüder mit dem Auspacken fertig. „Lass uns essen fahren“, schlug Sam vor, „oder hast du dich am Kuchen satt gegessen?“ Dean schaute auf, faltete den Karton zusammen und verdrehte die Augen. Als ob er je wirklich satt war! Sie gingen zum Impala und Sam faltete sich mit einem leisen Seufzen auf dem Beifahrersitz zusammen. Er atmete den ureigenen Geruch des Wagens und lauschte dem grollenden Erwachen des Motors. Jetzt war er auf seine, nur für ihn und Dean zu verstehende Weise, zuhause. Sie aßen in dem kleinen Diner, nur zwei Straßen von ihrem Motel entfernt. Dean war begierig alles zu erfahren, was so bei Bobby und Jody passiert war und Sam erzählte es ihm natürlich und merkte so nicht, wie gut Dean von sich ablenkte. Nach dem Essen zeigte Dean seinem Bruder die besten Wege zu Uni, den Pub und den nächsten Supermarkt. Auch die Unibibliothek hatte er ausfindig gemacht. Sam staunte nicht schlecht. Sein Bruder hatte sich wirklich auf ihn gefreut und wollte ihm den Start hier so einfach wie möglich machen. „Morgen könnten wir doch was unternehmen“, schlug er vor. Sofort verflog Deans gute Laune. „Ich muss arbeiten. Ein Kollege ist krank geworden,“, erklärte er. „Ich hab Tagschicht.“ „Schade“, bedauerte Sam. „Dann werde ich Gegend mal zu Fuß erkunden und vielleicht in die Bibliothek fahren. „Wann bist du zurück?“ „Gegen sieben, wenn alles ruhig bleibt.“ „Okay“ nickte Sam. Kapitel 19: Swimming Pools -------------------------- 019) Swimming Pools Am nächsten Abend erwartete Sam seinen Bruder mit einem gekauften Hackbraten. Sofort wurde Deans schlechte Laune, weil er wieder einmal nur die Ölspur beseitigen durfte, gemildert und als Sam ihm schon fast euphorisch von der riesigen Bibliothek erzählte, musste er lächeln. Ja, sein kleiner Bruder konnte ihm seinen Alltag leichter machen. Mit ihm würde er das Jahr durchhalten. Zwei Wochen später verstaute Sam gerade seinen Einkauf im Kühlschrank, als Dean durch die Tür kam und seinen Rucksack in die Ecke warf. Die Woche war bisher so ereignislos gewesen, dass sich seine lieben Kollegen inzwischen gegenseitig zu überbieten versuchten, wer ihm wohl die schlimmste Arbeit aufdrücken konnte. Nicht mal beim Kochen ließen sie ihn wirklich in Ruhe. Wenn er nicht bald irgendetwas tun konnte, um seine Aggressionen los zu werden, wollte er für nichts mehr garantieren. „Hey“, grüßte er leise. Sam schaute auf und musterte seinen Bruder. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm „Was ist los?“, wollte er wissen. „Ach nichts. Es ist nichts los und meine Kameraden meinen sie müssten mich trotzdem beschäftigen.“ „Und das heißt?“, hakte Sam nach. „Meistens Putzdienst. Es nervt!“ Sein Blick fiel auf eine der Broschüren, die auf dem Tresen lagen. Er hatte die überall gesammelt, um Sam und sich einen Überblick über all das zu verschaffen, was es in der Stadt gab. Sam hatte diese Sammlung inzwischen erweitert. Sein Blick fiel auf das Foto eines Schwimmbades. Schwimmen, eine gute Idee. „Was hältst du davon, wenn wir nach dem Essen noch kurz schwimmen gehen?“ „Schwimmen“ echote Sam verwirrt. „Mir ist danach“, erklärte Dean. Sam musterte ihn noch einmal. „Okay, warum nicht?“ Er räumte den Rest seines Einkaufs weg, stand auf und suchte sich seine Badesachen zusammen, damit sie gleich nach dem Essen starten konnten. „Ich wollte nächste Woche im Supermarkt drei Straßen weiter anfangen“, begann Sam, kaum dass sie im Impala saßen. „Geld können wir immer brauchen, oder?“ Dean grinste. „Hab mich schon gefragt, wann dir die Decke im Motel auf den Kopf fällt.“ „Es ist schon ziemlich langweilig, vor Allem wenn du Nachtschicht hast.“ Dean nickte. Er hatte in der letzten Woche zwar versucht mit weniger Schlaf auszukommen, aber auf Dauer war das keine Lösung, zumal sie ihn in der Wache kaum zur Ruhe kommen ließen. „Ich habe auch überlegt, ob wir uns nicht besser eine Wohnung mieten sollten. Auf lange Zeit wäre die bestimmt billiger als das Motel. Und du hättest ein Zimmer zum Schlafen. Wenn ich irgendwann studiere, werde ich Zeit zum Lernen brauchen. Vielleicht bringe ich auch mal jemanden mit und wenn du dann schlafen musst ...“, begann Sam auch gleich noch mit dem nächsten Thema, über das er sich Gedanken gemacht hatte. „Bist du sicher? Ich meine, Möbel sind nicht gerade günstig.“ Ungläubig schaute Dean seinen Bruder an. Er erinnerte sich noch gut an die Rechnung, als sie bei Bobby neue Möbel geholt hatten. „Es gibt möblierte Wohnungen oder Apartments. Da müssen wir nicht viel kaufen.“ „Und du meinst, dass die günstiger sind?“, so ganz wollte Dean das nicht glauben. „Hast du schon was im Auge?“ „Nein. Ich wollte erst mit dir reden, wie du dazu stehst. Aber ich kann gern mal schaun.“ Inzwischen waren sie auf dem Parkplatz des Schwimmbades angekommen. Dean stieg aus und musterte seinen Bruder über das Dach des Impala hinweg. „Tu was du nicht lassen kannst“, sagte er nach einer Weile. „Du bist dagegen?“ „Nein, ich … Keine Ahnung. Ich kenne eigentlich nur Motels und mein Zimmer bei Bobby. Das in Tea war eine Ausnahmesituation. Aber du hast wahrscheinlich Recht. Zwei getrennte Räume wären besser als dieser Wohn- und Schlafraum, den wir jetzt haben. Also schau was du findest. Solange es unseren finanziellen Rahmen nicht sprengt.“ Sam nickte. Er hatte ja trotz neuem Job genügend Zeit. „Das wird nur Mrs. Hagen nicht sonderlich gut gefallen, wenn ihre Handwerker ausziehen“, meinte Dean auf dem Weg in die Umkleideräume. „Wir sind ja nicht aus der Welt. Sie kann uns ja trotzdem noch anrufen. Kostet halt dann nur was.“ „Du solltest Wirtschaft studieren“, lachte Dean. „Es gibt auch Wirtschaftsrecht.“ „Na das passt doch.“ Sie betraten die Umkleidekabinen und zogen sich um. Dean war etwas schneller fertig. Während er vor dem Umkleideraum auf Sam wartete, ließ er seinen Blick schweifen. Es gab zwei kleinere Schwimmbecken und ein großes Wettkampfbecken, in dem einige Bahnen nur für Schwimmer abgeteilt waren. Da konnte er sich auf jeden Fall austoben. Genau neben diesem Wettkampfbecken hatte sich Chris mit seinem Kumpel niedergelassen. Sie kamen im Sommer oft hier her, natürlich zum Schwimmen, aber sie konnten auch nicht abstreiten, dass die vielen, gutaussehenden jungen Frauen sie nicht locken würden. In aller Ruhe ließ Chris ebenfalls seinen Blick über das Gelände und entdeckte Dean. „Da ist Dean, mein Zimmerkumpel vom Lehrgang. Ich hab dir von ihm erzählt“, sagte er zu seinem Begleiter und wollte gerade aufstehen und hinüber gehen, als er einen großen Typen aus der Tür des Umkleidebereiches kommen sah, nach dem Dean sich umdrehte. Ob das Deans Bruder war? Oder war der doch schwul? Die beiden waren auf jeden Fall sehr vertraut miteinander. Das würde er genauer beobachten! „Zwanzig?“ fragte Sam, auf das Becken deutend. Beide rannten los. „Dreißig?“ lachte Dean. Er drückte sich ab und sprang mit einem eleganten Hechtsprung ins Wasser. Beide pflügten nebeneinander her nur so durch das Becken. Chris und sein Begleiter standen auf und gingen bis zu der Stelle, an der die Winchester ins Wasser gesprungen waren und warteten darauf, dass die ihren offensichtlichen Wettkampf beendeten In aller Ruhe beobachteten sie die Beiden und das restliche Geschehen im Bad, da die Brüder keine Anstalten machten so schnell aus dem Wasser kommen zu wollen. Dreißig Bahnen später schlug Sam eine halbe Armlänge vor seinem Bruder an. „Du bis aus der Übung.“ keuchte er grinsend. „Ich war arbeiten!“ „Das ist kein Grund, Dean“, erklärte Sam. „Dann bin ich wirklich aus der Übung! Glückwunsch Kleiner. Das nächste Mal gewinne ich wieder!“ lachte Dean. Er war noch genauso außer Atem wie sein Bruder. „Warten wir es ab“, gab sich Sam großspurig. „Hey“ machte sich Chris bemerkbar, da Dean ihn vorhin wohl nicht gesehen hatte. Allerdings hatte der auch nicht wirklich in seine Richtung geschaut, als er auf den Langen gewartet hatte. Dean schaute zu ihm hoch. „Hey Chris. Wie kommst du denn hier her?“ Er stemmte sich aus dem Wasser. Zu fragen wie es bei ihm lief, verkniff er sich. Er wollte nicht hören, wie toll seine Wache war, weil er dann auch von seiner erzählen müsste und das wollte er sich wirklich nicht antun. Bei ihren Teffen im Pub hatte er das Thema ganz gut umschiffen können. „Das ist übrigens mein kleiner Bruder, Sam.“ Chris und dessen Begleiter beugten sich vor und gaben Sam die Hand. „Das ist unser Stammbad, im Sommer“, erklärte Chris und deutete auf seinen Begleiter. „Das ist Connor McMillen“ Chris deutete auf seinen Begleiter. „Wie kennen uns schon seit der Vorschule. Jetzt arbeitet er in der Werkstatt am anderen Ende der Stadt. Wenn du mal Probleme mit dem Impala hast ...“ „Mac“, stellte Connor sich selbst vor. „Lass mal, mit meinem Baby bin ich eigen. Da lasse ich nicht jeden dran.“ „Chris hat erzählt, dass du einen fährst einen 67er? Wie kommst du an Ersatzteile wenn mal was sein sollte?“, fragte Connor bewundernd. „Unser Onkel hat einen Schrottplatz. Der besorgt mir die Teile, wenn ich welche brauche.“ „Du machst alles selbst?“ „Ich kenne sie inzwischen in- und auswendig. Ich hab sie irgendwann vor ein paar Jahren mal komplett neu aufgebaut“, erklärte Dean leichthin und nur Sam sah die Gefühle, die für den Bruchteil einer Sekunde in Deans Augen aufflackerten. „Ich würde nie jemand anderen außer meinem Onkel an den Wagen lassen. Allerdings könnte sie demnächst einen Ölwechsel brauchen. Weißt du einen Platz, wo ich sowas machen kann?“ „Bei uns weniger. Mein Chef will keine Fremden in seiner Werkstatt haben. Aber fahr doch mal bei Stan vorbei. Der kann dir da bestimmt helfen.“ „Stan?“ Deans Blick fiel auf seinen Bruder im Becken. Sam, der die ganze Zeit auf den Beckenrand gelehnt zugehört hatte, wollte jetzt doch aus dem Wasser. Diese Unterhaltung schien länger dauern zu wollen. Er tauchte gerade unter der Bahnabtrennung hindurch, weil er die Treppe nehmen wollte. Über Deans Gesicht huschte ein Koboldgrinsen. Chris sah es und wartete ab. Der Winchester hatte irgendeine Gemeinheit ausgeheckt. Dean drückte sich in der Drehung vom Rand ab und tauchte so knapp neben Sam ins Wasser, das der erschrak. Allerdings er war auch so gegenwärtig Deans Fuß zu packen und sich von ihm in die Tiefe ziehen zu lassen. Chris und Mac schüttelten die Köpfe, während sie die sich ihnen bietende Szene betrachteten. Die Winchester schienen sich unter Wasser einen Kampf zu liefern. Es sah aus als ob Dean verzweifelt zur Oberfläche wollte, Sam ihn aber nicht ließ. Plötzlich erschlaffte Dean. Sam ließ los. Sein Bruder trieb an die Oberfläche und blieb reglos, mit dem Gesicht nach unten, liegen. Sam tauchte neben ihm auf. Er schüttelte sich kurz die Haare aus dem Gesicht. „Dean es reicht“, erklärte er und schlug ihm auf die Schulter. „Ich bin heute einfach besser als du, also hör mit dem Scheiß auf!“ Dean reagierte nicht. Ganz langsam begann Sam sich doch Sorgen um seinen großen Bruder zu machen. Hatte er es doch übertrieben? Hatte er ihn zu lange …? Er seufzte und drehte Dean auf den Rücken. Kaum kam dessen Gesicht aus dem Wasser, holte er tief Luft und drückte sich mit einer fließenden Bewegung in die Höhe, nur um den völlig überraschten Sam mit in die Tiefe zu ziehen. Nach ein paar Faustschlägen gegen Deans Schulter ließ der Sam los. Sam tauchte auf. Gleich nach ihm kam auch Dean lachend wieder an die Oberfläche. „Ich kann´s nicht glauben Sammy, nach so vielen Jahren fällst du immer noch darauf rein.“ Deans Augen funkelten vor Vergnügen. Sam grummelte, doch in seinen Augen blitzte das Vergnügen. Dean hatte ihn, mal wieder, reingelegt. Dieses Spiel war wirklich nicht neu. Zu seiner Verteidigung konnte er nur anführen, dass sein Bruder das schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gemacht hatte. Aber wann waren sie in den letzten Jahren auch einfach nur zum Vergnügen schwimmen gegangen? Sie stemmten sich gleichzeitig aus dem Becken und traten wieder zu Chris und Mac, die sie kopfschüttelnd musterten. „Wer ist Stan?“, knüpfte Dean ansatzlos an dem unterbrochenen Gespräch an. „Stan? Äh, ja.“ Mac brauchte einen Augenblick um sich zu erinnern. „Stanley Peters. Er hat einen Schrottplatz an der 69 Richtung Norden. Einen Autoteilehandel“, berichtigte sich Mac grinsend. „Da kannst du bestimmt auch selbst schrauben.“ „Dann werde ich da mal mein Glück versuchen. Danke!“, freute sich der Winchester. „Wir sollten so langsam los“, warf Chris ein. Macs Blick ging zu der großen Uhr, dann nickte er. „Kommt ihr mit?“, wandte er sich an die Brüder. „Ich wollte noch ein paar Bahnen schwimmen“, erklärte Dean und reichte den beiden die Hand zum Abschied. Sam verabschiedete sich ebenfalls. Gemeinsam sprangen sie wieder ins Wasser und zogen in aller Ruhe ihre Bahnen. Kapitel 20: Was bleibt ---------------------- 020) Was bleibt Ein paar Tage nach dem Schwimmbadbesuch wollte Dean sich diesen Stan mal ansehen, von dem Mac gesprochen hatte und Sam hatte seinen ersten Arbeitstag im Supermarkt. „Wie geht’s dir?“, fragte Dean und stellte die Kaffeekanne und eine Packung Milch auf den Tisch. „Eigentlich ganz gut. Ist ja nichts besonderes“, erwiderte Sam. Er schüttete Milch in seinen Kaffee und in die Schüssel mit den Cornflakes und begann zu essen. „Und was machst du heute?“ „Ich wollte den Schrottplatz suchen. Mal sehen, ob der Besitzer mit sich reden lässt.“ „Denkst du dran, dass wir heute Nachmittag Wohnungen besichtigen wollen?“ Dean nickte. Für ihn war das Ganze noch vollkommen unreal. Eine eigene Wohnung. Dean Winchester wollte eine Wohnung beziehen. Er, der das unstete Leben regelrecht eingeimpft bekommen hatte, wollte jetzt endgültig sesshaft werden. So ganz konnte er das noch nicht glauben. Aber für Sammy würde er fast alles tun, also auch in eine Wohnung ziehen. „Wann soll ich hier sein?“, wollte er wissen und trank einen Schluck Kaffee. „Gegen zwei.“ „Okay.“ Sie frühstückten in Ruhe zu Ende und während sich Sam auf den Weg machte, räumte Dean ihr Zimmer auf. Dann fuhr auch er los. Den Autohof fand er schnell. Er stellte sein Baby vor dem Haus ab und ging, auf die Suche nach einem Ansprechpartner, um das Haus herum. Der Platz sah irgendwie genauso aus, wie bei Bobby und doch ganz auch anders. Hier schien es wesentlich mehr Platz zu geben, denn die Autos waren nebeneinander abgestellt und nicht wie bei Bobby übereinander gestapelt. Aber sonst war es ein Schrottplatz, wie der in Sioux Falls. Irgendwie verspürte Dean einen Stich, der sich wie Heimweh anfühlte. Sie telefonierten zwar mindestens einmal in der Woche mit Bobby und Jody, aber es war doch anders. So lange waren sie in den letzten Jahren nie weg gewesen und es würde auch noch dauern, bis er wieder hinkam. In dem Anwärterjahr bekam er keinen Urlaub. „Hallo?“, rief Dean und ging zu der Halle neben dem Haus hinüber. „Hallo?“, rief er noch einmal durch die geöffnete Tür. „Ja“ Ein Mann, älter als Bobby kam, sich die Hände an einem Lappen abwischend, zur Tür. „Kann ich Ihnen helfen?“ Sein Blick wanderte über den jungen Mann, der ein T-Shirt trug, das der eine oder andere Fleck zierte, und eine Jeans, die an einigen Stellen eingerissen war, ausgefranste Hosenbeine hatte und verdammt tief auf den Hüften hing. „Ich hoffe es“, erwiderte Dean. „Ich wollte mir meinen Wagen mal von unten anschauen und einen Ölwechsel hätte sie auch bald mal wieder nötig, denke ich. Kann ich das bei Ihnen machen oder kann ich Ihnen wenigstens dabei helfen?“ Schlagartig hellte sich die Mine des Mannes auf, die sich bei ‚von unten anschauen‘ verfinstert hatte. ‚Sie‘, hatte der Junge gesagt. Und er fragte ob er helfen konnte. Er wollte also nicht nur sein Werkzeug und die Bühne nutzen! Viele von denen, die herkamen wollten genau nur das, außerdem seine Hilfe und das am Besten noch für umsonst. „Wo steht „sie“ denn?“, fragte er und musterte den jungen Mann genauer. Das ‚sie‘ deutete schon mal etwas Interessantes an, aber abwarten. „Vorn“, sagte Dean und deutete auf das Haus. „Dann hol ‚sie‘ mal her.“ Dean nickte und ging. Gleich darauf hörte der Besitzer des Autoplatzes ein dumpfes Grollen. Er stopfte den Lappen in die Hosentasche und rieb sich die Hände am Latz seiner Hose noch etwas sauberer. Da kam sie. Der schwarze Lack und das Chrom waren ein wenig staubig, doch das war bei dem trockenen Wetter gerade, kein Wunder. Der Motor schnurrte gleichmäßig und lief rund und auch sonst konnte er nichts entdecken, an dem er bei diesem Prachtstück hätte meckern können. Die Tür knarzte. Der Fahrer stieg aus. ‚Öl?‘ überlegte der Mann, doch da der Fahrer sich nicht an diesem Knarzen zu stören schien, war das vielleicht genau so gewollt? „So ein Prachtstück sehe ich selten“, sagte er. „Ich bin übrigens Stanley Peters. Stan.“ „Dean Winchester.“ „Hallo Dean. Du warst noch nie hier. Hast du sie erst neu oder … ich meine, ich hab schon länger keinen so gut erhaltenen Oldtimer mehr gesehen. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich nicht mehr wirklich im Geschäft bin. Ich repariere nur noch. Für Restaurationen fehlt mir der zweite Mann. Die alten Kochen schaffen das nicht mehr allein.“ „Ich habe sie von meinem Vater bekommen. Aber das ist auch schon nicht mehr wahr“, Dean winkte ab. „Bislang konnte ich die Werkstatt meines Onkels nutzen, der wohnt allerdings in Sioux Falls. Wir sind vor ungefähr sieben Monaten hierhergezogen. Mein Bruder wird hier studieren.“ Dean schüttelte kurz den Kopf. Warum erzählte er das alles? „Jedenfalls suche ich einen Ort, an dem ich mich weiter um sie kümmern kann.“ „Eigentlich lasse ich keinen Fremden hier arbeiten und …“ Stan überlegte kurz. Der Junge klang interessant und vielleicht konnte er ihn ja als Hilfskraft anheuern? Er hatte sich um sein Prachtstück gekümmert. Es interessierte wie gut der Junge war. „Machen wir einen Deal. Du zeigst mir was du kannst und wenn ich mir sicher bin, dass du dir nicht ständig den Hammer auf die Finger haust, kannst du dich hier auslassen.“ „Das klingt nach einem Deal, Sir.“ „Lass bloß das Sir weg! Wer ist dein Onkel? Kenne ich ihn?“ „Bobby Singer. Singers Schrottplatz in Sioux Falls.“ „Hm. Nein. Sagt mir nichts. Ist ja auch egal. Also, willst du gleich loslegen?“ Dean nickte. „Und wie beweise ich Ihnen, dass ich ...“ „Der Wagen da“, er deutete auf einen alten Golf, der seine besten Tage schon lange hinter sich hatte, „hat Startprobleme. Versuch dich daran, dann sehen wir weiter.“ „Das ist fair, denke ich“, sagte Dean und ging zu dem Golf. Keine zwei Stunden später kam er mit ölverschmierten Händen in die Werkstatt. Er legte das Werkzeug, das er gebraucht hatte, zurück an seinen Platz. „Er läuft wieder“, sagte er unnötigerweise. Stan hatte den Motor gehört und war auch ein paar Mal gucken gewesen. Der junge Mann verstand eine Menge von dem, was er da tat. „Wunderbar! Ich hatte ihn fast aufgegeben.“ Er machte eine einladende Geste. „Die Werkstatt gehört dir. Und falls du Arbeit suchst … Ich kann zwar nicht so viel zahlen, aber ...“ „Ich bin bei der Feuerwehr.“ „Schade. Ich könnte einen fähigen Mitarbeiter brauchen. Wie gesagt, die alten Knochen ...“ „Ich kann Ihnen gerne helfen, wenn ich Zeit habe. Rufen Sie einfach an und ich schaue, wann es der Dienstplan zulässt.“ „Das klingt auch nach einem Plan“, nickte Peters. „Und sag Stan zu mir!“ Er reichte ihm die Hand und Dean schlug vor Freude strahlend ein. Er hatte einen Platz, um Baby weiterhin angemessen in Schuss halten zu können und einen Nebenjob, der ihm auf jeden Fall Spaß machen würde. Sam würde Augen machen, wenn er ihm nachher davon erzählte! „Wann willst du dein Prachtstück auf die Bühne fahren?“, fragte Stan. „So eilig habe ich es damit noch nicht. Ich wollte nur mal schauen, ob es hier überhaupt die Möglichkeit gibt. Du hättest ja auch „nein“ sagen können.“ Dean schute kurz zu Baby und dann wieder zu Stan. „Naja, ich falle nicht gerne mit der Tür ins Haus, wenn es darum geht.“ Stan nickte. Der junge Mann wurde ihm immer sympathischer. „Und Danke, dass ich mal wieder was Sinnvolles tun durfte.“ Dean reichte ihm die Hand und ging zu seinem Baby, während Stan ihm irritiert nachschaute. ‚Was Sinnvolles‘? Der Junge sagte doch, dass er bei der Feuerwehr war?!? Tat er da nichts Sinnvolles? Dean grüßte mit einem kurzen Winken und lenkte den Impala vom Platz. Auf dem Weg zum Motel fuhr er an einem Diner vorbei und holte für Sam und sich Essen. Sein kleiner Bruder würde auch gleich von der Arbeit kommen und dann wollten sie heute ja noch ein paar Wohnungen besichtigen. Sam hatte sich bei dem Thema mächtig ins Zeug gelegt und er war sich immer noch nicht sicher, ob er wirklich umziehen wollte. Ein bisschen trauerte er ihrem Häuschen in Tea nach und er hatte Angst, sich diese schöne Erinnerung zu verderben. Bei den Motels hatte er sowohl gute als auch schlechte Erinnerungen. Da war es ihm egal. Dean war gerade mit den Tischdecken fertig, als Sam ins Zimmer kam. „Hey, wie war´s?“, wollte Dean sofort wissen. „Viel schleppen, viel räumen, viel ziehen, viel laufen, viel schieben. Die Kollegen, die da waren scheinen ganz nett zu sein und in der letzten Stunde hat der Inhaber mir die Kasse erklärt.“ „Viel ziehen, viel schieben?“, hakte Dean irritiert nach. „Die Ware kommt in großen Gitterboxpaletten. Die müssen ins Lager geschoben und auf ihren richtigen Platz gezogen werden.“ „Hm“, machte Dean kauend. „Und demnächst kannst du dann auch in die Kasse greifen?“, wollte er grinsend wissen, nachdem er geschluckt hatte. Sam holte tief Luft … grinste und nickte. „Davon gehe ich aus.“ „Na Hauptsache das erfährt keiner deiner Professoren.“ „Solange du es ihnen nicht sagst?“ „Das muss ich mir noch überlegen? Was bietest du?“ „Trottel!“ „Miststück!“ Sie beendeten ihr Mahl und machten sich dann auf den Weg zur ersten Wohnung, im Westen der Stadt. „So ganz bist du von der Idee nicht überzeugt, oder?“, hakte Sam nach und schaute zu seinem Bruder. „Ich weiß nicht“, gestand Dean. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es billiger sein soll.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich meine, ich bin in Motels groß geworden.“ Noch einmal mit den Schultern zuckend brach er ab. „Ich auch, Dean“, entgegnete Sam und fuhr fort: „Bei Bobby hattest du auch ein Zimmer.“ „Ja, aber das war Bobby. Das war schon immer was Besonderes.“ „Und Tea?“ „Da war ich nicht ich und außerdem hatte wir da ein Haus.“ „Naja, eine Garage, aber ich verstehe, was du meinst. Dean! Wir müssen keine Wohnung nehmen, wenn wir nicht wollen.“ Sam lächelte. „Es ist wie mit meinem Unis. Wir schauen sie uns an und wenn sie uns gefällt und wir Glück haben, bekommen wir sie. Es ist auf jeden Fall besser. Wenn ich erst zur Uni gehe und lernen muss. Du brauchst die Ruhe, wenn du von der Nachtschicht kommst.“ Dean verzog das Gesicht und nickte. Schweigend lenkte der den Wagen auf den Parkplatz vor der ersten Wohnung. Eine dralle, platinblond gefärbte Mittvierzigerin erwartete sie vor der Tür. „Ich bin Glen Beetz. Sie interessieren sich für das Apartment?“, begrüßte sie die Brüder mit einer Stimme, als hätte sie die letzten drei Tage nur Whiskey getrunken. Sie wartete nicht mal bis einer der Brüder nickte, sondern wandte sich sofort ab und stöckelte die Treppen in den ersten Stock hinauf. Fragend schaute Dean zu seinem Bruder. Sam schüttelte leicht den Kopf und zuckte dann mit den Schultern. Nein, mit der hatte er nicht gesprochen! Die Wohnung war dunkel und sah ziemlich abgewohnt aus. „Selbstverständlich wird hier noch renoviert“, erklärte sie barsch, bevor einer der Brüder fragen konnten. „Und die Miete?“, fragte Dean, während Sam einen Blick ins Bad warf. Er rümpfte die Nase, als er wieder zu seinem Bruder kam. „800 Dollar, pro Person“, entgegnete sie. „Da sind die Benutzung von Fitness- und Waschraum inklusive.“ Sams Augen weiteten sich kurz. Nein, so viel wollte er nicht ausgeben. Sie schauten sich noch das gemeinsame Schlafzimmer an und verabschiedete sich schnell. „Wir melden uns“, erklärte Sam und folgte seinem Bruder zum Parkplatz. „800 Dollar pro Nase?“, fragte der nur. „Also auf der Internetseite stand etwas anderes und die Bilder waren auch andere!“, verteidigte sich Sam. Dean zuckte nur mit den Schultern. „Die dann wohl nicht!“ „Nein.“ Kapitel 21: one of us --------------------- 021) one of us Um zur zweiten Wohnung zu kommen, lotste Sam seinen Bruder immer weiter in den Süden und je weiter sie fuhren, umso mehr zog sich Deans Magen zusammen. Das konnte die schönste Wohnung sein, er würde hier nicht wohnen wollen! Aber das konnte er Sam ja nicht sagen, denn er wollte ihn noch immer nicht mit seinen Problemen bei der Wache belasten. Er parkte sein Baby auf einem Parkplatz vor dem Apartmentkomplex, atmete kurz durch und stieg aus. Mit wenigen Schritten folgte er Sam zum Eingang. Vor der Wohnung wurden sie von einem netten, älteren Afroamerikaner begrüßt. Die Wohnung war frisch renoviert. Sie hatte zwei Schlafzimmer und zwei Bäder, eine große Terrasse mit Grill und einen Wohnbereich mit einer, durch eine Kücheninsel abgetrennte Küche. Kurz und knapp, die Wohnung war ein Traum, auch wenn sie um einiges über ihrem Limits lag. Trotzdem würde Dean sofort zuschlagen, wenn die Nähe zu seiner Wache nicht wäre. „Was sagst du?“, fragte Sam, als sie auf der Terrasse standen. „Der Preis ist zu hoch. Es wäre wohl gerade so machbar, wenn wir uns noch weiter einschränken würden. Wenn du allerdings studierst, wird es verdammt eng und ziemlich weit weg von der Uni ist sie auch.“ „Dafür wärst du näher an der Wache.“ „Aber ich muss nur einmal hin und wieder zurück. Du vielleicht aber mehrmals wenn du Veranstaltungen hast.“ „Das ist aber auch nicht so oft, denke ich.“ Dean zuckte mit den Schultern. Er wollte hier nicht leben. „Sie ist wirklich toll, aber ich finde sie einfach zu teuer. Lass uns weiter suchen.“ Sam nickte. Einen Versuch war es wert gewesen. Letztendlich musste er seinem Bruder aber Recht geben. Sie verabschiedeten sich von dem Hausmeister und machten sich auf den Weg zu ihrer letzten Besichtigung für heute. Diese Wohnung war in einer Wohnanlage der Nähe der Uni, umgeben von Bäumen. Es gab einen Pool, Fitness- und Wasch- und Gemeinschaftsräume. Die Hausverwalterin, Mrs. Lin, führte sie nach der Besichtigung dieser Räume in den ersten Stock. Das Apartment war nicht so groß wie das letzte, hatte aber alles, was sie brauchten. Einen größeren Wohnraum, der in die Küche über ging, ein Bad, zwei kleine Schlafzimmer und einen kleinen Balkon. Die Wände waren in einem hellen Beige gestrichen, die Geräte in der Küche fast neu. Es gab einen Herd, eine Spülmaschine, Kaffeeautomat und Mikrowelle. Die Couch im Wohnzimmer sah bequem aus und der Fernseher war, für ihre Verhältnisse, riesig. „Das Apartment wird so vermietet, wie sie es hier sehen. Die Küche ist voll ausgestattet. Sie brauchen nichts mehr kaufen“, erklärte die Verwalterin. „Das klingt gut“, freute sich Dean. Er tauschte einen Blick mit seinem Bruder und nickte kurz. „Wir würden die Wohnung gerne nehmen“, erklärte Sam Mrs. Lin. „Gut. Dann füllen Sie bitte das Formular aus. Wir haben noch einige Bewerber und würden uns in der nächsten Woche bei Ihnen melden.“ Sam nickte und machte sich daran, die Blätter auszufüllen. „Wären Sie denn auch an einer anderen Wohnung interessiert, sollten Sie bei dieser nicht berücksichtigt werden können?“, fragte sie, als sie sich verabschiedeten. „Wenn die genauso ist, wie diese hier?“, bestätigte Sam, nach einem weiteren Blick zu seinem Bruder. „Gut, ich setze sie mit auf die Liste.“ Sie machte ein Kreuz auf dem oberen Rand den Fragebogens und begleitete die Brüder nach draußen. Die folgende Woche verging recht schnell. Sam machte sein Job Spaß und die Kollegen waren nett. Außerdem half er Mrs. Hagen bei einigen kleinen Reparaturen, da Dean Nachtschicht hatte. Die Kaffeemaschine spuckte gerade den letzten Tropfen Kaffee in die Kanne, als Dean ihr Zimmer betrat. Jetzt hatte er erstmal zwei Tage frei. „Hab Frühstück mitgebracht“, sagte er und hielt die beiden Tüten hoch. „Warum bist du schon auf?“ „Ich war wach und dachte, ich frühstücke in aller Ruhe mit dir. Heute Abend wollte ich mit meinen Kollegen in einen Pub gehen. Sie haben mich eingeladen. Ich finde sie ganz nett und ...“ Dean grinste. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich freue mich, wenn du Freunde findest.“ Er lächelte Sam warm an, legte die Tüten auf den Tisch und zog seine Jacke aus. Müde rieb er sich über sein Gesicht. Die Woche war keine Ausnahme in der Aneinanderreihung beschissener Wochen gewesen. Aber jetzt hatte er erstmal zwei Tage frei und spätestens morgen würde er sich bei Stan austoben können. Ohne den Schrottplatz wäre er wohl schon durchgedreht. „Geh ruhig. Ich wollte heute Abend ja mit Chris los“, sagte Dean. „Ach ja, stimmt. Wir brauchen dringend einen Terminkalender wie in Tea.“ Dean nickte. Bislang musste er sich ja nur seinen Dienstplan merken und alle drei bis vier Wochen sein Treffen mit Chris. Mehr ließen ihre unterschiedlichen Dienstpläne nicht zu, zumal Chris ja von hier kam und einen, nicht gerade kleinen, Freundeskreis hatte. Für diese wenigen Termine reichte ihm sein Handy. Aber wenn Sam zur Uni ging, wäre ihre Tea-Liste wohl wirklich angebracht. „Das können wir uns als erste Anschaffung für die neue Wohnung vornehmen“, warf Sam nebenbei in den Raum. Dean, der sich gerade auf seinen Platz hatte fallen lassen und nach einer Tüte greifen wollte, erstarrte in seiner Bewegung, die Hand über dem Tisch schwebend. „Sag das noch mal!“ „Du warst gerade weg, gestern Abend, als Mrs. Lin anrief. Wir haben die Wohnung.“ „Wow! Das ist, wow!“, freute sich Dean. Jetzt, wo es durch die Besichtigungen offiziell geworden war, wollte er das Motelleben so schnell es ging hinter sich lassen. Es war ein Schritt weiter in die Normalität und vor allem für Sam wichtig, wenn er erst mit seinem Studium anfing. Er könnte seine Kommilitonen und Kollegen dann auch mal zu sich einladen. War bestimmt besser, als das Motel jetzt. Sein Blick suchte seinen kleinen Bruder. Er lächelte warm. „Die Besichtigungen, die wir morgen machen wollten, habe ich abgesagt.“ „Gut! Dann könnte ich morgen ja zu Stan, wenn du arbeiten musst.“ „Muss ich nicht, aber du kannst trotzdem fahren. Ich ...“ „Nein. Wenn du frei hast würde ich gerne was mit dir unternehmen. Schwimmbad? Minigolf?“ Sam lächelte. „Dann lass uns mit Minigolf anfangen und wenn wir dann noch Zeit und Lust haben, fahren wir schwimmen. Übermorgen habe ich mich im Supermarkt eingetragen.“ „Dann fahre ich übermorgen zu Stan.“ Dean biss in seinen Bagle. Er kaute, schluckte und schaute wieder zu Sam. „Wann ziehen wir um?“ „Zum Ersten.“ „Also in zwei Wochen? Wollen wir danach eine Einweihungsfeier machen?“ „Gute Idee“, nickte Sam. Sie frühstückten in aller Ruhe. Danach wollte sich Sam sich um ihre Wäsche kümmern und danach noch bei Mrs. Hagen reinschauen, ob sie was zu tun hatte. Dean verkroch sich ins Bett. Er hörte Sam noch eine Weile bei dessen leisem Hantieren zu. Unweigerlich wandten sich auch seine Gedanken seinem Bruder zu. Sammy hatte sich wirklich schnell in Bloomington eingelebt. Ihm gefiel es hier richtig gut. Er schwärmte von der Uni, auch wenn er außer der Bibliothek die Gebäude bisher nur von außen kannte. Er hatte, einen Job gefunden, der ihm Spaß machte und den er vielleicht auch während des Studiums weiter machen konnte, wenn auch eingeschränkt. Nicht nur einmal hatte Sam inzwischen betont, wie sehr er sich darauf freute, mindestens die nächsten drei Jahre an diesem Ort zu verbringen. Ihm selbst ging es da ganz anders. Er wurde immer noch als Mädchen für alles missbraucht und durfte bei den Einsätzen meistens nur zusehen. Wenn überhaupt ließen sie ihn höchstens unbedeutende Hilfsarbeiten machen. Er hatte sich Sam noch immer nicht anvertraut, sondern war mal wieder in seinen alten Modus zurückgefallen. Warum sollte er Sam auch mit seinen Problemen belasten? Weder konnte der ihm helfen, noch konnte er sie ihm abnehmen und noch schaffte er es, auch dank Stans Schrottplatz, sein Innenleben vor Sam zu verbergen. Stans Schrottplatz. Wenigstens da wurde seine Arbeit anerkannt und er ertappte sich immer mal wieder dabei, dass er darüber nachdachte die Feuerwehr hinzuschmeißen und doch sein Geld als Automechaniker verdienen zu wollen. Noch schob er diese Gedanken energisch beiseite, auch weil er Angst hatte, dann wieder auf der Straße und in ihrem alten Leben zu landen. Noch war er sich sicher, dass er das Jahr überstand und dass er dann bei einer anderen Wache unterkommen konnte und zeigen durfte, was er wirklich konnte. Nein, er wollte und konnte Sam nichts von seinem Dilemma erzählen. Nicht jetzt, wo er sich den Traum vom Jura-Studium endlich erfüllen konnte. Sammy hatte es so oft versucht. Diesen Traum konnte er ihm nicht nehmen, nur weil er sich schlecht behandelt fühlte. Er war der große Bruder und dafür verantwortlich, dass es Sammy gut ging, egal ob ihm das gut tat! Den Gedanken, dass das ein kompletter Rückfall in Johns Dogmen war, schob er energisch beiseite. Er würde das Jahr schaffen, und dann um seine Versetzung bitten! Die sollte ja wohl kein Problem sein, wenn Grady dann seinen Neffen bekam, wer immer das auch war! Er hörte wie sie die Tür ihres Zimmers schloss. Energisch schob er die Gedanken beiseite und versuchte sich auf die neue Wohnung zu konzentrieren. Langsam driftete er in den Schlaf. Am frühen Nachmittag wachte er auf. Sein Magen knurrte. Er schaute im Kühlschrank nach, doch außer ein paar Scheiben Wurst und einigen Eiern war nichts da. Träge rieb er sich über das Gesicht. Einkaufen musste er also auch noch, oder brachte Sam was mit? Dean zog sein Telefon hervor und wollte seinem Bruder eine Nachricht schreiben, als er sah, dass der sich gemeldet hatte und ihm mitteilte, dass er länger machen und gleich nach der Arbeit mit seinen Kollegen losziehen wollte. „Okay“, tippte Dean und entschied sich, im Diner zu essen. Danach hatte er noch genügend Zeit, zu Stan zu fahren und seinem Baby einen Ölwechsel zu spendieren oder, wenn Stan einen anderen Wagen auf der der Bühne stehen hatte, sich den vorzunehmen. Und genau so geschah es auch, bis er, kurz nach neun Uhr den Pub betrat, in dem er sich immer mit Chris trat. Er schaute sich kurz um und fand den Freund an der Theke. Mac war bei ihm. „Hey“, grüßte er und stellte sich neben Chris. „Dean, hey“, freute der sich. „Wie sieht`s aus?“ „Willst du ein Bier?“, fragte Mac nach einem kurzen Nicken. „Wenn ich mich schon in die Runde drängle, sollte ich wenigstens einen ausgeben, oder?“ „Also dann kannst du immer mitkommen“, lachte Dean. „Wir ziehen demnächst um“, begann er zu berichten. „Hab mich schon gefragt, wann euch das Motel zum Halse raus hängt“, entgegnete Chris. „Wie kommt´s?“ „Sam meinte, dass es billiger wäre, und er hat Recht.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Also das Geld wäre für mich eher zweitrangig“, stellte Mac fest. „Mein Leben war eine Aneinanderreihung von bestenfalls akzeptablen Motels, in denen ich mir oft genug ein Bett mit Sam geteilt habe, oder ein Gästezimmer bei unserem Onkel, mit den selben Voraussetzungen. Da hebt das Motel jetzt den Standard schon erheblich.“ Er trank einen tiefen Schluck. Chris und Mac tauschten einen entsetzten Blick. „Ein Bett mit Sam?“, japste Chris fast lautlos. „Damals war er noch klein und niedlich, aber ja. Wenn John da war und irgendwie ...“ Dean brach ab, zuckte noch einmal mit den Schultern und trank sein Bier aus. Er hatte die fragenden, verständnislosen Blicke gesehen, die die Beiden tauschten. Mac orderte noch eine Runde Bier und Whiskey und dann lotste er sie in eine ruhige Ecke. Auffordernd schaute er zu Dean. Der kaute auf seiner Unterlippe herum. Da hatte er wohl zu viel erzählt. Er kippte den Whiskey hinunter, holte tief Luft und begann: „Mom starb bei einem Brand in unserem Haus. Da war ich vier. Danach hat es John nie lange an einem Ort ausgehalten und wir mussten mit. Ein mieses Motel nach dem anderen. Als Kind hinterfragst du es nicht und als Teenager war es irgendwie schon toll und bevor man es merkt, hat man es verinnerlicht und kann nicht mehr anders.“ Er nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, nicht gewillt noch mehr zu erzählen. Chris seufzte. Wieder ein Einblick in Deans Leben, den er nicht hätte haben wollen. Er warf Mac einen Blick zu und wusste, dass der gerade festgestellt hatte, dass es anderen noch viel schlimmer getroffen hatten. „Mein Alter war Alkoholiker. Geld war immer Mangelware, aber wir hatten wenigstens ein festes Zuhause“, erzählte Mac. „Da kann ich nicht mitreden. Ich hatte das, was man eine ganz normale Kindheit nennt. Vater Tischler, Mutter Lehrerin, drei Geschwister und Haus gleich neben der Werkstatt im Vorort.“ „Was haltet ihr von Darts?“, fragte Mac und deutete auf die Scheibe, die unbeachtet weiter hinten hing. „Bevor wir hier trübsinnig werden.“ Dean nickte sofort, nahm sein Bier und ging nach hinten. „Das ist heftig“, sagte Mac mit einem Blick zu Chris. „Und hast du gemerkt, dass er nur von John redet. Sein Vater?“ „Das hat er schon beim Lehrgang gemacht“, nickte Chris. „Ich denke, ja, er meint seinen Vater.“ Gemeinsam folgten sie dem Winchester. Kapitel 22: no roots -------------------- 022) No roots Sam traf sich mit drei seiner Kollegen vor einem kleinen Pub. Sie suchten sich einen Platz im hinteren Bereich der Theke, bestellten sich Bier und knabberten Erdnüsse. Es dauerte nicht lange, bis Pat, Patricia Smith, eine niedliche Dunkelhäutige, die Sam gerade bis zur Brust reichte, begann ihn auszufragen. Er hatte zwar schon ein bisschen was erzählt, aber das schien seinen Kollegen wohl nicht genug. „Wollt ihr das wirklich wissen?“ Natürlich nickten sie. Er verdrehte die Augen, nahm einen Schluck Bier und erzählte das, was sie immer erzählten. „Meine Mom starb als ich 6 Monate alt war. Unser Vater hat das nie verwunden. Er verlor einen Job nach dem anderen und ist mit uns von einem Ort zum nächsten gezogen. Wir waren nirgends lange. Wir haben gebraucht, um uns aus diesem Muster zu lösen. Ich habe meinen Collegeabschluss gemacht und jetzt will ich mir meinen Traum erfüllen und Jura studieren.“ In den Gesichtern seiner Gesprächspartner spiegelte sich Mitleid und Sam hasste es. „Hättet ihr nicht bei Großeltern unterkommen können?“, fragte Tarek Hussein, der in einer Großfamilie mit Großeltern, Onkel und Tante aufgewachsen war. Großeltern? Sam hatte erst von Großeltern erfahren, als Dean das Tagebuch Samuel Campbells von Adam bekommen hatte. „Keine Ahnung, ob wir Großeltern hatten.“ Er zuckte mit den Schultern. „Können wir das Thema dann bitte wieder lassen? Es ist ewig her, nervt und ist nicht zu ändern!“ Sam schaute in die Runde und trank sein Bier aus. Wenn sie noch eine Frage in dieser Richtung stellen würden, würde er gehen. Dann hätte sich das Thema Kollegen für ihn erledigt. Pat legte ihm die Hand auf den Arm. „Unsere Neugier tut uns leid. Wir wollten keine alten Wunden aufreißen.“ „Okay“, nickte Sam, blieb aber trotzdem angespannt. „Was haltet ihr davon, wenn wir eine Runde Dart spielen?“, fragte Michael Williams, groß, blond und in seinem letzten Collegejahr. Sam atmete durch und nickte. Patrica bestellte noch eine Runde Bier, dann gingen sie gemeinsam zu der Scheibe. „Fängst du an?“, fragte Tarek Sam. Der wog den kleinen Pfeil in der Hand. Das letzte Mal hatte er in Stanford Darts gespielt und das nicht wirklich gut. Messer lagen ihm mehr. Er atmete durch und schob diese Gedanken beiseite, bevor sie ihn noch weiter runter zogen. Erinnerungen an Jess und Alkohol waren keine gute Mischung. Dean saß auf seinem Bett und trat sich gerade die Schuhe von den Füßen, als Sam ins Zimmer kam. „Wie war´s“, fragte er und musterte seinen Bruder. „Ziemlich holprig am Anfang, aber danach ist es doch noch recht lustig geworden. Wir wollen uns in vier Wochen wieder da treffen“, erklärte Sam und entledigte sich seiner Jacke. „Ich weiß nicht, warum sich immer alle für unsere Lebensgeschichte interessieren!“ Er schnaufte. „Weil´s ungewöhnlich ist, wie wir aufgewachsen sind?“ „Hat Chris dich auch so gelöchert?“ Über Deans Gesicht huschte ein Lächeln. „Er hätte mit Sicherheit gerne mehr gewusst, aber er hielt sich echt zurück. Vor allem du warst für ihn ein Rätsel.“ Dean legte sich ins Bett und zog die Decke über sich. „Ich?“ „Welcher Mann in meinem Alter telefoniert fast täglich mit seinem kleinen Bruder?“ „Ach die Schiene“ Sam verdrehte die Augen und grinste. „Hat sich das inzwischen gelegt?“ „So ziemlich. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ober er seine Vermutungen schon komplett ad acta gelegt hat.“ Er drehte sich auf den Bauch und umschloss das Kissen mit den Armen. „Nacht Sammy“ „Schlaf gut, Dean“, erwiderte der Jüngere. Er entledigte sich ebenfalls seiner Kleidung, legte sich mit einem Lächeln hin und drehte sich zu seinem Bruder. Von dessen ruhigen Atemzügen begleitet, schlief er ein. Nach ihrem Frühstück am nächsten Morgen gingen sie zu Marielle. „Ihr bringt keine guten Nachrichten“, empfing sie die Brüder mit einem traurigen Lächeln. „Wollt ihr einen Kaffee?“ „Ich weiß nicht, ob du uns einen geben willst? Wir haben zum Ersten eine Wohnung“, sagte Dean. Sie stand auf und ging zur Kaffeemaschine. „Ich habe mich schon gefragt, wie lange ihr noch hierbleiben wollt.“ „Eigentlich mag ich es hier“, erklärte Dean, „aber wenn Sam erst zur Uni geht, ist ein gemeinsamer Wohn-Schlafraum einfach zu wenig.“ „Ihr müsst nichts erklären.“ Sie schaute von einem Winchester zum anderen. „Ist nur schade, dass ich jetzt keine Handwerker mehr im Haus habe.“ Ein entschuldigendes Lächeln huschte über ihr Gesicht.“ „Du kannst jederzeit anrufen“, erklärte Sam. „Wir kommen, wenn wir können.“ Marielle lächelte und stellte die Kaffeetassen auf den Tisch. Die zwei Wochen vergingen schnell. „Wann können wir den Schlüssel holen?“, wollte Dean von seinem Bruder wissen und goss sich den letzten Rest Kaffee in die Tasse. Sam warf einen Blick auf seine Uhr. „Wenn wir in Ruhe hier alles fertig machen und einpacken, sollten wir rechtzeitig da sein. Wir treffen uns vor dem Haus.“ Dean nickte. Es fühlte sich komisch an. Das Motel beinhaltete wenigstens theoretisch die Möglichkeit jederzeit verschwinden zu können. Bei der Wohnung würde das nicht mehr gehen. Er schob diese Gedanken beiseite, denn es war auch jetzt schon keine Option mehr. Sam war hier glücklich und er würde bald mit seinem Studium beginnen. Für die nächsten drei Jahre saß er hier fest und da war eine Wohnung die bessere Wahl. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern. Auf der Kommode stand ein Karton mit ihrer ersten Anschaffung für die Wohnung. Bettwäsche und Handtücher. Viel mehr würden sie vorerst nicht brauchen. Er trank seine Tasse aus und begann den Tisch abzuräumen. Sam packte ihr Schlafzeug in die Tasche und leerte den Kühlschrank. Es gab kaum etwas, das er in letzten offenen Karton legen musste. Ein bisschen Käse und eine Packung Wurst. Sie würden nach ihrem Einzug gleich noch einkaufen fahren. Sam schloss den Karton und ging seinem Bruder beim Abwasch zur Hand. „Das war´s“, sagte Dean. In seiner Stimme schwang ein wenig Wehmut mit. „Das wird fast wie bei Bobby“, versuchte Sam die Laune seines Bruders zu heben. Er selbst hatte das Motelleben immer nein, gehasst war nicht so ganz richtig, gehasst hatte er es nicht, er hatte das ständige Umziehen gehasst. Das Leben im Motel war ihrer Lebensweise geschuldet und er war froh, dass die und das jetzt hinter ihnen lag. Dean nickte. „Nur ohne Bobby.“ Sanft legte er seine Hand auf Deans Arm. „Dean. Komm schon, Alter. Wir sparen Geld und du hast deine Ruhe zum Schlafen, wenn du von einer anstrengenden Schicht kommst.“ „Ist ja gut, Sammy. Rational weiß ich das alles. Gefühlsmäßig ist es, als ob ich etwas Liebgewonnenes verliere. Dabei waren Motelzimmer immer eher ein notwendiges Übel als geliebtes Zuhause.“ Er schlug den Kofferraumdeckel zu. Sie hatten die Kartons in ihren Autos verteilt und es war mehr, als sie je besessen hatten. Noch einmal gingen sie in ihr Zimmer und schauten sich um, ob sie nichts vergessen hatten. Danach gaben sie die Schlüssel ab. Eine gute halbe Stunde später hielten sie vor ihrem Wohnblock. Mrs. Lin wartete schon vor der Tür und begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln. Sie ging mit ihnen nach oben und zeigte ihnen noch einmal alles. Danach händigte sie ihnen die Schlüssel aus und wünschte ihnen alles Gute in ihrer neuen Wohnung. „Lass uns auspacken“, schlug Sam vor, „danach fahren wir einkaufen.“ Dean nickte und ging nach unten, um den ersten Karton zu holen. Keine Stunde später stellte Dean die letzten Bücher in das Regal. Der Feuerwehrtruck stand wieder versteckt hinter Caro und Ringo. Er hängte seine Feuerwehrjacke an die Garderobe und faltete den letzten Karton zusammen. Sam kam gerade aus seinem Zimmer und ging ins Bad, um die Handtücher wegzulegen. Danach warf er noch einen Blick in die Küchenschränke. „Wie sieht´s aus?“, wollte Dean wissen, der ihm dabei zusah. „Nur Zucker und Salz, wenn ich das richtig deute“, erwiderte Sam. Er schloss die Schränke wieder und kam zur Tür. „Lass uns fahren.“ Dean nickte. „Müssen wir eigentlich eine Einweihungsfeier machen, oder gibt’s das heute nicht mehr?“, wollte Dean wissen, als sie wieder zurück waren und ihre Einkäufe verstauten. „Müssen müssen wir nicht, aber wir können“, entgegnete Sam. „Und?“ „Es wäre eine gute Gelegenheit sich besser kennenzulernen. Ich könnte meine Kollegen einladen und du vielleicht deine und Chris und Mac?“ Dean erstarrte. Kollegen? Bestimmt nicht. „Nur Chris und Mac“, erklärte er so heiser, dass sich Sam augenblicklich zu ihm umdrehte und ihn fragend musterte. „Was ist los, Dean. Was ist mit deinen Kollegen? Ich meine, du wolltest so gerne zur Feuerwehr, aber jetzt erzählst du absolut nichts von deiner Arbeit. Irgendwas stimmt doch da nicht!“ „Alles okay!“ Sam verdrehte die Augen. Wenn sein Bruder das sagte, dann war es nichts weniger als okay. „Dean, bitte!“ „Ich glaube ich habe Muskelkater“, Dean verzog sein Gesicht zu einem gequälten Grinsen. „Du gibst immer nur das Offensichtlichste zu. Verkauf mich nicht für dumm, da ist mehr.“ „Es ist nichts, Sam. Es ist nur langweilig. Die Wache ist so weit draußen und umfasst ein so großes Gebiet. Aber gerade ist da überhaupt nichts los. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.“ „Und was macht ihr dann?“ Dean verdrehte die Augen. „Trainieren, aufräumen, reparieren. Ich hab‘s wohl mit dem Training etwas übertrieben.“ „Den ganzen Tag?“ Sam legte seine Hand auf Deans Arm. „Es kommen auch wieder bessere Zeiten“, versuchte er Optimismus zu verbreiten, auch wenn er wusste, dass bessere Zeiten für Dean schlechte Zeiten für einen anderen Menschen bedeuteten. Trotzdem fand er es komisch, dass sein Bruder keinen Kollegen einladen wollte. Das würde er nochmal ansprechen. Aber nicht heute. „Darauf hoffe ich irgendwie“, nickte Dean und lenkte von dem Thema ab. „Was machst du heute?“ „Ich habe mich für die Spätschicht eingetragen“, antwortete Sam. „Hattest du was geplant?“ „Nein. Wir hätten irgendwo baden fahren können, uns faul in der Sonne rösten lassen. Aber so werden ich zu Stan fahren. Vielleicht hat der ja etwas zu tun. Mit deinem Kombi ist alles in Ordnung oder soll ich den mitnehmen?“ „Nein, alles gut.“ Über Sams Gesicht huschte ein Lächeln. Dean sorgte sich nicht nur um ihn, sondern auch um sein Auto. Die Einweihungsfeier war, wie Sam vorgeschlagen hatte, eher ein gemütliches Beisammensein, als eine Feier. Die Brüder hatten ein kleines Bufett mit Fingerfood, Tacos, Enchiladas und Minipizzen. Sam hatte seine Kollegen, Tarek, Omar und Pat, mit denen er ja schon abends feiern gegangen war, und zusätzlich noch Felicia eingeladen. Mit ihr hatte er an den letzten Abenden zusammengearbeitet und sie verstanden sich gut. Dean hatte nur Mac und Chris eingeladen und der Freund machte sich, wie auch Sam so seine Gedanken, warum. Doch wieder einmal überlegte er, dass diese kleine Feier ja wohl nicht der richtige Zeitpunkt war, um das anzusprechen. Die Tage vergingen und die Brüder lebten sich in ihrer schnell Wohnung ein. Der September kam mit Regen. Dean hatte gerade die Fahrzeughalle durch gewischt, als Coon mit lehmverschmierten Stiefeln hereinkam und quer durch die Halle in den Aufenthaltsraum lief. „Kannst du dir die nicht vor der Tür abtreten?“, fragte Dean ungehalten. „Warum sollte ich mir die Mühe machen? Wofür haben wir dich?“ Coon starrte Dean abschätzig an. „Mach es halt ordentlich!“ Er ging zur Kaffeekanne und kippte sich Kaffee in die Tasse. „Außerdem ist der Kaffee leer. Sieh zu, dass du neuen kochst!“ Er kippte den kleinen Rest, der noch in der Kanne war, so schwungvoll in das Spülbecken, dass die Hälfte davon wieder herausspritzte und sich auf den Fliesen und der Arbeitsplatte verteilte. „Und hier sieht es aus wie Schwein! Wir waren mal die sauberste Wache, aber seit du da bist, können wir den Titel auch vergessen! Hier war es schon lange nicht mehr so dreckig!“ Breit grinsend ging er in den Aufenthaltsraum, wo ihm Webb die Hand zum Abklatschen hinhielt. Dean rammte den Mob in den Eimer. ‚Verdammt‘, fluchte er still, ‚wieso mussten die ihm das Leben noch schwerer machen?‘ Während er den Eimer zurück zum Eingang schob, atmete er tief durch. ‚Nicht aufregen‘, ermahnte er sich, ‚es bringt nichts, außer, dass sie mich noch mehr triezen.‘ Er zog sein Handy hervor und machte ein paar Bilder, auf denen die lehmigen Schuhabdrücke, aber vor allem die noch feucht glänzende Fläche gut zu erkennen waren. Erst dann machte er sich daran, die Sauerei wieder zu beseitigen. Zum Glück war die Nachtschicht gleich darauf zu Ende und es winkten zwei freie Tage, von denen er die meiste Zeit bei Stan zu verbringen gedachte. Kapitel 23: Demolition man -------------------------- 023) Demolition man In ihrer Wohnung angekommen warf Dean einen kurzen Blick auf den Kalender, der am Kühlschrank klebte. Sam hatte heute seinen ersten Termin bei Prof. Davenport. Kurz blitzte der Gedanke auf, dass er den Professor mal fragen könnte, wie er sich wehren konnte und ob es überhaupt Sinn machte. Doch um einen Termin zu bekommen müsste er wohl Sam von seinem Dilemma erzählen und das wollte er einfach nicht. Einerseits wollte er nicht auch noch vor Sam als der letzte Verlierer dastehen, als der er sich sah, andererseits wollte er Sam kein schlechtes Gewissen machen, denn das hätte er schon alleine, weil es sein Studium war, dass sie hierher geführt hatte. Sein Studium, auf das er sich so sehr freute und das in zwei Wochen beginnen würde. Nein. Da musste er alleine durch! Außerdem war heute Sams erster Termin und da konnte er doch nicht gleich mit so einer Frage kommen, oder? Für morgen Nachmittag hatte Sam Schwimmen eingetragen. Dean nickte. Das klang gut. Halbwegs ausgeschlafen machte Dean sich ein paar Sandwiches, die er unterwegs essen konnte und fuhr zu Stan. Er fand es immer noch erstaunlich, wie gut er sich an die Wohnung gewöhnt hatte, wie gut er mit dem Wissen, dass Sam nebenan war, schlafen konnte. Da half ihm wohl wirklich die Zeit bei Bobby und in Tea, in der er sich daran gewöhnt hatte, dass Sam nicht im selben Raum lag. Wenigstens etwas, das hier mal klappte. „Hey“, begrüßte ihn der alte Mann. „Hast du schon gegessen? Ich wollte mir was machen.“ „Danke, ich hatte gerade ein paar Sandwiches“, erwiderte Dean. „Und davon wirst du satt?“ „Für eine Weile reicht es“, grinste Dean. „Wir kochen abends, oder wir holen uns was.“ Diese Essen mit Sam, waren ihm heilig. Solange sie zusammenwohnten, wollte er die Zeit mit seinem kleinen Bruder genießen. Wer wusste schon wo das Leben sie noch hinführen würde. „Was hast du für mich?“, fragte er. „Ich habe einen Ford Pickup in der Halle. Die Bremsen und ein Ölwechsel. Wenn du willst ...“ „Klar“, nickte Dean. Er zog sich um und ging zur Halle hinüber. Stan hatte schon ein Rad abgebaut und auf der Werkbank lag ein Satz neue Bremsen. Er nahm das Radkreuz und machte sich daran auch das zweite Vorderrad zu lösen. Die Schrauben waren angerostet und er musste sich mit seiner ganzen Kraft gegen das Radkreuz werfen, um sie zu lösen. Gegenüber den Bremsen jedoch waren diese Schrauben harmlos. Nachdem er sich zweimal hintereinander den Finger geklemmt hatte, weil er abgerutscht war, holte er sich einen Vorschlaghammer und drosch auf den Bremssattel ein. Die ganze Wut, die sich in den letzten Tagen aufgestaut hatte, seine Enttäuschung über die Wache und die Kameraden legte er in die Schläge und er hörte auch nicht auf, als sich die Bremse gelöst hatte. Erst als Stan ihm eine Hand auf die Schulter legte, sah er auf. „Es reicht Dean. Noch loser geht nicht.“ Er nahm ihm den Hammer aus der Hand und stellte ihn weg. „Man kann auch zu viel zerstören.“ „Ich wollte nicht … ich ...“ Dean schluckte und sah so verzweifelt aus, dass Stan ihm die Hand auf den Arm legte. „Nicht, Dean. Noch nicht.“ Er ging zu einem Schrank und holte eine Flasche und zwei Becher hervor. In jeden davon goss er etwas und reichte einen Becher an Dean weiter. Der Winchester seufzte. Er setzte sich auf die Werkbank und nahm einen Schluck. Whiskey. „Wir sollten reden. Ich hab da auch noch was auf dem Herzen“, sagte Stan. „Vielleicht können wir uns ja gegenseitig helfen.“ Eine Weile starrte Dean in die goldgelbe Flüssigkeit. „Was hast du?“, fragte er nach einem weiteren Schluck. „Es ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt und ich kann mich auch irren, aber du siehst nicht gerade glücklich aus ...“ „Es ist ...“ Dean atmete tief durch. „Ich … Die Wache auf der ich bin ist, gelinde gesagt, das Letzte. Der Batallion-Chief lässt seine Wut an mir aus, weil er seinen Wunschkandidaten nicht bekommen hat. Das lässt er mich spüren, wo immer es geht. Ich denke, er will, dass ich aufgebe und ich muss gestehen, dass ich das auch schon getan hätte, wenn … Ich … Feuerwehrmann zu sein, war mein Traumberuf. Ich hätte nie gedacht jemals überhaupt nur in die Nähe einer Feuerwache zu kommen und dann ergab sie diese Chance. Ich habe eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht und dann zum Feuerwehrmann. Aber jetzt, in dieser Wache, mit diesen … Kameraden ...“ Mit hängenden Schultern brach er ab. „Warum suchst du dir keine andere Wache? Warum lässt du dich nicht versetzen?“ „Ich bin Anwärter. Das letzte Glied in der Kette. Ich hab zu machen, was man mir sagt. Ich kann nicht wechseln solange ich Anwärter bin! Selbst wenn … es müsste eine Wache geben, zu der ich gehen könnte, die mich nehmen , haben, wollte und mein Chief müsste dem zustimmen. Das, diesen Gefallen würde er mir nie tun, nicht mal wenn er seinen Wunschkandidaten dafür kriegen würde. Der will mich aus der Feuerwehr haben, warum auch immer.“ „Und umziehen ist keine Option?“ „Nein! Sam wird hier studieren. Es ist sowas wie seine allerletzte Chance.“ „Sam ist erwachsen, genau wie du auch!“ „Sam ist meine Familie. Wir haben nur uns. Ich ...“ Dean schüttelte den Kopf. „Dann rede mit ihm!“ „Ich bin der große Bruder! Er wollte solange er denken kann Jura studieren. Jetzt hat er genau diesen Studienplatz. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht oder Schuldgefühle hat, weil ich wegen ihm hier bin. Nein! Er ist glücklich und wenn er es ist, bin ich es auch!“ „Das ist eine ziemlich verquere Philosophie!“ „Ich weiß. Aber es ist die einzige, die ich habe. Jede andere funktioniert auf Dauer nicht.“ „Und wenn du dir eine Stelle als Rettungssanitäter suchst?“ „Da wäre ich auch auf einer Wache stationiert und wer respektiert schon einen, der aufgegeben hat?“ Wieder schüttelte der den Kopf. „Da muss ich alleine durch. Entweder ich schaffe es, oder ich finde eine Alternative, von der ich noch nicht weiß, wie die aussehen soll.“ „Sam und du ..“, begann Stan doch Dean würgte ihn ab. „Ich weiß, wie das klingt, aber wir hatten immer nur uns. Sammy musste auf so vieles verzichten, weil unser … Vater … Weil nie genug Geld da war. Wir sind ständig umgezogen und jetzt will ich ihm einfach die Sicherheit bieten, die er braucht. Er soll seinen Traum wahr werden lassen können.“ „Auch wenn du daran kaputt gehst? Denkst du, dass würde Sam wollen?“ Darauf bekam Stan von Dean keine Antwort, doch sein Blick sprach Bände. Natürlich würde Sam das nicht wollen, aber was dann? Könnte er mit der Konsequenz leben? Nein! Das musste er selbst klären! „Vielleicht habe ich die Alternative. Keine umwerfende und wohl auch keine, bei der man reich wird, aber … Meine Tochter wohnt in Florida und sie schwärmt schon seit Jahren wie schön es da ist und dass ich zu ihr kommen soll. Ich habe mich endlich entschieden. In einem Jahr werde ich zu ihr ziehen. Dann kann ich den Sommer noch hier verbringen und mich danach langsam an die heißen Temperaturen da gewöhnen. Doch zu meiner Alternative oder Frage oder ... Willst du den Schrottplatz übernehmen? Ich will nicht viel dafür, er ist auch nichts wert. Aber du bist jung und wenn du es richtig aufziehst …? Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Irgendwann haben die Menschen wieder Geld.“ Dean starrte Stan an. Fast wäre ihm sein Becher aus der Hand gerutscht, also stellte er ihn auf die Werkbank. Er schluckte. „Du willst mir den Schrottplatz …?“ „Du bist der einzige, dem ich zutraue das hier nicht ganz vor die Hunde gehen zu lassen. Ich will nicht viel dafür. Du könntest mir eine kleine Rente zahlen, wenn du das Geld jetzt nicht hast. Denk darüber nach, okay? Und sieh es als Alternative, wenn du es auf deiner Wache nicht mehr aushältst.“ „Das ist … ich bin … Danke!“, erwiderte Dean gerührt. Das wäre wirklich ein Ausweg. „Ich denke darüber nach“, versprach er. „Danke Stan!“ Er rutschte von der Werkbank herunter und nahm eine Bremse. „Ich lasse sie ganz“, versprach er und begann sie einzubauen. Stan nickte lächelnd. Er hatte keine Absage erhalten. Jetzt hoffte er, dass sich Dean schnell entschied, denn er musste ihm noch viel über den ganzen Papierkram und den Kampf mit den Ämtern erklären. Aber darüber würde er nicht heute reden und auch nicht darüber nachdenken! Zurück in ihrem Zimmer musste Dean sich sputen, um pünktlich mit dem Essen fertig zu werden, bevor Sam kam. Er hatte schnell geduscht und hantierte jetzt, leise pfeifend, mit den Töpfen. „Hm“ Sam schnupperte in den Raum, kaum dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Was gibt’s Leckeres?“ „T-bone-Steaks, Kartoffelecken und Salat“, antwortete Dean. „Kannst dich schon setzen, ich bin gleich fertig.“ Das ließ sich der nicht zweimal sagen. Er hängte seine Jacke weg und plumpste auf einen Stuhl. Inzwischen hatte Dean das Essen verteilt. „Wieso hast du so gute Laune?“, wollte Sam verwundert wissen. „Gab´s einen Großbrand?“ „Nee. Zum Glück für alle, die betroffen wären, nicht.“ Er schob sich ein großes Stück Fleisch in den Mund und kaute, während er überlegte, ob er Sam das mit dem Schrottplatz schon erzählen sollte. Eigentlich wollte er sich erstmal selbst klar werden, was er wollte. Sich so unvorbereitet gegen Sams Argumente verteidigen zu müssen war selten eine gute Idee und jetzt bestimmt noch weniger. „Ich hab zwei Tage frei und konnte mich heute bei Stan auslassen“, erwiderte er stattdessen. „Habt ihr immer noch so wenig zu tun?“ „Viel ist es nicht. Hin und wieder ein Unfall, aber bisher nie sehr schwer, also mussten wir meistens nur das Öl von der Straße kehren.“ „Öl kehren?“ „Über die Ölspur kommt Katzenstreu und das wird weg gekehrt. Das Zeug wirkt Wunder!“ Nach dem Essen machten sich es sich vor dem Fernseher gemütlich. Am nächsten Morgen konnte Dean ausschlafen. Er fuhr einkaufen und versuchte danach im Internet Informationen über das Führen eines Unternehmens und Vorschriften für das Betreiben eines Schrottplatzes zu finden. Viel trug er jedoch nicht zusammen bis Sam von seinem Supermarkt-Job wieder da war. „Können wir gleich los, oder willst du vorher noch irgendwo essen?“, fragte Sam und drückte seinem Bruder einen Brief in die Hand. Er packte die Schwimmsachen in seinen Rucksack. „Lass uns gleich fahren. Essen können wir besser danach“, erwiderte Dean und riss den Brief auf. Es war die Bestätigung für den Rüstgruppenlehrgang. Jetzt hatte er auch dafür endlich einen Termin. Manchmal kam alles auf einmal. „Die Bestätigung des Lehrgangs für die Rüstgruppe“, sagte Dean, als er Sams langen Hals sah. „Der ist im Januar, vier Wochen.“ „Und wo?“, wollte Sam wissen. Sein Bruder hatte ihm schon während seines Lehrganges davon vorgeschwärmt. Diesen kompakten Lehrgang bekamen nur die Besten jedes Jahrgangs angeboten und so technikaffin wie Dean war, konnte er sich das nicht entgehen lassen. „In Jackson, Mississippi. Wie wir da tauchen lernen sollen, ist mir allerdings ein Rätsel“, sagte er. Er legte den Brief auf die Anrichte und warf sich seinen Rucksack mit den Schwimmsachen über die Schulter. In der Schwimmhalle trafen sie sich, wie inzwischen mindestens einmal im Monat, mit Chris und Mac. „Hast du wegen des Lehrganges für die Rüstgruppe auch Post bekommen?“, fragte Chris schon am Eingang. „Habe ich“, erwiderte Dean. „Dann fahren wir zusammen?“ Chris war regelrecht aus den Häuschen. „Sieht so aus, dass ich mir wieder ein Zimmer mit dir teilen muss“, erklärte Dean ernst. „Besser mit mir, als mit einem Fremden. Meine Gewohnheiten kennst du wenigstens schon.“ „Auch wieder wahr.“ „Und wie geht es dir sonst?“, wollte der Freund wissen, als sie aus den Umkleidekabinen kamen. Vielleicht hatte er ja Glück und Dean erzählte dieses Mal etwas über diese Wache, über die so viele negative Gerüchte im Umlauf waren. „Ich … Ich bin okay“, erklärte Dean ruhig und war froh, dass Chris ihn lange nicht so gut kannte wie Sam und dass der gerade zum Duschen gegangen war. Sammy hätte genau gewusst, dass er log. „Lass uns irgendwann in Ruhe reden“, bat er leise. Chris musterte ihn eindringlich, nickte dann aber. Kapitel 24: Die Gelegenheit --------------------------- 024) Die Gelegenheit „Stan hat mir angeboten, dass ich den Schrottplatz übernehmen könnte. Er will sich zur Ruhe setzen und nach Florida ziehen. Er hat mich gestern gefragt“, ließ Dean die Bombe platzen, während sie in einer Pause zusammenstanden. „Du bist Feuerwehrmann! Wie willst du da auf einem Schrottplatz arbeiten?“, fragte Sam überrascht, dass Dean überhaupt darüber nachzudenken schien. „Bloomington muss sparen und will einige Feuerwachen zusammenlegen. Außerdem denken sie darüber nach, die komplette Feuerwehr auf 24-Stunden-Schichten umstellen“, erzählte Chris. „In etlichen anderen Städten machen sie das schon länger und es funktioniert super. Wir verdienen dann zwar weniger, weil wir weniger Stunden im Monat arbeiten, aber sie müssen keine Feuerwehrleute entlassen.“ Das hatte sein Chief bei einer Besprechung in seiner Wache erklärt. „Wie sollten 24-Stunden-Schichten für die Arbeit auf einem Schrottplatz gut sein?“, wollte Sam wissen. „Weil wir 24 Stunden Dienst haben und dann 48 Stunden frei. Und weil wir dann einen Nebenbei-Verdienst gut brauchen könnten.“ „Weißt du zufällig auch wann die hier damit anfangen und ob die 39 auch umgestellt oder vielleicht geschlossen wird?“, wollte Dean wissen und hoffte, dass er nicht zu hoffnungsvoll klang. Grady hatte über eine Schichtplanänderung noch nichts verlauten lassen. Zumindest ihm gegenüber nicht, aber das hieß ja nicht, dass auch die Anderen es noch nicht wussten. „Keine Ahnung wann die starten wollen. Das Ganze ist im Moment wohl mehr Gerücht als Wahrheit. So wie Chief Miller erklärte, sollen die Wachen, die bestehen bleiben, erst umgebaut werden. Tut mir leid“, sagte Chris. Er vermutete, dass Dean gerne auf eine andere Wache wechseln würde. So wie das vorhin geklungen hatte, fühlte der sich da wohl nicht wirklich wohl, auch wenn er sich nie darüber aussprach und er wollte nicht tiefer bohren, solange der Freund es nicht direkt ansprach. „Lasst uns noch eine Runde schwimmen gehen“, schlug Dean vor, ging zum Beckenrand und sprang mit einem eleganten Kopfsprung ins Wasser. „Warum hast du nichts von Stans Angebot gesagt?“, fragte Sam auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung. „Er hat es mir gestern angeboten und ich wollte erstmal eine Nacht darüber schlafen und nachdenken, ob es überhaupt eine Option wäre, bevor ich es dir sage.“ „Ist es eine Option?“ Dean schaute zu seinem Bruder. „Ich weiß nicht. Das Angebot klingt verlockend. Autos restaurieren klingt verlockend, aber bei meinem Schichtplan ist es nicht wirklich sinnvoll. Wenn Chris allerdings Recht hat und sie alle Wachen auf diese 24-Stunden-Dienste umstellen ...“ Er ließ den Rest des Satzes offen. Sam konnte es sich auch so gut denken. „Hast du denn Ahnung? Vom Restaurieren ja, klar. Vom Reparieren auch. Ich meine eher das Finanzielle.“ „Ich wollte Stan bitten, es mir zu erklären. Egal, ob ich den Schrottplatz übernehme oder nicht. Wissen kann nie schaden.“ „Das hast du definitiv früher anders gesehen“, lachte Sam. „Wissen war nur gut, wenn es der Jagd half.“ „Früher war auch nur wichtig wie ich dich schützen konnte und wie wir das Monster am schnellsten ausschalten. Ein richtiges Leben, selbst so wie Bobbys, stand nie zur Debatte.“ „Schon traurig, oder?“ „Im Nachhinein? Ja. Damals hätte ich mir nichts anderes vorstellen können.“ In dieser Nacht lag Dean länger wach. Der Schrottplatz, die neue Schichtregelung, Wache 39 und der Lehrgang wirbelten in seinem Kopf durcheinander. Was sollte er tun? Die neue Schichtregelung kam dem Restaurieren von Autos entgegen, was für den Schrottplatz sprach. Doch wer wusste schon wann die 39 diese Regelung übernahm? Wenn überhaupt. War er dann noch da? Hielt er es überhaupt bis zum Ende seiner Anwärterzeit da aus? Zurzeit missbrauchten sie ihn nur als Koch und zum Putzen. Damit konnte er ja noch irgendwie umgehen, auch damit, dass keiner wirklich mit ihm redete. Dass er jedoch bei den Einsätzen meistens nur zuschaute, fraß an ihm. Er hatte gerade mal vier Monate geschafft und hoffte jeden Tag nur, dass die freien Tage schnell kamen und nicht so schnell vergingen, wenn er endlich einen hatte. Das war doch auf Dauer kein Leben. So würde er nie ein guter Feuerwehrmann werden. Konnte er es überhaupt noch? Irgendwann fällte er eine Entscheidung. Er würde den Lehrgang mitmachen. Sam hatte ihm damals sofort dazu geraten, als er ihm von dieser Option erzählt hatte und ihn nur darin bestätigt, denn er wollte es auch. Außerdem war der Lehrgang eh schon bezahlt und auf den freute er sich schon seit der Anmeldung. Sollten sie ihn auf der 39 dann immer noch genauso behandeln wie jetzt, würde er kündigen. Das musste er sich nicht geben. Mit Stan wollte er reden und ihn fragen, ob er mit seiner Entscheidung bis Februar warten konnte und ob er ihm trotzdem das Finanzielle und das Steuerliche zeigen könnte. Diese Entscheidung brachte seine kreisenden Gedanken endlich zur Ruhe und er schlief ein. „Rüstgruppe?“, fragte Bataillon-Chief Grady abschätzig. „Was wollen Sie bei der Rüstgruppe? Sie können weder mit einem Spreizer umgehen noch Schlauchkupplungen richtig verbinden! Das ich Sie hier behalte, ist reine Freundlichkeit! Sie sollten besser komplett bei Mob und Kochlöffel bleiben! Da können Sie wenigstens kaum etwas falsch machen!“ Abschätzig musterte er Dean. „Wenn Sie trotzdem unbedingt zu diesem Lehrgang wollen, dann arbeiten Sie die Zeit raus. ICH werde Sie auf keinen Fall für einen Sinnlos-Lehrgang freistellen! Wäre ja noch schöner!“ „Dann arbeite ich die Tage raus“, erklärte Dean ruhig. „Ich kann eine Tagschicht dranhängen und einen Tag eher aus der Nachtschicht kommen.“ „Ach guck! Sie können also doch Ihre Freizeit opfern?“ Dean schob die Gedanken, dass sein Problem nur die Wache war, nicht die Freizeit, und die Frage, ob das überhaupt legal war, beiseite, nicht dass er ihn aussprach und antwortete: „Für den Lehrgang opfere ich die Freizeit!“ Battalion Chief Grady schnaubte. „Wie Sie wollen. Ich ändere den Dienstplan.“ „Danke, Sir“, sagte Dean und verließ das Büro. Drei Tage später gab es im Einzugsbereich von Wache 39 einen Unfall in einem Altöllager. Ein Arbeiter erlitt einen Herzinfarkt, während er mit seinem Stapler eine Palette mit vollen Altölfässern umsetzte. Der Stapler fuhr ungebremst in die, auf dem Platz gelagerten, Fässer und löste einen Domino-Effekt aus, bevor er zum Stehen kam. Etliche Fässer kippten um und nicht wenige davon schlugen leck. Das Öl verteilte sich großflächig über den Platz. Den ganzen Tag schaufelten die Feuerwehrmänner Sand in Säcke, um Barrieren zu errichten und verteilten Granulat und Matten, um das Öl zu binden. Erschöpft kamen sie zurück in die Wache und jeder war froh, über die heiße Dusche. Jeder, nur Dean nicht. Er hatte seine erste Doppelschicht vor sich und das heute! Er hatte das Glück echt gepachtet! Morgen war Sammys erster Studientag. Wie gerne hätte er ihn heute von seinen Grübeleien abgelenkt. Eine Runde Minigolf oder Schwimmen. Aber nein. Grady schien einen siebten Sinn dafür zu haben, ihn einzuteilen, wenn es ihm am Wenigsten passte. Vielleicht hatte er ja wenigstens ein bisschen Glück und konnte sich gleich noch ein paar Stunden ausruhen, damit er morgen früh mit Sam frühstücken und ihm viel Glück wünschen konnte. Er kam gerade aus der Dusche und Battalion Chief Grady schien ihn schon erwartet zu haben. „Nicht, dass Sie sich langweilen, während dieser Schicht. Ich will, dass morgen früh nichts mehr von der Sauerei hier zu sehen ist! Duschen, Einsatzwagen! Ich will das alles blitzt und blinkt. Ich komme morgen früh her und kontrolliere es. Sollte ich einen Fleck finden, streiche ich die Stunden!“ Dean starrte ihn an und überlegte, ob er das gerade richtig verstanden hatte, dann nickte er nur und holte sich die Putzmittel. Eine Stunde später war er mit der erste Dusche fertig. Lt. Pratt betrat den Waschraum als Dean begann die zweite Dusche einzusprühen. „Wieso machen Sie das und keine Reinigungsfirma? Für solche Einsätze haben wir doch jemanden“, warf er in den Raum. Dean musterte ihn fragend. Hatte der das jetzt wirklich ernst gemeint? Wortlos drehte er sich wieder um. Er hatte den Befehl zum Putzen, also würde er es tun. „Grady?“, stellte Pratt resigniert fest und nickte kurz. „Er mag Sie nicht.“ Er drehte sich um und verließ den Raum wieder. Kurz schaute Dean ihm nach, zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. In Gedanken fragte er sich schon, was das jetzt sollte. Hatten die in der zweite Schicht das noch nicht mitbekommen, wie Grady ihn behandelte? Eigentlich war das unmöglich, oder? Plötzlich öffnete sich die Tür wieder und zwei Feuerwehrmänner betraten den Raum. „Wir sollen helfen“, erklärte der eine und schaute sich um. „Wo sollen wir anfangen?“ „Ihr müsst nicht. Ich schaff das schon!“, wiegelte der Winchester ab und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Davon gehe ich aus. Ist aber egal. Also wo?“ Dean richtete sich auf, atmete kurz tief durch. „Sucht euch was aus, ich habe erst die eine Dusche fertig“, sagte er dann nur. „Alles klar. Willcocks, hol dir ein paar Säcke und schaff die öligen Klamotten raus. Ich fange mit den Waschbecken an.“ Der Angesprochene lief los. „Ich bin übrigens Everwood, Ted“, stellte sich der zweite Helfer vor. „Dean Winchester.“ Sie nickten sich grüßend zu, dann war nur noch das Schrubben zu hören. Zu dritt schafften sie den Duschraum in null Komma nichts. Gerade als Willcocks noch einmal alles durchspülte, kam der Lieutenant zu ihnen. „Wir wollen Pizza bestellen. Was wollt ihr?“ „Ich muss noch den ...“, begann Dean. „Die Drehleiter glänzt schon“, winkte Pratt ab. Zum ersten Mal seit er hier angefangen hatte, huschte ein Lächeln über Deans Gesicht. „Danke“, wisperte er fast lautlos. Er schluckte. „Aber ich hätte das auch alleine ..“ „Das ist mir schon klar. Das ist nur nicht meine Art und die meiner Männer auch nicht! Es ist Gradys Art und er zieht Männer an, die genauso sind wie er. Leider! Aber er ist der Schwager des Deputy Chiefs und Schwiegersohn des ehemaligen First Chiefs und hat deshalb Narrenfreiheit. Keiner will sich mit ihm anlegen, solange ihm nichts direkt nachzuweisen ist.“ Er schaute Dean bedauernd an und zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, aber keiner lässt sich auf einen Prozess gegen ihn ein, wenn Aussage gegen Aussage steht.“ Dean erwiderte nichts. Er ging in die Garage und schlich einmal um die Drehleiter, bevor er die Putzsachen wegräumte. Die Männer warfen sich nur wissende Blicke zu. Jeder von ihnen hatte die eine oder andere Schicht bei Grady durchstehen müssen und kannte seine kleinen Gemeinheiten. Sie konnten ihn verstehen. Die Pizzen kamen und Dean genoss zum ersten Mal, das gemeinsame Essen einer Feuerwehreinheit, die Frotzeleien untereinander und die entspannte Ruhe. Schnell fielen ihm die Augen zu. Bevor er richtig einschlief, räumte er sein Besteck weg und ging nach oben in den Ruheraum. Lt. Pratt schaute ihm grübelnd hinterher. „Fällt uns dazu nichts ein?“, wollte Everwood leise wissen. „Zurzeit nicht, leider, ohne dass ich einen von euch diese Piranhas zum Opfer werfe“, erwiderte der Lieutenant. „Aber ich bin für jeden Vorschlag offen!“ Das Klingeln des Weckers schlich sich in Sams Traum. Noch während des Aufwachens überlegte er, warum der Impala plötzlich wie sein Handy klang. Er schlug die Augen auf und brauchte etwas, um sie zurecht zu finden. Am Liebsten wollte er weiterschlafen. ‚So ein Quatsch‘, schalt er sich in Gedanken. Gut! Er hatte sich die halbe Nacht von links nach rechts und wieder zurückgedreht, weil ihm so vieles durch den Kopf spukte. Eigentlich war das ja vollkommen untypisch für ihn. Aber vielleicht war es auch die Freude, dass er sich endlich seinen Traum erfüllen konnte. Sein erster Tag als Student! Naja eigentlich ja nicht. Aber irgendwie schon. Und dieses Mal standen die Chancen sogar richtig gut, dass er das Studium auch beenden würde. Er stand auf und ging ins Bad. Auf dem Weg warf er einen Blick in Deans Zimmer, doch sein Bruder war noch nicht da. Schade! Gerade heute hatte er darauf gehofft, dass Dean schon hier wäre, wenn er aufstand und vielleicht sogar mit ihm einen Kaffee trinken zu können, doch leider hatte Dean heute seine erste lange Schicht für den Lehrgang und war noch nicht wieder zurück. Kapitel 25: let´s get rock -------------------------- 025 let´s get rock Bataillon Chief Grady war natürlich noch vor Deans Dienstschluss wieder auf der Wache und sichtlich schlechter Laune. Niemand wollte jedoch Öl ins Feuer schütten und ihn nach dem Grund fragen. Dean kochte gerade Kaffee und war sehr beschäftigt damit, die Löffel zu zählen, die er in den Filter schaufelte. Grady untersuchte den Wagen und den Waschraum peinlichst genau. Zu seinem Verdruss fand er nicht den kleinsten Fleck, den er beanstanden könnte, ohne dass es auf ihn zurückfallen würde. Zähneknirschend erkannte er Deans Stunden an. „Ihre nächste Schicht ist heute Abend. Ich werde überprüfen, ob Sie pünktlich sind!“ „Natürlich, Sir“, erwiderte Dean. Grady verließ die Wache wieder und Dean konnte nun endlich auch Feierabend machen, sogar fast pünktlich. Die erste von 21 Zusatzschichten hatte er geschafft. Auf dem Weg ins Motel hielt er an einer Bäckerei und kaufte für Sam ein paar Sandwiches und einen Müsli to go Becher für sein Lunchpaket. Er hätte ihm zwar lieber selbst eins gemacht, aber dafür würde die Zeit nicht reichen. Er musste sich ja so schon beeilen, um Sam überhaupt noch zu erwischen. Sam ging zur Küchenzeile, um sich einen heißen Wachmacher zu kochen. Den würde er heute auf jeden Fall brauchen. Während das Wasser durch das Pulver in die Kanne tröpfelte, verschwand er im Bad und machte sich fertig. Gerade als er frisch rasiert wieder in ihren Wohnraum kam, trat Dean durch die Wohnungstür. „Da komme ich ja gerade richtig“, stellte der fest. Er hob schnuppernd die Nase. „Hast du auch einen für mich?“ Ein Lächeln zierte sein müdes Gesicht. „Kaffee vor dem Schlafen?“, fragte Sam skeptisch und füllte eine zweite Tasse. „Hab mal gelesen, dass Kaffee in den ersten 20 Minuten müde macht und man besser einschlafen kann“, erwiderte Dean gähnend. „Ich glaube du brauchst keinen Kaffee, um einschlafen zu können. Du schläfst ja schon fast im Stehen!“ „Ein kurzes Frühstück mit dir werde ich noch überstehen“, grinste Dean und zog den Müslibecher aus der Tüte. „Ich hab keinen Hunger!“, protestierte Sam. „Genau das habe ich erwartet. Du musst was essen! Also setze dich hin und iss!“ Sam wollte erneut protestieren, doch sein Bruder hatte an ihn gedacht. Er hatte Frühstück besorgt und sich beeilt, um ihn noch zu erreichen. Es wäre ihm gegenüber undankbar, wenn er jetzt nicht wenigstens versuchen würde etwas zu essen. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, nahm den Löffel und versuchte einen kleinen Bissen. Dean grinste. Ging doch! Das Müsli schmeckte erstaunlich gut. Das sollte er sich merken! „Jetzt muss ich aber“, sagte er, kaum dass der Becher leer war. Dean stellte die Lunchtüte auf den Tisch, schob sie zu Sam. „Viel Spaß! Ich mach das hier und leg mich dann hin.“ „Okay“, erwiderte Sam, nahm die Tüte und stutzte. Auf der Tüte prangte ein großer, breit grinsender Smiley. „Danke!“ Sein Lächeln wurde fast genauso breit wie der des Smileys. Er fühlte, wie sich die gute Laune in seinem Inneren ausbreitete. Entspannt fuhr er zur Uni Erst als er das Gebäude der Juristischen Fakultät betrat, stieg seine Nervosität wieder. Oder war es Vorfreude? Endlich ging es los. Endlich begann das Studium für den Beruf, den er schon immer ergreifen wollte! Er ging in den Hörsaal und suchte sich einen Platz in einer der hinteren Reihen. Noch hatte er genügend Zeit sich umzusehen und die Studenten zu beobachten, die nach ihm kamen, sich genauso suchend umschauten wie er und sich dann einen Platz suchten. Manche fanden auch bekannte Gesichter und gingen zu ihnen, um sie zu begrüßen und sich zu ihnen zu setzen. Minuten später wurde ihm das allerdings schon langweilig. Außerdem konnte er sich nur zu gut daran erinnern, wie blöd er es fand, von allen angestarrt zu werden. Er nahm sich ein Lehrbuch, suchte sich wahllos ein Kapitel und begann zu lesen. „Spät entschlossen oder mangelndes Kapital?“, wurde er aus seiner Lektüre gerissen. Er schaute auf. Neben ihm stand ein junger Mann mit einem offenen, breiten Lächeln. Sam musste nicht lange überlegen, bevor er antwortete: „Ein bisschen von Beidem.“ „Genau wie bei mir“, sagte der fröhlich. „Ich bin übrigens Tylor Lane.“ „Sam Winchester“ Tylor ließ sich neben Sam nieder, packte seinen Laptop aus und wollte gerade beginnen seinen Nachbarn auszufragen, als der Professor den Raum betrat. Er musterte seine neuen Studenten. Sein Blick blieb an Sam und Tylor hängen. „Hat das einen Grund, dass sie so weit hinten sitzen?“ Sam sah erst jetzt, dass vor ihnen eine ganze Reihe frei war. „Ich wollte niemandem die Sicht versperren“, erklärte er ruhig. „Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen. Solange Sie im Gerichtssaal nicht auch so nett sind … Ich würde Sie bitten, in der nächsten Vorlesung doch aufzuschließen. Und wenn die Damen und Herren hinter Ihnen dann ihrem Beispiel folgen würden.“ Einige der vorn sitzenden Studenten drehten sich um und kicherten leise, doch das überging der Professor und begann mit seiner Vorlesung über Rechtsgeschichte und Gewohnheitsrecht. Erst in der Pause hatten Sam und Tylor Gelegenheit sich eingehender zu unterhalten. Sie suchten sich einen ruhigen Platz und Sam packte sein Lunchpaket aus. „Was ist das denn?“, wollte Tylor wissen und deutete auf den Smiley. „Liebesbezeugung deiner Freundin?“ Sam schüttelte den Kopf. „Von meinem Bruder.“ „Dein Bruder macht dir Lunchpakete? So ´nen kleinen Bruder will ich auch! Wie alt ist der? Kann ich mir den mal ausborgen?“ Amüsiert schaute Sam sein Gegenüber an. „Dean ist zwar kleiner als ich, aber vier Jahre älter und nein! Den leihe ich nicht aus!“ „Dein GROSSER Bruder macht dir Lunchpakete?“, wollte Tyler staunend wissen. „Hmhm. Das ist seine Art mir viel Glück zu wünschen.“ „Den will ich kennen lernen.“ „Warum nicht, irgendwann mal“, sagte Sam und biss in das Sandwich. „Hast du Geschwister?“ „Zwei große Schwestern. Beide verheiratet. Die eine hat einen Stall Kinder und lebt auf einer Ranch. Die andere würde da eine Krise kriegen. Sie ist in einer Werbeagentur.“ „Das sind ja echte Kontraste.“ „Was macht Dean? Hat er auch studiert? Und warum macht er dir Lunchpakete und nicht deine Mutter oder Frau/Freundin?“ „Frau/Freundin gibt es nicht. Dean ist Feuerwehrmann und meine Mom starb als ich ein Baby war.“ „Oh, entschuldige“, Tylor schaute bedauernd. „Ich wollte nicht taktlos sein, mit meiner Neugier.“ „Ist ewig her. Trotzdem schmerzt es schon irgendwie noch. Irgendwann erzähl ich dir vielleicht mal meine Lebensgeschichte. Irgendwann wenn ich dich besser kenne“, räumte Sam ein und Tylor nickte. Das fand er nur fair. Nach dem Lunch hatten sie noch eine Vorlesung über Vertragsrecht. Danach trennten sich ihre Wege, für diesen Tag, doch Sam war sich sicher, dass er in Tylor einen Freund finden würde und er wurde sich mit jedem Tag, der verging, sicherer. Auf dem Weg zurück in ihre Wohnung fuhr er an einer Bäckerei vorbei. Er hielt an und holte Apfelkuchen für seinen Bruder, so als kleines Dankeschön für die Lunchtüte. Vielleicht konnte er nachher ja noch mit ihm essen? Sein Blick wanderte zur Uhr. Wenn, dann sollte er sich beeilen und außerdem Essen mitbringen. Es war jetzt kurz vor vier und Dean musste um sechs beim Dienst sein. Wieso musste der die Zeit für den Lehrgang eigentlich rausarbeiten? War das bei der Feuerwehr üblich? Auch das würde er Dean mal fragen. Aber nicht heute. Mit Essen und Kuchen kam er genau in dem Augenblick durch die Wohnungstür, in dem Dean aus seinem Zimmer kam. Noch ziemlich verschlafen rieb er sich die Augen. „Hey“, grüßte Sam. „Ich habe Essen mitgebracht.“ Mal sehen, ob Dean schon aufnahmefähig war. Der Ältere nickte kurz und verschwand im Bad. Eine viertel Stunde später saßen sie am Tisch und ließen sich das Essen schmecken. „Wie war dein Tag? So schlimm wie befürchtet?“, fragte Dean. „Nein. Lange nicht. Er war gut und interessant und vielleicht habe ich auch einen Freund gefunden.“ Warm strahlte Dean seinen Bruder an. „Das klingt doch gut“, freute er sich für Sam. Sie leerten ihre Teller und dann musste Dean auch schon los. Sam räumte auf und begann danach mit seinen Hausaufgaben. Schnell spielte sich diese neue Routine ein. Dean hatte Dank seiner Zusatzschichten kaum noch Freizeit. Sam hatte seine Schichten im Supermarkt drastisch zusammengestrichen. Er war trotzdem gut ausgelastet. Die Professoren gaben ihnen jede Menge Hausarbeit. Doch heute hatte er weniger zu tun und so blieb ihm Zeit im Internet zu surfen. Schnell las er sich fest und registrierte nur am Rande, dass sein Bruder das Zimmer betrat. Der Artikel fesselte ihn viel zu sehr. Erst als Dean ihm die Hand auf die Schulter legte, schaute er auf. Dean grinste. Sammy hatte ihm nicht zugehört, also fragte er noch einmal: „Fahren wir essen oder soll ich was holen, dann kannst du in Ruhe weiter lernen.“ „Ich lerne nicht“, antwortete Sam etwas kleinlaut. „Ich hab hier ...“ Er drehte den Laptop zu Dean und zeigte auf einen Artikel. Dean ließ sich auf den zweiten Stuhl fallen und überflog den Text. Landstreicher übernachteten in einer Villa in Südwesten von Bloomington. Um Mitternacht schlugen plötzlich die Türen. Etwas jaulte durch die Gänge. Dielen knarrten. „Du willst jagen?“, fragte er überrascht. „Das steht heute in der Tageszeitung“, wehrte sich Sam. „Allerdings denke ich schon, dass wir uns das ansehen sollten. Übers Netzwerk oder über Bobby will ich das nicht geben. Einen anderen Jäger herholen finde ich etwas … naja, unter unserer Würde? Wir würden ja jede Glaubwürdigkeit verlieren“, gab Sam zu bedenken. „Meinst du nicht, dass wir jetzt schon zu eingerostet sind?“, fragte Dean. Immerhin war Sam vor fast einem Jahr zum letzten Mal jagen. Bei ihm selbst lag das noch viel weiter zurück. „Ich denke, es sind Geister. Das sollten wir gerade noch schaffen können“, lachte Sam. Dean legte den Kopf schief und musterte Sam. „Du hast schon recherchiert, oder?“ Sam starrte auf seine Hände und nickte. Dean atmete tief durch. So eine Jagd war keine so schlechte Idee. Jetzt, da er ein paar Schichten unter Lt. Pratt gearbeitet und erlebt hatte, wie Kameradschaft auf einer Wache aussehen konnte, machte das die Schichten bei Grady nur noch unerträglicher. Die Jagd würde ihm helfen Frust abzubauen. Er konnte ja nicht nur bei Stan auf alte Wracks einschlagen. Er nickte. „Dann erzähl mal“, bat er seinen Bruder. „Diese Villa wurde von einer Familie Wildenfels erbaut. Der alte Wildenfels, Jakob, war Bierbrauer und kam mit Anfang 20 um 1860 aus Deutschland. Er arbeitete eine Weile in einer Brauerei, bis er selbst eine gründete und später auch eine Glasfabrik eröffnete, die größtenteils die Flaschen für seine Brauerei lieferte. Sein Bier schmeckte, er wurde reich. Irgendwann, er muss schon Mitte 50 gewesen sein, heiratete er eine Tochter deutscher Einwanderer, ein ziemlich junges Mädchen. Sie bekamen vier Kinder. Für sie und die wachsende Familie ließ er die Villa bauen. Der alte Wildenfels war bis zu seinem Tod jeden Tag in der Brauerei. Eines Abends wurde er dort aufgehalten und kam später als sonst nach Hause. In der Eingangshalle muss er die Leichen seiner Frau und des Butlers gefunden haben. Daneben einen Fremden. Vermutlich einer der Einbrecher. Im Esszimmer hielten zwei weitere Einbrecher seine greise Schwiegermutter, die inzwischen auch in der Villa lebte, und drei Kinder in Schach. Wildenfels trug seit Beginn der Prohibition immer einen Revolver bei sich. Es ist wahrscheinlich, dass er sofort geschossen hat. Das, so vermutete man später, muss den ältesten Sohn ermutigt haben, seinem Vater zu helfen. Irgendwie bekam er wohl eine Schrotflinte zu fassen. Bei der nun folgenden Schießerei kamen alle, außer dem vierten Kind, einem kleinen Mädchen, ums Leben. Sie hatte sich im Uhrenkasten versteckt.“ „Sie hat einen auf „kleinstes Zicklein“ gemacht? Und?“ „Der Buchhalter suchte seinen Chef, nachdem der auch zwei Tage später nicht zur Arbeit kam. Er fand die Kleine vollkommen verstört inmitten des Massakers und nahm sie mit zu sich. Die Familie wurde auf dem Pleasant View Friedhof beigesetzt, die Leichen der Einbrecher wurden ihren Familien übergeben. Es waren Arbeiter der Brauerei, die Wildenfels während der Prohibition entlassen musste. Der Buchhalter, ein Mr. Knight, zog die Kleine, sie hieß Alma, auf. Sie heiratete später einen Braumeister und kehrte in die Villa zurück. Sie bekamen drei Kinder. Soweit ich bis jetzt herausfinden konnte, begannen die Geistergeschichten erst, als die Villa vor fünfzehn Jahren, nachdem der letzte Blutsverwandte des alten Wildenfels kinderlos verstarb, verkauft wurde. Seitdem ging sie von Hand zu Hand und steht seit fast fünf Jahren leer.“ Kapitel 26: Ghosts ------------------ 026 Ghosts Dean legte den Kopf schief. „Du denkst also, dass ein Wildenfels die Villa schützt und Fremde verjagt? Dann müssten wir nur alle Knochen verbrennen und es wäre Ruhe.“ „Es könnte auch der Butler sein oder Alma, vielleicht auch einer der Söhne?“, gab Sam zu bedenken. „Du willst es dir also auf jeden Fall anschauen“, überlegte Dean ruhig. Sam nickte. „Wann willst du los?“, fragte Dean nun. „Lass uns essen fahren und dann schauen wir uns das heute Nacht an. Oder musst du morgen früh arbeiten?“ „Ich muss erst zur Nachtschicht“, erklärte Dean leise. Ein trauriger Zug huschte über sein Gesicht und Sam hoffte, dass sich ja vielleicht heute eine Chance ergab, Dean zu fragen was los war. „Lass uns los“, sagte Dean und nahm seine Jacke. Sie holten die Schrotflinten aus dem hintersten Winkel der Kommode, packten die mit einer Packung Munition in den Rucksack und verließen ihre Wohnung. Langsam lenkte Dean den Wagen in die Auffahrt, die leicht geschwungen zum Haus führte. Sie hatten noch nicht einmal die Hälfte zurückgelegt, als ein kleines Häuschen im Licht der Scheinwerfer auftauchte. „Das hier?“, wollte Dean irritiert wissen. Ein wenig größer hätte er sich eine Villa dann aber doch vorgestellt. „Ich denke, das ist das Kutscherhaus“, erklärte Sam. „Kutscherhaus?“ „Gärtner, Kutscher oder Chauffeur, Mädchen für alles, was es ums Haus zu tun gab. Damals hatten reiche Menschen so etwas. Damals, als es noch keine Autos gab und man sich noch um die Pferde kümmern musste.“ „Okay“, überlegte Dean. „Ich glaube, dann würde ich lieber hinter Kühen her rennen, als einem Snob Haus und Hof instand zu halten.“ „Es war auch eine interessante Tätigkeit mit viele unterschiedlichen Bereichen.“ „Ist es das Leben als Cowboy auch und du bist freier.“ Sam nickte. Damit hatte sein Bruder Erfahrungen und er hatte es geliebt. Er warf einen kurzen Blick zu Dean, doch ihm blieb keine Zeit zu einer längeren Analyse. Dean ließ den Impala vor der breiten Treppe des Hauses ausrollen. „Das Ding ist … riesig.“ Dean starrte auf das Gebäude. „Was hast du dir denn vorgestellt?“, wollte Sam schmunzelnd wissen. „Keine Ahnung. Ein Haus das etwas größer ist als Bobbys? Jedenfalls kein Haus, das den Rockefellers gehört haben könnte. Hier kannst du die Waltons zweimal reinpacken und sie hätten noch Platz übrig.“ Sam nickte grinsend. „Lass uns mal nach den Geistern schauen.“ Dean nickte. Er stieg, gemeinsam mit Sam, aus und starrte auf die vom Mond beleuchtete Fassade. Die Hälfte der Fenster waren zerschlagen und überall gab es Risse und bröckelnden Putz. „Dafür, dass es nur ein paar Jahre leer stehen soll, ist es ganz schön runtergekommen“, stellte er fest. „Da hilft doch nur noch abreißen und dann hätte sich das Problem auch erledigt, oder auch nicht.“ Sam nickte. „Oder auch nicht“, wiederholte er ruhig. Langsam umrundeten sie das Haus. Auf der Rückseite gab es eine große Terrasse, die links und rechts von den Seitenflügeln eingefasst war. Aus einigen Fugen wuchsen schon Birken. Alles in Allem machte das ganze Anwesen einen verwahrlosten Eindruck. Nein, hier würde er nicht leben wollen, überlegte Sam und musste lachen, als Dean ein leises: „Da ist mir unsere kleine Wohnung aber hundertmal lieber!“, brummelte. „Das habe ich auch gerade gedacht!“ Sie beendeten ihre Runde. Problemlos knackte Sam das Schloss der Eingangstür. Wieso gab es das überhaupt noch? Und sie betraten das Haus. Im Erdgeschoss gab es zwei große Räume mit Kaminen und außerdem noch zwei große Räume, von denen einer eine fast leere Bibliothek war. Der andere ließ keinen Schluss auf seine Bestimmung zu. Vielleicht ein Esszimmer oder das Herrenzimmer? In den uralten Filmen, die sie als Kinder oft gesehen hatten, gab es sowas und die alten Männer zogen sich nach dem Essen immer dahin zurück. Durch die zerschlagenen, teils blinden Fenster konnte man in den Garten schauen. Sie gingen zurück in den Eingangsbereich. Eine geschwungene Treppe führten links auf eine Galerie im Obergeschoss, in dessen Räumen überall noch vergessene, verschlissene Möbel standen. Es roch nach Urin und Staub. „Fast wie bei ‚Im Winde verweht‘“, stellte Sam fest. „Meinst du, dass es da auch so gestunken hat?“ Dean grinste. „Das hoffe ich mal nicht!“, entgegnete Sam ein wenig angewidert. „Ganz ehrlich?“, begann Dean ruhig. „Lass uns das Ding mitsamt seinen Geistern anzünden. Das wird so eh niemand mehr aufbauen. Die Geister scheinen an das Haus gebunden zu sein und wenn es das Haus nicht mehr gibt, wird auch niemanden mehr hier wohnen wollen und sie werden verschwinden.“ „Und wenn das nicht so ist? Wenn die Geister bleiben? Wenn sie an das Grundstück gebunden sind?“ „Es gibt genügend Bauplätze in diesem Land!“ „Und wenn sie nicht mit dem Haus verschwinden? Sie werden uralt und unheimlich böse sein. Oder es ist nicht das Haus? Was wenn hier etwas anderes Böses haust?“ „Wenn es das ist, bringt uns eine Geistervernichtung auch nichts. Aber ich verstehe dich.“ Dean hob beschwichtigend seine Hände. „Wir gehen es wie einen echten Fall an. Wir werden das Haus untersuchen und vernichten die Geister und was immer sonst noch hier sein sollte. Nur nicht heute Nacht, denn ich bezweifle, dass wir das schaffen werden.“ Sam nickte. Er hatte das nicht nur so dahingesagt. Er wollte wenigstens einen Blick auf die Geister werfen, um feststellen zu können, wer sie waren und das Haus untersuchen. Und er wollte mit Dean reden. Der holte inzwischen sein EMF hervor, schaltete es ein und dann begannen sie eine weitere Tour durch das Haus. Lediglich im Erdgeschoss gab es Hinweise auf übernatürliche Aktivitäten, obwohl sich die Obdachlosen im ganzen Haus ausgebreitet hatten. Sam zuckte mit den Schultern, als Dean ihm das EMF zeigte. „Vielleicht sind die Geister nur unten, weil sie ja alle im Erdgeschoss starben?“ „Wäre eine Erklärung.“ Sie beendeten ihre Besichtigungstour, gingen zurück ins Erdgeschoss und machten es sich unter der Treppe so gemütlich wie es nur ging. „Den Gestank aus dem Keller habe ich immer noch in der Nase“, maulte Dean. Er schaute in die Dunkelheit. „Ob es den Geistern da unten auch zu sehr gestunken hat?“ Sam schnaubte amüsiert. „Wir werden unsere Kleidung wohl mehrfach waschen müssen, um das wieder rauszubekommen.“ Er atmete tief ein, schnaubte angewidert und ließ sich neben seinem Bruder nieder. Immer wieder strich der Wind durch die zerschlagenen Fenster. Es klang hohl und klagend. „Würdest du in so einem Haus wohnen wollen?“, fragte Sam in die Stille. Dean schaltete die Taschenlampe ein und musterte seinen Bruder in deren Schein. Wie kam der denn auf so eine Frage? „In so einem Haus, nein, ich glaube nicht.“ „Warum nicht?“ „Zu groß, zu weit ab vom Schuss“, erwiderte der Ältere und schnaubte angewidert. Es war viel zu dicht an der verhassten Wache. „Hmhm“, machte Sam und schwieg. „Darf ich dich was fragen?“, begann Sam leise und musterte seinen Bruder. Er hatte keine Ahnung, wie der reagieren würde. Dean schnaufte. Er ahnte was Sam wissen wollte und er hatte sich schon lange gefragt, wann Sam nachhaken würde. Blieb nur die Frage, ob er antworten oder ob er mit der Lüge weiterleben wollte. Aber vielleicht war es ja auch was ganz anderes? Er zuckte mit den Schultern und schaute zu Sam. „Was ist das mit deiner Wache?“, stellte Sam genau diese Frage. „Bitte erzähle mir nicht alles wäre in Ordnung. Ich kenne dich und ich merke dir an, wenn was nicht stimmt. Zuerst habe ich gedacht, dass du vielleicht gemerkt hast, dass das doch nicht das richtige für dich ist. Aber das kann es einfach nicht sein. Du warst während deines Lehrganges Feuer und Flamme. Du wusstest was auf dich zu kommt und hast dich auf die Arbeit gefreut. Aber seit du auf der Wache bist, erzählst du kaum ein Wort. Du wirkst so bedrückt. Ich weiß, es klingt kitschig, aber das Leuchten in deinen Augen, wenn es um die Feuerwehr ging, um deine Arbeit bei der Feuerwehr ist verschwunden. Manchmal hast du, wenn du zur Schicht musst einen Gesichtsausdruck als würde man dich zum Schafott führen. Das abstruse ist allerdings, dass seit du Extraschichten machst, du irgendwie ein klein bisschen weniger schlecht drauf zu sein scheinst. Schon seit Tagen grüble ich was der Grund dafür sein kann. Ich mache mir Sorgen um dich, Dean. Also bitte rede mit mir.“ „Ich ...“ begann Dean und brach ab. Er wollte Sam eine Abfuhr erteilen, aber warum? Warum sollte er noch länger lügen? Er trug sich doch schon so lange mit dem Gedanken, ihn von seiner Misere zu erzählen und er hatte ihn gebeten, zu fragen, wenn er meinte, etwas stimmte nicht und er nicht von selbst redete. Er schaute kurz zu Sam, dann starrte er wieder an die Wand gegenüber. „Diese Wache ist das Letzte! Der Batallion Chief hasst mich. Er wollte einen anderen Anwärter. Den hat ihm der neue First Chief aber nicht zugeteilt und ich bin jetzt ...“ Er atmete tief durch. „Grady, Miller, Coon und Web überbieten sich damit mich zu schikanieren und mich so dazu zu bringen aufzugeben.“ Wieder atmete er durch. „Ich habe keine Ahnung, wie lange ich das noch durchhalte. Ich meine, ich erwarte ja nicht, dass sie mich mögen und … Naja, beim Lehrgang hatten sie auch schon angedeutet, dass wir mit anfänglichen Schikanen und Streichen rechnen sollten, wenn wir als Neuling auf eine Wache kämen und am ersten Tag habe ich das auch noch geglaubt aber mittlerweile fühlt es sich wie Psychoterror an. Die wollen nur noch, dass ich aufgebe.“ „ Aber die auf der anderen Schicht behandeln dich besser. Oder?“, überlegte Sam laut. Dean nickte. „Da so ist wie ich es mir vorgestellt habe“, sein Blick suchte Sams, doch er konnte ihm nicht in die Augen schauen. Wie sehr musste der jetzt von ihm enttäuscht sein! Jetzt war es an Sam tief durchzuatmen. Mitleid würde Dean nicht wollen. Ach verdammt! „Kannst du auf eine andere Wache wechseln?“, fragte er ruhig. „Nur mit Gradys Erlaubnis.“ „Aber wenn er doch einen anderen Anwärter will, dann könnte er dich doch gegen ihn austauschen.“ Sam verdrehte die Augen. „Wie das klingt.“ „Wenn er das so wollte, hätte er es schon getan“, warf Dean ein und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ob auch der First Chief zustimmen muss ... Ich bin mir fast sicher, dass der will, dass ich aufgebe.“ „Und zum First Chief kannst du auch nicht gehen?“ „Der hat mich der Wache zugeteilt. Ich bin Anwärter. Das allerletzte Licht. Meinst du, der hört mir zu? Grady ist so eine Art Heiligtum der Feuerwehr hier.“ „Chris ist auch nur Anwärter. Der wird auch nicht helfen können, oder?“ „Nein.“ „Das war der Grund, warum du nach deiner Wache gefragt hast, als Chris vom Umbau der Wache gesprochen hatte?“ „Naja, vielleicht lösen sie die 39 ja auf?“ Sam schnaubte. „Wenn ich den Studienplatz hier nicht angenommen hätte … Wenn ich weiter nach einem anderen Platz gesucht hätte ...“ „Hör auf, Sammy. Das ist der Grund, warum ich nichts gesagt habe.“ Eine Weile musterte Sam seinen Bruder schweigend. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, wollte er dann wissen. „Keine Ahnung. Lenk mich ab, mach mich müde, sei glücklich!“ „Was hat das mit ...“, Sam schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Dean definierte sich noch immer über sein Glück. „Ich kann´s versuchen“, erklärte er leise. Vielleicht fiel ihm ja noch etwas anderes ein. Außerdem nahm er sich vor mit Prof. Davenport zu sprechen. Dean drehte die Taschenlampe gegen sein Bein. Ganz ausmachen wollte er sich nicht. So saßen sie eine ganze Weile im Dunkeln, bis Dean plötzlich aufstand. „Hast du was bemerkt?“, wollte Sam leise wissen. „Nein, aber wenn ich noch lange hier sitze ...“, grummelte er und stampfte ein paar Mal mit dem linken Fuß auf. Sein Bein war eingeschlafen und kribbelte inzwischen unangenehm bis zu seinem Hintern. Er humpelte ein paar Mal hin und her, bis sich das Bein wieder normal anfühlte. Er wollte gerade fragen, ob sie nicht abbrechen und in den nächsten Tagen nochmal wiederkommen sollten, als ein eisiger Windhauch durch das Haus strich. Fast gleichzeitig griffen die Brüder nach ihren Gewehren und schauten sich suchend um. Aus dem Nichts tauchten zwei Geister vor ihnen auf. „Ihr verfluchten Einbrecher!“, schrie der kleinere Geist und zielte mit einem Gewehr auf die Brüder. Auch sein Begleiter hielt eine Waffe in der Hand, mit der er in ihre Richtung zielte. Wie ein einzelner Schuss krachten die Schüsse aus den Schrotflinten der Brüder und die Geister zerstoben. Ein kurzer Blick genügte. Sam griff sich den Rucksack, kramte kurz darin herum und warf seinem Bruder eine Dose mit Steinsalz zu. Kapitel 27: Ghosts and Stuff ---------------------------- 027) Ghosts and Stuff Gleichzeitig verstärkten sie die Salzlinien vor der Treppe, die der Wind, der immer noch durch das Haus strich, ein wenig auseinander geweht hatte. Danach verstärkten sie die Salzlinien vor allen Türen. Gerade als Sam die letzte, offene Tür zur Bibliothek sicherte, schwebten mehrere, ziemlich dicke Wälzer auf ihn zu. Er richtete sich auf, sah die Bücher und versuchte noch auszuweichen, doch es war zu spät. Schwer getroffen ging er zu Boden. Dean, der inzwischen mit dem Raum gegenüber der Bibliothek fertig war und so in gerader Linie hinter ihm stand, schoss sofort, lud nach und schoss wieder. Während er fieberhaft die nächsten Patronen in seine Schrotflinte schob, wich er einem Buch aus und gleich darauf einem zweiten. Er ließ die Schrotflinte zuschnappen und schoss ein drittes Mal. Endlich waren die drei Geister verschwunden. Er holte kurz Schwung und ließ sich auf die Knie fallen. Das Gewehr nachladend rutschte er die wenigen Meter bis zu seinem Bruder. „Sammy“, begann er besorgt und umklammerte Sams Jackenaufschlag, um nach seinem Puls fühle zu können. Doch Sam richtete sich schon wieder auf. „Au“, schimpfte er leise und rieb sich den Kopf. „Verdammte Geister!“ Mit Deans Hilfe kam er schwankend auf die Beine. „Jetzt weiß ich wieder, was ich nicht vermisse!“ Dean musterte ihn noch einmal eindringlich, dann glitt sein Blick über das dickste Buch, ein Lexikon, und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen: „Das war wohl selbst für dich zu viel Wissen?“ Sam funkelte ihn böse an, konnte sich aber selbst das Lachen kaum verkneifen. „Okay, lass uns verschwinden. Ich versuche Fotos oder Bilder zu finden, um zu klären wer die Geister waren, dann können wir sie verbrennen. “Fünf“, sagte Dean „Der Wildenfels, seine Söhne, der Buttler? War einer der Geister eine Frau?“ „Könnten auch die Einbrecher gewesen sein. Sie wurden ja hier auch ermordet.“ „Aber warum sollten die das Haus schützen?“ „Seit wann agieren Geister rational?“, fragte Sam und schaute seinen Bruder fragend an.. „Sag mal: Hab ich das Buch an den Kopf bekommen oder du?“ „Ich, wie´s scheint. Lass uns fahren.“ Sammy hatte Recht. Geister waren nie rational. Trotzdem glaubte er nicht, dass es die Einbrecher waren. Er schüttelte den Kopf. Noch rauschte das Adrenalin durch seinen Körper und auch seine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe. Gut, dass er sich vorerst auf das Fahren konzentrieren musste. Auch Sam schwieg. Ihm brummte immer noch der Kopf von dem blöden Buch. Außerdem versuchte er sich über das klar zu werden, was Dean ihm erzählt hatte. Wie konnte er ihm helfen? Reichte es wirklich, wenn er ihn ablenkte? Sollte er mal mit Chris reden? Aber wäre das nicht Verrat an Dean? Nein, Chris sollte er rauslassen, solange Dean nichts sagte. Vielleicht hatte ja Mr. Davenport eine Idee? Aber selbst der würde Beweise brauchen. Kurz huschte sein Blick zu seinem Bruder und er wollte sich selbst eine verpassen. Er war hier. Er hatte hier eine Studienplatz bekommen und sich so wahnsinnig gefreut. Wenn er weiter gesucht hätte ... wenn er das Angebot nicht angenommen hätte, wäre Dean jetzt nicht hier und müsste sich nicht so behandeln lassen. Verdammt! Er hatte wirklich gehofft, dass sie endlich etwas Glück hätten. Warum musste immer Dean an solche Idioten geraten? Erst John und jetzt Grady! Wie lange konnte sein Bruder das durchhalten? Er seufzte traurig. „Hör auf zu denken, Sammy. Davon geht es deinem Kopf auch nicht besser!“, erklärte Dean leise. Schon wieder war Sam versucht, zu seufzen. Dean dachte schon wieder nur daran, dass es ihm gut ging und er selbst hatte nicht den blassesten Schimmer, wie er ihm helfen konnte. In der Wohnung angekommen, ging Sam als erster duschen. Dean ließ sich auf sein Bett fallen. Er war müde, eher seelisch als körperlich und die Verlockung einfach alles stehen und liegenzulassen, wurde gerade übermächtig. Er biss die Zähne zusammen, ballte seine Hände zu Fäusten und atmete langsam tief ein und aus. ‚Sam! Denk an Sam! Du kannst es schaffen!‘, sagte er sich immer wieder. „Dean?“ Er öffnete die Augen. Sam stand in der Tür, das Handtuch um die Hüften geschlungen. Leise schnaufend stand er auf und verschwand im Bad. Sam schaute ihm hinterher. Dean sah wirklich fertig aus, und das lag nicht an ihrem nächtlichen Ausflug. Warum hatte er sich immer wieder von Deans aufgesetzter Fröhlichkeit ablenken lassen? Warum hatte er nicht schon viel eher hinterfragt, dass Dean nie von seinem Dienst erzählte? Sein Bruder hatte während der Ausbildung jeden Tag davon geschwärmt und jetzt? Jetzt sagte er kaum mal ein Wort dazu. Das hätte ihn doch schon viel eher stutzig machen müssen! Noch im Einschlafen nahm er sich vor, mehr mit seinem Bruder zu unternehmen. Egal was, Hauptsache es half ihm, dieses Jahr zu überstehen. Und er würde Dean fragen, ob es denn keine Möglichkeit gab, an Beweise für diese Schikanen zu kommen. Gab es nicht so kleine Kameras, die man sich als Knopf an die Jacke stecken konnte, oder als Ohrring? Das sollte er auf jeden Fall mal recherchieren. Morgen allerdings würde er erstmal nach den Geistern suchen. Am späten Abend von Deans nächstem freien Tag liefen die Brüder über den Pleasent View Friedhof, auf dem sich die Gruft der Familie Wildenfels befand. Sam hatte die Geister als die der männlichen Mitglieder Familie Wildenfels, des Buttlers und eines Einbrechers identifiziert und heute sollten mindestens die Wildenfels´ für immer das Zeitliche segnen. Das Wetter kam ihnen entgegen. Es goss wie aus Kübeln. Sollten Särge in der Gruft stehen und Leichen zu verbrennen sein, würde der Rauch nicht weit getragen werden, wenn sich bei dem Wetter überhaupt Menschen länger freiwillig draußen aufhielten. Sam knackte das Schloss mit einem Dietrich und schob die Tür auf. Nacheinander betraten sie die Gruft. Im Schein der Taschenlampen schauten sie sich um. In kleinen Wandnischen, hinter Glasscheiben, standen mehrere Urnen. Über jeder Urne war ein Portrait angebracht. „Sie haben sie verbrannt“, stellte Dean fest, nur um überhaupt etwas zu sagen und inspizierte die Nischen. „Bei jeder Urne liegen kleine, ich sag mal, Andenken. Eine Uhr bei dem alten Wildenfels“, nickte Sam. „Hier sind ein Teddy und eine Puppe“, sagte Dean, der die andere Seite der Gruft überprüfte. „Also verbrennen wir das, wie damals bei Sarah?“, stellte Sam ruhig fest. Dean nickte und versuchte mit seinem Messer eine Glasscheibe zu lösen. Sam beobachtete die Bemühungen seines Bruders und als er sah, dass der Erfolg zu haben schien, nahm er sich die nächste Scheibe vor. Nacheinander lösten sie die Scheiben aus ihren Rahmen, entnahmen die kleinen Andenken und schoben die Scheiben wieder zurück. Ungesehen kamen sie zum Impala und machten sich auf den Weg, um einen ruhigen Ort für die Verbrennung zu suchen. Irgendwie widerstrebte es ihnen beiden, in der Gruft ein Feuer anzuzünden. Sie fuhren Richtung Westen. Die städtische Bebauung wurde schon bald immer weitläufiger und ging in Wald über. Dean lenkte den Wagen in einen Waldweg. Nach der ersten Kurve bremste er. Gleichzeitig stiegen sie aus und gleichzeitig schlugen sie die Türen zu. Auf der Suche nach einem trockenen Platz, gingen ein paar Schritte in den Wald. Unter einem Laubbaum wurden sie fündig. Großflächig schoben sie das Laub beiseite, legten ein paar Zweige in die Mitte und die Andenken der Familie darauf. Dann übergoss Sam alles mit reichlich Benzin und Salz und Dean warf ein Streichholzbriefchen darauf. Schlagartig erwachte das Feuer. Plötzlich tauchte der alte Wildenfels vor den Brüdern auf. Er rammte ihnen gleichzeitig die Hände vor die Brust. Sie taumelten rückwärts. Dean stolperte über einen Ast und fiel auf seinen Hintern. Sam schaffte es sich auf den Beinen zu halten. Der alte Wildenfels wollte gerade nachsetzen, als das Glas der Uhr sprang und das Ziffernblatt im Feuer schmolz. Zeitgleich fraß ein Feuer von unten her den Geist des Wildenfels auf. Grinsend trat Sam zu seinem Bruder und hielt ihm die Hand hin, um ihm auf die Beine zu helfen. „Das waren schon mal drei“, erklärte Dean nachdem er wieder stand. Er rieb sich die schmerzende Brust. Sie warteten bis das Feuer erloschen war und verwischten ihre Spuren. Auf dem Weg zurück grinste Dean seinen Bruder breit an. „Du willst jetzt aber nicht wirklich auf die Straße zurück?“, fragte Sam ein wenig besorgt, immerhin schien ihm diese Aktion hier mehr Spaß gemacht zu haben, als die letzten Monate bei der Feuerwehr, die zweite Schicht mal ausgenommen. „Ich kann dich doch nicht alleine hier sitzen lassen.“ So ganz war Sam nicht überzeugt, trotzdem wollte er seinem Bruder glauben. „Sag mal ...“, begann er unsicher. „Gibt es keine Möglichkeit, diese Schikanen aufzuzeichnen? Ich meine, dann hättest du was in der Hand und könntest dich wehren.“ „Und wie soll das gehen?“, fragte Dean schärfer als er es wollte. „Ich hatte noch keine Zeit diesen Gedanken weiter auszuformulieren. Wenn wir mit den Geistern fertig sind, wollte ich mich darüber schlau machen. Nur mit dem Handy wird es nicht so gut gehen.“ Dean nickte, dann zuckte er die Schultern. Eine Möglichkeit wäre es, aber würde es ihm helfen? Er schüttelte den Kopf. Jetzt wollte er den Triumph genießen und sich nicht mit Grady befassen. Darüber konnte er wirklich später noch nachdenken. Lange nach Mitternacht kamen sie in ihre Wohnung zurück und fielen in ihren Betten. In der nächsten Nacht zogen sie los, um den Buttler der ewigen Ruhe zu übergeben. Dieses Mal war es wirklich das althergebrachte Ausgraben, Salzen und Verbrennen, allerdings ohne Besuch des Geistes. Der war vielleicht doch nur an das Haus gebunden zu sein. Oder aber die Entfernung zwischen Haus und Grabstelle war selbst für einen Geist zu weit, um so schnell den Ort zu wechseln. Komisch blieb es trotzdem und Dean nahm sich vor später etwas nachzuforschen. Vielleicht wusste ja auch Bobby eine Antwort auf die Frage, warum Geister scheinbar nicht daran interessiert waren ihr Grab, und somit ihre Existenz, zu verteidigen. Vielleicht war der aber auch ganz froh endlich wirklich die ewige Ruhe zu finden? Mit dem Hochgefühl endlich mal wieder zu etwas Gutes und Richtiges getan zu haben, kam Dean zu seiner nächsten Schicht. Er hatte sich gerade umgezogen, als der Bataillon-Chief auch schon: „Winchester“, quer durch den Gang brüllte. „Sir?“ Dean stand keine zehn Sekunden später in der Tür und Grady war sauer, hatte der doch gehofft, seinen Anwärter blamieren, oder noch besser, beim zu spät kommen erwischen zu können. „Ab nächster Woche sind Sie vorerst für vier Wochen in der zweiten Schicht! Grisham fällt aus, deshalb sind sie da ein Mann zu wenig. Die Zusatzschichten machen Sie dann bei mir! Und richten Sie sich schon mal darauf ein Weihnachten und Silvester ebenfalls Dienst zu haben.“ Grady musterte ihn eindringlich. Vielleicht hatte er dem ja jetzt die Laune verdorben? Dean ließ sich nicht beeindrucken. „Jawohl, Sir“, antwortete er mit unbeweglicher Mine. Innerlich jedoch hätte er tanzen können, vor Freude. Vier Wochen! Vier Wochen durfte er ein richtiger Feuerwehrmann sein und nicht nur Putzfrau. Vier Wochen weniger bis zum Lehrgang. Vier Wochen weniger bis zum Ende seiner Anwärterzeit. Vier fast traumhafte Wochen! Danach waren es noch knapp drei Wochen und dann kamen Weihnachten und Silvester und dann noch eine Woche bis zum Lehrgang! An das danach wollte er jetzt noch nicht denken. Erstmal würde er sich auf die vier Wochen freuen. Er ging zurück in die Küche, um Kaffee zu kochen. Davis drückte sich an ihm vorbei. Er hielt einen Eimer in der Hand, von dem ein Geruch nach Verwesung ausging und sein Gesicht drückte eine Schadenfreude aus, die den Winchester, gerade weil er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, stutzig machte. Welche Gemeinheit hatte der denn nun wieder ausgeheckt? Auf die Lösung dieser Frage musste er nicht lange warten. „Winchester“, brüllte der Bataillon-Chief durch die Feuerwache. „Sir?“ „Im Duschraum scheint der Abfluss verstopft ...“, begann Grady aufgebracht, wurde aber vom Alarm unterbrochen. Alle erstarrten regelrecht, um der Durchsage zu lauschen. >>>Kind im Regenwasserauffangbecken des Wasserwerkes. Drehleiter und Rettungswagen 25 Rüstgruppe ist unterwegs<<< Sofort rannte jeder zum Wagen, stieg in die Stiefel und rutschte auf seinen Platz. Miller sprang auf den Beifahrersitz. „Los“, forderte er und schloss die Tür, während der Wagen die Einfahrt verließ. Kapitel 28: Swirl ----------------- 028 Swirl Der Regen peitschte auf die Frontscheibe. Das Wetter war in der letzten Stunde wirklich noch schlechter geworden. Der Wind hatte zugenommen und der Regen schien seit Dean zur Wache gefahren war auch noch zugenommen zu haben. Aber das konnte ihm heute die Laune nicht verhageln. Immerhin war das seine letzte offizielle Schicht unter Miller und Grady. Er hatte zwar noch fünf Zusatzschichten vor sich, von denen er zwei noch in diesem Turnus ableisten musste. Seine Hauptarbeitszeit würde aber für die nächsten vier Wochen unter Lt. Pratt sein. Darauf freute er sich wie ein Schneekönig. Er musste sich regelrecht zusammenreißen, um nicht breit zu grinsen. Hastig schob er diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das hier und jetzt und darauf, dass er gleich wieder nur Zuschauer sein würde. Abrupt blieb der Einsatzwagen stehen. „Coon! Vorhängeschloss knacken“, forderte Miller und der Mann sprang mit einem Bolzenschneider nach draußen. Die Drehleiter rollte langsam durch das aufschwingende Tor und Coon rutschte wieder auf seinen Platz. „Verdammtes Sauwetter“, schimpfte er. Sie fuhren zum Regenwasserauffangbecken und sprangen aus dem Wagen. „Licht!“, kommandierte Grady. Sofort wurden die mobilen Scheinwerfer aufgebaut und beleuchteten die Szenerie. Durch einen Kanal ergossen sich braune Fluten gurgelnd und immer wieder Strudel bildend in das riesige Becken. Überall trieb alles, was die Wassermassen auf ihrem Weg mitgerissen hatten, Baumstämme, Äste, sogar ein paar Bälle waren zu sehen und etwas, das wie eine tote Kuh aussah. Inmitten dieses Chaos war auch etwas das einmal ein Floß gewesen sein mochte. Ein Junge versuchte irgendwie auf diese Floßresten zu kommen, rutschte aber immer wieder ins Wasser. Lange würde er nicht mehr durchhalten! „Schlauchboot fertig machen!“, brüllte Grady. „Winchester! Ihr Einsatz! Sie holen den Jungen raus! Sicherungsgeschirr. Dearing und Lund sichern Sie vom Boot aus, falls Sie ins Wasser müssen! Ein bisschen Tempo!“ Und schon war die Vorfreude auf die nächste Schicht brutal ermordet worden. Einerseits freute er sich ja schon, dass er mal zeigen durfte, was er konnte, aber musste es hier und jetzt sein? Er zuckte mit den Schultern. Auf keinen Fall würde er Grady einen Grund geben, weiter an ihm herum zu meckern. Außerdem war ja klar, dass er in diese kalte Brühe sollte. Dean entledigte sich seiner Jacke, Hose und des Pullovers. Das würde im Wasser nur stören und so hatte er hinterher wenigstens etwas halbwegs Trockenes zum drüberziehen. Er schaute sich um. Keiner seiner „Kameraden“ war zu sehen, also versteckte er seine Kleidung hinter den Schläuchen. Die würden sie heute wohl nicht brauchen, also sollte seine Kleidung da sicher sein. Zutrauen würde er es der Truppe inzwischen durchaus, dass sie die verschwinden ließen, nur um ihm eins auswischen zu können. Als das erledigt war, half er Dearing und Lund das Boot ins Wasser zu bringen. Während die Beiden in das Boot kletterten, warfen sie Dean einen bedauernden Blick zu. Nur mit T-Shirt und Jogginghose wollten sie jetzt allerhöchstens auf der Couch liegen aber nicht in diesem Boot hocken. Lund startete den Motor und schon jagten sie auf die Überreste des Floßes zu. Dean versuchte sich so gut es ging hinter den Beiden vor dem Fahrtwind und dem Regen zu schützen. Immer wieder umkreisten sie das Gewirr, in dem das Floß steckte. Sie zerrten an den Ästen, um sie aus dem Weg zu bekommen, doch immer wieder schob sich ihnen etwas in den Weg. Wieder einmal rutschte der Junge ins Wasser, doch dieses Mal tauchte er nicht wieder auf. „Hey, Kleiner!“, riefen die Feuerwehrmänner. „Junge!“, brüllte Dean. Die Hand des Jungen, die bis jetzt noch einen Balken umklammert hielt, löste sich und verschwand in der dunklen Brühe. „Verdammt“, schimpfte Dean und begann an seinem Sicherheitsgeschirr herum zu nesteln. „Lass das! Wie sollen wir dich denn sichern!“, versuchte Dearing ihn aufzuhalten. „Das Seil verheddert sich doch nur in dem Gestrüpp“, erklärte Dean. Auf dem Bootsrand sitzen schälte er sich aus dem Geschirr und ließ sich gleich darauf ins Wasser fallen. Die Kälte raubte ihm den Atem und ließ sein Herz rasen. Er biss die Zähne zusammen. Hier ging es um ein Leben! Er verdrängte die Kälte in den hintersten Winkel seines Bewusstseins, tauchte auf und atmete bewusst tief ein. Er bahnte sich einen Weg durch das ganze Treibgut zu dem Floß. Hier atmete er noch einmal tief ein und tauchte ab. Kurz hielt er inne, um sich zu orientieren. Funktionierte sein Radar noch? Hatte es unter seiner Amnesie gelitten? Er schloss die Augen und überlegte. Das Treibgut drehte sich an dieser Stelle eher um sich selbst, also konnte der Junge nicht sonderlich weit abgetrieben worden sein. Dean ließ sich weiter sinken und versuchte den Boden abzusuchen, bis ihm die Luft ausging. Er musste auftauchen. Hastig pumpte er seine Lungen voll Sauerstoff und tauchte erneut. Dieses Mal schien er etwas zu fühlen. Er schwamm zu dem Punkt und tatsächlich. Als er die Arme ausstreckte, um den Boden abtasten zu können, berührten seine Finger etwas, das sich wie Stoff anfühlte. Er machte noch einen Schwimmzug, umfasste das Bündel, stieß sich kraftvoll vom Boden ab und hoffte, dass er weit genug außerhalb dieses Treibgutstrudels auftauchte. Schnell durchbrach er die Wasseroberfläche und sog die Luft in seine Lungen. Er schaute sich um und sah, dass es ihm gelungen war. Der Strudel drehte sich ein paar Meter neben ihm. Seine Kameraden im Schlauchboot hatten ihn entdeckt und steuerten so schnell sie konnten, ohne etwas von dem Treibgut zu rammen, auf ihn zu. Sie erreichten ihn und während Dearing versuchte ihm irgendwie Halt zu geben, fasste Lund den Jungen, den Dean ihm entgegen schob und zog ihn ins Boot. Er zog seine Jacke aus und wickelte sie um den leblosen Körper. Währenddessen half Dearing Dean wieder in die relative Trockenheit des Schlauchbootes zu kommen. Auch er zog seine Jacke aus und wickelte sie um Deans Schultern. Doch statt zu versuchen sich aufzuwärmen, rutschte der sofort zu dem Jungen und begann ihn mit fliegenden Fingern zu untersuchen. Er fühlte einen schwachen Puls, wenn ihm seine Sinne keinen Streich spielten und der gefühlte Puls nur vom Zittern seiner Finger kam. Atmen sah er den Jungen auf keinen Fall. Er beugte sich nach vorn und versuchte ihm irgendwie Luft in die Lungen zu pressen, doch er zitterte so stark, dass es einfach nicht klappte. Verzweifelt wollte er die Jacke von sich schieben, nur um einen besseren Zugang zu dem Jungen zu bekommen, doch jetzt drängte sich Dearings Präsenz und seine Hand auf seiner Schulter in sein Bewusstsein. Irritiert schaute er zu ihm. „Lass gut sein! Ruh dich aus! Du hast ihn aus dem Wasser gezogen. Jetzt lass uns unseren Teil dazu tun!“ Dean starrte ihn einen Augenblick an, bis sein Gehirn die Worte verarbeitet hatte, dann nickte er und ließ sich gegen die Bordwand fallen. Er versuchte irgendwie zur Ruhe zu kommen und die Kälte auszublenden, die sich tief in seine Knochen gefressen hatte. Viel Zeit zum Durchatmen blieb Dean jedoch nicht, bis der Rumpf des Schlauchbootes gegen die Betonwand stieß, Dearing und Lund den Jungen an die Sanitäter weiterreichten und Lund das Boot als erster verließ. „Komm raus, Dean“, sagte er und hielt ihm die Hand hin. Zwei Mal griff der Winchester daneben, bevor er sie zu fassen bekam und sich von ihm aus dem Boot helfen ließ. „Sie sollten sich ebenfalls untersuchen lassen!“, erklärte einer der Sanitäter Dean mit ernstem Gesicht. „Mir geht´s gut“, wehrte der mit klappernden Zähnen ab. „Klar! Mitkommen!“ Dean zog den Kopf ein und folgte dem Mann der ihm, kaum dass sie beim Rettungswagen angekommen waren, eine warme Decke um die Schultern legte. Miller stand neben der Drehleiter und musterte den Anwärter. Insgeheim zollte er ihm Respekt. Wenn er das richtig gesehen hatte, war der ohne zu zögern in die eisige Brühe gesprungen. Offiziell würde er das jedoch nie zugeben! Außerdem würde es in zwei Tagen auch schon kalter Kaffee sein und sie zum Alltag übergehen und der war, dieser Anwärter musste weg! Der Sanitäter untersuchte Dean in aller Gründlichkeit. Er kontrollierte den Puls, maß den Blutdruck und leuchtete ihm in die Augen. „Sie sind unterkühlt und ihr Puls ist etwas zu langsam. Sie sollten wirklich mit ins Krankenhaus kommen.“ „Ist das eine einfache Feststellung oder ein medizinischer Rat?“, fragte Dean ruhig. „Ich kann Ihnen...“, begann der Sanitäter und wurde von einem fordernden „Winchester!“, des Battalion-Chiefs unterbrochen. Dean war ganz froh nicht mit ins Krankenhaus fahren zu müssen, obwohl das jetzt wahrscheinlich der schönere Ort wäre. „Mir geht’s gut“, erklärte er ruhig. Er zog die Decke von den Schultern, faltete sie zusammen und legte die in den Wagen. „Dann lassen Sie mich Ihnen wenigsten ..“ „Winchester!“, inzwischen klang der Chief wütend. „Wie lange wollen Sie den Rettungswagen noch aufhalten?“ „Mir geht’s gut. Danke!“, sagte Dean und wandte sich ab. Die Rettungssanitäter wechselten einen bedeutsamen Blick, dann ging der eine nach vorn, stieg ein und raste davon. Dean kam zum Einsatzwagen. „Wie wäre es, wenn Sie ihren Kameraden beim Aufräumen helfen würden, statt die Sanitäter aufzuhalten?“, wurde er von Grady angefahren. Er nickte nur, begann ein Kabel aufzurollen und schaffte es an seinen Platz im Einsatzwagen. Er ging zu den Fächern für die Schläuche und holte seine Kleidung heraus. Schnell hatte er sich angezogen und räumte jetzt mit den anderen auf. „Verdammt! Wo hat er das Zeug versteckt gehabt?“, schimpfte Davis. Zu gerne hätte er gesehen, wie der Anwärter halbnackt auf dem Weg zur Wache gefroren hätte. „Keine Ahnung. Irgendwo auf der anderen Seite“, erwiderte Coon. „DAS hab ich auch gemerkt“, schimpfte Davis. Aber das war jetzt auch egal. Er hatte ja noch den Duschraum als Ass im Ärmel. Auf der Rückfahrt freute sich Dean über das zurückkehrende Gefühl in seinen Gliedmaßen und darüber, dass die Wärme sich langsam wieder in seinem Inneren ausbreitete. Oh ja, das Gefühl kannte er. Wie oft hatten sie in kalten, feuchten, zugigen Gewölben oder Höhlen auf die Monster gewartet? Wie oft waren sie bei dem Wetter über Friedhöfe geschlichen, um Knochen zu verbrennen oder Ghouls zu jagen. Nichts davon vermisste er, auch wenn er jetzt doch immer mal wieder in Versuchung geriet sein Leben damals mit dem Leben jetzt tauschen zu wollen. Zurück auf der Wache setzte er zuerst einmal Kaffee auf. Danach würden alle spätestens nach dem Duschen lauthals verlangen. Schritte näherten sich der Küchenzeile. „Ach hier lungern Sie rum“, stellte Miller fest. Die Kaffeemaschine spukte die ersten Tropfen in die Kanne. „Der Abfluss im Duschraum ist verstopft“, erklärte der in aller Ruhe. Überrascht starrte Dean den Captain an. Wieso war der so, für seine Verhältnisse, richtiggehend nett? Er nickte nur und holte sich die langen Handschuhe und einen Eimer. Das war es also war‘s weswegen Davis das hinterhältige Grinsen nicht unterdrücken konnte. Er betrat den Duschraum. Der Geruch, der ihm entgegenschlug, ließ ihn würgen. Es stank nach Verwesung, aber so schlimm stanken nicht mal die Gräber, in denen die Gebeine, die sie verbrennen wollten, noch nicht so lange lagen. Er aktivierte sein Handy und legte es so auf eine der Duschen, dass es den Raum ganz gut abdeckte aber nicht sofort zu sehen war, sollte ihn einer seiner Kollegen mit seine Anwesenheit beglücken wollte. Er öffnete die Fenster, um wenigsten halbwegs arbeiten zu können, dann schraubte er das Abflussgitter auf, kniete sich über den Abfluss und schob die Hand langsam hinein. Kapitel 29: Rat Salad --------------------- 029) Rat Salad Was er in dem Abflussschacht fühlte war irgendwie teigig, weich und nachgiebig und doch wie ein fester Körper mit Auswüchsen. Ein Tier? Er zog die Hand aus dem Abfluss. Der Geruch nach Verwesung wurde stärker. Dean schluckte, schob die Hand wieder in den Schacht und versuchte das etwas zu fassen zu bekommen. Endlich hatte er es und zog die Hand langsam heraus. Ein Blick genügte! Es war eine tote Ratte. Ratten! Warum mussten es unbedingt Ratten sein? Vor seinem inneren Auge sah er Davis mit dem Eimer. Er sah das fiese Grinsen und er hatte den widerlichen Geruch in der Nase, als er mit dem Eimer an ihm vorbei gelaufen war. Er schluckte. Davis hatte verwesende Ratten in den Abfluss gestopft, nur damit er die wieder rausholen musste. Das war echt der Gipfel ihrer Gemeinheiten und wenn er nicht die Aussicht auf vier Wochen zweite Schicht hätte ... wahrscheinlich wäre das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hätte. Er versuchte so flach wie möglich zu atmen, doch der Geruch fraß sich in seine Schleimhäute. Der Ekel rann eisig über seinen Körper und fast sofort begann er wieder zu frieren. Vielleicht hätte er doch mit ins Krankenhaus fahren sollen. Ein Aufenthalt da kam ihm gerade gar nicht mehr so schlimm vor. ‚Reiß dich zusammen!‘, schalt er sich stumm. Er schluckte erneut, ließ das Vieh in den Eimer fallen und stand hastig auf. Magensäure sammelte sich am unteren Ende seiner Speiseröhre. Er lief ein paar Mal hin und her, um seinen Magen zu beruhigen und den Ekel zu überwinden, doch mit jedem Atemzug wurde es schlimmer. Hektisch trat er ans Fenster und atmete die kalte, nasse Novemberluft. Langsam beruhigen sich seine Nerven und auch die Magensäure ebbte etwas ab. ‚Dann mal weiter‘, sprach er sich Mut zu und wandte sich wieder dem Abfluss zu. Dieses Mal zog er eine halb verweste Ratte heraus. Er wunderte sich nur, dass die noch in einem Stück war und schon wieder rebellierte sein Magen. Wieder stand er auf, um frische Luft zu schöpfen und so seinen Magen beruhigen zu können. Sein Blick streifte den Eimer. Etwas in der Ratte schien sich zu bewegen Mit aller Macht drängte sich sein Mageninhalt durch die Speiseröhre nach oben. Er schaffte es gerade so bis zur nächsten Toilette, bevor er sich übergab. Dean schalt sich ein Weichei, als er sich endlich wieder aufrichtete. Der Rest der Truppe stand mit Sicherheit hinter der Tür und lachte sich schlapp. Das Ganze hatte allerdings auch einen Vorteil. Jetzt war sein Magen leer, nochmal würde er sich wohl nicht mehr übergeben müssen. Wieder lief er ein paar Mal vor den Fenstern hin und her und atmete tief durch, bevor er sich erneut dem Abfluss widmete. Da war auf jeden Fall noch was drin und während er sich wieder hinkniete und seine Hand in das Rohr schob, fragte er sich, wo sie diese Viecher eigentlich her hatten und wie lange die schon, wo auch immer, gelegen hatten, um so auszusehen. Wie lange planten sie schon, ihn genau damit zu quälen? Seine Hoffnung wurde betrogen. Sein Magen hatte Reserven! Die letzte Ratte sah noch schlimmer aus als ihre Vorgängerin. Er ließ sie in den Eimer fallen und sprintete zum WC. Dean würgte trocken, bis er das Gefühl hatte, dass sich sein Magen wendete, doch er schaffte es einfach nicht sich zu beruhigen. Tränen liefen über seine Wangen und er glaubte ersticken zu müssen. Erschöpft ließ er sich gegen die Trennwand fallen. War es ihm schon jemals so schlecht gegangen? Warum tat er sich das an? Warum gab er nicht einfach auf? Er hatte eine Alternative. Diese Alternative fesselte ihn aber auch an Bloomington und nach Allem was ihm hier passiert war, fragte er sich ernstlich, ob er hier bleiben wollte. Vielleicht sollte er mal mit Sam reden, wie der sich die Zukunft vorstellte, wenn er mit seinem Studium fertig war. Würde er hier bleiben wollen? Würde er zurück nach Sioux Falls gehen? Er selbst wollte jedenfalls nicht bleiben, wenn Sam weiterziehen sollte. Das Einzige, was ihn im Moment noch aufrecht hielt, war die Aussicht auf die Zeit unter Lt. Pratt und den Lehrgang. Egal ob er Feuerwehrmann bleiben würde oder nicht, die Kenntnisse konnte er auch später brauchen, außerdem war der Lehrgang bezahlt. Nein, noch würde er nicht aufgeben. Noch sah er Licht am Ende des Tunnels, oder war es schon der entgegenkommende Zug? Endlich hatte sich sein Magen soweit beruhigt, dass er aufstehen und zum Fenster gehen konnte, um frische, kalte Luft in seine Lungen zu pumpen. ‚Reiß dich zusammen!‘, ermahnte er sich. ‚Je eher du weiter machst, je eher wirst du fertig!‘ Noch einmal ließ er sich neben dem Schacht nieder und schob seine Hand hinein. Nichts! Der Schacht war frei! Er atmete durch und musste husten, weil der Gestank schon wieder einen Würgereiz auszulösen drohte. Den Eimer kippte er in eine große schwarze Plastetüte und knotete sie zu. Jetzt sollte der Gestank endlich weniger werden! Er nahm den Schlauch von der Wand und spritzte den Duschraum und die Toilette sauber. Gurgelnd floss das Wasser ab. Gerade als er den Sack wegbringen wollte, kam Davis herein. „Ist das kalt hier drin!“, beschwerte er sich. „Hättest du lieber bei dem Gestank verwesender Ratten duschen wollen?“ „Hättest du dich beeilt, wäre es jetzt schon wieder warm!“ „Hättest du die Ratten nicht in den Abfluss gesteckt, hätte ich die Fenster nicht aufreißen müssen!“, schoss Deans ins Blaue. „Wie willst du das denn beweisen?“, fragte Davis lauernd, bevor er sich abwandte. Dean schnaubte nur. Natürlich konnte er es nicht beweisen. Die Antwort sagte ihm aber schon so einiges. Er holte sich sein Handy und schaltete die Aufnahme aus. Vielleicht brachte es ihm ja mal was? Auch wenn nicht. Sam hatte vorgeschlagen, dass er Beweise sammeln sollte und das hatte er. Er brachte den Sack in den Container. „Der Einsatzwagen starrt auch noch vor Dreck!“, empfing ihn Coon an der Kaffeemaschine. „Okay, dann kochst du eben Kaffee!“, sagte Dean und ging, ohne neuen Kaffee anzusetzen. Er hätte jetzt eh keinen vertragen. Schon bei dem Geruch war ihm wieder übel geworden. Die Arbeit am Wagen lenkte ihn genügend ab, so dass er sich danach unter der, wieder warmen und nicht mehr stinkenden, Dusche, kurz vor Feierabend, richtig entspannen konnte. Jetzt hatte er erstmal eineinhalb Tage frei und dann begannen die herrlichen vier Wochen! Auf dem Heimweg hielt er an dem kleinen Diner an, das er schon immer mal besuchen wollte, es bislang aber nie gemacht hatte, weil er nach einer Nachtschicht immer mit Sam frühstückte. Für heute hatte sich Sam aber zum Frühstück mit Tylor verabredet, weil sie noch etwas für ihr Studium besprechen wollten. Er fand es zwar schade nicht mit seinem kleinen Bruder frühstücken zu können, aber so kam er endlich einmal dazu diesen kleinen Laden auszuprobieren. Vielleicht entdeckte er ja ein neues Lieblingslokal? Er bestellte Rührei und Speck und einen großen Teller Pfannkuchen mit Ahornsirup und viel schwarzen Kaffee und vertiefte sich dann in die neueste Tageszeitung. Es machte Spaß die neuesten Nachrichten zu lesen, ohne dabei auf der Suche nach neuen Fällen zu sein. Das hieß zwar nicht, dass er die nicht trotzdem fand, doch wenn besprach er seine Vermutungen mit Sam und der stellte sie ins Jägernetz. Das war im letzten Jahr zwei Mal passiert und hatte immer hervorragend geklappt. Er wunderte sich heute noch, wie einfach es ihnen gefallen war nicht mehr jagen zu gehen und wie fraglos die anderen Jäger das hingenommen hatten. Keiner hatte sich irgendwie abfällig geäußert, im Gegenteil. Die Meisten hatten ihnen gratuliert, dass sie es geschafft hatten auszusteigen und ihnen viel Glück in ihrem neuen Leben gewünscht. Die Bedienung riss ihn aus seinen Überlegungen und stellte einen Teller mit einem großen Berg Pfannkuchen vor ihn und daneben lud sie einen nicht viel kleineren Teller mit Eiern und Speck ab. Sie musterte ihn fragend, goss Kaffee nach und wünschen ihm einen guten Appetit. Dean schenkte ihr sein patentiertes Lächeln und machte sich mit Heißhunger über sein Frühstück her. Schon komisch wie schnell der Geruch von leckerem Essen die Erinnerung an den verstopften Schacht im Duschraum vertrieben hatte! Satt und zufrieden stellte er die leeren Teller zusammen und schob sie von sich. Er ließ sich gegen die Rückenlehne der Sitzbank fallen und schloss die Augen. Wenn das leichte Kratzen im Hals nicht wäre, wäre er jetzt rundum glücklich. Nein, nicht ganz. Sein Bett fehlte. Er gab der Bedienung ein Zeichen, dass er zahlen wollte und sie kam. „Hätte nicht gedacht, dass sie das schaffen“, gab sie unumwunden zu. „Warum nicht?“ „Sie sehen nicht so … Entschuldigung … verfressen aus.“ Dean schaute an sich herab und wieder zu ihr. „Danke“ Er grinste sie breit an, bezahlte und sagte, während er sich erhob: „Ich komme bestimmt wieder!“ „Das würde mich freuen.“ Mit diesem kleinen Hochgefühl fuhr er in die Wohnung und kroch in sein Bett. Sam öffnete am Nachmittag die Tür ihrer Wohnung und stutzte. Dean hockte in seine Bettdecke eingemummelt im Sessel. Er hatte eine weitere Decke über den Beinen und ein Bier in der Hand. Seine Augen glänzten fiebrig, oder hatte er zu viel getrunken? „Hey“, grüßte Sam und wartete besorgt auf eine Antwort. „Hey“, krächzte Dean. „Oh mein Gott, was ist denn mit dir? Sollen wir zu einem Arzt fahren?“ „Kein Arzt, hoffe ich. Mir ist nur kalt. Hab mich wohl verkühlt.“ „Verkühlt? Habt sie wieder irgendwelche Trainingsspielchen mit dir gemacht? Draußen vielleicht?“, fragte er besorgt. So einfach wollte er diese Erklärung nicht schlucken. Nicht nach dem, was Dean ihm erzählt hatte. „Nein. Wir hatten einen Einsatz“, erklärte Dean leise und lenkte Sams Gedanken in eine vollkommen andere Richtung. „Du hast den Jungen aus dem Regenwasserbecken geholt?“, fragte Sam mit großen Augen. Dean nickte nur. „Woher?“ „Es war Gesprächsthema auf der Uni und da es in der Nähe deiner Wache war und du jetzt so angeschlagen hier hockst, habe ich es mir zusammen gereimt. Trotzdem dürfte eine Erkältung nicht so schnell kommen. Haben sie dich nicht ins Krankenhaus mitgenommen?“ „Nein, mir ging´s gut. Ich wollte nicht mit. War nur ein bisschen angeschlagen“, versuchte er seinem Bruder zu erklären. „Angeschlagen und dann gehst du ins Wasser? Spinnst du?“ „Ich hatte `ne Schniefnase“, verteidigte sich Dean heftig und musste prompt husten. „Ich hoffe, du bleibst morgen zuhause!“ „Morgen ja, muss erst übermorgen wieder zur Nachtschicht.“ „Bist du immer noch nicht mit deinen Zusatzschichten durch? Das ist doch nicht normal, dass du für einen Lehrgang die ganze Zeit rausarbeiten musst!“, schimpfte Sam aufgebracht und nahm sich vor, mit Prof. Davenport zu reden. Irgendwie musste er Dean doch helfen können. „Hab noch vier Schichten, aber darum geht es nicht. Die zweite Schicht hat einen Mann zu wenig, deshalb bin ich erstmal da und deshalb hab ich wieder Nachtschicht.“ „Und natürlich willst du da auf keinen Fall fehlen?“ „Nein, will ich nicht“, erklärte Dean so fest wie möglich. Genau in dieser Schicht wollte er auf keinen Fall fehlen. Aber auch bei Grady wäre er hingegangen. Der hätte ihn das sonst als Fehlstunden eingetragen, oder eine Zusatzschicht gestrichen. Dem traute er inzwischen alles zu. Sam schnaufte, dann nickte er. „Hast du was gegessen?“ „Heute Morgen. Ich wollte kochen, aber ich konnte mich einfach nicht aufraffen. Tut mir leid!“ „Muss es nicht. Ich hol uns was. Besondere Wünsche?“ „Nein. Ich glaube ich habe keinen Appetit.“ Wieder nickte Sam nur. Das klang wirklich nach einer Erkältung. Er machte auf den Absatz kehrt und fuhr einkaufen. Als er wiederkam, schlief Dean. Er baute eine Batterie an Arzneimitteln vor ihm auf und begann dann seine restlichen Einkäufe wegzuräumen und das Essen in den Kühlschrank zu stellen. Dean blinzelte. Sein Blick fiel auf die Medikamente: „Hast du die Apotheke geplündert?“ „So in etwa“, lachte Sam. „Wenn du übermorgen wieder fit sein willst ...“ Dean nickte ergeben. Er nahm die schleimlösende Tablette und ließ sich nach dem Essen von Sam den Rücken mit Vick einreiben. Er schlürfte heißen Tee statt Bier und sagte auch nichts, als Sam ihm eine weitere Decke um die Schultern legte. Im Gegenteil. Er fand es schön so umsorgt zu werden. „Danke Sammy!“, wisperte er heiser, nachdem er im Bett lag und Sam noch einmal kontrollierte, dass er gut zugedeckt war und genügend zu trinken und Taschentücher hatte. „Schlaf gut, Dean“ erwiderte Sam mit einem Lächeln in der Stimme. Es war schön, sich endlich mal wieder um Dean kümmern zu können, um den richtigen Dean und fast noch schöner war es, dass der es auch zuließ. Kapitel 30: Es gibt kein Bier auf Hawaii ---------------------------------------- 030 Es gibt kein Bier auf Hawaii Zu seiner Schicht erschien Dean mit roter Nase und Rollkragenpullover. Immerhin, das Fieber war weg und er fühlte sich, dank Sams Pflege, auch nicht mehr so schlapp wie noch am Tag zuvor. Hätte er seinen Dienst bei Grady machen müssen, hätte er sich wohl von Sam überreden lassen und wäre zum Arzt gegangen. Bei Pratt war er sich fast sicher, dass der ihn nicht triezen würde und er den Tag auch mit Rotznase und nicht zu 100 Prozent fit überstehen konnte. „Na du siehst ja lustig aus“, begrüßte ihn Everwood. „Hättest doch die wollene Badehose anziehen sollen, bei deinem Bad.“ Er grinste gutmütig und reichte Dean einen Kaffee. „Ich wusste, dass ich was vergessen hatte“, erklärte Dean heiser. Er nahm die Tasse und ließ sich auf einen Stuhl fallen „Sollen wir dich schon mal bei Santa anmelden, falls Rudolph ausfällt?“, fragte Lieutenant Pratt „Besser nicht. Ich hab Flugangst“, grinste Dean und nahm einen großen Schluck Kaffee. Die ersten Tage waren ruhig. Drei Unfälle und ein Schuppen, den jemand angesteckt hatte. Lt. Pratt ließ seinen Anwärter selbst entscheiden wie weit er helfen wollte und konnte und musste ihn eher bremsen als antreiben. Wieso sah Grady das Potential dieses Mannes nicht? Aber wieso sollte er auch. Dean war nicht der erste, den er so vertrieb. Vielleicht sollte er mal mit dem Chief reden? Reed schien ganz vernünftig zu sein. Mal sehen, was sich ergab. Rasend schnell verging die erste Woche und damit Deans Erkältung und das trotz der erneuten Sonderschicht bei Grady. Geschafft kam er Freitagmorgen in ihre Wohnung. Er schloss die Tür und schnupperte. Sofort schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Sammy erwartete ihn mit Kaffee und, wie ein kurzer Blick zum Tisch zeigte, nicht nur mit Kaffee. Schnell entledigter sich seiner Jacke und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Gähnend rieb er sich die Augen. „Vielleicht hätte ich dich doch erst schlafen schicken sollen“, überlegte Sam und schob sich einen Löffel Müsli in den Mund. In diesem Moment knurrte Deans Magen und Sam hatte alle Mühe, sein Müsli in den Magen und nicht durch die Nase wieder nach draußen zu befördern. „Ich werde nie wieder in Gegenwart deines Magens über Essen reden“, grummelte er noch immer leicht hustend. Dean grinste und schob sich einen weiteren Bissen Rührei in den Mund und unterdrückte ein Gähnen. „Kümmern wir uns heute Nacht um den letzten Geist?“, fragte er. „Ja, sollten wir.“ „So wie du klingst, weißt du wer er war und wo er begraben ist.“ „Ja. Er liegt auf den Knightbridge Friedhof.“ „Na das klingt doch richtig gut. Der Friedhof liegt ziemlich einsam und am Wald.“ „Woher weißt Du das?“ „Ich habe mir vor ein paar Tagen mal die umliegenden Friedhöfe angesehen.“ „Okay. Dann gehst du jetzt ins Bett, ich mache hier Ordnung und gehe dann arbeiten und heute Nacht schicken wir einen Geist zur letzten Ruhe.“ „Das klingt nach einem Plan“, gähnte Dean schon wieder. Er trank den letzten Schluck Kaffee und schlurfte ins Bad. Der Mond strahlte in seiner vollen Größe vom Himmel, als Dean den Impala eine halbe Meile vom Friedhof entfernt am Waldrand abstellte. Der Wind strich kalt durch die fast kahlen Äste der Bäume. Eigentlich sollte hier jetzt der einsamste Ort sein, und doch huschten zwei Lichtkegel über die Grabsteine. „Das hier ist der älteste Teil des Friedhofes. Ich denke, dass er hier liegen müsste.“ Sam machte eine Armbewegung, die den vor ihnen liegenden Bereich umfasste. „Dann lass uns beginnen“, nickte Dean. Er schulterte den Spaten und nahm den Benzinkanister, dann wandte er sich nach links, während Sam die rechte Seite überprüfte. 20 Minuten später hatte Sam ihn gefunden und seinen Bruder zu sich gerufen. Sie zogen einen Salzkreis um das Grab. Auch wenn der Buttler nicht aufgetaucht war, als sie ihn vernichten wollten, der alte Wildenfels war gekommen und sicher war sicher. Dean begann zu graben, während sein Bruder die Umgebung im Auge behielt. „Du bist dran“, erklärte Dean nach einer Weile und kletterte aus dem Loch. Der Boden war verdammt hart und trocken und mit Wurzeln durchsetzt. „Okay“, sagte Sam und sprang in das Grab. „Sam!“, begann Dean leise und starrte auf den Mann, der auf das Grab zu kam. Hatte er sie gesehen? Gehört? Doch dann erkannte er, dass der Mann nicht ging, sondern eher schwebte. „Alles gut. Das muss der Balfour sein.“ Sam musterte den Mann kurz und widmete sich dann wieder seiner Arbeit, während Dean den Salzkreis kontrollierte. „Ich mach weiter!“, erklärte Dean nach einer Weile und sprang wieder in das Grab. Sam nickte dankbar. Auch er war außer Atem. Dean musste nicht mehr lange graben, bis er mit seinem Spaten auf einen dumpf klingenden Hohlraum stieß. Ein paar gezielte Schläge und endlich lagen die Knochen im bleichen Mondlicht vor ihnen. Er schaffte es gerade so aus dem Loch, als Sam das Salz auch schon hektisch im Sarg verteilte. „Hey“, motzte der Blonde, „darf ich erstmal rauskommen, oder willst du mich auch loswerden?“ „Nein, Dean! Aber dieser Balfour kreist immer wieder um das Grab und ich habe keine Ahnung, wie lange der Salzkreis bei dem immer stärker werdenden Wind noch hält.“ Erst jetzt merkte Dean wie windig es geworden war. Er nickte und schüttete das Benzin in den Sarg und warf ein Streichholzbriefchen hinterher. Das Fauchen der Flammen mischte sich mit dem Wind. Der Schrei Balfours, als auch seine Gestalt in Flammen aufging, war kaum zu hören. Die Brüder warteten, bis das Feuer erlosch. Erst danach begannen sie das Grab wieder zuzuschaufeln. Sie verteilten noch Laub auf dem Grasboden, dann schulterten sie ihre Schaufeln und gingen zurück zum Impala. Wieder hatten sie einen Fall erfolgreich abgeschlossen. Der folgende Samstag war Deans freier Tag und er hatte Sam versprochen, mit ihm in die Sonderausstellung im Wissenschaftsmuseum zu gehen. Eigentlich war ihm mehr nach einer Brechstange und einem Wrack, dass er auf Stans Schrottplatz malträtieren konnte, als nach einem Museum. Coon hatte sich mal wieder so richtig ins Zeug gelegt, um ihm das Leben schwer zu machen. Aber er hatte ja letzte Nacht einen Geist vernichtet und außerdem Sam versprochen mit ihm zu dieser Ausstellung zu gehen und er wollte mehr Zeit mit seinem Bruder verbringen. Sie sahen sich eh viel zu wenig und Sam freute sich schon seit Wochen auf diese Ausstellung. Nach dem Frühstück fuhren sie los. Wider Erwarten hatte Dean seinen Spaß an der Ausstellung über Physik und Chemie im Alltag. Voller Freude beobachtete Sam seinen Bruder, wie er jedes einzelne Experiment, dass er ausprobieren konnte auch wirklich machte. Gemeinsam fachsimpelten sie ob man das eine oder andere nicht auf andere Art besser oder ganz anders machen konnte und Sam freute sich, dass er Recht hatte, denn er hatte die Ausstellung ausgesucht, weil er hoffte, dass sie Dean gefallen und seine noch immer vorhandene kindliche Seite ansprechen und ihn glücklich machen würde. Außerdem wollte und sollte er ihn von dem Arbeitsstress ablenken, der seinen Bruder belastet, auch wenn er in der letzten Woche entspannter war. Immerhin arbeitete er in der zweiten Schicht und da schien er sich um Längen wohler zu fühlen. Nein, nicht nur schien. Da fühlte er sich um Längen wohler! Warum musste sein Bruder nur immer die miesen Seiten des Lebens zugeteilt bekommen? Das war so ungerecht! Erst John und jetzt Grady. Und immer versuchte er durchzuhalten, damit es seinem Bruder besser ging. Er drehte sich zu Dean und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er sah, wie konzentriert er versuchte hinter diese optische Täuschung zu kommen. Er trat neben ihn und gemeinsam ergründeten sie die Ursache. Viel zu schnell waren sie am Ausgang angekommen. „Das war´s schon?“, fragte Dean verdattert. „So sieht es wohl aus.“ „Also zu so einer Ausstellung kannst du mich gerne wieder mitschleppen“, lachte der Ältere. „Dabei war das noch nicht mal das Beste des Tages“, versprach Sam. „Was soll denn noch besseres kommen?“ „Ich war nicht sicher, ob es dich so sehr interessieren würde wie ich gehofft hatte, deshalb hab ich noch etwas Besonders für heute Nachmittag gebucht.“ „Und das wäre?“, wollte Dean neugierig wissen. „Lass dich überraschen!“, erwiderte Sam und hielt ihm die Hand vor die Nase. „Willst du um meine Hand anhalten?“, wollte Dean irritiert spöttisch wissen. „Vorerst nur um deine Autoschlüssel! Ich fahre. Dann kannst du dich schon mal dran gewöhnen.“ „Gewöhnen?“, echote Dean noch verwirrter. „Steig ein und frag nicht lange!“ Dean zuckte mit den Schultern, ging zur Beifahrerseite und ließ sich auf den Sitz fallen. Was hatte Sammy vor? Viel Zeit musste Dean nicht mit Grübeln verbringen. Schon bald bog Sam auf das Gelände einer Craft-Bier-Brauerei ein. Schon beim Aussteigen sah Sam wie die Augen seines Bruders leuchteten. „Ist es das, was ich denke?“, fragte Dean, kaum dass sein Bruder zu ihm aufgeschlossen hatte. „Keine Ahnung, was du denkst. In deinem Kopf herrscht öfter mal ein ziemliches Durcheinander“, grinste Sam. „Woher weißt du, was in meinem Kopf ...“ Dean winkte ab. „Vergiss es!“ Sams Grinsen wurde noch eine Spur breiter, während sie sich zu der Gruppe gesellten, die vor dem Eingang stand. „Wollen Sie auch zu der Führung?“, fragte Sam einen mexikanisch aussehenden Mann. „Ja, wollen wir.“ Sam nickte freundlich lächelnd. „Dann sind wir hier richtig.“ Ein junger Mann, auf keinen Fall älter als Dean, bekleidet mit einer Jeans, einem T-Shirt mit dem Logo der Function Brewing und einem blauweißen Flanellhemd, kam auf die Gruppe zu. "Ich werde ihnen heute unsere Produktion zeigen. Wir werden einen Stopp in der Entwicklung einlegen und zum Abschluss kredenzen wir ihnen ein paar Kostproben aus unserem Sortiment. Ich hoffe, sie werden einen schönen Nachmittag hier verbringen. Bitte folgen sie mir unauffällig.“ Er grinste kurz, wandte sich um und ging auf das nächste Gebäude zu. Stunden später tippte Sam Tylors Nummer in sein Handy. Eigentlich hatte er nur ein oder zwei Biere kosten wollen, um sie wieder zu ihrem Zuhause zu fahren, doch die Biere rochen gut und schmeckten noch besser. Jetzt sah er sich nicht mehr in der Lage Deans Baby sicher durch den Verkehr zu ihrer Wohnung zu lenken. Dabei hatten sie nicht mal ein Zehntel der hier gebrauten Sorten probiert. Sie würden bestimmt mal wiederkommen. Gut, dass er vorher mit Tylor gesprochen und der bereitwillig zugesagt hatte. Nur Dean über das Ausmaß dieses Arrangement zu informieren, hatte er irgendwie versäumt. „Das ist Tylor“, stellte er Dean seinen Kommilitonen vor, als sie draußen auf den Freund trafen. „Hey!“, grüßte Dean freundlich grinsend. „Schön dich mal in Natura zu Gesicht zu bekommen. Bislang warst du nur das Phantom aus Sams Erzählungen.“ „Das kann ich nur zurückgeben“, lachte der andere. „Er bringt uns zurück“, erklärte Sam das Zusammentreffen hier. „Alles klar.“ Dean nickte. So ganz fühlte er sich nicht mehr in der Lage zu fahren und Sam ging es wohl genauso. „Wo steht dein Auto?" „Mein Auto?“, begann Tylor und schaute irritiert zu Sam. „Vor unserer Wohnung. Er fährt uns mit dem Impala ...“, versuchte Sam zu erklären. „Er soll mein …?“ Dean schluckte. Sein Blick wanderte nervös über den Fremden, dann straffte er sich. „Er nicht! Ich fahre!“ Auf keinen Fall würde er Baby einem Fremden anvertrauen, egal wie gut Sam ihn kannte! „Du wirst uns nicht fahren! Du bist nicht in der Verfassung zu fahren. Du bist betrunken!“, warf Sam beschwörend ein. „Ich war schon in schlimmerer VERFASSUNG“, Dean spuckte das Wort regelrecht aus, „und bin gefahren!“ „Das waren andere Zeiten, Dean!“, versuchte Sam die Autorität des Größeren auszuspielen und schaute um Verständnis heischend zu Tylor. „Gib mir zwei Minuten.“ Dann zog er Dean etwas zur Seite. „Komm schon“, versuchte er auf ihn einzureden, „Tylor hat einen Führerschein. Er kann fahren und er hat sich extra für heute Abend nichts vorgenommen, falls wir hier versacken. Er wird deinem Baby kein Zahnrad verbiegen!“ Kapitel 31: Kids of america --------------------------- 031 Kids of america Dean holte Luft, um etwas zu antworten. Noch war er nicht überzeugt, dass ein Fremder sein Baby fahren sollte. Nein, er war noch lange nicht überzeugt! „Wir müssten sonst morgen noch mal her und sie holen. Willst du sie hier alleine stehen lassen? In einem Gewerbegebiet?“, ließ ihn Sam gar nicht erst zu Wort kommen. Das letzte Wort gab den Ausschlag. Deans Widerstand brach. Widerwillig nickte er und ging über den Parkplatz zu seinem Baby, während Sam den Impalaschlüssel aus der Tasche holte und an Tylor weiterreichte. „Ich erkläre es dir später“, sagte er nur leise und folgte seinem Bruder zum Wagen. Tylor schüttelte irritiert den Kopf. Diese Erklärung interessierte ihn brennend! Er zuckte mit den Schultern und folgte den Brüdern. Er schloss den Wagen auf und setzte sich auf den Fahrersitz. Dean, der ja nicht fahren durfte, verkroch sich im Fond. Er wollte sich das Elend gar nicht genauer ansehen und schloss sofort die Augen. So blieb Sam nichts weiter übrig, als sich auf seinen angestammten Platz fallen zu lassen. Er schaute sich kurz nach seinem Bruder um, schüttelte den Kopf und gab Tylor das Startsignal. Auf dem Parkplatz angekommen, musste Sam seinen Bruder wecken. „Wir sind da“, antwortete er leise auf Deans fragenden Blick. Der ältere Winchester grummelte etwas Unverständliches, schälte sich aus seinem Sitz und schlurfte zur Tür, jetzt war nur noch wichtig, in sein Bett zu kommen. Sein Baby würde er morgen begutachten. „Was war das denn?“, fragte Tylor sichtlich amüsiert. „Dean wie er leibt und lebt“, antwortete Sam etwas wehmütig. „Und was sollte das vorhin?“ Sam seufzte. Die Antwort war er dem Freund schuldig. Aber wo begann er und was ließ er weg? „Der Wagen war jahrelang unser Zuhause! Die Hälfte unseres Lebens haben wir in diesem Wagen verbracht, seit Moms Tod. Er ist Deans ein und alles. Dad hat ihn ihm zu seinem 18. Geburtstag geschenkt.“ Er atmete durch und hoffte, dass Tylor sich damit zumindest heute zufriedengab. Und der machte ihm diese Freude. Er nickte, legte seine Hand auf Sams Schulter und lächelte ihn an. „Wir sehen uns Montag. Schlaf gut.“ „Danke, Tylor. Du auch.“ Er schaute ihm noch hinterher, bis der seinen Wagen vom Parkplatz gelenkt hatte. Erst dann ging er ins Haus, die Treppe hinauf und in ihre Wohnung. Nach einem Blick in Deans Zimmer, auf seinen schon schlafenden Bruder, ging er in sein Zimmer, zog sich aus und legte sich ins Bett. Sams Handy riss ihn am Sonntagmorgen aus dem Schlaf. Kurz musste er sich sortieren. Warum hatte er sich den Wecker gestellt? Aber ja. Dean musste zum Dienst und er wollte wenigstens mit ihm frühstücken. Er stand auf, machte sich fertig und hämmerte dann gegen Deans Tür, da der sich bis jetzt noch nicht gerührt hatte. Erst danach begann er ihr Frühstück zuzubereiten. Er legte gerade die letzte Ladung Rührei auf einen Teller, als Dean aus dem Bad kam. „Wenn es dich nicht gäbe, müsste man dich erfinden“, erklärte der und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Gut geschlafen?“, wollte Sam wissen. „Zu zeitig aufgehört.“ Dean nahm sich Rührei und Speck und eine Scheibe Toast. Er schaute zu Sam. „Der Tag gestern war toll. Danke. Aber wenn du mal wieder planst, einem Fremden die Schlüssel für mein Baby zu geben, wüsste ich das gerne vorher“, erklärte Dean ruhig zwischen zwei Bissen. „Eigentlich hatte ich es nicht vor. Naja, ich habe Tylor gefragt, ob er uns holen könnte, falls ich auch versumpfen sollte, hatte aber geplant, dass ich fahre. Trotzdem fand ich es nicht so toll, wie du Tylor abgekanzelt hast.“ „Du weißt wie ich zu dem Impala stehe und auch, dass ich nicht jeden an ihr Lenkrad lasse.“ Sam verdrehte die Augen und schob sich einen Löffel Müsli in den Mund. Es brachte nichts jetzt noch weiter auf dem Thema rumzureiten. So würde er zu keinem Ergebnis kommen. In aller Ruhe beendeten sie das Frühstück. „Warum kommt ihr nicht öfter mal her, zum Lernen?“, wollte Dean wissen, während er seinen Teller in die Küche brachte, „Dann kann ich ihn mal etwas näher kennen lernen.“ Er nahm seine Jacke und machte sich auf den Weg zu seiner Schicht. In der Tür blieb er noch einmal stehen und schaute zu seinem Bruder. „Danke Sammy! Danke für das Frühstück und dass du mich aus dem Bett geworfen hast und Danke für diesen wundervollen Tag gestern. Es ist immer wieder schön, wenn ich Zeit mit dir verbringen kann. Danke!“ Er strahlte ihn breit an und verschwand nun endgültig. Sam lächelte ebenfalls. Auch er verbrachte gerne Zeit mit seinem Bruder und er hoffte, diesen Tag bald zu wiederholen. Drei Tage später saßen Sam und Tylor in einer weiteren trockenen Vorlesung zum Wirtschaftsrecht. Sam hasste es. Natürlich hörte er zu und natürlich machte er sich Notizen und lernte auch fleißig. Trotzdem konnte er sich für diesen Zweig des Rechtssystems nicht erwärmen. „Und jetzt habe ich für sie eine Projektarbeit. Sie arbeiten in Dreiergruppen zusammen“, erklärte der Professor. Tylor und Sam schauten sich fragend an, während der Professor begann die Gruppen zusammen zu stellen. „Mr. Lane, Mr. Winchester, sie werden diese Projektarbeit mit Miss Chase ausarbeiten“, erklärte der Professor gerade. Sam und Tylor schauten sich kurz an und dann zu der jungen Frau, die vor ihnen saß. Eine Ureinwohnerin, wie sie im Buche stand. Schwarze Haare, die ihr lang und schwer über den Rücken fielen. Ihr einziger Schmuck waren ein Ohrring, der eine stilisierte Feder darstellte und ein schmales Armband aus roten, blauen und weißen Perlen. Sie trug eine einfache helle Bluse und Jeans. Sam schenkte ihr ein kurzes Lächeln, dann wurden sie auch schon gebeten, nach vorn zu kommen, und sich eine Mappe vom Tisch zu holen. Es lagen nur noch wenige Mappen auf dem Tisch, als die drei an der Reihe waren. Sofort griff Miss Chase zu.“ Die würde ich gerne nehmen“, sagte sie und hielt ihnen die Mappe hin. Umweltskandal in einem Reservat laß Sam. Er warf einen Blick zu Tylor. Der zuckte nur die Schultern. Das eine wäre so gut wie das andere. Er nickte. „Okay“, bestätigte auch Sam. Gemeinsam gingen sie zu ihren Plätzen zurück. „In diesen Mappen haben wir ihnen einige Fakten aufgelistet. Um es nicht ganz so einfach zu machen, haben sie Informationen zu drei Verdächtigen. Erarbeiten sie anhand der vorliegenden Fakten und dem ihnen bekannten Recht eine Anklage vor und entscheiden sie ob es strafrechtlich oder in einem Zivilverfahren verhandelt werden soll.“ Sofort begannen einige Studenten zu murren. Der Professor hob die Hand. „Ja ich weiß, dass das Auffinden der Verdächtigen Sache der Ermittler ist. Aber egal ob sie in der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung arbeiten werden, sie sollten schon in der Lage sein, Fakten zu beurteilen. Dass soll es auch schon für heute gewesen sein. Sie haben bis Weihnachten für diese Arbeit Zeit. Einen schönen Tag noch“, verabschiedete sich der Professor. Er packte seine Papiere zusammen und verließ den Saal. Vor der Tür blieben Sam und Tylor stehen und warteten auf ihre neue Partnerin. „Wo wollen wir hingehen?“, fragte sie, die Mappe noch immer an ihre Brust gepresst, als wäre sie ein wertvolles Gut. „Meine Mitbewohnerin ist ...“, sie zuckte die Schultern. „Ich möchte sie euch nicht unbedingt antun.“ „Wir wollten heute bei Sam lernen“, erklärte Tylor. „Ich bin übrigens Tylor.“ „Mitena“ Sie schaute zu Sam auf. „Wenn es dir Recht ist?“ „Warum nicht. Dean kommt erst gegen acht.“ Er schaute zu ihr. „Dean?“, wollte sie sofort wissen. „Mein großer Bruder. Wir wohnen zusammen“, erklärte Sam kurz. „Hast du ein Auto, oder soll dich einer von uns mitnehmen?“ „Nein, ich habe eins“, antwortete sie und deutete auf den Parkplatz. „Gut, dann fahre uns einfach nach. Meiner ist der Kombi da vorn“, Sam deutete auf seinen Wagen. Mitena nickte kurz und lief los, um ihren Wagen zu holen. „Sucht euch einen Platz“, bat Sam, nachdem er die Wohnungstür geöffnet und seine Kommilitonen in die Wohnung gelassen hatte. „Ich koche mal Kaffee.“ Tylor schaute sich kurz in dem Wohnraum umgesehen hatte. Viel Persönliches gab es allerdings nicht zu entdecken. Nur im Bücherregal neben dem Eingang standen drei gerahmte Fotografien. Ein kleiner Junge, der ein Baby auf dem Schoß hatte, der kleine Junge mit einer blonden Frau und diese blonde Frau allein. „Eure Mutter?“, fragte Tylor und deutete auf das Bild. Er drehte sich zu Sam um. Sofort trat auch Mitena neben ihn und schaute sich die Bilder an. „Ja“, nickte Sam. „Mom, Mom mit Dean und Dean mit mir.“ „Und euer Vater?“, fragte sie. „Von dem wirst du hier kein Foto finden.“ Tylor legte fragend den Kopf schief, sagte aber nichts. Sam hatte noch nie über seinen Vater gesprochen. Er wandte sich von den Bildern ab und setzte sich zu Sam an den Tisch. Mitena folgte ihm. „Ich komme aus Colorado. Meine Eltern sind Farmer. Ich habe zwei ältere Schwestern. Eine ist mit einem Farmer verheiratet, die andere lebt in der Stadt und arbeitet in einer Werbeagentur“, begann Tylor. „Ich wurde in Kansas geboren. Meine Mutter starb als ich ein halbes Jahr alt war. Unser Vater hat das nicht verkraftet. Er zog ständig von einem Job zum nächsten. Ich bin in Motels aufgewachsen und war die meiste Zeit mit Dean, meinem Bruder, allein.“ „Mitena Chase, vom Stamm der Omaha. Ich wurde in Rosalie, Nebraska geboren. Meine Mutter starb auch früh und ich bin zu meinen Großeltern gekommen. Bis Großmutter starb, war es die schönste Zeit meines Lebens. Dann kam ich zu meinem Vater, zu dem ich bis dahin kaum Kontakt hatte.“ Sie verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Deshalb der Fall im Reservat“, stellte Sam ruhig fest. „Ja, ich möchte mehr für die Rechte der Ureinwohner und die Erhaltung der Natur in den Reservaten tun und ich bin für die Erhaltung der indianischen Kultur. Und das bedeutet für mich nicht nur von den Casinoeinnahmen zu profitieren, wie mein Vater, der glaubt das sei das Einzige was den Indianern im modernen Amerika noch bleibt.“ „Du magst ihn nicht sonderlich?“, fragte Tylor. „Nein. Er verleugnet unser Erbe und ...“, sie schüttelte den Kopf. „Wir hatten nie ein gutes Verhältnis zueinander.“ Sam nickte. Er stand auf und holte den Kaffee, Tassen, Milch und Zucker. „Lasst uns anfangen.“ Mitena legte die Mappe auf den Tisch und sie begannen die einzelnen Informationen zu sortieren. „Hey, ich hab ...“, begann Dean, kaum dass er die Wohnungstür geöffnet hatte. Verdutzt schaute er auf die Runde am Tisch. „Ich wollte eigentlich T-Bone-Steaks machen, habe aber nicht mit Besuch gerechnet.“ „Dean! Hey. Ich habe vergessen dir Bescheid zu sagen, Entschuldige“, bat Sam und wandte sich an Mitena. „Mein Bruder Dean. Dean. Das ist Mitena Chase.“ „Hey“, grüßte er die und Tylor. „Kein Problem, dann fahre ich eben noch mal los.“ „Nein, lass mal. Wir wollten uns was bestellen“, wiegelte Sam sofort ab. „So können wir das mal weglegen. Irgendwie kommen wir hier nicht weiter. Was willst du?“ „Chinesisch?“ „Ihr auch? Oder was anderes?“ „Nein, chinesisch klingt gut“, nickte Mitena. Dean holte die Karte und reichte sie Tylor. „Wegen Samstag. Entschuldige bitte, dass ich dich so angepflaumt habe. Es ist nur ... Sie war jahrelang unser einziges Zuhause und ...“ „Ist schon okay, Dean. Sam hat es mir auch schon erklärt.“ „Gut“, nickte Dean. Er nahm sich das Informationsblatt einer Entsorgungsfirma die damit warb, Giftmüll umweltfreundlich zu entsorgen. Er überflog den Text und legte das Blatt wieder weg. Sam beobachtete ihn dabei. „Was wird das?“, wollte Dean wissen und deutete auf den Wust an Papieren. „Wir sollen eine Anklage ausarbeiten. Einer der drei ist für den Anstieg von Krebserkrankungen verantwortlich, aber wir können uns nicht einigen, wem wir den Prozess machen wollen. Da wäre der Farmer, der genveränderten Mais anbaut und viele Flächen mit Pestiziden behandelt. Eine Textilfirma, die jede Menge Chemie verwendet und das umweltfreundliche Entsorgungsunternehmen.“ „Sowas gibt’s?“, wollte Dean misstrauisch wissen. „Scheinbar. Sie haben Auszeichnungen für ihr Verfahren bekommen.“ „Soll ich es mir mal angucken?“, bot Dean an. „Warum nicht?“, Sam zuckte mit den Schultern und nickte. Er nahm das Telefon und bestellte ihr Essen. Mitena musterte den Winchester, der die Informationsblätter zu den einzelnen Firmen überflog und dabei auf dem Ende eines Stiftes kaute. Kapitel 32: Spring! ------------------- 032 Spring! Das Essen kam. Dean schob die Blätter zusammen und legte sie auf einen Stapel, damit Sam Platz hatte, die Boxen zu verteilen, während er Bier, Kaffee und Wasser holte. "Was bedeutet Mitena?", wollte Dean zwischen zwei Bissen von ihr wissen. "Warum muss es etwas bedeuten?" "Haben die Namen deines Volkes nicht immer eine Bedeutung?" "Hat dein Name eine Bedeutung?", hakte sie lauernd nach. "Soviel wie der Älteste oder der Anführer", Dean grinste breit. Sein Blick huschte zu Sam. "Passt ja wohl." Dann wandte er sich wieder Mitena zu. "Könnte aber auch von Dekan kommen." Sie lachte. Da hatte er sie erwischt. "Bei Vollmond geboren. Meine Mutter wollte einen Namen unseres Volkes und da ich bei Vollmond geboren wurde ..." "Klingt schön", nickte Dean, "und wie ruft man dich?" "Mein Vater sagt Tina. Ich mag es nicht." "Wie wäre es dann mit Mighty, so als Ansporn, dass du mal eine mächtige Anwältin der Ureinwohner wirst?" "Das wäre toll. Mein Ur-Ur, viele Urs, Großvater war Harim Chase. Er gründete mit Thomas Sloan die erste "Indianer"-Kanzlei. Sie waren die ersten indianischen Anwälte vor dem US Supreme Court und Chase war Mitbegründer der Society of American Indians." "Das sind ziemlich große Schuhe, die du dir da ausgesucht hast", stellte Dean fest. "Es würde mir schon reichen, wenn ich etwas für die Lebensqualität meines Volkes tun könnte und für mehr Umweltschutz in den Indianerterritorien." "Ich wünsche dir viel Glück, Mity!", erklärte Dean. Er trank sein Bier aus und brachte alles in die Küche. Sam und Tylor hatten interessiert zugehört. Da hatte sich ihre Mitstreiterin in der Tat viel vorgenommen. Sie bewunderten sie für so viel Enthusiasmus. Ihnen reichte es schon, für etwas mehr Gerechtigkeit sorgen zu können. "Macht nicht mehr zu lange", bat Dean und verzog sich in sein Zimmer. "Wir gehen es noch mal durch und, dann denke ich, werden wir auch aufhören", nickte Tylor. Sam sortierte die Informationen zu den einzelnen Firmen zusammen, die Dean nur auf den Stapel geschoben hatte. "Und? Hast du inzwischen eine Idee, welchen Verursacher wir abklagen sollen?", wollte Tylor wissen. "Den Farmer. Er versprüht die Pestizide!", vertrat Mity die Meinung, die sie schon den ganzen Abend hatte. Sam wollte ihr fast zustimmen, einer war so gut oder schlecht wie der andere und er wollte die Diskussion endlich beenden, als sein Blick auf die von Dean eingekreisten Zahlen fiel. Irgendwas war Dean daran komisch vorgekommen, nur was? Er blätterte erneut durch den Stapel. "Jetzt weiß ich auch, was mich die ganze Zeit stutzig gemacht hat. Hier", er hielt die Zahlen Tylor hin und deutete darauf." "Oh man, war ich blind!", grinste der und schob die Blätter an Mitena weiter. Das Entsorgungsunternehmen!", sagte Sam. "Wieso das? Die tun was für die Umwelt, haben Preise gewonnen. Die sicher nicht", wehrte sie ab und blätterte erneut durch die Papiere. "In ihrer Werbebroschüre steht, wie viele Tonnen Giftmüll sie täglich in ungefährlichen Belag für Straßen und Spielplätze umwandeln können. Laut Bilanz haben sie aber viel mehr Giftmüll abgenommen. Wo ist der Rest?" "Oh man, war ich blind", stöhnte sie. "Da tut jemand offensichtlich was für mein Volk und schon lasse ich mich davon blenden! Ich habe echt noch viel zu lernen!" "Das Wichtigste hast du schon gelernt", stellte Tylor fest. "Was denn?" "Einen Fehler zuzugeben und dem Urteil anderer vertrauen, nachdem du es geprüft hast." "Dann nehmen wir eben den, auch wenn mir der Farmer lieber gewesen wäre." Sie unterhielten sich noch ein Bisschen, bevor sie ihre Unterlagen zusammenpackten und Sam sie zur Tür brachte. Er war stolz auf seinen Bruder, hatte der doch noch immer das Gespür und den Blick für die Details, die gerne übersehen wurden. Bevor er ins Bett ging, schrieb er seinem Bruder noch einen Zettel. Danke, du hattest Recht und malte einen breit lachenden Smiley darunter. Während Deans nächster Schicht musste die Feuerwache zu einem Wohnungsbrand ausrücken. Als die Wagen um die Ecke bogen, wartete schon eine große Traube Menschen vor einem der dreistöckigen Blocks der Apartment-Anlage auf der Straße. Bereitwillig machten sie der Drehleiter und dem Materialwagen der mit ihnen anrückenden Rüstgruppe Platz. Lt. Pratt sprang aus dem Wagen und wurde, noch bevor er sich ein Bild der Lage machen konnte umlagert. Alle redeten durcheinander. „Einer nach dem anderen, bitte!“, forderte der, während seine Truppe schon Schläuche ausrollte und mit dem Hydranten verbanden. „Da sind alle raus“, erklärte ein älterer Mann und wedelte mit der Hand ziemlich ungenau in Richtung zweier Eingänge, aus denen Rauch quoll. In den Fenstern der Treppenhäuser konnte er es flackern sehen. „Drehleiter 39 an Einsatzleitung! Wir brauchen hier Verstärkung. Zwei Eingänge im Vollbrand!“, sprach er in sein Funkgerät, dann wandte er sich wieder den Mann zu. „Nun noch mal langsam! Wo sind alle raus?“ „Aus den unteren Wohnungen in Haus Nummer drei und vier sind alle raus. Auch aus den Wohnungen im ersten Geschoss. Aus Haus vier sind die Bewohner des Dachgeschosses im Urlaub und arbeiten. In Nummer drei ...“ Er zuckte mit den Schultern. „Da wohnte eine ältere Dame, die keinen Kontakt zu ihren Nachbarn pflegte. Manchmal kam eine junge Frau mit Kind …“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Wir haben weder die Dame noch die junge Frau in letzter Zeit gesehen.“ Der Lieutenant nickte. Diese Angaben besagten alles und nichts. Er würde sich nicht darauf verlassen, sondern trotzdem noch einen Trupp in jede Wohnung schicken. „Ted, Dean! Ihr nehmt euch Nummer drei vor. Geht in alle Wohnungen. „Dustin, John, Nummer vier.“ Sofort stürmten die Vier los. Beim Betreten des Hauses warf Dean einen Blick zur Decke. Natürlich hing da niemand und natürlich wusste er das. Doch er konnte diese Angewohnheit wohl genauso wenig abstreifen, wie die, seinen kleinen Bruder, um jeden Preis schützen zu wollen. „Wir fangen oben an“, erklärte Everwood und stürmte die Treppe hinauf. Dean folgte ihm. Im Dachgeschoss angekommen hämmerte er kurz gegen die Tür. „Feuerwehr! Öffnen Sie!“, rief er und trat, als sich keiner meldete, die Tür ein. Systematisch durchsuchten sie die Wohnung und fanden eine Frau im Sessel sitzend, die schon vor dem Feuer tot gewesen sein musste. „Hier ist eine Leiche“, meldete Ted seinem Lieutenant. „Aber schon länger nicht mehr am Leben!“ „Okay, sucht weiter“, schnarrte es aus dem Lautsprecher. Dean wandte sich ab. Leben retten war wichtiger als Tote bergen und in dieser Wohnung lebte niemand mehr. Sie verließen die Wohnung. Die nächste Tür, das gleiche Prozedere. Dieses Mal war Dean derjenige, der die Tür eintrat und die Wohnung als Erster betrat. Sie fanden niemanden, genau wie in den anderen Wohnungen des Hauses. „Sollen wie die Frau rausholen?“, fragte Ted den Lieutenant, als sie die letzte Wohnung verließen. „Nein, kommt raus, wir brauchen hier jede Hand beim Löschen. So wie es aussieht, will das Feuer über den Dachboden weiterwandern.“ Sie liefen nach draußen und beteiligten sich sofort an den Löscharbeiten. Mit einem Mal fühlte Dean das altbekannte Kribbeln, wenn seine Instinkte anschlugen und er plötzlich wusste, wo ein Vermisster oder ein Opfer zu finden war. Suchend schaute er sich um und da stand sie! „Ted!“, rief er und klopfte ihm auf die Schulter. „Was?“ Ohne den Schlauch sinken zu lassen drehte der sich um und Dean zeigte auf ein Fenster. „Ben!“, brüllte Everwood in sein Mikro und deutete auf den kleinen Balkon, auf der eine Frau mit einem Baby stand. „Verdammt!“, schimpfte der Lieutenant. „Wo kommen die denn her? Die Wohnung sollte doch leer sein!“ Das würde er später mit der anderen Wache klären müssen, die vorsorglich die Wohnungen im Haus Nummer 2 überprüft und evakuiert hatte. Jetzt hieß es die Frau zu retten. „Das Treppenhaus ist keine Option“, rief Carlton James, einer der Feuerwehrmänner der anderen Wache, der die unteren Wohnungen dieses Eingangs überprüft hatte. „Das war von zehn Minuten schon vollkommen verraucht.“ „Drehleiter“, warf Dean ein, wandte sich zum Wagen. „Okay. Ted, du geht’s mit hoch. Dustin, du steuerst von unten“, befahl Lt. Pratt. Sofort stürme Dean los, enterte die Leiter und kletterte auf dem immer weiter ausfahrenden Teil nach oben. Endlich war er dicht genug an dem Balkon, um mit der Frau reden zu können. „Weiter ran!“, rief er in sein Mikro. So würde die Frau das Kind werfen müssen und ob sie das tat? Er bezweifelte es. „Wir können nicht noch weiter ausschwenken ohne zu riskieren, dass der ganze Wagen kippt!“, tönte Dustin von unten. „Verdammt!“, knirschte Dean und schaute zu der Frau hinüber. Er nahm seine Sauerstoffmaske ab. So sah er ja aus wie ein Marsmensch. „Ma´am“, rief er ihr zu. „Ma´am!“ Endlich schaute sie zu ihm. „Wie heißen Sie?“ „Kristin“, erklärte sie etwas verwirrt. „Hallo Kristin! Ich bin Dean.“ Er strahlte sie mit seinem entwaffnensten Lächeln an. „Sie müssen ihr Baby zu mir rüber werfen. Hören Sie, Kristin? Bitte!“ „Ich werden mein Baby nicht werfen!“, schrie sie entsetzt auf. „Ma´am, bitte! Sie können nicht springen, wenn sie ihr Kind im Arm haben!“ „Ich will nicht … Nein! Ich werde mein Kind nicht … Nein!“ Panisch schüttelte sie den Kopf. „Warum kommen Sie nicht näher ran?“ „Das würde viel zu lange dauern. Hier stehen viel zu viele Hindernisse im Weg.“ Er deutete auf die vielen geparkten Fahrzeuge.“ Bis dahin hätten die Flammen Sie schon lange erreicht!“ „Warum kommen sie nicht über das Treppenhaus?“ „Die Treppe ist verschüttet. Da ist ein Teil der Decke runtergekommen“, log Dean ihr ins Gesicht. Selbst wenn es ginge, war es höchst unwahrscheinlich sie und das Kind über diesen Weg zu retten. „Bitte Kristin. Ich fange es auf und mein Kollege bringt Ihr Baby in Sicherheit während ich Ihnen helfe.“ „Nein, ich … Oh mein Gott!“, stöhnte sie und warf das Bündel, dass sie in den Armen hielt so plötzlich in Deans Richtung, dass der kaum Zeit hatte, zu reagieren. Nur dank seiner Reflexe konnte er gerade noch rechtzeitig zufassen. „Verdammt“, knirschte er und drückte das kleine Wesen an seine Brust. „Hey“, lächelte er auf das Baby herab und strich sanft über dessen Wange. Dann drehte er sich etwas umständlich zu Ted herum und drückte ihm das Kleine in die Arme. Sofort machte der sich an den Abstieg. Die Leiter schien erleichtert auszuatmen und richtete sich etwas auf. „Jetzt Sie!“, forderte Dean nachdem er sich wieder der Frau zugewandte. „Kommen Sie, Kristin. Sie müssen springen! Ich fange Sie auf!“ Hoffentlich versprach er da nicht zu viel! „Nein, ich kann nicht!“ „Kommen Sie! Sie müssen da weg! Das Feuer wird Sie jede Minute erreichen!“ „Ich kann nicht! Mein Sohn!“ „Mein Kollege bringt ihn in Sicherheit“, rief Dean und deutete auf Ted, der über die Hälfte des Weges nach unten schon geschafft hatte. „Nein, Sie verstehen nicht! Mein Sohn!“ Sie beugte sich zur Seite und hob einen kleinen Jungen hoch, der wohl die ganze Zeit neben ihr gestanden hatte, aber zu klein war, als das ihn Dean hinter der Brüstung hätte sehen können. „Verdammt!“, fluchte er laut, bevor er den Knopf seines Mikrofons drückte. „Ich brauche hier oben Hilfe, und ein Seil!“ Ted hielt inne, schaute auf und sah den kleinen Jungen, den die Mutter jetzt auf dem Arm hatte. „Ach du heiliger Strohsack!“, keuchte er. Schnell jedoch hatte er sich wieder im Griff. „Einer muss mir das Baby abnehmen und ein Seil mitbringen!“ Kevin sprintete nach einem Sicherungsseil. Er kletterte wie ein Affe auf die Leiter, tauschte Seil gegen Baby und kam nun viel langsamer wieder zurück, während Ted wieder nach oben zu Dean stieg. „Hey, hier“, sagte er und drückte ihm das Seil in die Hand. „Kannst du mich sichern?“, bat Dean und Ted nickte. Er umfasste Deans Unterschenkel, während der sich auf die Leiter legte und sich so weit wie möglich zu der Frau und dem Kind hinüber lehnte. Er warf ihr das eine Ende des Seils zu. „Binden Sie es um seine Brust und machen Sie einen richtigen Knoten“, forderte Dean. „Sie haben gesagt, dass Sie Daniel sicher fangen!?!“, forderte sie panisch. Das hatte Dean zwar nicht, trotzdem antwortete er ruhig: „Ich fange ihn, Kristin, trotzdem möchte ich, dass Sie ihn zusätzlich sichern!“ Sie nickte fahrig, wickelte ihrem Sohn das Seil um die Brust und verknotete es vorn. „Gut“, lobte Dean. „Jetzt helfen Sie ihm sich auf die Brüstung zu stellen. Halten Sie ihm ihre Hand hin, damit er sich abstützen kann! Und du, Daniel, wenn du stehst, drückst du dich ganz fest ab und springst zu mir rüber, okay?“ Daniel nickte unsicher und Dean betete stumm, dass der Kleine sich beeilen möge. Die Muskeln in seinen Oberschenkeln brannten. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, weil er die Bauchmuskeln die ganze Zeit anspannte. „Ich kann nicht!“, wisperte der Kleine kaum vernehmbar. „Ich hab Angst.“ Dean las es mehr von seinen Lippen, als dass er es verstanden hätte. „Daniel, dein kleiner Bruder wartet unten auf dich. Komm. Schau zu mir, nicht nach unten. Immer nur zu mir schauen. Geh ein bisschen in die Hocke und jetzt spring!“ Wie ein Kaninchen die Schlange starrte Daniel Dean an und folgte seinen Anweisungen. So wie Dean „spring“ gesagt hatte, drückte er sich ab und sprang. Kapitel 33: Amercan Pie ----------------------- 033) American pie Sicher landete der Junge in Deans Armen. Dean gab ein leises, schmerzhaftes „Umpf“, von sich, als das zusätzliche Gewicht an seinen Muskeln riss. Er atmete tief durch. „Ted?“, langsam beugte er sich nach unten und leicht zur Seite. „Ich lass dein Bein los!“, informierte der Kamerad. „Okay“ Dean drehte seine Füße nach außen, so dass er sich damit für einen Moment halten konnte und schob den Jungen in Teds Arme. Ted stellte ihn vor sich auf die Leiter. „Wir klettern jetzt gemeinsam die Leiter hinunter. Immer nur einen Fuß nach dem anderen, okay?“, sagte er zu Daniel und begann mit dem Abstieg, der für den Kleinen gar nicht so einfach war. Dean stemmte sich mit den Händen an der Leiter ab und atmete kurz durch. Er schaute zu der Frau. „Geben sie Ihrem Sohn etwas Vorsprung, bevor Sie springen“, bat er. „Ich kann nicht!“ „Doch Kristin, Sie können. Ihre Jungs sind in Sicherheit und Sie wollen bestimmt nicht, dass sie ohne Mutter aufwachsen müssen!“ Dean blickte nach unten und sah, dass er ein, zwei Sprossen hinabsteigen konnte, was er auch sofort machte. Seine malträtierten Muskeln jubelten, als er sich mit dem Bauch auf die Leiter fallen ließ. „Aber Sie sind so weit weg! Können sie nicht wieder näherkommen?“ „Dann stürzen wir beide ab!“ „Ich kann das nicht!“ Inzwischen war Ted mit dem Jungen unten angekommen und in Sicherheit. „Doch“, rief Dean. „Kommen Sie, Kristin. Ihre Jungs warten unten auf Sie!“ „Mommy!“, hörten sie Daniel ganz schwach gegen das Prasseln der Flammen und Kristin fasste sich ein Herz. Sie kletterte auf die Brüstung und ließ sich mehr fallen als das sie sprang. Dean erwischte sie an den Armen. Seine Finger schlossen sie wie Schraubstöcke, bevor er begann sie langsam zu sich heran zu ziehen. Gleichzeitig begann David die Drehleiter einzuziehen. Endlich hatten Dean und Kristin wieder festen Boden unter den Füßen. Sie lief sofort zu ihren Söhnen, die sie fest an sich drückte, bevor sie die Sanitäter auch nur wahrnahm. Dean stakste mit wackligen Knien zu Ted, der sich, nachdem er David bei den Sanitätern abgegeben hatte, wieder den Löscharbeiten angeschlossen hatte. Dean trat hinter ihn, um ihn weiter zu unterstützen. Ihre Schicht war fast zu Ende, als sie die Schläuche zusammenpackten. Jeder, der an Dean vorbeikam, klopfte ihm auf die Schulter: „Gut gemacht!“ Auch Lt. Pratt kam zu ihm:“ Das war eine super Leistung! Ohne dich hätten sie wohl nicht so unbeschadet überlebt.“ Deans Wangen färbten sich rosa. Er starrte auf den Boden. „Das hätte doch jeder gemacht!“ „Wahrscheinlich. Aber du hast sie überhaupt erst bemerkt und du hast sie aus den Flammen gerettet. Nimm das Lob ruhig an!“ Dean hob den Blick und lächelte unsicher. „Danke.“ Er lief zu Ted, um ihm bei einem weiteren Schlauch zu helfen. Lt. Benjamin Pratt schnaufte. Er hatte die Traurigkeit in Deans Augen trotz des Lächelns gesehen. Verdammt! Warum musste Grady ihn so fertig machen? Der Winchester war ein hervorragender Feuerwehrmann von denen sie nie genug haben konnten. Doch er befürchtete, dass der seine Anwärterzeit nicht überstand, wenn Grady so weiter machte. Dean würde das nicht mehr lange durchhalten. Er hatte es jetzt schon viel länger geschafft als jeder andere, den Grady vertreiben wollte und Pratt fragte sich wie weit sich der Winchester verleugnen konnte. Wie viel hatte er schon einstecken müssen, um so ein dickes Fell zu haben? Er musste dringend mit Chief Reed reden, aber wann sollte er es machen? Er konnte ja schlecht da aufkreuzen und ihm erklären, dass Grady Anwärter seelisch misshandelte. Das würde ihm so niemand glauben! Er brauchte Beweise, aber wie sollte er die kriegen? Vielleicht hatte Ted ja eine Idee. Ihn würde er nach der Schicht zu einem Bier einladen, dann konnte sie ihr Vorgehen besprechen. Hoffentlich fiel ihnen etwas ein. Als Dean in ihr Zuhause kam, war Sam gerade aufgestanden. „Hey“, grüßte der Jüngere. „Willst du auch einen Kaffee?“ „Eigentlich habe ich noch genug Adrenalin im Körper, aber ja. Ich nehme auch einen.“ „Adrenalin?“ „Ja, wir mussten heute einen Großbrand löschen. In einem Block mit Mietwohnungen war ein Feuer ausgebrochen.“ „Konntet ihr alle retten?“ „Ich denke schon“, sagte Dean und pustete in seinen Kaffee. „Du denkst?“ „Naja, wir haben eine alte Frau gefunden, aber ich glaube, sie war schon vor dem Feuer tot.“ „Ermordet und dann hat der Mörder Feuer gelegt?“ „Nein. Ich gehe eher davon aus, dass sie einsam war und irgendwann einfach in ihrem Fernsehsessel gestorben ist.“ Dean kratzte sich im Nacken. „So möchte ich nicht sterben.“ „Einsam?“ Dean nickte. „Einsam.“ „Aber sonst konntet ihr alle retten?“, fragte Sam, um die Traurigkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen, die er in Deans Augen lauern sah. „Ja“ Dean erzählte von der Rettungsaktion der Frau und ihrer Kinder, ohne jedoch seine Rolle dabei hervorzuheben. Doch Sam konnte sich die auch so zusammenreimen. So sehr wie Dean noch immer strahlte, hatte er diese kleine Familie gerettet. Er lächelte breit und atmete tief durch. Endlich war sein Bruder wieder richtig glücklich. Hoffentlich hielt das noch eine Weile an. So langsam fragte er sich schon, ob seine Bemühungen Dean an seinen freien Tagen zu bespaßen ihr Ziel erreichten und ob das überhaupt das richtige war, auf Dauer. Wie lange würde sein Bruder noch durchhalten? Er hatte das Thema sehr allgemein bei Professor Davenport angesprochen, aber ohne Beweise konnte der auch nicht weiter helfen. Er schob diese Gedanken beiseite und freute sich einfach mit seinem Bruder über die gelungene Rettung. Sie beendeten ihr gemeinsames Frühstück und dann musste Sam sich auch schon auf den Weg machen. Sein Studium wartete auf ihn. „Hast du von dem Großbrand heute Nacht gehört?“, begrüßte ihn Tylor. „Die kamen erst heute Morgen zurück.“ „Woher weißt du das denn?“, fragte Sam überrascht. „Ich wohne in der Einflugschneise, hätte ich fast gesagt. Sie mussten bei mir vorbei und heute Morgen habe ich sie zufällig beim Zähneputzen gesehen.“ „Ach so“, nickte Sam. „Dean war dabei. In einem Wohnblock waren mehrere Eingänge betroffen.“ „Echt? Wow“, staunte Tylor. „Bei solchen Infos sitzt du an der Quelle.“ „Naja. Viel erzählt Dean nicht. Außerdem weiß er ja auch nur das, was seine Wache betrifft“, erklärte Sam und lenkte ihr Gespräch auf den folgenden Unterricht: „Hast du den Dalany-Fall durchgearbeitet?“ „Dean? Kommst du gleich mal zu mir?“, fragte Lt. Patt, kaum das Dean die Wache betreten hatte. Der Winchester nickte. Er zog sich um und betrat mit einem kurzen Klopfen das Büro. „Ich möchte dich für eine Belobigung vorschlagen“, informierte ihn der Lieutenant. „Muss das sein?“, fragte Dean. „Ich hab doch nur meinen Job gemacht. Außerdem hat Grady dann gleich noch mehr Angriffsfläche. Das lässt der doch nie auf sich beruhen. In seinen Augen bin ich der Trottel vom Dienst.“ Dean schüttelte den Kopf. „Also wenn es geht, würde ich lieber darauf verzichten.“ Pratt atmete tief durch, bevor er nickte. „Ich kann dich verstehen, auch wenn ich es nicht richtig finde. Jeden meiner Jungs hätte ich auch für die Belobigung vorgeschlagen.“ ‚Und ich werde es auch jetzt tun, ohne Grady. Dann steht es in seiner Personalakte. Das kriegt auch Grady nicht so einfach ignoriert!‘, überlegte er. „Mir ist es so lieber!“, erwiderte Dean ernst. Klar freute er sich irgendwie darüber, aber wie er schon gesagt hatte: Er hatte nur seine Arbeit gemacht. Früher als sie noch gegen Monster kämpften, hatte sie auch niemand gelobt. Die wenigsten hatten ihnen gedankt. Man war froh das Problem los zu sein und man war mindestens genauso froh diese Jäger wieder los zu sein. Apropos Monster. Vielleicht sollte er ja den Kaffee mal wieder mit Weihwasser kochen, wenn er wieder bei Grady in der Schicht war? Vielleicht konnte er sie ja mit einem Exorzismus zur Vernunft bringen? Wohl eher nicht, aber einen Versuch war es wert. Inzwischen hatte er gelernt, dass Menschen schlimmer sein konnten als jedes Monster. „Es tut mir leid, Dean. Wenn ich dir irgendwie helfen könnte ...“, von seinen ersten Versuchen in dieser Richtung wollte er noch nichts erzählen. Ted und er hatten eine Strategie ausgearbeitet und auch schon ein paar Schritte eingeleitet. Mal sehen, was dabei rauskam. „Du hast mir mit den vier Wochen schon geholfen.“ Dean schaute ihn ernst an. „Ist sonst noch was?“ „Nein, das war´s.“ Dean nickte. Er salutierte kurz und verließ das Büro, um sich einen Kaffee zu holen. Drei Wochen waren vergangen. Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Überall blinkten Lichterketten. Rentierschlitten standen auf den Dächern und nicht nur ein Weihnachtsmann hing wie ein Einbrecher an einer Hauswand. Dean war zurück in seiner Albtraumschicht und das Weihwasser, mit den er den ersten Kaffee kochte, hatte natürlich nicht geholfen. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Er war gerade dabei die Fahrzeughalle zu wischen, als eine junge Frau, die einen Kinderwagen schob, an dem sich ein weiterer kleiner Junge festhielt, auf das große Tor der Wache zukam. Coon stand vor der Tür und rauchte. Fragend schaute er die Frau an. „Wo wollen Sie denn hin?“ „Ich suche Dean“, sagte sie leise. In der ganzen Hektik ihrer Rettung hatte sie nur seinen Vornamen mitbekommen und nicht weiter nachgefragt. Erst im Krankenhaus war ihr aufgefallen, dass sie rein gar nichts von ihrem Retter wusste. Sie hatte herumgefragt und so wenigstens die Wache herausbekommenen, auf der er wahrscheinlich war. Jetzt war sie hier und wollte sich bedanken. „Dean Winchester?“, fragte Coon in einem abfälligen Ton und musterte die Frau eingehend. „Ja, Dean.“ „Ich hole ihn“, kündigte Coon an. Er ließ seine Zigarette fallen und ging zurück in die Wache. „Winchester, da ist Besuch für dich! Deine Schnalle!“ Irritiert schaute Dean auf. Er hatte keine Freundin! Sein Blick fiel durch das Rolltor auf die Frau mit dem Kinderwagen. Wer war sie? Sekunden später machte es klick. Kristin! Er stellte den Wischmopp weg und ging hinaus. „Kristin! Schön Sie zu sehen!“, freute er sich aufrichtig. „Wie geht es Ihnen und den Jungs?“ „Dank Ihnen leben wir!“ Sie fiel ihm um den Hals. „Wir sind bei meiner Mutter untergekommen. Es ist eng, aber bis ich etwas Neues gefunden habe, wird es reichen.“ „Das freut mich!“ Er beugte sich in den Kinderwagen und strich dem Kleinen sanft über die Wange. „Hey!“ Der Kleine lächelte ihn mit seinen zwei Zähnchen breit an. Dann hockte sich Dean hin, um mit Daniel auf gleicher Höhe zu sein. „Hallo Daniel“, grüßte er. „Hallo?“ „Wie geht’s dir?“ Unsicher schaute der Kleine zu seiner Mom. „Das ist Dean. Er hat uns aus dem Feuer gerettet!“, erklärte sie leise. „Ich hab dich gefangen, als du vom Balkon gesprungen bist“, bestätigte Dean nickend. „Oh“, sagte der Kleine und überlegte. „Ich hatte Angst.“ „Das glaube ich dir sofort. Ich hätte auch Angst gehabt, wenn ich hätte springen müssen“, sagte Dean ernst. Kristin schaute ihn mit großen Augen an. Hätte er wirklich Angst gehabt oder sagte er das nur, um ihren Sohn zu beruhigen? Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht einordnen. Daniel musterte den Mann vor sich mit großen Augen. Er drückte sein Stofftier fest an sich. „Wer ist das?“, wollte Dean wissen. „Sam!“ Stolz hielt er Dean den grünen Drachen vor die Nase. „Wie der Feuerwehrmann Sam?“ „Jah“ Der Junge nickte wild. „Ich habe einen kleinen Bruder, der heißt auch Sam“, sagte Dean lächelnd. „Auf den habe ich immer gut aufgepasst.“ „Ich passe auf Sam auch gut auf, und auf Louis.“ „Das ist gut. Als großer Bruder muss man auf seinen kleinen Bruder aufpassen.“ „Sag „Auf Wiedersehen“ zu Mr. Winchester, Daniel“, forderte die Mutter jetzt. „Wir wollen ihn nicht noch länger von der Arbeit abhalten.“ Sie hatte die anderen Feuerwehrmänner hinter dem Fenstern stehen sehen. „Auf Wiedersehen“, sagte der Kleine prompt und umarmte Dean. „Mach´s gut und pass auf deine Mom und deinen kleinen Bruder auf.“ Der Kleine nickte wieder und löste sich dann von dem Winchester. Dean stand auf. Er reichte der jungen Frau die Hand. Sie zog ihn daran zu sich und in eine feste Umarmung. „Vielen Dank für die Rettung. Ohne Sie wäre ich nicht gesprungen.“ „Doch wären Sie“, erklärte Dean leise. „Wahrscheinlich, aber es wäre mir nicht so leicht gefallen.“ Sie löste sich von ihm und schaute ihm in die Augen. „Sie sind in Ordnung.“ Sie nickte ihm zu und lächelte. „Lassen Sie sich nichts einreden! Und bevor ich es ganz vergesse“, Sie nahm eine Schachtel aus dem Kinderwagen. „Als Dankeschön.“ „Das wäre nicht nötig gewesen“, wehrte Dean ab. „Irgendwie muss ich Ihnen meine Dankbarkeit doch zeigen.“ Sie wandte sich um und verließ den Vorplatz der Wache. Dean lüftete den Deckel des Kartons. Kapitel 34: Sick and tired -------------------------- 034 Sick and tired Der Kuchen, den Kristin selbst gebacken hatte, sah lecker aus. Den würde Dean diesen gaffenden Idioten bestimmt nicht in den Rachen werfen. Noch hatte er den Schlüssel für die Kühlfächer der zweiten Schicht. „Du bist mit `ner Schwarzen zusammen?“, fragte Davis etwas abfällig, als er wieder in die Halle kam. Dean reagierte nicht. Er hatte sich abgewöhnt mit denen hier reden zu wollen. Warum auch? Sie drehten ihm aus allem was er sagte einen Strick. Nein. Die konnten ihm gestohlen bleiben. Außerdem: Was wäre so schlimm daran? Seine Gedanken wanderten zu Cassie. Schnell schob er die beiseite. An sie zu denken machte ihn traurig. Er schloss den Kuchen weg. „Ey, was soll das? Das ist für uns!“, fuhr Webb ihn an, als er sah wohin Dean die Schachtel stellte. 'Bestimmt nicht‘, kommentierte Dean stumm. „Wieso hast du überhaupt die Schlüssel für die zweite Schicht? Du warst da nur aushilfsweise!“ 'Und ich habe da mehr gelernt als in der ganzen Zeit hier!‘ Doch auch das sagte er nicht laut. Es würde sie nur noch mehr gegen ihn aufbringen. Irgendwie kam er sich vor wie Don Quichotte, nur dass er wusste, das er gegen Windmühlen kämpfte. Er schob den Schlüssel in seine Tasche zurück und ging wieder zu seinem Wischmopp, um endlich die Halle fertig zu machen. Danach würde er kochen. Denn auch dabei ließen sie ihn meistens in Ruhe. Schnell schrieb er einen Zettel für die zweite Schicht, um den Kuchen zu erklären. "Haut rein", schrieb er drunter und legte ihn auf den Karton im Kühlschrank. Am nächsten Tag fand er einen Zettel in seinem Fach. "Der Kuchen war lecker! Aber eigentlich gebührt er dir! Es fiel schwer, aber wir haben was übrig gelassen. Also lass es dir schmecken!" Sofort schaute Dean im Kühlschrank nach. Drei Stücke lagen noch in der Packung. Er grinste. Die würde er nachher mitnehmen und mit Sam vernichten. Zwei Tage später, es war der 23. Dezember, kam Dean von der Nachtschicht. Leise öffnete er die Tür und betrat ihre Wohnung. In der Ecke, gleich gegenüber der Tür, stand ein kleiner Weihnachtsbaum. Ein paar Kugeln und eine blinkende Lichterkette zierten die Äste. Wann hatte Sam den denn geholt? Seine Vorsicht hätte er sich sparen können. Sam lag auf der Couch. Er sah selbst in dem miesen Licht des Fernsehers blass aus. „Was ist los? Warum bist du nicht im Bett?“, fragte Dean besorgt. „Ich … keine Ahnung. Wahrscheinlich hab ich mir den Virus eingefangen, der rumgeht. Ich hab Bauchschmerzen.“ „Soll ich es mir ansehen?“ „Meinst du, dass es davon besser wird?“ „Ich bin immerhin ausgebildeter Rettungssanitäter.“ Er grinste kurz, bevor er Sam wieder ernst musterte. „Stimmt“, antwortete der, drehte sich mühsam richtig auf den Rücken und schob die Decke zur Seite. Sofort war Dean bei ihm. Er rieb sich die Hände, um sie etwas aufzuwärmen. „Sag Bescheid wenn´s weh tut, okay?“, bat er und begann so vorsichtig wie möglich Sams Bauch abzutasten. Alles fühlte sich ziemlich hart an. „Erbrechen oder Durchfall?“, wollte er wissen, während er Sams T-Shirt wieder zurecht zog und ihn zudeckte. „Nein. Nur Bauchschmerzen.“ „Und leichtes Fieber“, nickte Dean. „Ich fahre noch mal los und besorge was dagegen. Ich bringe Fencheltee oder Kamille mit. Oder magst du lieber Cola? Toastbrot haben wir noch?“ „Salzbrezeln und Cola wären mir lieber“, warf Sam ein. „Du, der du deinen Magen immer nur mit Gesundem quälst?“ Dean legte den Kopf fragend schief. „Aber klar. Du bist krank also bekommst du auch das.“ Er nahm sich seine Jacke, griff nach dem Autoschlüssel und verschwand noch einmal, leise gähnend. Sam hatte es trotzdem gesehen und bekam ein schlechtes Gewissen. Sein Bruder hatte bis eben noch gearbeitet und musste heute Abend wieder los. Er sollte ihn schlafen lassen und nicht noch mit seinen Krankheiten nerven. War aber auch zu blöd sich so kurz vor Weihnachten so einen Mist einzufangen! Obwohl. Richtiges Weihnachten würde es dieses Jahr ja eh nicht werden. Dean musste arbeiten, genau wie Jody. Die Zwei konnten also auch nicht kommen. Der Eierpunsch fiel aus, immerhin hatte er den Baum gestern Abend aufgestellt und geschmückt. Er wollte Dean damit überraschen. Aber vor ein paar Stunden kamen die Bauchschmerzen. Mist! Eigentlich hatte er Dean ein richtig schönes Weihnachtsfrühstück bieten wollen. Naja bis dahin waren ja noch zwei Tage Zeit. Dann sollten die blöden Bauchschmerzen ja wohl weg sein! Irgendwie war dieses Jahr verkorkst. Zumindest seit Dean mit der Ausbildung fertig und auf diese komische Wache gekommen war. Dass Dean sich ihm inzwischen geöffnet und über das offensichtliche Mobbing seiner Kollegen gesprochen hatte half auch nicht wirklich weiter. Die vier Wochen in der zweiten Schicht waren ganz anders gewesen. Da hatte er von ihrem täglichen Leben erzählt. Seine Augen hatten geleuchtet und er war gerne zur Arbeit gefahren. Er sprühte regelrecht vor Energie. Jetzt hing er wieder im alten Trott fest. Ob er mal, wenn Dean zu seinem Lehrgang war, bei dieser Wache reinschaute? Ihn kannte keiner und er konnte ja nach Dean fragen. Vielleicht konnte er sich umschauen und ein paar Plätze für Überwachungskameras finden? Blieb nur die Frage, wie er die da anbringen konnte. Vielleicht konnte er ja einen der zweiten Schicht auf seine Seite ziehen? Die schienen normal zu sein und möglicherweise gab es da ja den einen oder anderen, dem Gradys Allüren auch gegen den Strich gingen? Ja, so würde er es machen! Zufrieden mit seinem Entschluss versuchte Sam sich auf der unbequemen Couch zu drehen und zuckte zusammen. Diese kleine Drehung war wie ein heißes Messer in seinem Bauch. War das wirklich nur eine Magenverstimmung? Aber ja, ihm war übel. Er fror und schwitzte. Am Besten wäre es, wenn er ins Bett ginge und das solange Dean nicht da war. Der würde sich gleich das Schlimmste ausmalen, wenn er ihn so sah, aber das wollte er nicht! Dean tat schon genug. Er brauchte seinen Schlaf. Den wollte er ihm nicht verwehren. Den Arm vor den Bauch gepresst und trotzdem weit nach vorn gebeugt schleppte er sich ins Bett. Erleichtert atmete er auf, als er sich auf die Matratze fallen ließ. Die wenigen Schritte hatten ihn mehr angestrengt, als er gedacht hätte. Er deckte sich zu. Der Schmerz wurde weniger und er döste ein. Erst Deans vorsichtige Berührung und das leise: „Sammy?“, brachten ihn in die Realität zurück. Er blinzelte. „Ja?“ Dean schob einen Hocker an Sams Bett. „Ich hab hier Cola und Salzbrezeln. Ich hab auch ein paar Kekse und Kamillentee und aus der Apotheke ein Mittel gegen die Übelkeit. Außerdem hat mir die nette Verkäuferin da, ein Körnerkissen empfohlen. In der Mikrowelle warm gemacht soll es gut sein gegen Bauchschmerzen. Und ich habe ein Gelpack mitgebracht. Das gab´s dazu. Willst du das Körnerkissen haben?" Sam nickte nur träge und beobachtete wie sein Bruder aufsprang und aus seinem Zimmer lief. Er hörte die Tür der Mikrowelle und das Piepsen der Tasten. Kaum war das Kissen fertig, holte Dean es raus, brachte es zu Sam und schob es ihm vorsichtig unter die Decke auf den Bauch. Er gähnte herzhaft. „Brauchst du noch was?“ „Nein, geh schlafen.“ Dean gähnte noch einmal. Er musterte Sam skeptisch, dann nickte er. „Okay. Ich leg mich hin. Wenn was ist, weck mich, ja?“ „Mach ich“, versprach Sam und nahm sich vor, ihn wirklich nur im allerhöchsten Notfall zu wecken. Dean musterte ihn noch einmal skeptisch bevor er in sein Zimmer ging. Schnell war er eingeschlafen. Auch Sam döste wieder ein. Stunden später war Dean wieder wach und konnte, vollkommen untypisch für ihn, nicht mehr einschlafen. Nachdem er sich eine halbe Ewigkeit im Bett hin und her gedreht hatte, beschloss er aufzustehen. Er duschte, zog sich an und setzte sich mit einem kleinen Imbiss vor den Fernseher. Den Ton drehte er so leise, dass er Sam auf jeden Fall hören konnte, auch wenn er jetzt von dem, im Fernsehen Gesprochenen, kaum noch etwas verstand. Es war egal. Sammy war auf jeden Fall wichtiger. Er kochte Sam eine Brühe und nötigte sich ihm schon fast auf, weil der keinen Appetit hatte. Noch widerwilliger als so schon, fuhr er abends zu seiner Schicht. Sams Zustand hatte sich noch nicht gebessert, war aber offensichtlich auch nicht schlechter geworden. Die ganze Schicht über war er fahrig und unkonzentriert. Immer wieder überlegte er, ob es richtig war Sam alleine zu lassen. Hatte er das Richtige entschieden? Eigentlich konnte es keine Magen-Darm-Grippe sein! Sam hatte sich weder übergeben müssen, den Eimer neben seinem Bett hatte er mehrfach kontrolliert, noch hatte er von Durchfall berichtet. Aber was war es dann? War Sam gefallen? Hatte er sich einen Milzriss zugezogen? Er würde sich nie verzeihen können, wenn Sam etwas zustoßen würde! Leber und Lunge schmerzten doch erst, wenn eigentlich schon alles zu spät war und da Sammy weder rauchte noch trank … Alles was ihm einfiel konnte eher einem Horrorfilm entspringen! Darmverschluss? Magengeschwür? Je länger die Schicht dauerte umso schlimmer wurden seine Befürchtungen. Gut, dass es nur die üblichen Putzarbeiten zu erledigen gab. Nicht mal Kochen musste er, da Gradys Frau einen Braten spendiert hatte, von dem er nicht viel abbekam, aber er hatte eh keinen Hunger. Pünktlich auf die Minute hatte er zum Feierabend das Putzzeug weggeräumt. Er zog sich in Windeseile um und raste zurück nach Hause. „Sammy?“, fragte er besorgt, kaum dass er die Tür geöffnet hatte. Sein Bruder reagierte nicht. Den Schlüssel in die Jackentasche stopfend war er mit wenigen Schritten bei ihm. „Sammy?“, fragte er noch einmal und legte ihm die Hand auf die Stirn. Sam glühte! „Hey, kleiner Bruder!“, sagte er zärtlich und strich ihm eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht. Endlich blinzelte Sam ihn an. „Wie geht’s dir?“ „Beschissen“, gab der zu und Dean seufzte. „Lass mich noch mal deinen Bauch abtasten.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schob er die Decke beiseite und begann vorsichtig. Je weiter er nach rechts unten kam umso mehr versuchte Sam seinen Händen zu entkommen und umso schmerzerfüllter wurden seine leisen Aufschreie. „Okay! Du hast einen entzündeten Blinddarm! Du musst ins Krankenhaus und zwar sofort!“, entschied Dean. Nur mit Mühe schaffte er es seinem Bruder wenigstens Hose, Jacke und Schuhe anzuziehen, dann schleppte er ihn zum Impala. Am liebsten hätte er ihn getragen, doch so viel Würdelosigkeit ließ Sam nicht zu. Dean brach jede Verkehrsregel auf dem Weg zum Krankenhaus. Er parkte vor den Eingang und stürzte zur Anmeldung. „Ich brauche sofort einen Rollstuhl und einen Arzt! Mein Bruder hat eine Blinddarmentzündung!“ „Klar“, konterte die Schwester zynisch. „Da kann ja jeder kommen!“ „Ich bin Feuerwehrmann und ausgebildeter Rettungsassistent! Ich werde ja wohl eine Blinddarmentzündung erkennen!“, knurrte Dean nicht gewillt sich hier auf eine längere Diskussion einzulassen. „Dann hätten Sie den Rettungswagen rufen können, oder …“ „Ich komme gerade von Dienst und werde bestimmt keinen Rettungswagen rufen, wenn ich ihn schneller herbringen kann. Kriege ich hier jetzt Hilfe, oder muss ich ...“ „Was ist denn hier los?“, fragte ein Arzt, der gerade einige Akten auf den Tresen legte. „Mein Bruder hat einen vereiterten Blinddarm“, erklärte Dean atemlos. „Er ist noch draußen im Auto, ich wollte geraden einen Rollstuhl ...“ „Andrew! Folgen Sie uns mit einem Rollstuhl“, forderte der Arzt einen Pfleger auf und lief mit Dean zu seinem Wagen. Noch auf dem Beifahrersitz tastete er Sams Bauch ab. „Ich brauch sofort ein großes Blutbild und einen Ultraschall“, erklärte der Arzt und half Sam in den Rollstuhl zu setzen. „Und Sie, Mr. ...“ „Winchester“, antwortete Dean auf die unausgesprochene Frage, „warten bitte im Warteraum.“ Frustriert nickte Dean. „Okay“ Sam war in guten Händen. Mehr konnte er im Moment wirklich nicht tun. Kapitel 35: I´ll be there ------------------------- 035 I‘ll be there Er schaute dem kleinen Trupp hinterher, der seinen Bruder entführte. Erst als sie im Krankenhaus verschwunden waren, parkte Dean den Impala um. Schnell füllte er die Formulare aus, die die wütend blickende Schwester ihm auf den Tresen klatschte. Wahrscheinlich war sie stinkig, dass sie am heiligen Abend arbeiten musste. Und? Es war ihm egal! Er musste auch arbeiten! Müde schlurfte er, nachdem alles eingetragen war, nach draußen. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief Bobby an. "Hey", begann er, kaum dass Bobby sich gemeldet hatte. "Ich habe Sam gerade ins Krankenhaus gebracht. Blinddarmentzündung. Sie haben ihn sofort in den OP gefahren." "Oh mein Gott, Junge." Bobby atmete tief durch. "Ich hatte wirklich gehofft, dass ihr wenigstens diesen Abend gemütlich unterm Weihnachtsbaum sitzen könnt, wenn du schon arbeiten musst." "Ist ja nicht das erste Weihnachten, das so in die Hose geht", erklärte Dean müde. "Nein, leider nicht. Aber es klingt nach einer neuen Stufe von miesen Weihnachten. Im Krankenhaus war noch nie einer von euch an diesem Tag." Dean nickte, bis ihm auffiel, dass Bobby ihn ja nicht sehen konnte. "Stimmt", antwortete er reichlich verspätet. "Du gehörst eigentlich in ein Bett", stellte Bobby ruhig fest. "Sam ist ..." "Versuch trotzdem etwas zur Ruhe zu kommen. Du hast einen langen Arbeitstag vor dir." "Mache ich", sagte Dean wenig überzeugen. "Lasst euch den Abend nicht verderben. Ich melde mich, wenn ich mehr weiß." "Na du bist gut", grummelte Bobby. "Halte die Ohren steif und gib Bescheid", verabschiedete er sich und fügte ein: "Du bist nicht schuld!" an, bevor er auflegte. "Klar. Ich habs ja gestern auch übersehen", ignorierte Dean den letzten Satz. Er wählte die nächste Nummer auch Tylor und Mitena hatten es verdient wenigstens informiert zu werden. Leider ging weder der eine noch die andere ran und so sprach er ihnen nur eine Nachricht auf den Anrufbeantworter und beeilte sich, wieder in die relative Wärme des Wartebereiches zu kommen. Es war verdammt kalt hier draußen. Er schlurfte zu einem Platz, neben einer Säule und ließ sich darauf fallen. Es dauerte nicht lange, bis ihm die Augen zufielen. Als sein Kopf etwas unsanft mit der Säule Bekanntschaft schloss, stand er auf und ging noch einmal kurz nach draußen. Doch die frische Luft brachte den gewünschten Effekt nicht, also kam er wieder rein und begann unruhig hin und her zu laufen, egal ob er die wartenden Patienten damit nervte. Immer wieder schaute die Schwester nach diesem unflätigen Typen, der es geschafft hatte, die Aufmerksamkeit eines Arztes auf sich zu ziehen, obwohl noch mindestens 15 Patienten vor ihm dran gewesen wären! Sie konnte einfach nicht glauben, dass der keinen weiteren Aufstand proben wollte. Solchen Leuten dauerte doch immer alles zu lange! Der Kerl latschte zwar Rinnen in den Linoleumboden, doch sonst war er ruhig. Ruhig! Dass sein Bruder, klar Bruder, sie schnaubte abfällig, wirklich einen vereiterten Blinddarm hatte, der sofort operiert werden musste, spielte bei ihrer Betrachtung keine Rolle! Bei ihr hatte alles der Reihe nach zu gehen, vordrängeln durften sich lediglich die Patienten die wirklich im Rettungswagen kamen! Irgendwann konnte Dean einfach nicht mehr. Immer wieder stolperte er über seine eigenen Füße, also ließ er sich doch wieder auf den Stuhl fallen und war Augenblicke später eingeschlafen. „Mr. Winchester?“ Sofort war Dean wach. Er sprang regelrecht von seinem Sitz hoch und schaute sich verwirrt um. Das Wartezimmer hatte sich ziemlich gelehrt. Er sah den Arzt im Gang stehen und ging zu ihm. „Ja? Wie geht’s meinem Bruder? Kann ich zu ihm?“ Der Arzt lächelte unweigerlich. Eine schlechte Nachricht schien für diesen jungen Mann nicht möglich zu sein. „Die OP ist gut verlaufen. Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen. Ein paar Stunden später ...“ Er ließ die Konsequenz offen. „Kann ich zu ihm?“, fragte Dean erneut. „Können Sie. Er wurde gerade auf sein Zimmer gebracht. Folgen Sie mir.“ Vor dem Zimmer hielt der Arzt Dean noch einmal kurz zurück. „Ihr Bruder wird noch sehr müde sein.“ Dean nickte. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie in einem Krankenhaus lagen. „Danke Doktor.“ Erleichterung schwang in seiner Stimme mit. „Gern geschehen.“ „Wie lange muss er hier bleiben?“ „Wenn es keine Komplikationen gibt, bis übermorgen.“ „Okay, danke.“ Jetzt endlich durfte Dean die Klinke herunterdrücken und das Zimmer betreten. Es war ein Dreibettzimmer und Sams Bett stand in der Mitte. Mit einem stummen Nicken grüßte er den Mann, der am Fenster lag und ihn neugierig anstarrte, und wandte seine Aufmerksamkeit danach sofort seinem Sammy zu. „Hey“, grüßte er lächelnd, als er sah, dass Sams Lider flackerten. „Was ist passiert?“, wollte der leise wissen und versuchte Dean zu fokussieren. „Du hast eine schicke neue Narbe“, informiere der ihn. Sams Gesicht war ein einziges Fragezeichen. „Deine Magen-Darm-Grippe war ein vereiterter Blinddarm“, erklärte er ruhig. Sam schaute schuldbewusst. „Ich habe es vermutet.“ „Wann?“ „Als du zur Arbeit warst.“ „Es sei dir verziehen.“, sagte Dean huldvoll, nur um gleich wieder ernst zu werden. „Tu das nie wieder, hörst du?“ „Der Mensch hat nur einen Blinddarm.“ „Blödmann“, schimpfte Dean grinsend. „Trottel“, nuschelte Sam. „Schlaf jetzt“, forderte der Ältere. Er zog sich einen Stuhl heran und versuchte eine etwas bequemere Haltung zu finden. „Du musst gleich wieder arbeiten. Du solltest in ein richtiges Bett!“, stellte Sam matt, aber entschieden fest. „Willst du hier auf dem Stuhl hocken?“ „Nein, du ...“ „Ich werden nicht fahren. Ich mach mir schon genug Vorwürfe, weil ich dich nicht schon gestern“, er schaute auf die Uhr, „okay vorgestern ins Krankenhaus geschleift habe!“ „Dean, du ...“ „Schlaf! Sammy!“, sagte er ruhig, verschränkte die Arme vor der Brust und schloss demonstrativ die Augen. Sam seufzte. Er war müde und wollte nicht mit seinem Bruder diskutieren und es fühlte sich gut an, mal wieder Deans volle Aufmerksamkeit zu haben, auch wenn es auf dessen Kosten war. Vielleicht konnte er ihn ja sogar noch einmal auf seine Wache ansprechen? Sein Blick wanderte zu dem Nachbarbett. Nein, nicht hier. Nicht vor fremden Zuhörern! Er ließ sich tiefer in die Kissen sinken und war fast augenblicklich eingeschlafen. Dean musterte seinen Bruder aufmerksam und erhob sich, als er sich sicher war, dass der wirklich schlief. Er ging ins Treppenhaus und gab Bobby Entwarnung, bevor er Tylor und Mity eine Nachricht schrieb und dann wieder zu seinem kleinen Bruder zurückkehrte. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, atmete tief durch und schloss die Augen. Es war mal wieder gut gegangen. Zweimal schaute die Schwester in dieser Nacht in das Zimmer und beide Male wurde sie kurz von dem Mann, der neben dem mittleren Bett saß, angeblinzelt. Sie akzeptierte ihn, da er niemanden behinderte. Richtig fand sie es nicht, aber solange er niemanden störte. Komisch fand sie es trotzdem und am Morgen würde sie ihn rausschmeißen. Soweit kam es jedoch nicht. Kurz nach vier vibrierte Deans Handy. Er blinzelte in das trübe Nachtlicht. Kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder und erhob sich. Solange seine Muskeln brauchten, um sich wenigstens ein bisschen zu lockern, beobachtete er seinen Bruder. Sams Atem ging ruhig. Kein Vergleich zu dem gepressten Nach-Luft-Schnappen gestern Abend außerdem sah er viel besser aus. „Bis später, Sammy“, wisperte er leise und schlich aus dem Zimmer. „Ich muss zum Dienst“, meldete er sich bei der Schwester ab. „Sagen Sie meinen Bruder, dass ich ihn morgen früh besuchen komme?“ „Morgen erst?“, wunderte die sich. Erst hockte er die ganze Nacht hier und dann kam er einen ganzen Tag nicht? „Ich habe ein 24-Stunden-Schicht vor mir.“ „Oh, das tut mir leid.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Frohe Weihnachten“, wünschte er und ging. Er fuhr ins Motel, um zu duschen und dann auf die Wache. Der Tag war für ihn die Hölle und dabei verzichteten Lt. Miller und Coon darauf, ihn mit irgendwelchen Aktionen zu nerven. Aber er war noch immer nervlich angefressen von Sams fast-Blinddarmdurchbruch und die beiden mehr oder weniger durchwachten Nächte trugen auch nicht zur Entspannung bei. Gut, dass er dann erstmal einen freien Tag hatte, wenn er morgen früh fertig war. Und wenn er Sam gleich noch mitnehmen konnte, wäre seine Welt auch wieder in Ordnung. Irgendwie verging der Tag. Dean bemerkte es erst, als sich Miller und die Anderen umzogen und die zweite Schicht eintrudelte. Kaum hatte die Ablösung stattgefunden, zog Lt. Pratt Dean zur Seite. „Was ist los? Du siehst beschissen aus!“ „Danke!“, nuschelte Dean und versuchte ein Grinsen. „Ich meine es ernst! Was ist los?“ Dean atmete kurz durch. „Mein kleiner Bruder ist im Krankenhaus. Er hatte einen Fast-Blinddarmdurchbruch. Letzte Nacht hab ich ihn eingeliefert. In der Nacht davor dachten wir noch, dass er sich wohl eine Magen-Darm-Grippe eingefangen hat.“ „Du hängst sehr an deinem kleinen Bruder“, stellte Ben fest. „Er ist meine Familie“, erklärte Dean ruhig. „Okay. Du legst dich erstmal hin. Schlaf ein paar Stunden. Wenn´s ruhig bleibt, wecken wir dich zum Essen.“ „Aber ich kann ...“ „So taugst du nichts. Wir haben heute keinen hier, der Grady besonders nahe steht, also musst du dir darüber keine Gedanken machen. Geh hoch und schlaf.“ Dean nickte und schlurfte davon. Er hatte eh nur pro Forma Widerstand geleistet. Leider waren ihm nur ein paar Stunden vergönnt, dann mussten sie zu einem Brand in einem Schuppen ausrücken. Doch diese wenigen Stunden hatten Wunder gewirkt. Dean war fit und brannte regelrecht auf den Einsatz. Trotzdem war er froh, als der Feierabend endlich kam. Er nahm sich kaum Zeit zum Umziehen und fuhr natürlich sofort ins Krankenhaus. „Dean“, wurde er von Sam empfangen, kaum dass er die Schwelle übertrat. „Ja?“ „Fahr nach Hause, schlaf dich aus. Du verpasst hier nichts.“ „Ich wollte dich mitnehmen. Ausschlafen kann ich, wenn wir zuhause sind“, versuchte er abzuwiegeln. Leider gingen die letzten beiden Worte fast in seinem Gähnen unter. Sam grinste breit. „Kannst du. Du kannst dich aber auch jetzt ausschlafen. Ich darf eh noch nicht hier raus und ich bin hier ganz gut aufgehoben. Geh ins Bett. Okay?“ Mit einem kurzen Nicken gab sich der Ältere geschlagen. Er drehte auf dem Absatz um und fuhr in ihre Wohnung, wo er es noch nicht mal schaffte, sich richtig auszuziehen, bevor er ins Bett fiel. „Dein Freund ist ja richtig niedlich“, erklärte Sams Bettnachbar, kaum dass sich die Tür hinter Dean geschlossen hatte. „Er ist nicht ...“, begann Sam sich zu wehren. Aber warum überhaupt. Dean war so viel mehr für ihn als nur ein Bruder. Er war Freund und Partner, Bruder und Elternersatz. Er war immer da, wenn er ihn brauchte und er versuchte ihm das Leben so einfach wie möglich zu gestalten, auch wenn er das als Kind nie so gesehen hatte. Er schaute zu dem Mann im Bett am Fenster und beendete seinen Satz: „... Er ist nicht niedlich. Diese Bezeichnung hasst er.“ „Och“, meinte der Mann. „Wenn ich auf Männer stehen würde ...“ Sam grinste. Er ließ sich in das Kissen sinken und schloss die Augen. Schnell war er wieder eingeschlafen. Kapitel 36: Stille Nacht ------------------------ 36) Stille Nacht Draußen war es schon fast wieder dunkel, als Dean soweit ausgeschlafen war, dass die Sorgen, die er sich um Sam machte, in seinem Bewusstsein wieder präsenter wurden und er von selbst aufwachte. Er kochte sich einen Kaffee und ging duschen. Schnell trank er seinen schwarzen Wachmacher, packte das Geschenk für Stan ein und machte sich auf den Weg. Drei Stunden nachdem er aufgewacht war, stand er in der Tür zu Sams Krankenzimmer. Inzwischen war noch ein drittes Bett hineingeschoben worden, doch das interessierte ihn kaum. „Darf ich jetzt reinkommen?“, fragte er mit einem leichten Grinsen. Sam musterte ihn betont skeptisch, bevor er antwortete. „Jetzt, da ich nicht mehr befürchten muss, dass du vom Stuhl fällst oder, noch schlimmer, über deine Füße stolperst und liegen bleibst … ja, darfst du. Wie bist du überhaupt nach Hause gekommen?“ „Baby kennt den Weg“, lachte Dean. „Oh man, ist sie so gut!“ Sam schaute zu seinem Bruder auf. "Ich soll dich von Bobby und Jody grüßen." "Du hast mit ihnen gesprochen?" Dean zog sich den Stuhl an Sams Bett und setzte sich. "Ja, ich wollte ihnen wenigstens ein schönes Fest wünschen. Wieso muss Jody Weihnachten arbeiten? Sie ist der Sheriff! Ich hatte wirklich gehofft, dass se herkommen könnten.“ „Wäre aber auch blöd gewesen, mit Dir im Krankenhaus.“ „Auch wieder wahr.“ Sam nickte. „Bobby fragte wie es dir geht. Du warst gestern ziemlich fertig." "Ist das ein Wunder? Du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt." Dean rieb sich den Nacken. „Sag mal, musst du wirklich noch bis morgen hier bleiben?“ „Der Arzt meinte ja. Aber wenn ich abgeholt werden würde, dürfte ich auf eigene Verantwortung auch heute raus.“ „Und? Willst du abgeholt werden?“ „Da fragst du noch?“ Sam richtete sich auf. „Es sei denn, du möchtest die Nacht hier auf dem Stuhl verbringen oder hast was anderes vor.“ „Was sollte ich denn vor haben? Ich habe eine 24-Stunden-Schicht hinter mir und hatte mich eigentlich auf eine ruhige Nach-Weihnachtsfeier mit dir gefreut.“ „Na dann? Worauf wartest du noch? Die Schwester sollte die Papiere haben.“ Das musste Sam nicht zweimal sagen. Sofort sprang Dean auf und verließ das Zimmer. „Er ist süß, wenn es um dich geht!“, erklärte Sams alter Bettnachbar grinsend. Und auch der Neue stimmte nach einer kurzen Pause zu. „Stimmt. Er scheint total in dich vernarrt zu sein.“ Sam ließ sich in das Kissen sinken. Ja, Dean war in ihn vernarrt, wenn auch ganz anders, als die Zwei dachten, und vielleicht nicht mehr so stark wie vor so langer Zeit, als sie, von Dad getrieben, noch von Motel zu Motel zogen und er niemand anderen hatte, als seinen kleinen Bruder. Jetzt war es anders, aber er wusste, wenn es hart auf hart kam, würde Dean noch immer sein Leben für ihn geben. Nicht, dass das ein schöner Gedanke war, nicht mal ein beruhigender und er nahm sich wieder einmal vor, besser auf seinen Bruder zu achten und darauf, dass ihm selbst nichts passierte. Das war wohl der beste Garant, Dean nie wieder die Veranlassung für so eine Kamikazeaktion zu geben. Er schloss die Augen. Das war eine Monsteraufgabe, von der er nur hoffen konnte, sie irgendwann zu bewältigen. Wenn er sich aber vor Augen hielt, dass Dean alles war, was er auf der Welt an echter Familie hatte, dann sollte das eigentlich zu schaffen sein. Außerdem hatte er Hilfe von Bobby und Jody, auch wenn er noch nicht wusste, wie genau er die noch mehr einbinden konnte. Aber er wusste, dass er sich auf ihre Hilfe immer verlassen konnte. Das erneute, kurze Klopfen riss Sam aus seinen Gedanken. Er setzte sich vorsichtig auf und schaute erwartungsvoll zur Tür, durch die Dean gerade gestürmt kam. „Und?“ „Was und?“, fragte Dean unschuldig lächelnd. „Och lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Darf ich raus?“, quengelte Sam. „Natürlich darfst du raus. Hast du etwa an mir gezweifelt?“ Dean schmollte gespielt. „Ich würde nie ...“ „Na! Nicht lügen sonst gibt es keine Weihnachtsgeschenke!“ Sam verdrehte die Augen. Sein Bruder hatte ja ausgesprochen gute Laune heute. Wie das wohl kam? Lag es nur daran, dass es ihm wieder gut hing? „Okay, du ziehst dich an und ich besorge einen Rollstuhl, oder brauchst du Hilfe?“ „Nein, ich denke ich komme klar“, wehrte Sam ab und rutschte aus dem Bett, während Dean das Zimmer wieder verließ. Sam hockte fertig angezogen auf seinem Bett, als sein Bruder mit dem Rollstuhl kam. Er ließ sich hineinhelfen und war ganz froh die Strecke bis zum Impala nicht laufen zu müssen. Die Narbe zwickte doch noch ziemlich heftig. „Gute Besserung“, wünschte Sam seinen Bettnachbarn während Dean ihn nach draußen schob. Auf dem Gang passte sie eine der Schwestern ab. „Alles Gute“, wünschte sie Sam. „und schonen Sie sich in den nächsten Tagen. So schnell wollen wir Sie hier nicht wiedersehen.“ „Danke, Schwester. Ich will auch nicht wiederkommen.“ Auf dem Weg zum Motel hielt Dean an einem Diner. „Bin gleich wieder da“, rief er Sam zu und verließ den Wagen. Mit mehreren Tüten beladen kam er wieder. „Wen willst du denn alles verköstigen? Aber vor Allem, was soll es denn geben?“ „Sei doch nicht so neugierig, Sammy.“ „Mehr bleibt mir ja nichts, als neugierig zu sein.“ „Dann wirst du dich noch gedulden müssen, ich will nämlich noch zum Supermarkt.“ „Hättest du das nicht machen können, bevor du mich geholt hast?“, fragte Sam leicht gepresst. Die Narbe zwickte unangenehm und er rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. „Oh! Tut mir leid, Sammy. Soll ich dich erst nach Hause bringen? Ich wollte noch Milch für´s Frühstück morgen holen. Wir haben nichts mehr da.“ „Nein, wenn´s nicht noch länger dauert. So langsam würde ich mich gerne wieder hinlegen. Im Krankenhaus scheint es irgendwie einfacher zu sein, nicht so sehr weh zu tun.“ „Ich beeile mich, versprochen“, sagte Dean und sprang regelrecht aus dem Wagen. Sam musste sich das Lachen verbeißen. Die Narbe schmerzte auch so genug. Endlich betraten sie ihre Wohnung und Sam konnte sich auf sein Bett legen. Erleichtert atmete er durch. „Willst du dich erst ausruhen oder gleich was essen?“, fragte Dean. „Lass mir ein paar Minuten, dann können wir essen“, erwiderte Sam und ließ sich vorsichtig auf der Couch nieder. Langsam kippte er in die Waagerechte. "Warte, ich bringe dir eine Decke", sagte Dean und verschwand in seinem Zimmer. Gleich darauf breitete er den Quilt über Sam aus. "Brauchst du noch was?" "Nein, danke." Sam lächelte erleichtert. Jetzt da er wieder lag, ging es ihm schon viel besser. „Gut, ich decke den Tisch", erklärte Dean. Doch zuerst schaltete er die Lichterkette an dem kleinen Baum ein. Jetzt war ihm nach Weihnachten, jetzt wo sein kleiner Bruder wieder hier und die Blinddarmentzündung soweit ausgestanden war. Jetzt durfte sie blinken. Eine Weile wuselte Dean in der Küche herum, dann kam er wieder zu seinem Bruder an die Couch. „Wie sieht´s aus?“ „Lass uns Essen. Ich habe Hunger.“ Sofort hielt Dean seinem Bruder den Arm zur Unterstützung hin und Sam griff zu. Zögerlich richtete er sich auf, immer darauf gefasst, dass die Wunde wieder schmerzte, doch die kurze Ruhezeit hatte ihm gutgetan. Sein Blick fiel auf den Tisch, der sich unter dem vielen Essen fast bog. „Das sieht hier ja fast aus wie in Napples“, stellte er leise fest. "Fast", nickte Dean. "Der Eierpunsch fehlt.“ „Den müssen wir verschieben, bis du keine Medikamente mehr nehmen musst.“ Sam nickte und nahm sich von dem Hackbraten. "Was ist eigentlich aus eurem Projekt geworden. Welches der drei Unternehmen wollt ihr verklagen?", fragte Dean und schob sich die erste Gabel in den Mund. "Du lagst schon mal richtig", erklärte Sam. "Zumindest das haben wir schon erfahren. Alles andere kommt Mitte Januar." "Freut mich, dass ich helfen konnte", sagte Dean. "Ja, danke! Ohne deine Zahlen hätten wir uns wohl auf den Farmer eingeschossen. So vehement wie Mity den beschuldigte." "Der, der am lautesten brüllt muss aber nicht der sein, der Recht hat." "Na das sag ihr mal." Sam lachte. Sie konnte ihre Meinung schon sehr deutlich vertreten. Nach dem Essen machten sie es sich auf der Couch gemütlich und schauten die Wiederholung eines Basketballspiels. Dean hatte Kakao gekocht. In der Pause standen sie auf. Sam verschwand im Bad und Dean füllte ihre Becher auf. Dann holte er die Weihnachtsgeschenke für Sam aus seiner Kommodenschublade. Sam kam aus dem Bad und ging zu seinem Nachttisch, um die Geschenke für Dean zu holen. Grinsend standen sie sich gegenüber. Ihre Päckchen hatten zwar anderes Papier, aber die Maße waren fast identisch. Neben einigen Stiften und zwei Blöcken hatte Dean seinem Bruder ein Jura-Lehrbuch für Familienrecht mit Fallbeispielen, den Strategien der Anwälte und den erzielten Einigungen besorgt, das Sam schon eine Weile suchte und der hatte für Dean ein Lehrbuch für die Rüstgruppe gefunden. Wehmütig blätterte Dean darin. „Sagst du mir, was dir auf der Seele liegt?“, fragte Sam leise. Dean hob den Kopf und musterte ihn stumm. „Immer wieder das alte Problem. Grady und Konsorten." Er atmete durch und schüttelte den Kopf. "Nicht heute, okay? Mir geht so vieles im Kopf rum und das will ich nicht an Weihnachten ausbreiten. Bitte.“ Bedauernd nickte Sam. Auch wenn es ihn verstehen konnte und er vielleicht sogar froh war, dass Dean diesen Tag nicht auch noch mit seinen Problemen behaftete, wäre er doch gerne mehr für ihn da. „Du weißt aber schon, dass du mir vertrauen kannst?“ „Ich vertraue dir, Sam. Ich würde dir jederzeit mein Leben anvertrauen!“ „Dein Leben, ja, aber nicht deine Sorgen.“ Dean ließ den Kopf hängen. Er nickte kurz, hob den Kopf und schaute Sam an. Erst jetzt antwortete er: „Weil du Recht hättest und ich das weiß. Ich würde mir diesen Rat selbst geben und ich würde ihn nicht annehmen, nicht jetzt, weil ich wider besseren Wissens immer noch hoffe ihn nicht zu brauchen.“ Sam nickte und atmete tief durch. Dean dachte daran hinzuschmeißen. Und dann? Was stand dann für ihn in seiner weiteren Lebensplanung? Der Schrottplatz, eine andere Feuerwehr in einer anderen Stadt? Wieder jagen? Er schluckte. Daran wollte er nicht denken! „Versprichst du mir wenigsten, mit mir zu reden, wenn du bereit bist diesen Rat, welcher Art auch immer er ist, anzunehmen?“ Dean atmete tief durch und nickte knapp. Ja. Spätestens wenn sich nach dem Lehrgang nichts geändert hätte, musste er mit Sam reden, weil sich zumindest sein Leben dann radikal ändern würde. So wie er sich Zurzeit fühlte, wollte er nicht in Bloomington bleiben. Er würde Stans Angebot ablehnen und zurück nach Sioux Falls ziehen. Dort konnte er sich bei Bobby verkriechen, auf dem Schrottplatz arbeiten und sich überlegen wie der neue Weg seines Lebens aussehen sollte. Natürlich gab es noch andere Feuerwehren in Indiana. Natürlich könnte er versuchen in einer anderen Stadt anzufangen, doch wer würde einen Abbrecher nehmen, denn wenn sich nicht änderte? Er hatte nicht mehr die Kraft, seine Anwärterzeit unter Grady zu beenden. Nein, gerade hatte er die Nase gestrichen voll von allen und von Indiana! Viel zu schnell verging dieser freie Tag. Danach musste Dean wieder zu seiner Schicht und Grady und seine Männer überboten sich wieder, um Deans Belastungsgrenze zu finden. Kapitel 37: shadowside ---------------------- 037 shadowside Der Jahreswechsel kam und ging und Dean zählte die Stunden bis zum Beginn des Lehrganges. Lt. Benjamin Pratt musste Einiges in der Zentrale erledigen. Wenn er das nicht als Anlass nahm endlich zu versuchen mit dem Chief zu reden, würde es nie klappen und er es sich nie verzeihen. Leider hatte er so gut wie keine Beweise. Bis jetzt hatten sie nur drei der ehemaligen Anwärter ausfindig machen können und nur einer hatte mit ihnen geredet. Das war mehr als frustrierend, aber sie würden dran bleiben. Schnell erledigte er, was er zu erledigen hatte und nahm dann die Treppe ins Obergeschoss. So konnte er in Gedanken noch einmal durchgehen, was er sagen wollte. Er war so in seinen Gedanken, dass er Chief Reed fast nicht bemerkt hätte. Halb auf der Treppe stehend salutierte er. „Lieutenant“ Der Chief nickte freundlich. „Das sieht nicht bequem aus, wie Sie da stehen.“ Er machte auf dem Treppenabsatz etwas Platz und eine einladende Geste. „Sie sind doch auf der 39?“, fragte er eher rhetorisch. „Wie macht sich der Anwärter? Hält er, was seine Noten versprachen oder stimmen die Gerüchte?“ „Gerüchte? Was für Gerüchte“, Lt. Pratt starrte seinen Vorgesetzten ratlos an. „Wenn ich fragen darf.“ „Große Klappe, nichts dahinter, kurz zusammengefasst.“ „Das ist ...“ Ben fehlten die Worte. Er schnappte regelrecht nach Luft, bevor er den Kopf schüttelte. „Ich kann mir schon denken, woher das kommt.“ Er atmete kurz durch und versuchte seine Wut herunterzuschlucken. „Darf ich frei sprechen?“ Chief Reed nickte. Er war gespannt, was der Lieutenant ihm jetzt erzählte. So wie der reagiert hatte, würde er vielleicht einige interessante Fakten bekommen. „Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen und es geht um den Anwärter. Ich hatte ihn vier Wochen in meiner Schicht, und während seiner Zusatzschichten, um die Zeit für den Lehrgang raus zu arbeiten.“ Der Chief wurde hellhörig. Rausarbeiten? Das musste er klären, doch jetzt sollte er besser dem Lieutenant zuhören. „Er wäre ein hervorragender Feuerwehrmann, wenn … Klar, bei einigen Vorgängen fehlt ihm die Routine, aber er ist intelligent, kann sich schnell auf die verschiedenen Situationen einstellen …“, sprudelte er hervor. „Wäre, wenn?“, hakte der Chief, der ein sehr gutes Gehör für Zwischentöne hatte, nach. Pratt schnaufte. „Ich denke nicht, dass er es wird. Battalion-Chief Grady mag ihn nicht. Er verfolgt ihn regelrecht mit seinem hass, seiner Wut, weil er nicht den Anwärter bekommen hat, den er wollte, vermute ich. Das lässt er ihn ganz offen spüren. Außer für Sinnlos-Aufgaben, kochen und Putzen setzen ihn weder Grady noch Captain Miller ein. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auf der Wache die Fliesen von der Wand fallen, wenn er die Duschen weiterhin mit der Zahnbürste schrubben muss. Bei Einsätzen lassen sie ihn nur zuschauen oder aber die Dinge machen, die keiner tun will und wenn nichts reinkommt, stopfen sie tote Ratten in den Abfluss des Duschraumes. Ihm allein ist es zu verdanken, dass wir vor ein paar Wochen die Frau und ihre zwei Kinder retten konnten und er will nicht mal die Belobigung annehmen, nur damit Grady nicht noch mehr Nahrung für seine Wut bekommt. Es steht trotzdem in seiner Personalakte und ich habe es ausdrücklich in meinem Bericht erwähnt! Aber ganz ehrlich? Diese Behandlung … das hält keiner auf Dauer aus. Er hat länger durchgehalten als die Anderen, aber auch er wird die Anwärterzeit nicht überstehen!“ „Was heißt als die Anderen?“, fragte der Chief irritiert. „Sehen Sie sich die Zahlen der Abbrecher auf der 39 an. Grady sortiert. Er sucht sich die raus, die er will und den Rest treibt er zur Aufgabe.“ „Das ist eine ernste Anschuldigung, Lieutenant!" „Ich weiß. Ich hätte sie nicht ausgesprochen, wenn sie nicht wahr wären. Ich bin jetzt seit fünf Jahren auf dieser Wache und ich habe es satt, gute Feuerwehrmänner aufgeben zu sehen, nur weil sie Grady nicht nach dem Maul reden oder ihm die Nase nicht passt! Entschuldigen Sie bitte diesen Ausdruck. Aber battalion Chief Grady macht was er will und keiner sieht es, keiner tut was dagegen.“ Pratt schluckte. Er hatte sich in Rage geredet und das war eigentlich nie ein guter Ausgangspunkt, um sowas anzusprechen, doch er war sauer. Sauer auf sich, dass er so lange geschwiegen hatte und sauer auf Grady und seine Art und überhaupt. Wie konnte der Dean nur so diffamieren?!? Der Chief schaute Pratt fest in die Augen. „Sie können sich denken, dass ich Ihre Aussagen prüfen lassen werde.“ „Tun Sie das bitte. Ich ... Wir haben versucht mit den ehemaligen Anwärtern ins Gespräch zu kommen. Bisher haben wir einen überreden können, uns eine Aussage zu geben." Er hielt dem Chief einen Stick hin. "Aber wir bleiben dran. Eigentlich wollte ich mit Ihnen nur über den Anwärter Winchester reden und fragen, ob der nicht auf einer anderen Wache Dienst tun kann. Dass das jetzt dabei rausgekommen ist, war nicht geplant, aber es ist gut so. Ich bin jetzt seit fünf Jahren da und rege mich darüber auf. Am Anfang habe ich gedacht, dass ich so früh nichts dagegen sagen kann und danach habe ich mich damit herausgeredet, dass ich schon viel eher etwas hätte tun müssen und dass es grady ist, den alle zu decken scheinen, gegen den niemand etwas unternehmen will oder kann, weil alle seine Verbindungen fürchten.“ Er zuckte mit den Schulter, holte tief Luft und schüttelte den Kopf. „Danke, dass Sie zugehört haben!“ Lt. Pratt salutierte und ging die Treppe hinunter. Er war sich nicht sicher, ob das jetzt richtig gewesen war, aber er war froh, es endlich ausgesprochen zu haben. Um die anderen ehemaligen Anwärter wollte er sich weiter bemühen und der Rest lag nun hoffentlich in der Hand des Chief. Nachdenklich ging First Chief Reed zurück in sein Büro. Eigentlich hatte er etwas essen gehen wollen, doch dieses Gespräch hatte ihm den Appetit gründlich verdorben. Außerdem würde es ihm nicht schaden, ein paar Stunden zu fasten. Grady. Dieser Name stieß ihm immer wieder sauer auf und wenn er wirklich etwas gegen den unternehmen wollte, musste er sehr vorsichtig sein. Der war nicht nur der Neffe vom alten Chief, er war auch der Schwager seines Deputys und in der Feuerwehr allgemein sehr bekannt und geachtet. Er schnaubte. Wohl eher gefürchtet! Scheinbar hatte der sich von Anfang an den bei den richtigen Leuten eingeschleimt. Und leider auch die Richtigen um sich gescharrt. Er betrat das Vorzimmer seines Büros. „Das ging ja schnell“, wunderte sich seine Sekretärin. „Ich war nicht essen. Auf der Treppe habe ich Lt. Pratt getroffen und mich mit ihm unterhalten. Dabei sind einige sehr unschöne Dinge zutage gekommen, die ich irgendwie vermutete, aber nie beweisen konnte. Er schaute ihr in die Augen. "Was sagt Ihnen Battalion-Chief Grady?“ „Der Neffe von Chief Rosen, Ihrem Vorgänger, und der Schwager von Deputy Decker. Er ist in der dritten Generation bei der Feuerwehr, mit vielen verwandt oder wenigstens befreundet. Sein Vater war ein anerkannter Feuerwehrmann. Sehr loyal, im Gegensatz zu seinem Sohn, wie mal munkeln hört.“ Sie lächelte traurig. „Der Antrag für seine Beförderung liegt im Personalbüro.“ „Sie sind wie immer bestens informiert!“, lächelte Chief Reed. „Gegen Grady vorzugehen wird nicht einfach werden. Schon gar nicht ohne Beweise.“ Sie sah ihn besorgt an. „Gegen Grady vorzugehen sollte gut vorbereitet sein.“ „Woher …?“ Er schüttelte den Kopf. Er hatte von unschönen Dingen gesprochen und sich nach Grady erkundigt. Natürlich reimte sich seine Sekretärin den Rest zusammen. Mrs. Milton war alles andere als auf den Kopf gefallen! Also fuhr er fort. „Das befürchte ich auch. Aber vorerst würden mich nur ein paar Statistiken interessieren. Wie viele Anwärter waren bei Grady und wie viele davon haben hingeschmissen und wie sieht es in den anderen Wachen aus. Können Sie das in die Wege leiten? Ach und dieser Winchester … Sollte der die Zeit nicht eigentlich von uns gestellt bekommen? Prüfen Sie bitte, ob Grady die ihn hat rausarbeiten lassen.“ „Ich kümmere mich darum“, versprach sie. Chief Reed nickte und ging in sein Büro. Er wollte sie die Aussage anschauen. Mal sehen, ob die überhaupt etwas war oder ob sich da ein frustrierter Mensch etwas zusammenreimte. ~ ~ ~ „Winchester!“, Miller grinste ihn süffisant an. „Der Battalion-Chief erwartet dich, sofort!“ Dean nickte. Was wollte der denn schon wieder? Konnte der ihn nicht die letzten Stunden in Ruhe lassen? Er stellte die Dose mit dem Kaffeepulver hin und ging in das Büro seines Vorgesetzten. „Chief“ „Sie haben morgen Dienst!“, erklärte Grady mit einem boshaften Grinsen. „Morgen ist mein freier Tag. Außerdem fahre ich zum Lehrgang“, stellte Dean ruhig fest. „Coon braucht dringend Urlaub und da Sie in den nächsten Wochen nicht da sind, muss es morgen sein!“ „Ich habe einen Flug gebucht!“, erklärte der Winchester ruhig. Hatte er zwar nicht, aber das musste ja keiner wissen. „Ihr Problem. Entweder Sie kommen, oder es gibt eine Abmahnung!“ Deans Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase. Hatte er überhaupt noch welche? Hier würde er nie einen Fuß auf dem Boden bekommen. Warum tat er sich das überhaupt noch an? Sam würde hier auch alleine klarkommen, oder? Sam! Sein kleiner Bruder war so stolz gewesen, als er die Ausbildung zum Feuerwehrmann abgeschlossen hatte. Er freute sich so sehr für ihn, dass er sich diesen Kindheitstraum doch noch erfüllen würde. Doch es war nicht unbedingt Sam, den er nicht alleine lassen wollte. ER wollte nicht ohne Sam leben. Selbst bei Bobby wäre es ohne Sam nicht das Selbe. Schweren Herzens nickte er. „Okay. Ich komme.“ „Verdammt Dean! Wie soll das denn klappen? Du kannst nicht bis sieben arbeiten, danach noch gut zehn Stunden fahren und dann morgen früh um Acht fit im Unterricht sitzen“, schimpfte Sam. „Das kann doch nicht rechtens sein! Wieso lässt du dir das gefallen? Ihr habt doch eine Gewerkschaft! Warum hast du überhaupt zugesagt, diese Schicht zu machen?“ „Ich habs dir doch erklärte, es fehlt ein ...“ „Nein Dean. Nein! Ich erkenne dich nicht wieder! Wie weit willst du dich noch kaputt machen lassen? Ich sehe doch wie sich Tag für Tag alles in dir sträubt auf diese Wache zu fahren. Dean! Ich will nicht, dass du, nur weil ich hier studiere, vor die Hunde gehst. Hör auf dich so zu verbiegen! Wenn du daran zugrunde gehst, werde ich auch nicht glücklich sein. Es tut mir ja jetzt schon weh dich so zu sehen!“ Mit einer Mischung aus Trauer und Wut musterte Sam seinen Bruder. Dean atmete tief durch. Er ließ den Kopf hängen. Genau das hatte er nie gewollt. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er richtete sich wieder auf. „Vielleicht kann ich einfach nicht anders“, sagte er leise und schaute Sam in die Augen und schüttelte den Kopf. „Ich möchte heute Abend einfach nur noch ein bisschen mit dir vorm Fernseher hocken und so tun, als wäre alles in Ordnung, zeitig ins Bett und die Nacht friedlich durchschlafen, denn morgen wird das nichts werden. Lass uns nach dem Lehrgang darüber reden, okay?“ Sam atmete tief durch und nickte. Was sollte er auch sonst tun. Das Thema würden sie nicht ausdiskutieren können, denn eigentlich wusste er ja warum sein Bruder sich das antat. Den Lehrgang hatte er gleich nach der bestandenen Prüfung beantragt, den Lehrgang, den nur die besten Absolventen dieser Ausbildung angeboten bekamen. Sein Bruder war schon immer ein Technikfreak gewesen. Er dachte da nur an das EMF. Es hätte ihn eher gewundert, wenn er nicht versucht hätte irgendwann zur Rüstgruppe zu kommen. Der zweite Grund, der ihm einfiel, ignorierte er lieber, denn er war typisch Dean und hatte ihm noch nie besonders gefallen. „Dann sieh zu, dass du mit Packen fertig wirst“, erklärte er leise und schob seine Papiere auf dem Tisch zusammen. Mit den Hausaufgaben für morgen war er durch und lernen konnte er auch noch, wenn Dean nicht mehr da war. Er holte Bier aus dem Kühlschrank und als er die Flaschen auf dem Tischchen abstellte, war auch sein Bruder fertig. Gemeinsam ließen sie sich auf der Couch fallen und den Abend in aller Ruhe ausklingen. Kapitel 38: another brick in the wall ------------------------------------- 038) another brick in the wall Am Morgen stand Sam mit seinem Bruder auf. „Hättest du nicht noch liegenbleiben können?“, wollte Dean wissen, als er aus dem Bad kam und Sam ihm die Kaffeetasse in die Hand drückte. „Hätte ich, aber ich wollte dir persönlich eine gute Fahrt wünschen und viel Spaß beim Lehrgang und dich bitten, dich zu melden, wenn du angekommen bist, morgen früh.“ Dean musste schlucken. „Mach ich, Sammy“, erwiderte er heiser. Er trank seinen Kaffee aus, nahm seine Tasche und drehte sich zur Tür. Doch dann schien er es sich noch einmal zu überlegen. Er ließ die Tasche fallen, drehte sich zu Sam und zog ihn in eine kurze Umarmung. Schnell erwiderte Sam diese. „Pass auf dich auf“, nuschelte er gegen Deans Schulter. Noch eine Weile starrte er auf die inzwischen schon wieder geschlossene Tür, durch die sein großer Bruder verschwunden war und fragte sich, was das gerade war. Eigentlich umarmte Dean ihn doch nur, wenn sie gerade mal wieder dem Tod von der Schippe gesprungen waren, oder sie noch Schlimmeres überlebt hatten. Musste er sich Sorgen machen? Nein! Dean war nicht Dad. Der würde nie verschwinden ohne ihm Bescheid zu geben und ohne einen triftigen Grund zu haben. Schnell schob er den Gedanken wieder beiseite. Trotzdem erwies sich das flaue Gefühl in seinem Magen als äußerst hartnäckig. Dean fuhr zur Wache. Die ganze Strecke über fragte er sich, ob er nicht einfach bis Jackson weiterfahren sollte. Doch nein! Ein Winchester kniff nicht. Außerdem hatte er sein Wort gegeben. Trotzdem hätte er auf diesen Tag gut und gerne verzichten können! Den Impala stellte er wie immer an der Straße, ein Stück von der Wache entfernt, ab. Ihm blieb gerade mal Zeit sich umzuziehen, als es Miller auch schon vor ihm stand. „Mitkommen“, befahl der mit einem boshaften Funkeln in seinen Augen. Dean schloss die Tür seines Spindes ab und folgte dem Captain nach draußen. ‚Hoffentlich nicht wieder Holz hacken‘, betete er im Stillen. Eine Erkältung hätte ihm jetzt noch gefehlt. Allerdings würde er es dem Chief und dem Captain durchaus zutrauen, dass sie genau das im Sinn hatten, um ihm den Lehrgang zu versauen. „Die Hecke muss geschnitten werden“, informierte ihn Miller und fuchtelte dabei unbestimmt in der Gegend herum. „Okay“, nickte Dean nur und ging sich seine dicke Jacke und die Motorsäge holen. Mit der Aufgabe konnte er durchaus leben. Wenigstens hatten sie mal nichts zu putzen. Gegen Mittag wurde er von einem eingehenden Alarm unterbrochen. Schnell lief er zum Einsatzfahrzeug und kletterte auf seinen Platz. Vielleicht ließen sie ihn ja heute endlich mal mitmachen, immerhin hatte er ja wegen eines fehlenden Mannes seinen eigentlich freien Tag heute opfern müssen. Doch nein. Den Kaminbrand löschten die anderen und er stand wieder nur sinnlos dabei und durfte zusehen. Er hätte doch einfach fahren sollen! Hier brauchten sie ihn ja doch nicht und dieser Dienst war nur dazu gedacht, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Wie oft wollte er sich eigentlich noch von diesen Idioten an der Nase herumführen lassen? Naja, immerhin: Die Kündigung hatte er schon geschrieben, da musste er nur noch das Datum einsetzen, auch wenn er es immer noch nicht glauben wollte, dass dieser Abschnitt seines Lebens so schnell vorbei sein sollte. Feuerwehrmann hatte er eigentlich auf Lebenszeit sein wollen. Klar, er könnte zum Chief gehen, er könnte mit der Gewerkschaft reden. Aber ohne wirkliche Beweise? Würden sie seine Handyaufnahmen anerkennen? Wären das überhaupt Beweise? Es waren meistens nur Sprachaufnehmen und Grady war ein geachteter Feuerwehrmann. Uralter Aldel, sozusagen. Würde das nicht eher wie der stümperhafte Versuch eines unfähigen Anwärters klingen, der versucht sein Versagen auf andere zu schieben? Eigentlich hatte er nichts in der Hand, womit er seine Aussagen beweisen konnte. Vielleicht hätte er die Belobigung von Lt. Pratt nicht ausschlagen sollen! War jetzt auch nicht mehr zu ändern! Immerhin hatte er ja noch die Alternative Schrottplatz. Wenn er sich und Sam erstmal mit Reparaturen über Wasser halten konnte, wäre ihnen schon geholfen. Irgendwann würde die Wirtschaftslage ja auch wieder besser werden und der eine oder andere auch wieder einen Oldtimer fahren wollen. Immerhin könnten sie, wenn Stan nach Florida gezogen wäre, sogar da einziehen und sich die Miete sparen. Aber wollte er das? Wollte er in Bloomington bleiben? Gerade noch rechtzeitig beendete er seine Gedankenspiele, um mitzubekommen, dass er zumindest beim Aufräumen helfen durfte. Endlich war Feierabend. Dean sprang unter die Dusche, so verschwitzt wollte er dann doch nicht fahren. Wer wusste schon, wann er ankam und er wollte seinen ersten Schultag nicht müffelnd beginnen. In Windeseile war er fertig. Schnurstracks ging er danach zu seinem Wagen. Die fragenden Blicke von Everwood und Lt. Pratt, die zu Schichtbeginn die Einsatzwagen überprüften, ignorierte er geflissentlich. Er hatte weder Lust noch Zeit auch nur eine Frage zu beantworten. „Dein Gespräch mit Reed scheint nichts gebracht zu haben“, stellte Ted leise fest. „Er muss das Ganze ja auch erstmal prüfen. Zumindest hoffe ich, dass er das tut. Immerhin haben sie mich noch nicht rausgeschmissen.“ Der Lieutenant grinste schief. „Na dann warten wir mal weiter bis zum Sankt Nimmerleinstag und sehen zu wie Grady und Miller weiter die Karriereleiter hinauf fallen.“ Ted verdrehte die Augen. „Es ist gerade mal eine Woche her, dass ich mit ihm geredet habe. Lass die Mühlen doch erstmal ihre Arbeit tun!" „Findest du das richtig? Bist du nicht auch ungeduldig?“ „Natürlich finde ich das nicht richtig und natürlich bin ich auch ungeduldig, aber es bringt doch nichts, sich darüber aufzuregen, dass es vielleicht länger dauert.“ Ted ließ den Kopf hängen. „Ist ja nicht unser Leben, das den Bach runter geht und auch nicht unser Problem, wenn die Feuerwehr einen guten Mann verliert, weil einer ihn regelrecht mit seinem Hass verfolgt.“ "Wir tun doch was. Wir suchen weiter nach den Anwärtern und versuchen sie zum Reden zu bringen. Wenn wir Dean schon nicht helfen können, dann wenigstens dem Nächsten, der unweigerlich folgen wird. Du kannst gerne auch mit dem Chief reden.“ „Eigentlich eine gute Idee.“ Ted schaute durch die Fenster der Tore nach draußen, doch von dem schwarzen Impala war schon lange nichts mehr zu sehen. Wie immer, wenn Dean hinter dem Lenkrad seiner schwarzen Schönheit saß, war seine Müdigkeit verflogen. Zum Glück, denn die Strecke war mit zwölf Stunden schon verdammt knapp berechnet. Ein einziger Stau würde ihn in Bedrängnis bringen. Gut, dass es nicht das erste Mal war, dass er mehr als 24 Stunden am Stück wach bleiben musste. Auch wenn es morgen anstrengend werden würde, so übermüdet die Schulbank zu drücken. Je weiter er nach Süden kam, umso wärmer wurde es. Den ersten Tankstopp machte er nach viereinhalb Stunden. Er holte sich einen Kaffee und ein paar Müsliriegel. Für ein paar Minuten vertrat er sich die Beine und rief auch gleich noch seinen Bruder an. „Solltest du nicht eigentlich schon fast schlafen“, fragte er ihn, kaum dass der sich gemeldet hatte. „Werde ich gleich, jetzt da ich weiß, dass es dir gut geht. Geht es doch, oder?“ „Alles okay, Sammy.“ „Wo bist du?“ „Irgendwo kurz vor Arkansas.“ „Das klingt ja fast so, als würdest du noch ein paar Stunden Schlaf kriegen können.“ „Drück mir die Daumen“, erwiderte Dean mit einem Lächeln. „Dann tu ich das vielleicht.“ „Schlaf gut, Sammy.“ „Pass auf dich auf und grüß Chris.“ Sam legte auf und konnte jetzt auch beruhigt ins Bett gehen. Dean warf den leeren Kaffeebecher in den Müll, stieg in den Impala und machte sich wieder auf den Weg. Je kürzer die Wegstrecke wurde, um so langsamer schien er vorwärts zu kommen. Der Schlafmangel zerrte an seinen Nerven. Es hatte ihm doch früher nicht so viel ausgemacht, überlegte er. Aber da war es auch egal, ob sie eine Stunde früher oder später ankamen. Ja, es konnten in dieser Zeit Menschen sterben, trotzdem mussten sie das nur vor ihrem Gewissen verantworten. Heute musste er pünktlich in der Schule erscheinen und auch wenn er den Lehrgang als fast schon überflüssig für seine weitere Karriere ansah, so wollte er ihn doch durchziehen. Immer wieder rieb er sich mit der Hand über das Gesicht und massierte seine Nasenwurzel. Etwas mehr als eine Stunde, so schätzte er, würde er noch bis zum Motel brauchen. Gerade aber fühlte er sich, als ob er keine Minute mehr durchhalten könnte. Sollte er doch eine Rast einlegen und die drei Stunden schlafen, die er noch an Zeit übrig hatte? Dann müsste er aber irgendwo doch noch mal duschen und gleich zur Schule fahren. Irgendwie widersprach ihm der Gedanke, denn auch wenn sein Baby einen recht hohen Schlafkomfort bot, die Erholung in einem Bett wäre ungleich besser. Er war noch zu keinem Ergebnis gekommen, als vor ihm das Schild einer Tankstelle auftauchte. Dean warf einen Blick auf die Tankanzeige und setzte den Blinker. „Was darf es sein?“, fragte der junge Mann an der Kasse. „Haben Sie einen starken Kaffee?“ Dean schielte zu der halbvollen Kanne, die auf der Wärmeplatte stand. „Habe ich. Wie viel möchten Sie?“ „Einen großen Becher voll?“ „Natürlich“ „Dann den, die drei und ...“, schnell griff er sich noch ein paar Schoko-Müsliriegel aus dem Regal, „die hier.“ Der junge Mann rechnete alles ab. „Gute Fahrt“, wünschte er. Dean ging zum Impala zurück. Er drehte ein paar Runden um den Wagen bevor er sich gegen den Kotflügel lehnte, die frische Nachtluft inhalierte und in aller Ruhe seinen Kaffee trank. Als er wieder hinter das Lenkrad kroch, war die Müdigkeit vorerst verflogen. Was starker Kaffee und frische Luft doch ausrichten konnten. Grinsend lenkte er den Wagen wieder auf die Straße. Kurz vor vier bog er auf den Parkplatz vor dem Motel ein. Er stellte den Motor aus und legte den Kopf auf die Rückenlehne. ‚Nur ein paar Minuten!‘, überlegte er. Chris hatte ihm die Zimmernummer gegeben und auch angekündigt, dass er die Tür offen lassen würde. Trotzdem konnte er sich gerade nicht dazu aufraffen auszusteigen. Er war da und die Müdigkeit schlug erbarmungslos zu. Seine Hände rutschten vom Lenkrad und sein Kopf kippte zur Seite, als er tief in Morpheus Arme sank. Chris erwachte aus einem wirren Traum. Hatte er einen Wagen gehört? War Dean gekommen? Er setzte sich auf, rieb sich müde über das Gesicht und schaute zum Nachbarbett. Es war leer. Müde schwang er die Füße aus dem Bett. Vielleicht half ihm ja ein Glas Wasser, seine wirren Gedanken zu ordnen und wieder einschlafen zu können. Mehr um sich zu beruhigen, warf er einen Blick aus dem Fenster. Der Impala stand vor der Tür. Gut! Er drehte sich zu seinem Bett um und blieb abrupt stehen. Der Impala stand vor der Tür! Der Impala ... Aber Dean war nicht im Zimmer! Hastig zog er sich eine Jacke an und stürzte nach draußen. ‚Verdammt! Winchester!‘, schimpfte er innerlich. Er riss die Tür auf, streckte sein Hand aus, um Dean zu sichern, sollte der einfach vom Sitz kippen und registrierte dabei den Hauch von Wärme, der ihm entgegen kam. Gut! Immerhin stand der noch nicht so lange hier. Dean war trotz des Kaffees so fertig, dass es selbst seine Instinkte nicht schafften, ihn zu wecken. „Dean!“ Chris knuffte ihn gegen den Arm. „Gleich“, brummelte der, schnaufte und schlief weiter. „Verdammt! Winchester! Schieb deinen Arsch aus dem Wagen und ins Bett!“, knurrte Chris, so laut er sich traute, nicht dass er noch alle hier weckte, und rüttelte fest an Deans Schulter. Augenblicklich umschloss dessen Hand Chris‘ Handgelenk wie ein Schraubstock und er blinzelte ihn wütend an. „Na also“, grinste Chris, um sein hämmerndes Herz zu überspielen. Dean hatte ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt. „Dann kannst du jetzt ja aussteigen und ins Zimmer kommen. Viel Zeit zum Schlafen bleibt dir eh nicht.“ Dean nickte, schob Chris‘ Hand von seiner Schulter und stemmte sich aus dem Wagen. Müde tappte er hinter dem Freund her und fiel einfach nur auf sein Bett. Kaum hatte sein Körper sie Matratze berührt, schlief er auch schon wieder. Kapitel 39: Climbing the walls ------------------------------ 039 Climbing the walls Chris starrte den Mann auf dem Bett entsetzt an. So fertig hatte er Dean noch nicht erlebt. Und dann lag der auch noch quer im Bett! Wie sollte er ihn denn so zudecken können? Mühsam zerrte er die Tagesdecke los und wickelte sie so gut es ging um den Freund, bevor er sich wieder unter seiner Decke ausstreckte. Viel zu schnell klingelte der Wecker. Chris stand auf, schaltete das Deckenlicht an und verschwand im Bad. Träge blinzelte Dean in die grell leuchtende Deckenlampe. „Oh Gott“, stöhnte er und setzte sich auf. Er brauchte noch eine Weile, bis er bereit war, den Tag zu starten. Er rieb sich die Augen, stand auf und stakste mit steifen Knochen nach draußen auf den Parkplatz, um sich seine Tasche zu holen. Gerade als Chris aus dem Bad kam und zu der kleinen Küchenzeile ging, betrat er das Zimmer wieder. „Kaffee?“, fragte der Winchester hoffnungsvoll und kramte in seiner Tasche. „Kaffee“, bestätigte Chris. Dean strahlte ihn an und verschwand im Bad. Als er zurückkam, drückte Chris ihm die Tasse in die Hand. Genießend schloss er die Augen und inhalierte das Aroma, bevor er den ersten vorsichtigen Schluck nahm. Skeptisch musterte Chris den Freund. Dean sah zwar noch immer müde genug aus, um ihm davon abzuhalten, seine Fragen und Vorwürfe für das späte Erscheinen jetzt schon anzubringen, aber nichts ließ darauf schließen, dass er erst vor etwas mehr als drei Stunden ins Bett gefallen war. Wie machte der das? „Können wir los?“, fragte er ruhig. Dean nickte, kippte den Rest seines Kaffees herunter und stand auf. Kommentarlos ging Chris zu seinem Mietwagen. Den zu nehmen schien ihm heute auf jeden Fall sicherer zu sein. Dean ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, zog sein Handy aus der Tasche und wählte Sams Nummer. „Dean, alles okay?“, hörte er Sam fast atemlos fragen. Hatte es überhaupt schon geklingelt? „Ja. Wir fahren zum Lehrgang.“ „Du bist also angekommen? Gut.“ „Bin ich. Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet hab.“ „Wann warst du da?“ „Irgendwann zwischen vier und fünf, glaube ich.“ „Ich bin froh, dass du gut angekommen bist, auch wenn ich einfach nicht verstehen kann, warum du das mit dir machen lässt." Er seufzte. „Ich verstehe dich einfach nicht, Dean, das bist nicht du!" „Können wir das bitte nach dem Lehrgang besprechen? Für diese Art Diskussion bin ich einfach noch nicht wach genug." Sam nickte. „Es bringt ja jetzt eh nichts mehr." Er holte tief Luft. „Grüß Chris und ich wünsche euch einen schönen Tag.“ „Dir auch Sammy!“ Dean schob das Telefon wieder in die Tasche. „Grüße von Sam.“ „Danke! Was war das eben? Ärger im Paradies?“, neckte Chris. „Bitte nicht auch noch du, okay? Nicht hier und nicht heute!" Dean verdrehte die Augen und drehte den Kopf demonstrativ zum Fenster. Chris biss sich auf die Zunge und nickte nur. Er parkte den Wagen vor dem Schulgebäude. Sie stiegen aus, betraten die Eingangshalle und schauten sich suchend um. Ein älterer Herr kam ihnen entgegen. „Gehören sie zu den Neuen?“ Sie nickten. „Wir sind wegen des Kurses für die Rüstgruppe hier. Dean Winchester und Christopher Saintclair.“ Der Mann blätterte seine Listen durch. „Ah, ja. Hier. Raum 2.35. Zweiter Stock. Dritte Tür links. Battalion Chief Joseph Price ist ihr leitender Ausbilder und das hier sind schon mal die wichtigsten Informationen.“ Er drückte jeden von ihnen eine ziemlich dicke Mappe in die Hand und deutete auf die Treppe schräg hinter sich. Die beiden bedankten sich und gingen nach oben. Nacheinander betraten sie den Raum und steuerten beide die zweite Bank in der Fensterreihe an. Christ rutschte ans Fenster durch, sie schauten sich kurz an und grinsten beide. „Wenn uns das kein Glück bringt“, frotzelte Chris. „Bist du abergläubisch? Wusste ich gar nicht“, erwiderte Dean. „Nein, eigentlich nicht. Du?“ Dean schüttelte den Kopf. Er war er einer derer, die wussten, was es an Monstern gab. Da musste er nicht abergläubisch sein. Bis zum Unterrichtsbeginn blätterten sie noch in ihren Unterlagen und schauten denen entgegen, die nach ihnen den Raum betraten. Hin und wieder gähnte der Winchester verhalten. Die Fahrerei war doch nicht so spurlos an ihm vorbeigegangen, wie er es sich und allen anderen gerne weiß gemacht hätte. „Guten Morgen, die Herren“, grüßte ein älterer Mann in der Uniform eines Battalion Chiefs. Sofort standen die Lehrgangsteilnehmer auf und grüßten zurück. „Guten Morgen, Sir“ „Setzen sie sich!“, bat der Chief und ließ sich auf dem Pult nieder. „Zu allererst gehen wir mal das Organisatorische durch“, begann er. „So“, sagte er mit einem deutlichen Durchatmen, nachdem er seine Schüler eine gefühlte Ewigkeit gelangweilt hatte. „In dieser Woche geht´s um das große Thema Höhenrettung: Ganz speziell um Abseilen und Sichern. Wir haben ein paar hübsche Wände für sie, aber auch einige Schächte. Sie bekommen einen Grundkurs im Klettern und wer will kann auch das Abseilen aus einem Hubschrauber üben. Da sie aber alle eher aus Städten kommen, in denen es kaum Hochhäuser gibt, aber auch keine massiven Steilwände oder Schluchten, ist das für sie kein Muss.“ Ein sichtlich blasser Winchester atmete erleichtert auf. Wieder musterte Chris den Freund und so langsam kam ihm ein Verdacht, der erklären würde, warum er mit dem Wagen gekommen sein könnte, wenn auch nicht, warum er so spät kam. „Nächste Woche lernen sie tauchen und das Bergen von Personen und Fahrzeugen aus dem Wasser. Danach dürfen sie sich mit Strom und Maschinen mit beweglichen Teilen auseinandersetzen und in der letzten Woche wird alles noch einmal verfestigt. Es gibt viel Theorie zu lernen“ Chief Price schmunzelte. „Wie sie sehen, werden wir sie jeden Tag fordern und sie werden froh sein, wenn sie es abends ins Bett schaffen.“ Er schaute in die Runde. „So, und jetzt folgen sie mir. Wir gehen klettern.“ Die Halle hatte die Höhe von drei Stockwerken. Auf einer Seite gab es eine normale Kletterwand und auf der anderen eine Hauswand mit Balkon und mehreren Fenstern. Außerdem war an der Decke eine Plattform, die wohl einen Hubschrauber simulieren sollte. Chief Price rief seine Schüler zusammen. „Das ist Lt. Ramos. Er wird ihre ersten Versuche überwachen. Viel Spaß.“ Damit verabschiedete er sich. „Zuerst legen sie bitte alle die Sicherungsgeschirre an und dann suchen sie sich einen Partner, der sie sichern soll. Bei ihrem ersten Kletterversuch stehen wir ihnen helfend zur Seite und erklären ihrem Partner wie das richtig gemacht wird. Danach wird getauscht.“ Alle nickten und natürlich bildeten Chris und Dean ein Team. Unter den wachsamen Augen von Lt. Ramos und seinen Helfern legten sich alle ihre Geschirre an und nahmen die Kletterwand zum ersten Mal in Angriff. Wurde auf den ersten Metern noch jeder Griff mit Bedacht gewählt, ging es danach schnell in einen Wettkampf über. Jeder wollte der erste sein, der oben ankam. Diesem Wettkampf konnte sich auch die zweite Gruppe nicht entziehen. Als jeder die Grundlagen des Kletterns soweit erfasst hatte, hieß es dann eher Team gegen Team. Das Training endete, ohne einen wirklichen Sieger, als Battalion Chief Price wieder in der Halle erschien. „Wie ich sehe, hatten sie ihren Spaß. Ich nehme sie jetzt mit zu unserer Kantine und nach der Mittagspause dürfen sie sich noch zwei Stunden mit Theorie herumplagen. Danach soll es für heute gut gewesen sein und ich werde sie mit einigen Hausaufgaben entlassen.“ Hundemüde verzog sich der Winchester nach dem Unterricht auf sein Bett, rollte sich zusammen und war eingeschlafen, bevor Chris die Tür richtig geschlossen hatte. Grübelnd stand Chris vor dem Bett. Es war noch nicht mal 4! Was war mit seinem Freund. Warum war er erst heute Morgen gekommen? War etwas mit Sam? Hatte der Impala Probleme gemacht? Beides wollte er nicht glauben. Dean hätte Sam nicht alleine gelassen, wenn … Außerdem hatte er heute Morgen noch mit ihm telefoniert und so wie es klang, war Sam auch nicht wirklich damit einverstanden, dass Dean erst heute hierher gekommen war. Und der Impala war besser in Schuss als so mancher Neuwagen. Nein, da musste etwas anderes dahinter stecken. Er nahm sich vor, den Freund so bald wie möglich zu fragen, doch jetzt würde er lernen. Wenn Dean dazu schon nicht in der Lage war, so wollte wenigstens er gut vorbereitet sein, um ihm unter die Arme greifen zu können. Ein paar Stunden später wurde Dean von seinem knurrenden Magen geweckt. Er blinzelte, streckte sich und setzte sich auf. „Aufgehört oder ausgeschlafen?“, fragte Chris leise belustigt. „Ich ...“, begann Dean. Sein Magen knurrte erneut. Gespielt genervt verdrehte der Winchester die Augen und begann von Neuem. „Wohl eher aufgehört. Ich hab Hunger.“ Augenblicklich schlug Chris sein Buch zu, stand auf und griff nach seiner Jacke. „Dann los.“ Das ließ sich Dean nicht zweimal sagen. Er sprang auf, griff nach seiner Jacke und stand schneller neben Chris, als der „WOW“ sagen konnte. „Ich fahre“, erklärte der noch und Dean nickte. „Das mit dem Hubschrauber finde ich cool“, begann Chris völlig unverfänglich, als sie auf das Essen warteten. „Das will ich unbedingt probieren! Machst du auch mit?“ Alle Farbe wich aus Deans Gesicht, als in seinem Kopf die Erinnerungen an die abstürzende Maschine zu Bildern formten, in der sie vor so viele Jahren diesen Dämon gejagt hatten. Diese Erinnerung hätte er nur zu gerne der Amnesie überlassen! Fast genauso schnell wie Deans Gesichtsfarbe wechselte, war sich Chris sicher, was mit seinem Freund los war. „Du hast Flugangst!“ Dean wollte auffahren und diese Behauptung Lügen strafen. Doch warum? Es stimmte ja. Er hatte Flugangst. Schon vor diesem Fall hatte er diese Metallröhren gemieden. Er fuhr nicht nur mit seinem Baby, weil er sie und das Fahren an sich so liebte. Er hasste es zu fliegen, also nickte er nur. „Höhenangst hast du aber nicht, das wäre heute wohl aufgefallen.“ Jetzt grinste Dean und schüttelte den Kopf. „Ich traue diesen fliegenden Dingern nur nicht“, gab er zu. „Deshalb bist du auch mit dem Impala hier?!? Schade, dass ich erst zu Tante Mave musste. Ich wäre gerne mit dir hierher gekommen.“ „Wie war´s bei deiner Tante?", wollte Dean jetzt wissen. Chris hatte ja erzählt, dass sie ihren 70. Geburtstag groß feiern wollte. „Ganz gut. Es war schön die ganze Familie wieder einmal beisammen zu sehen. Das passiert ja, seit ihrem Umzug nach Florida, nur noch ganz selten. Es nervte nur, all ihren neuen Freunden vorgeführt zu werden.“ Er verdrehte sie Augen. „Immerhin bin ich ihr Lieblingsneffe, wie sie immer behauptet. Kunststück. Ich bin der Einzige." Chris grinste. „Egal. Ich liebe sie ja auch. Ich war als Kind immer gerne bei ihr." Dean legte den Kopf schief, kaute kurz auf seiner Unterlippe. Er hatte nie eine Tante gehabt. Er hatte nie wirkliche Verwandte gehabt nur Bobby und ganz früher Pastor Jim. Also wandte er sich wieder dem anderen Thema zu. „Du könntest ja mit zurückfahren wenn du noch kein Flugticket hast.“ „Das könnte ich“, nickte Chris. Fliegen ging zwar schneller, aber mit Dean war so eine Fahrt sicherlich viel interessanter, als es ein Flug alleine sein konnte. Ein Ticket hatte er noch nicht gebucht, weil sein Flug ja von Miami hierher ging. „Verrätst du mir, warum du erst heute gekommen bist?“ Der Kellner sorgte für eine sehr willkommene Unterbrechung, als er gerade jetzt das Essen brachte. Dean stürzte sich sofort wie ein ausgehungerter Wolf darauf. Und es war ihm egal, wie das jetzt vielleicht aussah. Alles war besser, als weiterhin Fragen zu diesem Thema beantworten zu müssen! Chris nahm es hin und verschob seine Fragen auf später, wenn Dean nicht mehr so übermüdet und halb verhungert war. In aller Ruhe begann auch er zu essen. Kapitel 40: Take a chance on me ------------------------------- 040) Take a chance on me Zurück im Zimmer verzog sich Dean auf sein Bett und machte sich daran, die Texte, die sie als Hausaufgabe bekommen hatten, in der John-Winchester-Methode zu lesen. Nach knapp eineinhalb Stunden ließ er das Buch sinken. Er wählte Sams Nummer, um ihm von seinem Tag zu berichten. Weit kam er nicht. Immer wieder wurde seine kurze Zusammenfassung des Tages von einem Gähnen unterbrochen. „Geh ins Bett", lachte Sam nur. „Du kannst mir auch morgen noch erzählen, wie ihr die Kletterwand bezwungen habt und wer gewonnen hat." „Okay", gähnte Dean. „Nacht Sammy!" Er legte auf ging ins Bad. Frisch geduscht kam er zurück. „Nacht Chris“, wünschte er seinen Zimmerkameraden leise, kroch unter die Decke, drehte sich auf den Bauch und umschloss das Kissen mit beiden Armen. Chris starrte ihn überrascht an. War er etwas schon mit den Texten durch? Das konnte ja wohl kaum möglich sein! „Nacht, Dean“, erwiderte er etwas verspätet. Er überflog noch einmal seine markierten Stellen und beschloss danach auch ins Bett zu gehen. Heute war ihr erster Tag und sie würden noch genug Zeit zum Lernen haben! Am nächsten Morgen sollte einer von Deans Mitschülern das Gelesene zusammenfassen. An einigen Stellen zog der Winchester fragend seine Brauen zusammen und schüttelte, eher für sich und kaum sichtbar, den Kopf. War das nicht anders gewesen? Chief Price war seine Reaktion jedoch nicht entgangen. „Was sagen Sie dazu, Mr. …?“, hakte er nach und schaute Dean auffordernd an. „Winchester“, ergänzte der seinen Namen. „Das waren die alten Vorschriften. Inzwischen ist das Traggewicht fast dreimal so hoch und die Prüfintervalle wurden auf die Hälfte verkürzt.“ „Sehr gut. Gerade bei Vorschriften ist es wichtig, sie komplett zu lesen, da sich wichtige Details meistens im Text verstecken.“ Damit ging er zu den theoretischen Grundlagen einer Höhenrettung über. Chris starrte seinen Banknachbarn nur fragend an. Ja er hatte diese Angaben auch gelesen, allerdings waren sie ihm erst beim zweiten Mal wirklich aufgefallen. „Wie hast du?“, fragte er also etwas atemlos. „Mein Erzeuger hat uns regelrecht gedrillt, in kürzester Zeit die wichtigsten Einzelheiten aus einem Text zu sammeln“, erklärte er leise. Chris zuckte ratlos mit den Schultern. Wie ging sowas? Das würde er auch gerne können! Das sparte doch jede Menge Zeit, die man gut für Wichtigeres nutzen konnte. „Kannst du mir das beibringen?“ „Nicht unbedingt. Ich kann vielleicht versuchen dir zu erklären, wie ich das mache, allerdings habe ich mir damit die Lust am Lesen allgemein verdorben.“ Dean schüttelte den Kopf. „Ich fasse Bücher immer noch ungern an, obwohl es inzwischen besser geworden ist.“ ‚Schon komisch‘, überlegte er, ‚mit Amnesie hatte er gerne gelesen. Davor lieber gar nicht und jetzt? Jetzt hatte er kaum Zeit zum Lesen. Also hatte er noch nicht wirklich probieren können, ob er es gerne tat, aber es hatte ihn auch noch nicht wieder gereizt, in ein Buch zu schauen, obwohl da noch drei auf seinem Nachttisch lagen, die er noch nicht gelesen hatte. Vielleicht sollte er einfach mal wieder zum Buch greifen? Wahrscheinlich hatte er demnächst ja genügend Zeit. Schnell schon er den Gedanken beiseite. Jetzt wollte er die Zeit hier genießen, das danach kam danach. Gleich am Dienstag setzte Sam seinen Entschluss in die Tat um. Er fuhr so los, dass er eine knappe Stunde vor dem Ende der Tagschicht da war. Er hoffte mit einem der Typen da reden zu können, eine Runde um den Block zu drehen und dann mit der zweiten Schicht zu sprechen. Vielleicht konnte er die ja auf seine Seite ziehen? Er parkte seinen Wagen gegenüber der Wache und ging zum Tor. „Hallo?", rief er laut und schaltete sein Handy auf Aufnahme. Ein Feuerwehrmann kam aus einer Tür. „Ja?“ „Ich bin Tylor und suche einen Dean", stellte sich Sam vor. Auf dem T-Shirt des Mannes stand Webb. „Warum das denn?“, fragte Webb. „Ich wollte mich bei ihm bedanken, dass er einer Freundin das Leben gerettet hat. Kristin. Wir sind zusammen aufgewachsen und ... egal. Ist er da?" „Nein, der hat frei. Angeblich einen Lehrgang." „Angeblich?" „Der ist noch Anwärter. Der sollte erstmal die Grundlagen richtig beherrschen, bevor er nach den Sternen greifen will." „Ist der nicht so gut? Ich meine, Kristin hat gesagt, dass er es war, der sie gerettet hat und ..." „Der ist Anwärter und meiner Meinung nach nicht die hellste Kerze auf der Torte. Er macht was man ihm sagt, aber ob er die Anwärterzeit übersteht? Ich bezweifle, dass das der richtige Job für den ist und ich bezweifle, dass der Ihre Freundin wirklich gerettet hat! Wir sehen in unseren Klamotten doch alle gleich aus. Wahrscheinlich war´s ein anderer und der schmückt sich mit fremden Federn." „Sind sie sicher?", fragte Sam zweifelnd. „Meiner Meinung nach, ja." „Okay. Dann danke. Ich werde noch mal mit Kristin reden." Sam nickte ihm zum und wandte sich dem Tor zu, um die Wache zu verlassen. Er stieg in seinen Wagen und fuhr ein paar Straßen weiter, wo er den Wagen abstellte und einfach loslief, bevor er vor Wut irgendetwas zerstörte. Wie konnte der Dean nur so runter machen? Sein Bruder würde sich nie mit falschen Federn schmücken. Der würde eher jedem anderen den Ruhm überlassen, als einen Dank zu viel annehmen. Trotzdem würde er mit der Aufnahme nichts anfangen können. Dieser Webb hatte Dean zwar niedergemacht, aber nichts gesagt, was er irgendwie gegen ihn verwenden könnte. Hoffentlich half ihm die zweite Schicht weiter. Zurück an seinem Wagen hatte er sich wieder im Griff. Gut, dass er die Runde um zwei Blocks gelaufen war. Ein Block wäre definitiv zu wenig gewesen! Er fuhr wieder zur Wache. Es war fast acht und er hoffte doch, dass keiner der ersten Schicht mehr hier war. Mit einem mulmigen Gefühl trat er durch das Tor. „Hallo?" Irgendwie hatte er ein Gefühl von Dejavu, das sich noch mehr verstärkte, als ein Mann aus der gleichen Tür kam. „Kann ich Ihnen helfen?", fragte der. „Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, aber darf ich Sie fragen, wer Sie sind?" Sein Gegenüber hatte die Hosenträger über die Schultern gelegt und so seinem Namen verdeckt. „Ted Everwood" Sam atmete durch. „Ich bin Sam, Deans Bruder und ich ... Ich weiß gerade nicht, ob das jetzt eine gute Idee ist, aber ... " „Du bist Sam? Hallo. Wie geht´s deinem Blinddarm?" „Der ist raus. Dean hat davon erzählt?" „Ben, Lt. Pratt, wollte wissen, warum er so übermüdet war, also ja. Dean hat es erwähnt." Ted musterte den Winchester. Warum war der hier? „Da ich davon ausgehe, dass du weißt, dass dein Bruder zum Lehrgang ist ..." „Es geht um Dean ... und um die Wache. Ich ..." „Warte mal hier." Everwood verschwand und kam Minuten später mit einem anderen Mann wieder. Sie zogen sich ihre Jacken über. „Hallo, ich bin Benjamin Pratt", stellte der sich vor. „Es geht um Dean?" Sam nickte. „Komm mit." Pratt wandte sich ab und Sam fragte sich, wo er hier wohl reingeraten war, als der Lieutenant ihn aus der Halle und um die Ecke auf die Seite der Wache führte. Sam spannte sich unmerklich. „Ich denke, hier hört keiner zu", sagte Pratt. „Also. Weswegen bist du hier? Es geht um Dean, oder? Ist er gut angekommen? Er ist doch zum Lehrgang, oder? Und keine Angst, wir verprügeln hier niemanden." „So offensichtlich?", musste Sam nun doch fragen. „Ich wäre angespannt, wenn zwei Kerle mit mir um die Ecke gehen." „Auch wenn ich studiere, ganz wehrlos bin ich nicht", erwiderte Sam. „Trotzdem ist es schon komisch, aber ... Ja, es geht um Dean und ja, er ist zum Lehrgang und gut angekommen." Pratt lächelte. „Schön. Wir haben heute zwei hier, die Grady eher zugeneigt sind und er muss nicht alles erfahren, schon gar nicht, wenn es um Dean geht, deshalb", er machte eine Armbewegung, die ihren Aufenthaltsort einschloss. „Okay", Sam atmete noch einmal durch. Hoffentlich war das jetzt kein Fehler! „Dean hat von Ihnen erzählt, er hat sich in Ihrer Schicht wohl gefühlt. Er hat erzählt und ist gerne arbeiten gegangen." Sam fuhr sich durch die Haare. „Man, ich rede ihn hier noch um Kopf und Kragen. Also, ich weiß, dass Grady ihn mobbt. Oder zumindest, dass er nichts tut, um das zu unterbinden und ich will Dean irgendwie helfen. Er kann nicht einfach in Ihre Schicht wechseln?" Fragend schaute er zu Pratt. „Nein. Grady muss zustimmen. Leider. Aber das wird der nicht. Der will ihr fertig machen.“ Sam nickte. Das hatte Dean auch gesagt, aber er wollte wenigstens fragen. „Es gibt hier Überwachungskameras. Kann man die anzapfen?" „Die zeichnen nur das Geschehen auf keinen Ton und die Aufzeichnungen werden nur eine Woche gespeichert." „Trotzdem wäre es einen Versuch wert. Oder kann ich hier Kameras anbringen?" „Wir werden sehen, was sich machen lässt", versprach Everwood. „Was ist mit der Gewerkschaft?" „Ohne handfeste Beweise?" Everwood hob nur die Schultern. „Ein kleiner Anwärter, der einem tollen Feuerwehrmann ans Bein pinkeln will. Das gab es schon. Sie werden ihm so nicht glauben und alle anderen werden mundtot gemacht. Tut mir leid!“ „Aber so ist es doch nicht!“ „Nein. Trotzdem wird es so ausgelegt werden.“ Es tut weh, nicht mehr tun zu können!", erklärte Sam frustriert. „Ted und ich versuchen die Abbrecher der letzten Jahre aufzuspüren und sie zum Reden zu bringen. Bis jetzt haben wir einen. Ist nicht so einfach, wie wir dachten", sagte der Lieutenant, um Sam zu erklären, dass sie auch nicht untätig waren. „Ich habe mit dem First Chief gesprochen. Aber alles braucht Zeit und ich will nichts sagen, bevor ich keine wirklichen Beweise in den Händen halte." Sam nickte verstehend. „Das heißt aber auch, dass wir ihm nicht wirklich helfen." „Wir tun was wir können!", erklärte Pratt. „Und wir suchen Plätze für die Überwachungskameras." Everwood reichte Sam eine Karte. „Meine Nummer. Ruf nächste Woche mal an." „Okay." Sam reichte den Männern die Hand. „Danke auch wenn es sich eher nach Niederlage anfühlt." Er wandte sich ab und ging zu seinem Wagen. Die beiden Feuerwehrmänner gingen zurück ins Warme. „Such die Stellen!", bat Pratt leise. Ted nickte. Wenigstens fühlte sich das an, als ob sie wirklich etwas tun konnten. Sam fuhr in ihre Wohnung. Er wollte versuchen sich in die Überwachungskameras zu haken. Vielleicht ergab sich ja was, auch wenn er nicht wirklich Hoffnung hatte. Es war wie verzwickt. Wieso konnte er seinem Bruder nicht wirkungsvoller helfen? Diese erste Woche verging wie im Fluge und Deans Schlafdefizit verringerte sich, je näher der Freitag kam. Vormittags schrieben sie einen Test über Vorschriften und das ganze theoretische Wissen des Abseilens, dass sie später eh nie wieder brauchen würden. So wenig Lust wie die Kursteilnehmer zu diesem Test hatten, so gerne gingen sie danach zum praktischen Teil. Am späten Nachmittag waren Dean und Chris zurück in ihrem Zimmer. Chris ließ sich mit ausgebreiteten Armen auf das Bett fallen. „Das war echt heftig. Mir reicht‘s für heute.“ Er setzte sich auf. „Was machen wir mit dem jungfräulichen Abend?“ Dean grinste ihn breit an. „Erstmal hätte ich Hunger.“ „Dem können wir abhelfen. Das Dinner hat sicher einen Tisch für uns“, entgegnete Chris. „Oder wir gehen gleich zwei Straßen weiter, in den Pub“, warf Dean ein. „Dann los!“ Chris war sofort Feuer und Flamme. „Der Pub hat einen Billardtisch.“ „Na umso besser!“, freute sich Dean. „Allerdings habe ich schon ewig nicht mehr gespielt.“ „Hab ihr keinen Tisch auf der Wache? Wir spielen fast täglich.“ Sofort verfinsterte sich Deans Blick und seine Zähne mahlten aufeinander. Er schüttelte den Kopf. Chris entging dieses Minenspiel natürlich nicht, doch er wollte die bis eben noch vorhandene gute Laune nicht gänzlich vertreiben, also schwieg er, mal wieder. Er wollte diese tolle Woche nicht mit so einem Gespräch verderben, auch wenn er sich bei diesem Gedanken feige vorkam. Kapitel 41: what is and what should never be -------------------------------------------- 041) What is an what never should be Nacheinander betraten sie den Pub und schauten sich um. Es gab einige Tische, von denen noch nicht alle besetzt waren, ein paar freie Stühle an der Bar und zwei Billardtische. Sie wollten erst etwas essen, also steuerte Dean einen der Tische an. Er setzte sich, wie immer, so, dass er den Eingang im Blick hatte. Auch so eine Angewohnheit, die er wohl nicht so schnell ablegen konnte. „Wie wäre es mit etwas Kultur am Samstag?“, fragte Chris, während sie auf ihr Essen warteten. Deans Augen wurden groß. „Kultur?“, echote er verständnislos. „Jup. Hier gibt es ein Feuerwehrmuseum, ein Naturkundemuseum, den Zoo, einen botanischen Garten, Kunst- und andere Museen, die wir getrost vernachlässigen können. Es gibt hier einen Trampolinpark und Escape Rooms oder Minigolf.“ Chris grinste breit und Dean atmete erleichtert auf. Damit konnte er problemlos leben. „Klingt gut, ich glaube nur, dass wir nicht alles schaffen, aber wir können es versuchen. Das Feuerwehrmuseum könnte interessant sein. Botanische Gärten und Zoos sind wohl eher was zum Frauen aufreißen und das brauchen wir hier nicht. Trampolin? Sport haben wir in der Woche genug. Gegen diese Escape Rooms oder Minigolf habe ich nichts, also warum nicht.“ Chris‘ Grinsen wurde noch breiter. „Wir sind drei Wochenenden hier, wir können jeden Tag was anderes machen.“ Dean nickte. „Also das Feuerwehrmuseum, morgen und Minigolf Sonntag.“ „Das Feuerwehrmuseum war auch mein erster Gedanke. Sonntag würde ich aber lieber in einen dieser Escape Rooms. Außerdem gibt es hier in der Gegend eine Geisterstadt. Die soll sehenswert sein.“ „Was ist an einer Geisterstadt sehenswert? Verfallende Häuser?“ „Ach keine Ahnung. Vielleicht gibt es da ja wirklich Geister? Ich würde einfach gerne hinfahren oder hast du was gegen ein bisschen gepflegten Grusel?“ ‚Hoffentlich nicht‘, dachte Dean. Er schnaubte, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Wenn du da hin willst, von mir aus.“ Er legte zwar keinen gesteigerten Wert auf diesen Ausflug, aber er würde Chris die Freude nicht verderben. „Dann fahren wir nächsten Samstag dahin?“ „Machen wir!“, mit ihm war Chris auf jeden Fall sicherer, wenn da wirklich ein Casper leben sollte. Nach einem guten und reichhaltigen Essen ließen sie den Abend mit ein paar Bieren und einigen, mehrheitlich, gewonnenen Runden Billard ausklingen. Auch wenn Deans Einsätze nicht mehr so hoch waren wie früher, so hatte er doch etwas mehr in der Tasche, als zu Beginn dieses Abends. Der Besuch im Feuerwehrmuseum brachte keine neuen Erkenntnisse. Es gab nichts, was sie nicht in irgendeiner Art schon mal gesehen hatten. Aber das war egal. Sie hatten Zeit totgeschlagen und nur darum ging es ihnen an diesem Tag. „Nach der Geisterstadt könnten wir dann nächsten Samstag noch Minigolf spielen gehen, oder wir toben uns doch in der Trampolinhalle aus. Das macht bestimmt auch mehr Spaß“, erklärte Chris geradeheraus, als sie wieder im Impala saßen. „Ich bin dabei“, nickte Dean. Den Rest des Tages verbrachten sie im Schwimmbad der Schule. Fix und fertig kamen sie zurück in ihr Zimmer. Dean holte Bier aus dem Kühlschrank. Er hielt Chris eine Flasche hin und ließ sich dann auf sein Bett fallen. „Gibt´s irgendwo ein Spiel? Oder was läuft sonst so?“, fragte Chris. Dean warf ihm die Fernbedienung zu und holte sein Handy aus der Tasche. Er wählte Sams Nummer. Schnell hatte er ihm von dem Feuerwehrmuseum berichtet. „Morgen wollen wir in einen Escape Room und nächsten Samstag will Chris nach Rodney. Das soll ´ne Geisterstadt sein“, erzählte er. „Geisterstadt? Meinst du da ist was? Soll ich mir das mal anschauen?“ „Lass mal.“ Dean grinste und schaute zu Chris. „Nicht in jedem verfallenen Haus spukt es.“ „Wäre doch mal was. Einen echten Geist sehen“, warf Chris ein. „Er will einen echten Geist sehen“, gab Dean an seinen Bruder weiter. „Ich hoffe für ihn, dass der Wunsch nie in Erfüllung geht.“ „Ich auch, Sammy. Ich melde mich morgen wieder“, verabschiedete sich Dean und legte auf. Er nahm sein Bier und machte es sich auf dem Bett gemütlich. Der Escape Room am Sonntag machte ihnen richtig viel Spaß. Sie waren Brandermittler und sollten an einem Brandort nach Hinweisen suchen, als der Brandstifter sie plötzlich im Keller einschloss und sie binnen einer Stunde einen Ausweg finden mussten, bevor eine Bombe sie und alle Spuren vernichten würde. Sie schafften es 20 Sekunden vor Ablauf der Zeit und waren sich sicher das noch mal in einem der anderen Räume zu machen. Diesen ersten Sonntag ließen sie mit Minigolf ausklingen. Bei seinem Telefonat am Abend konnte Dean gar nicht genug von diesem Raum schwärmen. Den würde er unbedingt mal mit Sam machen und wenn sie Chris, Mac, Mity und Tylor mitnehmen, würde das bestimmt einem lustige Runde werden. Sam freute sich, wie sehr sein Bruder doch noch zu begeistern war. Wenn das doch auf der Wache auch so wäre. Er biss sich auf die Zunge, um nichts von seinen Bemühungen zu verraten. Bislang hatten sie nicht wirklich etwas Vorzeigbares und er wollte keine Hoffnungen schüren, die er danach nicht erfüllen konnte. Für Dean waren die Gedanken an seine furchtbare Wache weit weg, dachte er. Lange bevor der Wecker klingelte, lag Dean am Montagmorgen wach. Etwas hatte ihn geweckt und nun konnte er nicht mehr einschlafen. Seine Gedanken fuhren Karussell. Er fühlte sich betrogen. Vor einer Woche war er noch unterwegs gewesen und hatte noch einen ganzen Lehrgang vor sich. Jetzt war die erste Woche um und die folgenden drei würden auch wie im Fluge vergehen, dabei dauerten drei Wochen bei Grady länger als die Ewigkeit! Er drehte sich auf die Seite und starrte in der Dunkelheit zu dem anderen Bett. Früher hätte Sam darin gelegen und mit dessen ruhigen Atemzügen würde er bestimmt wieder einschlafen können. Chris´ hatten diese Wirkung leider nicht. Sam! Mit dem musste er unbedingt reden, wenn er wieder da war. So konnte er nicht weiter machen! Andererseits … wie sollte Sammy ihm helfen können? Er studierte und da würde er ihn auf keinen Fall herausreißen. Dann blieb als einzige Alternative Stans Schrottplatz. Er schraubte ganz gern an alten Autos, aber jetzt wo er wusste, wie es war als Feuerwehrmann zu arbeiten, war das Schrauben nur ein unzureichender Ersatz. Mit Bobby ja, da machte es Spaß, so für zwischendurch und hin und wieder jagen gehen. Doch Sam studierte, das verbot das Jagen von selbst. Auf jeden Fall für Sam und ohne den wollte er auch nicht los. Sie waren nur gemeinsam wirklich gut. Gab es andere Alternativen? Als Rettungssanitäter wäre er wahrscheinlich auch auf einer Wache stationiert und ob die ihn als abgebrochenen Feuerwehrmann nicht auch schnitten? Er könnte umziehen. Columbus war nicht so weit weg, dass er nicht an seinen freien Tagen zu Sam fahren konnte. Eigentlich könnte er sogar in Bloomington bleiben, er müsste sich ja nur in Columbus anmelden. Blieb die eine Frage, ob die Grady da nicht auch kannten, so groß wie der bei der Feuerwehr war. Oder er zog noch etwas weiter. Terre Haute, Indianapolis oder Lafayette. All diese Städte lagen in Reichweite und er könnte Sammy jederzeit problemlos besuchen. Wenn die allerdings auch die 12-Stunden-Schichten hatten, wäre er wieder da, woran er schon vor Jahren fast zugrunde gegangen war. Er wäre allein. Außerdem blieb noch die Frage wohin Sam gehen würde, wenn er sein Studium beendet hatte. Blieb er in Bloomington wäre das Thema nur vertagt und wieder auf dem Tisch! Ob Sam überhaupt schon mal über ein ‚Nach dem Studium‘ nachgedacht hatte? Aber warum eigentlich? Er hatte ihn nie wirklich darauf angesprochen! Woher sollte Sam also wissen, wie sehr ihn der Schuh drückte! Warum sollte Sam über seine Zukunft nachdenken, wenn er nicht mit der Sprache rausrückte? Sammy konnte alles werden. Staatsanwalt, Rechtsanwalt. Ihm stand die ganze Welt offen! Ganz anders als seinem großen Bruder, der mal wieder nichts zustande brachte! Er verdrängte den Gedanken, der so sehr nach John klang und versuchte sich zu überlegen, was er aus einem Leben machen wollte. Zumindest bis Sam mit dem Studium fertig war, könnte er ja auch bei einem Bauunternehmer, wie Ed, arbeiten. Ob ihn da einer nahm? Die Finanzkrise hatte sich noch verschärft. Gerade jetzt wurde wenig gebaut. Er könnte zu Bobby ziehen und da … Vielleicht erkannten sie ja seinen Feuerwehrabschluss an? Aber dann wäre Sam allein hier und das wollte er auch nicht! Sein Gedanken drehten sich im Kreis. Was er konnte wollte er nicht und was er wollte ließen sie ihn nicht. Wütend knuffte er in sein Kissen. Chris drehte sich auf die Seite und Dean erstarrte. Das, was er jetzt auf gar keinen Fall wollte, war Chris wecken. Er schaute auf sein Handy und sah, dass er in einer halben Stunde eh aufstehen musste. Warum dann nicht jetzt? Er schlug die Decke zurück, griff seine Kleidung und schlich ins Bad. Schnell schrieb er Chris einen Zettel und fuhr los, um ihnen ein frugales Frühstück zu holen. „Hey“, freudestrahlend empfing Chris den Freund. „So könnte es immer sein.“ Er trug die Kaffeekanne zum gedeckten Tisch. Dean nickte nur und ließ sich auf den Stuhl fallen. Stumm begann er zu frühstücken. „Warum bist du schon so früh auf?“, fragte Chris. „Du warst doch nie ein Frühaufsteher.“ „Irgendwas hat mich geweckt“, blieb Dean ganz nah an der Wahrheit und zuckte mit den Schultern. „Und nochmal schlafen lohnte sich nicht, also dachte ich, ich hole uns was.“ „Das kannst du ruhig öfter machen.“ Dean grinste nur schief. Nach dem Frühstück fuhren sie zur Schule. Heute sollten sie erstmal nur Schnorcheln und bei einigen Spielen alles Mögliche vom Beckenboden holen, einfach nur, damit sie sich an das Wasser und die Arbeit im Wasser gewöhnen konnten. Natürlich gehörte auch wieder jede Menge Theorie dazu. Am Dienstag tauchten sie zum ersten Mal mit Druckluftflaschen im Becken. Mittwoch sollte es dann auch endlich in die Tiefe gehen. Doch vor dem Spaß, den sich alle dabei erhofften, hatten die Ausbilder den Ernst gesetzt und einen schriftlichen Test angekündigt. Chris und Dean hockten Dienstagabend, seit sie aus der Schule gekommen waren, über ihren Büchern. Nur leider konnte sich Dean kaum auf den Stoff konzentrieren. Im Unterricht war das einfach, aber hier, in der Stille ihres Zimmers huschte sein Blick immer wieder zu dem Freund und das Gefühl betrogen worden zu sein, das sich seit Montagmorgen immer tiefer in seiner Brust eingenistet hatte, schnürte ihm langsam und unerbittlich die Luft ab. Ein eisiger Klumpen machte sich in seinem Magen breit und er fragte sich mal wieder warum das Schicksal so brutal war. Warum er nicht einmal wirklich Glück haben konnte. Als er merkte, dass er keine Ahnung hatte, was er da gerade las, ließ er das Buch sinken. Sein Blick wanderte zum Fenster, hinter dem immer wieder mal Scheinwerfer vorbeihuschten. Er atmete tief durch und fühlte den schmerzenden Muskeln nach. Battalion Chief Price hatte sie zum Feierabend heute in der Schwimmhalle an ihre Leistungsgrenze getrieben. Eigentlich war es ein gutes Gefühl. Trotzdem fragte er sich, warum er sich das Ganze hier überhaupt antat. Die Chance es je nutzen zu können, lag bei neunzig zu zehn. Er schnaubte. ‚Wohl eher bei unendlich zu null.‘ Grady würde ihn nie etwas von dem hier Gelernten anwenden lassen. Also warum quälte er sich hier? ‚Weil du weiterkommen wolltest. Weil du den Lehrgang schon kurz nach der bestandenen Prüfung beantragt und bezahlt hattest und du Verschwendung hasst!‘, wisperte die Stimme in seinem Kopf. ‚Als ob das nicht trotzdem Verschwendung wäre! Ich werde es nicht brauchen!‘ Kapitel 42: More the words -------------------------- 042) More than words „Was ist mit dir?“, fragte Chris ruhig. „Nichts. Ich bin nur geschafft.“ „Das sind wir alle, aber du bist seit Montag nur halbherzig dabei.“ „Ich ...“ Dean schüttelte den Kopf. „Du vergisst, dass ich dich ein ganz klein Wenig besser kenne. Du verhältst dich regelrecht schizophren. Einerseits stürzt du dich in jede neue Aufgabe, als gäbe es kein Morgen, wie heute beim Schwimmtest. Du musstest unbedingt der Beste werden. Andererseits habe ich den Eindruck, dass du jedem vergangenen Tag wehmütig hinterher trauerst. Also! Was ist los? Und sag jetzt bitte nicht, dass alles okay ist. Das ist es nicht, Dean. Dich quält etwas. Es macht dich fertig!“ Stumm starrte Dean Chris an, dann wanderte sein Blick wieder zum Fenster. Der entwickelte sich so langsam zu Sam, was schon erschreckend genug war, oder war er für alle so durchschaubar geworden? Er schnaufte. „Du weißt auf welcher Wache ich bin? Du kennst die Gerüchte, die über diese Wache im Umlauf sind?“, fragte Dean heiser, als Chris schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte und ohne den Blick vom Fenster loszueisen. „Ja?“, erwiderte er mit belegter Stimme. Dean wollte doch jetzt nicht …? „Sie sind eher unter- als übertrieben!“ Doch! Dean wollte genau das. Dean wollte ihm bestätigen, dass in dieser Wache jeder nach unten trat, dass der Chief da das Mobbing förderte und dass jemand, den er nicht mochte nie einen Fuß auf den Boden bekommen würde, dass Anwärter da zu 99,9 Prozent das Jahr nicht überstanden. „Oh mein … Verdammt! Warum bist du dann noch da? Das muss sich niemand antun! Warum gehst du nicht zum Chief?“ Deans Kopf ruckte zu ihm herum. Wütend und zugleich unendlich traurig funkelte er ihn an. „Und du meinst, dass der Chief auf das Wort eines popeligen Anwärters mehr gibt als auf das eines Battalion Chiefs?“ Er schüttete den Kopf. „Ich dachte, ich schaffe es. Ich wollte es schaffen. Ich muss … Ich hab doch sonst hier nichts und Sam studiert hier. Er ist glücklich damit!“ Der Freund schüttelte den Kopf. „Du kannst dich doch nicht permanent erniedrigen lassen, nur weil Sam glücklich ist!“ Unverständnis sprach aus dessen Worten. „Sam ist das Wichtigste in meinem Leben!“ Chris legte das Buch, das er bis jetzt noch aufgeschlagen auf seinen Knien liegen hatte, beiseite, drehte sich richtig zu Dean um und sah ihm fest in die Augen: „Dean! Dass du Sam so sehr liebst, dass du so hinter deinem Bruder stehst, ist dir hoch anzurechnen, auch wenn es mehr als ungewöhnlich ist und ich es nicht wirklich verstehe. Trotzdem kannst du dich nicht kaputt machen lassen, nur weil Sam hier glücklich ist! Denn wenn er nur ein Bisschen so ist wie du, kann er so nicht glücklich werden.“ „Sammy ist mein Leben. Das war er immer. Ich hab doch nur ihn! Soll ich ihn rausreißen, jetzt wo er langsam sesshaft wird? Er will Jura studieren, solange er denken kann und hatte eigentlich nie wirklich eine Chance. Jetzt hat er genau die aber doch bekommen. Das erste und einzige Mal in seinem Leben. Das könnte ich nie übers Herz bringen. Lieber lasse ich mich weiter runtermachen!“, erklärte er bestimmt. „Dean, du ...“ Chris brach ab. Die Beziehung der Brüder war noch immer ein Mysterium für ihn. Er atmete kurz durch, „... du sollst ihn nicht rausreißen. Aber meinst du nicht, dass Sam alt genug ist, um alleine klar zu kommen? Meinst du nicht, dass Sam weiß, dass es dir nicht gut geht?“ „Er weiß es. Naja zum großen Teil. Ich bin nicht ins Details gegangen, aber er weiß von Schikanen und Psychoterror. Sam ist nicht dumm. Natürlich hat er mitbekommen, wie es mir damit geht. Bisher haben wir noch das Abkommen, dass er nicht weiter nachfragt und mich an meinen freien Tagen beschäftigt, ablenkt. Allerdings gehe ich davon aus, dass dieses Abkommen quasi aufgekündigt ist. Grady hat mich an dem Tag vor dem Lehrgang arbeiten lassen. Er drohte mit einer Abmahnung wenn ich nicht komme und ich Trottel habe natürlich die Schicht übernommen. Sam war verdammt wütend und wird das Ganze nicht mehr auf sich beruhen lassen.“ „Mit Recht“, entgegnete Chris ernst. Dean ließ den Kopf hängen bevor er Chris wieder in die Augen sah. „Ich wollte den Lehrgang als eine Art Auszeit nutzen und mir darüber klar werden, was ich will“, gestand er. „Und was willst du?“ „Feuerwehrmann sein!“, platzt der Winchester heraus. „Aber länger halte ich es da nicht aus.“ „Und dann?“ „Wenn sich nach dem Lehrgang nichts ändert ...“ Dean zuckte traurig mit den Schultern. Es würde sich nichts ändern. „... da sich auch nach dem Lehrgang nichts ändern wird … Meine Kündigung habe ich schon geschrieben. Ich wollte das Jahr schaffen. Ich wollte mich nicht kaputtmachen lassen. Ich wollte ihnen zeigen, dass ich es kann, aber ich habe versagt. Egal wie sehr mein Vater uns gedrillt hat, für diese Wache reicht es nicht. Ich dachte immer, nichts kann schlimmer sein als er. Ich hab mich geirrt.“ Es hielt ihn nicht mehr auf seinem Stuhl. Er stand auf und begann unruhig im Zimmer umher zu laufen. „Es ist nicht deine Schuld, Dean!“, versuchte Chris einen Einwand. „Doch! Ich hätte eher auf Sam hören sollen. Ich hätte härter sein müssen! Ich ...“ Kraftlos stieß er die Luft aus und begann seine Wanderung erneut. Chris ließ ihn nicht aus den Augen. So fertig hatte er den Freund noch nie gesehen. Aber er musst sich eingestehen, dass er auch nicht der beste Freund gewesen war. Wann hatte er je nachgehakt, wenn er das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte? Verdammt! Er hatte sich viel zu wenig um ihre Freundschaft gekümmert! „Und dann? Willst du nicht erstmal mit dem Chief reden? Oder mit der Gewerkschaft? Gut, die könnte auch eher zu Grady halten. Du bist Anwärter. Aber der First Chief. Der scheint anders zu sein und ... Du hast einen super Abschluss hingelegt und auch hier sieht es so aus, als ob du zu den Besten gehören wirst. Meinst du, die wollen dich verlieren?“ „So wie die finanzielle Lage sich entwickelt ...“ Der Winchester zuckte mit den Schultern. „Und was willst du dann machen?“ „Der Schrottplatz von Stan, auf dem ich immer wieder mal aushelfe. Er will sich zur Ruhe setzen und hat ihn mir angeboten. Hatte ich ja mal beim Schwimmen angesprochen. Es ist nicht das, was ich wollte, aber es wird unser Leben sichern.“ „Du willst den Schrottplatz übernehmen?“ „Ich weiß es nicht. Ich denke immer noch darüber nach. Genügend alte Karren stehen da rum, aus denen ich die eine oder andere wiederaufbauen kann.“ „Das klingt trotzdem nicht, als ob du dich darauf freust.“ „Es gäbe vieles, was schlimmer wäre.“ Das alte Leben wieder aufnehmen, zum Beispiel, aber das sagte er nicht. „Da bin ich mein eigener Herr und muss mich nicht mehr runtermachen lassen. Das ist mehr als ich jetzt habe! Ich könnte aber auch in eine andere Stadt gehen und mich da noch mal bewerben. Ich weiß nur nicht wie weit Gradys Arm reicht.“ Er zuckte mit den Schultern. Chris schlug sein Buch zu und stand auf. „Wir gehen jetzt in den Pub, trinken zwei Bier und spielen eine Runde Billard. Vielleicht fällt uns ja was ein. Und wenn nicht, sind wir zumindest mal rausgekommen“, erklärte er. Er reichte Dean die Jacke und schob ihn zur Tür. Sam betrat den Pub in der Nähe der Uni. Er schaute sich um und sah jemanden winken. Sofort bahnte er sich einen Weg zu dem Tisch in der Ecke. „Hallo“, grüßte er Everwood und Pratt. „Setz dich“, sagte Pratt. „Willst du ein Bier?“ „Gerne“ Ben winkte den Kellner heran und bestellte. „Ich habe die Kameras in eurer Wache anzapfen können“, erklärte Sam und hoffte, dass ihn diese Aussage nicht irgendwann auf die Füße fiel. Das Bildmaterial ist bescheiden, aber man kann die Leute erkennen und wie ihr schon sagtet, es gibt keinen Ton.“ Everwood nickte. „Die Duschen sind auch nicht überwacht.“ „Das wäre ja auch ...“, begann Pratt. „Aber ich weiß, was du meinst. Meistens haben sie ihm da das Leben schwer gemacht. Wenn wir in Gradys Büro kämen ...“ Er schaute zu Ted. „Es gibt inzwischen Kameras, die aufzeichnen und echt winzig sind“, sagte Sam. „Ich könnte sicher eine oder zwei besorgen.“ „Gut. Tu das und wir treffen uns in zwei Wochen?“, Pratt schaute zu Sam. Der nickte. „Also in zwei Wochen wieder hier. Dann haben wir noch Zeit die zu platzieren, bis Dean wieder da ist.“ „Okay“, sagte Sam und nahm einen Schluck. „Wie weit seid ihr mit den anderen Anwärtern?“ „Die sind schwer zu finden.“ „Was habt ihr von denen? Vielleicht kann ich ja helfen?“, bot sich Sam an. „Die Daten habe ich auch einem Stick“, entgegnete Everwood. „Kannst du mir die schicken?“ „Ich würde sie dir lieber persönlich geben. Sicher ist sicher.“ „Okay, dann morgen im Park an der Uni?“ Ted nickte und sie verabredeten einen genauen Treffpunkt. „Immerhin habe ich die Aussage von den Sanitätern, die bei dem Einsatz im Flutbecken dabei waren, als Dean den Jungen rausgeholt hat. Es war eindeutig Grady, der ihn davon abgehalten hat, mit ihnen ins Krankenhaus zu fahren. Gut, Dean hätte trotzdem mitfahren können, aber so wie Grady ihn bearbeitet, wagt wohl kein Anwärter einen Widerspruch.“ Sam seufzte. Er hatte Dean helfen wollen, weil er sah, wie sehr er litt. Dass es so schlimm war, damit hatte er nicht gerechnet. Obwohl? Er wusste wie viel Dean aushielt, bis er überhaupt zeigte, wie schlecht es ihm ging. Vielleicht hätte er es ahnen müssen. Er trank sein Bier aus. Es brachte nichts darüber zu sinnieren was wäre wenn. Jetzt war wichtig und jetzt tat er etwas! „Dann bis morgen“, sagte er, nickte den Beiden zu und verließ den Pub. Im Wagen wählte er Nicks Nummer. Schon nach dem zweiten Klingeln ging der Freund dran. „Bist du schon in Bloomington?“, kam Sam auch sofort zum Punkt, kaum dass er ihn begrüßt hatte. „Nein, warum?“ „Wir haben hier ein Problem mit einer Person und ich dachte, vielleicht findest du ja was über ihn?“ „Es gibt jemanden, über den du nichts finden kannst?“, wunderte sich Nick. „Ich … Naja. Ich will damit nicht wirklich in Verbindung gebracht werden. Wenn das rauskommt, kann das verdammt ins Auge gehen und den Ärger wird wohl ein anderer abbekommen.“ „Wenn du es so sagts, kann es eigentlich nur um Dean gehen. Was hat er angestellt? Sag nicht, er ist verschwunden und ...“ „Nein. Nichts dergleichen, aber ja. Es geht um Dean.“ Sam holte tief Luft. „Kannst du, rein inoffiziell, einen Battalion Chief Grady überprüfen?“ „Warum? Was hat der getan?“ „Vermutlich nichts. Ich … Er schikaniert Dean und … ach verdammt! Wenn Dean das erfährt zerreißt der mich wahrscheinlich in er Luft. Aber … Der Typ Dean wollte so gerne Feuerwehrmann werden und er Typ tut alles, damit er aufgibt. Ich kann nicht mehr einfach nur zusehen, wie er, wie sein Traum zerstört wird!“ „ich versuche was ich kann“, versprach Nick. Er kannte die Brüder und wenn Sam mit so einer Bitte kam, war die nicht leichtfertig ausgesprochen. „Aber versprich dir nicht zu viel davon.“ „Es bedeutet mir viel, dass du das tust.“ „Ich melde mich.“ „Danke, und grüße Ruby.“ Nick legte auf. Ruby. Sie hatte auch schon angedeutet, dass es Dean nicht wirklich gut ging. Aber solange sie keinen Grund sah, sich einzumischen?!? Es schien wohl doch mehr dahinter zu stecken. Auch Sam steckte sein Handy weg. Er war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war, aber das war er sich bei der ganzen Sache nicht. Einfach nicht tun wenn Dean so litt, konnte er aber auch nicht. Jetzt hieß es abwarten, ob das alles etwas brachte. Kapitel 43: Eloise ------------------ 043) Eloise Wie im Flug verging der Rest der Woche. Sam hatte sich noch einmal mit Ted Everwood getroffen und die Daten des Sticks auf seinen Rechner übertragen. Sie hatten ihre Nummern ausgetauscht und wollten in Kontakt bleiben. In Deans Kurs mussten drei der Teilnehmer diese Prüfung verschieben. Sie hatten Probleme mit dem Innenohr, die ihnen jedes Mal, wenn sie tiefer gingen, stechende Schmerzen im Ohr bereiteten. Wenn sie Glück hatten, konnte ein Arzt das wieder in Ordnung bringen. Sonst würden sie auf das Tauchen verzichten müssen. Der Freitagabend war dem Pub und ein paar Billardspielen vorbehalten und die einzige Zeit, in der Dean wirklich loslassen zu können schien. Der Samstagmorgen begann in aller Ruhe. Sie fuhren in das kleine Diner und ließen sich Pfannkuchen mit Ahornsirup und Rühreier und Speck schmecken und Dean fand es ausgesprochen entspannend, dass Chris genauso viel in sich hineinstopfte, wie er und absolut kein Freund von gesundem Futter war. Schon fast überfressen gingen sie zum Impala und Dean fragte sich, warum Chris die Packung Muffins mitgenommen hatte. So weit war es nicht, dass sie Wegzehrung brauchten. „Eigentlich steht mir der Sinn jetzt eher nach Bett, als nach einem Ausflug“, erklärte Chris und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Die Box mit den Muffins schob er in das Handschuhfach. „Wir können auch wieder ins Motel fahren“, bot Dean an. „Nee, lass mal. Ich will mir die Geisterstadt anschauen und bis wir in Rodney sind, wird es schon wieder gehen und so ein bisschen durch die Gegend wandern, soll ja gesund sein.“ Er grinste. „Ich frage mich nur, wie du dieses ganze Futter so gut wegstecken kannst. Du hast doch mehr als ich gegessen.“ „Alles nur Gewöhnung“, grinste Dean „und langjährige Übung.“ „Danach siehst du aber nicht aus.“ „Die Kalorien nähen immer nur Sammy nachts die Kleidung enger.“ „Oh wie gemein“, lachte Chris während Dean den Wagen startete und sich in den fließenden Verkehr einordnete. Sie erreichten Rodney. Gemütlich rumpelte der Impala über die ausgefahrene Piste. Zwischen verlassenen, in jedem Stadium des Zerfalls befindlichen, Häusern standen einige Wohnwagen, aber es gab auch richtige Häuser, die noch bewohnt wurden. Ein Pickup mit eingeschlagenen Scheiben rostete am Straßenrand vor sich hin. Dahinter stand ein Pickup, der zwar fast noch rostiger war, dessen Scheiben aber letztens noch mit den Scheibenwischern gesäubert worden waren. Sie fuhren gerade an der Kirche vorbei, als Dean plötzlich etwas rauschen hörte. „Wir könnten nachher hier halten“, schlug Chris vor und deutete auf den Parkplatz vor der Kirche. Dean lauschte noch immer auf das Rauschen, das jetzt nicht mehr da war. Hatte er es sich nur eingebildet? „Dean?“, hakte Chris nach. „Äh. Ja. Können wir. Dahinter ist bestimmt der Friedhof.“ „Magst du Friedhöfe?“ „Nicht unbedingt, aber sie sind interessant.“ Komisch war das mit dem Rauschen aber schon. Das EMF lag im Handschuhfach, ja, aber es war ausgeschaltet! „Stimmt“, nickte Chris und schaute sich weiter links und rechts der Straße um. Dean versuchte über das Grollen seines Babys weiterhin auf das mysteriöse Rauschen zu hören. Doch es kam nicht wieder. Mit einem eleganten Schlenker lenkte Dean den Impala auf den Parkplatz am Straßenrand, gleich neben der Kirche. Sie hatten den Ort einmal durchquert und waren hierher zurückgekommen. Und das Rauschen war auch wieder da. Chris stieg aus und musterte die Kirche. So verfallen, wie er dachte, sah sie gar nicht aus. „Bin gleich da“, sagte Dean und beugte sich zu dem Handschuhfach hinüber. Er öffnete es, holte die Packung mit den Muffins hervor und dann das EMF. Es war eingeschaltet! Wahrscheinlich hatte die harte Kante der Packung die Taste heruntergedrückt. Gut! Das Rätsel war gelöst. Was ihn jedoch wirklich beunruhigte war, dass drei Lämpchen leuchteten und die vierte auch nur hin und wieder ausging! Hier gab es definitiv einen Geist! Verdammt! Warum hier, warum jetzt und warum war er mit Chris hergekommen?!? Er nahm das kleine Gerät, stieg aus und schob sich einen Kopfhörer ins Ohr. Langsam ging er zu Chris. „Ist das ein Walkman?“, fragte der irritiert und schaute auf das kleine Teil mit den rot leuchtenden LED. „Das war mal einer“, nickte Dean, noch immer in Gedanken. Er hielt das EMF in Richtung der Kirche und das fünfte Lämpchen begann zu flackern. Er drehte sich nach rechts. Das vierte Lämpchen flackerte nur noch. Dann schwenkte er das EMF nach links und wieder flackerte das fünfte hektisch. „Okay“, seufzte Dean. „Schauen wir uns das mal genauer an.“ Er ging zielstrebig zur Kirche. Chris folgte ihm langsamer. Ratlos schaute er auf Dean, der das kleine Gerät in seiner Hand zur Kirche hin ausstreckte und langsam hin und her schwenkte. Er vertrat ihm den Weg. „Sagst du mir auch WAS das jetzt ist?“ Mit dem Kopf deutete er auf den ehemaligen Walkman. Dean seufzte. War ja klar, dass er fragte. Er atmete noch einmal tief durch. „Das ist ein EMF“, antwortete er ruhig. „Ein EMF?“ Chris´ Gesichtszüge entgleisten. Er wusste nicht, ob er lachen oder Dean für bescheuert erklären sollte. Was war denn plötzlich mit dem los? Bis jetzt war der doch ganz normal! „Ein EMF! So wie in Ghostbusters. Klar.“ „Ja. Ich ...“, Dean rieb sich den Nacken. Das musste jetzt ja passieren! Verdammt! Warum musste er immer wieder in solche Situationen stolpern? Warum musste er mit sowas immer wieder Menschen verprellen, die er gerade als Freund bezeichnete? „Du hast mit der Packung Muffins unwissentlich das EMF eingeschaltet und als wir vorhin hier durchgefahren sind, hat es angeschlagen.“ „Und das heißt?“ „Dass es hier Geister, oder zumindest einen Geist geben könnte.“ „Geister“, echote Chris. „Klar, wir sind ja auch in einer Geisterstadt! Warum sollte es hier keine Geister geben!“ Fragend schaute er zu Dean. „Du glaubst an Geister?“ „Ich denke, ja“, nickte Dean traurig. Glauben war ja wohl nicht das richtige Wort, oder? Chris verdrehte die Augen. Schöne Show, immerhin! Gemeinsam gingen sie zu dem Schild vor der Kirche, dass von ihrem Bau und dem Überfall auf die Nordstaatler berichtete. Dann betraten sie das Haus. Es schien noch genutzt zu werden, zumindest standen hier Kirchenbänke in Reih und Glied. Das EMF rauschte stärker, je weiter Dean sich der hinteren Wand näherte. War der Friedhof genau hier dahinter? „Ich will noch mal zum Friedhof und dann in die beiden Häuser“, informierte Dean den Freund. Chris nickte. „Dem alten Laden könnten wir auch noch einen Besuch abstatten, wenn wir schon mal hier sind.“ „Klar, warum nicht“, erwiderte Dean, auch wenn dieser Laden wohl ganz anders war als der von Mr. Duncan in El Paso. Da würde es keine Kleidung mehr geben, keine Hüte und erst recht keinen Zucker. Da wäre niemand mehr. Nichts außer Termiten und faulendem Holz. Er schob die Erinnerung beiseite und verließ die Kirche. In aller Ruhe ging sie um sie herum und folgten dem stärker werdenden Rauschen des EMF. Der kleine Friedhof lag mitten im Wald und war wohl früher einmal eingezäunt gewesen. Hin und wieder stand noch ein Zaunpfahl oder ein Pfosten. Die Steine waren teils noch recht gut zu lesen, teils aber auch total verwittert. Irgendwann hatte hier wohl mal ein Sturm gehaust. Ein paar Bäume waren entwurzelt. ‚Nein‘, überlegte Dean, ‚nicht nur ein Sturm.‘ Die Bäume befanden sich in unterschiedlichen Stadien der Zersetzung. Er schwenkte das EMF langsam über das Gelände und schüttelte frustriert den Kopf. Hier gab es zu viele Signale, als dass er eine bestimmte Grabstelle ausmachen konnte. Alle Gräber würden es ja wohl nicht sein, oder? Frustriert zerdrückte er einen Fluch zwischen den Zähnen und wandte sich wieder zur Straße. Chris, der sich den einen oder anderen Grabstein näher angesehen hatte, stapfte stumm neben ihm her, als sie zur ersten Hütte gingen. Hin und wieder warf er einen fragenden Blick zu dem Freund. Was tat der hier? Er benahm sich ganz so, wie es die Gosthbusters in den Filmen getan hatten. Aber das konnte ja wohl nicht die Erklärung sein, auch wenn Dean genau das angedeutet hatte. So verrückt war er dann ja wohl doch nicht, oder? Hatte er was übersehen? Sie standen vor der ersten Hütte. Dean warf einen Blick durch das Fenster. Dann ging er zur Tür, schob sie auf und trat ein. Bis auf den Kamin war der ganze Raum leer. Der Boden hing durch und als er nach oben schaute, konnte er an einigen Stellen den Himmel sehen. Er warf einen Blick auf das EMF, doch das schwieg. „Komm lieber nicht weiter rein“, sagte er zu Chris, der in der Tür stand. „Ich bin mir nicht sicher, ob der Boden uns beide trägt. Oder warte bis ich wieder raus bin.“ Chris nickte und gab, als Dean vor ihm stand, die Tür frei, damit der wieder ins Freie gelangen konnte. Erst dann ging er hinein. Das hier sah schon eher nach verfallen aus, aber nicht nach Geistern. Zumindest hatte er sich ein Geisterhaus anders vorgestellt. Er ging wieder nach draußen. „Du suchst nicht wirklich einen Geist, damit“, fragte Chris und deutete auf das EMF. „Doch, tue ich“, antwortete Dean und atmete frustriert durch. „Ich ...“ Er sah es Chris an, dass der ihm nicht glaubte. Schlimmer noch, dass er an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifelte. Er fuhr sich durch die Haare. „Wenn du es wirklich wissen willst, kann ich dir heute Abend, bei zwei oder drei Bier, mehr aus meinem Leben erzählen. Allerdings solltest du vorher vielleicht fragen, ob sie in dem Motel noch ein Zimmer frei haben, denn ich glaube nicht, dass du danach noch etwas mit mir zu tun haben willst.“ Er schluckte, schaute Chris noch einmal traurig an und wandte sich dann dem Haus auf der anderen Straßenseite zu. Chris starrte ihm hinterher. Was sollte den diese Aussage? Wollte er ihn damit vertreiben? War er ein Mörder? Nein! Das konnte und wollte er nicht glauben. Er schüttelte den Kopf. Das konnten sie heute Abend klären! Dean war inzwischen bei dem zweiten Haus angekommen. Er stieg die wenigen Stufen der Veranda hoch. Die Tür stand einen Spalt breit offen und er schaute hinein. Im vorderen Raum konnte er nicht viel erkennen. Er schob die windschiefe Tür etwas weiter auf und betrat das Haus. Das EMF leuchtete wie ein Christbaum. Er ging weiter in den nächsten Raum. Ein Windhauch strich durch die offenen Fenster „Weh...“ Etwas knallte hinter Dean. Er drehte sich hastig um und erstarrte. Seine Augen weiteten sich. „Du nimmst ihn mir nicht wieder weg!“ Er sah das Brett auf sich zukommen und schaffte es doch nicht, sich rechtzeitig zu ducken. Hart traf es ihn an der Schulter und schleuderte ihn gegen die Wand. „Dean! Verdammt! Dean! Mach de Tür auf!“, schrie Chris und rüttelte daran. Wieso hatte der ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen? „Dean!“ Mit aller Kraft warf er sich dagegen. Nichts passierte. ‚Was trieb der da?‘ Es klang als würde etwas Schweres durch den Raum geworfen. Er warf sich noch einmal gegen die Tür. Er hätte genauso gut gegen eine massive Betonwand laufen können. Wieder passierte nichts. Kurz überlegte er, dann wandte er sich von der Tür ab. Es musste doch einen Weg in diesen Raum geben! Eher unbewusst griff er nach einer Stange, die neben dem Kamin lag. Er rannte über die, um das Haus laufende, Veranda zu einem der Fenster. „Nein!“, schrie er entsetzt, als er sah, wie jemand oder etwas mit einem Brett auf Deans Kopf zielte. Das Ding drehte sich um. „Wade!“, wisperte es. „Wade gehört mir!“ In der Zeit schaffte Dean es, etwas Steinsalz aus seiner Tasche zu holen. Mit aller Kraft schleuderte er es auf den Geist. Gut, dass er die Jacke noch nicht gewaschen hatte, nach ihrer Aktion in der alten Villa. Das Brett fiel zu Boden, als das Wesen zerplatzte. „Verdammt!“, fluchte Dean und stemmte sich mühsam hoch. Sofort kletterte Chris durch das Fenster, um ihm zu helfen. „Wie kommt die denn hier her? Hat die mich nicht schon genug gequält?“, wetterte Dean und machte sich von seinem Freund los. „Was war das?“, fragte Chris leise. Dean hörte die Panik in der Stimme. „Etwas von dem ich dir heute Abend erzählen wollte. Das kann ich auch gerne immer noch tun, aber jetzt lass uns erstmal hier verschwinden, bevor die wiederkommt! Ewig wird sie das Salz nicht aufhalten.“ Er stürmte zur Tür. „Die hat sich verkl...“ wollte Chris ihn gerade erklären, als er sah, wie mühelos sie Dean öffnete. Er verstand wie Welt nicht mehr. Wie konnte Dean...? Am Impala angekommen, lehnte sich Dean gegen den Kotflügel und beugte sich nach vorn. Die Welt drehte sich plötzlich vor ihm und jetzt, wo die Wut über den Angriff so langsam verrauchte, merkte er wie hart sie ihn getroffen hatte. Vorsichtig fuhr er sich mit der Hand über den Hinterkopf. Kein Blut! Wenigstens das, auch wenn er sich sicher war, spätestens morgen eine dicke Beule zu haben. Langsam und bemüht gleichmäßig atmete er ein und aus. Hoffentlich verging der Schwindel gleich wieder! Chris wich nicht von seiner Seite und musterte immer wieder die Umgebung. Endlich stand die Welt wieder still und ihm war nicht mehr speiübel. Er holte einmal tief Luft, dann zog er sein Handy aus der Tasche und wählte Sams Nummer. „Ich bin in Rodney“, informierte er seinen Bruder. „Die Geisterstadt ist wirklich eine.“ „Oh mein Gott“, begann Sam. „Du wolltest doch mit Chris hin! Ist euch was passiert? Geht es euch gut?“ „Nur `ne Beule. Sonst geht’s uns gut!“ Dean hörte, wie sein Bruder die Tasten seines Laptops malträtierte. „Rodney?“, brummelte er eher nebenbei. „Das ist ... ich ... oh, verdammt!“, stieß Sam in einigen Abständen aus. „Was?“, wollte Dean irritiert wissen. „Naja, da seid ihr wohl mitten in einen Fall gestolpert. So wie es hier aussieht, werden in letzter Zeit immer mal wieder Paare angegriffen.“ „Wir sind kein Paar!“, maulte Dean. „Nein, nicht und doch. Ihr seid zwei. Ich habe hier auf die Schnelle Berichte von drei Paaren, die angegriffen wurden. Zwei richtige Paare und zwei Freunde. Und alle berichten davon, dass sie etwas wie: „Er gehört mir! Du bekommst ihn nicht!“, gehört haben.“ „Du bekommst ihn nicht?“, echote Dean und dann fiel das letzte Puzzleteil an seine Stelle. „Oh man!“, stöhnte er. „Ich glaube, dann hat sie dieses Mal sogar den Richtigen erwischt.“ „Sie hat was? SIE...?“ Jetzt verstand Sam kein Wort mehr und begann automatisch sich Sorgen um seinen Bruder zu machen. „Sie hat mir vorgeworfen ihr Wade genommen zu haben.“ „Sie ... ich ... WADE?“ Sam japste ziemlich unmännlich, als der Groschen auch bei ihm fiel. „Du willst mir jetzt nicht sagen, dass Mrs. Duncan der Geist in Rodney ist? Wie kommt die denn dahin?“ „Das ist die Eine-Millionen-Dollar-Frage“, gab Dean zurück. „Ich habe kein Grab mit ihrem Namen gesehen. Allerdings gibt es mehrere Grabsteine, die nicht mehr lesbar sind. Eines davon könnte ihres sein. Das EMF hat auf dem ganzen Friedhof angeschlagen. Könnte aber auch sein, dass sie gar nicht da begraben wurde.“ „Das wäre fatal! … Okay, ich mache mich auf die Suche. Vielleicht finde ich ja was“, erwiderte Sam in Gedanken versunken. „Warum gerade die“, grummelte er leise. „Die ist nun wirklich die letzte Person, die ich wiedersehen wollte.“ „Versuch mal zu klären, wann die Angriffe begonnen haben und schau, ob du Satellitenbilder vor und nach diesem Zeitpunkt bekommst. Auf dem Friedhof sind einige Bäume umgekippt. Wenn du nichts findest, muss ich Freitag mal hier die Archive durchforsten. Jetzt fahre ich mit Chris zurück. Ich glaube, ich habe ihm viel zu erklären.“ „Oh man. Das ... Tut mir leid, Dean. Sag Chris er kann mich gerne anrufen, wenn ihm das hilft.“ Sam klang zerknirscht. Das letzte was er wollte, war seinem Bruder eine Freundschaft zu zerstören. „Wer konnte auch ahnen, dass gerade Eloise so weit weg von Zuhause rumspukt.“ „Ich mache mich gleich an die Suche.“ „Danke, bis dann, Sammy.“ Dean legte auf. Er steckte das Handy weg, atmete tief durch und ging zu Wagen. Chris´ Blick mied er bewusst. Er öffnete die Fahrertür und ließ sich auf den Sitz fallen. Kurz legte er den Kopf auf die Rückenlehne. Er fühlte wie Chris sich neben ihn setzte. „Was war das, Dean?“, fragte der heiser. „Mein Leben“, nuschelte er, richtete sich auf und schob den Zündschlüssel ins Schloss. „Dein Leben?“ „Im wahrsten Sinne des Wortes. Da taucht was auf, was irgendwie immer zum Kampf wird und letztendlich einfach so zerplatzt.“ Müde fuhr er sich über das Gesicht. Er war das Kämpfen so satt, egal welchen Kampf er führen musste. Am Liebsten würde er einfach aufgeben. Doch das konnte er Sam nicht antun. Kapitel 44: Life is a lemon --------------------------- 044) Life is a lemon Dean straffte die Schulter und richtete sich auf. „Ich werde es dir nachher im Motel erklären, aber es wird weder schön noch glaube ich, dass du es wirklich wissen willst!“ „Ich bin dein Freund, Dean. Ich habe schon viel zu lange nicht genau hingehört, wenn es um dich ging!“ Dean musterte ihn mit einem traurigen Blick, dann griff er nach dem Zündschlüssel. „Bist du wahnsinnig? Du ...“, begann Chris. „Rutsch rüber, ich fahre!“ „Wenn du alle fünf Minuten anhalten willst.“ Dean schenkte seinem Freund einen bedeutungsschweren Blick. „Glaub mir: Hier ist alles gut. Mir fehlt nichts!“ Solange er fuhr war seine Welt in Ordnung. Dann musste er nicht nachdenken und keine Fragen beantworten und er konnte darüber nachdenken, was er Chris wirklich erzählen wollte. Okay! Das war einfach. Nichts. Aber was musste er ihm heute erzählen? Er drehte den Schlüssel und ließ seine schwarze Schönheit zum Leben erwachen. Schweigen breitete sich während der Fahrt wie ein Geschwür in dem schwarzen Wagen aus. Dean wollte nicht reden und auch Chris brütete vor sich hin. Was wollte Dean ihm erzählen? Was genau war das vorhin? Es schien real zu sein. Es konnte verletzen und ein Brett schwingen. Aber es war auch plötzlich verschwunden, als Dean etwas geworfen hatte. Was hatte er geworfen? „Willst du schon reingehen?“, fragte Dean, als er vor dem Motel hielt. „Ich fahre noch was Essbares besorgen." Chris schaute sich um und dann zu Dean. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass sie schon wieder in Jackson waren. „Chris?“ „Ähm, nein. Lass uns essen fahren.“ Dean nickte. Vielleicht war das sogar die bessere Idee. In der Öffentlichkeit stritt es sich kultivierter. Innerlich schüttelte er den Kopf über seinen Gedanken. Kultiviert. Woher hatte er denn das Wort? Er schaute zu Chris hinüber, musterte dessen betrübten Blick und nickte. „Klar, lass uns essen fahren.“ Im Diner fanden sie eine freie Nische, bestellten und warteten dann schweigend darauf, dass der Kellner ihnen ihr Essen brachte. Dean wurde immer nervöser. Er wusste, dass er reden musste und er wusste, dass die Freundschaft dann Geschichte wäre. Beides wollte er nicht, doch dieses Zwischen-allen-Stühlen machte ihn noch wahnsinnig. „Okay, ich weiß was ich dir versprochen habe und ich werde es halten. Allerdings glaube ich, dass es besser ist, wenn du fragst. Ich ...“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. Hilflos zuckte er mit den Schultern und starrte wieder auf seine Hände. Chris nickte, atmete tief durch und schwieg wieder. Was sollte er denn fragen? „Okay. Vielleicht ist es besser“, sagte er wenige Minuten später heiser. Das Offensichtliche zuerst! „Was war das in dem Haus?“ „Ein Geist.“ Dean verzog das Gesicht kurz zu einem bedauernden Grinsen. „Caspar in wütend, sozusagen.“ „Es gibt Geister?“ „Ja. Wenn du stirbst und dich entscheidest, nicht ins Licht zu gehen, wirst du zu einem Geist, nehme ich an.“ „Nimmst du an?“ „Ich war noch nie ein Geist. Ich weiß nur, dass es sie gibt und wie sie vernichtet werden.“ „Du kannst sie vernichten?“ „Man kann sie vernichten“, Dean nickte. „Irgendwann muss man das mit jedem Geist. Egal was für gute Absichten der Mensch hatte, was für gute Gründe, um zu bleiben, sie werden irgendwann bösartig.“ „Es gibt keine guten Geister? Caspar ist also nicht real?“ „Solange ein Geist gut ist, geht es jemanden wie mich nichts an. Solange er gut ist, ist er kein Problem, denke ich“ Der Winchester schaute Chris offen in die Augen. „Zumindest habe ich noch keinen guten Geist vernichten müssen.“ Das war zwar so nicht ganz richtig, immerhin kam Mom hin und wieder zu ihm und sie war bestimmt nicht bösartig. Außerdem war da damals Molly. Aber sie war ins Licht gegangen und sie hatte sich auch nicht entschieden ein Geist zu sein. Irgendwie war ihr das eher passiert, weil sie ihre Familie suchte und gar nicht mitbekommen hatte, gestorben zu sein. Aber das behielt er besser auch für sich! „Das da war also nicht der erste Geist, den du gesehen hast?“, riss Chris ihn aus seinen Gedanken. „Meinen ersten Geist habe ich mit 12 vernichtet.“ Dean starrte wieder auf seine Hände. „Ich habe keine Ahnung wie viele es in den folgenden Jahren gewesen sind.“ Der Kellner gewährte ihnen Beiden eine willkommene Unterbrechung. „Du willst damit sagen, dass du ein Geisterjäger bist?“ „Keiner jagt nur Geister.“ Langsam und bedächtig schnitt Dean ein Stück von seinem Steak ab, schob es in den Mund und kaute. Der Appetit war ihm schon lange vergangen, aber er wusste, dass er Essen brauchte. Hoffentlich bekam er es auch durch den Hals, der sich immer mehr zuzuschnüren schien. „Es gibt mehrere davon?“ „Geister?“ Für eine Sekunde huschte ein schiefes Grinsen über Deans Gesicht. „Nein“, Chris verdrehte die Augen. „Die, die sie jagen.“ Wieder nickte Dean. „Ich kenne ein paar. Sie bleiben allerdings lieber unter sich. Keine Ahnung wie viele es wirklich sind.“ Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Dean wollte nicht mehr erzählen und Chris brütete über dem Gehörten und über seiner nächsten Frage. Erst als der Kellner die Teller abgeräumt hatte, stellte er sie: „Du hast mit 12 deinen ersten Geist vernichtet. Mit 12?“ „Wir hatten keine schöne Kindheit, im Nachhinein betrachtet. Damals fand ich es toll mit Sam und … John durchs Land zu ziehen. Ich war mir sicher, dass Dad ein Superheld war, Batman und ich sein Robin. Ich war viel mit Sam allein, während John …“ Dean schüttelte den Kopf. Er rieb sich den Nacken. „Mom starb als ich vier war. Der Mörder war kein Mensch, da war sich unser Vater sicher. Er stellte Fragen, und, wie auch immer, ist er an die richtigen, oder die falschen Leute geraten. Er begann auf der Suche nach ihrem Mörder durchs Land zu ziehen und Sam und ich mussten mit und wurden immer tiefer in dieses Leben hineingezogen.“ „Hat ein Geist sie ...“ „Nein.“ „Und was war es dann, wenn du sagst, dass es kein Mensch war?“ Dean presste die Zähne aufeinander. Da hatte er wohl mal wieder zu viel gesagt! Er atmete tief durch und antwortete: „Es gibt mehr als Geister auf dieser Welt und glaube mir bitte, wenn ich dir sage, dass du nicht wissen willst, was alles!“ Ernst sah er Chris in die Augen. So ganz wollte Chris das nicht auf sich beruhen lassen: „Vampire?“ Dean nickte. „Werwölfe?“ Wieder nickte Dean und seine Mine nahm einen gequälten Ausdruck an. „Zombies?“ Deans Mine blieb starr während er antwortete: „Ich habe noch keinen gesehen, keinen echten jedenfalls.“ Chris ließ es auf sich beruhen. Stattdessen interessierte ihn etwas anderes. „Du hast gesagt, dass du mit 12 … wird man mit dem Wissen geboren?“ „Nein. Wir sind damit aufgewachsen, weil John jagte. Die meisten Jäger kommen irgendwann dazu, wie John.“ „Und das macht man dann sein Leben lang? Ist es ein Beruf? Wie muss ich mir das vorstellen? Ich meine, du bist Feuerwehrmann?!?“ „Das Wissen bleibt. Wer einmal jagt, tut es fast immer bis eines der Dinger ihn erwischt. Kaum einer schafft den Absprung und die wenigsten führen nebenbei ein geregeltes Leben. Also nein, es ist kein Beruf, es ist eher Berufung. Sam und ich hatten Glück. Wir haben bis jetzt überlebt und wir haben es da raus geschafft.“ „Trotzdem hattest du dieses Ding, dieses EMF dabei, als wir nach Rodney fuhren." „Ich habe das Handschuhfach nie wirklich ausgeräumt, als wir sesshaft wurden. Das EMF lag immer drin und scheinbar hast du es mit der Muffinbox eingeschaltet. Ich habe es gehört, als wir durch Rodney gefahren sind", erklärte er ruhig. „Und jetzt?“ „Jetzt werden wir sehen, was Sam und ich dazu herausfinden können und dann ..." „Willst du es beenden", setzte Chris Deans Satz fort. Zumindest würde er das wollen, wenn er wüsste wie. „Wenn ich es lösen kann, ja.“ „Kann ich helfen?“ „Nein! Du bist kein Jäger. Ich werde dich da nicht mit reinziehen.“ „Dean, ich ...“ „Nein! Chris! Nein!“ Chris schwieg. Er fand das interessant und spannend und wollte mehr davon sehen. Was konnte ihm mit Dean schon passieren, wenn der sich bei sowas auskannte? Okay, Dean wollte nicht, aber er würde einen Weg finden! Eine Frage hatte er allerdings noch: „Du scheinst den Geist gekannt zu haben. Wer war das und woher kanntest du ihn. Ich meine in Rodney wohnen noch Menschen, aber der Friedhof, die Grabsteine sahen nicht so aus, als wären in der letzten Zeit Menschen da beerdigt worden. Die meisten Sterbedaten waren 1850, 1900.“ Dean legte die Arme auf den Tisch und ließ seinen Kopf darauf fallen. Ein frustriertes Knurren entkam seiner Kehle. Okay, er hatte Ehrlichkeit versprochen. Sein Versprechen würde er halten, aber er musste ja nicht jedes Detail ausbreiten. „Sam und ich waren eine Weile in Texas. Ich habe auf einer Ranch gearbeitet.“ Deans Augen leuchteten bei der Erinnerung. „Sam ging es nicht so gut. Er war bei einem Kaufmann untergekommen. Die Frau des Hauses hat sich in der Vorstellung verrannt, dass Sam ihr Sohn sei. Sie hat immer mehr versucht ihn von mir zu isolieren. Irgendwann hab ich ihn geschnappt und bin mit ihm verschwunden. Das scheint sie mir auch über ihren Tod hinaus übel zu nehmen.“ „Und wie ist der Geist nach Mississippi gekommen?“ „Das ist die Eine-Millionen-Frage. Hoffen wir, dass sie hier beerdigt wurde, sonst wird es kompliziert sie zu vernichten.“ Schweigend musterte Chris sein gegenüber, dann schaute er auf seine Hände. Das alles klang nicht so als würde Dean ihm einen Bären aufbinden wollen. Er beschönigte nichts, blies es nicht auf wie einen Luftballon. Er berichtete. Dean wusste diese Reaktion nicht einzuordnen. War der Freund noch sein Freund? War er sauer? Verwirrt? Hielt er ihn für durchgeknallt? Er würde es, wenn ihm jemand so etwas erzählen würde. Er winkte den Kellner heran und bezahlte. Dann brachte er sie zurück zum Motel. Chris verschwand, kaum dass er ihr Zimmer betreten hatte, im Bad. Dean ließ sich auf sein Bett fallen. Er stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Handflächen. Für einen Moment starrte er auf die geschlossene Badezimmertür, dann raffte er sich auf und begann seine Sachen zusammenzusuchen. Die Nacht konnte er im Impala verbringen, wenn er nichts mehr fand. Hier würde Chris ihn wohl nicht mehr haben wollen, da verschwand er lieber ganz. Wie sie das in der Schule handhaben würde, müssten sie dann sehen. Chris kam in Zimmer und starrte verblüfft auf seinen packenden Freund. „Was wird das?“ „Ich gehe!“ „Wenn es wegen dem ist, was du mir erzählt hast … Ich weiß nicht, ob ich an das, was ich da gesehen habe, wirklich glauben soll, oder ob es ein Hirngespinst war. Ich habe etwas gesehen, ja. Was auch immer es war und es hat dich verletzt. Du scheinst es zu wissen und du scheinst damit umgehen zu können, aber du hast es nicht verursacht! Du hast dir dieses Leben wohl nicht ausgesucht. Warum sollte ich deshalb nicht mit dir befreundet sein wollen? Mac ist auch mein Freund und er … Sein Vater war Alkoholiker und hat Frau und Kinder geschlagen. Mac hat ihn trotzdem jahrelang gedeckt und nie etwas gesagt, auch wenn fast alle ihre Vermutungen hatten. Erst als der Kerl versucht hat Macs Mutter mit voller Absicht die Treppe herunter zu stoßen, weil sie versucht hatte die kleine Tochter zu schützen, haben sie ihn angezeigt. Kinder halten zu ihren Eltern, egal was die tun. Warum sollte es bei dir anders sein?“ Dean hielt stumm inne. Chris´ Logik war bestechend. Er würde sie zwar nicht unbedingt auf sich anwenden, aber irgendwie passte es schon. Weder Mac noch er hatten sich ihre Kindheit ausgesucht. „Dann packe ich also wieder aus?“ Chris nickte. „Dann packst du also wieder aus!“ Kapitel 45: Digging in the dirt ------------------------------- 045) Digging in the dirt In der folgenden Woche schlug sich Dean zusätzlich, zu den eh schon zeitfressenden Hausaufgaben, auch noch mit Recherche für den Fall herum. An jedem Abend verglich er seine Recherchen, mit denen er, unwissentlich, Chris´ Neugier bis aufs Äußerste strapazierte, weil der nichts auf den Zetteln wirklich entschlüsseln konnte, mit Sams. Sie fanden heraus, wann Eloise Duncan nach Rodney gekommen war und wann sie starb. Über ihre Beerdigung gab es jedoch keine Zeile. Immerhin hatte Sam herausgefunden, dass sie nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes, bei einem Raubüberfall, zu ihrer Tochter nach Rodney gezogen war. Außerdem fand Sam heraus, wann genau die Angriffe begonnen hatten und kurz darauf hatte er auch ein paar Satellitenbilder entdeckt, die kurz vor und vier Wochen nach dem ersten Angriff gemacht wurden. Vor diesen Bildern hockte Dean eine halbe Ewigkeit, um den entscheidenden Unterschied zu finden, der ihm verriet wo Eloise ihre letzte Ruhe hätte finden sollen. Die Quittung für diese, vom Lernen, abgezweigte Recherche bekam er am Freitag bei den Tests. Deren Ergebnisse fielen um einiges schlechter aus als die der Vorwochen. Gut, mit Strom hatte er ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht und er konnte sich auch jetzt nicht damit anfreunden, trotzdem wurmte ihn sein Ergebnis. Naja, eine Chance blieb noch. Die Abschlusstests in der folgenden Woche, die alles Gelernte zusammenfassen sollte, wurden stärker gewichtet. Damit konnte er seinen Schnitt wieder heben. Er durfte sich dann allerdings keinen Fehler erlauben. Wenn er als Feuerwehrmann schon kündigen musste, wollte er ihnen wenigstens zeigen, was sie verloren. Außerdem wäre es eine gute Bewerbungsgrundlage, sollte er sich entscheiden, sich bei einer anderen Feuerwehr bewerben zu wollen. „Nimms nicht so schwer“, versuchte Chris ihn am Abend zu trösten, als sie in der Bar an der Theke standen, ein Bier in der Hand, und darauf warteten, dass die Spieler an einem der Billard-Tische fertig wurden. „Was?“, fragte Dean irritiert. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen. „Den Test. Es ist nicht so schlimm, dass du nur unter den besten 10 bist“, erklärte Chris ruhig. „Es ist meine Schuld. Ich hätte mich eben mehr darauf konzentrieren müssen und nicht auf diesen bekloppten Fall!“ „Wann willst du, was auch immer tun, um das zu beenden?“ „Morgen Nacht, aber du wirst nicht mitkommen!“ „Ich kann dir helfen, Dean!“, entgegnete Chris eindringlich. „Und wie?“, auffordernd schaute Dean zu dem Freund hinüber. „Keine Ahnung! Du wirst es mir schon sagen!“ Dean nickte. „Du bleibst hier! Damit hilfst du mir am Meisten!“ „Aber ...“ „Nichts „Aber“. Meine Karriere als Feuerwehrmann ist zu 99% zu Ende. Du hast sie noch vor dir. Das wirst du dir nicht zerstören! DU. Bleibst. Hier.“ Chris nickte, um das Thema offiziell zu beenden. Trotzdem nahm er sich vor, es nicht auf sich beruhen zu lassen. Wenn Dean ihn nicht mitnehmen wollte, würde er ihm eben von sich aus folgen! Ein Spieler am vorderen Tisch warf seinen Cue auf den Tisch und stapfte wütend davon. Dean nahm sein Bier und schlenderte zu den Spielern. Er zog 20 Dollar aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Der Gewinner musterte ihn abfällig, nickte und legte eine weitere 20 Dollar Note dazu. Auch die beiden anderen Spieler stiegen mit ein. Chris grinste. Dean hatte seine Opfer gefunden. In aller Ruhe sah er zu, wie das übliche Spiel aus fast hilflosem Billard, verlieren und den Typen zum Schluss doch alles abnehmen begann, das nur der Winchester so meisterhaft zu beherrschen schien. Als sie die Bar kurz nach eins verließen, hatte Dean seinen kompletten Einsatz etwas mehr als verdoppelt. „Unser Essen in der nächsten Woche ist gesichert“, grinste Dean und ließ sich auf den Fahrersitz seines Babys fallen. „Willst du zuerst ins Bad?“, fragte der Winchester, als sie wieder in ihrem Zimmer waren. „Nee, geh mal“, antwortete Chris und Dean nickte. Kurze Zeit später kam er im Schlafzeug wieder ins Zimmer und Chris ging duschen. Dean nutzte diese Zeit, um sich wieder richtig anzuziehen. Seine Jacke drapierte er so über der Stuhllehne, dass sie aussah, als wäre seine Kleidung darunter. Die Schuhe stellte er vors Bett und schlüpfte unter die Decke. „Nacht“, sagte Chris. Er löschte das Licht und legte sich ebenfalls hin. Das Belauern ging los. Chris war sich sicher, dass Dean heute Nacht noch los wollte und Dean wollte den Freund auf keinen Fall mitnehmen. Er wartete. Irgendwann nickte Chris doch ein und seine Atemzüge veränderten sich. Noch immer wartete Dean, bis er sich ganz sicher war, dass der Freund wirklich schlief. Kurz atmete er durch, schob die Decke beiseite und stand auf. Er nahm seine Schuhe, raffte die Jacke vom Stuhl und schlich aus dem Zimmer. Erst vor der Tür zog er sich richtig an. Dann lief er zum Impala und machte sich daran, Mrs. Duncan endgültig in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Das Geräusch des startenden Impalas riss Chris aus seinem Dämmerzustand. „Verdammt“, fluchte er und sprang aus dem Bett. Gut, dass er wusste, wohin Dean wollte. Hastig zog er sich an und folgte ihm mit seinem Leihwagen. Leise sang Dean einen Titel aus dem Radio mit, während er sein Baby über die nächtlichen Straßen lenkte. Er genoss diese Fahrt und kurz blitzte der Gedanke auf, alles hinzuschmeißen und wieder jagen zu gehen. Keine Konventionen, die ihn banden, kein Einpassen in eine Gesellschaft. Er wäre sein eigener Herr, müsste sich von niemandem runtermachen lassen oder rechtfertigen und wäre wohl schneller tot als er gedacht hätte. Entweder würde Sam ihm den Kopf abreißen oder Bobby mit seiner Schrotflinte auf ihn warten oder einer seiner nächsten Gegner würde ihn erwischen. Außerdem müsste er alleine jagen. Und da war der Haken. Sam würde sein Studium aufgeben und ihm folgen und genau das würde er für seinen kleinen Bruder nicht wollen. Nein. Wieder jagen zu gehen reizte ihn nicht halb so sehr, wie befürchtet. An einer Tankstelle hielt er an und kaufte einen Kanister Benzin. Den Rest seiner Ausrüstung hatte er in der Woche besorgt. Immer dann, wenn er Essen holen gefahren war. Die Straßen waren fast wie ausgestorben und ließen ihm so genug Raum, seine Gedanken laufen zu lassen. Mal von Sams unerklärlichem Hass ihm gegenüber im Allgemeinen und Mrs. Duncans im Speziellen, war es eine schöne Zeit gewesen, die er im wilden Westen verbringen durfte. Vielleicht interpretierte er da ja zu viel hinein, die Zeiten waren sicherlich nicht leicht und schon gar nicht leichter als ihr jetziges Leben hier, mit all seinen Bequemlichkeiten, aber wenn er es sich aussuchen dürfte, hätte er lieber damals da gelebt, als hier mit dem Wissen um all die Kreaturen denen er schon begegnet war. Ein wenig gestattete er sich noch seinen Erinnerungen nachzuhängen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. In Rodney angekommen lenkte er den Impala in die Auffahrt neben der Kirche und stieg aus. Eine Weile stand er in der Dunkelheit und lauschte in die Stille. Bald schon setzten die nächtlichen Geräusche wieder ein. Er holte seine Taschenlampe hervor, schaltete sie an und ließ den Lichtkegel einmal über die Kirche gleiten. Nichts regte sich. Dean grinste. Sein Körper vibrierte vor Adrenalin. Er hätte nie gedacht, dass er sich, obwohl er nie wieder jagen gehen wollte, so auf eine Jagd freuen würde. Er holte Spaten, Salz und Benzin aus dem Kofferraum und machte sich auf den Weg zum Friedhof. Neben dem umgestürzten Baum, dessen Sturz er zur Ursache des Übels erklärt hatte, stellte er alles ab. Er untersuchte das Erdreich. Leider hatte es, nachdem der Baum gefallen war, noch zwei Hochwasser gegeben und selbst wenn jemals etwas zu sehen gewesen wäre, waren diese Spuren lange fortgespült worden. Hoffentlich war das Grab nicht direkt unter dem Stamm! Vorsichtig schob er hier und da ein paar Blätter weg. Plötzlich stieß sein Fuß auf eine harte Ecke. Er hockte sich hin und fuhr mit der Hand darüber. „Hah!“, rief er leise. Die Kante unter seiner Hand war viel zu ebenmäßig, als dass es ein einfacher Stein sein konnte. Er grub weiter. Ja! Genau! Ein Grabstein, der neben dem umgestürzten Baum lag. Das hier musste das Grab sein! Er tastete weiter. Ja, genau. Hier gab es auch eine kleine Vertiefung im Boden, da wo wohl der Sarg eingesackt war. Schnell zog er eine Salzlinie um das Grab. Ohne Sam, der ihn schützen konnte, war das sicherer. Geister bekamen meistens mit, wenn es ihnen an den Kragen gehen sollte. „Dann mal los!“, murmelte er. Gerade hatte er die obere Schicht Blätter und Erde zur Seite geschoben, als gar nicht weit entfernt ein Ast knackte. Sofort schaltete er die Taschenlampe aus und lauschte in die Richtung. Nichts rührte sich. Dean wartete eine Weile, dann knipste er seine Taschenlampe wieder an und leuchtete in den Wald. Nichts. Er nahm den Spaten wieder auf und begann zu graben. Schicht um Schicht grub er sich durch Erdreich und Wurzeln und zweifelte immer mehr, dass er hier richtig war. Gerade als er aufgeben wollte, stieß die Schaufel auf Holz. Der Sarg. Verdammt hatten die sie tief vergraben! Mit Wucht zerschlug er den Deckel, legte das Sarginnere frei und erstarrte verwundert. Im Sarg lag ein ziemlich großer Stein. Dean kletterte aus dem Loch, griff nach seiner Taschenlampe und ließ den Lichtkegel langsam über den Sarg gleiten. Hier war wohl jemand verdammt abergläubisch gewesen und wollte sie auf keinen Fall noch einmal sehen. Zwischen den Zähnen des Schädels klemmte ein kleiner Stein und der große Brocken, über den er sich gerade schon gewundert hatte, sollte wohl auf ihren Beinen liegen. Er ließ den Lichtstrahl weiter wandern. „Hm“, murmelte er leise. Vielleicht hätten all diese Maßnahmen sogar geholfen. Allerdings war der Baum, unter dem das Grab lag, umgestürzt. Dabei hatte eine der Wurzeln den Sarg vermutlich so stark bewegt, dass der Stein von ihren Beinen gerutscht war. Er holte sein Handy heraus. Das musste er für Sam fotografieren. Sowas hatte er mal aus Europa gehört, hier aber noch nie zu Gesicht bekommen. Ein erstickter Aufschrei ließ ihn aufschauen. Etwas flüchtete. Ein Mensch? Hastig schaltete er die Taschenlampe aus und lauschte in die Dunkelheit. Ja, da rannte ein Mensch und er kam auf ihn zu. Verdammt! Und jetzt? Auch wenn er sich schon damit abgefunden hatte, nicht weiter in Bloomington bei der Feuerwehr zu arbeiten, so wollte er doch nicht unbedingt wegen Grabschändung im Knast landen! Der Mond brach durch die Wolken und beleuchtete die Szenerie. Chris kam auf ihn zu … Chris? Was machte Chris hier und wieso rannte er wie von Furien gehetzt durch den Wald, anstatt in seinem Bett zu liegen und zu schlafen!?! Und dann sah er sie. Mrs. Duncan war hinter ihm her. „Wade“, hörte er sie rufen. Selbst ihm lief bei dieser Stimme ein kalter Schauer über den Rücken. Er sah sich hektisch um. Was jetzt? Für eine Sekunde war er versucht alles stehen und liegen zu lassen, um Chris zu helfen. Doch das wäre ja nur temporär. Nein! Er musste das Problem richtig lösen und hoffen, dass Chris noch ein bisschen durchhielt. Augenblicklich verteilte er das restliche Salz großzügig auf den Knochen und kippte Benzin darüber. Er riss ein Streichholzbriefchen an und ließ es fallen. Kapitel 46: It´s my life ------------------------ 046) It´s my life Chris stolperte über eine Wurzel und fiel. „Wade“ Eine eisige Berührung fuhr ihm über den Rücken und schien ihm den Atem rauben zu wollen. Er warf sich herum und sah in das verzerrte Gesicht der Geisterfrau. … Die plötzlich in Flammen stand. Panisch riss Chris den Arm in die Höhe, um wenigstens sein Gesicht zu schützen. Doch nichts. Er spürte nicht mal die Hitze, die doch da sein musste! Mit einem letzten hasserfüllten Aufschrei verpuffte die Geistergestalt. Chris ließ sich auf den Boden fallen und starrte keuchend in den Himmel. Gerade als er sich wieder aufsetzen wollte, erschien eine Hand vor seiner Nase. Sofort ließ er sich wieder fallen und riss die Arme schützend vor sein Gesicht. „Im Falle dessen, dass, hilft das auch nicht“, erklärte eine Stimme, die … Chris nahm die Arme runter und schaute auf. „Dean!“ Der Winchester nickte. Chris griff nach der noch immer dargebotenen Hand und ließ sich auf die Füße ziehen. Fragend schaute er seinen Freund an. „Was hilft denn dann?“ „Im Bett bleiben. Wenn erfahrene Jäger sagen sie machen das alleine, dann solltest du einfach im Bett bleiben! Du rennst doch auch in kein Haus, wenn du siehst, dass die Wände einbrechen.“ „Das war doch nur ein Geist ...“ „Ja“, Dean nickte. „Aber auch ein „nur Geist“ ist alles andere als harmlos.“ Dean ging zum Friedhof zurück. „Aber wieso?“ Geister erschreckten! Geister töteten doch nicht! Oder? Langsam folgte er dem Freund. „Sie sind vielleicht einfacher zu vernichten aber genauso tödlich wie alles andere da draußen.“ Chris starrte Dean irritiert an. Geister? Das wollte er genauer wissen, nachher! Die Freunde standen vor dem Grab und schauten auf die brennenden Knochen. Irgendetwas an der Leiche, an den Resten der Leiche störte Chris, doch er kam nicht drauf und als er genauer hinschauen wollte, zerfielen die letzten Reste zu Asche. Ein paar Funken stoben auf und dann glommen nur noch ein paar Stücke. Dean nahm den Spaten und begann das Grab wieder zuzuschaufeln. Zum Schluss verteilte er Zweige und Blätter darauf, um seine Arbeit noch weiter zu tarnen. Er schulterte den Spaten und nahm den Kanister. „Lass uns hier verschwinden“, sagte er zu Chris, der sich ein wenig nutzlos vorkam, weil er nicht helfen konnte. „Fühlst du dich sicher genug, um alleine zurück zu fahren?“, wollte Dean von Chris wissen, während er Spaten und Kanister in den Kofferraum legte. „Ja, warum?“ „Du kannst auch mit mir fahren, dann müssen wir nur morgen den Wagen holen. Wo steht der überhaupt?“ Suchend schaute Dean sich um. „Da hinten, in der Querstraße.“ Chris deutete nach links. „Okay, steig ein. Ich bring dich hin und dann fährst du vor mir her. Wenn´s nicht geht, fährst du rechts ran und wir holen den Wagen morgen.“ Chris wollte protestieren, nickte dann aber nur und stieg ein. Außer Chris` Anweisungen zu seinem Wagen, sprach keiner der Beiden ein Wort. Chris war immer noch durcheinander, wegen der Geisterbegegnung, über die er noch einmal in Ruhe nachdenken wollte und Dean war sauer, weil Chris ihm gefolgt war, gleichzeitig aber auch euphorisch, denn die Jagd war erfolgreich gewesen. Er hielt kurz hinter Chris Mietwagen an, ließ ihn aussteigen und folgte ihm dann, als Chris seinen Wagen auf die Straße und nach Jackson lenkte. „Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen“, sagte Chris in die Dunkelheit ihres Zimmers, als sie endlich in ihren Betten lagen. „Du hast nur dich in Schwierigkeiten gebracht“, erwiderte Dean. „Ein paar Minuten eher … Keine Ahnung, was sie mit dir gemacht hätte.“ „Was hätte sie denn tun können?“ „Dich töten.“ Chris schluckte hörbar. „Und mit sowas hast du dich dein Leben lang rumgeschlagen?“ Erst jetzt kam ihm die ganze Tragweite von Deans Aussage wirklich zu Bewusstsein. „So hätte ich nicht leben wollen.“ „Wenn du damit aufwächst, kommt es dir nicht so schlimm vor. Außerdem gab es auch schöne Tage.“ „Du hast dir nie ein normales Leben gewünscht?“, so ganz wollte und konnte Chris das nicht glauben. „Als Mom starb war ich vollkommen durcheinander. Ich habe gebetet, dass ich immer lieb sein und alles tun würde, wenn Gott sie uns wiedergäbe. Hat er aber nicht. Kurz nach ihrem Tod begann unser Vater immer wieder und immer länger zu verschwinden und ich hatte Angst, dass auch er irgendwann nicht wieder zurückkommt. Ich habe getan, was er von mir verlangte und nichts infrage gestellt. Er war mein Superheld! Er wollte, dass ich mich um Sammy kümmere und ihn beschütze. Das hätte ich eh gemacht. Sammy ist das einzige, was mir von meiner Mom geblieben ist!“, Dean holte tief Luft. „Inzwischen sehe ich Johns Erziehung, sein Leben, wesentlich differenzierter. Aber gerade als Jugendlicher war es toll alle 14 Tage, 3 Wochen in einer neuen Stadt, in einer neuen Schule zu sein. Sam hat sich damit viel schwerer getan. Er wollte Freunde finden. Mir war es damals egal. Ich hatte Sam und John und die Jagd. Erst heute weiß ich was Freundschaft heißt und wünschte, dass ich das eher kennengelernt hätte.“ „Ich würde meine Kinder nicht so aufwachsen lassen wollen“, stellte Chris fest. „Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass auf Grund der Immobilienkrise viele ihr Zuhause verloren haben und in Motels oder Trailerparks gelandet sind.“ „Die bleiben aber auch eher an einem Ort und ziehen nicht ständig wieder um.“ Dean gähnte verhalten. Das Adrenalin in seinen Adern war inzwischen abgebaut und er wollte jetzt liebend gerne schlafen. Chris hörte es. „Gute Nacht, Dean!“, sagte er und drehte sich auf die Seite. Er war sich sicher noch nicht schlafen zu können, immerhin war das seine erste Geistervernichtung, die er miterlebt hatte. Außerdem gab es genügend, worüber er nachdenken konnte. Irgendwann, kurz bevor er einschlief, war er sich sicher, dass Dean ein echt beschissenes Leben hatte und dass es mit dieser Wache auch nicht besser geworden war, auch wenn er sich sicher war, dass Dean es liebte, Feuerwehrmann zu sein. Aber wahrscheinlich hatte er es auch geliebt, diese Geister zu jagen. Leider konnte er ihm weder bei dem einen noch dem anderen wirklich helfen. Sams Handy riss ihn aus dem Schlaf. Kurz schaute er auf die Uhrzeit, dann ging er ins Bad. Als er fertig war, nahm er die Tasche von der Couch, die er am Abend noch gepackt hatte und fuhr zu dem Cafe, in dem er sich letzte Woche mit Pratt und Everwood getroffen hatte. Ted wartete schon auf ihn. „Ich habe hier die Kameras“, sagte er und reichte dem Feuerwehrmann die Tasche. „Habt ihr einen Platz?“ „Wir haben drei Plätze. Hast Du so viele Kameras?“ „Ja. Hier sind vier drin.“ Everwood kramte in der Tüte und nahm eine Kamera raus. Eingehend musterte er das kleine Ding. „Nur einschalten?“, fragte er und deutete auf die Taste. Sam nickte. „Es reicht, wenn du den Kasten in deinen Spint legst.“ „Das ist der Sender für dich?“ „Ja. Das Ding speichert und ich kann es abrufen oder man verbindest es einfach per USB mit einem Computer.“ „Bist du dir sicher, dass das funktioniert, wenn der in meinem Spint liegt?“ „Wenn du einen anderen Platz findest, an dem er auch nicht gefunden wird, wäre es schon besser“, nickte Sam. „Aber der Spint geht auch.“ „Gut, ich schaue mich noch mal um. Hoffen wir, dass es was bringt.“ „Hoffen wir“, nickte Sam und fuhr zurück zu ihrer Wohnung. ‚Hoffen‘, dachte er. ‚Es bleibt ja nur die Hoffnung.‘ Das Fauchen der Kaffeemaschine weckte Chris am nächsten Morgen. Er rieb sich die Augen und setzte sich auf. Verwundert schaute er zum Tisch. „Wie lange bist du schon wach?“ „Eine Weile.“ Dean grinste ihn breit an. „Ich dachte, wenn ich dich so nicht wach kriege, geh ich alleine irgendwo was essen.“ „Wieso? Wie spät ist es denn?“ „Fast zwölf. Ich meine ich schlafe ja gerne lange, aber du schießt den Vogel ab!“ „Oh Gott. Ich … Verflixt!“, schimpfte Chris und sprang regelrecht aus dem Bett, verhedderte sich in seiner Decke und konnte einen Sturz gerade noch abfangen. Er verschwand im Bad. Ausgehfertig kam er wieder. „Den Kaffee hätte ich aber trotzdem gerne“, sagte er und deutete auf die Tasse, die ein grinsender Dean ihm hinhielt. Das Schauspiel hatte ihn doch kurzzeitig aus seinen trüben Gedanken gerissen. Schnell wurde er wieder ernst. Chris trank einen Schluck, musterte Dean und fragte: „Minigolf, nach dem Essen?“ Der Winchester schien sich regelrecht zu entspannen. „Gerne“, nickte er. „Ich war mir nur nicht sicher, ob du nach gestern noch mit mir zu tun haben wolltest.“ „Warum? Ich sagte dir doch schon, dass du absolut nichts dafür kannst, dass du diese Sachen weißt. Du befreist die Menschen von diesen Dingern. Es tut mir nur Leid, dass ich dir weder bei dem einen noch dem anderen helfen kann.“ „Welchem Anderen?“, stellte Dean sich dumm. „Deiner Wache?!?“ Angewidert verzog Dean das Gesicht. „Das Thema ist für mich fast durch. Ich bin nur wegen des Lehrganges hier so lange geblieben und weil ich mir eingeredet habe, das Jahr doch zu schaffen und dass sie mich, wenn ich erst die Rüstgruppenausbildung habe, respektieren würden. Ich hätte es besser wissen müssen. Das Leben war für uns noch nie ein Wunschkonzert, auch wenn sich Sammys größter Wunsch jetzt erfüllt. Für mich scheint es diese Möglichkeit nicht zu geben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich werde den Lehrgang beenden, zwei Schichten auf meiner heißgeliebten Wache schieben und dann meine Kündigung abgeben.“ „Wenn du doch eh kündigen willst, warum willst du dann erst noch Dienst schieben?“ „Grady hat mir den Morgen verschönert und mir den Schichtplan geschickt. Ich darf ab nächsten Samstag Nachtschicht machen.“ „Du weist aber schon, dass wir rein rechtlich erst Montag wieder arbeiten müssen und das dann Überstunden sind?“ „Das ist doch Grady egal! Und ich will mir nichts nachsagen lassen. Ich geh hin und … Es sind 24 Stunden. Die werde ich auch noch überleben und habe eine weiße Weste und immer guten Willen bewiesen.“ Chris legte nur den Kopf schief, sagte aber nichts mehr dazu. Er stellte seine Tasse in die Spüle, nahm seine Jacke und folgte Dean zum Impala. „Hast du schon mit Sam gesprochen?“, fragte er, kaum dass Dean sich in den fließenden Verkehr eingeordnet hatte. „Ja, er weiß von dem ganzen Dilemma, auch wenn ich ihm nicht das ganze Ausmaß erzählt habe.“ „Ich meinte eigentlich den Geist von gestern.“ „Deshalb habe ich ihn angerufen als du noch geschlafen hast und die Fertigstellung gemeldet. Er ist froh, dass sie niemandem mehr etwas tut. Irgendwie hat er sich wegen ihr schuldig gefühlt. Dabei konnte er wohl am Wenigsten dafür.“ „Aber du konntest?“, fragte Chris skeptisch. „Nein.“ Dean schüttelte den Kopf. Mehr wollte und würde er nicht erzählen. Er lenkte den Impala auf den Parkplatz des Diners, stieg aus und steuerte einen kleinen Tisch an, von dem aus er den Eingang im Auge behalten konnte. „Hast du dir schon überlegt, was du machen willst, wenn deine Kündigung durch ist?“ „Nicht wirklich. Ich könnte, wie schon erwähnt, den Schrottplatz übernehmen. Da helfe ich ja schon die ganze Zeit aus. Oder ich bewerbe mich in einer anderen Stadt. Ich weiß nur nicht, wie weit Gradys Verbindungen gehen. Ich könnte aber auch als Rettungssanitäter arbeiten.“ Er schob ein Stück Pfannkuchen über den Teller. „Ich denke, ich fahre erstmal zu unserem Onkel und verkrieche mich da eine Weile. Vielleicht wird mir da klar, was ich dann wirklich will.“ „Und Sam?“ Dean verdrehte die Augen. „Und da waren sie wieder, meine drei Probleme.“ „Drei? Wieso drei?“ „Na: Was will ich den Rest meines Lebens arbeiten? Wo will ich arbeiten und wie vereinbare ich das mit Sam?“ „Oh man. Du bist aber wirklich ein geplagtes Wesen“, lachte Chris. „Na dann warte mal darauf, dass dich das geplagte Wesen nicht gleich auf dem Golfplatz stehen lässt.“ „Du willst mich besiegen?“ Chris plusterte sich auf. „Das wollen wir ja mal sehen!“ Kapitel 47: Sorrow ------------------ 047) Sorrow Der Wettkampf der Beiden auf dem Minigolfplatz war bis zur vorletzten Bahn ausgeglichen, doch dann zog Dean davon. „Hab dich ja nur gewinnen lassen, nicht dass du nachher nur noch schmollend in der Ecke sitzt“, lachte Chris. „Du hast mich gewinnen lassen?“ „Was denn sonst?!?“ „Okay, dann spielen wir noch eine Runde!“, bestimmte Dean und ging zurück zur ersten Bahn. Chris folgte ihm grinsend. Dieses Mal hängte Dean den Freund schon nach der vierten Bahn ab und war ab der siebenten kaum noch einholbar. „Tadaa“, grinste der Winchester breit, als er seinen Ball am 18. Loch mit dem zweiten Schlag einlochte. „Hast du mich jetzt wieder gewinnen lassen?“ „Ich erkenne deinen Sieg an, oh großer Meister des Minigolfs und werde dir huldigen, wo immer ich auf einem Minigolfplatz bin“, lachte Chris breit. „Das hoffe ich aber auch“, erwiderte Dean gespielt ernst, bevor auch er lachen musste. „Na komm, ich lade ich auf ein Eis ein.“ „Das nenne ich einen würdigen Sieger!“ Chris spielte das Spiel noch zu Ende, dann brachten sie ihre Schläger zurück und Dean chauffierte sie in die Innenstadt. Während sie in aller Ruhe Eis aßen und Kaffee tranken, überlegten sie ob sie noch etwas unternehmen sollten, oder lieber zurück in ihr Zimmer fuhren und für die Prüfungen in der nächsten Woche lernten. Die Entscheidung war einstimmig und gegen das Lernen, also fuhren sie noch einmal zu dem Escape Room. Dieses Mal versuchten sie einen Schatz in einem alten Schloss zu finden. Danach fuhren sie in ein Diner zum Essen und ließen den Abend in einem Pub ausklingen. Gerade schloss Sam die Wohnungstür auf, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche, warf einen Blick auf das Display und ging dran. „Hey, Nick.“ „Sam!“ „Wie geht’s euch?“ Nick grinste kurz. „Ruby lässt grüßen.“ „Danke und grüß sie auch von mir.“ „Deine Bitte“, begann Nick dann, „Ich habe nichts finden können. Ich habe auch Ruby gefragt, aber auch sie hat nichts aufdecken können. Er ist wohl einfach nur ein furchtbarer Mensch.“ „Das auf jeden Fall.“ Sam seufzte. „Danke, Nick. Einen Versuch war es wert!“ „Passt auf euch auf“, bat Nick. „Ihr auch“, erwiderte Sam und legte auf. Er schob das Handy wieder in die Tasche und ließ sich auf die Couch fallen. „Wäre auch zu schön gewesen“, grummelte er. Aber ein Fehlschlag würde ihn nicht entmutigen. Es war nicht der erste und außerdem ging es um Dean. Der hatte so viel für ihn gekämpft, jetzt konnte er etwas zurückgeben. Morgen würde er sich mit Everwood treffen und ihm zwei Adressen von ehemaligen Anwärtern übergeben. Hoffentlich waren die bereit zu reden. Die letzte Woche des Rüstgruppen-Lehrganges bot Dean und Chris jeden Tag eine andere Prüfung mit einem theoretischen und einem praktischen Teil, so dass sie eigentlich nur noch über ihren Büchern und Aufzeichnungen hingen, oder sich von den Strapazen erholten. Montag mussten sie einen Verletzten aus einem Hochhaus retten, Dienstag ein versunkenes Auto bergen, Mittwoch war die Rettung eines Kindes aus einem Brunnenschacht zu bewerkstelligen und Donnerstag versperrten mehrere umgestürzte Strommasten den Weg zu einem Spielplatz. Am Freitag gab es dann endlich die mit Spannung erwarteten Beurteilungen. Dean hatte es auf Platz drei der Gruppe geschafft und war mächtig stolz auf sich. Chris war immerhin noch sechster geworden. „Schade, dass ich das wohl nie wirklich brauchen werde“, sagte Dean, als er seine Urkunde in die Tasche schob. „Vielleicht findet sich ja doch noch eine Lösung“, erwiderte Chris. „Und die wäre? In der Wache, in der ich jetzt bin, werde ich nicht bleiben, selbst wenn Grady plötzlich beschließen sollte an den Nordpol zu ziehen und dort als Eskimo leben zu wollen.“ „Die armen Eskimos“, lachte Chris. „Aber ich kann dich verstehen. Wenn es mir so ergangen wäre, würde ich da auch nicht mehr arbeiten wollen, auch wenn die Wache komplett anders besetzt werden würde“, fügte er ernst hinzu. Dean schnaubte nur. Er schloss den Reißverschluss seiner Reisetasche und musterte Chris. „Wärst du lieber noch hier geblieben, anstatt mit mir jetzt zurück zu fahren?“ Sie waren nach der Vergabe ihrer Abschlussurkunden in einem Restaurant eingefallen und hatten zusammen gegessen. Danach waren die anderen in einen der Escape Rooms weitergezogen und wollten am Abend noch richtig feiern. Dean hatte sich nach dem Essen verabschiedet. Er musste heute zurück nach Bloomington, wollte er seine Herfahrt nicht wiederholen. „Nein. Ist schon ganz okay. Soviel haben wir mit ihnen ja nicht zu tun gehabt und die Aussicht auf 12 Stunden mit dir ist verlockender als die, über Indianapolis zu fliegen. Dean lächelte traurig, schaute sich noch einmal in dem Zimmer um und ging dann zur Anmeldung, um auszuchecken und die Rechnung zu bezahlen. War die Fahrt zu Beginn noch ganz unterhaltsam, so sank Deans Laune immer weiter gen Null, je näher sie Bloomington kamen. Ihren absoluten Nullpunkt erreichte sie kurz nachdem er Chris zuhause abgesetzt hatte, stieg aber vor ihrer Wohnung wieder etwas an. Er freute sich darauf Sam wiederzusehen, auch wenn er dessen, berechtigte, Fragen fürchtete. Er hatte Sam versprochen ihm nichts mehr zu verschweigen und dieses Versprechen würde er auch halten, auch wenn es ihm lieber wäre, erstmal schlafen zu können. Allerdings bezweifelte er, dass Sam ihm um diese Uhrzeit auflauerte, nur um ihm Löcher in den Bauch zu fragen. Das hätte der kleine Sammy gemacht, wenn er mit John auf Jagd gewesen war und sie mitten in der Nacht wiederkamen. Dann wollte der alles wissen. Heute war Sam doch etwas gesetzter, auch wenn er noch genauso neugierig war, er konnte sich beherrschen. Er parkte den Impala neben Sams Kombi, nahm seine Tasche aus dem Kofferraum und stieg die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Gleich hinter der Tür ließ er die Tasche fallen. „Zuhause“, wisperte er und atmete durch. Er hängte seine Jacke auf. Sam hatte ihn gehört und war aufgestanden. Er stand in der Tür seines Zimmers. „Hey“, murmelte der. „Du bist ja schon da.“ „Ja, wir sind gut durchgekommen. Jetzt kann ich in Ruhe ausschlafen, bevor ich heute Abend wieder arbeiten muss.“ „Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass du dich vertan haben musst und erst morgen kommst. Ich hab mich für heute mit Tylor und Mity verabredet“, erklärte Sam geknickt und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Er sah Dean an, dass er nicht weiter dazu befragt werden wollte warum, also schwieg er. Was sollte er auch sagen? Er hatte nichts, absolut Nichts vorzuweisen, wovon er berichten konnte. Außerdem fand er, dass es besser war, wenn Dean noch nichts von ihren Bemühungen wusste. Aber ... Verdammt! Er wollte nicht, dass Dean wieder auf diese Wache ging und doch war das der einzige Weg, um die Schikanen aufzeichnen zu können. Er kam sich so mies vor, Dean hinterher zu spionieren! „Kein Problem Sammy. Dann kann ich heute ausschlafen und wir machen morgen was zusammen“, sagte der. Sam nickte kurz. Was sollte er auch sonst tun? „Ich will nicht, dass du wieder dahin fährst“, platzte es plötzlich doch aus Sam heraus. „Ich will nicht, dass du das da ertragen musst!“ Dean lächelte traurig. „Ich auch nicht Sammy, aber glaube mir bitte, dass ich sobald ich etwas ändern kann, es ändern werde.“ „Ich hoffe nur, du wartest nicht bis ich das Studium beendet habe!“ „Nein. Ich kann dir gerne erzählen zu welchem Entschluss ich gekommen bin“, begann Dean während er zu seinem Zimmer ging. Er versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Sams Alarmglocken schrillten. Was hatte Dean vor? Wollte er alles hinschmeißen? Verdenken konnte er es ihm nicht! Aber was dann? Was hatte Dean vor? Oh Mann. Sollte er nicht froh sein, dass Dean endlich Nägel mit Köpfen machen wollte? Warum hatte er so spät reagiert? Warum hatte er sich nicht eher darum gekümmert Dean zu helfen? Weil es nie funktioniert hätte, solange Dean da gewesen war. Trotzdem ärgerte es ihn und er machte sich Sorgen. „Du musst es nicht jetzt erzählen, wenn du nicht willst“, antwortete er etwas verspätet. „Es reicht mir zu wissen, dass du eine Lösung gefunden hast. Zusehen zu müssen, wie dich diese Wache auffrisst, ist furchtbar. Jetzt solltest du schlafen. Ich fahre heute Vormittag zu Tylor. Wir wollen lernen“, sagte Sam. Dean nickte. Er ging in sein Zimmer, zog sich um und kroch ins Bett. „Nacht Sammy“, nuschelte er im Einschlafen. „Schlaf gut, Dean“, sagte Sam und legte sich auch wieder hin. Es dauerte etwas, bis er wieder in den Schlaf fand. Deans Aussage rumorte in ihm. Was hatte er vor? Würden sie danach noch zusammenleben können? Wollte er weg hier? Was konnte er selbst tun, um Deans Entscheidung, wie auch immer die aussah, zu unterstützen? Was war er zu tun bereit? Er schob die Gedanken beiseite. Solange Dean seine Pläne noch nicht offenbart hatte, konnte er zu keiner Entscheidung kommen, obwohl er ahnte, in welche Richtung diese Entscheidung ging, auch wenn er das danach noch nicht abschätzen konnte. Gegen vier kam Sam, mit vielen Tüten und Styroporpackungen beladen, zurück. Dean kam aus dem Bad. Er rieb sich die Haare trocken, warf das Handtuch auf die Kommode und zog sich seine Arbeitskleidung an. Dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und griff nach einem Kaffee. „Du siehst nicht gerade glücklich aus“, begann Sam und setzte sich ihm gegenüber. „Bin ich auch nicht“, erwiderte der Ältere leise. „Warum tust du dir das dann an? Weißt du wie schwer es ist, dich so … leiden zu sehen?“ „Es tut mir leid Sammy. Ich wollte dich einfach nicht in meine Probleme hineinziehen. Du hast mit deinem Studium genug um die Ohren und …“ Dean zuckte mit den Schultern. „Heute und morgen kann ich eh nichts ändern.“ „Aber Montag kannst du?“ Sam war das skeptisch. Wollte Dean wirklich Montag kündigen? Er klang fast so. „Davon gehe ich aus.“ Dean nickte „Montag wird sich etwas ändern.“ „Okay.“ Dann hatte er noch bis Montag Zeit, sich darauf vorzubereiten und sich zu überlegen, wie er Dean unterstützen konnte. Sam öffnete eine der Styroporverpackungen und schob Dean den Burger unter die Nase. Dean lächelte kurz. „Danke, Sammy.“ „Ich mache mir Sorgen um dich, Dean. Es ist nicht mehr so, dass nur du dich um mich sorgen musst.“ Dean nickte. „Ich weiß“, sagte er leise. „Ich hatte mich nur so in dem Ganzen verrannt, dass ich keinen Ausweg fand. Außerdem war da immer noch ein Funken Hoffnung, dass sich doch noch etwas ändert.“ Er zuckte mit den Schulterm und begann zu essen. „Aber genug von mir. Was haben Tylor, Mity und du gemacht?“ „Eigentlich nur gelernt.“ „Nur gelernt? In den letzten Wochen wart ihr viel unterwegs, hast du erzählt. Und heute nur gelernt?“ Er freute sich für Sam, dass er endlich wirklich Freunde gefunden hatte. Wenigstens war er dann nicht ganz so alleine, wenn er wirklich hier verschwand! „Ja, wir mussten mal wieder lernen. Außerdem war das Wetter heute nicht für Aktivitäten draußen geeignet und im Museum gab es auch nichts Neues.“ „Die Ausstellung über die Ureinwohner hätte ich auch gerne gesehen, mit Mity als Führerin.“ „Sie hat viel zu den Exponaten erzählen können“, nickte Sam. „Die Ausstellung ist noch drei Wochen in Bloomington. Vielleicht schaffen wir es ja noch mal.“ „Vielleicht“, nickte Dean und schob sich den Rest seines Burgers in den Mund, kaute kurz, schluckte und spülte das Ganze mit dem Rest Kaffee herunter. „Dann geh ich mal die Hoffnung meucheln.“ Er schaffte das Handtuch ins Bad, warf die leeren Verpackungen in den Eimer neben der Küchenzeile und griff nach seiner Jacke. „Bis morgen, Sammy!“ „Halt die Ohren steif“, erwiderte Sam. Er aß seinen Salat auf und setzte sich dann mit einen Büchern aufs Bett. Er hatte sich den Roman letztens gekauft und gelernt hatte er heute wirklich genug. Klar er hätte bei Tylor und Mity bleiben können, aber er hatte Dean so lange nicht gesehen und wollte nichts lieber als wenigstens mit ihm essen. Schlauer, was Deans nächste Schritte anbelangte, war er allerdings immer noch nicht. Aber es reichte ihm ja schon zu wissen, dass sein Bruder für sich wusste, was er wollte und er hatte Angst davor, dass Dean wirklich kündigte! Er wollte weder hier weg noch Dean alleine irgendwo hin gehen lassen! Ob er sich mal in die Kamera in Gradys Büro einklinkte? Nein! Die Kamera zeichnete auf und er wollte Dean nicht hinterher spionieren. Kapitel 48: Right next door to hell ----------------------------------- 048 Right next door to hell Dean hatte seine Sachen gerade in seinem Spint verstaut, als Captain Miller in der Tür stand. „Sie sollen zum Bataillon Chief. Sofort!“ „Ja, Sir!“ Dean schloss seine Tür und ging zum Büro. Er schaltete sein Handy auf Aufnahme, klopfte kurz und trat nach einem „Herein“ ein. „Sir!“ „Ach guck. Da ist ja unser Faulpelz. Hat sich vier Wochen die Eier geschaukelt und will einer der Besten seines Lehrganges sein? Sie glauben doch wohl nicht, dass ich diesem Wisch auch nur eine Sekunde Glauben schenke? Waren Sie überhaupt da? Sowas kann ja jeder fälschen“, erklärte Grady in einem mehr als abwertenden Ton. „Selbst wenn? Sie meinen doch wohl nicht, dass ich sie jetzt anders einsetze? Auch wenn Sie die Theorie vielleicht herbeten können. Praktisch waren Sie eine Null und Sie sind es noch! Und da Sie vier Wochen nichts gemacht haben, werden wir heute ein kleines Aufwärmtraining absolvieren, um zu schauen, wozu Sie überhaupt zu gebrauchen sind.“ Er wandte sich an Miller: „Du sorgst dafür?“ Miller nickte fies grinsend. „Natürlich!“ Er wandte sich an Dean. „Volle Einsatzmontur in drei Minuten!“ Dean nickte und verließ das Büro. „Dann merkt der endlich, dass wir hier niemanden wollen, der andere mobbt!“, hörte er noch während er die Tür schloss. Mobbing? Wen sollte er denn gemobbt haben? War das überhaupt auf ihn gemünzt gewesen? Gradys Triade hatte er schweigend über sich ergehen lassen. Um nichts in der Welt wollte er dem oder Miller zeigen, wie es in ihm aussah. Sein Traum war gerade zerplatzt wie eine Seifenblase. 'Okay, Winchester', rief er sich zur Ordnung. 'Reiß dich zusammen! Du hast schon Schlimmeres erlebt und was viel wichtiger ist, überlebt.' Putzen und Sport würde er heute auch überleben. Blieb nur noch morgen. Trotzdem tat es weh. Er hatte seinen Traumberuf gefunden und war so jämmerlich gestrandet. Tja! Träume waren wohl nur für andere. Ihm schien es nicht zuzustehen, sich seine verwirklichen zu können. Er ging zu seinem Spint und zog sich um. Trauer, Hass und Wut fraßen sich durch seine Eingeweide. Wie hatte er nur hoffen können? „Du weißt ja wies geht“, lachte Miller und warf ihm eine Schlauchrolle vor die Füße, kaum dass er aus dem Umkleideraum kam. Neben der Treppe stand noch eine weitere. „Viel Spaß beim Treppensteigen“, grinste Miller. Zweimal durfte er sich so „warm machen“ und nur die Treppen hinaufhetzen. Danach kamen zwei Runden mit den Schlauchrollen und zum Schluss musste er sich seine Schutzausrüstung anlegen und noch zweimal die Treppe hinauf nehmen. Vollkommen außer Puste und klatschnass geschwitzt kam er danach wieder herunter. „Na gut. Nicht ganz schlecht, aber das werden wir weiter üben müssen", lachte Miller. "Jetzt räumst du die Rollen weg.“ Dean nickte und nahm die Rollen wieder auf. Er wollte unter die Dusche, als ein Alarm ertönte. Seufzend ging er zum Einsatzwagen. „Lass dir ruhig Zeit. Du kommst nicht mit!“, erklärte Miller. „Wir sind vier Wochen sehr gut ohne Sie zurechtgekommen!“ Grady klopfte gegen die Fahrertür: „Los!“ Coon lachte und schlug Dean die Tür des Einsatzwagens vor der Nase zu. Verdattert starrte Dean auf die Rücklichter. Was war das denn jetzt? Er schloss die Augen, atmete durch und ging duschen. Er kochte Kaffee und begann aus lauter Langeweile den Aufenthaltsraum und die Küche zu putzen. Dean fegte gerade die Eingangshalle, als die Männer wiederkamen. Coon sprang aus dem Wagen und schob das Rollgitter hoch und holte das gebrauchte Werkzeug heraus. Sofort wollte Dean mit anpacken, aber Grady stellte sich ihm in den Weg. „Außer dem Besen fassen Sie hier heute nichts an!“, bellte der. „Bevor ich mir nicht sicher bin, dass Sie in den vier Wochen nicht mehr vergessen haben, als Sie je konnten, dürfen Sie maximal fegen. Die Ausrüstung ist zu teuer, als dass ich jeden Trottel dran lassen würde!“ Ergeben nickte Dean. Das hatte sich also auch nicht geändert. Coon und Web hatten gerade alles aufgefüllt, als sie schon wieder los mussten. Auch dieses Mal durfte Dean nicht mitfahren. Wieder starrte er den davonfahrenden Wagen hinterher. Er holte sich einen Kaffee und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Grübelnd starrte er gegen die Wand. Was sollte das jetzt? Wollten die ihn so fertig machen? Konnte er das bis zum Ende seiner Anwärterzeit aushalten? Er könnte sich ein Buch mitbringen ... Erschrocken stellte er seine Tasse ab. Hatte er das gerade wirklich gedacht? Ein Buch? Okay, er war dem Lesen nicht mehr so negativ gegenüber eingestellt, aber er wollte Feuerwehrmann sein und nicht dafür bezahlt werden, um auf der Wache ein Buch zu lesen! Selbst wenn er das bis zum Ende des Anwärterjahres durchhalten würde, wäre er dann kein Feuerwehrmann mehr! Nein! Die Kündigung stand. Der Einsatzwagen kam zurück und wieder wurde Dean beiseite gedrängt als er helfen wollte, dafür stand Miller plötzlich an seiner Seite. „Du bist ja ausgeruht, dann können wir ja noch einmal trainieren!“ Dean starrte ihn an. „Einsatzkleidung, aber plötzlich!“, brüllte Miller und Dean wünschte sich wieder allein in der Halle sitzen zu können. Er beeilte sich und stand gleich darauf neben Miller an der Treppe. Das "Training" vom Beginn der Schicht wiederholte sich und Dean durfte zum Schluss die Treppen noch zwei Mal ohne Schläuche hinauf hetzen. Seine Knie zitterten und seine Lunge brannte, als er endlich die Schlauchrollen wegräumen durfte. Der Morgen graute, als Dean ins Motel kam. Er ignorierte Sams fragenden Blick, verschwand in seinem Zimmer und kroch unter die Decke. Jetzt wollte er auf keinen Fall reden. Er war sich nicht sicher, ob er seine Gefühle im Griff hätte, oder ob Hass und Wut durchschlugen und den Falschen trafen. Wider Erwarten war er schnell eingeschlafen und schlief sogar ruhig durch, bis ihn sein Wecker gegen Mittag mit einem hässlichen Ton aus dem Schlaf riss. Er setzte sich auf und streckte sich gähnend. „Wieso hast du dir den Wecker gestellt?“, fragte Sam verwundert, als Dean in den Wohnraum kam und zur Kaffeemaschine tappte. „Weil ich endlich mal wieder Zeit mit dir verbringen wollte." Er trank einen Schluck und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. „Ja schon, aber doch nicht, wenn du Nachtschicht hattest.“ „Ich hatte mich auf den Nachmittag mit dir gefreut. Wenn du aber nicht willst ...“ Deans Schulter sackten nach unten. Er hatte sich Zuspruch gewünscht. Naja nicht direkt Zuspruch, denn dann müsste er ja erzählen, was in dieser Nacht passiert war. Nein. Nicht Zuspruch. Ablenkung. „Doch, Dean. Natürlich will ich!“ Schnell legte Sam sein Buch weg. „Ich dachte nur, du brauchst Ruhe, nach der langen Fahrt und der letzten Nachtschicht.“ „Nein, ich ...“ Dean schüttelte den Kopf. „Lass uns erstmal Essen gehen und dann sehen wir weiter“, sagte er leise und sein Magen knurrte zustimmend. Er trank den Kaffee aus und ging sich anziehen. In ihrem Diner war es proppenvoll, deshalb fuhren sie zu einem kleinen Imbissstand, zwei Straßen weiter, der nur mit Stehtischen dienen konnte. Sam hatte sich zwar vorgenommen, seinen Bruder zu fragen, was los war, doch das wollte er nicht vor allen Leuten tun. Vielleicht ergab sich ja gleich noch die Möglichkeit. „Was wollen wir machen?“, fragte Sam. „Für Minigolf ist das Wetter, naja, reichlich ungeeignet.“ Er deutete auf den beginnenden Schneefall vor dem Fenster. „Was hältst du von Kart fahren?“ Dean nickte. Er hatte sich zwar auf eine Runde Minigolf gefreut, dann hätten sie reden können, aber ja. Dabei hätte er Sam von seinem Dilemma und den darauf resultierenden Plan erzählen wollen. Das Wetter machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Aber klar, sie konnten Kart fahren. Vielleicht ergab sich ja da eine Möglichkeit zum Reden. Sam sah Deans Blick und bereute seinen Vorschlag fast sofort. Sie hätten wieder nach Hause fahren sollen, gemütlich Kaffee trinken und reden. Aber Dean hätte ja auch „Nein“ sagen können, oder? Hatte er seinen Blick missverstanden? Wollte Dean gar nicht reden? Sie betraten die Anlage und gingen langsam zu den wartenden Karts. Sam schaute sich um und entdeckte Tylor. Er legte seine Hand auf Deans Oberarm und deutete auf den Freund. „Da ist Tylor“, sagte er. „Habt ihr euch verabredet?“, fragte Dean nur und sah die Möglichkeit zum Reden verpuffen. Vielleicht hätten sie doch zuhause bleiben sollen. „Nein“, erwiderte Sam irritiert. „Wer sind die Leute bei ihm?“ „Seine Schwester und ihr Freund.“ „Willst du zu ihnen?“ „Nicht unbedingt, aber ich will ihm eben „Hallo“ sagen.“ „Ich komme mit“, sagte Dean und gemeinsam gingen sie hinüber. „Hey“, grüßte Sam seinen Freund. „Was machst du denn hier?“, wollte Tylor wissen und entdeckte Dean. „Hey, wie war der Lehrgang?“ „Hey“, nickte Dean zur Begrüßung und antwortete dann eher ausweichend: „Sehr informativ.“ Tylor überlegte kurz. Das würde er später weiter ergründen. Jetzt schaute er schnell zu seiner Schwester und dann wieder zu Sam. „Sam, Dean? Darf ich euch meine Schwester Cully und ihren Freund Patrick vorstellen?“ Er drehte sich zu ihr: „Cully, Pat, das sind mein Studienkollege und Freund Sam und sein Bruder Dean.“ Sie schüttelten einander die Hände dann drängte Patrick zum Aufbruch: „Ich glaube, wir müssen dann mal. Wir werden zum Diner erwartet.“ „Schön euch kennengelernt zu haben“, antwortete Sam und ging mit Dean zum Start zurück. Sie drehten ein paar Runden und Sam merkte, dass Dean nicht wirklich bei der Sache war. Zu gerne würde er ihn darauf ansprechen, aber hier in der Öffentlichkeit wollte er keinen Disput vom Zaun brechen. Nicht dass er glaubte, Dean würde ihm nicht antworten, im Gegenteil. Er war sich sicher eine Antwort zu bekommen. Nicht sicher war er sich aber, ob er diese auch hören wollte. Vielleicht hätten sie doch zu Hause bleiben sollen? Aber sie konnten ja gleich noch zurück fahren. Etwas zeit hatten sie noch. Er bedeutete Dean, dass er nach der nächsten Runde anhalten wollte und der nickte fast erleichtert. Sie stellten ihre Karts ab, als Sams Blick zum Eingang wanderte. „Nee, ne?“, begann er und fluchte innerlich. Warum mussten eigentlich alle heute gerade hier her wollen? Dean schaute auf. „Was?“ „Schau mal, wer da kommt.“ Dean blickte auf und lachte frustriert. Chris und Mac betraten gerade die Halle. Gemeinsam gingen sie zu den Beiden. „So trifft man sich wieder“, sagte Chris. Er begrüßte Sam und stellte sich dann neben Dean. „Und?“, fragte er leise. „Hat sich was gebessert?“ Dean biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Chris schloss bedauernd die Augen und legte ihm mitfühlend die Hand auf den Arm. „Und jetzt?“ „Nichts! Jetzt! Ich habe sie unterschrieben und gebe sie morgen früh ab.“ „Das tut mir so leid.“ Dean schluckte seinen Frust herunter und zuckte mit den Schultern. Er schnaufte. Wie gerne würde er jetzt mit Sam reden. Warum musste er auch unbedingt heute mit Sam was unternehmen wollen? Er verdrehte die Augen und schaute zur Uhr. Wahrscheinlich war es die Angst vor dem, was dabei alles hochkommen würde. Verdammt! Er musste sich beeilen, wollte er Sam noch zu Hause absetzen und dann pünktlich auf der Wache sein. Doch Chris schüttelte den Kopf, als er Sam sagte, dass sie los mussten. „Ich bringe ihn zurück“, versprach Chris. Als Sam seinen fragenden Blick mit einem Nicken beantwortete, atmete Dean kurz durch und machte sich auf den Weg zu seiner letzten Schicht. „Du weißt wozu er sich entscheiden hat?“, wollte Sam wissen und verspürte bei Chris´ Nicken einen Stich im Magen. Mit ihm hatte Dean gesprochen! Aber nein, jetzt tat er Dean Unrecht. Wenn sie nicht ständig von Menschen umgeben gewesen wären, wenn er nicht vorgeschlagen hätte, Kart fahren zu gehen, hätte er auch mit ihm geredet. Er hatte doch gesehen, dass Dean etwas auf dem Herzen lag, das er gerne mit ihm bereden wollte. Morgen Nachmittag würde er sich nur für seinen großen Bruder frei halten, egal was käme. Pünktlich kam Dean bei seiner Wache an. Er zog sich um und als er seinen Spind schloss, stand Miller in der Tür. „Du sollst zum Chief! Sofort!“, erklärte er gehässig. 'Schon wieder Training?' Innerlich verdrehte der Winchester die Augen, nickte aber und machte sich auf den Weg. Er klopfte, doch niemand bat ihn herein. „Chief Grady kommt gleich“, sagte Miller hinter ihm. „Du sollst schon mal reingehen.“ Er öffnete ihm die Tür und trat hinter ihm ein. Während Dean an der Tür stehen blieb, ließ sich Miller auf Gradys Stuhl fallen, legte die Füße auf den Tisch und trank in aller Ruhe Kaffee. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Chief endlich kam. „Endlich fertig?“, fragte Miller und erhob sich langsam. „Sieht gut aus“, nickte Grady, bevor er sich zu seinem Anwärter drehte. „Winchester“, schnaubte er. „Die Schlauchwäsche wartet auf Sie. Sehen Sie zu, dass Sie die sauber machen!“ Mit einer Handbewegung, als verscheuche er eine lästige Fliege, entließ er ihn. Dean nickte und ging nach unten. Schlauchwäsche! Damit hätte er eine friedliche letzte Schicht. Kein "Training", keine Schikanen und was zu tun, auch wenn sie ihn bei einem Einsatz nicht mitnehmen sollten. Das dachte Dean zumindest, bis er die Tür öffnete und fast sofort wieder rückwärts raus taumelte. Er schluckte hart, atmete ein paar Mal durch und ging nach oben, um sich umzuziehen. Kapitel 49: However you want it ------------------------------- 049 ) However you want it Das war wohl nichts mit einer friedlichen letzten Schicht! Immerhin wusste er jetzt, warum Grady ihn eine halbe Stunde hatte warten lassen! Der hatte sich die Finger mit Sicherheit nicht selber dreckig gemacht, aber er hatte ja seine Handlanger und nur einer von denen war mit ihm im Büro gewesen! Langsam schaute er sich in der Schlauchwäsche um. Hier sah es aus, als hätte jemand ein uraltes, lange vergessenes Fass voller Altöl mit Schwung ausgekippt. und genauso stank es auch. Die braune, schmierige Brühe klebte so ziemlich überall. Einige Spitzer waren sogar an der Decke. Dean zog sein Handy hervor und filmte den Raum, dann stellte er es so auf ein Regal, dass es den Raum und vor allem die Tür aufnahm. Vielleicht verriet sich ja einer. Er starrte das Handy an. Eigentlich war es Quatsch. Diese Aufnahmen würde nie jemand sehen und doch hielt ihn etwas davon ab das Handy auszuschalten, genauso wie ihn immer wieder etwas davon abgehalten hatte, die Aufnahmen, die er seit Oktober von seinen Quälereien gemacht hatte, zu löschen. Vielleicht brauchte er die Bestätigung, dass es wirklich passiert war. Vielleicht war er auch nur masochistisch veranlagt? Er schnaufte und begann den Raum zu säubern. Irgendwann kam Coon nach unten, starrte süffisant grinsend in den Eimer, in den Dean alles das geworfen hatte, was er aus dem Abfluss geholt hatte und der jetzt neben der Tür stand. „Na, gefällt dir unsere Fischsuppe? Oder brauchst du noch mehr, bis du endlich aufgibst? Wenn es dich nicht gäbe, hätten wir Martin bekommen! Der wäre ein richtiger Feuerwehrmann, nicht so eine Lusche wie du!“ Dean warf ihm nur einen kurzen Blick zu, reagierte sonst aber nicht auf diese Aussage. Er zerrte einen alten Lappen hinter einem der Geräte hervor und warf ihn in Richtung des Eimers. Leider traf er nicht ganz genau. Der Lappen klatschte dagegen und verteilte einen Teil des Altöls auf Coons Hose. „Kannst du nicht aufpassen?“, fauchte der und verschwand wieder. Dean warf nur einen kurzen Blick zu seinem Handy. Das war dann wohl auch mit drauf. Trotzdem wusste er noch nicht, warum er das aufnahm. Brachte doch alles nichts mehr! Er schob den Gedanken beiseite und machte weiter. Einen anderen Gedanken konnte er jedoch nicht verdrängen. ‚Martin?‘ Er kannte nur einen Martin. Bender aus dem Lehrgang. ‚War der Gradys Neffe? Wollte Grady Bender haben, aber First Chief Reed hatte den einer anderen Wache zugeteilt?!? Lag es nur daran, dass die ihn hier so behandelten? Wohl eher nicht. Lieutenant Pratt und Everwood sagten doch, dass die hier so was schon öfter durchgezogen hatten. Auch Lund und Dearing sagten das. Da konnte Bender nicht der Grund gewesen sein. War das nur vorgeschoben? War es überhaupt deswegen? Er schob den Gedanken beiseite. Es brachte ja eh nichts! Selbst wenn er wusste warum sie ihn so behandelten, es machte die Situation nicht besser und half ihm keinen Zentimeter weiter. Er würde kündigen. Das Ende dieser Schicht war das Ende seiner Feuerwehrkarriere! Er schluckte die Wut, den Hass und die Tränen herunter, die ihn gerade überrollen wollten. Es brachte doch nichts! Kurz vor Feierabend hatte er es geschafft den Raum mit Hilfe eines Hochdruckreinigers und jeder Menge Waschbenzin, bis auf ein paar schwer zugängliche Ecken, wieder sauber zu bekommen. „Den Rest können Sie gerne heute Abend machen“, gab sich Grady huldvoll. ‚Klar‘, dachte Dean nur. ‚Das mach mal selber. Heute Abend gibt es mich hier nicht mehr.‘ Seinen Noch-Chef gegenüber nickte er nur. Er räumte die Putzmittel auf und ging duschen. Er verließ die Wache, ohne sich noch einmal umzuschauen. Er ging zu seinem Baby und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Mit Vollgas lenkte er seine schwarze Schönheit vom Parkplatz. Erst etliche Querstraßen weiter hielt er am Straßenrand an, ließ den Kopf auf die Rückenlehne fallen und gab sich der Trauer um seinen Traumjob hin. 'Reiß dich zusammen', schimpfte er sich nach einer Weile. ,Das war ja nun wohl wirklich keine Traumstelle!‘ Er schniefte noch einmal und wischte sich die Träne, die seiner Selbstbeherrschung getrotzt hatte, von der Wange. Er atmete tief durch, startete sein Baby und lenkte den Impala wieder in den fließenden Verkehr, um zum Hauptquartier zu fahren. Dean rieb sich mit der Hand über das müde Gesicht und richtete sich auf. Er wollte jetzt nichts lieber als in Bett und sich vor der Welt, Sam und sich selbst verkriechen. Aber das konnte er gleich noch. Außerdem hatte er demnächst jede Menge Zeit dazu, dieser vertanen Chance nachzutrauern! Sein Blick wanderte zu den Fenstern der Chefetage, hinter denen schon Licht brannte. Er schaute auf die Uhr. Kurz nach 8. Da hatte er wohl länger am Straßenrand rumgesessen als er vermutet hatte. Eigentlich hatte er die Kündigung nur in den Briefkasten werfen wollen, doch wenn der Chief schon da war, erschien es ihm richtiger, die persönlich abzugeben. Auf die paar Minuten kam es nun auch nicht mehr an. Auf jeden Fall würde er dann ruhiger schlafen können. Langsam stieg er die Stufen in die Chefetage hinauf. Vor der Tür atmete er durch und klopfte. Fast sofort hörte er das freundliche „Herein“ der Sekretärin. Er atmete tief durch und öffnete die Tür. „Guten Morgen“, grüßte er und trat zum Schreibtisch. „Guten Morgen, Mr. Winchester. Was kann ich für Sie tun? Möchten Sie zum Chief?“ Wieso wusste sie sofort, wer er war? Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. Egal! Er straffte sich. „Nein, es reicht wenn Sie ihm das geben.“ Er hielt ihr den Umschlag mit der zugeklebten Rückseite nach oben hin. Sie nahm ihn entgegen und nickte freundlich. „Danke“, sagte Dean. Er wandte sich zur Tür. Das war´s also mit seinem Ausflug in einen geregelten Arbeitsalltag. „Einen schönen Tag.“ Er öffnete die Tür. „Ihnen auch, Mr. Winchester.“ Dean schloss sie Tür, zog die Schultern hoch und ging zur Treppe. Er hatte keinen Nerv, jetzt noch auf den Fahrstuhl zu warten und mit irgendwelchen Feuerwehrmännern, wenn auch nur Sekunden, in der Kabine eingepfercht, verbringen zu müssen. Er wollte sich in Selbstmitleid und Selbstvorwürfen suhlen und dann Sammy zum Lunch abholen, um ihm die neuesten Entwicklungen zu beichten. Wahrscheinlich hätte er mit Sam reden sollen, bevor er die Kündigung abgab, doch das hatte sich gestern nicht ergeben und noch einen Tag hätte er auf dieser Wache nicht durchgehalten! Er konnte nur hoffen, dass Sam ihn verstand! In ihrem Büro drehte Mrs. Milton den Umschlag um und starrte auf die Buchstaben. „Kündigung“ Sie riss ihn auf, zog das Blatt heraus und überflog es kurz. Sie erlaubte sich ein leises Seufzen, dann drückte sie den Eingangsstempel darauf und wollte es gerade in das Körbchen des Chiefs legen, als der aus seinem Büro kam. Sie reichte ihm das kurze Schreiben. „Winchester?“, fragte der Chief nach einem kurzen Blick auf das Schreiben. Er hatte in der letzten Zeit, nach dem Gespräch mit Lt. Pratt, versucht Erkundigungen über die Wache 39 einzuholen. Entweder Grady war der Beste oder … Grady war der Beste. Die eine Gruppe lobte ihn über den grünen Klee und die andere Gruppe genauso, nur weniger überschwänglich. Irgendetwas musste es geben, das Grady in der Hinterhand hatte, etwas, warum sich keiner mit ihm anlegen wollte. Das konnte doch nicht einfach nur daran liegen, dass der der Schwiegersohn des alten Chiefs und irgendwie auch mit der halben Feuerwehr von Bloomington versippt und verschwägert war! „Ja, er war gerade hier.“ „Rufen Sie unten an, wenn der noch da ist, soll er hochkommen. Ich will mit ihm reden!“ Vielleicht bekam er ja jetzt ein paar Informationen. „Ja, Chief.“ Sie griff zum Hörer und telefonierte mit dem Empfang. Zielstrebig lief Dean durch die Eingangshalle und steuerte die großen Glastüren an, als die Frau, die am Empfang saß, auf ihn zu kam. „Mr. Winchester?“ „Ja?“ Dean blieb stehen. „Der Chief möchte mit Ihnen sprechen. Würden Sie bitte noch einmal nach oben gehen?“ Sie wandte sich ab und ging zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Unschlüssig stand Dean im Weg. Was wollte der Chief? Warum sollte er mit ihm reden wollen? Eigentlich wollte er hier nur noch verschwinden, aber wenn er mit ihm sprach, blieb weniger Zeit für Selbstvorwürfe, weil er nicht durchgehalten hatte, bis er Sam abholen konnte. Was soll´s! Er hatte nichts mehr zu verlieren, und überlegen wie es weitergehen sollte, konnte er auch später noch. Dean machte auf dem Absatz kehrt und stieg die Treppen wieder nach oben. Wieder klopfte er an die Tür und wieder hörte er fast sofort das freundliche „Herein.“ Er trat ein. „Mr. Winchester. Schön, dass sie Sie noch erwischt hat. Chief Reed möchte sich mit Ihnen unterhalten.“ Sie drückte auf eine Taste an ihrer Sprechanlage. „Chief. Mr. Winchester ist hier.“ „Schicken Sie ihn rein und wenn Sie uns einen Kaffee machen würden?“ „Kommt sofort!“, erwiderte sie und erhob sich. Lächelnd deutete sie auf die Tür. „Wie möchten Sie ihren Kaffee?“ Eigentlich wollte Dean ablehnen. Er wollte weder einen Kaffee noch wollte er hier sein! Er wollte nicht kündigen und er wollte nicht auf dieser Wache bleiben. Am Wenigsten wollte er jedoch seine widersprüchlichen Gefühle analysieren und schon gar nicht erklären. Immerhin würde er sich an der Tasse festhalten können. Er unterdrückte ein Gähnen bevor er antwortete: „Schwarz bitte.“ „Kommt sofort.“ Aufmunternd lächelte sie ihm zu und nickte in Richtung der Tür. Dean klopfte und trat nach einem weiteren „Herein“ in das geräumige Büro. Er stand stramm und salutierte. „Guten Morgen, Chief.“ „Guten Morgen. Stehen Sie bequem. Sie haben gekündigt?“, kam er ohne Umschweife zur Sache. Dean nickte nur. Was sollte er auch weiter dazu sagen. Der Chief hatte sein Schreiben in der Hand. Nahm er es nicht an? Hatte es Formfehler? Musste er eine bestimmte Zeit warten, eine Kündigungsfrist einhalten? Ein kurzes Klopfen unterbrach seine Gedanken. Mrs. Milton brachte den Kaffee und stellte ihn auf dem kleinen Tisch der Sitzecke ab. Leise zog sie sich wieder zurück. „Verraten Sie mir, warum Sie kündigen?“, bat der Chief ruhig. Aufmerksam beobachtete er das Minenspiel seines Gegenübers. Er sah das kurze Flackern in den Augen, sah die Wut, die für eine Millisekunde aufblitzte, die Enttäuschung und die Trauer. Er war beeindruckt, wie gut der junge Mann sich unter Kontrolle hatte und es erinnerte ihn an sich selbst: einen jungen Mann, dessen Vater seinen Lohn an Automaten verfütterte und dessen Mutter ihren Kummer im Alkohol ertränkte. Er hatte auch immer versucht seine Gefühle vor der Außenwelt zu verstecken. Der junge Mann vor ihm hatte so einiges in seinem Leben erleben müssen, da war er sich sicher. Deans Gesicht erstarrte zu einer Maske. „Ist wohl doch nicht das Richtige für mich“, erwiderte er regungslos. „Und das merken Sie nachdem Sie über ein halbes Jahr als Feuerwehrmann gearbeitet und den Lehrgang für die Rüstgruppe abgeschlossen haben?“ „So ist es wohl.“ Dean fühlte sich unwohl unter dem prüfenden Blick des Chiefs. Er trat von einem Fuß auf den anderen. Trotz allem wollte er niemanden reinreiten. „Es liegt nicht an der Wache?“, bohrte der Chief nach. „Es … ich …“ Dean brach ab und schluckte hart. Er wollte nicht lügen und er wollte nicht als Verräter dastehen. Der Chief erhob sich und ging zu der Sitzecke hinüber. „Mr. Winchester! Sie haben einen Lehrgang zum Rettungssanitäter, die Ausbildung für die Feuerwehr und den Lehrgang der Rüstgruppe in kürzester Zeit und jeweils unter den besten Fünf abgeschlossen und jetzt sagen sie mir, der Beruf ist nichts für Sie? Tut mir leid, aber das glaube ich Ihnen nicht.“ Warum wollte er nur nicht mit der Sprache rausrücken? Wieder fragte er sich was Grady an sich hatte. Es war zum aus-der-Haut-fahren! Er hatte die Statistiken gesehen und sie war sehr aussagekräftig. Trotzdem waren es nur Zahlen, die nichts über das Wie und Warum aussagten und die er nicht gegen Grady verwenden konnte, solange er diese Zahlen nicht mit Aussagen untermauern konnte. Er musterte den Winchester. „Ich kann Sie nicht zwingen mir zu sagen was Sie zu diesem Schritt bewegt hat. Allerdings würde ich Sie gerne um ein paar Minuten Ihrer Zeit bitten.“ Er machte eine einladende Geste zum Tisch und dem Kaffee. „Wenn Sie es schon nicht für sich wollen, vielleicht ja für Ihren Nachfolger?“ Fragend blickte er den jungen Mann an. Dean atmete aus und nickte. Was hatte er schon noch zu verlieren? Die Feuerwehr war sein Traumjob gewesen, etwas das dem, was er sein Leben lang gemacht hatte sehr nahe kam und auch noch legal und anerkannt war. Er hatte es schaffen wollen und er hatte versagt! Er ließ sich auf der Kante des viel zu gemütlich aussehenden Sessel nieder und nah einen großen Schluck Kaffee. „Also“, begann der Chief noch einmal. „Es ist die Wache.“ Kapitel 50: this is the end? ---------------------------- 050 this is the end? Dean nickte. Was sollte es. Er hatte nicht mehr die Kraft zu lügen und warum auch? Er würde ja doch nur Grady und Miller schützen und das wollte er auch nicht. „Dass ich kochen und putzen muss, ist zwar nicht das, was ich mir unter „ein Feuerwehrmann zu sein“ vorgestellt habe, aber das ist nicht das Problem. Dass ich aber nie zeigen durfte, was ich kann, dass ich bei Einsätzen nur danebenstehe oder das zugeteilt bekomme, was kein anderer tun will, oder gar nicht mehr mitfahren durfte ...“ „Was keiner tun wollte?“, unterbrach ihn der Chief. Dean schaute von seiner Tasse auf. „In eine Jauchegrube klettern oder in eisige Fluten springen, zum Beispiel“, resignierte Dean und schüttelte den Kopf. „Das Schlimmste aber war, dass sie mutwillig die Duschen verschmieren oder die Toiletten verstopfen, dass sie meine Arbeit sabotiert haben ...“ Er brach ab und starrte auf seine Schuhspitzen. „Können Sie das irgendwie beweisen? Gab es Augenzeugen?“ „Klar gab es die, aber die werden nicht reden! Ich ...“ Etwas umständlich holte Dean sein Handy aus der Tasche und öffnete die Datei von gestern Abend und suchte die Stelle, an der Coon sich verriet. „Am Anfang ist der komplette Raum ...“ Er reichte es dem Chief. Was der da zu hören und zu sehen bekam, überstieg seine schlimmsten Befürchtungen. Nach ein paar Minuten reichte er das Telefon an Dean zurück. „Können Sie mir das auf einen Datenträger geben?“, fragte er leise, weil er befürchtete, dass er vor Wut laut werden könnte. Er war seit eineinhalb Jahren hier First Chief, aus Indianapolis hergeholt, damit er hier aufräumte, die ganzen persönlichen Verflechtungen in der Feuerwehr hier aufbrach. Er hatte bei seiner Wahl versprochen aufzuräumen und die Feuerwehr umzubauen. Bis jetzt hatte er nichts in der Richtung vorzuweisen... „Das oder alles?“ Die ruhige Art des Winchester erschreckte ihn fast noch mehr als das Video. „Es gibt noch mehr?“ Jetzt wurde Chief Reed doch laut. Seine Augen sprühten vor Zorn und die Halsschlagader pochte heftig. Dean nickte nur. „Alles... bitte! Mrs. Milton hat sicher einen USB-Stick, auf den Sie das ziehen können.“ Er stand auf und lief ein paar Mal auf und ab. Dann drehte er sich zu Dean um und holte noch einmal tief Luft und ließ sie ungenutzt wieder fahren. „Wieso sind Sie eigentlich so müde? Wieso stand das gestrige Datum auf der Aufnahme? Sie hätten doch heute Ihre erste Schicht?!?“ „Grady, Batallion Chief Grady hatte mir am letzten Wochenende mitgeteilt, dass ich Samstag und gestern zu Nachtschicht zu erscheinen hatte. Er war der Meinung, dass ich den Lehrgang nicht verdient habe und deshalb musste ich die Stunden vorarbeiten.“ Reed musste sich schon wieder bremsen, um nicht laut zu werden. „Der Lehrgang war eine Auszeichnung für Sie, für Ihre Leistungen bei der Ausbildung! Sie hätten erst heute wieder arbeiten müssen!“ Er atmete tief durch. „Mr. Winchester. Ich kann Sie nur für das Verhalten meiner Untergebenen um Entschuldigung bitten. Hier scheint einiges falsch zu laufen, was ich bereinigen werde!“ Er holte noch einmal Luft, bevor er weitersprach. „Sie sind mit den besten Empfehlungen von der Akademie gekommen und ich dachte, Sie würden Ihren Mann stehen und auf der Wache überzeugen können. Ja, es gab immer Gerüchte, dass die Wache schwieriger ist als andere, doch dass es so steht, wusste ich nicht. Da scheint so einiges falsch gelaufen zu sein. Ich habe nie gewollt, dass Sie da zerrieben werden. Wenn ich etwas geahnt hätte, hätte ich ihnen Bender gegeben. Aber so ...“, wütend starrte er auf seinen Schreibtisch. Er atmete durch, entspannte seine Hände wieder, die er unbewusst zu Fäusten geballt hatte und drehte sich wieder zu Dean. „Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir die Mittel geben, tätig werden zu können.“ Dean nickte knapp. Er schaffte es nicht mehr, ein Gähnen zu unterdrücken und stemmte sich in die Höhe. Er war müde, seelisch erschöpft, traf es wohl eher, und wollte jetzt nur noch ins Bett und er brauchte Zeit, sich zu sortieren und wieder einordnen zu können. Was wollte er? Wie sollte es weiter gehen? Und vielleicht schaffte er es ja doch, die eine oder andere Stunde Schlaf zu bekommen. „Da wäre noch Ihre Kündigung“, warf Reed in den Raum. „Was ist damit?“, alarmiert erstarrte Dean in der Bewegung. „Ich würde mich freuen, wenn Sie der Feuerwehr von Bloomington noch eine Chance geben würden, wenn wir nicht so auseinander gehen würden.“ Dean richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Ich mache nicht noch eine Schicht auf dieser Wache“, wehrte er entschieden ab. „Das sollen Sie auch nicht. Sie sagten, Grady ließ Sie den gesamten Lehrgang rausarbeiten und gestern und heute Nacht mussten Sie auch zum Dienst? Bummeln Sie Stunden ab und ich versuche Sie bei einer anderen Wache unterzubringen.“ Dean legte fragend den Kopf schief: „Vier Wochen?“ „Sagen wir zwei Wochen. Wenn ich keine neue Wache für Sie finde, oder Ihnen die neue Wache nicht zusagt, werde ich Ihre Kündigung annehmen.“ Dean verstand zwar nicht, warum dem Chief so viel an ihm lag, aber er war zu erschöpft, um darüber nachzudenken. Wenn der Chief eine neue Wache fand und ... vielleicht konnte er ja doch weiter als Feuerwehrmann arbeiten oder vielleicht ... Vielleicht konnte Reed ihm ja eine andere Stadt anbieten, sollte es hier nicht klappen und ... Er rief sich zur Ordnung. Es brachte gar nichts über ungelegte Eier nachzudenken. Noch war nichts entschieden! Noch hatte er gekündigt! Vielleicht klappte es ja auch nicht? „Gut“, nickte er. „Zwei Wochen.“ Chief Reed nickte ebenfalls. „Danke.“ Er hielt Dean die Hand hin und der Winchester schlug ein und verließ, völlig verwirrt, das Büro. Jetzt wollte er erstmal nach Hause und versuchen etwas zur Ruhe zu kommen und darüber nachdenken, was jetzt gerade passiert war. Aber erst musste er ja noch seine Dateien kopieren! Eine halbe Stunde später kam Mrs. Milton in das Büro von Chief Reed. Sie legte einen USB-Stick auf den Schreibtisch. „Er hat mir jede Menge Daten gegeben“, sagte sie leise. Reed schaute sie ernst an. „Ich mache mir wirklich Vorwürfe. Nur weil ich Grady und meinem Deputy zeigen wollte, dass ich nicht nach ihrer Pfeife tanze, wurde er ...“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn ich Bender der 39 zugeteilt hätte, wäre das nie passiert.“ „Und Grady würde immer weiter machen.“ Reed nickte. „Für Winchester wäre es besser gewesen!“, er seufzte. Der Junge sah wirklich fertig aus. Er nahm den Stick. „Dann sehen wir jetzt zu, dass wir es richtig machen!“ Ernst sah er sie an. „Machen Sie mir einen Termin mit unserer Rechtsabteilung. Vorerst ohne den Deputy. Und dann holen Sie mir nacheinander die Battalion Chiefs aller Wachen ans Telefon. Und ich will mit Lieutenant Pratt sprechen. Er hat Andeutungen gemacht ..." „Wird gemacht, Chief.“ Sie verließ das Büro und Reed schob den Stick in seinen Rechner. Wahllos klickte er eine Datei an. Nach der vierten Aufnahme zog er den Stick wieder heraus und steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke. Er musste noch abwarten, was die Rechtsabteilung sagte, doch für ihn stand fest, dass Grady aus der Feuerwehr ausgeschlossen werden musste und alle Pensionsansprüche verlor. Miller sollte wenigstens seine Streifen abgeben und die komplette Schicht würde er aufteilen. Pratt wollte er zum Captain befördern, dann konnte der die Wache vorerst kommissarisch übernehmen. Everwood hatte doch auch ein Lieutenant-Patent, soweit er wusste. Aber das konnte er noch alles mit der Personalabteilung klären. Vielleicht konnte Pratt ja auch noch etwas zu einem klareren Bild beitragen. Jetzt musste er erstmal runterkommen und mit den Bataillon Chiefs reden. Dean stand in ihrer kleinen Wohnung und überlegte, wie er hierhergekommen war. Er schaute an sich herab und sah dann aus dem Fenster auf den Parkplatz wo sein Baby in ihrer vollen Pracht in der Sonne glänzte. Gut. Er hatte also keinen Unfall verursacht und jetzt? Seine Augen brannten vor Müdigkeit und in seinem Kopf herrschte eine Leere, die ihm Angst machte. Er ließ sich auf das Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein. Das beständige Plätschern von Stimmen und Geräuschen konnte diese Leere zwar nicht verdrängen, aber er würde auch nicht hinein gesogen werden, er würde sich darin nicht einfach verlieren können. Angst machte ihm allerdings der Gedanke, was passieren würde, wenn sich diese Leere wieder füllte. Würden ihn seine Gefühle überrennen? Würde er sich in seinen Selbstzweifeln verlieren? Würde Sam ihn wieder auffangen können, jetzt wo er schon wieder im Dreck lag? Doch egal was kommen würde, jetzt würde ihm diese Leere hoffentlich helfen schlafen zu können, ohne dass er sich mit Alkohol abschoss. Er stellte den Wecker seines Handys und ließ sich von den Stimmen in den Schlaf tragen. Gut gelaunt kam Sam mit Tylor und Mity den Gang entlang. Sie hatten ihre Vorlesungen geschafft. Jetzt wollten sie was essen und dann würde er Dean ein paar Muffins mitnehmen und sie würden endlich reden! „Gehen wir in die Cafeteria oder versuchen wir die kleine Bäckerei, die letzte Woche neu aufgemacht hat?“, fragte Tylor und versuchte einem Kommilitonen auszuweichen. Sam brauchte nicht lange überlegen. Er hatte ihm auch gerade die Bäckerei vorschlagen wollen. Dann könnte er die Muffins für Dean gleich mitnehmen. Sein Blick wanderte zur Tür, in der er seinen Bruder stehen sah. Sofort schlugen alle seine Sinne Alarm. Dean sah schlecht aus, müde und blass und seine Hände wanderten fahrig über seine Jacke und die Hose. Irgendetwas war passiert! Irgendetwas, das Dean restlos aus der Bahn gerissen hatte und er befürchtete genau zu wissen, was es war. „Geht alleine“, antwortete er und deutete auf seinen Bruder. „Heute ist Dean dran.“ Tylor warf einen Blick auf den älteren Winchester und zu Mity und nickte. Ja, heute war Dean dran. So wie der aussah, hatten die Brüder viel zu klären. „Dann bis morgen“, verabschiedete er sich von Sam. „Bis morgen und alles Gute“, sagte auch Mitena. Schnell schloss sie zu Tylor auf, „Hey Dean“, warf er dem älteren Winchester zu, während er sich an ihm vorbei ins Freie drückte. „Hey Dean“, echote Mitena. „Hey“, erwiderte Dean rau und trieb Sams Sorge noch weiter in die Höhe. Sam trat zu seinem Bruder und legte ihm die Hand auf den Arm. „Hier um die Ecke gibt´s eine kleine Bäckerei. Lass uns dahin gehen“, schlug er vor. Dean nickte und folgte ihm schweigend. Sam ließ seinem Bruder den Vortritt und lächelte kurz, als der eine der kleinen Nischen ansteuerte. Egal wie sich ihr Leben änderte, manches änderte sich wohl nie. Schnell wurde er aber wieder ernst, denn so wie er aussah, gehörte sein Bruder ins Bett. Dass er hier war bedeutete absolut nichts Gutes! Hoffentlich konnten sie das jetzt aus der Welt schaffen! Er setzte sich Dean gegenüber und studierte, seinem Beispiel folgend, erstmal die Karte, die wirklich vielversprechend aussah. „Hallo“, grüßte die Bedienung freundlich. „Was kann ich ihnen bringen?“ „Kaffee, schwarz“, bestellte Dean und verzog seinen Mund zu einem kurzen Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. „Und zu Essen?“ Dean schüttelte nur den Kopf. Er hatte keinen Hunger. Vielleicht ja nie wieder, wenn der Klumpen in seinem Magen nicht verschwand. Sam schaute ihn alarmiert an. Er schluckte hart. Es gab nur einen Grund, mal abgesehen davon, dass ihm selbst etwas passiert war, der Dean selbst das Essen verleiden konnte und er hoffte, dass der es nicht war. Die Sorge überflutete ihn regelrecht. Er atmete kurz durch. Sie würden es gleich klären! Gleich! „Ich hätte gerne eine Latte“, sein Blick huschte zu Dean, doch der schien ihm entweder einfach nicht zugehört zu haben, oder war so tief in seinen Gedanken versunken, dass er noch nicht mal dafür ein kurzes Grinsen hatte. Wohl eher das zweite. Er hatte ja auch nichts Essbares bestellt und Dean liebte Kuchen! „Ein großes Stück Apfelkuchen, zwei Muffins und von jedem Cupcake einen“, bestellte er. Dean würde essen, wenn es vor ihm stand, hoffte er, und wenn nicht, konnte er es mitnehmen. Kapitel 51: Hope ---------------- 051) Hope Schweigen breitete sich am Tisch aus. Sam wurde immer unruhiger. Seinen Bruder dabei zu beobachten, wie der mit stumpfem, sich im Nichts verlierenden Blick, immer wieder Zuckerstreuer und Milchkännchen hin und her schob, machte ihn fast wahnsinnig. „Dean“, begann er leise und legt seine Hand auf dessen Arm. „Sag es einfach. Ich sehe doch, dass dich etwas quält. Wir finden eine Lösung!“ ‚Hoffentlich‘, fügte er stumm hinzu. Endlich klärte sich Deans Blick und kam in die Wirklichkeit zurück. Traurig sah er Sam in die Augen. Es gab keine Lösung zu finden. Er musste Sam sein Versagen beichten. Egal was Reed gesagt hatte. Er war derjenige, der nicht durchgehalten hatte, derjenige der aufgegeben hatte. Er war der Versager, den John Winchester schon immer in ihm gesehen hatte. Nur gut, um Befehle zu empfangen und diese auszuführen, aber selbst das hatte er dieses Mal nicht gekonnt. Er schluckte und bekam eine Gnadenfrist, weil die Kellnerin ihre Bestellung brachte. „Das hab ich nicht ...“, begann er, mit einem Blick auf all die süßen Köstlichkeiten. „Aber ich“, lachte Sam, nur um gleich wieder ernst zu werden. Auffordernd und ermutigend blickte er seinem Bruder in die Augen. Der atmete noch einmal tief durch, schluckte, nahm einen Schluck Kaffee und schluckte erneut hart. „Ich hab meine Kündigung eingereicht!“, sagte er und starrte in seine Tasse, als gäbe es auf deren Grund die Lösung aller Probleme zu finden. „Ich weiß, ich hätte erst mit dir reden sollen, aber gestern war irgendwie alles gegen uns und ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich hätte nicht noch eine Schicht ...“ Jetzt war es an Sam zu schlucken. „Du hast ...“ Er hatte es befürchtet. Ihre Bemühungen waren umsonst gewesen! Dean hatte lange durchgehalten, so wie er aussah zu lange und doch hatte es für sie nicht ausgereicht! Er hätte eher anfangen müssen! „Es tut mir so leid, Dean. Das war dein Traumjob. Nicht nur weil Mom im Feuer gestorben ist und nicht nur, weil es dem, was wir bisher gemacht haben so nahekam. Ich habe gesehen, wie glücklich du in der zweiten Schicht warst.“ Sam legte seine Hand auf Deans. „Aber warum bist du dann noch arbeiten gegangen?“ Deans Blick huschte zu Sam und blieb an ihm kleben. Keine lange Rede? Keine Verurteilung? Keine Missachtung? Sam verstand ihn! Er nahm noch einen Schluck: „Ich hatte irgendwie immer noch gehofft, dass der Lehrgang etwas ändert. Dass sie ...“, er schnaubte. Der Lehrgang hatte etwas geändert. „Samstag haben sie mich Treppen rennen lassen und als sie zu den Einsätzen gefahren sind, musste ich in der Wache bleiben und gestern? Sie haben die Schlauchwäsche mit Altöl und was weiß ich noch, versaut und ich musste die wieder putzen. Es hätte sich nie etwas geändert und ich wollte nicht noch tiefer sinken. Ich ...“ Er schüttelte den Kopf und hoffte, dass Sam ihn auch so verstand. Sam schwieg. Er wollte Dean so gerne erzählen, was Pratt, Everwood und er unternommen hatten, um ihm zu helfen, doch dann würde sich Dean noch schlechter fühlen. Sie hatten beide mal wieder geschwiegen, um den anderen zu schützen. Und jetzt? Wie konnte er Dean aufbauen? Wie konnte er ihm helfen? Wie konnte er ihm wirklich helfen? „Wir müssen an unserer Kommunikation arbeiten, Dean“, sagte er ernst. „Ich bin erwachsen und du musst mich nicht schützen, nur weil du mir die Freude daran nicht verderben willst, doch noch Jura studieren zu können, oder weil du Angst hast, mir die letzte Chance zu zerstören. Deine Probleme mit dieser Wache gingen viel tiefer, als du mir erzählt hast. Bitte! Du musst das nicht alleine durchstehen! So hat das vielleicht funktioniert als ich noch klein war. Jetzt sind wir gleichberechtigt. Wir leben zusammen und ich will mich nicht nur mit dir freuen, ich will dir auch in schlechten Zeiten beistehen und nein, das war kein Heiratsantrag, ich habe mich damit abgefunden, dass du nur dein Baby liebst!“ Ungewollt kräuselten sich Deans Mundwinkel zu einem Lächeln. Schnell wurde er jedoch wieder ernst. „Darin Probleme voreinander zu verbergen, sind wir Meister. Daran müssen wir wohl beide noch arbeiten. Ich auf jeden Fall mehr als du“, gab er zu. „Aber wie hättest du mir den helfen wollen, mehr als du es getan hast?“ „Es geht nicht darum, ob ich dir mehr helfen, oder ob ich dir gar eine Lösung anbieten kann. Meistens reicht es schon, sich das, was einen quält, von der Seele zu reden.“ Sam musterte seinen Bruder eindringlich. Vielleicht war er ja doch endlich zu ihm durchgedrungen. Dean starrte eine Weile vor sich hin, bevor er langsam nickte. „Ich weiß es nicht Sam. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich wirklich noch weiter öffnen kann. Ich meine, Du hast gefragt und ich habe dir einen Teil erzählt. Ich weiß nicht, ob ich mich weiter drängen lasse, ob ich dann mehr erzählen werde, oder ob ich dicht mache. Ich ... es sitzt so tief drin dich zu schützen ... Bitte sei nicht böse, wenn ich dicht mache, wenn du fragst. Ich weiß, dass du hartnäckig bist.“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dann auf stur schalten sollte. Ich versuche mich zu ändern.“ Sam nickte. Dean war ehrlich, das wusste er zu schätzen. Er nahm einen Schluck Kaffee und überlegte, wie er darauf antworten konnte, als sein Bruder plötzlich weitersprach und seine Gedanken in eine ganz andere Richtung lenkte: „Mir spukt so viel durch den Kopf. Ich ... Ich denke immer noch über Stans Angebot nach. Geld, um ihm den Schrottplatz abzukaufen wäre ja da. Ich könnte einen Lehrgang über Buchführung besuchen und Stan ist ja auch noch bis August da.“ Wieder suchte Dean seinen Blick. „Es ist nur, wenn du nach deinem Studium hier weggehst, will ich auch nicht bleiben. Nicht ohne dich und schon gar nicht alleine hier in Bloomington! Aber wenn ich den Schrottplatz übernehmen würde, würde ich den wohl nicht wieder los werden ...“ Deans Blick wanderte zum Fenster und kam zu Sam zurück. „Du müsstest deine Lebensplanung also hier in Bloomington verwirklichen wollen. Ich will nicht bleiben, wenn du nicht bleibst. Verstehst du? Ich ...“ Dean zuckte mit den Schultern und schaute noch einmal kurz zu Sam, bevor er seinem Kaffee nahm, einen Schluck trank und als er die Tasse wieder abgestellt hatte, nach einem Cupcake griff. Mit banger Erwartung schaute er wieder zu seinem Bruder, schüttelte den Kopf und starrte auf das Gebäckstück in seiner Hand, so als wüsste er wieder wie das dahin gekommen war noch was er damit anfangen sollte. „Ich fühle mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Am liebsten würde ich zu Bobby fahren und mich da verkriechen. Mit ihm an Autos schrauben ... Irgendwann hätte ich ja vielleicht auch eine Idee, wie es weitergehen soll. Ich ...“ Er legte den Cupcake weg und begann wieder damit Zucker und Milch hin und her zu schieben. Sam trank einen Schluck Kaffee, dann setzte er die Tasse ab. Er war im ersten Studienjahr und hatte noch keinen Gedanken daran verwendet, wie es später weitergehen sollte. Er verstand Deans Beweggründe. Trotzdem hatte er keine Ahnung, was er jetzt antworten sollte. „Lässt du mir Zeit, um darüber nachzudenken?“ Dean nickte. Er würde jetzt eh zu keiner Entscheidung kommen, obwohl er diese Sicherheit gerade jetzt gerne hätte. Er holte tief Luft und begann wieder Zucker und Milch hin und her zu schieben. Sam legte seine Hand erneut auf Deans, um ihn dazu zu bringen, ihn wieder anzusehen. Etwas an Deans Aussage störte ihn und er wollte jetzt wissen, ob er ihn richtig verstanden hatte. „Du hast gesagt, du hast deine Kündigung eingereicht. Du hast nicht gesagt, ich habe gekündigt.“ Er hatte gelernt zwischen den Zeilen zu lesen. Vor allem bei seinem Bruder waren solche Kleinigkeiten manchmal von großer Bedeutung. War es jetzt auch so? Dean atmete tief durch, bevor er nickte. „Ja, ich habe sie eingereicht. Chief Reed wollte wissen warum. Er kann ziemlich hartnäckig sein.“, Dean schnaubte. „Ich habe ihm einiges erzählt und Beweise dafür gegeben. Ich weiß nicht, was er damit macht und eigentlich ist es mir auch fast egal.“ Er zuckte mit den Schultern und schüttelte gleich darauf den Kopf. Nein eigentlich war es ihm nicht egal. Eigentlich wollte er Feuerwehrmann sein, doch das hatte sich ja wohl erledigt. Egal was der Chief gesagt hat. Wer wollte schon einen Versager in seinen Reihen? Wer wollte schon mit einem Verräter zusammenarbeiten? Er biss sich auf die Unterlippe. „Ich ...“ „Du hast dem Chief Beweise gegeben?“, hakte Sam nach. Er fühlte sich ertappt. Woher wusste Dean von ihrem Plan, woher hatte er die Beweise? „Du hattest irgendwann gesagt, dass du ohne Beweise nichts tun könntest, damals, als du mit Prof. Davenport gesprochen hattest.“ Dean schaute kurz auf. „Ich hab meistens das Handy mitlaufen lassen und so einiges an Sprachaufnahmen aber auch Filme gesammelt. Keine Ahnung, was Reed jetzt damit macht.“ Sam strahlte seinen Bruder an. „Ich bin stolz auf dich!“ „Warum, ich ... Ich bin ein Verräter!“ „Nein! Niemand, der unzumutbare Zustände anprangert, ist ein Verräter!“ Sam schüttelte den Kopf. „Du bist keiner! Aber ich hatte dich unterbrochen.“ „Ja, ich ...“ Dean überlegte kurz, was er sagen wollte. ‚Ach ja!‘ „Der Chief hat mich um zwei Wochen Bedenkzeit gebeten. Er will versuchen mich auf einer anderen Wache unterzubringen.“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob ich das annehmen will. Ich weiß nicht, ob ich wirklich noch als Feuerwehrmann arbeiten will, kann. Ich weiß nicht mal ob ich den Schrottplatz wirklich will ... Wenn du nicht hier bleibst ...“ Er rieb sich müde über das Gesicht. „Im Moment ist alles nur schwarz und trist. Wenn du nicht studieren würdest, würde ich zu unserem alten Leben zurückkehren!“ Niedergeschlagen starrte er auf seine Hände und kaute auf seiner Unterlippe. „Nur das nicht!“, wehrte Sam ab. Er glaubte zwar nicht, dass Dean wirklich zum Leben als Jäger zurück wollte, aber ein Bisschen Unterstützung wäre wohl nicht verkehrt, nicht dass Dean aus einem Reflex heraus wirklich wieder in ihr altes Leben abrutschte. Er würde sich das nie verzeihen können und er würde nicht ruhig irgendwo sitzen können, wenn er Dean auf der Straße wusste. „Warum fahren wir für diese Bedenkzeit nicht einfach zu Bobby? Er würde sich freuen, Jody auch und du kämst auf andere Gedanken.“ Sioux Falls, der Schrottplatz aber vor Allem Bobby und jetzt wohl auch Jody wären genau das Richtige, um Dean aufzufangen und ihn wiederaufzubauen. Er hatte ja eh damit gehadert, nicht die Zeit gehabt zu haben sich dort über sein weiteres Leben klar zu werden und vielleicht könnte der eine oder andere Schrotthaufen unter Deans Händen ihm auch bei der Entscheidung helfen, ob er Stans Angebot annahm oder nicht. Aber so wie es Dean gerade ging, würde er ihn auf keinen Fall alleine fahren lassen. Der käme glatt auf den Gedanken wirklich abzuhauen und als Jäger unterzutauchen und das wäre für niemanden gut. „Du bist mitten im Studium!“, platzte Dean hervor. Er konnte die mitschwingende Hoffnung nicht ganz unterdrücken. „Eine oder auch zwei Wochen kann ich verpassen. So wichtig ist es gerade nicht. Wir wiederholen eigentlich nur. Vielleicht bekomme ich einen Praktikumsplatz nicht, was schade wäre, dann aber eben nicht zu ändern. Meine Hausarbeit habe ich schon vor über einer Woche eingereicht. Tylor und Mity können für mich mitschreiben und mir durchgeben was für Fälle und Paragraphen sie auseinandernehmen. Meine Bücher kann ich mitnehmen, und ich rede mit Professor Davenport. Jetzt bist du wichtiger! Also? Was sagst du?“ Die gerade noch glimmende Hoffnung wuchs sich zu einem Buschfeuer aus. Trotzdem überwog die Skepsis in Deans Blick und Sam konnte es verstehen. „Wir bezahlen und fahren Heim, dann telefoniere ich mit dem Professor. Danach sehen wir weiter, okay?“, schlug er also vor. Dean nickte stumm. Er trank den letzten Schluck kalten Kaffee und stellte die Tasse ab. Sam winkte der Bedienung. „Können Sie uns die einpacken?“ Sam zeigte auf die Süßigkeiten. „Mein Bruder hatte wohl doch nicht so viel Hunger.“ „Ich dachte schon es würde nicht schmecken“, stellte sie mit leichter Skepsis in der Stimme fest. „Sie schmecken hervorragend und wir kommen bestimmt wieder! Es lag nicht an Ihnen“, beschwichtigte Sam Amelia und griff zu einer Notlüge. „Mein Bruder hat Liebeskummer und der hat ihm auf den Appetit geschlagen.“ Den bösen Blick, den Dean ihm zuwarf, ignorierte er gekonnt. Er zahlte und folgte seinem Bruder mit einem Karton voller Köstlichkeiten. Irgendwann würde er die wohl doch essen. Kapitel 52: thoughts -------------------- 052) thoughts Zurück in ihrem Zuhause musterte Sam seinen Bruder. Trotz ihres Gespräches und der Hoffnung, zu Bobby fahren zu können, hatte sich an seinem Aussehen nicht viel geändert. Aber wie auch? Sie hatten geredet. Einer Lösung waren sie aber keinen Meter nähergekommen. „Hast du jetzt Hunger?“, fragte er ruhig. „Eigentlich nicht“, erwiderte der Ältere und schüttelte zur Bekräftigung seinen Kopf. Sam nickte. Das hatte er sich schon gedacht. Er stellte den Karton in den Kühlschrank und drehte sich wieder zu Dean, der noch immer unschlüssig mitten im Raum stand. „Leg dich hin und versuch zur Ruhe zu kommen und vielleicht sogar noch etwas zu schlafen. Ich rufe Professor Davenport an. Wenn er zustimmt fange ich an zu packen und rede mit Bobby.“ Dean starrte Sam an. Was hatte der gesagt? „Leg dich hin, Dean!“, forderte er leise. „Versuch zur Ruhe zu kommen! Soll ich dir was zum Einschlafen geben?“ Fragend schaute Dean ihn an. „Heiße Milch mit Honig und einem Schuss Rum?“ „Nein, ich ...“ Er schüttelte den Kopf, atmete durch und begann sich auszuziehen. Sam hatte ja Recht und vielleicht konnte er wirklich wieder einschlafen? Mit Sam zu reden, hatte viel von der Last genommen, die ihm auf der Seele lag. Die Unsicherheit war jedoch geblieben. Seine Frage nach der Zukunft war noch genauso offen wie davor und er trudelte noch immer haltlos herum. Trotz seiner inneren Unruhe siegte die Müdigkeit und er schlief ein, kaum dass er sich ins Bett gelegt hatte. Ein erholsamer Schlaf war ihm jedoch nicht vergönnt. Immer wieder wälzte er sich von einer Seite auf die andere. Sam wartete noch bis Dean wirklich schlief, dann telefonierte er mit Prof. Davenport und, als der zugestimmt hatte, mit Bobby. Danach begann er seine Sachen zu packen. Immer wieder ging Sam in Deans Zimmer, um nach ihm zu sehen und seine Tasche zu packen. Ein paar Mal war er versucht ihn zu wecken, doch da er nicht mal wach wurde, als das Buch, das Dean auf dem Nachttisch liegen hatte zu Boden polterte, sprach nur dafür wie fertig er wirklich war. Er brachte seinen Teil seiner Bücher zum Impala, setzte sich auf den Beifahrersitz und wählte die Nummer von Everwood. Schnell hatte er den auf den neusten Stand gebracht. „Das ist es also“, sagte er. „Pratt hat einen Termin beim First Chief. Viel werden die Kameras ja wohl noch nicht aufgenommen haben. Da waren wir wohl zu spät und Grady hat gewonnen.“ „Der Speicher sollte eigentlich von jedem PC aus auszulesen sein. Vielleicht ist ja doch was drauf“, sagte Sam. „Das Ding, das in meinem Spint liegt?“ „Genau.“ „Gut, dann nimmt Ben den heute mit und zieht die Dateien runter. Die kann der Chief ruhig noch kriegen.“ „Schaden kann es wohl nicht mehr“, erwiderte Sam. „Was hat Dean jetzt vor?“, fragte Ted ehrlich interessiert. „Ich weiß es nicht. Er braucht Zeit, denke ich. Wir fahren erstmal zu unserem Onkel.“ „Okay. Dann viel Glück euch.“ „Danke, Ted. Euch auch.“ Sam legte auf und ging zurück in die Wohnung. Er fühlte sich schlecht. Er hatte versucht Dean zu helfen, aber er war zu spät. Auch wenn er nicht wusste, wann er hätte eher etwas tun sollen, es tat trotzdem weh nicht helfen zu können! Bevor er sich in sein Zimmer zurückziehen wollte, schaute er noch einmal nach seinem Bruder. Dean hatte wohl gerade wieder einen Albtraum. Anders konnte er es nicht bezeichnen. Er hustete dumpf und warf sich herum, so dass die Decke zu Boden rutsche. Vorsichtig legte Sam ihm die Hand auf die Schulter und drückte sanft zu. Er wartete bis Dean sich sichtlich entspannte, bevor er die Decke hochhob und ihn wieder richtig zudeckte. Mit einem leisen Seufzen wandte er sich ab und ging zurück in den Wohnraum. Er schaute noch eine Weile fern nun ging, nach einem letzten Blick nach Dean, ebenfalls ins Bett. Hoffentlich half ihm der Aufenthalt bei Bobby! So konnte es auf keinen Fall weitergehen! Aber wie konnte er ihm helfen? Wie konnte er seine Fragen beantworten, wenn er selbst die Antworten nicht kannte? Was wollte er in Zukunft tun? Wo wollte er arbeiten? Gab es hier Stellen für einen Anwalt? Vielleicht sollte er vor dieser Frage erstmal klären, was für ein Anwalt er werden wollte! Dafür sollte er aber auch alle Bereiche kennen. Ach, es war zum Verrückt werden! Warum musste alles so kompliziert sein? Dean fühlte sich wie gerädert, als er aus dem Schlaf aufschreckte. Was ihn geweckt hatte, konnte er nicht mehr ergründen. Ein Traum, ein Hupen vor dem Fenster? Er griff nach seinem Handy. Kurz nach fünf. Er streckte sich. Ob er wieder einschlafen konnte? Brachte es was, es überhaupt zu versuchen? Er schlug die Decke zurück und ging ins Bad. Die heiße Dusche entspannte zwar seine Muskeln etwas, seine trüben Gedanken konnte sie nicht wegspülen. Dabei hätte er doch eher einen Grund sich zu freuen. Er musste nicht mehr zu der verhassten Wache. Er konnte vielleicht doch Feuerwehrmann bleiben und vielleicht trug Sam ja die Entscheidung mit, den Schrottplatz zu übernehmen. Vielleicht entschloss sich Sam ja doch schon jetzt, hier in Bloomington zu bleiben. Konnte Sam das überhaupt schon nach einem knappen Jahr Studium? Vielleicht. Vielleicht! Vielleicht? Vielleicht hielt ihn in der Schwebe und war genau das, was sein angeknackstes Selbstbewusstsein so gar nicht brauchte! Aber er konnte Sam ja schlecht die Pistole auf die Brust setzen und ihn zu einer Entscheidung zwingen, die er gar nicht treffen konnte. Wütend stieg er aus der Dusche. Wütend rieb er sich trocken und wütend warf er das Handtuch auf den Boden im Bad. Er machte sich fertig. Sam schlief noch. Und jetzt? Er schaute sich um. Neben der Tür standen zwei Taschen. Sie hatten gestern darüber gesprochen, zu Bobby zu fahren, wenn Professor Davenport zustimmte. Scheinbar hatte der genau das getan. Ein Lichtschimmer kroch in seine trüben Gedanken. Bobby! Jody! Der Schrottplatz! Vielleicht sollte er einfach bei Bobby bleiben? Sich da verkriechen und verwöhnen lassen und über kurz oder lang ins Jägerleben zurückkehren. Wollte er das? Frustriert rieb er sich die Nasenwurzel. Wenn er noch lange nachdachte, würde sein Kopf platzen von all diesen Vielleichts. Er schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick durch das Zimmer gleiten. ‚Immer einen Schritt nach dem anderen‘, sagte er sich. Und der Erste: Sam würde bald wach werden, dann könnten sie gemeinsam frühstücken. Er griff nach seiner Jacke und nahm den Impalaschlüssel von der Kommode. Der Anhänger mit der St. Florian-Münze wog schwer in seiner Hand und ließ den Lichtschimmer verschwinden. Er atmete tief durch, und schluckte hart, bevor er die Münze vom Schlüssel löste und in den Papierkorb fallen ließ. Erst jetzt fühlte sich der Schlüssel richtig an und er fuhr Frühstück besorgen. Leise betrat er ihre Wohnung, lud seine Einkäufe auf der Arbeitsfläche der Küche ab und begann die Kaffeemaschine zu füttern. Gerade als er sie einschaltete, kam Sam aus seinem zimmer geschlurft. „Hey, was machst du denn schon hier?“, fragte der Jüngere. Dean zuckte mit den Schultern. „War schon wach.“ Er holte Teller aus dem Schrank und drehte sich um, um den Tisch zu decken. Sam hielt ihm auf. „Du siehst beschissen aus.“ „Ich dich auch, Schatz“, grummelte Dean und drängte sich an seinem Bruder vorbei. „Ehrlich, Dean. Hast du überhaupt richtig geschlafen?“ „Ich …“ Dean schaute Sam in die Augen. Sie hatten sich Ehrlichkeit geschworen. Gerade gestern hatte er versprochen Sam zu sagen, wie es ihm ging. „Irgendwie.“ Hilflos zuckte er mit den Schultern, schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen die Arbeitsfläche. „Keine Ahnung.“ Er holte tief Luft. „Ich wusste immer wie es weitergehen sollte. Solange wir gejagt haben, war es nie wichtig weit in die Zukunft zu schauen. Irgendwann würde mich eins der Dinger erwischen, so wie jeden Jäger.“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Mit der Amnesie wollte ich nur die Leere füllen und danach gab es die Feuerwehr und damit eine Zukunft, die ich gerne gelebt hätte. Jetzt? Jetzt hänge ich in der Luft. Da ist kein Ziel, keine Perspektive. Nichts. Ich fühle mich wie ein Blatt, das im Sturm vom Baum gerissen wurde.“ Er starrte auf den Boden. „Nutzlos“ Sam nahm Deans Gesicht in seine Hände und brachte ihn dazu, ihm in die Augen zu schauen. „Du bist alles andere als nutzlos, Dean! Nichts bist du weniger als das!“ Er ließ Deans Kopf los, als er sah, dass seine Worte bei seinem Bruder angekommen waren. Dass er sie sofort bedingungslos glaubte, war eine aussichtslose Hoffnung, aber er würde darüber nachdenken und das reichte ihm im Moment. „Ich würde dir gerne eine Antwort geben“, fuhr er fort, „würde gerne so hinter dir stehen, wie du immer hinter mir gestanden hast, allerdings fühle ich mich gerade auch etwas überfahren. Ich meine, ich habe schon mal darüber nachgedacht was und wo ich arbeiten möchte, aber ich hab noch nicht mal das erste Studienjahr durch und ich habe keine Ahnung. Reicht es dir, vorerst, zu wissen, dass wir zwei Wochen zu Bobby fahren können? Prof. Davenport braucht mich nicht und mit der Uni habe ich es auch geklärt.“ Dean nickte kurz. „Am Liebsten würde ich mich bei Bobby verkriechen und alles was mit Bloomington und Feuerwehr zu tun hat komplett vergessen!“ „Warum tust du es nicht?“, platzte es aus Sam heraus. Immerhin hatte er auch ein halbes Jahr bei Bobby und Jody gelebt. Es hatte ihm gutgetan und ihm auf einige Dinge eine andere Perspektive verschafft. „Soll ich dich wieder alleine lassen? Außerdem wartet Stan auf eine Antwort.“ Fragend schaute er Sam in die Augen. „Ich denke: Ja.“ „Du denkst?“ „Gibst du auch mir diese zwei Wochen?“ Dean schloss die Augen, presste die Zähne aufeinander und atmete tief durch. Nickend öffnete er die Augen wieder. „Ich weiß, dass du keine Entscheidung treffen kannst und rational gesehen, will ich das auch gar nicht von dir verlangen. Emotional will ich dich packen und dich zwingen ja oder nein zu sagen. Egal was. Nur ja oder nein, damit ich mich bewegen kann, einen Weg aus diesem Dilemma finden kann.“ Dean schaute seinen Bruder in die Augen. „Du musst nicht antworten, Sammy. Ich weiß, dass du es nicht kannst und ich Unmögliches verlange.“ Er ging zum Tisch. „Lass uns frühstücken, aufräumen und dann losfahren.“ Sam seufzte, bevor er nickte. Er fühlte sich schlecht, weil er seinem Bruder nicht helfen konnte. Dean hatte immer einen Weg wissen müssen, er hatte immer einen Weg gewusst und jetzt, wo er ihm helfen sollte, konnte er es nicht. Er hatte Gründe, gute Gründe, die Dean nicht nur akzeptierte sondern auch verstand, die für ihn schlüssig waren, trotzdem war er enttäuscht. Sie saßen in einer Zwickmühle, die sich so schnell nicht lösen ließ. Vielleicht wusste Bobby ja Rat? Das Frühstück verlief schweigend. Dean grübelte darüber nach, warum er so angefressen war. Warum ihm seine Kündigung so nah ging, wo sie doch alles andere als unerwartet kam. Hätte er sich nicht inzwischen damit abfinden müssen? Was ihn so richtig verunsicherte, war Sams Reaktion. Warum sagte er nicht ja oder nein? War es so schwer einen Job als Jurist hier in Bloomington zu bekommen? Warum wollte er das dann werden? Nein! Er war ungerecht! Sam wusste doch erst seit gestern sicher, dass er den Schrottplatz übernehmen wollen würde. Er wusste seit gestern, dass er seinen Job bei der Feuerwehr geschmissen hatte! Wie sollte Sam eine jetzt schon Entscheidung haben, wenn er selbst eine Weile gebraucht hatte, um sich zu entscheiden und selbst jetzt war er sich ja noch nicht wirklich sicher. Er sollte sich einfach nur auf Bobby und Jody freuen! Aber die Kündigung tat zu weh, als dass er irgendwo etwas Gutes sehen konnte. Er musste erstmal verkraften, dass sein Traum geplatzt war! Konnte er das? Er musterte seinen Bruder. Damals als der nach Stanford gegangen war, hatte er niemanden in seine Collegesuche mit einbezogen. Hatte er da auch mehrere Bewerbungen abgeben müssen? Wohl eher nicht. Sammy war gut! Das war er immer gewesen und er hatte bekommen, was er wollte. Irgendwie hat er immer erreicht, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. War Sam nicht mehr so gut wie früher? Würde er auch kämpfen müssen, wenn es um eine Anstellung in einer Kanzlei ging? Sam war älter geworden. Spielte das für die Kanzleien auch eine Rolle? Sam stellte sich ganz ähnliche Fragen. Warum hatte er nicht zugesagt, als Dean ihn fragte, ob er hierbleiben würde? Es gab genügend Kanzleien im Umkreis von Bloomington, bei denen er sich bewerben konnte. Selbst Indianapolis war nicht weit. Seine Noten lagen im oberen Drittel des Jahrgangs, auch wenn er viel dafür lernen musste. Er hatte auch die Möglichkeit zur Staatsanwaltschaft zu gehen. Wenn da nur nicht diese leise Stimme in seinem Hirn wäre, die ihn immer wieder erklärte, dass er weder in dem einen noch in dem anderen Bereich den Menschen wirklich immer helfen konnte. Als Anwalt zu arbeiten, sagte ihm mehr zu, allerdings musste er, wenn er in einer Kanzlei arbeitete, vielleicht auch Mandanten verteidigen, von deren Schuld er letztendlich doch überzeugt war. Konnte er sich eine eigene Kanzlei aufbauen? Aber was für Mandanten nahm er dann an? Nur von Pro Bono Fällen konnte er nicht leben und all ihre Kosten auf Dean abzuwälzen war keine Option. Obwohl der es wohl kommentarlos übernehmen würde. Nein! So ging es nicht! Auch er würde die Zeit bei Bobby nutzen, um sich über seine Zukunft klarer zu werden. Und er konnte mit Jody reden. Als Sheriff konnte sie ihm sicher einiges erklären, bei dem er sich noch unsicher war. Schweigend saßen sie am Tisch und hingen ihren Gedanken nach. Erst als Sam aufstand und begann den Tisch abzuräumen hielt Dean ihn auf: „Geh du duschen, ich mach hier fertig.“ Sam musterte seinen Bruder, dann nickte er und verschwand im Bad. Kapitel 53: Rolling home ------------------------ 053) Rolling home Als Sam wieder in ihren Wohnraum kam, saß Dean auf der kleinen Couch und hatte den Kopf auf die Rückenlehne sinken lassen. Die die Küche glänzte und als er sein Zimmer betrat, um sich fertig anzuziehen, sah er, dass auch die Betten schon gemacht waren. Kurz schaute er auf die Uhr. Wie lange hatte er denn gebraucht? „Soll ich fahren?“, fragte er schnell, um den Gedanken daran, dass sich die ganze Putzerei auf der Wache glatt gelohnt hatte, zu verdrängen. Das wäre jetzt wirklich ungerecht und würde Dean nur noch mehr in Depressionen treiben. Dean stemmte sich in die Höhe. „Nein, lass mal. Das erste Stück fahre ich. Vielleicht bin ich dann müde genug, um richtig schlafen zu können.“ „Was nimmt dich so mit, Dean? Es ist doch noch nichts in Stein gemeißelt. Der Chief hat deine Kündigung nicht angenommen. Er will sehen, ob er eine neue Wache für dich findet. Dir stehen noch immer alle Wege offen.“ „Vielleicht ist es ja genau das? Vielleicht wäre es mir lieber damit abschließen zu können? Was ist, wenn er keine neue Wache findet, die mich nehmen will? Was dann? Ich habe noch nie nicht gewusst, wie es weitergehen soll. Es gab immer einen nächsten Fall, immer jemanden, der mich brauchte und wenn nicht, dann ergab sich bald was.“ Hilflos zuckte Dean mit den Schultern. „Während deiner Amnesie hast du auch von Tag zu Tag gelebt, ohne einen Fall oder eine Aufgabe, die auf dich warteten und ohne jemanden, der dich brauchte“, versuchte Sam ruhig zu argumentieren. „Da war nur wichtig das große schwarze Loch in meinem Kopf irgendwie zu füllen, damit ich überhaupt ein Leben haben könnte. Jetzt habe ich eins oder ich hatte. Jetzt hatte ich zum ersten Mal ein richtiges Leben in Aussicht und das ist wie eine Seifenblase zerplatzt und nun taumle ich herum und jeder Halt, nach dem ich greife, löst sich in Luft auf oder zerbröselt einfach.“ Sam trat zu seinem Bruder und legte ihm die Hand auf den Arm. „Dein nächster Halt heißt Bobby. Ich kann dir nur meine Anwesenheit bieten. Du könntest mir höchstens beim Lernen helfen...“ Dean holte Luft, um etwas zu sagen, doch Sam fuhr fort: „Das ist keine Aufgabe, ich weiß, aber Bobby hat bestimmt was für dich zu tun.“ Dean nickte nur traurig. Irgendwie war ihm gerade nach gar nichts. Er nahm seine Tasche auf und ging zur Tür. Sam griff ebenfalls nach seiner Tasche. Sein Blick streiften den Papierkorb. Am Boden lag etwas metallenes. Er holte es heraus. St. Florian. Leise seufzend legte er die Medaille ins Regal und ging zum Kühlschrank. Sie hatten ja noch Cupcakes von gestern! Die sollten sie besser mitnehmen. Er folgte seinem Bruder. Er legte seine Tasche ebenfalls in den Kofferraum und stieg ein. Dean startete den Motor, setzte den Blinker und lenkte seine schwarze Schönheit in den fließenden Verkehr. Sie waren schon fast eine Stunde unterwegs, als es Dean endlich gelang, sich etwas zu entspannen. Er gähnte und warf einen Blick zu Sam, der ganz seiner alten Gewohnheiten frönend auf dem Beifahrersitz schlief. Dean freute sich für ihn. Wenigstens Sammys Leben verlief in den Bahnen, die er sich immer gewünscht hatte. Wenn doch sein Leben auch diese Wendung nehmen würde. Diese Wendung müsste allerdings Feuerwehr heißen. Das war die Aufgabe in seinem Leben, die er als Traumberuf bezeichnen würde. Das Schrauben an Autos wäre ein Broterwerb und eine Beschäftigung. Ein Traumberuf wäre es nicht. Schon alleine der Papierkrieg, den Stan ihm bisher gezeigt hatte, trieb ihn in den Wahnsinn, und dabei war das noch nicht mal alles! Wie machte Bobby das bloß? Nach vier Stunden weckte er Sam und tauschte mit ihm den Platz. So friedlich wie sein Bruder zu schlafen, war ihm allerdings wieder nicht vergönnt. Sein momentanes Dilemma war hartnäckiger als es jeder Monsteralbtraum sein konnte. Immer wieder versuchte Sam ihm wenigstens ein bisschen Halt zu bieten. Immer wieder legte der seine Hand auf Deans Arm. Er ließ sogar Deans Musik laufen, doch es half nicht viel. Dean rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her und immer wieder suchte er sich eine neue Schlafposition. Sam tat es in der Seele weh, ihn so zu sehen und er überlegte hin und her, ob er Dean wecken und ihm das Lenkrad übergeben sollte. Letztendlich wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Dean setzte sich auf, rieb sich die Augen und bat seinen Bruder, ihn wieder auf seinen Platz zu lassen. Sie hielten nur zum Tanken und einmal schaffte es Sam seinen Bruder zu einer Pause auf einem kleinen Rastplatz zu bewegen. Sie tranken lauwarmen Kaffee und aßen die Cupcakes vom Vortag. Doch schnell drängte Dean wieder zur Weiterfahrt. Sie tauschten noch zweimal, bis sie am Abend in Sioux Falls ankamen. Was eigentlich nur dafür sprach, wie angeschlagen Dean war, denn früher hätte er nicht mal im Traum daran gedacht, Sam fahren zu lassen. Endlich lenkte Dean den Impala auf den Schrottplatz. Sam wachte von dem vertrauten Rumpeln der Räder auf und schaute zu seinem Bruder, der gerade den Kopf auf die Rückenlehne fallen ließ. „Keine Ahnung, ob das jetzt eine gute Idee war, herzukommen“, nuschelte er. „Ich kann mit ihnen reden“, bot Sam an. Langsam drehte Dean den Kopf zu seinem Bruder. „Meinst du wirklich?“ „Natürlich. Geh du ins Bett und versuch zur Ruhe zu kommen, schließlich ist das hier, außer dem Impala, das Zuhause, das wir kennen.“ Dean versuchte ein kurzes Lächeln. „Danke!“ Eine Schnauze schob sich durch die Hundeklappe und gleich darauf saß Marley auf der Veranda. Sam öffnete seien Autotür und stieg aus. Sofort schoss der Hund zu ihm. Sie jaulte und winselte und wedelte so stark mit dem Schwanz, dass sie sich selbst fast aus dem Gleichgewicht brachte. „Marley“, lachte Sam, kraulte sie hinter den Ohren und zog daran. „Na Mädchen. Bist du groß geworden“, lachte er. Dean war inzwischen auch ausgestiegen, holten ihre Taschen aus dem Kofferraum und stieg die Stufen der Veranda hinauf zu Bobby und Jody, die nun ebenfalls vor die Tür getreten waren und freudestrahlend aber auch ein wenig irritiert auf sie warteten, hatte Sam doch gestern nur gesagt, dass sie kommen würden, sich über die Gründe jedoch hartnäckig ausgeschwiegen. „Ist das schön, dass ihr mal wieder da seid“, freute sich Jody und wollte Dean in eine feste Umarmung ziehen, doch er wich ihr aus, genauso wie Bobby gleich darauf. Er drängte sich an ihnen vorbei ins Haus und strahlte dabei so viel Unsicherheit aus, dass Bobby nach Luft schnappen musste. Dean ging zur Treppe. „Dean, mein Gott, Junge? Was ist los?“, fragte Bobby alarmiert. Waren ihre Befürchtungen, dass etwas im Argen lag, doch berechtigt! So erkannte er den Jungen nicht wieder. Das hatte er nur einmal erlebt, damals, als sie aus dem wilden Westen wiedergekommen waren und Sam ihn immer wieder abgelehnt hatte. Sofort huschte sein Blick fragend zu Sam, der gerade mit Marley die Treppe hochkam. Dean stellte einen Fuß auf die unterste Treppenstufe. Seine Hand krampfte sich um das Geländer. Er schaute von Bobby zu Jody und wieder zurück. „Ich habe meine Kündigung eingereicht“, ließ er die Bombe platzen und senkte den Blick auf die Stufen. Er wagte es nicht mehr sie anzusehen. Wie enttäuscht mussten sie von ihm sein! Mit einem tiefen Atemzug ging er nach oben. Bobby schluckte hart. Das war starker Tobak. Er wollte ihm sofort folgen, um zu sehen, wie es dem Jungen wirklich ging und natürlich auch, um Genaueres zu erfahren, doch Sam vertrat ihm den Weg und schüttelte den Kopf. Nur widerwillig ließ Bobby von seinem Vorhaben ab und ging in die Küche. In seinem Zimmer angekommen atmete Dean noch einmal durch. Er war nicht nur mental vollkommen erschöpft. Er ließ die Tasche fallen, ging zum Bett und kippte hinein. Er war eingeschlafen, bevor er sich richtig zudecken konnte. Sam schnaufte. So war das eigentlich nicht gedacht, jetzt aber nicht mehr zu ändern. Dean war viel zu fertig, um anders reagieren zu können. Er war viel zu sehr in seinen eigenen Schuldzuweisungen verstrickt, viel zu sehr damit beschäftigt einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, als dass er jemanden an sich heranlassen könnte, ohne vollkommen zusammenzubrechen. Sam schulterte seinen Rucksack und ging nun ebenfalls nach oben. Nur kurz betrat er sein Zimmer. Sein Blick fiel auf das frisch bezogene Bett und sofort schlich sich ein Gefühl von Zuhause in seine Brust. Ja, hier waren sie willkommen! Lächelnd ließ er den Rucksack fallen. Er schloss die Tür und ging zu seinem Bruder. Wie nicht anders zu erwarten, schlief Dean. Hoffentlich blieb es auch so! Er nahm den Quilt von der Couch und breitete ihn über seinem Bruder aus. Schnell drehte er noch die Heizung höher. Mit einer Erkältung sollte sich Dean nicht auch noch herumschlagen müssen. Tief atmete Sam durch. Am Liebsten würde er jetzt auch ins Bett kriechen, doch er schuldete den Beiden eine Erklärung. Leise verließ er das Zimmer, zog die Tür aber nicht komplett zu, denn er wollte da sein, sollte Dean doch wieder einen Albtraum haben. Dann ging er nach unten. In der Küche traf er auf die Beiden. Sie musterten ihn neugierig betroffen, als er sich zu ihnen setzte. Sofort war Marley neben ihm. Sie legte ihre Schnauze auf sein Bein und ihr Schwanz klopfte rhythmisch auf den Boden. „Willst du Kaffee oder ein Bier?“, fragte Jody leise. „Ein Bier wäre lieb, danke“, erwiderte er und hielt gleich darauf eine gut gekühlte Flasche in der Hand. Sanft kraulte er die Hündin hinter dem Ohr. „Verrätst du uns jetzt, wieso Dean gekündigt hat? Es war sein Traum, von klein auf. Er hat es irgendwann verdrängt, doch ich erinnere mich noch gut daran, wie er mir erklärt hatte Feuermann werden zu wollen, damit nie wieder ein Kind seine Mom verlieren müsste“, drängte Bobby. Ein kurzes Lächeln huschte über Sams Gesicht, während er sich den kleinen Dean vorstellte, der genau das mit allem Ernst eines Kindes erklärte. Das hätte er gerne gesehen. Er schüttelte den Kopf. Darum ging es gerade nicht! „Er hat nicht gekündigt. Er hat seine Kündigung eingereicht“, stellte Sam den Sachverhalt leise klar. „Der Chief hat sie zur Kenntnis genommen, aber noch nicht akzeptiert. Er hat Dean gebeten ihm zwei Wochen Zeit zu geben. Er will versuchen ihn auf eine anderen Wache zu versetzen.“ Sam trank einen Schluck, um seine Gedanken sortieren zu können. „Es liegt nicht an dem Beruf, es liegt nicht mal wirklich an der Wache, es liegt an dem Bataillon Chief, unter dem er arbeiten musste. Er hat im November, Dezember ein paar Wochen in der zweiten Schicht gearbeitet und da war alles gut. Dean strahlte richtig, doch zurück in seiner Schicht igelte er sich wieder ein.“ Sam fuhr sich durch die Haare. „Irgendwann haben ich nachgehakt und Dean hat ein bisschen erzählt. Nicht wie schlimm es wirklich war, nur dass er meistens putzen musste und dass sie ihm das Leben noch zusätzlich schwer gemacht haben, indem sie Duschen oder so mutwillig versaut haben. Außerdem musste er bei Einsätzen nur zuschauen, es sei denn, es war etwas, was keiner machen wollte.“ Er schaute von Bobby zu Jody und zurück. „Ich denke, dass sie ihn loswerden wollten, dass sie ihn zum Aufgeben bringen wollten, aber du kennst Deans Sturkopf.“ Er schaute zu Bobby. „Außerdem hat er sich erfolgreich eingeredet, dass sie ihn, wenn er erst den Lehrgang für die Rüstgruppe gemacht hat, eher akzeptieren würden. Natürlich nicht. Gestern, nach seiner Schicht, war er beim Chief und hat die Kündigung abgeben. Der Chief hat ein bisschen nachgebohrt und Dean hat wohl einige der Schikanen mit dem Handy aufgenommen.“ Wieder nahm Sam einen tiefen Schluck. „Was jetzt passiert weiß ich natürlich nicht. Immerhin hat der Chief sich etwas Zeit ausgebeten. Er würde Dean gerne behalten. So habe ich das zumindest verstanden.“ Er zuckte mit den Schultern. „Egal. Dean braucht Zeit, das zu verarbeiten. Im Moment ist das Licht am Ende des Tunnels für ihn ein entgegenkommender Zug. Es fällt ihm schwer zu glauben, dass er diese zweite Chance bekommt.“ Sam schnaufte und musterte Bobby. „Also wenn du Arbeit für ihn hast … Und ihn nicht weiter auf sein Dilemma ansprichst, du kennst ihn ja.“ Sam lächelte schief. „Ach und, wenn du ihm ein bisschen was von deinem Papierkram für den Schrottplatz mitmachen lässt ...“ „Wieso denn das?“, fragte Bobby irritiert. „Das hat ihn doch noch nie interessiert.“ „Dean hat die Möglichkeit einen Schrottplatz in Bloomington zu übernehmen. Er arbeitet da immer mal wieder und Stan, der jetzige Besitzer, will aufhören. Dean würde schon gerne, aber nur wenn ich in Bloomington bleibe, wenn ich mit dem Studium fertig bin. Und da fängt mein Teil des Problems an. Ich hab keine Ahnung, was ich nach dem Studium machen soll.“ Jetzt schüttelte Bobby den Kopf. „Ihr zwei raubt mir den letzten Nerv! Du studierst gerade mal im zweiten Semester. Klar, dass du noch nicht weißt, was du wirklich machen willst.“ „Ich will Menschen helfen. Aber wo kann ich das wirklich? Als Anwalt in einer Kanzlei, in der ich vielleicht auch Mandanten rauspauken muss, die Geld haben und schuldig sind? Als Staatsanwalt einen Menschen verurteilen, obwohl ich weiß, dass er es nicht war, sondern einer unserer alten Spielkameraden, wie Dean jetzt sagen würde?“, fragend schaute er von Jody zu Bobby und wieder zurück. „Ich hatte gehofft, dass du mir da vielleicht helfen kannst.“ „Ich bin Sheriff, kein Anwalt.“ „Aber du hast mit beiden Seiten zu tun, zumindest hin und wieder, oder?“ Kapitel 54: little by little ---------------------------- 054) little by little Sie nickte und Sam versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Das klären wir aber nicht mehr heute“, schlug Bobby vor. „Ich denke wir sollten eine Nacht drüber schlafen, dann sehen wir weiter.“ „Hast du denn Arbeit für Dean? Wir werden ihn beschäftigen müssen, wenn wir nicht wollen, dass er noch tiefer abrutscht. Du weißt, dass er sich über seine Taten definiert. Immer noch.“ Sam seufzte und Bobby verdrehte die Augen. „Hatte ich jemals keine Arbeit für Dean?“, fragte der alte Jäger grinsend. „Nein.“ Sam trank sein Bier aus, stellte die Flasche weg und ging zur Tür. „Gute Nacht!“, wünschte er und ging nach oben. Marley folgte ihm wie ein Schatten. Kurz schaute er in Deans Zimmer, doch sein Bruder hatte sich noch nicht gerührt. Er nahm das mal als gutes Zeichen. Schnell machte er sich fertig und kroch in sein Bett und inhalierte zufrieden den Geruch nach Waschmittel und Weichspüler. Wie anders es doch war, ein eigenes Bett zu haben! Wenn Dean den Schrottplatz übernahm, könnten sie auch ein eigenes Zuhause haben. Etwas, das ihnen gehörte, dass ihr Zuhause hier bei Bobby wirklich ersetzen konnte. Ein Platz, der genau dieses Gefühl auslösen konnte. Die Wohnung, in der sie jetzt lebten, war einfach nichts für immer. „Gute Nacht, Sam“, rief Jody ihm nach. „Und ich dachte, dieses Jahr wird ruhiger“, grummelte Bobby und zog seine Freundin in eine feste Umarmung. „Da behalten wir unser Problem wohl besser noch für uns, solange die Jungs so in der Schwebe hängen.“ „Verdammtes Mobbing!“, schimpfte Jody. „Warum tun Menschen nur sowas?“ Bobby schnaubte. „Das musst du deinen Deputy fragen.“ „Der ist machtgeil und will meinen Posten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, warum ein Bataillon Chief einen Anwärter mobben sollte, zumindest nicht wegen Macht.“ „Vielleicht erzählt Dean irgendwann mehr?“ „Wenn er denn mehr weiß.“ Jody kuschelte sich fester in die Umarmung. „Meinst du, der Schrottplatz ist etwas für Dean?“ „Wenn sie noch jagen würden, würde ich ihm sofort dazu raten. Sie hätten eine Basis und die Chance, aus der Illegalität zu kommen, in der du als Jäger meistens lebst. Jetzt?“ Bobby schüttelte den Kopf. „Dean hat seinen Traumberuf gefunden. Er hat erlebt, dass es das ist, was er sich insgeheim gewünscht hat. Wenn er diese guten Erfahrungen nicht gehabt hätte … vielleicht hätte er das Wissen um den Beruf verdrängen können. So allerdings denke ich, dass der Schrottplatz nur eine ungenügende Alternative wäre und hätte immer die Befürchtung, dass er in sein altes Leben zurückkehrt. Dean braucht das Adrenalin in seinem Leben. Solange wie er dem ausgesetzt war, ist es wie eine Droge, von der man nur schwer lassen kann.“ „Also beschäftigen wir ihn und hoffen mit ihm, dass sein Chief ihn nicht nur hinhält und er es wirklich schafft, ihn in einer anderen Wache unterzubringen.“ „Wenn nicht, rede ich mit Greg oder gleich mit Chief Morris. Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben.“ „Allerdings wird er dann vielleicht auch Schwierigkeiten bekommen, wenn ich die Wahl verlieren sollte.“ „Darüber“, er gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze, „machen wir uns Gedanken, wenn es soweit ist!“ Sie nickte und kuschelte sich noch fester in die Umarmung. Was als Rettungsanker, als verschrobene Idee Deans begonnen hatte, hatte sich zu einer Liebe entwickelt, die sie nicht mehr missen wollte. Gut, dass es Dean gibt! Sie würde alles daransetzen, dem Jungen zu helfen und sie wusste, dass Bobby das genauso sah. Gemeinsam gingen sie jetzt auch zu Bett. Marley saß unschlüssig im Flur und schaute von einer Zimmertür zur anderen. Ihre Menschen hatten die Tür geschlossen, wie immer. Der Lange hatte seine Tür angelehnt, genau wie die Tür von dem anderen, dessen Geruch ihr auch bekannt vorkam und der so eine Traurigkeit ausstrahlte, dass sie ihn beschützen wollte. Sie erhob sich und tapste in sein Zimmer. Er schlief unruhig. Ungefragt sprang sie auf sein Bett und ließ sich neben ihm nieder. Dean erwachte, als etwas Nasses gegen seine Wange drückte. Er blieb ruhig liegen und versuchte zu ergründen, was das war, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Doch dann gab dieses Etwas ein leises „Ruff“, von sich und Dean schlug die Augen auf. „Hey“, grüßte er. „Was machst du denn hier?“ Sanft kraulte er durch das Fell am Hals. Marley verdrehte begeistert den Kopf und ihr Schwanz schlug einen Trommelwirbel auf die Matratze. Sie kroch immer dichter an ihn heran und lag inzwischen schon auf seinem Arm. „Lässt du mich kurz aufstehen? Du kannst gerne liegenbleiben“, erklärte Dean ihr und zog seinen Arm langsam unter ihren Pfoten hervor. Er stand auf, kramte sein Schlafzeug aus der Tasche und zog sich um. Die Hündin folgte ihm mit ihren Augen, immer bereit aufzuspringen, sollte er den Raum verlassen, oder doch noch mit ihr schimpfen, denn eigentlich waren Betten ja tabu für sie. Doch Dean dachte nicht daran. Er war ein Wolf gewesen und er war sich sicher, dass er auch auf einem Bett geschlafen hatte. Also wäre er wohl der Letzte, der es ihr verbieten dürfte. Schnell schlüpfte er unter seine Decke, robbte an den Hund heran und vergrub seine Nase in dem dichten Fell. Tief atmete er durch und schlief mit dieser einmaligen Mischung aus Waschmittel, Weichspüler und Hund wieder ein und endlich auch ruhig durch. „Guten Morgen“ Erschrocken drehte Jody sich zur Tür. „Was machst du denn schon hier?“, fragte sie den älteren der Brüder und musterte ihn aufmerksam. Wirklich ausgeruht sah er nicht aus, aber immerhin besser als am gestrigen Abend. „Ich wollte mich bei euch wegen gestern Abend entschuldigen.“ Er schluckte. „Das ich es nicht geschafft habe, euch zu erzählen was los ist und ich Sam vorgeschickt habe.“ „Solange du mit Sam im Reinen bist.“ „Naja, so ziemlich. Wir hängen beide wohl irgendwie in der Luft.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Ich weiß ja selber nicht, warum mich das so mitnimmt!“ „Weil es das ist, was deinem Selbstverständnis am nächsten kommt. Weil du helfen, weil du Menschen retten kannst, ohne jagen zu müssen. Weil du noch immer denkst, nur etwas wert zu sein, nur anerkannt zu werden, wenn du dein Leben riskierst, um Menschen zu retten. Wir lieben dich, egal was du tust“, sie lachte. „Fast egal was du tust und ich hoffe, du kannst das irgendwann für dich so annehmen.“ Dean legte den Kopf schief und musterte sie. „Vielleicht hast du Recht. Ich ... Ich weiß nicht“, beantwortete ihren letzten Satz. Jody nickte. Mehr konnte sie nicht erwarten. Deans Innenleben war kompliziert. „Hast du Hunger?“, fragte sie und kippte eine neue Kelle Teig in die Pfanne. Wieder einmal nahm Deans Magen ihm die Antwort vorweg und knurrte laut vernehmlich. Doch Dean ließ sich nicht einfach am Tisch nieder. Erst wollte er noch mit seinem Ziehvater reden. „Weißt du, wo Bobby ist?“ „Im Büro oder auf dem Hof. Er wollte sehen, was er für dich zu tun hat. Sam meinte, dass du Arbeit suchst.“ Ein Lächeln huschte über Deans Gesicht. „Ihr seid die Besten!“ Marley drängte sich an ihm vorbei in die Küche und lief zu ihrem Napf. Jody hatte ihn schon gefüllt und sie begann auch sofort damit, geräuschvoll ihre Portion zu verdrücken. Dean lächelte kurz, bevor er ins Büro schaute, doch da war Bobby nicht, also nahm er seine Jacke und ging nach draußen. Auf halbem Weg zwischen Haus und Werkhalle sah er Bobby, der mit dem Gabelstapler einen Wagen durch die aufgestapelten Wracks transportierte. „Hey“, grüßte Dean, kaum dass Bobby von Gabelstapler geklettert war. „Wegen gestern, es tut mir leid, dass ich Sam vorgeschickt habe. Ich konnte einfach nicht ...“ „Schon okay, Junge. Solange du dich nicht in dem Loch verkriechst, in das du da gestolpert bist.“ Dean schaute zwischen den beiden Rostlauben hin und her, die vor der Halle standen. „Ich glaube, dafür sorgst du gerade. Welchen der Beiden willst du machen?“ „Ich habe für Beide einen Kunden. Welchen willst du?“ „Was ist denn der aussichtslosere Fall?“ Bobby deutete auf den linken, einen Chevrolet, Camaro von 1978. „Hast du genug Ersatzteile?“ „Dank Sams und deiner Liste weiß ich sogar, wo die stehen“, lachte Bobby. „Gut, aber jetzt lass uns frühstücken gehen, bevor der Küchentisch unter dem Pfannkuchenberg zusammenbricht, den Jody bäckt.“ „Guten Morgen“, grüßte Sam in die Frühstücksrunde, dann fiel sein Blick auf seinen Bruder. „Du bist schon wach? Konntest du wenigsten etwas besser schlafen?“ Kritisch musterte er ihn. „Konnte ich, dank Marley“, sagte er. Die Hündin lag vor seinen Füßen. „Und danke wegen gestern“, erwiderte Dean und deutete mit dem Kopf auf den freien Stuhl, während er sich erhob und für Sam Milch und Cornflakes auf den Tisch stellte, einen Latte zubereitete und den samt eines Löffels neben die Schüssel stellte. Marley lief zu Sam und setzte sich neben ihn. Wieder legte sie ihren Kopf auf seinen Oberschenkel. Die Skepsis in Sams Augen, mit denen er Deans Tun verfolgte, wurde noch größer. „Mir geht’s gut, Sammy. Bobby hat einen hoffnungslosen Fall für mich“, erklärte Dean. „Damit kann ich mich bestimmt eine Weile von allem anderen ablenken.“ „Du bist ...“, Sam schüttelte den Kopf und fuhr sich verlegen durch die Haare. „Er hat einen. Er meint nicht, dass ich einer bin.“ Bobby legte grinsend den Kopf schief. „Sag jetzt nichts Falsches!“, ermahnte Jody ihren Mann. „Ein wenig Hoffnung habe ich noch, was euch betrifft“, grummelte der alte Jäger gutmütig, dann schaute er zu Sam. „Du brauchst nicht annehmen, dass du dich in Langeweile sonnen kannst, während dein Bruder schuftet! Da liegen ein paar Anfragen in meinem Büro und drei neue Fälle müssen in die Datenbank übertragen werden!“ Dean grinste seinen leeren Teller an. Genauso liebte er Bobby. Immer etwas bärbeißig, aber wenn man ihn kannte, wusste man das als das zu nehmen, was es war. Die Sorge um das Wohlergehen seiner Jungs. Dean war sich fast sicher, dass wenn Bobby dürfte wie er wollte, er sie behüten würde wie eine Glucke. Als Sam den Löffel weglegte, trank er den letzten Schluck seines Kaffees aus, ging sich umziehen und verschwand in der Werkhalle, um sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen. Marley schaute ihm hinterher, blieb aber bei Sam sitzen. Gegen Mittag, Dean hatte gerade begonnen, den Camaro auseinander zu schrauben, kam Sam mit einem Becher Kaffee in die Halle. Marley huschte hinter ihm noch schnell durch die, sich langsam schießende, Tür. Sie schüttelte sich kurz und begann dann schnüffelnd die Halle zu erkunden. Sam blickte sich um. Im hinteren Teil bullerte ein Heizofen und Dean schraubte an der Heckklappe. „Na du hast es hier ja richtig gemütlich“, stellte er fest. Er stellte den Becher ab und schob die Kapuze vom Kopf. Dean musterte ihn kurz, dann versuchte er durch die dreckige Scheibe etwas zu erkennen. „Schneeregen“, informierte ihn Sam. „Hat vor ´ner halben Stunde angefangen. Richtig fies.“ Dean ließ die Kofferraumklappe fallen und nahm den Kaffee. „Kannst du mir morgen helfen?“, fragte er und nahm einen Schluck. „Ich kann dir auch gleich helfen.“ „Hatte Bobby nicht einen Berg Arbeit für dich?“ „Die Fälle für die Datenbank musste ich nur überfliegen und einpflegen und die Anfragen habe ich schon reingestellt. Also alles halb so schlimm.“ „Dann such dir ein paar alte Klamotten und komm wieder her.“ „Mach ich, wenn du deinen Kaffee ausgetrunken hast, dann kann ich gleich neuen mitbringen.“ Marley war mit ihrer Tour wohl erstmal fertig und setzte sich neben Dean. Der wischte sich die Hand an der Hose ab und kraulte sie hinterm Ohr. „Meinst du, dass das hier was für dich ist?“ Dann wandte er sich an Sam. „Nimmst du sie gleich wieder mit? So wie es hier aussieht … wenn sie sich irgendwo hinlegt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Die sieht nachher aus wie Sau und kann nix dafür. Ich weiß auch nicht, ob es so gut ist, wenn sie sich das Zeug wieder ableckt. Oder hast du Lust sie zu baden?“ „Ich nehme sie gleich wieder mit.“ „Nichts gegen dich, Kleine, aber das hier ist kein Platz für eine bepelzte Lady.“ Er trank den Kaffee aus und reichte Sam den Becher. „Marley, komm“, rief der und hielt ihr die Tür auf. Sie erhob sich, schaute noch einmal zu Dean und folgte dann, nach einem „Na los“, von Dean, dem jüngeren Winchester nach draußen. Kapitel 55: Riptide ------------------- 055) Riptide Sam kam schon bald wieder. Er stellte eine Thermoskanne und zwei Becher auf die Werkbank und schaute zu Dean. Der nahm sich den Akkuschrauber. „Kannst du hier mal halten?“, fragte er Sam und zeigte auf eine Stelle an der Kofferraumklappe. Einträchtig arbeiteten die Brüder, auch wenn sich Sams Mithilfe eher auf Halten, Werkzeuge anreichen und Kaffee holen beschränkte, bis Bobby sie zum Essen holte. Gemeinsam räumten sie auf und während Sam schon ins Haus rannte, um oben zu duschen, schloss Dean die Halle ab und verschwand dann im unteren Bad. Gemeinsam betraten sie die Küche. Dean begann sofort den Tisch zu decken und Sam holte Bier aus dem Kühlschrank. „Kommt Jody noch?“, wollte Sam wissen. „Nein, sie wurde zu einem Unfall gerufen.“ „Hast du Marley schon gefüttert?“, fragte Dean. Bobby schüttelte den Kopf und deutete auf einen Schrank, in dem ihr Futter stand. „Und Gus?“, wollte Dean noch wissen, während er den Napf füllte. „Ja, der hat schon, auch wenn ich denke, solltest du ihn fragen, hat er noch nie Futter von mir bekommen.“ Dean grinste. Sein Magen begann lautstark zu knurren. Bobby drehte sich zu ihm um, schaute kurz zu Sam und musste lachen. „Vielleicht sollten wir dich Gus nennen. Wenn wir deinen Magen fragen, hat der auch noch nie etwas Essbares gesehen.“ „In den letzten drei Stunden, nicht, nein. Sammy hat mich nur gut mit Kaffee versorgt.“ „Wollt ihr dann gleich weitermachen?“ Bobby deutete wage in Richtung Halle. „Nein, für heute reicht es da. Nachher helfe ich Sam.“ Bobbys Blick huschte zwischen den Brüdern hin und her und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. So gefielen ihm seine Jungs! Sie arbeiteten zusammen und versuchten sich gegenseitig zu helfen. Schnell bereiteten sie sich ein paar Sandwiches. Jody hatte am Morgen angeboten zu kochen und das wollte sich keiner der Männer entgehen lassen. Nachdem sie die Küche wieder auf Vordermann gebracht hatten, verzog sich Bobby in sein Büro und Sam holte seine Bücher. Marley ließ sich neben der Couch nieder. So hatte sie die Beiden gut im Blick. Sam sollte einen real verhandelten Fall analysieren, die jeweiligen Strategien der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft herausarbeiten und dann eine eigene Strategie entwickeln. Er hatte vor, seinem Bruder sein Vorgehen kurz zu erklären und dann darauf zu bauen, dass Dean seine Strategien logisch beurteilen konnte. Also begann er. In der ersten halben Stunde zweifelte er immer mehr daran, dass das Ganze eine gute Idee war, so viele Fragen wie sein Bruder zu allem stellte. Das würde er nie wieder machen! Doch je länger sie diskutierten, je mehr Dean alles hinterfragte, umso weiter kam er und umso ausgefeilter wurde seine Strategien. „Das war super“, strahlte Sam seinen Bruder an, nachdem alle Fragen geklärt waren und er seine Stichpunkte vervollständigt hatte. „Danke! Das können wir gerne wieder machen.“ Er schob seine Bücher zusammen und schaute zu Dean. „Vielleicht, wenn das mit der Feuerwehr nicht klappt, solltest du Jura studieren. Viel ausgefeilter kann auch der beste Jurist nicht nachfragen.“ Ein kurzer Schatten huschte über Deans Gesicht, bevor er wieder lächelte. „Danke, aber ich möchte schon lieber etwas Praktisches machen. Nur am Schreibtisch würde ich durchdrehen.“ Sam grinste. DAS konnte er getrost unterschreiben. Dean am Schreibtisch würde jeden in den Wahnsinn treiben, der mit ihm arbeiten müsste. „Es gibt ja auch Einzelbüros, wenn auch wenige“, erklärte Sam, nahm seine Bücher und verschwand leise lachend, als er Deans Gesicht sah. „Habt ihr euch gestritten? So wie du guckst, würden sogar Zuckerrüben sauer werden“, fragte Jody ruhig. Sie hängte ihren Koppel an die Garderobe und ging zur Kaffeemaschine. Die Einkaufstüten stellte sie auf die Anrichte. „Sam will mich in ein Einzelbüro stecken, damit ich niemanden in den Wahnsinn treibe“, erklärte Dean. Jody blickte ihn fragend an. „Ich hatte gesagt, dass er, wenn das mit der Feuerwehr nicht klappen sollte, Jura studieren könnte. Er stellt jede Behauptung in Frage“, mischte sich nun Sam ein, der gerade wieder nach unten kam. „Und ich habe ihm erklärt, dass ich am Schreibtisch durchdrehen würde.“ „Deshalb ja auch das Einzelbüro.“ „Sam! Das bringt nichts. Dazu müsstest du die Wände mit dicken Schaumstoffmatten verkleiden.“ Dean holte tief Luft: „Klar, weist mich doch gleich in die Klapse ein!“ Jody lachte breit. „... und mindestens einen Boxsack aufhängen.“ Bobby kam in die Küche. „Ich weiß zwar nicht worum es genau geht, aber es klingt teuer.“ „Zu teuer“, bestätigte jetzt auch Jody. „All das nur, um Dean in ein Büro zu sperren? Das lohnt sich nicht.“ „Endlich einer, der mir bei der Grundaussage zustimmt, auch wenn ich deine Andeutungen besser überhört hätte!“ „Oh Dean“, versuchte Jody mit großen Rehaugen. „Wie kann ich dich wieder gnädig stimmen?“ „Mit Essen“, prustete Sam. „Deans Liebe geht nur durch den Magen.“ „Ist ja gar nicht wahr“, platzte Dean hervor. „so selten, wie du mich bekochst!“ „Ist aber auch besser so“, gab Sam kleinlaut zu. „Da stimme ich Dean zu und jeder hier weiß, wie sehr er dich liebt und was er für dich zu tun bereit ist“, sagte Bobby ruhig. „Am Kochen kann es also nicht liegen. Außerdem kocht Baby auch nicht.“ „Selbst das würde er ihr verzeihen“, entgegnete Sam. „Sie ist mein Baby!“, erklärte Dean nur. „Ich habe Hähnchen mitgebracht. Wie wäre es, wenn wir uns ums Essen kümmern, statt nur davon zu reden?“, warf jetzt Jody in die Runde. Marley hatte etwas von Essen gehört und stand schwanzwedelnd in der Tür. „Bin dabei“, erklärte Dean sofort und begann die Tüte auszupacken und alles wegzuräumen. Er holte einen Kauknochen aus der Tüte und schaute zu Jody. Sie nickte nur und so packte er den aus und hielt ihn der Hündin hin. Sofort packte sie zu und zog heftig daran, weil Dean den nicht gleich losließ. Kurz lieferten sie sich ein Tauziehen, dann ließ der Winchester los und sie trottete zufrieden zu ihrer Decke. Während Dean weiter auspackte. Irritiert musterte er die Dose Bier. Sie tranken zwar oft billige Sorten aber soweit waren sie dann doch noch nicht gesunken. Also schaute er, mit der Dose in der Hand, zu Jody. „Dosenbier?“ „Hmhm. Ich zeige dir gleich wofür.“ Sie schaute zu Sam. „Und du? Machst du auch mit?“ „Ich kann immer noch nicht besser kochen als vor einem halben Jahr!“, erklärte der jüngere Winchester. „So schlimm fand ich deine Versuche nicht. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Außerdem kannst mit einem Messer umgehen. Also? Willst du Gemüse putzen oder mir beim Vogel assistieren?“ Sam schaute zu Dean. „Wir teilen brüderlich. Fleisch für Dean, Gemüse für mich.“ Er grinste und Jody schob das Gemüse zur Spüle. Dann kümmerten sie sich mit Dean um den Vogel. Er wurde gewaschen und gewürzt. Jody schüttete die Hälfte des Biers in ein Glas, warf Knoblauch und Zwiebeln in die Dose. Sie setzte den Vogel dann darauf und stellte alles auf ein Blech. Sam war mit dem Gemüse fertig und Jody verteilte das um den Vogel. Dean grinste. Er trat vor den Vogel, umfasste einen Flügel, schüttelte den kurz. „Angenehm, Winchester. Darf ich Sie an Ihren Platz geleiten?“ Er hob das Blech an und schob es in den Ofen. „Schönen Aufenthalt“, wünschte er noch und schloss die Türen. Sam und Jody starrten mit großen Augen auf den älteren Winchester. Sam war der Erste, der losprustete. Jody schüttelte nur lachend den Kopf. „Kavalier durch und durch“, erklärte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. Warm strahlte sie Dean an. Es tat gut, ihn hier zu haben, auch wenn der Grund furchtbar war und sie die Trauer darüber in seinen Augenwinkeln sitzen sah. Sanft legte sie ihre Hand auf seinen Arm und lächelte ihn an, bevor sie sich abwandte. „Weiter geht’s. Nur der Vogel wird keine vollwertige Mahlzeit.“ Dean bekam die großen Kartoffeln zugeteilt und sollte daraus Hasselback-Kartoffeln machen und Sam sollte einen bunten Salat zubereiten, während Jody Maisbrot machte und in den Ofen schob. Endlich saßen sie gemeinsam am Tisch und ließen es sich schmecken. Nach dem Essen räumten Bobby und Jody die Küche auf, während Sam und Dean mit Marley nach draußen geschickt wurden. „So hätte es von 20 Jahren sein sollen“, erklärte Sam leise, während er neben Dean den Weg zu dem kleinen Wäldchen entlang ging. „Meinst du, wir hätten einen Hund gehabt?“, wollte Dean wissen. „Warum nicht?“ „Stimmt schon. Du wolltest immer einen Hund haben.“ „Du nicht?“ „Ich habe nie darüber nachgedacht und später? Ich mochte den Geruch von nassen Hundefell nicht. Nein, ich glaube, ich wollte keinen.“ Deans Blick war auf die Schwanzspitze vor sich gerichtet. „Mochtest du es nicht oder hast du es von John übernommen, es nicht zu mögen?“, hakte Sam leise nach. „Ich ...“ Dean brach ab. In seinem Leben war kein Platz für einen Hund, nicht mal für den Wunsch danach. Er hatte Sam. Er verzog das Gesicht. Wie das klang. Gut, dass er das nicht ausgesprochen hatte. Aber es stimmte schon. Er musste sich um Sam kümmern, da blieb keine Zeit für einen Hund. „Keine Ahnung“, sagte er leise und erinnerte sich an einen der Momente, denn es waren mehrere, immer wenn Sammy einen Hund hinterherschaute, in denen John erklärte, dass sie keine Zeit und kein Geld für einen Hund hätten und dass er den Gestank von nassem Hundefell nicht im Wagen haben wollte. Schweigend liefen sie weiter. Sam hing seinen Erinnerungen nach und Deans Gedanken wanderten ganz automatisch zu seiner jetzigen Situation. Bis jetzt hatte er es gut vermeiden können, bis jetzt war er immer irgendwie eingebunden oder gefordert worden. Doch jetzt war das nur der wedelnde Schwanz irgendwo vor ihm und ein schweigender Sam neben ihm. Genau darauf schienen sie gewartet zu haben. Erbarmungslos schlugen sie zu und zerrten Dean immer tiefer in den Strudel aus Minderwertigkeitskomplexen und Selbsthass. 700 Meilen weiter südöstlich hatte die Schicht von Batallion Chief Grady begonnen. „Morgen früh werfe ich die dem First Chief auf den Tisch. Ich hoffe, wir sind den dann endlich los!“, erklärte Grady gehässig und deutete auf die beiden Schreiben, die oben in seinem Postkörbchen lagen. Miller nickte grinsend. „Hat ja lange genug gedauert.“ Plötzlich klopfte es und ohne eine Antwort abzuwarten, traten Webb und Coon in das Büro. „Was wird das?“, fragte Grady irritiert, denn hinter den Beiden kamen auch Davis, Leyne, Dearing und Lund herein. Miller holte Luft, ließ die aber ungenutzt wieder fließen, als er die Männer sah, die hinter den Vieren im Gang auftauchten und nun ebenfalls das Büro betraten und ihm schwante nichts Gutes. Der Personalleiter der Feuerwehr Bloomington, Patel, Gewerkschaftsboss Franklin und Deputy Morano, bauten sich um den Schreibtisch Gradys auf. „Lieutenant“, sagte First Chief Reed und bedeutete Pratt vor ihm einzutreten. Als letzter kam dann First Chief Reed in den Raum und schloss die Tür, vor der sich Everwood außen in Stellung brachte. Reed ignorierte die schleimigen Begrüßungen der Männer von Gradys Schicht und legte eine dicke Mappe auf den Tisch. Fragend blickte Grady von der Mappe zu Reed, zu den Anderen im Büro. Morano bedeutete seinem Schwager, die Mappe zu öffnen und Grady klappte den Deckel auf. Der verhasste Name Winchester sprang ihm regelrecht ins Gesicht. „Wenn ihr euch wegen dem Versager schon hier her bewegt, können Sie auch gleich die Abmahnungen unterschreiben!“, erklärte er kalt und schaute zum First Chief, bevor er zwei Schreiben aus seinem Postkörbchen holte und auf den Tisch legte. „Die wollte ich eh morgen früh ins Hauptquartier bringen.“ „Abmahnungen?“, fragte Chief Reed interessiert. „Der ist seit Montag nicht mehr zur Schicht erschienen. Abgemeldet hat der sich auch nicht, ich meine, nicht dass der uns fehlen würde, aber ...“ First Chief Reed biss die Zähne zusammen. Er drehte die Akte zu sich und zog ein Blatt Papier hervor. „Das Schreiben sollte Ihnen bekannt sein“, sagte er kalt. Grady überflog es kurz. Es war eine ausgedruckte Mail mit der Ankündigung des Rüstgruppenlehrgangs und dem Hinweis, dass der Kursteilnehmer die Zeit freigestellt wurde. „Tut mir leid“, begann er. „Das habe ich nicht ...“ „Ich habe die Empfangsbestätigung von Ihnen vorliegen!“, fuhr Patel ihm ins Wort. „Dann hab ich es wohl nur überflogen.“ Grady zuckte mit den Schultern. Und? „Dann haben Sie jetzt wohl Pech“, erwiderte First Chief Reed im selben Ton, bevor er eisig fortfuhr. „Dieser Lehrgang, und das sollten Sie wissen, denn der Winchester war nicht der erste, der einen solchen in dieser Wache absolvierte, wird als Auszeichnung für hervorragende Leistungen während der Ausbildung oder im Dienst angeboten und von den Feuerwehrmännern bezahlt. Die Feuerwehr Bloomington stellt sie in dieser Zeit frei!“ „Für GUTE Leistungen. Dieser Anwärter“, sagte Grady abwertend, „bringt überhaupt keine Leistungen! Womit hat der sich diesen Lehrgang verdient? Andere hatten ein viel größeres Recht auf diese Lehrgang!“ „Sie, Mister Grady“, ging Reed nicht auf diesen Einwurf ein, obwohl er Grady nur zu gerne eine passende Erwiderung gegeben hätte, „sind nicht in der Position das zu entscheiden. Sie haben ihn die Zeit vorarbeiten lassen, wozu Sie kein Recht hatten. Somit hat er jetzt jede Menge Überstunden.“ „Ich sehe das nicht als Überstunden und selbst wenn ... Der Versager hat sich abzumelden. Nicht, dass der uns hier fehlen würde. Er taugt nichts! Trotzdem ...“ Kapitel 56: It's all comming back to me --------------------------------------- 056) its all comming back to me „Es reicht, Mister Grady!“, donnerte Chief Reed. „Das was Sie hier tun ist und bleibt Mobbing und zwar von der ganz üblen Art! Das widerspricht allem, wofür die Feuerwehr Bloomington steht! Sie als Vorgesetzter haben in Ihrer Wache dafür zu sorgen, dass die viel gepriesene Kameradschaft gelebt wird. Aber sie unterstützen Schikane und Ausgrenzung!“ „Ach, hat der sich ausgeheu ...“ „Ich bin noch nicht fertig!“, fuhr Reed Grady an. „Weder habe ich Ihnen das Wort erteilt noch sind Sie in der Position mir ins Wort zu fallen! Wenn es hier NUR um Winchester ginge, wäre das schon Grund genug für ein Disziplinarverfahren. Da das gezielte Vertreiben von Anwärtern durch Niedertracht und Missgunst in dieser Wache aber seit Jahren praktiziert und zur Schande der Führung der Feuerwehr Bloomington auch noch toleriert, zumindest aber nie oder nur halbherzig hinterfragt wurde, reicht ein Disziplinarverfahren nicht mehr aus.“ „Hier wurde niemand gemobbt oder ausgegrenzt, wie Sie so schön behaupten, der ...“, fuhr Grady auf. „Seit wann entscheiden Sie wer in der Feuerwehr Bloomington Dienst tut und wer nicht?“, fragte Reed gefährlich leise. „Sie sollen das Beste aus Ihren Leuten herausholen. Im Dienst wie auch menschlich.“ Reed schaute sich in dem Büro um, dass für die Mitglieder dieser Schicht langsam immer enger zu werden schien. „Sie haben diese Quälerei und Schikane sogar gefördert! Sie sind hiermit fristlos aus der Feuerwehr Bloomington entlassen. Jegliche Pensionsansprüche sind gestrichen und ich werde dafür sorgen, dass Sie in keiner anderen Feuerwehr in Indiana eine Anstellung finden! Ihre Streifen werden Ihnen ebenfalls aberkannt!“ „Sie kommen von Indianapolis hier her und bilden sich ein, dass Sie wüssten, wie es hier läuft!“, verlor Grady nun jede Fassung. „Nur weil ein popeliger Anwärter sich bei Ihnen ausgeheult hat, haben Sie nicht das Recht mich feuern zu wollen. Franklin, sagen Sie es ihm!“ „Es hat sich nicht nur ein POPELIGER Anwärter beschwert. Die Anschuldigungen wiegen schwer, die Beweise wiegen schwerer. Du kannst von Glück sprechen, wenn dich niemand zivilrechtlich verklagt! First Chief Reed hat jedes Recht dazu und die Entscheidungen sind mit allen hier abgesprochen und rechtlich unantastbar!“, erklärte der Gewerkschaftsvertreter, dem es immer noch peinlich war, die Beschwerden, die er vor ein paar Jahren über Grady eingereicht bekommen hatte, aufgrund seines Rufes als Rache von Anwärtern abgetan hatte, die für diesen Beruf einfach nicht geschaffen waren und sich jetzt so rechtfertigen wollten. Grady schluckte. Diese Kröte würde er wohl erstmal schlucken müssen. Erstmal. Er kannte da einen guten Anwalt, den würde er darauf ansetzen. Wäre ja gelacht, wenn er sich so einfach abschieben lassen würde. „Dann bis du jetzt wohl der Chef hier“, wandte er sich an Miller. „Ich ...“, reagierte der verdattert. „Lieutenant Pratt?“, wandte sich First Chief Reed an Benjamin. „Mr. Grady hat 10 Minuten, um seine privaten Sachen zu packen und die Wache zu verlassen.“ „Chief“, nickte Pratt und trat neben Grady, der zähneknirschend begann seinen Schreibtisch zu räumen. „Captain Miller!“, nahm sich Chief Reed nun den nächsten in der Runde vor. „Für Sie gilt das Gleiche. Sie sind ein Vorgesetzter. Sie haben die Pflicht darauf zu achten, dass es in Ihrem Team fair und kameradschaftlich zugeht. Auch Sie haben versagt und sich damit für jeden höheren Dienstgrad disqualifiziert! Sie werden degradiert. Ihre Pensionsansprüche werden halbiert!“ „Das können Sie nicht mit mir machen! Das wird ein Nachspiel haben!“, fauchte Miller. „Sie können gerne Klage einreichen, doch ich verspreche Ihnen, dass wir dann auch all Ihre Vergehen offenlegen werden!“, erklärte Patel. „Ich lasse mich nicht zum Pampel machen! Lieber kündige ich!“ „Angenommen!“, nickte First Chief Reed. „Auch Sie haben 10 Minuten, um ihre Sachen zu packen.“ Miller schnappte nach Luft, schluckte und schüttelte den Kopf, bevor er den Raum verließ und von Everwood begleitet, seine Sachen packte. Auch er erwog sich einen Anwalt zu nehmen. So ging das ja wohl nicht! „Mr. Coon, Mr. Webb. Sie werden sich in einem Disziplinarverfahren zu verantworten haben. Ihre Pensionsansprüche werden für die Zeit, die sie unter Grady gearbeitet haben auf die Hälfte gekürzt und natürlich steht es Ihnen jederzeit frei, die Feuerwehr Bloomington zu verlassen. Sonst werden sie neuen Wachen zugeteilt. Das Gleiche gilt auch für Sie, Mr. Leyne, Mr. Davis. Ihre Vergehen sind minder schwer, nichtsdestotrotz werden sie sich zu verantworten haben.“ Webb und Coon starrten den Chief wütend an, schwiegen aber. So schnell wie Miller raus war, wollten sie ihre Optionen lieber erst überdenken. Leyne und Davis schluckten hart. „Gut, nun zu Ihnen, Mr. Dearing, Mr. Lund. Sie haben sich augenscheinlich nicht an den Verfehlungen ihrer Kameraden beteiligt, allerdings haben sie auch nichts dagegen unternommen. Ihre Pensionsansprüche werden für ein Jahr halbiert und sie werden auf andere Wachen aufgeteilt.“ First Chief Reed atmete tief durch. Das war erledigt. „Mr. Morano?“ Der Deputy nickte. „Lieutenant Pratt. Sie werden zum Captain befördert und bis auf Weiteres Wache 39 leiten. Ted Everwood wird als Lieutenant bestätigt. Ab Morgen wird Captain Wagner die neue, erste Schicht der Wache 39 übernehmen. Für heute werden Wache 12 und 22 eingehende Notrufe bearbeiten. Das wars für heute!“ Er schaute zu First Chief Reed. Der nickte nur kurz. „Captain“ Verabschiedete er sich von Pratt und verließ den Raum. Patel und Franklin folgten ihm. Eine halbe Stunde später schloss Deputy Morano die Wache ab und übergab Captain Pratt den Schlüssel. Pratt und Everwood warteten noch, bis alle von Hof gefahren waren dann schauten sie sich an. „Jah!“ jubelte Everwood und hielt Pratt die Hand zum Abschlagen hin. „Endlich“, nickte der neue Captain. „Hoffentlich ist es für Dean nicht zu spät!“ Ted verzog das Gesicht. Er hatte seit dem letzten Treffen mit Sam nichts mehr von den Brüdern gehört. Aber er wollte auch nicht anrufen. Vielleicht schrieb er ihm ja eine SMS? Das würde er gleich mit Ben besprechen. Letztendlich entschieden sie sich jedoch dagegen, weil sie davon ausgingen, dass Dean Bescheid wusste. Deans Laune war im Keller, als sie ins Haus zurückkamen. Er hängte seine Jacke auf und wollte nach oben. „Wir wollten es uns vor dem Fernseher gemütlich machen“, hielt Bobby ihn auf. Er kam gerade mit einer Schüssel Popcorn aus der Küche. Dean schaute ihn nur traurig an und schüttelte den Kopf. „Ich will nur noch ins Bett. Danke.“ „Dean, du ...“, versuchte Bobby ihn umzustimmen. Dean schüttelte den Kopf. „Lass mal, ich will euch nicht auch noch die Laune verderben.“ Er verzog sich in sein Zimmer, zog sich um und verkroch sich im Bett. Leise tapste Marley ins Zimmer und legte sich wieder zu ihm. Die Hand in ihrem Fell verkrallt, schlief Dean ein. „Was ist passiert?“, wollte Bobby ratlos von Sam wissen. „Habt ihr euch gestritten?“ „Nein. Wir haben über Hunde geredet und darüber, ob Dean nie einen wollte oder ob er keinen wollte, weil Dad keinen wollte. Danach ist das Gespräch irgendwie versackt. Kommt er nicht?“ „Nein, er ist nach oben.“ „Ach verdammt“, schimpfte Sam. „Der Tag lief so gut und er hat doch auch mit uns herumgealbert“, er seufzte leise. „Ich hatte wirklich gehofft, dass er sich gefangen hat.“ Bobby schüttelte den Kopf. „Also heißt das für morgen: müde machen und bloß nicht zum Denken kommen lassen“, überlegte Sam. „Genau das.“ „Das wird schwer. Wenn ich mich wenigstens schon entscheiden könnte.“ Sam fuhr sich durch die Haare. Es war zum Mäuse melken. „Aber mir fehlen so viele Einzelheiten und ich will es doch richtig machen.“ „Hör auf dich fertig zu machen“, bat Jody. „Das bringt doch nichts. Du kannst es noch nicht entscheiden und Dean weiß das. Er muss abwiegen, ob ihm der Schrottplatz so wichtig ist, dass er ihn nehmen will. Du wirst sicher einen Platz in einer Kanzlei in Bloomington finden, sollte er bleiben wollen. Wenn nicht, was ich auch verstehen könnte ...“ Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte kurz den Kopf.. „Letztendlich ist es nur seine Entscheidung.“ Sam verzog das Gesicht. „Aber ich möchte ihm helfen.“ „Wartet doch erstmal ab“, bat Jody und lächelte Sam warm an. Dann schaute sie sich um. „Wo ist Marley?“ Eigentlich lag die Hündin abends immer bei ihnen, fiel doch hin und wieder mal was Leckeres vom Tisch. „Ich glaube, sie schläft bei Dean“, sagte Sam. „Eigentlich mag ich das nicht, aber wenn´s ihm hilft.“ Sie zuckte mit den Schultern und ließ sich auf die Couch fallen. Der Abend zog sich und im Fernsehen kam auch nichts Fesselndes, bis sich Sam endlich aufraffte, sich verabschiedete und nach oben ging. Er schaute noch schnell bei Dean rein. Marley lag wirklich in seinem Bett. Sie schaute ihn kurz an, ließ ihren Kopf aber schnell wieder fallen, als er keine Anstalten machte, sie zu verscheuchen. Sam ging in sein Zimmer. Eine Weile las er noch, dann löschte auch er das Licht. Doch obwohl er müde war, konnte er lange nicht einschlafen. Immer wieder wälzte er seine Möglichkeiten hin und her, ohne zu einer Entscheidung kommen zu können. Warum war das nur so schwer? Eigentlich hatte Jody doch Recht. Er konnte überall in Indiana praktizieren und er würde wohl auch eine Zulassung in Sioux Falls bekommen. Vielleicht musste er eine Prüfung ablegen, aber schwer sollte das nicht sein. Es war Deans Entscheidung, wo er leben, und ob er in Bloomington bleiben wollen würde. Der nächste Tag glich dem vorhergehenden, nur dass Dean nach dem Essen mit Bobby über den Büchern saß und versuchte das Mysterium Buchhaltung und Steuer zu verstehen. So wirklich gelang es ihm noch nicht, auch wenn sich der Schleier, dank Bobby, ein Stückchen zu heben schien. Der alte Freund hatte eine andere Art zu erklären. Eine Art, die für Dean logischer war als Stans. Die abendliche Runde mit Marley drehte Sam alleine, während Bobby den älteren Bruder mit einigen kleinen Buchhaltungsaufgaben beschäftigte. Das war zwar auch nicht dazu geneigt, Deans Laune hoch zu halten, aber es hielt es ihn wirksam von den Grübeleien über seine Zukunft ab. Am Abend schaffte er es sogar, sich vor dem Fernseher zu entspannen. Trotzdem verzog er sich eher als die Anderen ins Bett und wieder schlief Marley bei ihm und half ihm alleine durch ihre Präsenz, fast alptraumfrei durchzuschlafen. Freitag und Samstag folgten dem Muster der beiden vorangegangenen Tage. Dieses Mal nahm Sam seinen Bruder wieder mit zum abendlichen Spaziergang und zog ihn in eine juristische Diskussion. Am Sonntag tobten sich die Brüder in der Trampolinhalle aus und suchten sich danach einen Platz in einem kleinen Restaurant. „Hast du schon mal über meine Frage nachgedacht?“, begann Dean, als sie auf da Essen warteten. „Du meinst darüber, ob ich in Bloomington bleiben will?“ „Genau“, nickte Dean. „So ziemlich jeden Tag, aber ehrlich? Eigentlich ist es deine Entscheidung, Dean. Willst du den Schrottplatz, werde ich hinter deiner Entscheidung stehen. Willst du ihn nicht, stehe ich genauso dahinter. Denn ich weiß nicht, in welche Richtung ich gehen will.“ Sam kratzte sich am Kopf. „Das klingt jetzt wahrscheinlich vollkommen bekloppt, so lange wie ich gerade dir in den Ohren gelegen habe, dass ich Jura studieren wollte“, er verzog das Gesicht zu einem verlegenen Grinsen. „Gerade bin ich mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt Jurist werden will.“ Unsicher starrte Dean seinen Bruder an. Doch der schwieg. Einerseits weil er nicht wusste, was er darauf antworten sollte, andererseits fragte er sich, ob er etwas übersehen hatte. War Sam mit seinen Studium genauso unglücklich wie er als Anwärter? Wurde er da auch gemobbt? Es hatte nicht den Anschein gehabt, aber er konnte sich ja auch irren. „Willst du denn das Studium schmeißen?“, fragte er, weil Sam noch immer schwieg und ihn abwartend ansah. Der Kellner brachte ihr Essen. „Nein!“, wehrte Sam entschieden ab, nachdem der Mann sie wieder allein gelassen hatte. „Ich studiere auf jeden Fall zu Ende und mache meinen Abschluss. Dafür habe ich nun wirklich viel zu lange darauf gehofft und dich damit genervt. Ich weiß nur nicht, wie es dann weitergehen soll. Irgendwie hatte ich immer den Traum für Gerechtigkeit zu sorgen, doch dafür müsste ich wohl ein Superheld sein. Egal ob ich Anwalt in einer Kanzlei werden oder bei der Staatsanwaltschaft arbeiten will, es wird immer Fälle geben, die nicht meinem Rechtsempfinden entsprechen werden.“ „Bleibt also die Frage, mit welchem Widerspruch du eher leben kannst?“, hakte Dean nach. „Genau. Irgendwie habe ich auch schon darüber nachgedacht, ob ich Privatdetektiv werden könnte.“ Dean musterte ihn. „Wie wäre es mit Ermittler bei der Staatsanwaltschaft?“ „Auch eine Möglichkeit. Aber da verdiene ich dann noch weniger und ich hatte schon die Hoffnung, dass sich das Studium irgendwann auch lohnt. Ich wollte weder dir, noch einer vielleicht mal zukünftigen Frau auf der Tasche liegen.“ „Dann sind wir also immer noch keinen Meter weiter?!?“ „Nein“, bedauernd schüttelte Sam den Kopf. Dean zuckte mit den Schultern. „Ich habe auch hin und her überlegt und finde einfach keine befriedigende Antwort für mich. Egal ob du bleibst oder irgendwann doch gehen willst, ich muss doch wissen, was ICH will. Aber ich weiß es einfach nicht.“ Sam musterte ihn. „Ist Schrauben das, was du für den Rest deines Lebens machen wollen würdest?“ Er spickte eine Kartoffelspalte auf seine Gabel und schob sie sich in den Mund. „Nein. Wenn ich nur den Schrottplatz habe, werde ich wohl über kurz oder lang wieder jagen gehen. Das Schrauben war schon immer gut, um die Hände und Gedanken zu beschäftigen, aber nichts auf Dauer. Mir würde das Adrenalin fehlen, das Gefühl gebraucht zu werden.“ „Also steht und fällt für dich alles mit dem Anruf deines Chiefs? Und dann? Kapitel 57: oh happy day ------------------------ 057) oh happy day Lange kaute Dean das Stück Fleisch, um genügend Zeit zu haben, sich die Antwort passend zurecht zu legen. Er schluckte: „Wenn die Zusage zu einer anderen Wache kommt, würde ich den Schrottplatz schon gerne übernehmen. Egal welchen Schichtplan ich dann bekomme, ich denke es wäre noch Zeit da, um an ein paar Wagen zu schrauben. Außerdem würde so noch Geld in unsere Kasse kommen und wir könnten über kurz oder lang da einziehen. Allerdings wäre es dann auch schön, wenn du in Bloomington bleiben würdest?“, fragend schaute Dean seinen Bruder an. „Letztendlich ist es doch egal, wofür du dich mit deinem Abschluss entscheidest. Nenn mich ein Weichei, aber ich wünsche mir, dass wir in einer Stadt wohnen. Du bist meine ganze Familie und ich möchte dich nicht, einmal im Jahr, am anderen Ende des Landes besuchen müssen.“ Jetzt grinste Dean schief. Er seufzte: „Wenn es keinen Platz bei der Feuerwehr für mich gibt, könnte ich mich am Bau umhören. Vielleicht kann ich da arbeiten, solange du studierst. Danach sehen wir dann weiter. Oder ich frage mal beim Rettungsdienst nach. Es sind ja nicht alle bei der Feuerwehr stationiert. Schön wäre es dann, wenn wir vielleicht hierher zurückkommen könnten." Sam lächelte. Das würde ihm auch gefallen und er hätte sogar schon das Angebot einer Stelle. „Und der Schrottplatz?“, musste er trotzdem fragen. „Den werde ich dann auf keinen Fall übernehmen. So leid es mir für Stan dann tut, aber den will ich mir nicht ans Bein binden, wenn ich kein Feuerwehrmann sein kann und du vielleicht nach dem Studium auch gehen solltest. Ohne den bin ich einfach flexibler, wo auch immer du hinwillst, dann kann ich dir wie ein Schatten folgen.“ „Dann sind wir also nicht wirklich weiter als vor einer Woche?“, stellte Sam fest, ohne auf Deans „finstere“ Anspielung einzugehen. Ein dunkler Schatten huschte über Deans Gesicht. „Ich denke doch“, begann er ernst. „Vor einer Woche stand ich knietief im Dreck und hatte die Kündigung noch vor mir. Ich habe mich beschissen gefühlt, weil ich so gerne Feuerwehrmann bleiben wollte, diese Wache aber keinen Augenblick länger ertragen konnte. Ich habe keine Sekunde damit gerechnet, dass Chief Reed mich behalten wollen könnte. Ich dachte, ich geb die Kündigung ab und das war´s dann. Jetzt habe ich entweder die Aussicht auf eine neue Stelle bei der Feuerwehr oder die Aussicht über kurz oder lang mach Sioux Falls zu ziehen. Ich finde schon, dass das ein großer Schritt ist." Sam lächelte. Er wusste, dass Dean sich noch immer mit den Möglichkeiten herumschlagen würde, aber immerhin hatte er jetzt Möglichkeiten und stand nicht mehr vor einem großen Loch. „Weißt du, was jetzt mir deinen Kollegen passiert? Warum hattest du eigentlich ständig mit denen zu tun? Ich dachte immer, auch wenn ihr 12 Stunden-Schichten macht, dass das System nur funktioniert, wenn ihr rotiert.“ „Stimmt schon“, begann Dean. „Es gab einen festen Kern von je vier Männern pro Schicht, der Rest rotierte. Keine Ahnung wie das funktionierte. Die Pläne haben Grady und Miller gemacht. Für mich gab es kaum eine Schicht ohne das Quintett infernale.“ „War das nicht das Trio infernale?“ Dean verdrehte nur die Augen. „Ich hatte gerade mal einen Tag, ohne einen der fünf, also Grady und seinen internen Kreis an Speichelleckern. Und ganz ehrlich? Es ist mir herzlichst egal, was aus denen wird. Ich hoffe nur, es geht ihnen so beschissen wie mir!“ Dean schnaufte und säbelte wütend an einem Stück Fleisch herum. „Dann warten wir also weiter ab, was die nächsten sieben Tage bringen?“, überlegte Sam. „Hmhm.“ Sam bat den Kellner ihnen die Rechnung zu bringen. „Es tut mir so leid, Dean. Wenn ich nicht in Bloomington studieren würde ...“, begann er als sie wieder im Impala saßen. „Sammy, hör auf. Dieses was wäre wenn verfolgt uns seit Moms Tod und zerstört alles Gute, das wir seitdem für Andere getan haben! Das will ich nicht.“ Sam musterte seinen Bruder. Was war mit ihm passiert? Hatte das Gespräch so viel bewirkt? „Wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?“ „Es geht mir gut, Sammy“, erklärte Dean ruhig. „Ich frage mich ja nur, ob das jetzt an der körperlichen Arbeit liegt, oder an Bobby und Jody? Ganz bestimmt aber an Marley.“ „Ganz ehrlich?“, begann Dean leise. „Ich will wirklich wieder hierher zurückkommen, wenn das mit der Feuerwehr nicht klappt und du fertig studiert hast. Deinen Abschluss erkennen sie doch hier auch an, oder?“ Er wollte einfach wissen, ob das vorhin eher dahingesagte wirklich Bestand haben würde. Sam nickte. „Mit dem Abschluss kann ich überall arbeiten. Ich muss zwar einen Zulassungstest machen, aber den sollte ich wohl schaffen.“ „Also, was denkst du?“ „Dass das nach einem Plan klingt. Wir warten die Woche ab. Entweder du bleibst Feuerwehrmann, dann versuchen wir uns in Bloomington einzurichten, oder wenn nicht, mache ich mein Studium fertig und wir ziehen zurück nach South Dakota.“ Dean nickte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Das war die Lösung, mit der er leben konnte, wenn es auch nicht seine erste Wahl war. „Aber egal wie, ich denke, wir sollten Samstagmorgen wieder zurück nach Bloomington fahren. Ich muss Montag wieder zur Uni“, nahm Sam auch gleich noch das vielleicht Unangenehmste in Angriff. Wieder nickte Dean nur. Seine Hände krampften sich kurz um das Lenkrad, dann hatte er sich wieder in Griff. Ja, sie mussten zurück, egal wie seine Zukunft aussehen würde, Sammy hatte seinen Traum verwirklichen können und das sollte er auch bis zum Ende tun! Am Montag nahmen die Winchesters den Rhythmus der Vorwoche wieder auf. Vormittags schraubten sie gemeinsam an dem Camaro, der so langsam wieder wie ein Auto aussah und nach dem Dinner half Dean am Montag Sam bei seiner Hausarbeit und dienstags versuchte er weiter in die Buchhaltung einzusteigen. Die Abendspaziergänge wurden mit Diskussionen über juristische oder buchhalterische Probleme gefüllt, oder sie versuchten einen ihrer alten Fälle noch einmal aufzurollen, damit Sam die in das Netzwerk einbringen konnte. Der Mittwoch begann mit Schneeregen, doch das störte höchstens Sam, der als Einziger immer mal wieder raus musste, um Dean und Bobby mit Kaffee zu versorgen. Die Beiden versuchten dem Camaro wieder ein Getriebe und einen Motor zu verpassen. Selbst Marley war nur mit Mühe zu bewegen, das Haus wenigstens für einen kurzen Spaziergang zu verlassen. Danach hatte sie sich wieder vor den Kamin gelegt und rührte sich freiwillig keinen Meter mehr. „Okay, ich glaube, das sollte so funktionieren“, sagte Bobby, der noch einmal alle Schrauben und Dichtungen überprüft hatte. „Füllen wir Öl auf und morgen versuchen wir ihn mal zu starten.“ Er wischte sich die Hände an einem alten Lappen ab. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns heute Pizza bestellen?“ „Warum nicht?“, Sam rutschte von der Werkbank und sammelte die Tassen ein. „Ich geh schon mal rein und rufe an!“ Dean räumte noch ein wenig auf, während Bobby das Öl in das Getriebe füllte. Plötzlich klingelte Deans Handy. Irritiert schaute er auf das Display. Die Nummer konnte er so schnell nicht zuordnen. Zögerlich ging er dran. „Jah?“ „Mr. Winchester? Feuerwehr Bloomington, Milton. Chief Reed möchte mit Ihnen sprechen. Haben Sie Zeit?“ Alle Farbe wich aus Deans Gesicht. Jetzt war es also soweit! Er schluckte. „Ja, klar. Danke“, antwortete er heiser. „Ich verbinde Sie“, erklärte Mrs. Milton freundlich und schon tönte eine Wartemelodie aus dem Hörer. Bobby war die Veränderung Deans natürlich nicht entgangen. Sofort stellte er den Kanister ab und warf einen Blick durch das verschmierte Fenster. War Sam noch in der Nähe? Leider sah er ihn nirgends. Er trat neben seinen Jungen, um ihm wenigstens moralische Unterstützung zu geben und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Mr. Winchester“, grüßte der Chief knapp und Dean machte sich automatisch gerade. „Chief Reed!“ „Melden Sie sich bitte Montagmorgen 7 Uhr auf der Wache 17 bei Chief Bradley. Er setzt Sie über alles Weitere in Kenntnis und ich möchte dann in vier bis sechs Wochen nochmal mit Ihnen sprechen. Bis dahin behalte ich ihre Kündigung auf Abruf.“ „Ja, danke, Chief“, stammelte Dean, unfähig einen vernünftigen Gedanken zu fassen. „Gut Mrs. Milton meldet sich dann in drei oder vier Wochen bei Ihnen, um den Termin zu machen.“ „Ja, alles klar, Chief. Danke!“ Noch bevor Dean mehr sagen konnte, war die Leitung unterbrochen. Langsam ließ er die Luft aus der Lunge. Ihm war übel und er musste sich an der Werkbank abstützen. Seine Hände zitterten, als er versuchte das Handy wieder in der Hosentasche zu verstauen. Gott! Er hatte es sich so gewünscht und doch eigentlich nicht darauf zu hoffen gewagt. „Schaffst du´s ins Haus?“, fragte der Freund besorgt und drückte sanft zu. „Ich denke schon“, nickte Dean, atmete tief durch und drehte sich um. „Gott Bobby. Ich habe so auf genau diesen Anruf gehofft und doch nie wirklich damit gerechnet, dass ich bei der Feuerwehr bleibe!“, gestand er noch immer ziemlich blass um die Nase, aber mit leuchtenden Augen. Er fiel er dem Freund um den Hals. Mit irgendwem musste er sein Glück jetzt einfach teilen und Sammy war nicht da, doch den würde er sich gleich noch zur Brust nehmen! Im wahrsten Sinne des Wortes! Voller Freude schloss Bobby die Arme um den Jungen. Er freute sich so für Dean. Dean brauchte eine Weile, bis er sich wieder von Bobby löste, der seine Rührung unter einem bärbeißigen Gesichtsausdruck zu verbergen suchte. „Irgendwie müssen wir das feiern!“, erklärte der Winchester und hatte auch schon eine Idee. „Wann kommt Jody?“ „Sie sollte so gegen sechs hier sein.“ „Gut!“, nickte Dean und stürmte ins Haus. Hier lief ihm Sam über den Weg, der gerade ins Bad unten wollte, um zu duschen. Sofort packte Dean ihn bei den Schultern und zog ihn in eine feste Umarmung. „Was?“, nuschelte Sam überrumpelt. „Ich hab eine neue Wache“, erklärte Dean voller Freude. „Montag soll ich mich auf der 17 melden.“ Er strahlte Sam an, knuffte ihn in die Schulter, bevor er ihn noch einmal ganz fest an sich grückte.. „Das ist so toll", nuschelte der in Deans Schulter. „Ich freue mich so für dich!" Er schlang seine Arme ebenfalls fest um seinen Bruder. Wie sehr hatte er diesen Anruf herbeigesehnt. Oh Gott! Ihm fiel ein ganzes Gebirge von der Seele. Wie musste es Dean da erst gehen. Ob sie ihn am Boden festtackern mussten, damit er nicht abhob? Aber auch das wäre egal. Dean hatte diese Chance so sehr verdient! „Das sollten wir feiern!“, stellte Sam fest, nachdem sein Bruder ihn losgelassen hatte und schaute in das strahlende Gesicht. Hoffentlich war das jetzt die richtige Wache! „Ich hab aber nur Pizza bestellt!“ „Keine Sorge Sammy, ich hab da schon eine Idee“, erklärte Dean breit lachend und stürmte nach oben, um selbst erstmal zu duschen. Kapitel 58: I´m blue -------------------- 058) I´m blue „Hm, das riecht lecker, hab ihr eine Konditorei geplündert?“, fragte Jody, während sie die Haustür schloss. Eine Note von Whiskey stieg ihr in die Nase. „Obwohl? Nein, das würde nicht so lecker riechen.“ Sie schaffte es gerade ihre Jacke an den Haken zu hängen, als Dean aus dem Wohnzimmer gestürmt kam und ihr um den Hals fiel. Marley sprang bellend und schwanzwedelnd um sie herum. „Ich liebe dich auch, Schatz“, schmunzelte sie, „aber was sagen wir meinem Mann?“ Bobby und Sam, die Dean gefolgt waren und jetzt in der Tür standen, grinsten sich kurz an, bevor Bobby streng: „Das würde mich auch interessieren“, sagte. „Ich hab noch einen Job“, nuschelte Dean. „Du hast was?“, überrascht schob sie ihn von sich. „Ich habe eine neue Wache. Chief Reed hat heute Nachmittag angerufen und mich einer neuen Wache zugeteilt. Montag morgen ist meine erste Schicht. Das wollten wir feiern. Ich hab aber nur Brownies gebacken, mehr war so schnell nicht da und wir hatten Pizza …“ sprudelte es aus ihm heraus. „Ich habe im Büro gegessen“, nahm sie ihm die erste Sorge, „und Brownies klingen gut.“ „Wir wollten mit euch morgen essen gehen, um das richtig zu feiern, wenn du kannst“, schlug Dean vor.  „Nein. Das feiern wir in keinem Restaurant“, wehrte sie ab. „Ich koche. Das lasse ich mir nicht nehmen. Immerhin seid ihr dann wieder für lange Zeit weg. Also lasst mir den Spaß.“ „Wir wollten dir die Arbeit ersparen, aber wenn du willst … gerne. Dann kaufen wir aber morgen zusammen ein und bezahlen!“, Sam warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu und der nickte. Den Abend ließen sie mit Brownies und Clint Eastwood-Filmen ausklingen. Mit mehreren vollen Tüten beladen kamen Jody, Sam und Dean am späten Vormittag des nächsten Tages von ihrem Einkauf zurück. „Wollt ihr eine mittlere Hungersnot verhindern?“, wunderte sich Bobby über die Menge. Er war gerade in der Küche, um sich einen Kaffee zu holen. Er hatte angefangen den Wagen, an dem Dean die ganze Zeit geschraubt hatte, zu spachteln. Seine Jungs mussten ja bald wieder fahren und er fand es nur gerecht, dass Dean den Wagen noch fertig zu sehen bekam. Außerdem würde sich sein Junge heute bestimmt in der Küche herumtreiben wollen. Bobby hatte Recht. Kaum waren die Einkäufe weggeräumt, als Dean schon unschlüssig in der Tür stand. „Warum versperrst du hier die Tür?“, fragte Sam und drängte sich an seinem Bruder vorbei zur Kaffeemaschine. „Ich … naja“, Dean kratzte sich am Kopf. „Da steht der Wagen und ich würde ihn gerne fertig machen.“ „Und warum tust du das nicht?“, hakte Sam nach, dem sich das Problem noch nicht erschlossen hatte. „Weil ich hier bei Jody noch was lernen kann und weil es meine Feier ist und ich am Herd stehen müsste?“ Ein breites Lächeln überzog Bobbys Gesicht. Dean hatte schon als Kind gerne in der Küche geholfen, und immer ganz viel kosten müssen. Dass es ihm jetzt wieder Spaß machte zu kochen, freute ihn, nahm er doch für sich in Anspruch, den Grundstein gelegt zu haben. „Dann bleib du hier und lerne. Spachteln kann ich auch alleine und wenn Sam mich auch noch so gut mit Kaffee versorgt wie dich die letzten Tage.“ „Das mache ich gerne“, erklärte Sam, „allerdings wollte ich erstmal mit Marley raus.“ „Noch habe ich“, lachte Bobby und hielt seinen Becher hoch. „Geh du den Wusel müde machen.“ Sam nickte. Er zog sich seine Jacke wieder an, nahm die Leine vom Haken und verließ mit der schwanzwedelnden Marley das Haus. Bobby machte sich noch einen Kaffee und verschwand danach auch wieder in der Werkstatt und Dean und Jody begann damit die Spareribs zu marinieren. Fast zwei Stunden später kam Sam wieder ins Haus. Er stellte Bobbys Kaffeebecher unter die Maschine und während das schwarze Gebräu durchlief, säuberte er Marleys Pfoten und rieb sie trocken. Danach nahm er den Becher und verließ die Küche. „Sam?“, rief Jody und lief ihm hinterher. Fragend schaute sie der Winchester an. „Ich hab einige Rezepte rausgesucht. Die liegen neben dem Rechner im Büro. Wenn du die ...?“ Sam wusste sofort was sie meinte, hatten sie doch erst vorgestern darüber gesprochen, ein kleines Kochbuch für Dean zusammen zu stellen. Lächelnd nickte er. „Klar. Mach ich sofort.“ Er brachte Bobby den Kaffee und versprach, dass er in einer Stunde wiederkommen würde und setzte sich dann an seinen Rechner, um Jodys Rezepte für Dean zusammenzufassen. Der Duft von Spareribs und karamellisiertem Speck mischte sich mit dem von Apfelkuchen und Eierpunsch. Auf der Anrichte gab es kaum noch Platz zwischen den Schüsseln und Schalen mit Kartoffelspalten, Caesars Salat, gegrillten Maiskolben, Krautsalat und Nudelsalat. Der Tisch war gedeckt. Bobby und Sam kamen, jeder durch eine der Türen, gleichzeitig in die Küche. „Wer soll das denn alles essen?“, fragte Sam. „Du und den Rest bekommt ihr mit“, erklärte Jody. „Zumindest das, was wir nicht mehr in den Kühlschrank kriegen.“ „Gut“, nickte Sam. „Das erspart Dean für mindestens eine Woche das Kochen.“ „Lasst uns endlich anfangen“, drängelte Dean und sein Magen knurrte zustimmend. Auf den Gesichtern der drei Anderen breitete sich das Lachen in Zeitlupe aus. „Das ist jetzt nicht wahr“, platzte Sam hervor. „Du musst doch schon vom Kosten satt sein.“ „Ich hab nicht ...“, verteidigte sich Dean. „Hat er wirklich nicht“, nickte Jody. „Na dann aber los bevor Dean hier irgendwen anfällt!“, forderte Bobby, holte sich seinen Teller und nahm sich von allem etwas. Gefräßiges Schweigen breitete sich aus und alle, selbst Sam, füllten sich den Teller noch einmal. Leise schnaufend ließ sich Dean gegen die Rückenlehne seines Stuhls fallen. Er schob den Teller weiter zur Mitte des Tisches und streckte die Beine aus. „Ich glaube, ich bin satt.“ „Du glaubst?“, fragte Jody ungläubig staunend. Dean hatte wieder Mengen verdrückt, wie Bobby sie und vielleicht sogar Sam zusammen. „Naja“, überlegte Dean ein wenig verlegen, „es passt nichts mehr rein.“ Lachend legte Bobby ihm die Hand auf den Arm. „Glaube mir, Dean. Du bist satt.“ Der Winchester schaute ihn mit großen Augen an. „Gut!“ Jetzt prusteten alles los. Sie hoben die Tafel auf, räumten ab und machten es sich auf der Couch gemütlich. „Wie weit bist du mit dem Wagen gekommen?“, fragte Dean nach einer Weile. „Fertig gespachtelt. Wir können morgen schleifen und du dann bestimmt auch noch grundieren. Wenn´s gut läuft und alles trocknet, solltest du ihn Samstag noch in seiner vollen Schönheit sehen, bevor ihr wieder los müsst.“ Genau so kam es. Viel zu schnell verflogen diese letzten zwei Tage. Bobby und Dean verbrachten die Zeit fast ausschließlich in der Werkstatt, um den Camaro wirklich fertig zu machen und sie schafften es, auch wenn Dean erst am Samstagmorgen, gleich nach dem Aufstehen, das letzte Klebeband entfernte. Sie frühstückten zusammen und obwohl sich Deans Traum doch noch zu erfüllen schien, war die Stimmung getrübt. Sie wussten, dass sie sich wohl lange Zeit nicht sehen würden. Die Entfernung war einfach zu groß, selbst bei Deans Bleifuß. Die Brüder brachten ihre Taschen zum Impala dann verabschiedete sich Dean mit einer festen Umarmung erst bei Bobby, dann von Jody und knuddelte Marley. „Pass gut auf die beiden auf“, bat er sie. Auch Sam ließ sich von Beiden umarmen, bevor er die Hündin ebenfalls knuddelte. Jody drückte Dean ein kleines Klemmbuch in die Hand. „Was ist das?“, fragte er irritiert. „Schau rein!“ Das ließ sich der Winchester nicht zweimal sagen. Er schlug es auf. Rezepte stand auf der ersten Seite. Kurz blätterte Dean durch die Seiten mit Jodys Rezepten. „Danke“, wisperte er. „Aber wie?“ „Ich habe sie aufgeschrieben und Sam hat sie in den Rechner getippt und zu einem Büchlein zusammengefasst. Ich werde ihm nach und nach noch welche schicken, dann kannst du deine kleine Sammlung erweitern.“ „Ich weiß zwar nicht, ob ich demnächst noch viel zum Kochen kommen werde. Im Kofferraum stehen mehr Schüsseln und Dosen, als wir Kleidung mithaben“, überlegte er und grinste. Noch einmal umarmte er sich. „Danke“ Die Brüder gingen zum Wagen, stiegen ein und dann rollte die schwarze Schönheit vom Schrottplatz. Dean schnaufte leise, bevor er zu Sam schaute. „Danke!“, sagte er und sein Blick drückte viel mehr aus als das kleine Wort. Sam lächelte. Er sah die Liebe, die Dankbarkeit, dass er hier war, dass er Dean beim Finden eines Weges geholfen hatte, noch bevor sich die zweite Chance geboten hatte. „Gern geschehen“, erwiderte er und machte es sich auf seinen Sitz gemütlich. Schnell war er in Morpheus Arme abgeglitten, während Dean den Wagen Richtung Bloomington lenkte. „Wollen wir gleich noch was essen gehen?“, fragte Sam über das Dach des Impalas hinweg und deutete auf das Restaurantschild am Straßenrand, gleich hinter der Tankstelle, an der sie geradestanden. „Wenn du Hunger hast“, nickte Dean. „Du etwa nicht?“, fragte Sam erstaunt. Sofort machte sich die Sorgen in seinem Magen breit. „Was ist los?“ „Ich ...“, Dean schüttelte den Kopf. „Lass uns essen fahren.“ Noch einmal musterte Sam den Älteren, nickte und stieg ein. Deans Gefühle sollten sie wirklich nicht an einer Tankstelle diskutieren. Dean lenkte den Wagen auf den Parkplatz. Sie stiegen aus und betraten das Restaurant. Der Kellner bedeutete ihnen, dass sie sich ihren Platz aussuchen könnten. Dean steuerte sofort einen Tisch, ziemlich weit hinten an und setzte sich so, dass er die Tür im Blick behielt. Ein kurzes Lächeln huschte über Sams Gesicht. Er ließ sich seinem Bruder gegenüber nieder. Sie studierten die Karte und gaben ihre Bestellung ab, als der Kellner kam. Danach starrte Dean blicklos aus dem Fenster. „Was ist los?“, fragte Sam leise. Zu gut erinnerte sich an Deans Aufforderung ihn zu fragen, wenn er der Meinung war, dass etwas nicht stimmte. Langsam kam Deans Blick zurück. Er atmete tief durch und starrte auf seine Hände. Er hatte Sam versprochen mit ihm zu reden! ‚Also los, Dean‘, machte er sich selbst Mut. „Ich ...“, begann er und schüttelte den Kopf. „Ich sollte mich freuen. Ich habe eine zweite Chance bekommen, in meinem Traumberuf in Bloomington zu arbeiten, aber gerade will ich einfach nur zurück zu Bobby und mich da verkriechen. Ich könnte hin und wieder einen Wagen restaurieren und würde über kurz oder lang auf die Straße zurückkehren. Das ist es was ich kann, das ist es was ich bin! Ich ...“ Er zuckte hilflos mit den Schultern. Als der Anruf kam, hatte er sich wirklich gefreut, diese Chance zu erhalten. Er wollte so gerne Feuerwehrmann sein und von der Sicherheit bei Bobby aus betrachtet war das auch alles richtig und gut und das was er unbedingt tun wollte, aber kaum gab es diesen Rückhalt nicht mehr? In Sioux Falls hatte er ein finanzielles Auskommen aber Sam fehlte. In Bloomington war Sam, aber er hatte Angst, ihm auf der Tasche zu liegen und ihn so zu behindern. Die Bilder des letzten Jahres, die Sticheleien und gehässigen Kommentare wurden immer lauter. „Dean, du ...“, wollte Sam auffahren, doch Dean brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Ich weiß, dass mich das umbringen wird, aber ... Was, wenn´s an mir lag? Was, wenn ich zu doof bin? Wenn ich es nicht mehr kann oder nie wirklich konnte?“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Es ist bescheuert, aber ich habe mich in Sioux Falls wohl gefühlt. Es ist ein Zuhause. Es ist fast wie damals, als Mom noch ...“ Dean schluckte hart. Sam holte tief Luft. Er umfasste Deans Hände, die unruhig über den Tisch huschten und wartete bis Dean den Blick hob und schaute ihm in die Augen. Kapitel 59: can´t fight this feelings ------------------------------------- 059) Can´t fight this feelings „Es lag nicht an dir!“, erklärte er mit so viel Vertrauen in seinen Bruder, wie er nur in seine Stimme legen konnte. „Woher willst du das wissen? Du warst nie dabei!“ „Weil ich dich kenne! Weil du im November ganz anders warst. Du hast von Einsätzen erzählt und das, solange du in der Schicht von Lieutenant Pratt gearbeitet hast. Meinst du, die hätten dich eingesetzt, wenn du zu doof gewesen wärst? Nein, Dean. Es lag nicht an dir!“ Sam ließ die Hände seines Bruders los, um dem Kellern, der sie irritiert skeptisch musterte, für die Teller Platz zu machen. „Und was das Zuhause anbelangt? Ich weiß, dass unser kleines Apartment, das nicht wirklich ersetzen kann. Ich weiß, dass dir Jody und Bobby und wohl auch Marley fehlen und ich wohl kein adäquater Ersatz bin. Ich bin nur Sam, dein kleiner Bruder,“ sagte er und schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund. Er hoffte, dass er das nicht mehr nur war und eigentlich war der Satz dämlich, aber irgendwie fühlte er sich gerade etwas nutzlos. „Du bist nicht NUR Sam! Du bist noch immer das Wichtigste in meinem Leben und ...“ Er zuckte mit den Schultern, „mir fehlt eben hin und wieder ein elterlicher Arschtritt.“ „Stimmt, den kann ich dir nicht geben, obwohl ich größer bin als du.“ Sam musste lächeln. Es tat noch immer gut, zu hören wie wichtig er Dean war, auch wenn er schon lange erwachsen war. „Ich hatte immer dich. Du hattest so lange niemanden, der dich aufgefangen, dir Halt und eine Richtung gab. Du hast so viele Jahre die Verantwortung für uns getragen und solange es die bekannten Pfade waren, war es für dich auch okay. Jetzt gehen wir unbekannte Wege. Ist doch klar, dass du dich wohler fühlst, wenn du jemanden hast, der das normale Leben lebt, das wir anstreben.“ Dean zuckte mit den Schultern und atmete tief durch. Vielleicht hatte Sam Recht. Wahrscheinlich sogar. Aber gerade half ihm das nicht weiter und so schob er diesen Gedanken beiseite und wand sich etwas anderem zu. „Wenn ich bei der Feuerwehr bleibe und wenn ich Stans Angebot annehme … Wir sollten so schnell wie möglich in das Haus ziehen“, erklärte er. So konnten sie Geld sparen. Immerhin würde der Schrottplatz einiges kosten und das Renovieren auch und er wollte den Rest von seinem Gewinn aus Reno nicht noch weiter aufbrauchen. Wer wusste schon, ob sie nochmal Geld brauchten. Bobby würde es wohl nicht noch einmal verdoppeln können, oder? Bobby hätte Börsenmakler werden sollen. Bobby! Schon wieder zog sich sein Magen zusammen. Schnell versuchte er das Gefühl zu verdrängen. Sam studierte in Bloomington und er hatte einen Job da. „Dean?“ Sam legte seine Hand auf Deans Arm. „Jah?“ „Wo warst du mit deinen Gedanken?“ „Bei Bobby und dass er Börsenmakler hätte werden sollen.“ „Du denkst über unsere Finanzen nach?“ Dean nickte. „Ich könnte mir einen besser bezahlten Job suchen, als den im Supermarkt“, schlug Sam jetzt vor. „Du machst deinen Abschluss!“, entschied Dean energisch. „Wir haben genug Geld!“ „Aber du willst es so wenig wie möglich angreifen.“ Dean nickte. „Wenn ich mit den Reparaturen weitermachen und zusätzlich einige Autos aufbauen kann, würde Geld reinkommen. Mein Verdienst reicht ja wirklich nur gerade so. Ich meine, vielleicht brauchen wir das Geld von Bobby später noch dringend, vielleicht verdienen wir mal so viel, dass wir nie wieder etwas davon anrühren.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Einigen wir uns darauf, dass wir weiter sparsam leben, bis wir auf den Schrottplatz ziehen?“ Dean nickte. „Und ich versuche noch den einen oder anderen bei Pool und Poker zu erleichtern.“ „Gut! Solange du es nicht übertreibst und keiner dir ans Leder will!“, sagte Sam und Dean nickte mit einem Grinsen auf den Lippen, dass seine Augen nicht erreichten. Sam hatte ihm ein wenig von seinen Bedenken genommen, doch er war sich fast sicher, dass sie wiederkommen würden. Sie beendeten ihr Essen, zahlten und machten sich wieder auf den Weg. Meile um Meile fuhren sie weiter Richtung Südosten. Im Radio lief leise Musik und Sam hatte sich eines seiner Bücher genommen und paukte Wirtschaftsrecht. Dean versuchte sich auf das Fahren zu konzentrieren, konnte aber nicht verhindern, dass seine Gedanken wieder um die neue und die alte Wache kreisten und dass seine Laune weiter sankt. Kurz vor Mitternacht lenkte Dean den Impala auf den Parkplatz vor ihrem Apartment. Sie holten ihre Sachen aus dem Kofferraum und stiegen die Stufen nach oben. Schnell zog Dean sich um und kroch unter die Decke. Vielleicht würde der Schlaf seine miese Laune ja vertreiben. Duschen konnte er auch morgen noch. Seine Gedanken wanderten jedoch unweigerlich zu seiner zweiten Chance und er fragte sich immer lauter, ob das wirklich eine so gute Idee war, egal was Sam sagte und glaubte. Nach der Ausbildung war er voller Euphorie nach Bloomington gekommen. Er hatte sich auf diese Arbeit gefreut und war so restlos enttäuscht worden. Was, wenn es hier wieder so war? Was, wenn er trotz Sam anderslautenden Überlegungen nicht als Feuerwehrmann taugte? Was, wenn auch die neuen Kollegen genauso mit ihm umgingen wie die alten? Was wenn sie wussten, dass er Grady verpfiffen hatte, dass er … ja was eigentlich. War überhaupt etwas mit Grady passiert? Hatte Grady allen erzählt, dass er nichts taugte? Bereuten sie es, ihn behalten zu haben und suchten nur weiter nach einem Grund ihn loszuwerden? Aber warum dann diese zweite Chance? Immer wieder versuchte er sich auf Sams Äußerungen, dass ja auch die zweite Schicht ganz anders war als Gradys Truppe, zu konzentrieren. Das kleine fiese Männchen in seinem Kopf wollte jedoch nicht verstummen. Sam kam aus dem Bad und starrte auf die offene Tür zu Deans Zimmer. „Dean?“, fragte er leise, bekam aber nur ein undeutliches Brummeln als Antwort. Gut, der schlief wohl schon, was aber auch nicht weiter verwunderlich war, immerhin war er fast die ganze Strecke gefahren. Er schloss die Tür, ging in sein Zimmer und legte sich ins Bett. Sam zog die Decke über seine Schulter und vermisste sofort den Geruch nach Heimat und die Geräusche des Hauses. Schon komisch wie sehr der Schrottplatz in Sioux Falls sich wie ein Zuhause anfühlte, das Apartment hier aber immer noch nicht. Darüber wollte er jetzt aber auch nicht weiter nachdenken! Mit gemischten Gefühlen und nicht wirklich ausgeschlafen, stellte Dean den Impala ein Stückchen von der Wache entfernt ab. Der Morgen war eine Katastrophe gewesen. Er hatte schlecht geschlafen und seine eh schon miese Laune war noch schlechter geworden. Zum Glück wusste Sam ihn zu lesen, hatte ihn mit seinen Muntermacher versorgt und war ihm sonst weitestgehend aus dem Weg gegangen. Jetzt saß er hier und starrte auf die Straße vor sich. Wie gerne würde er einfach verschwinden, aber das ging nicht. Das konnte er Sam nicht antun! Er atmete ein paar Mal tief durch. „Bange machen gilt nicht“, rief er sich zu Ordnung und stieg aus. Er straffte sich und ging zur Wache. „Hey, ich bin Dean Winchester“ stellte er sich dem ersten Mann vor, der ihm über den Weg lief, „und ich soll mich bei Battalion-Chief Bradley melden“, erklärte er sein Anliegen. Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme rau klang. „Du bist der neue Anwärter“, wusste der sofort. „Ich bin Tom Brolin.“ Er lächelte und reichte Dean die Hand. „Komm mit, ich bring dich zu seinem Büro.“ Dean folgte ihm. „Die Tür da“, sagte Brolin und deutete auf die Tür am Ende des Ganges. „Viel Glück.“ „Danke“ Dean schaute ihm nach, atmete erneut tief durch, ging zu der Tür und klopfte. Nach einem „Herein“, betrat er das Büro. Er salutierte. „Dean Winchester. Guten Morgen Sir!“ „Guten Morgen. Stehen Sie bequem.“ Der Battalion-Chief musterte seinen neuen Anwärter. „Chief Reed hat die 39 also komplett umgekrempelt und die erste Schicht über alle Wachen verteilt“, stellte er fest und musterte Dean. „Und Sie sind bei mir gelandet. Wir haben nur ein Problem. Wir brauchen hier eigentlich niemanden“, erklärte Bradley. Auch wenn er einen guten Mann hatte abgeben müssen, war seine Wache gut ausgelastet. Deans Herz setzte kurz aus und sein Magen verklumpte sich. Das konnte ja nur schief gehen! „Was haben Sie auf der 39 gemacht?“ „Geputzt und gekocht“, platzte es aus Dean heraus, bevor er nachdenken konnte. Er schluckte hart. Das war ja wohl die dämlichste Antwort, die er geben konnte. Auch wenn sie wahr war. Der Chief musterte ihn neugierig. „Sie können kochen?“ „Als Koch würde ich mich nicht bezeichnen, aber ich kann es halbwegs.“ „Das klingt gut! Wir halten es hier eher mit Lieferdiensten. Aber wenn Sie so ein oder zweimal in der Woche was zaubern könnten …? Natürlich können Sie sich jeden hier als Hilfe dazu holen!“ Dean atmete auf. Er hatte sich schon die ganze Zeit nur am Herd stehen sehen. Doch so hin und wieder würde es ihm bestimmt Spaß machen. „Mit Putzen ist hier jeder mal dran. Da machen wir keine Unterschiede zwischen Anwärtern und Feuerwehrmännern. Worauf ich aber hinauswollte: Sie sind auch ausgebildeter Rettungssanitäter und haben die Ausbildung für die Rüstgruppe gemacht?“ Dean nickte nur. „Ja, Sir.“ „Sehr gut. Ich hoffe, es macht Ihnen nicht aus, wenn ich sie hier von einer Stelle zur anderen schiebe?“ „Nein? Sir.“ Was wollte der ihm gerade erklären? Sollte er als Springer arbeiten? „Gut, dann setze ich Sie vorerst als Springer ein“, bestätigte er Deans Vermutung. „Also Drehleiter, Rüstrgruppe und Rettungswagen, bis sich eine bessere Lösung anbietet. Wenn Sie Probleme haben sollten, egal welche, können Sie mich jederzeit ansprechen.“ Bradley sah Dean fest in die Augen. Der nickte zögerlich. „Diese Woche habe ich Sie auf der Drehleiter eingeteilt. Lt. Gillan sollte ...“ In dem Moment klopfte es an der Tür. „Wie auf´s Stichwort“, lachte Chief Bradley. „Kommen Sie herein, Lieutenant.“ „Gillan, das ist Ihr neuer Anwärter“, stellte er Dean von. „Winchester, Lt. Gillan.“ „Sir“ Dean nickte ihm zu. „Winchester. Sie fahren heute bei mir mit. Haben Sie Ihre Einsatzkleidung dabei?“ „Nein, Sir.“ Natürlich hatte Dean die nicht mitgenommen, da er ja davon ausgegangen war, nie wieder als Feuerwehrmann zu arbeiten. „Gut, ich sehe mal, was sich auf die Schnelle machen lässt“, nickte Gillan. „Wenn sonst nichts mehr ist, würde ich gehen“, wandte er sich jetzt an den Chief. „Nein, das war es soweit.“ „Chief“, Gillan nickte dem Chief zu und bedeutete Dean, mitzukommen. Der Winchester schaute noch einmal zum Chief. „Chief“, sagte er und folgte Lt. Gillian in den Aufenthaltsraum, wo der seinen Männern den neuen Anwärter vorstellte und ihm seine neuen Mitstreiter. „Du kommst von der 39? Dann kannst du uns bestimmt sagen, was da vor sich geht!“, sprach ihn Josh Duke auch sofort an. „Ich habe keine Ahnung“, begann Dean sofort auf Abwehr zu gehen. Er hatte absolut keine Lust auch nur ein Wort über diese Wache sagen zu müssen. „Jetzt lasst ihn mal in Ruhe. Meint ihr unsere Oberen besprechen sich mit einem Anwärter?“, fuhr Gilian dazwischen, bevor das Ganze eskalierte. „Naja, nein. Aber sie haben Grady, den GRADY gefeuert und es sind so viele Gerüchte im Umlauf. Man, er war auf der Wache. Er muss doch wenigstens etwas wissen. Er muss doch wissen, was da vor sich gegangen ist“, brachte Dave Wright vor. Kapitel 60: Way of the world ---------------------------- 060) Way of the world „Ich ...“, begann Dean und wurde von einem Notruf gerettet. ‚Ich muss heute Abend unbedingt mit Chris reden‘, überlegte er. ‚Vielleicht weiß der ja mehr.‘ Wohlweislich hatte er alle Anrufe von bekannten Nummern in den letzten zwei Wochen auf seinen AB umgeleitet. Er wollte mit niemandem reden, außer mit dem Chief. Er wollte sich finden und zu einer Lösung kommen, wie es mit ihm weitergehen sollte. Das Wochenende, oder eher den Sonntag hatte er sich noch als Schonfrist von allen genommen und weil es schon reichte, wenn er Sam mit seiner schlechten Laune nervte. Das heute die halbe Welt auf ihn einstürzen würde, hatte er nun wirklich nicht ahnen können. Schnell folgte er seinen neuen Kameraden, zog sich die Einsatzkleidung an, die Gilian ihm reichte. Im Wagen suchte er sich einen Platz und schon ging es los. Dean war aufgeregt, wie bei seinem allerersten Einsatz. Sie fuhren zu einem Verkehrsunfall mit drei eingeklemmten Personen. Am Einsatzort angekommen hatte Dean keine Zeit, sich zu fragen, ob er es noch konnte. Er wurde, wie alle anderen auch, eingesetzt. Kaum waren sie wieder auf der Wache, mussten sie erneut los. Schon wieder ein Unfall und als ob das nicht reichte, gab es zum Tagesabschluss noch einen in Flammen aufgegangenen Herd. Fertig, aber glücklich kletterte Dean nach diesem Einsatz aus dem Wagen und ging zu seinem Spind. „Gute Arbeit“, lobte der Lieutenant seine Mannschaft, bevor er sie für diesen Tag entließ. Dean hätte die Welt umarmen können. Er schimpfte sich einen Idioten, weil er sich und Sam das Wochenende verdorben hatte. Er würde Sammy etwas Leckeres kochen, oder ihn beim nächsten Mal Was-auch-immer gewinnen lassen oder ihm die nächsten drei Wochen beim Lernen helfen. Irgendwas würde ihm einfallen, um das wieder gut zu machen! Er zog sich um und fuhr gleich noch einkaufen. Er wollte seinen Einstand in Form von einem Blech Brownies und einiger Muffins bestreiten, die er gleich noch backen wollte. Mal sehen, ob sich das Zusehen und Mitmachen bei Jody gelohnt hatte. Vollbeladen schob er sich zur Tür herein. „Was wird das denn?“, fragte Sam. Er sprang auf und half die Tüten auf der Küchentheke auszupacken. „Ich wollte backen“, erklärte Dean. „Backen? Wieso denn das? Und wieso so viel?“ „Ich wollte Einstand geben.“ Sofort strahlte Sam. „Es hat dir also heute gefallen!“ „Ja“, nickte Dean mit leuchtenden Augen und fiel seinem Bruder um den Hals. „Danke, dass du mich am Wochenende ertragen hast!“ Er löste sich von Sam. „Ich war echt skeptisch, als ich den Impala vor der Wache abgestellt habe und da heute Morgen reingehen musste. Am liebsten wäre ich abgehauen.“ Er schluckte. „Aber außer, dass mich alle gefragt haben, was auf der 39 los ist, war es super. Wir hatten drei Einsätze und sie haben mich nicht anders behandelt als jeden anderen da.“ Er rieb sich den Nacken. „Gleich morgens musste ich zum Battalion-Chief. Der meinte, dass sie eigentlich genug Leute wären und er mich erstmal als Springer einsetzt. Also Drehleiter, Rettungsassistent und Rüstgruppe und er hat mich gefragt, was ich auf der alten Wache gemacht habe. Ich dachte echt, das geht jetzt so weiter, aber nein. Er meinte putzen würden alle, nur kochen könnte keiner und wenn ich das machen würde, so hin und wieder, wäre es super.“ Endlich musste er Luft holen und Sam lachte breit. Seinem Bruder hatte es wirklich gefallen. „Das klingt vielversprechend“, freute sich Sam. „Ich wünsche dir, dass es das bleibt!“ Sein Blick huschte über das Chaos auf der Theke. „Soll ich dir helfen?“ „Gerne!“ Dean strahlte ihn an. Wundervoller Duft nach Brownies und Muffins verteilte sich im Zimmer, so dass selbst Sam das Wasser im Mund zusammenlief. Vorsichtig streckte er die Hand nach einem Muffin aus. „Darf ich?“ „Wenn sie dir nicht zu heiß sind“, nickte Dean. „Wollen wir gleich noch Essen fahren, oder hast du was mitgebracht?“, fragte Sam kauend. „Wenn du noch nicht genug genascht hast, können wir das gerne machen. Ich will nur noch hier aufräumen und vor Allem mit Chris reden. Vielleicht weiß er ja was los ist.“ „Das Aufräumen kann ich übernehmen“, erklärte Sam und begann die Bleche und Schüsseln in die Spülmaschine zu räumen. Auch er war gespannt, was da los war. Er hatte Everwood bewusst nicht angerufen. Hier ging es um Dean und ihm wäre es lieber, wenn seine Mitwirkung bei der ganzen Sache im Dunkeln bliebe. Es reichte ihm, dass Dean jetzt glücklich war. Okay, was mit der Schicht unter Grady passiert war, würde ihn schon interessieren. Dean nickte, holte sein Handy aus der Tasche und wählte Chris Nummer. Schon nach dem zweiten Klingeln ging der Freund ran. „Meldest du dich auch endlich mal! Ich habe in den letzten zwei Wochen immer wieder versucht dich zu kriegen. Wo warst du? Ist ja nicht so, dass ich mir Sorgen gemacht hätte. Verdammt Dean!“, machte sich Chris ohne Punkt und Komma Luft. Dean atmet durch. „Entschuldige bitte, ich habe die Zeit für mich gebraucht, um mich zu sortieren und zu überlegen, wie es weitergehen sollte.“ „Du bist raus? Hast du deine Kündigung eingereicht? Klar hast du! Suchst du dir einen neuen Job?“, sprudelte Chris seine Fragen hervor. „Ich habe meine Kündigung eingereicht, ja. Aber ...“ „Sag mal, wäre es nicht einfacher, wir treffen uns irgendwo? Ich will alles wissen und das ist am Handy etwas unbequem.“ „Wir wollten gleich essen fahren“, sagte Dean und schaute zu seinem Bruder. „Ich könnte danach zu dir kommen.“ „Oder wir treffen uns da?“ „Warte, ich will Sam wenigstens fragen, ob ihm das recht wäre.“ „Ihr seid wirklich verheiratet!“, lachte Chris. „Aber klar, ich will mich nicht dazwischen drängeln.“ „Chris würde gerne mit essen kommen und mich auf den Stand, in Bezug auf die 39, bringen. Oder ich möchte es und Chris will wissen, was bei mir jetzt Sache ist. Oder ich fahre nachher zu ihm?“ „Klar kann er kommen“, nickte Sam lächelnd. „Irgendwie bin ich auch neugierig.“ „Okay, Chris. Du kennst das Diner bei dem Motel, in dem wir am Anfang hier gewohnt haben, oder hast du einen anderen Vorschlag?“ „Nein, ich komme.“ Eine Stunde später saßen sie zu dritt in einer kleinen Nische und warteten auf ihr Essen. „Also, was ist in den letzten zwei Wochen bei dir los gewesen?“, begann Chris. „Natürlich hatte sich nichts geändert und Grady war … Grady. Ich habe Montag meine Kündigung eingereicht. Chief Reed hat sie angenommen, aber nicht akzeptiert. Er wollte wissen warum und … letztendlich hatte ich einiges an Beweisen auf dem Handy, die ich ihm gegeben habe. Ich hatte einiges von dem gefilmt. Die versauten Duschen und die Schlauchwäsche. Keine Ahnung, ob sonst noch wer was gesagt haben könnte. Er wusste von meinen Überstunden ... Er bat mich abzuwarten, und wollte versuchen mich bei einer anderen Wache unterzubringen. Wir sind zu unserem Onkel gefahren. Ich wollte mit niemandem reden und habe alle Anrufe auf die Mailbox geleitet. Ich brauchte die Zeit, um mir klar zu werden, was ich wollte.“ „Und? Bist du dir klar geworden?“ „Nein, nicht wirklich“, gab Dean leise zu. „Ist aber auch hinfällig. Der Chief rief an und hat mich der 17 zugeteilt. Da war ich heute und es war vollkommen anders als auf der 39. Ich denke, da kann ich bleiben. Oder besser wenn der Beruf so ist, will ich gerne Feuerwehrmann bleiben. Nur, dass mich alle da gelöchert haben, was auf der 39 los ist. Weißt du was?“, fragte Dean den Freund. „Viel weiß ich auch nicht“, begann Chris. „Unser Battalion-Chief hat uns nur informiert, dass wir einen neuen Kollegen bekommen und das einer geht, weil die 39 komplett umstrukturiert wird. Sie haben wohl die ganze Schicht umgekrempelt.“ „Du weißt nicht mehr?“, wollte Dean etwas ungläubig wissen. „Nein. Tut mir leid.“ „Wen habt ihr denn bekommen?“ „Einen Dearing.“ „Der war ganz okay. Er hat zumindest nicht von sich aus angefangen.“ „Aber auch nichts dagegen unternommen?“ „Nein nicht direkt mir gegenüber. Er hat mir hin und wieder geholfen, wenn es mal wieder um Putzdienste ging.“ Dean zuckte mit den Schultern. Er dachte nach. „Allerdings könnte ich mal zur Wache fahren. Meine Einsatzkleidung müsste ja noch da sein ...“ „Du fährst aber nicht alleine hin!“, erklärte Sam sofort. Wer wusste schon, wer da noch rumlief. Dean grinste ihn an. „Okay, du kommst mit.“ Sam nickte: „Hast du Weihwasser in Kofferraum?“ Eine ganze Weile unterhielten sie sich über alles Mögliche, bis Chris eher beiläufig erzählte, dass er ab nächstem Monat in der Rüstgruppe arbeiten durfte. „Ich weiß es noch nicht“, sagte Dean ruhig. „Chief Bradley will mich überall einsetzen, wo Not am Mann ist, also auch Rettungsdienst. Ich hoffe ja, dass ich dann auch mal bei der Rüstgruppe reinschnuppern darf.“ „Weißt du übrigens, dass Bender hingeschmissen hat?“, fiel Chris gerade wieder die Neuigkeit ein. „Nein, woher auch.“ „Nach zwei Abmahnungen, weil er sich und andere und teure Ausrüstung grundlos in Gefahr gebracht hat. Ist wohl viel zu hitzköpfig in einen Brand gerannt und musste gerettet werden.“ „Dann hat er also nichts gelernt“, stellte Dean fest. Irgendwie passte das zu Bender, so wie er ihn in der Ausbildung erlebt hatte. „Und den wollte Grady haben? Dann hätten sie seine Fehler sicher einem anderen in die Schuhe geschoben. Ich meine, ich würde die Zeit gerne komplett streichen, aber das hätte ich auch niemandem gewünscht." Chris nickte nur. Das Eine war so schlimm wie das Andere. Gut, dass es vorbei war und Dean sich in der neuen Wache jetzt wohl zu fühlen schien. Sam hörte nur zu. Hier ging es um Dean und seine Arbeit. Er freute sich, wie glücklich er war und würde den Teufel tun, seinen Beitrag bei dieser Sache zu erwähnen. Immerhin hatte Dean das Mobbing aufgenommen, sich also letztendlich doch gewehrt. Auch wenn es lange gedauert hatte, aber er hatte für sich eingestanden und nicht nur auf sein, Sams, Glück geschaut. So wollte er seinen Bruder! Sie tranken ihre Gläser leer und zahlten. „Meldest du dich?“, fragte Chris, als sie sich nach dem Essen auf dem Parkplatz trennten. „Aber nicht erst wieder in 14 Tagen.“ „Nein, versprochen“, erklärte Dean ernst. „Wir können ja wieder schwimmen gehen, einmal in der Woche, oder in den Kletterpark. Das können wir übrigens für die Feuerwehr anrechnen lassen.“ „Ich weiß“, lachte Chris. „Ich rede mit Mac, dann melde ich mich.“ Ihre Wege trennten sich auf dem Parkplatz. Kapitel 61: on the sunny side of the street ------------------------------------------- 061 on the sunny side of the street Schweigen breitete sich im Impala aus, als sie zu Deans alten Wache fuhren. Sam musterte seinen Bruder immer wieder stumm und sah, wie sehr der sich verspannte, je näher sie der Straße kamen. Wie schlimm musste es da gewesen sein, dass er noch immer und so offensichtlich reagierte, fragte er sich entsetzt, und warum hatte er vorher nichts gemerkt? Hatte Dean sich so gut im Griff gehabt? Hatte er es nicht merken wollen? Er wusste es nicht, aber er vermutete, dass es wohl ein Bisschen von Beidem gewesen war. Diese Erkenntnis machte ihm eigentlich noch viel mehr Angst und er nahm sich vor, noch besser auf Dean zu achten. Sie hatten doch nur noch sich! „Soll ich mit reinkommen?“, fragte er, als Dean die Zündung vor der Wache ausschaltete. „Damit ich auch noch das letzte bisschen Respekt verliere? Nicht das ich hier je welchen gehabt hätte, nicht bei Grady“, nuschelte Dean und atmete tief ein. „Ich denke ich schaffe es auch ohne deine Unterstützung. Aber wenn ich in einer Stunde noch nicht wieder rausgekommen bin, solltest du vielleicht doch über eine Rettungsaktion nachdenken.“ Sam musterte ihn mit einem schiefen Grinsen. „Du meinst, die ist dann noch nötig?“ „Die Hoffnung stirbt zuletzt, oder wie heißt das? Aber du könntest vorsorglich mal einen Exorzismus sprechen. Nicht dass ich das nicht auch schon versucht hätte.“ Dean grinste schief, stieg aus und stapfte in das Gebäude. Er lief Willcocks in die Arme. „Was machst du denn hier?“, wollte der auch sofort wissen. „Ich dachte du wärst bei einer anderen Wache eingeteilt worden. Der 17, oder?“ „Bin ich, ja. Ich wollte schauen, ob meine Einsatzkleidung noch hier ist und mal hören, ob einer weiß, was hier eigentlich los ist. Ich hatte einen Anruf vom Büro des Chiefs, dass ich mich heute auf der 17 melden sollte. Meine neuen Kameraden haben mich heute Morgen regelrecht gelöchert und ich stand ziemlich doof da“ blieb Dean bei der halben Wahrheit und zuckte mit den Schultern. Vielleicht bekam er ja so Informationen und vielleicht bekam er raus, was über ihn erzählt wurde. „Du hast nichts mitbekommen? Aber ...“ „Nein. Ich hatte aus familiären Gründen Urlaub und war nicht in der Stadt.“ „Also!“, begann Willcocks mit leuchtenden Augen und begierig diese irren Neuigkeiten zu erzählen. „Reed hat von jemandem hier Informationen über Grady, Miller und ihre Anhänger, und deren Machenschaften, bekommen. Wir tippen ja auf Everwood oder Pratt, aber sie schweigen sich aus. Egal! Also: Der gesamte Stab war hier, First Chief Reed, Deputy Monroe, der Gewerkschaftsboss Franklin und der Chef vom Personalbüro Patel. Ted sagte nur, dass es mächtig zur Sache ging.“ Willcocks grinste breit. „Grady wurde fristlos und ohne alle Pensionsansprüche entlassen. Miller musste sämtliche Streifen abgeben und hätte wohl auch nie wieder welche bekommen. Er hat daraufhin auch gekündigt. Coon und Webb haben ein Disziplinarverfahren am Hals, hätten wohl aber bleiben können. Letzte Woche haben sie auch gekündigt. Davis, Dearing und Leyne haben die Verwarnungen akzeptiert und wurden auf andere Wachen versetzt, genau wie du. Wir wurden auf zwei Schichten aufgeteilt und haben jede Menge neuer Leute bekommen. Pratt ist zum Captain befördert worden und leitet nun die Wache und Everwood ist an seiner Statt Lieutenant. Die sind aber beide nicht da. Ich bin jetzt in der zweiten Schicht. Mein neuer Lieutenant ist Wagner.“ „Wow“, entfuhr es Dean. Das waren ja mal Wendungen. Den Anschiss vom Chief hätte er schon gerne miterlebt, aber er war mehr als froh, hier nicht wieder arbeiten zu müssen, nicht mal unter Pratt und Everwood. Dazu waren die Erinnerungen an diesen Ort einfach zu schlecht. Inzwischen waren sie bei seinem Spint angekommen. Das Schloss war aufgebrochen worden und die Tür sah noch verbeulter aus. Gut, dass er hier nichts drin hatte. Im großen Schrank daneben hingen die Einsatzuniformen, die aus der Wäscherei gekommen waren. Suchend schob er einen Bügel nach dem anderen zur Seite. „Hah“ Da waren seine ja. Er zog die Bügel raus und musterte eine nach der anderen. Beide waren sauber. „Dann nehme ich die mal mit“, sagte er. „Was nehmen Sie mit?“, fragte eine Stimme barsch, von der Tür her. Dean drehte sich um und musterte den Mann. Er kannte ihn nicht, aber er trug die Streifen eines Lieutenants, musste also dieser Wagner sein. Dean grüßte kurz. „Winchester. Ich war auf der Wache und bin jetzt auf der 17 eingeteilt. Ich wollte nur meine Einsatzkleidung holen.“ „Ach, okay. Weiß der Captain Bescheid?“ „Nein. Ich habe mich nicht angemeldet. Es war eher eine spontane Entscheidung heute herzukommen.“ „Gut, dann informiere ich ihn bei der Übergabe“, nickte der Lieutenant. „Danke“, antwortete der Winchester, schnappte sich seine Sachen und verließ die Wache, nicht dass Sam die doch noch stürmte, weil er so lange blieb. Er packte die Uniformen in den Kofferraum und stieg ein. „Und?“, empfing ihn Sam neugierig. „Alles gut soweit. Grady, Miller, Coon und Webb haben die Feuerwehr verlassen. Grady wurde gekündigt und Miller und die anderen sind ihm gefolgt. Keiner scheint zu wissen, woher die Informationen kommen und ich werde den Teufel tun, jemanden aufzuklären. Sie glauben wohl, dass es Pratt und Everwood waren, doch die würden das Thema ignorieren.“ „An die große Glocke würde ich das auch nicht hängen.“ Dean zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Ich wollte nie als Denunziant dastehen. Nur wegen mir hätte ich deshalb nichts gesagt. Ich wäre gegangen. Thema durch. Aber es ist irgendwie doch wie bei unseren Fällen. Was wir nicht beenden wird anderen zum Verhängnis und das wollte ich meinen Nachfolgern nicht antun. Außerdem war ich müde und auch sonst ziemlich fertig. Ich wollte da eigentlich nur noch weg und dem Chief zu geben was er wollte, war der schnellste Weg das zu können. Und irgendwie fühlte es sich auch richtig an.“ Er schluckte. „Wenn schon nicht für mich, dann wenigstens für die nach mir Kommenden“, fügte er noch leise hinzu. „Ich finde gut, dass du das gemacht hast. Ich weiß“, Sam schüttelte den Kopf, „ich kann nur versuchen mir vorzustellen wie schwer sowas sein muss. Ich war nie in so einem Abhängigkeitsverhältnis“, er schaute zu Dean, „und in so einer Zwickmühle wie du da. Also eigentlich ist es noch viel bemerkenswerter, was, dass du das gemacht hast.“ „Ich sehe das nicht als bemerkenswert. Ich habe aufgegeben.“ „Nein! Nein Dean, nein!“, fuhr Sam eher wütend als enttäuscht dazwischen. „Hör auf! Du hast aufgehört dich wie einen Idioten behandeln zu lassen und das hat nichts mit Aufgeben zu tun! Hier und jetzt, wir beide, wir leben nicht mehr nach Johns Regeln. Wir leben unser eigenes Leben und machen unsere eigenen Regeln und eine davon heißt: Niemand wird schikaniert und niemand muss sich schikanieren lassen!“ „Heiße ich dann jetzt Niemand?“ Gegen seinen Willen musste Dean grinsen. „Idiot!“ „Trottel!“ Dean startete den Wagen und lenkte ihn in den Verkehr. „Morgen wollte ich zu Stan“, sagte er nach einer Weile. „Willst du ihm wegen des Schrottplatzes schon was sagen?“ „Nein. Ich will ihm nur erzählen, dass ich auf einer neuen Wache bin. Ich würde den Schrottplatz gerne übernehmen, will aber noch zwei Wochen warten und schauen, wie es sich auf der Wache entwickelt.“ Sam nickte. „Gut. Ich denke, egal wie es nach meinem Studium mit den Jobangeboten aussieht, ich werde hier in der Gegend schon was finden und dableiben. Zur Not arbeite ich als Privatdetektiv. Darin haben wir ja schon irgendwie Erfahrung.“ „Für mich wäre dein Notnagel eher das Nonplusultra.“ Dean musterte ihn kurz. „Du denkst also, ich soll es machen?“ „Ja.“ Sam hatte gesehen, wie sehr Dean die Arbeit bei Bobby geholfen hatte und auch wenn er mit seiner neuen Wache wirklich glücklich werden würde, es würde Tage geben, an denen er diese vollkommen andere Arbeit brauchen würde, an denen er etwas brauchen würde, auf das er einschlagen könnte und was wäre da besser als ein Schrottauto? „Gut. Ich will trotzdem noch zwei Wochen mit der festen Zusage warten und natürlich zählt der Preis. Zu viel will ich dafür nicht ausgeben.“ „Okay, so machen wir es.“ Sam lächelte. So gefiel ihm sein Bruder. So war er der Dean, den er kannte, und der er sein sollte. Dean lenkte den Impala auf den Parkplatz vor ihrem Wohnhaus. Sie stiegen aus und gingen in ihr Apartment. Der Geruch von Brownies und Muffins empfing sie. „Oh Gott!“, stöhnte Dean und verdrehte verzückt die Augen. „Ich werde Konditor!“ „Besser nicht. Du wärst schneller pleite als du Kuchen sagen kannst.“ Lachend schlug Sam ihm gegen die Brust. „Warum?“ „Weil du alles selber essen würdest.“ Schmollend schaute Dean zu seinem Bruder. „Und wer wollte heiße Muffins probieren?“ „Okay, hin und wieder würde ich beim Essen helfen.“ „Gut,“ erklärte Dean und nahm die Packungen. „Wo willst du hin?“ „Ich bringe sie in den Impala. Nicht dass morgen keine mehr da sind.“ „Ich werde bestimmt nicht ...“, schnaubte Sam. „Aber ich, vielleicht“, lachte Dean. Als er wieder in die Wohnung kam, empfing ihn Sam an der Tür. Er griff in das Regal und nahm das St. Florian-Medaillon heraus. Wortlos lächelnd hielt er es Dean hin. Über Deans Gesicht huschte ein Lächeln, als er es nahm und wieder an seinen Schlüssel hängte. Er wog den Schlüssel in der Hand und schob ihn dann bedächtig in seine Tasche. Erst jetzt schaute er Sam in die Augen. „Danke“, sagte er und zog seinen Bruder in eine feste Umarmung. „Danke, Sammy“, sagte er noch einmal während er sich wieder von ihm löste. In dieser Nacht schlief Dean endlich wieder tief und fest und ohne Albträume. Am nächsten Morgen wurde Dean in der Wache mit fragenden Blicken auf die Kartons empfangen. Er stellte sie auf die Küchentheke neben die Kaffeemaschine und ging sich umziehen. Seine Einsatzkleidung hängte er in den Schrank dafür. Als er wiederkam, stoben seine neuen Kollegen auseinander wie ein Schwarm Spatzen und Dean musste grinsen. In aller Ruhe nahm er sich eine Tasse Kaffee und dann erlöste er sie und nahm die Deckel ab. „Mein Einstand.“ Max war der erste, der einen Blick riskierte und sofort zugriff. „Wo hast du die denn her?“, wollte er genüsslich kauend wissen. „Selber gebacken“, erklärte Dean ruhig. Josh Duke musterte den Muffin in seiner Hand, warf einen Blick auf Max, der sich den Rest in den Mund schob und nach einem zweiten schaute, und biss ab. Die Dinger schmeckten! Auch der Chief hatte sich inzwischen einen genommen. „Wenn der jetzt noch halb so gut kochen kann, sollten Sie ihn nie wieder gehen lassen, Chief“, forderte Josh Duke und schob sich einen Brownie in den Mund. „Das müssen wir erst noch in aller Ruhe testen“, erklärte Bradley und nahm sich noch einen Muffin. Dean stand mit einem Becher Kaffee in einer Ecke. Er beobachtete mit welcher Geschwindigkeit sich die Kartons leerten und war sich sicher, dass er mit seiner Idee voll ins Schwarze getroffen hatte. Diese Orgie wurde von einem eingehenden Notruf unterbrochen. Sie mussten wieder zu einem Unfall ausrücken. Zwei PKWs waren kollidiert und hatten sich so ineinander verkeilt, dass sie die Insassen mit schwerem Gerät befreien mussten. „Winchester? Den Spreizer“, forderte Lt. Gilian. Dean holte das Teil, setzte es an und … rutschte ab. Sofort erstarrte er innerlich. Jetzt kam mit Sicherheit der Anschiss und er würde wieder nur zuschauen dürfen. Er wagte kaum zu atmen, doch nichts dergleichen passierte! Lediglich Josh schob ihn mit einem „Warte mal“, ein Stückchen zur Seite und setzte mit der Brechstange an, um dem Spreizer etwas mehr Angriffsfläche zu schaffen. „Jetzt“, erklärte der kaum eine Minute später und trat wieder zur Seite. Noch völlig perplex versuchte Dean es erneut und jetzt fand das Teil Halt und er konnte die Tür aufhebeln. Zusammen legten sie dem Fahrer die Halskrause an und konnten ihn dann bergen und den Sanitätern übergeben. Fast gleichzeitig mit dem Rettungswagen kamen die Feuerwehrleute wieder zurück auf die Wache. Sie hatten den Unfallort noch gereinigt, nachdem die Polizei alle Daten aufgenommen hatte. „Sie werden wohl überleben“, berichtete Amy, die Sanitäterin und holte sich einen Kaffee und nahm den letzten Brownie. „Gute Arbeit, alle zusammen“, lobte der Chief. Auf Deans Gesicht schlich sich ein Lächeln. In seinem Bauch machte sich ein warmes Gefühl breit. So hätte es von Anfang an sein können. Schnell schob er das Gefühl von Wehmut beiseite, dass sich in ihm breit machen wollte und half dabei den Einsatzwagen wieder fertig zu machen. Kapitel 62: I like it like that ------------------------------- 062) I like it like that Nach der Schicht fuhr er zu Stanley. „Dean, gut dass du kommst“, begrüßte der ihn und zog ihn mit in die Werkstatt. „Was hast du?“ „Erst einmal will ich wissen, wie es dir geht! Konntest du dich erholen? Hast du mit Sam gesprochen? Wie geht es mit deiner Feuerwehr weiter?“ Dean lehnte sich an die Werkbank. „Ich habe mit Sam geredet und bin auf einer neuen Wache. Ich hatte heute meinen zweiten Tag da und es gefällt mir wirklich gut.“ Das Lächeln, das sich auf Deans Gesicht legte, sprach Bände. Stanley freute sich von Herzen für den jungen Mann. „Aber du hast mich nicht nur deshalb hierher gebracht, oder?“ „Nein. Ich habe hier einen Getriebeschaden, bei dem ich auf deine Hilfe gehofft habe.“ Er deutete auf den Wagen, der auf der Bühne stand. „Okay, ich ziehen mich nur um.“ Zehn Minuten später standen die beiden Männer in den Motorraum des Chevy gebeugt und besprachen ihr Vorgehen. „Ich glaube, du brauchst die zwei Wochen nicht“, begrüßte Sam seinen Bruder, kaum dass der zur Wohnungstür hereingekommen war. Dean stockte. „Warum?“ „So wie du strahlst.“ Er reichte ihm ein Bier und wartete, bis er sich zu ihm an den Tisch gesetzt hatte. „Ich habe gesehen wie gut dir die Arbeit bei Bobby getan hat. Und auch wenn du auf deiner neuen Wache jetzt glücklich bist, ich denke es werden auch Tage kommen, an denen du eine Schrottkarre brauchen wirst.“ „Du meinst, wenn eine Rettung mal nicht so läuft?“ „Wir wissen beide, dass du dir das immer zu Herzen nehmen wirst, wenn ein Mensch stirbt, dem du vielleicht hättest helfen können. Egal, ob Monster oder Unfall.“ Dean nickte dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Und wir wohnen wieder auf einem Schrottplatz.“ In den nächsten Tagen lebte sich Dean immer besser auf der Wache ein. Die Arbeit forderte ihn und die Kollegen bezogen ihn in alle Aktivitäten mit ein. Alle zwei bis drei Tage schwang er den Kochlöffel. Das Lob seiner Kollegen brachte ihn schon bald dazu die bekannten Pfade zu verlassen. Er wagte sich immer öfter an neue Rezepte und seine Kollegen ließen sich ganz gerne zu Hilfsdiensten einteilen, da sie so der ungeliebten Putzerei entkommen konnten. Gerade half Josh dabei den Auflauf mit Geflügel, Gemüse und Kroketten vorzubereiten. „Sag mal“, begann er und drehte sich zu Dean um. „Deinen Chevy? Wo lässt du den machen?“ „Da lasse ich niemanden ran, den mache ich selber“, entgegnete Dean. „Du kennst dich mit Autos aus?“ „Ja, warum?“ „Naja“, druckste Josh. „Mein Cousin hat einen alten Ford Mustang Shelby GT von 1970 gekauft und dachte, dass das wohl nicht so schwer sein kann, den aufzubauen. Allerdings ist er nie weiter gekommen, als den auseinander zu nehmen und jetzt liegen die Einzelteile da und er hat keine Ahnung wie er die wieder zusammensetzen soll.“ „Dann soll er alles zu Stan bringen. Der Schrottplatz an der 69. Da schraube ich öfter mit.“ „Er will den Wagen nicht mehr. Ich würde ihn nehmen, aber ich habe auch keine Ahnung von der Materie.“ „Bring ihn vorbei. Ich sage Stan Bescheid und wenn ich Zeit habe mache ich ihn dir fertig. Kann aber sein, dass das nicht ganz billig wird, je nachdem was die Teile kosten.“ „Dann werde ich mit ihm reden und schauen, wie ich die Teile dahin bekomme“, überlegte Josh. „Auf jeden Fall solltest du ihm den jetzt abkaufen.“ Dean grinste. „Fertig könnte er teuer werden.“ Josh nickte nur. Gemeinsam machten sie den Auflauf fertig und schoben die Formen in den Herd. Am Abend fuhr Dean wieder zu Stan. Er stellte den Impala auf den Hof und stieg aus. Stan kam aus der Werkstatt. „Wie sieht´s aus?“, fragte Dean und deutete auf das Heck des Wagens, den er durch das offene Tor auf der Bühne stehen sah. „Nichts Schlimmes. Ein neuer Zahnriemen und Ölwechsel.“ Dean nickte. „Kann ich mit dir reden?“ Langsam ging er in die Werkstatt. „Natürlich. Worum geht es?“ Stan versuchte in der Mine des Jungen etwas herauszulesen, doch der ließ mit keiner Regung erkennen, was er wollte. Er wischte sich die Hände an einem Lappen ab und trat zu Dean neben die Werkbank. „Also“, Dean holte tief Luft. Irgendwie hatte er sich das einfacher vorgestellt! „Ich wollte … Ich … Es tut mir leid, dass ich dich so lange habe hängen lassen. Es war … Ich ...“ „Es ist okay, Dean. Nicht wirklich schön, aber bei deinem Hintergrund durchaus verständlich“, erklärte Stan und fragte sich, was der Junge ihm sagen wollte. Dean musterte ihn kurz, nickte und holte erneut Luft. „Also, wenn dein Angebot für den Schrottplatz noch steht … ich würde ihn gerne übernehmen.“ Jetzt war es raus und er atmete erleichtert auf. „Das ist ...“, jetzt fehlten Stan die Worte. Er strahlte Dean breit an. „Du hast dir das wirklich gründlich überlegt?“ „Ja. Sam und ich haben uns das lange überlegt. Jetzt, da ich bei der Feuerwehr bleibe und Sam sich entschieden hat auch hier in Bloomington bleiben zu wollen. Ja. Es sei denn, du willst eine Summe, die ich nicht zahlen kann.“ „Ich weiß, dass hier einige Schätze liegen und ich weiß, dass es sein kann, dass die nie gehoben werden. Also ich denke, dass wir uns einigen werden. Aber jetzt lass uns darauf anstoßen, oder bist du nur gekommen, um mir das zu sagen?“ „Nein, ich habe Zeit. Ich kann dir gerne helfen“, entgegnete Dean und folgte Stan in sein Büro, wo der eine Flasche Whiskey und zwei Gläser aus einer Schublade holte, eingoss und ein Glas an Dean weiterreichte. „Ich glaube, die dürfte bei mir nicht da drinstehen. Bei dem ganzen Papierkram würde ich schon aus Verzweiflung zum Alkoholiker werden“, erklärte der Winchester und nahm einen Schluck. „Wenn man es einmal raus hat, ist es gar nicht so schlimm“, versuchte Stan ihn zu beruhigen. „Also ich weiß nicht“, blieb Dean skeptisch. „Aber ich will mal schauen, ob es einen Kurs dafür gibt. Nicht dass die mir irgendwann erklären, ich muss alles neu machen, nur weil sich irgendwelche Vorschriften oder Gesetze geändert haben.“ „Keine schlechte Idee“, pflichtete Stan ihm bei. Sie stießen noch einmal an. „Ich habe einem Kollegen gesagt, dass er seinen Wagen herbringen kann. Einen Ford Shelby in Einzelteilen.“ „Du willst ihn aufbauen?“ „Ich kann es versuchen. Mal sehen ob und wo ich Teile bekomme.“ „Shelbys müssten zwei auf dem Platz stehen, wenn ich mich richtig erinnere.“ „Hast du eine Übersicht, was alles auf dem Platz steht?“ „Nein. Nicht wirklich.“ „Dann müssten Sam und ich mal dran. Bei Bobby haben wir das auch gemacht. Es hilft.“ Dean grinste. Sie tranken aus. Dean zog sich um und dann machten sie sich gemeinsam daran, den Wagen auf der Bühne fertig zu machen. Dean kam gerade aus der Dusche, als Sam von der Uni kam. „Hast du schon gegessen? Ich würde dich gerne einladen. Restaurant, Pub? Was immer du gerne willst. Du hast ja morgen frei.“ „Aber du musst arbeiten!“ „Egal. Wir haben früher auch mit wenig Schlaf auskommen müssen.“ „Wir sind aber nicht mehr früher!“, fuhr Sam ihn an. Sofort hob Dean beschwichtigend die Hände. „Nein, und das ist gut so. Ich meine ja nur. Außerdem wollte ich nur mit dir essen gehen und vielleicht das eine oder andere Bier trinken.“ Fragend schaute Sam seinen Bruder an. Was hatte der vor? Warum war ihm das heute so wichtig? Er nickte. „Gib mir zehn Minuten!“ „Okay. Du hast 30.“ Dean grinste und ging in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Sam brauchte 25 Minuten, bis er mit Jeans und Hemd im Wohnraum erschien. „Wow“, kommentierte Dean das Aussehen seines Bruders. Der schaute zu ihm und grinste. Deans Hemd war etwas dunkler und er trug eine dunkelblaue Jeans, anstatt wie Sam schwarze. „Wir können wohl nicht anders“, lachte Sam. „Muss wohl so sein“, nickte Dean. „Wohin soll´s gehen?“ Sam lotste Dean zu einem Restaurant, das er schon immer mal besuchen wollte. Sie bekamen einen Platz am Fenster. Da Dean seinem Bruder erklärte, er könne bestellen, was er wolle, und auf seinen fragenden Blick nur mit einem Lächeln geantwortet hatte, bestellte er sich Lachs mit Teriyakiglasur und Sesam auf buntem Gemüsebett. Dean wählte Honig-Zitronenhähnchen mit Rosmarinkartoffeln und da Sam Wein trinken wollte, nahm er auch welchen. Als Vorspeise bestellte Sam einen Salat des hauses und Dean wagte sich an Popcorngarnelen mit Grapefruit Aioli. Popcorn klang schon mal gut und wenn er die Garnelen nicht mochte, konnte er die immer noch seinem Bruder unterschieben. Hoffte er zumindest. Den Abschluss ihres Mahl sollte ein Pfirsich-Cobler mit Vanilleeis bilden, den sie sich teilen wollten. „Sagst Du mir jetzt, warum wir hier so vornehm essen?“, wollte Sam nun doch wissen. „Weil du das Restaurant ausgesucht hast?“ „Dean!“, Sam verdrehte die Augen und nahm einen Schluck Wein. Sams Beispiel folgend, trank auch Dean einen Schluck. Er stellte sein Glas wieder weg und beobachtete, wie sich die Flüssigkeit noch eine Weile in den Glas hin und her bewegte. Dann hob er den Blick und schaute Sam in die Augen. „Ich wollte dir erzählen, dass ich Stan heute zugesagt habe, dass ich den Schrottplatz übernehme, wenn er keinen utopischen Preis verlangt.“ Lächelnd schaute Sam seinem Bruder in die Augen. „Gut!“ Mehr Worte waren nicht nötig. Das war der richtige Schritt, da war sich Sam sicher. „Aber das hättest du mir auch bei einem Stück Kuchen sagen können. Deshalb müssen wir doch nicht in so ein nobles Restaurant.“ „Naja, ich ... ich wollte wenigstens einen der unzähligen imaginären Schuldscheine einlösen.“ „Imaginäre Schuldscheine?“ „Dafür, dass du mich ertragen hast, dass du mich aufgefangen hast. Für die Idee zu Bobby zu fahren...“ „Dafür ...“, begann Sam und brach wieder ab. Dean wusste, dass er sich dafür nicht bedanken musste, aber dieses Wissen ließ er nicht gelten. So war Dean einfach nicht! „Was für Schuldscheine gibt es denn noch?“, fragte er stattdessen. „Einige. Ich weiß nur nicht, ob du die alle willst, also ...“ Dean grinste schief. „Dich gewinnen lassen? Dir beim lernen helfen? Ein Museumsbesuch. Dein Zimmer im Haus auf dem Schrottplatz als erstes fertig machen. Mit dir Joggen gehen.“ „Den mit dem Lernen nehme ich gerne an und den Museumsbesuch auch. Den Rest? Ich weiß wie ungerne du joggen gehen willst, also fühle ich mich zwar geehrt, lehne den aber ab. Mach die Kletterhalle oder das Schwimmbad draus und das Haus? Ich will nicht bevorzugt behandelt werden!“ „Trotzdem werde ich es immer zumindest versuchen.“ „Ich weiß“, entgegnete Sam. „Danke, Sammy!“ Es war ein wundervoller, ruhigen Abend. Dean schmeckten seine Garnelen, auch wenn er die nie wieder bestellen würde und nach dem Cobler mit Eis war auch er pappsatt. Kapitel 63: house of fun ------------------------ 63) house of fun An seinem freien Tag saß Dean, als Sam von der Uni kam, vor seinem Laptop. „Was suchst du?“, wollte der Jüngere wissen. Schnuppernd hob er die Nase. „Und was riecht hier so gut?“ „Ich habe Pizza im Ofen“, erklärte Dean. „Müsste bald fertig sein.“ „Und was suchst du?“ Sam entledigte sich seines Rucksacks und begann den Tisch zu decken. „Ich will mich für einen Kurs bei der Volkshochschule anmelden. Buchhaltung und Steuerrecht. Naja, eigentlich ist es ein Kurs für Firmengründer. Aber ich denke, das passt auch. Jetzt versuche ich jemanden zu finden, mit dem ich die Zeiten abstimmen kann. Irgendwie muss es ja mit meinen Schichten passen.“ Dean legte den Laptop zur Seite und schaute zu Sam hoch. „Wow. Jetzt machst du aber Nägel mit Köpfen!“, staunte der. Sein Bruder hatte ihm erst vor zwei Tagen erzählt, dass er mit Stan gesprochen hatte. „Habt ihr euch denn schon auf einen Preis geeinigt?“ „Der Kurs hat einen festen Preis. Ich glaube nicht, dass es da was zu verhandeln gibt.“ Dean grinste. Sam verdrehte die Augen. „Haben Stan und du eich auf einen Preis für den Schrottplatz geeinigt?“ Dean nickte und erhob sich. Er holte die Pizza aus dem Ofen, stellte das Blech auf den Tisch und nannte Sam eine Summe. „Klingt nicht schlecht, denke ich. Ich habe zwar keine Ahnung was alles auf dem Platz liegt und was die Schrotthaufen wert sind, aber Grundstück und Haus und die“, er machte eine hochtrabende Geste, „Wagen, sollten den Preis schon rechtfertigen.“ „Bobby ist derselben Meinung. Es greift unser Polster zwar ziemlich an, aber wenn wir ab September, Oktober da wohnen könnten und ich zusätzlich zu den Reparaturen immer wieder mal einen Wagen fertig mache, müssten wir halbwegs über die Runden kommen.“ „Dann sollten wir bis dahin ein bisschen sparen. Wir werden vieles neu brauchen“, gab Sam zu bedenken. „Ich dachte eher, dass wir da sofort richtig einziehen und das Haus nach und nach umbauen und dann auch neue Möbel kaufen. Das spart erstmal etwas über 1000 Dollar im Monat. Und, naja, neue, eigene Betten hatten wir zum erste Mal bei Bobby, also werden wir auch mit den alten für eine Weile klar kommen. Wir sollten nur von Anfang an alles planen, nicht dass wir das Obergeschoss wieder zweimal umbauen.“ Sam schaute auf. Eigentlich hatte er sich auf neue Möbel, auf ein Bett, das nur ihm gehörte, gefreut, aber Dean hatte Recht und ob sie jetzt ein paar Monate eher oder später neue Möbel kauften, war letztendlich auch egal. Er nickte. „Machen wir es erstmal so und wenn wir irgendwann mal Familie haben? Bauen wir ein zusätzliches Haus auf den Schrottplatz?“ „Wir könnten eins dran bauen“, schlug Dean vor. „Platz gibt es genug.“ Sam lächelte. Sein Bruder hatte sich scheinbar schon Gedanken gemacht. Er deckte den Tisch, holte Bier aus dem Kühlschrank, reichte Dean eine Flasche und ließ sich ihm gegenüber auf den Platz fallen, nachdem der die Pizza in mundgerechte Stücke geteilt hatte. In aller Ruhe aßen sie. Gerade, als sie sich auf die Couch fallen lassen und den restlichen Abend genießen wollte, klingelte Sams Handy. "Nick", informierte der seinen Bruder, nach einem Blick auf das Display, und nahm ab. "Hey, wie geht´s?", wollte er sofort wissen und stellte auf Lautsprecher. "Hey, Nick", grüßte Dean den Freund auch sofort. "Gut. Und euch?" Hier hat sich nicht viel verändert. Dean ist glücklich mit seiner neuen Wache und ich studiere." "Ich habe den Schrottplatz übernommen", platzte Dean hervor. "Herzlichen Glückwunsch", freute sich Nick und rückte dann mit seiner Neuigkeit heraus. "Ihr werdet es nicht glauben, ich habe es endlich nach Bloomington geschafft." "Wie konnte das denn passieren?", lachte Sam. "Sollte das nicht schon im Januar sein?" "Sollte es. Allerdings gab es da einiges, das ich euch gerne persönlich erzähle, dass das Ganze verzögert hat. Egal! Ich bin endlich in Bloomington abgekommen, habe ein Haus gefunden und wollte jetzt mit euch Einweihung feiern!" "Feiern klingt immer gut!", warf Dean ein. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. "Allerdings habe ich einen feier-unfreundlichen Schichtdienst und zur Zeit auch noch Nachtschicht. Ich kann frühestens in drei Tagen. Dann hab ich zwei Tage frei." "Klingt doch gut. Und du Sam?", wollte Nick wissen. "In drei Tagen? Ginge, da habe ich nur eine Vorlesung bis Mittag und am Tag drauf fange ich Mittag an." "Dann nehmen wir den", bestimmt Nick und gab ihnen seine Adresse durch. Drei Tage später standen die Brüder vor Nicks Haus. Es war nicht sonderlich breit, hatte aber eine Garage und eine Veranda vor dem Haus. Hinter dem Fenster brannte Licht. Dean holte ihr Einweihungsgeschenk aus dem Kofferraum und schulterte es. "Dann los", lachte er und schlug den Kofferraumdeckel zu. Er nahm Sam die Flasche Whiskey ab, damit der den Sack besser tragen konnte. Nacheinander stiegen sie die Treppe zur Veranda hoch. Sam ließ den Sack auf den Boden plumpsen. Dean stellte sein Bündel, bestehend aus Schneeschieber, Schaufel und Besen, daneben. Er drückte Sam die Flasche in die Hand und lehnte sich auf die Stiele. Sam klingelte und stellte sich dann so vor seinen Bruder, dass ihr Geschenk nicht gleich zu sehen war. Schritte waren zu hören, die Tür öffnete sich und Nick trat heraus. "Ist das schön, dass ihr ...", begann er und stockte. "Wo ist Dean?" Sam lachte und trat zur Seite. "Hey", freute sich Nick, "Das ist ..." Sein Blick fiel auf Schaufel und Schneeschieber. "Was ist das denn?" "Ein Einweihungsgeschenk", lachte Dean. "Hier kann ziemlich viel Schnee fallen." "Ich weiß", sagte Nick und ließ den Kopf hängen. Das hatte er schon mitbekommen. Allerdings hatte er da noch im Motel gewohnt und nichts damit zu tun gehabt. "Kommt erstmal rein", sagte er dann und trat zur Seite. Sam drückte ihm die Flasche in die Hand, hob den Sack an und ging ist Haus. Kaum hatte er den wieder abgestellt, wurde er von Nick in eine herzliche Umarmung gezogen. "Was ist das eigentlich?", wollte der wissen, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. "Streusalz!" Dean schulterte die Geräte und folgte seinem Bruder. Im Haus ließ er alles, leise stöhnend, wieder auf den Boden gleiten und lehnte es neben dem Sack an die Wand. "Herzlichen Glückwunsch zum Haus und herzlich willkommen in Bloomington", sagte er jetzt und umarmte den Freund. Als sie such wieder lösten, trat Ruby aus dem Schatten. "Hallo ihr Zwei. Herzlich willkommen", sagte sie mit einem warmen Lächeln. "Ruby!" Dean schüttelte lachend den Kopf und ging zu ihr. "Was?", schnappte sie irritiert. "Ich bin erstaunt, dass ihr immer noch zusammen seit und ich freue mich für euch", erwiderte er und umarmte sie fest. "Wenn nicht du jedes Bisschen Glück verdient hast, wer dann?", fragte er leise und schob sie etwas von sich. Das leichte Rot, dass ihre Wangen überzog, ließ ihn noch wärmer lächeln. "Ach verdammt Winchester!", schimpfte sie, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. Sie schob ihn beiseite und ging zu Sam, um den jetzt auch endlich begrüßen zu können. "Und jetzt kommt essen, bevor alles kalt wird", bat sie gleich danach. "Wolltest du nicht schon Ende letzten Jahres nach Bloomington kommen?", begann Dean während der Vorspeise. Es gab Bruscetta, Rucola mit Schafskäse und kleine gefüllte Paprika. "Gibt es einen Grund, wieso du erst jetzt kommst?" Sam nickte und schaute ebenfalls zu Nick. "Du hast da was angedeutet." "Ja, Naja", begann Nick. "Irgendwas scheint hier im Gange zu sein. Die örtliche Polizei hatte sich an Washington gewandt, weil Beweise verschwanden und Verdächtige vom FBI abgeolt wurden. Indianapolis hat daraufhin erstmal versucht das Büro zu überwachen. Das einzige, was sie so herausgefunden haben war, dass der alte Chef wohl nicht wirklich wusste, was hier lief. Da der jetzt eh in Rente gegangen ist, wollten sie ihm aber nicht mehr am Zeug flicken. Bei seinem Stellvertreter sieht das anders aus. Den soll ich jetzt von hier im Auge behalten, was das Ganze nicht einfacher macht, da der davon ausgegangen ist, den Posten zu kriegen." Sam schüttelte den Kopf. "Überall das Gleiche!" "Was ist eigentlich bei diesem Greg ... Grady raus gekommen?", fragte Nick jetzt. Sam erstarrte. Dean schluckte hart und schaute seinen Bruder an. "Das würde mich auch interessieren", begann er frostig. "Was hast du mit Grady zu tun?" Sam atmete durch. So hatte Dean das auf keinen Fall erfahren sollen. "Als du zum Lehrgang warst, bin ich zu deiner Wache. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, wie schlecht es dir ging und wollte mir ein Bild machen, vielleicht auch mit jemandem reden. Ich habe Pratt und Everwood erwischt." Von Webb würde er ihm nichts erzählen. "Pratt war schon beim First Chief gewesen und hatte mit ihm gesprochen und erzählt, dass Grady Anwärter sortiert. Sie versuchten die zu finden, die der vor dir aus der Feuerwehr gemobbt hatte. Dabei habe ich ihnen geholfen. Und ich habe Nick gefragt, ob das FBI vielleicht was über Grady hatte." Er blickte Dean in die Augen und wartete auf den Ausbruch, der auch kam, allerdings vollkommen anders als er dachte. "Das ist ..." Dean lächelte ihn warm an. "Danke." Sammy würde als aller erster sein Zimmer im Haus bekommen, wenn sie den Schrottplatz umbauten! "Ich ... das ... du bist der beste Bruder, den ich mir wünschen könnte!" Sam klappte seinen Mund auf und zu und wusste nicht, was er sagen sollte, bis Ruby leise kicherte. Sam schluckte. Er räusperte sich. "Ich habe fest damit gerechnet, dass du mich in der Luft zerreißt." "Warum. Wenn ich unfähig bin, einen Ausweg zu finden und du nach einem suchst. Ich finde es gut, inzwischen", lenkte er ein. "Uns mich wundert, dass Pratt und Everwood auch versucht haben etwas zu tun." "Warum nicht. Sie mochten dich", warf Sam ein. "Was mich viel mehr beunruhigt ist, was Grady planen könnte, um sich zu rächen." "Darüber denke ich auch immer wieder nach. Aber ich finde keine Antwort. Soweit ich weiß, war keiner von Bradleys Männern Fan von Grady. Daher hoffe ich, dass sie sich nicht von ihm bequatschen lassen. Mehr kann ich nicht tun. Außer, zu reagieren wenn etwas passiert." "Hoffen wir, dass nichts derartiges passiert!", sagte Sam leise. Er wollte Dean nicht noch einmal so leiden sehen. Das würden weder Dean noch er noch einmal durchstehen. "Ich kann ja mal unverbindlich horchen, wo die sind und was die machen", schlug Ruby vor. "Wenn du das tun würdest?", bat Sam und Dean nickte. "Können wir uns dann wieder etwas anderem zuwenden? Dem Essen, dass da so verführerisch aus dem Ofen duftet, zum Beispiel?", wollte der ältere Winchester dieses unselige Thema endgültig beenden. Sam und Nick nickten grinsend und Ruby erhob sich, um die Spareribs zu servieren. Beim Essen drehten sich die Gespräche um alte Fälle und neue Ideen und alle waren sich sicher diesen Abend so schnell wie möglich zu wiederholen. Kapitel 64: A beautiful day --------------------------- 064) A beautiful day Ein paar Tage später, Dean war inzwischen fast vier Wochen auf der Wache, klopfte er an einem Donnerstag an die Tür von Bataillon Chief Bradley. „Winchester, treten Sie ein. Was kann ich für Sie tun?“, empfing der ihn. Unsicher kaute Dean auf seiner Unterlippe. „Ich will den Schrottplatz an der 69 übernehmen“, begann er dann. „Haben Sie hier nicht genug Arbeit?“, fragte Bradley. „Naja, schon, aber ...“ „Mit Ihrem Gehalt werden Sie nicht reich.“ Der Chief nickte. „Und wenn wir demnächst auf 24-Stunden-Schichten umstellen wird es eher noch weniger.“ Er schaute zu Dean. „Und Sie erzählen mir das, weil?“ „Weil ich mich zwar mit den Autos auskenne, mit der ganzen Buchhaltung aber nicht und ich wollte einen Lehrgang besuchen. Ich habe mich erkundigt und es gibt die Möglichkeit die Schulzeiten halbwegs an meine Schichten anzupassen.“ Er legte den Stundenplan auf den Tisch des Chiefs. „Ich wollte fragen, ob Sie meinen Dienst so einteilen können, dass ich zweimal in der Woche zur Schule gehen kann?“ Der Chief überflog den Plan. „Das sollte hinzukriegen sein. Wann wollen Sie anfangen?“ „In zwei Wochen könnte ich anfangen. Es ist wohl ein Teilnehmer abgesprungen.“ Dean zuckte mit den Schultern. Ihm sollte es nur Recht sein, jetzt anzufangen. Er hatte mit September gerechnet, aber so hatte er mehr Zeit für den Umbau, wenn Stan erst weg war. „Gut. Dann teile ich Sie passend ein.“ „Danke Chief.“ Dean wandte sich zum Gehen. „Sie reparieren Autos?“ Der Chief schüttelte den Kopf. „Klar. Bei Ihrem Wagen sollten Sie das können. Vielleicht können Sie sich ja mal den Wagen von Morton Peterson anschauen.“ „Hatte ich ihm schon angeboten“, nickte Dean. Es war allen bekannt, dass sich Mortons Wagen alle naselang verabschiedete und er oft genug auf den letzten Drücker und hin und wieder auch zu spät kam. „Gut, so langsam wird das echt nervig“, wollte der Chief Dean entlassen, als ihm noch was einfiel. „Wenn Sie das nächste Mal etwas machen wollen, der Wagen meiner Frau stottert hin und wieder.“ „Bringen Sie ihn vorbei“, nickte Dean. An diesem Abend unterschrieben er und Stan den Kaufvertrag. Ab Oktober würde Dean der offizielle Besitzer des Schrottplatzes sein. Bis dahin wollte Stan ihm noch unter die Arme greifen. Vor Allem bei der Buchhaltung war der Winchester für jede Unterstützung und für jeden Tipp dankbar. Außerdem bestätigte er seine Teilnahme am Kurs für Firmengründer und Buchführung am Community College. Alles in Allem konnte es gerade nicht besser für Dean laufen, blieb nur noch der Termin bei First Chief Reed. Auch wenn der sich um eine reichliche Woche nach hinten verschoben hatte, war der Tag jetzt doch da. Wieder stand Dean im Hauptquartier vor der Tür zum Chief. Er straffte sich, bevor er klopfte. „Herein!“, hörte er gleich darauf. „Guten Tag, Mrs. Milton“, grüßte er kaum, dass er das Sekretariat betrat. „Mr. Winchester“, freute sie sich. „Sie sehen richtig gut aus.“ Deans Wangen färbten sich leicht rot. „Das kann ich nur zurückgeben“, erwiderte er und schenkte ihr sein schönstes Lächeln. „Sie flirten doch nicht etwa mit meiner Sekretärin?“ Erschrocken schaute Dean den First Chief an. „Jetzt sagen Sie nur nichts Falsches.“ Der Chief grinste wie ein kleiner Junge und Mrs. Milton zwinkerte ihm zu. Dean schluckte. Er straffte sich noch einmal. „Sir!“ „Kommen Sie in mein Büro“, bat der Chief und ließ ihn vorgehen. „Stehen Sie bequem,“, forderte der, nachdem er sich gesetzt hatte. Kurz musterte er den jungen Mann. Die Augen leuchteten und er sprühte regelrecht vor Lebensfreude. Da war nichts mehr von dem niedergeschlagenen Anwärter, der alles hinschmeißen wollte. „Danke, Sir“, Dean entspannte sich etwas. „Und danke, dass Sie meine Kündigung nicht so einfach akzeptiert haben.“ „Es freut mich, dass ich Ihnen die richtige Richtung gewiesen habe. So hat sich der Grund unseres Termins ja eigentlich erledigt und ich kann Ihre Kündigung zerreißen, oder?“ „Ja, Sir, die Wache 17 ist so vollkommen anders und ja. Danke!“ „Darf ich Ihnen noch einen Tipp geben?“, fragte der Chief, während er Deans Kündigungsschreiben zerriss und in den Papierkorb warf. „Sir?“ „Machen Sie Ihr Lieutenant-Patent. Sie haben die Lehrgänge immer als einer der Besten abgeschlossen und Ihre Ausbilder haben mir Ihre Führungsqualitäten bescheinigt." „Sir?“, fragte Dean verdutzt. „Die Anmeldungspapiere können Sie bei Mrs. Milton mitnehmen.“ „Aber ich ...“ „Das wär´s für heute, Mr. Winchester.“ Er nickte kurz. „Und ich behalte Sie im Auge.“ Der junge Mann gefiel ihm und er hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, weil er ihn zu Grady geschickt hatte. Gut, dass der inzwischen die Stadt verlassen hatte. Soweit er wusste, war er zu seiner Schwester nach Hawaii gezogen. Die Hawaiianer taten ihm allerdings jetzt schon leid! Doch davon würde er ihm bestimmt nichts erzählen. „Sir“ Dean nickte etwas verdattert und verließ das Büro wieder. Lächelnd hielt Mrs. Milton ihm eine Mappe hin. „Wo Sie die abgeben müssen, wissen Sie ja.“ Dean nickte noch immer ziemlich konsterniert. „Und zögern Sie nicht zu lange.“ „Danke“, sagte der Winchester etwas atemlos. Er klemmte sich die Mappe unter den Arm und flüchtete regelrecht. Sekunden später stand Chief Reed wieder an der Kaffeemaschine. „Ist er wirklich so gut?“, fragte ihn seine Sekretärin. Sie freute sich für den jungen Mann, aber es war mehr als ungewöhnlich, dass einem Anwärter schon zu diesem Lehrgang geraten wurde. „Ich denke schon. Ich habe mich bei Bataillon Chief Bradley und den Lieutenants Gilian und Romano erkundigt und außerdem noch einmal mit Pratt und Everwood gesprochen. Sie alle trauen es ihm durchaus zu, genau wie die Ausbilder der beiden Schulen. Und Bradley, genauso wie Pratt würden oder hätten ihn gerne behalten.“ „Obwohl Bradley gerade mal fünf Wochen mit ihm arbeitet? Pratt kannte ihn ja wohl eher noch weniger.“ „Obwohl der Winchester gerade mal fünf Wochen auf der 17 arbeitet.“ „Zu welcher Wache soll er, wenn er das Patent hat?" „Damit hat es noch Zeit und mit dem Umbau der Schichten kommen ein paar in Frage, wenn er soweit sein sollte.“ Noch immer ziemlich verdattert fuhr Dean zu ihrem Apartment zurück. Er hängte seine Jacke an den Haken, warf die Unterlagen auf die Kommode und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, bevor er sich, wortlos, auf die Couch fallen ließ und blind ins Leere starrte. „Dean?“, fragte Sam besorgt. Was war mit ihm? War heute nicht der Termin beim Chief? Er erhielt keine Antwort und das machte ihm noch mehr Sorgen. Hatten sie ihm jetzt doch noch gekündigt? Seine Besorgnis stieg immer weiter. Er legte sein Buch weg, ging zur Couch und setzte sich neben ihn. Seine Hand legte er auf Deans Arm und sprach ihn noch einmal an: „Dean?“ Erst jetzt schien der aus seiner Starre zu erwachen. Er setzte sich etwas gerader hin und schaute Sam fragend an. „Was ist los?“, wollte der Jüngere eindringlich wissen. „Ich soll mein Lieutenant-Patent machen“, erklärte Dean ratlos. Für einen Augenblick fehlten Sam die Worte. „Aber das ist doch ein Grund zum Freuen!“, platzte er dann hervor. „Ich denke schon, ja, aber ich meine, ich bin noch Anwärter! Sie sollten mir höchstens sagen, dass sie mich im besten Fall nach diesem Jahr übernehmen oder dass ich noch weiter Anwärter bleibe, weil sie gerade noch keinen weiteren Feuerwehrmann brauchen oder ...“ Dean zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber selbst dafür hätten sie noch locker sechs Wochen Zeit.“ Er nahm einen tiefen Schluck. „Ich, ich meine … warum ich?“ „Weil du so gut bist? Weil du es verdient hast, nach all dem Scheiß? Weil sie dein Potential sehen? Man Dean! Das ist ein Grund zum Feiern!“ „Ja, sollte es wohl.“ So sicher war der sich immer noch nicht. „Verdammt Dean! Jetzt freu dich endlich!“, schimpfte Sam. Gerade war sein Bruder ihm ein Buch mit 17 Siegeln. Erst war er völlig fertig, weil sie ihn auf der Wache gemobbt hatten und er als einzigen Ausweg eine Kündigung sah, er aber um alles in der Welt Feuerwehrmann bleiben wollte und jetzt, wo ihm genau das in Aussicht gestellt wurde, blies er Trübsal? „Aber dann muss ich noch mehr lernen!“, platzte es aus Dean heraus. Sam schlug sich gegen die Stirn und begann herzlich zu lachen. „Jetzt lach mich auch noch aus“, schimpfte Dean und versuchte tapfer gegen sein eigenes Lächeln anzukämpfen. „Das tue ich, von ganzem Herzen“, lachte Sam nur noch breiter. „Willst du denn am Wochenende feiern gehen?“ „Sollte ich das nicht erst, wenn ich alles hinter mir habe?“ „Also deine Beerdigung ist kein Grund zum Feiern, nicht mal wenn du 107 geworden bist“, schimpfte Sam mit einem Schmunzeln. „Wieso gerade 107?“ „Wieso nicht?“ „Trottel“ „Idiot! Und jetzt hoch mit dir! Ich habe Hunger! Lass uns essen fahren.“ Dean nickte. Er stand auf und holte sein Handy aus der Tasche. Bevor er sich um sein leibliches Wohl kümmerte, wollte er Bobby und Jody noch schnell die gute Nachricht überbringen. Natürlich füllte Dean den Antrag aus und gab ihn zwei Tage später ab. Eigentlich hätte er das schon an nächsten Morgen machen können, doch vor seiner Schicht war noch keiner in der Zentrale und danach hatte er Morton versprochen, sich endlich dessen Wagen anzusehen. War ja nicht mehr zum aushalten, wie der über sein Auto schimpfte. Zur Schicht am Tag darauf kam Morton überpünktlich. „Was ist das denn?“, begrüßte ihn Chief Bradley überrascht. „Dean hat meinen Wagen in der Werkstatt. Er meint, dass es eine größere Aktion wird, er ihn aber fertig kriegt. Ich hab mir den Wagen meiner Schwester geliehen.“ Der Chief nickte nur. Mal sehen, was dabei rauskam. Er wollte den Wagen seiner Frau ja auch noch zu Dean bringen. Für das folgende Wochenende lud Dean Nick, Ruby, Chris, Mac, Tylor und Mity zu einer kleinen Feier ein. Sie trafen sich in einem Pub und Dean orderte die erste Runde Bier. „Erzählst du uns jetzt endlich, was der Grund dieser Einladung ist? Ich meine, nicht dass wir nicht gerne auf deine Kosten trinken, aber ich hätte doch schon gerne gewusst, warum!“, forderte Chris, kaum dass er die Flasche vor sich stehen hatte. „Lass und bitte noch kurz auf einen Freund warten", bat Dean und schaute immer wieder zur Tür. Nick hatte doch zugesagt. Eine viertel Stunde später kam der Agent durch die Tür. Dean erhob sich und winkte ihn zu sich. „Tut mir leid. Hatte noch Ärger im Büro", entschuldigte sich Nick. „Hey", begrüßte Dean den Freund mit einer herzlichen Umarmung. „Besser du als ich." Auch Sam zog den Freund in eine feste Umarmung. Erst dann stellte er ihn den Anwesenden vor. Dean orderte eine weitere Runde Bier. „Okay“, nickte Dean, als die Flaschen auf dem Tisch standen. „Der Hauptgrund unseres Zusammentreffens ist, keine Ahnung, es gibt so vieles, was gerade passiert.“ „DEAN!“, grummelte Chris. „Ja doch!“ Dean trank eine Schluck. „Also ich, oder wir“, er schaute zu Sam, „sind die neuen Besitzer des Schrottplatzes an der 69. Chief Reed hat meine Kündigung endgültig zerrissen. UND“, wieder trank Dean einen Schluck. „Chief Reed hat mir geraten, den Lehrgang zum Lieutenant zu machen“, ließ er die letzte Bombe platzen. „Was? Jetzt schon? Heißt das jetzt, sie übernehmen dich und du bist schon richtiger Feuerwehrmann?“, fragte Chris hektisch. „Das nehme ich mal an, auch wenn ich offiziell noch nichts weiß.“ „Oh man!“, Chris stand auf und zog den Freund in einer herzliche Umarmung. „Ich freue mich so für dich, auch wenn ich schon etwas neidisch bin!“ Auch der Rest gratulierten Dean. „Also wenn du mal einen zweiten Mann brauchst, und die Bezahlung bei dir besser ist als bei meinem jetzigen Chef ...“, bot Mac sich an und grinste schief. „Bis ich mir einen Mitarbeiter leisten kann, das wird wohl noch dauern. Erstmal muss ich überhaupt hinter das Geheimnis von Buchhaltung und Steuern steigen“, wehrte Dean ab. „Vielleicht sollte Sam sich auf Wirtschaftsrecht spezialisieren?“, stellte Mitena ruhig fest und lachte Sam breit an, wusste sie doch, wie ungern er dieses Fachgebiet inzwischen hatte. „Oh bitte nicht“, wehrte Sam ab. Er fand nichts so trocken wie Wirtschaftsrecht und das obwohl es nicht mal wirklich langweilig war. Kapitel 65: Schon wieder ------------------------ 065) Schon wieder Sie unterhielten sich über alles Mögliche, tranken und aßen und spielten ein paar Runden Billard, bis sich eine Gruppe Anzugträger Sam, der sich eher zurückgehalten hatte, als den scheinbar Schwächsten der Runde aussuchten, um mit ihm gegen Geld zu spielen. „Ihr seid vier, wir sieben. Wir wäre es mit einem kleinen Turnier? Jeder von euch sucht sich einen Gegner und die beiden Übriggebliebenen von uns spielen gegeneinander. Die Gewinner spielen dann wieder gegeneinander bis der Sieger feststeht und der bekommt den kompletten Einsatz?“, schlug Sam vor und die Anzugträger gingen darauf ein. Tylor und Chris verloren ihr erstes Spiel, Mac und Dean gewannen, Nick warf Mity aus dem Spiel und Sam besorgte Getränke. In der nächsten Runde verlor Mac. Nick gewann sein Spiel, Sam langweilte sich schon wieder und Dean musste gegen den Typen ran, der der Sprecher der Gruppe zu sein schien. Es wurde ein interessantes Spiel, was Dean letztendlich doch verlor und nur Chris und natürlich Sam sahen, dass Dean seine Kugel absichtlich falsch getroffen hatte. Er stellte seinen Queue weg und machte sich auf den Weg, Nachschub an Getränken zu holen. Auf dem Tisch lagen fast 500 Dollar, als Sam ran musste. Chris beobachtete Sam genau. Dean, Mac, Mity, Nick und Taylor schien das weniger zu interessieren, die unterhielten sich etwas abseits. Nichtsdestotrotz wusste Sam genau, dass sein Bruder ein Auge auf ihn hatte. Weniger, weil er ihm nicht zutraute, zu gewinnen. Er wollte verhindern, dass die Typen etwas anstellten. Das Spiel ging hin und her. Letztendlich war es aber Sam, der die schwarze Kugel versenkte. Der Anzugträger begann etwas von Betrug zu erzählen und Chris wurde wieder einmal Zeuge, wie Dean sich plötzlich zu seiner vollen Größe und Breite aufrichtete und hinter Sam trat, als der den Typen freundlich. aber bestimmt erklärte, dass er derjenige gewesen war, der das Spiel wollte. Wütend zog der davon. „Du musst dich nicht immer hinter mich stellen“, erklärte Sam leise und drehte sich zu seinem Bruder um. „Einer muss das Geld ja im Auge behalten, während du denen die Meinung sagst. Nicht dass einer damit abhaut.“ Sam grinste, nickte und holte eine weitere Runde Bier. Es wurde ein langer, feucht-fröhlicher Abend, an dem sie erst lange nach Mitternacht ziemlich betrunken in ihre Betten kamen. Gut gelaunt und leise pfeifend betrat Dean, eine knappe Woche nach dieser kleinen Feier, ihre Wohnung. Der Tag war ruhig gewesen und sie hatten es endlich wieder einmal geschafft, ihre bestellte Pizza heiß zu essen. In den letzten zwei Wochen wurde ihnen gerade an diesem sogenannten Pizza-Tag der Genuss durch Notfälle verleidet. Kalte Pizza schmeckte einfach nicht so gut und seine Kameraden taten das auch gut vernehmlich kund. Deans Laune konnte das jedoch nicht trüben. Er hatte schon oft genug in seinem Leben kalte Pizza gegessen und fand sie nicht wirklich schlimm. Außerdem fühlte er sich seit seinem Beginn hier auf dieser Wache wie im beruflichen Himmel. Ja, die Arbeit war anstrengend und fordernd und manchmal auch frustrierend und doch konnte er sich nichts Besseres vorstellen! Nichts, seit er von Grady weg war. 'Sechs Wochen!' Dean schnaufte. Sechs Wochen, in denen er müde und zerschlagen in ihr Zuhause zurückkam und doch jeden Tag wieder voller Vorfreude aufstand. Und wie viel ruhiger, aber auch aufregender dieses Leben doch war. Seine neuen Kollegen hatten ihn in den ersten Tagen zwar hin und wieder mal skeptisch gemustert, bezogen ihn aber sofort in alles mit ein und ließen ihn sein Können zeigen. Und dann war der Chief auch noch mit der Aufforderung gekommen, dass er Lieutenant werden sollte. Er hatte den Schrottplatz übernommen und in der nächsten Woche startete der Lehrgang für Firmengründer. Irgendwie nahm sein Leben gerade immer mehr Fahrt auf und so hin und wieder fürchtete er, nicht mithalten zu können. Trotzdem wollte er mit niemandem tauschen! Schmunzelnd schaute Sam von seinen Büchern auf. „So gefällst du mir viel besser!“, stellte er ruhig fest. „War´s ein guter Tag?“ „Es war ein entspannter Tag“, erwiderte der Ältere. „Wollen wir gleich noch Einkaufen fahren, dann haben wir es hinter uns. Oder soll ich dir beim Lernen helfen?" „Klar“, Sam klappte sein Buch zu. „Lass uns los. Lernen kann ich später noch!" Auf ihrer Einkaufsliste standen Fleisch und Gemüse, Bier und Wasser und einigen Packungen Schokoriegel. So oft wie möglich kochten sie in ihrer Wohnung. Nur an Deans freien Wochenenden frühstückten sie gemeinsam in der kleinen Bäckerei. „Bist du morgen wieder bei Stan?“, wollte Sam „Ja, er hat einen Auftrag angenommen. Außerdem wollte Josh seinen Wagen bringen und ich muss den Papierkram ja irgendwann mal begreifen, oder? Je mehr ich bei Stan schon lerne, umso weniger muss ich das in der Schule. Zumal der Lehrgang zum Lieutenant ja auch bald kommen wird.“ „Na Hauptsache, die haben die Steuervorschriften nicht inzwischen radikal geändert, und du lernst das Falsche von Stan“, unkte Sam. Er legte seine Bücher auf einen ordentlichen Berg, stand auf und nahm seine Jacke. „Jetzt beschreie es auch noch!“, grummelte Dean. Er war so froh wenigstens einen Teil der Büroarbeit schon selbstständig bewältigen zu können. „Wenn, dann baut sich das höchstens auf dem auf, was du schon kannst, denke ich“, versuchte Sam zu beruhigen. Ein bisschen tat es ihm leid, seinen Bruder so zu ärgern, aber der machte das ja auch bei ihm, also ... „Lass uns los“, sagte er und trat neben seinen Bruder. „Josh ist einer deiner Kollegen, richtig?“ Dean nickte nur und verließ die Wohnung. „Wollen wir gleich noch essen fahren, oder soll ich kochen?“, wollte Dean wissen und schaute Sam über das Dach des Impalas hinweg an. Sie hatten zwar gerade alles für ein gutes Abendessen eingekauft, aber so richtige Lust zum Kochen hatte Dean nicht. „Wir müssen auf jeden Fall erst in die Wohnung und das Fleisch in den Kühlschrank packen“, überlegte Sam. „Von mir aus können wir danach gerne ins Diner.“ „Okay, vielleicht kriege ich auf dem Rückweg ja doch noch Lust zum Kochen, sonst eben morgen.“ Dean öffnete die Impalatür und ließ sich auf seinen Sitz fallen. Er schob den Zündschlüssel ins Schloss. Plötzlich begann sein Handy zu klingeln. Irritiert schaute er zu Sam. „Hm!“ Er zog das Telefon aus seiner Tasche. „Ein Anruf auf einem von Johns.“ Er nahm das Gespräch an. Aufmerksam musterte Sam seinen Bruder. Nicht dass das wieder so ein Anruf war, wie der von Adam, damals. Es kamen ja kaum noch Anrufe auf einem von Johns Telefonen. Alle paar Monate mal einer und den stellten sie ins Netzwerk. Selbst fuhren sie nicht raus. Da gab es kein Wenn und Aber! Dean hatte entschieden, dass Sams Abschluss wichtiger war, als alles andere und er selbst hatte auch keine große Lust. Sein Bedarf an Adrenalin wurde von seinem Beruf voll und ganz gedeckt. „Ja, ich bin Dean!“, antwortete der Ältere frostig. „Sehr gut. Ist Sam bei Ihnen?“, fragte der Fremde, der sich als Sean O´Kleeve vorgestellt hatte. „Woher wissen Sie von Sam?“ Deans Stimme wurde noch eine Spur eisiger und Sam war kurz davor seinem Bruder das Telefon vom Ohr zu reißen. Warum konnte der nicht auf Lautsprecher stellen? „Ich bin der Anwalt Ihres Vaters und ich würde Sie und Sam bitten, in meine Kanzlei zu kommen. Ich habe Ihnen einige Papiere Ihres Vaters zu übergeben. Wann können Sie hier sein?“ „Und wo ist diese Kanzlei?“, knurrte Dean. „Oh entschuldigen Sie. John hat Ihnen nichts von mir erzählt?“ „Offensichtlich nicht!“ „Meine Kanzlei ist in Terre Haute, Indiana.“ „Moment“, meinte Dean nur und nahm das Telefon vom Ohr und legte es mit dem Mikrofon auf seinen Oberschenkel. „Wie lange hast du morgen Vorlesung?“ „Bis kurz nach eins. Aber danach wollte ich mit Tylor und Mity lernen.“ „Das muss ausfallen oder du musst es verschieben. John hatte wohl einen Anwalt. Der sitzt in Terre Haute und will uns sehen!“ Er nahm das Telefon wieder ans Ohr. „Okay. Morgen gegen vier!“, gab er durch. „Sehr gut, das passt. Bis morgen dann!“ O´Kleeve legte auf. „Verdammt Dean! Ich habe bald Prüfungen und muss lernen!“, schimpfte Sam wütend. „Außerdem, woher willst du wissen, dass das keine Falle ist?“ „Genau das werden wir gleich noch herausfinden. Und wenn dir das Lernen so wichtig ist, dann lassen wir den Samstag ausfallen und ich lerne mit dir, oder du lädst Tylor und Mity ein oder ihr trefft euch irgendwo. Ich möchte das geklärt haben. Irgendwie kommt mir das alles nicht koscher vor. Wieso sollte John einen Anwalt haben?“ „Du wolltest Samstag auf den Schrottplatz“, erklärte Sam vollkommen zusammenhanglos. „Dann eben Sonntag!“ Dean verdrehte die Augen. Den Wagen, den Stan übernommen hatte, hatte er bis eben erfolgreich verdrängt. Dieser Anruf hatte ihn völlig durcheinander gebracht. Vielleicht sollten sie Johns Handys endlich komplett abschalten und irgendwo in einem Fluss entsorgen. Sam nickte nur. Zerknirscht holte er sein Handy hervor und sagte Tylor für morgen Nachmittag ab. Nicht, dass der etwas zu essen besorgte. Danach rief er noch Mity an. Vielleicht lernten die Beiden ja auch zusammen. Er konnte Dean ja verstehen. Auch er wollte wissen, was ein Anwalt von ihnen wollte. Aber warum musste dieser blöde Anwalt auch grade heute anrufen?!? Weil wohl jeder andere Tag genauso unpassend gewesen wäre, gab er sich gleich noch die Antwort. Pünktlich vier Uhr am nächsten Nachmittag standen die Brüder in der kleinen Kanzlei. Natürlich hatten sie diesen Anwalt auf allen Ebenen durchgecheckt. Sie hatten Weihwasser und ihre Pistolen einstecken. Sicher war sicher, auch wenn sie nichts in dieser Richtung gefunden hatten. „Wir haben einen Termin mit Mr. O´Kleeve“, erklärte Dean der Sekretärin. „Sie sind …?“, wollte sie wissen. „Dean Winchester und das ist mein Bruder Sam.“ „Mr. Winchester! Mr. O´Kleeve erwartet sie schon.“ Fast sofort zierte ein breites Lächeln ihr Gesicht. Sie stand auf, ging zu der zweiten Tür und klopfte kurz, bevor sie ihren Kopf in das Büro steckte. „Die Herren Winchester sind hier.“ ‚Die Herren …‘ Sam und Dean tauschten einen amüsierten Blick. „Sollen reinkommen, Irene.“ Sie trat zur Seite und machte eine einladende Geste in das Büro ihres Chefs. „Kaffee?“, fragte sie, doch Dean lehnte mit einem frostigen „Nein, danke“ ab. Das hier würde wohl nicht so lange dauern, dass sich ein Kaffee lohnte, hoffte er zumindest. Dean betrat den Raum als erster, gefolgt von Sam, der die Körpersprache seines Bruders aufmerksam verfolgte. Doch außer, dass Dean weiterhin misstrauisch war, deutete nichts darauf hin, dass der Mann etwas anderes war, als er vorgab. Zumindest kein Dämon. Mr. O´Kleeve erhob sich. „Schön sie kennen zu lernen, auch wenn der Anlass wohl kein schöner ist.“ Er reichte beiden die Hand. „Nehmen sie doch bitte Platz.“ „Sie sagten, dass Sie der Anwalt unseres Vaters sind?“, begann jetzt Sam das Gespräch. „Wieso rufen Sie ihn dann gerade jetzt an.“ „Ja, ich bin der Anwalt ihres Vaters und ich habe seine Telefonnummern, zwei davon, um genau zu sein. Ich habe auch die Nummer eines gewissen Robert Singer aus Sioux Falls, für den Notfall, dass ich niemanden auf Johns Nummern erreiche. Allerdings bat er mich, es zuerst auf diesen Nummern zu versuchen. Er war sich sicher, dass einer von ihnen diese Nummern behalten würde, wenn ... Er bat mich, sie zu kontaktieren, wenn ich sechs Jahre nichts mehr von ihm gehört hätte. Diese Zeit ist jetzt verstrichen. Ich denke er ist verstorben. Können Sie mir etwas zu seinem Tod sagen?“ „Er starb im Mai 2006“, erklärte Sam und warf Dean einen Blick zu, bevor er weitersprach. „Wieso, ich meine wie kam er gerade auf Sie?“ O´Kleeve nickte bedächtig. So würde er aus den Zweien wohl nichts herausbekommen, aber das war er ja gewohnt. Er legte die Fingerspitzen aneinander und begann zu erzählen: „Ich hatte mir eine bösartige Hexe eingefangen. Sie sah ganz normal aus, war nett und witzig. Wir gingen ein paar Mal aus und dann wurde sie immer besitzergreifender, wollte Geschenke und Geld und als ich mich irgendwann von ihr trennte, weil sie nie genug bekam, hatte ich plötzlich Unfälle, verlor sicher geglaubte Verfahren vor Gericht und mit meiner Gesundheit ging es auch immer weiter bergab. Euer Vater war irgendwie auf die Spur dieser Hexe gestoßen und hat mich, vielleicht nicht in der letzten Sekunde, aber ja, er hat mich gerettet. Lange hätte ich das wohl nicht mehr durchgehalten. Als Dank habe ich ihm angeboten, wann immer er juristische Hilfe braucht, für ihn da zu sein und er hat mich im Kreis der Jäger bekannt gemacht.“ Die Brüder warfen sich einen beredeten Blick zu. ‚Im Kreis der Jäger. Wie viele kannte er denn und warum hatte er sie nicht mit ihnen bekannt gemacht?‘ „Ich weiß also in etwa, womit ihr euch herumschlagt.“ Er schaute von einem zum anderen. „Das Angebot für juristische Hilfe gilt selbstverständlich auch für euch“, fügte er hinzu, als er den Blick sah, den die Brüder tauschten. „Danke, das ist nett. Allerdings studiere ich Jura und kann uns hoffentlich selbst irgendwann vertreten, sollte das mal nötig sein“, erklärte Sam nach einem weiteren Blick zu Dean. „Sie studieren und jagen?“ Irritiert musterte der Anwalt die Brüder. „Nein. Wir jagen nicht mehr. Wir sind ausgestiegen“, antwortete dieses Mal Dean, nach einem Blick zu seinem Bruder, recht frostig. Höchst interessiert verfolgte O´Kleeve diese stummen Unterhaltungen. „Sie sind aber nicht telepathisch veranlagt, oder?“ „Wer weiß“, grinste Sam. Wie oft hatten sie sich schon so kurzgeschlossen. Sie sandten sich zwar keine Gedanken, wussten aber ziemlich genau, was der andere wie ausdrückte. „Sie sagten, Sie hätten etwas für uns“, brachte Dean das Gespräch wieder auf den Grund ihrer Anwesenheit. Er mochte den Mann noch immer nicht, was wohl weniger an ihm lag als daran, dass es um John ging. O´Kleeve nickte. Er stand auf und holte einen Karton aus einem Schrank. Er nahm den Deckel ab und reichte ihn Dean. „Da sind einige Fotos drin, Auflistungen seiner Lagerhallen und Konten. Außerdem die Kopie der Geburtsurkunde eines Jungen, Adam Milligan. John ist …“ Sichtlich nervös brach er ab und holte Luft. „Wir wissen inzwischen von Adam, auch wenn es schöner gewesen wäre, es von John selbst zu erfahren“, befreite Sam ihn aus dieser Zwickmühle. „Sollte der nicht auch hier sein?“ „Oh, gut.“ O´Kleeve blickte von Sam zu Dean und zurück. „Und nein. Ich soll ausdrücklich nur sie beide informieren und Adam Milligan da raushalten.“ „War ja klar“, knurrte Dean. Die Temperatur im Raum war auf die Sekunde um etliche Grad gesunken. Er erhob sich. Er hatte genug gehört und scheinbar hatten sie ja auch alles bekommen! „Vielen Dank für den Anruf und diese Unterlagen, Mr. O´Kleeve. Wir müssen das Ganze erstmal sichten“, beendete Sam dieses Gespräch. Deans Körperhaltung verriet ihm, dass der wohl gleich verschwinden würde. Die Erwähnung Adams hatte nicht gerade zur Entspannung beigetragen und dass der wieder einmal aus allem herausgehalten werden sollte, machte es auch nicht besser. „Ich freue mich, dass ich sie kennenlernen durfte und auch darüber, dass sie nicht auch noch diesem Leben zu Opfer fallen werden. Ich weiß, dass es Menschen wie John geben muss“, wehrte er sofort ab. „Trotzdem konnte ich seine Lebensweise nie gutheißen. Vor Allem nicht, seit ich wusste, dass er Kinder hat.“ Er reichte Dean, der die Kiste im Arm hielt und aussah als wolle er sie nie wieder öffnen, die Hand. Danach wandte er sich Sam zu. „Sie sagten sie studieren Jura? Falls Sie mal Hilfe brauchen, rufen Sie einfach an. Zumindest einen Praktikumsplatz könnte ich anbieten, wenn Sie möchten.“ „Ich nehme Sie beim Wort“, erwiderte Sam, schüttelte ihm die Hand und folgte dann seinem Bruder. Kapitel 66: Words ----------------- 66) Words Am Impala angekommen, warf Dean den Karton auf die Rückbank. Darum konnten sie sich auch später noch kümmern. Jetzt wollte er hier nur noch verschwinden. Er ließ sich auf seinen Sitz fallen, schob den Zündschlüssel in das Schloss und blickte zu Sam. „Was hältst du von dem Ganzen?“ „Das John einen Anwalt hatte? Die Umstände scheinen glaubhaft und warum nicht. Dass er uns nichts davon erzählt hat, ist nichts Neues und das mit Adam? Ich weiß, wie du zu ihm stehst. Zu der Tatsache, wie John sich ihm gegenüber verhalten hat“, schränkte er ein, als er sah, wie Dean für eine Antwort Luft holte. „Trotzdem finde ich es irgendwie schön einen weiteren Bruder zu haben. Auch wenn ich wenig Kontakt mit ihm habe. Ich meine, wenn ich darüber nachdenke, wie lange John als Single gelebt hat, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er wie ein Mönch gelebt haben soll.“ „Das habe ich auch nie von ihm erwartet“, erwiderte Dean. „Was mich an dem ganzen Thema so stört sind Johns Moralpredigten mir gegenüber, dass Familie erpressbar macht und dass ich keine Kinder in die Welt setzen soll. Er kam immer wieder damit an, wenn er mitbekam, dass ich von einer Frau kam. Immer wieder hat er mir eingetrichtert, dass ich Kondome benutzen soll und er selbst? Er zeugt nicht nur ein Kind, er unternimmt mit dem auch alles, was er seinen Kindern, denen, die bei ihm aufwachsen, denen, die von seiner ach so heiß geliebten Frau stammen, verwehrt. Wann war er mal bei einem deiner Fußballspiele? Wann bei einem Baseballspiel von mir? Wann ist er mal mit uns zu so einem Spiel gegangen? Ich werfe ihm nicht vor Sex gehabt zu haben. Ich werfe ihm den unterschiedlichen Umgang mit Adam und uns vor und seine Moralvorstellungen, die scheinbar auch nur für mich galten.“ Er drehte den Zündschlüssel und seine schwarze Schönheit erwachte zum Leben. Während er sie in den fließenden Verkehr lenkte, drehte er das Radio laut. Er wollte nicht weiter darüber diskutieren. Nicht jetzt und nie wieder! Sam akzeptierte das mit einem traurigen Lächeln. In ihrer Wohnung angekommen nahm Dean sich den Karton vor. Ein Karton! Das war alles, was vom Leben seines Erzeugers übriggeblieben war. Ein Karton mit ein paar Fotos … von Adam. Alles in Dean begann sich zu verkrampfen. Adam! Das besondere Kind! Er sammelte die Fotos aus dem Karton und packte sich verkehrt herum in den Deckel. Vielleicht wollte Adam die ja haben. Dann war da die Liste auf der John alle seine Lagerräume aufgeführt hatte. Dahinter standen die Codes der Schlösser und die Kontonummern, über die wohl die Miete für diese Lager gezahlt wurde. Die würden sie möglichst bald prüfen müssen. Er legte sie zur Seite. Blieb noch ein Umschlag, auf dem einfach nur Dean stand. Ein ungutes Gefühl explodierte in seinem Magen und stieg die Speiseröhre hinauf. Er atmete tief durch, besser jetzt als gleich, dann hatte er es wenigstens hinter sich, riss den Umschlag auf und begann zu lesen. Dean, Sam Die anderen Unterlagen habt ihr sicher schon gesichtet. Die Lagerräume sind für 10 Jahre gemietet. Kümmert euch darum und pass auf Sam auf, Dean! Außer euch habe ich noch einen Sohn. Adam Milligan. Er lebt mit seiner Mutter in Windom, Minnesota. Er weiß nichts von euch und unserem Leben und ich erwarte, dass das so bleibt! Das ist ein Befehl, Dean! Ich erwarte, dass auch Sam sich daran hält! Schaut hin und wieder nach ihm. Dad Dean hatte eigentlich gedacht, dass ihn die Fahrt von Terre Haute hierher wieder beruhigt hätte, aber … Ein Befehl! Natürlich. John befahl. Nach ihm schauen! Ein Befehl! Klar! Sie waren ja auch nur die Kinder, die seinen Befehlen zu folgen hatten. Denn da gab es ja noch das andere Kind. Das, mit dem man das friedliche Leben zelebrieren konnte, mit dem man zum Football und zum Baseball gehen konnte. Das Kind, dem man mit 15 ein Bier kaufte. Deans Hand krampfte sich zusammen und zerknüllte so diesen unsäglichen Zettel. Sam, der seinen Bruder die ganze Zeit mehr oder weniger genau beobachtet hatte, sprang von seinem Stuhl auf, ging zu ihm und nahm ihm das Blatt aus der Hand. Schnell überflog er die Zeilen und zerknüllte den Zettel endgültig. Wütend warf er ihn in den Papierkorb. Er drehte sich wieder zu Dean und legte ihm die Hand auf den Arm. Vielleicht konnte er ihn so ja aus dem Strudel reißen, in dem er gerade zu versinken drohte. Verdammt! Selbst aus dem Grab heraus, musste John ihnen noch die Faust in den Magen rammen. Immer, wenn es ihnen endlich gut ging, musste der wieder auftauchen. „Ich hasse ihn für das, was er dir angetan hat!“, erklärte Dean rau. Sam zuckte zusammen. Jetzt war er in seinen Gedanken versunken gewesen. „Er hat es nicht nur mir angetan, dir noch viel mehr!“ „Ich bin ...“ „Nein, Dean. Nein, nein, und nochmals nein! Du bist genauso wichtig und hast genauso Gefühle wie ich und wie jeder Mensch. Bei dir ist es eher noch schlimmer, denn du kanntest Mom und ihre liebevolle Art. Du kanntest das andere Leben auch mit ihm. Ich bin so aufgewachsen. Für mich gab es nur dieses Herumziehen, seine lieblose Art und dass er mich dir auf´s Auge gedrückt hat. Für mich warst du der Anker, die Mauer in deren Windschatten ich mich ausprobieren konnte. Ohne dich wäre ich genauso geworden, wie er ...“ Er schluckte. „und wahrscheinlich schon lange tot. Du hast uns am Leben gehalten und du tust es noch immer. John hatte kein Recht dir diesen unsäglichen Befehl zu geben, damals im Krankenhaus und er hat kein Recht uns zu befehlen, auf Adam aufzupassen. Der hat sein Leben und wir haben unseres.“ Irritiert schaute Dean seinen kleinen Bruder an, dann nickte er langsam. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ „Nicht nur wahrscheinlich! Ich habe Recht!“ „Trotzdem tut es weh. Ich meine, er weiß nicht, wie wir inzwischen leben. Wir könnten schon lange tot sein! Gefehlt hat nun wahrlich nicht mehr viel. Ich …“ Dean schaute Sam in die Augen. „Ganz ehrlich? Diesen Teil meines Lebens hätte die Amnesie behalten können.“ „Dieser Teil deines Lebens ist aber der, der dich zu dem wundervollen Menschen gemacht hat, der du jetzt bist. Auch wenn es weh tut. Im Endeffekt ist es schon richtig, dass es ihn gibt.“ Dean zuckte mit den Schultern. Sein Blick fiel auf den Deckel der Schachtel. „Was machen wir mit den Fotos? Schickst du sie Adam?“ „Ja. Wird eh mal wieder Zeit mit ihm zu telefonieren“, erwiderte Sam und zog sein Handy aus der Tasche. Während Sam mit ihrem Halbbruder sprach, rief Dean Bobby an, um ihm von der neuesten Entwicklung zu erzählen und sie kamen überein, dass Dean ihm die Liste schicken würde. Bobby wollte dann entweder selbst hinfahren und diese Räume leeren oder andere Jäger hinschicken. Sie sprachen noch eine Weile über ganz alltägliche Dinge, bevor sie auflegten und so hatte der Winchester Zeit seine aufgewühlten Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen. Bobby kochte allerdings immer noch vor Wut. Er schob das kleine Mobilteil in seine Hosentasche, atmete durch. „Dieser verdammte Winchester“, machte er sich polternd Luft. „Was hat Dean angestellt?“, fragte Jody erschrocken. „Dean? Wieso Dean?“ „Naja, über Sam fluchst du eher selten.“ Sie grinste. „Nein. Keiner der Jungs. John! Ich meinte John“, und er erzählte ihr von dem Anwalt und dem Brief. „Wie konnte er nur?“, fragte sie, wieder einmal entsetzt über den Umgang dieses Mannes mit seinen Söhnen, oder eher mit dem älteren seiner Söhne. „Das frage ich mich, seit er das erste Mal mit den beiden Jungs bei mir war, seit er sie hier abgeladen hatte und fast sofort zu einer Jagd verschwand“, erklärte der alte Jäger leise. „Du weißt ja, dass ich nie Kinder wollte, aber diese zwei Jungs zu haben, war ein Segen. Am liebsten hätte ich sie nie wieder hergegeben und es tat unheimlich weh, als sie wegblieben, weil ich mich mit John überworfen hatte, wegen ihrer Erziehung, übrigens.“ „Aber sie sind wieder da.“ „Ja, und ich könnte nicht glücklicher sein. Sie sind die Kinder, die ich nie hatte und ich möchte sie nicht missen.“ „Ich auch nicht“, erklärte Jody ernst. Bobby zog sie in eine feste Umarmung und sie schmiegte sich an ihn. „Dean?“, fragte Sam und schaute zu seinem Bruder. Er hatte den Karton zu sich gezogen und wollte noch einmal alles in Ruhe durchgehen, nachdem Dean den einfach auf seinem Bett liegen gelassen hatte und sich in der Küche beschäftigte. Die Fotos von einem lachenden John mit Adam, beim Picknick und bei einem Football-Spiel, hatten alte Wunden aufgerissen und der Befehl seine Laune endgültig auf einen neuen Tiefpunkt gedrückt. Er wollte sich nicht mehr mit seinem Erzeuger befassen müssen, weder heute noch an irgendeinem weiteren Tag in seinem Leben. Er hatte immer gehofft, John irgendwann einmal gleichgültig gegenüberstehen zu können, doch das würde wohl kaum bis nie passieren. Jetzt schaute er auf. „Was gibt’s?“ „Hier ist ein Brief.“ „Verbrenn ihn!“ „Nein, nicht der Brief. Einer an John, über den Anwalt. Scheint eine weibliche Handschrift zu sein.“ Ungläubig drehte Dean sich um. „Noch eine seiner Liebschaften? Ich will es nicht wissen! Der Mann samt seines kompletten Anhangs, ist für mich gestorben!“ „Ich also auch?“, konnte Sam seinen Gedanken nicht zurückhalten. „Du weißt was ich meine!“ „Ich weiß, Dean. Trotzdem bin ich neugierig.“ „Dann ließ ihn doch. Tote haben kein Postgeheimnis mehr, denke ich.“ Sam riss den Umschlag auf. Es war die Handschrift einer Dame. Schön geschwungen und ausdrucksstark. Mein lieber John, ich fühle, dass sich mein Leben dem Ende nähert und ich würde mich freuen, Dich noch einmal zu sehen. Es gibt da etwas, das ich mich nie getraut habe, dir zu sagen: Ich bin deine Tante. Henry Winchester, Dein Vater, war mein kleiner Bruder. Es war kein Zufall, dass ich damals in dem Diner aufgetaucht bin, aber ich denke, dass ahntest Du bereits, als ich Dir all diese Fragen gestellt habe, denn nachdem Du mir Deinen Namen nanntest, musste ich einfach Gewissheit haben. Bitte John, wenn Du diesen Brief erhältst, ruf mich an. Solltest du mich nicht erreichen, melde dich bitte bei Seamus Ó Flannagáin Tel. 5552798 Deine, Dich liebende Tante, Elisabeth Kapitel 67: It´s no good ------------------------ 067) It´s no good „Sag mal, hat ... John ...“, begann Sam unsicher. Dean drehte sich zu seinem Bruder um und lehnte sich an die Küchenzeile. „Du kannst ruhig weiter Dad sagen, Sam. Wegen mir musst du nicht ...“ „Es ist nicht wegen dir!“, wehrte Sam vehementer ab, als er wollte. „Es ist sein Verhalten. Dieser Befehl hier hat das Fass für mich zum Überlaufen gebracht. Ich meine, du hast dich ja schon länger von ihm als Vater distanziert und jetzt reicht es mir auch endgültig. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder versucht ihn zu verstehen, ihn so zu akzeptieren, ja auch weil ich mich schuldig fühlte, wie ich ihn früher behandelt habe, aber jetzt ist es endgültig genug! Er hat nicht wirklich wie ein Vater gehandelt, warum soll ich ihn dann noch als solchen sehen? Es ist nur irgendwie schwer, Gewohnheiten zu ändern. Selbst so eine.“ Er schnaufte frustriert und fuhr sich durch die Haare. „Hat … John je von einer Elisabeth gesprochen?“ „Nein, warum?“ Sam hielt seinem Bruder den Brief hin. „Sie ist oder war seine Tante und sie hatte ihn gebeten, mit ihr Kontakt aufzunehmen.“ Dean überlegte während er zu Sam ging. „Nein. Er hat immer nur gesagt, dass er aus einer Familie von Mechanikern stammte. Sein Vater ist verschwunden, als er Kind war und seine Mutter?“ Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ Er überflog den Brief. „Steht auf dem Umschlag, woher der kommt?“ Sam wendete den Umschlag, kein Absender, dann versuchte er auf der Briefmarke etwas zu erkennen, doch: „Nein. Nichts.“ „Wir wissen woher John kommt, also Geburtstag und Geburtsort. Wir könnten, in deinen Ferien, und nur, wenn es uns brennend interessieren würde und wir Zeit hätten ..., ja mal nach Normal, Illinois fahren und im Geburtsregister suchen. Vielleicht würden wir da mehr über ihn finden“, überlegte Dean. „Oder du versuchst es online.“ „Vielleicht. Mal abgesehen davon. Der Brief ist fast sechs Jahre alt. Meinst du, sie lebt noch?“ „Möglich wäre es“, nickte Dean. „Wir könnten auch einfach diesen Seamus anrufen. Seine Nummer steht ja hier“, erklärte Sam leise. „Wenn du unbedingt willst …?“ Sam nickte wieder. „Interessieren tut es mich schon.“ „Sag doch einfach, dass du neugierig auf etwas mehr Familie bist“, grinste Dean und zuckte mit den Schultern. „Meinen Segen hast du“, erklärte er und ging wieder in die Küche. Er holte den Salat aus dem Kühlschrank und machte sich daran, ihr Essen weiter vorzubereiten. Sam holte sein Handy hervor und wählte die Nummer, die in dem Brief stand. Nach ein paar Mal klingeln, meldete sich ein, der Stimme nach, älterer Herr und Sam erklärte woher er diese Nummer hatte und dass sein Vater, John Winchester, vor fast sechs Jahren verstorben sei. „Hm“, grummelte der Mann. „Mrs. Elisabeth hat etwas für Ihren Vater hinterlegt. Würde es Ihnen etwas ausmachen, herzukommen, um es zu holen? Und planen Sie etwas Zeit ein.“ „Okay?“, erklärte Sam unsicher. Dean, der bis dato in aller Ruhe Tomaten geschnitten hatte, drehte sich wieder zu Sam um. Das Messer mit der Spitze nach oben zeigend in der Hand. „Und wann?“ „Wie wäre es morgen?“ „Nein, tut mir leid. Morgen passt es uns nicht. Mal abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wo wir Sie treffen sollten!“ „In Bloomington, Indiana.“ „Wo?“, platzte Sam ungläubig hervor. „In Bloomington, Indiana“, erklärte Seamus O´Flannagáin genervt. „Okay“, dehnte Sam und ging zur Tür, an der sein Stundenplan und Deans Einsatzplan und ab nächster Woche auch der Stundenplan für den Firmengründerlehrgang hingen. „Wir können Montagnachmittag da sein, so gegen 14.30, 15 Uhr“, erklärte Sam etwas heiser. „Gut, dann sehen wir uns Montagnachmittag“, antwortete Seamus und gab Sam eine Adresse. „Was ist am Montag?“, wollte Dean jetzt wissen. „Dieser Seamus hat etwas für John von einer Mrs. Elisabeth. Ich denke mal, dass das diese ominöse Tante sein wird. Wir sollen uns am Montag mit ihm treffen.“ Sam machte eine bedeutungsschwere Pause. „Hier in Bloomington!“ „Hier? Wieso treiben sich alle, die etwas von John wollen in Indiana rum und wieso verschlägt es uns gerade hierher?“ „Keine Ahnung“, Sam zuckte mit den Schultern. „Zufall? Eine höhere Macht? Mysteriös ist es schon.“ „Also wenn es diese Macht ist, würde mich schon interessieren, ob die uns freundlich gesinnt ist, oder ob wir schnellstens hier verschwinden sollten?“ „Jetzt male mal nicht den Teufel an die Wand. Bislang hat sich alles zum Guten gewendet, also …?“ „Du bist und bleibst ein hoffnungsloser Optimist!“, bestimmte Dean. „Aber mal zurück zu dem ETWAS. Wer weiß was das sein wird.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Ein paar tausend Dollar wären schön.“ Er wehrte Sams noch nicht ausgesprochenen Einwand mit einer kurzen Handbewegung ab. „Ja ich weiß, wir haben noch genug Geld bei Bobby. Aber vielleicht willst du ja mal eine Kanzlei eröffnen oder wir gründen Familien. Der Ausbau des Hauses wird einiges kosten und niemand weiß, wie gut der Schrottplatz laufen wird. Ich muss mir erst einen Namen machen. Also ja. Ein paar Dollar wären sicher willkommen.“ „Du entwickelst dich zu einem Materialisten!“, lachte Sam. „Naja, als normale Bürger brauchen wir wohl oder übel Geld und sollten das auch ohne Kreditkartenbetrug in die Kasse bekommen. Das Leben als normaler Bürger ist verdammt teuer.“ „Und dabei haben wir bestimmt noch nicht alle Belastungen, die ein Mensch so haben kann.“ „Na zum Glück.“ Sam ging zur Tür und trug den Termin für Montag ein, während Dean sich wieder dem Essen zuwandte. Große Erwartungen hatten weder er noch sein Bruder an diesen Termin. Am Montag holte Dean Sam von der Uni ab und fuhr mit ihm zum Büro dieses Mr. O´Flannagáin. Es war ein einziges Zimmer, ziemlich versteckt, nur über einen Hinterhof zu erreichen. „Gut, dass du dir das über Google angeschaut hast. So hätten wir das wohl nie gefunden“, grummelte Dean, dem dieser Termin irgendwie Bauchschmerzen bereitete. Er konnte nicht mal sagen warum, aber er fühlte sich schon den ganzen Tag unwohl. Vielleicht bekam er aber auch nur eine Erkältung. Er hatte den ganzen Samstag in einer zugigen Halle gestanden und an Joshs Wagen geschraubt. So ganz abwegig war das nicht. Sam klopfte an die Tür. Sie schwang auf und Dean prallte gegen ihn, weil der, im Gegensatz zu ihm selbst, sofort losgelaufen war, während er noch ungläubig auf den Mann starrte, der hinter der Tür zum Vorschein kam. Er war ziemlich klein und drahtig, hatte rote Haare und einen roten Vollbart. Sah also genau so aus, wie Sam sich immer einen Kobold vorgestellt hatte, nur dass er weder leuchtend grüne Hosen noch eine solche Jacke trug. Hastig machte Sam einen Schritt in den Raum und nun war es Dean, der kurz erstarrte, bevor er sein Pokerface aufsetzte. „Mr. O´Flannagáin?“ bemüht ruhig musterte er sein Gegenüber. „Der bin ich! Nehmen sie doch Platz“, schnarrte O´Flannagáin und deutete auf die Stühle vor dem Schreibtisch. Er selbst wuselte um den wuchtigen Tisch herum und setzte sich. Jetzt sah er doch gleich um einiges größer aus, stellte Sam erstaunt fest. „Können sie sich ausweisen?“ Die Brüder holten ihre Ausweise heraus und Dean legte noch zusätzlich seinen Führerschein auf den Tisch. Hoffentlich war das kein Fehler. „Was wissen sie über Mrs. Elisabeth?“, fragte Seamus, während er die Dokumente an sich nahm und einen Blick darauf warf. „Nur das was in dem Brief steht“, erwiderte Sam. „Bis vor ein paar Tagen wussten wir nicht einmal, dass sie existierte.“ „Und ihr Vater starb?“ Sam nickte. „Vor fast sechs Jahren an den Folgen eines Autounfalls. Sie sagten, Mrs. Elisabeth hat unserem Vater etwas hinterlassen?“ „Ja, dazu müssen wir kurz vor die Tore der Stadt, sozusagen,“ Er gab die Papiere zurück. „Können sie mich mitnehmen?“ „Wenn Sie das wollen“, erklärte Dean äußerlich ruhig. Was wollten sie da draußen? Liefen sie hier in eine Falle? So ganz geheuer war ihm diese Angelegenheit noch immer nicht, aber ihm fiel auch kein offensichtlicher Grund ein, warum er ablehnen sollte. Hoffentlich bereute er das nicht gleich. Das ungute Gefühl verstärkte sich weiter. Er warf Sam einen fragenden, warnenden Blick zu. Doch auch dem fiel so schnell nichts ein, um ablehnen zu können. Naja. In ihrem Wagen waren sie vorerst sicher und sonst hatte er seinen Colt dabei, neben Weihwasser. Außerdem trug Sam seine Beretta. Sofort sprang O´Flannagáin auf und wuselte zur Tür. Die Brüder folgten ihm langsam. Gemeinsam gingen sie zu dem Wagen. „Sie fahren den Impala?“, stellte O´Flannagáin fest und lief einmal um den Wagen herum. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er die etwas dilettantisch eingekratzten Buchstaben DW und SW sah. Elisabeth hatte ihm dieses kleine Erkennungsmerkmal genannt, genau wie die Legosteine, die in der Lüftung leise klapperten. Die Suche nach diesen kleinen Merkmalen waren auch der Grund, warum er mit diesen Winchesters mitfahren wollte. Mrs. Elisabeth hatte ihm einmal davon erzählt, und später auch verlauten lassen, dass John den Wagen an seinen Sohn weitergegeben hatte. Seamus war sich sicher, dass jemand der so einen alten Wagen liebte und pflegte, das Haus genauso behandeln würde. Während der Fahrt saß O´Flannagáin zwar auf der Rückbank, hing aber mehr oder weniger mit seinem Oberkörper über der Rückenlehne der Vordersitze und lotste sie so immer weiter Richtung Norden, genau den Weg, den Dean zum Schrottplatz nahm und Dean fragte sich gerade, was Stan mit dieser Mrs. Elisabeth zu tun haben könnte, als sie nach Osten abbogen. „Hier, hier gleich rechts“, rief Seamus und wedelte mit der Hand vor Deans Nase herum. „Wenn Sie Ihre Hand nicht sofort aus meinem Gesicht nehmen, wird mein Bruder Sie auf der Stelle erschießen!“, knurrte Dean. „Wird er?“, fragte O´Flannagáin spöttisch. „Wird er“, erwiderte Sam ruhig, bevor er seinen Kopf zu ihrem Passagier drehte und ihm ernst in die Auge sah. „Okay, okay“, knurrte der, ließ sich gegen seine Rückenlehne fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. 'Doch ein Kobold', war sich Dean fast sicher während er einen Blick in den Rückspiegel warf. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Also ich wäre hier rechts abgebogen!“, erklärte der Kobold schnippisch. Dean trat auf die Bremse, fuhr rückwärts und erst, als er den Vorwärtsgang wieder einlegte, sah er den fast komplett überwucherten Briefkasten und daneben die Schneise, die durch den Wald führte. Er setzte den Blinker und fuhr in den Wald, der sich als mehr als 50 Meter breiter Streifen mit Bäumen und Gestrüpp entpuppte, der ein riesiges Grundstück umschloss. Vielleicht 20 bis 30 Meter hinter dem Waldstreifen stand ein Häuschen, etwas kleiner als Bobbys. Automatisch trat Dean auf die Bremse. „Das ist es nicht, Sie müssen schon weiterfahren“, erklärte O´Flannagáin gelangweilt und deutete den Hügel vor ihnen hinauf, der hinter einer Baumkrone hervor lugte. Dean warf ihm im Rückspiegel einen kurzen Blick zu und gab wieder Gas. Er lenkte den Impala den S-förmig geschwungenen Weg entlang, nur um ein paar Meter weiter schon wieder auf die Bremse zu treten. Der ehemals gepflegte Rasen war mit Löwenzahn übersät und überall wuchsen Sträucher und Büsche zwischen den wenigen großen Bäumen. Hier war schon lange niemand mehr tätig gewesen. Dazu passte auch der Eindruck, den das riesige, düstere Herrenhaus vermittelte, dass immer mehr hinter der Baumkrone hervorkam. Überall hing toter Efeu an den Wänden. Die meisten Fensterscheiben waren eingeschlagen worden. Die Fassade bestand aus riesigen Steinen und wirkte als würden einige von ihnen bald herausfallen. Alles in Allem sah es hier aus, als sollte das die Kulisse für den nächsten Stephen King Film werden. Deans Nackenhaare stellten sich auf. Er warf Sam einen fragenden Blick zu. Auch der fühlte sich bei dem Anblick alles andere als wohl. Kapitel 68: Dream on -------------------- 068) Dream on „Wollen sie bis zum Portal laufen?“, quengelte O´Flannagáin, „Oder hat diese olle Karre nun endgültig den Geist aufgegeben?“ „SIE können gleich laufen“, fuhr Dean ihn an und Seamus fühlte sich bemüßigt, seine Hände beschwichtigend zu heben. „Schon gut, schon gut. Trotzdem können Sie bis ans Haus heranfahren! Es beißt nicht. Es sieht nur so aus.“ Da war sich Dean nicht so sicher. So wie das Haus aussah konnte es … „Sind wir hier in einem Stephen King Roman gelandet?“, fragte Sam leise und bestätigte so unbewusst Deans Gedanken. Er begann einen Exorzismus zu murmeln. „Das frage ich mich auch gerade“, nickte Dean. Er warf einen Blick auf den Mann hinter sich, doch der schien entweder nichts zu spüren oder er wusste Bescheid. Beides sprach nicht gerade für ihn. Im Spiegel konnte O´Flannagáin das Minenspiel des älteren Winchester beobachten und er amüsierte sich köstlich. Er wusste ja wie das Haus wirkten sollte, auch wenn er nicht erwartet hatte, dass diese Beiden so heftig darauf reagierten. Waren sie doch keine Familienangehörige? Hatte Mrs. Elisabeth bei ihrem Abwehrzauber nur ihre direkte Blutlinie ausgenommen? Geholfen hatte dieser Zauber ja leider nicht wirklich. Hatte er vielleicht sogar genau das Gegenteil von dem bewirkt, was er bewirken sollte? Er würde abwarten. „Es beißt wirklich nicht“, sagte er etwas ruhiger. Dean atmete durch und fuhr bis vor das Portal. Kaum stand der Impala, sprang Seamus auch schon heraus. Das Haus schien plötzlich etwas weniger bedrückend. Fragend schauten sich die Brüder an. Dean schüttelte leicht den Kopf und Sam zuckte mit den Schultern. Zeitgleich öffneten sie die Türen und stiegen aus. Sofort begann Seamus O´Flannagáin zu plappern: „Mrs. Elisabeth hat vor einigen Jahren einen Teil des Kellers zu einer Tiefgarage umbauen lassen. Die Einfahrt ist gleich hier rechts neben dem Haus und es passen vier Autos hinein. Im hinteren Bereich des Anwesens gibt es einen Schwimmteich. Mrs. Elisabeth ist für ihr Leben gern geschwommen. Jetzt ist er allerdings verwildert und ...“ „Wer ist diese Mrs. Elisabeth? Was hatte sie für unseren Vater und was wollen wir hier?“, platzte Dean nun endgültig der Kragen. Dass es genau dieses Horrorkasten sein sollte, wollte er einfach nicht glauben. Seamus verdrehte die Augen. Er hasste es unterbrochen zu werden. Statt einer Antwort stieg er die Stufen zu der Eingangstür hinauf, schloss auf und trat in die große Halle. Zähneknirschend mussten ihm die Brüder folgen. Erst als sie neben ihm standen, begann er zu erklären. „Mrs. Elisabeth Newton, geborene Winchester. Ihr Mann war Erbe einiger Steinbrüche und der dazugehörigen Werke, um die Steine zu verarbeiten. Hier in Indiana. Dieses Anwesen war zuerst nur ein Landhaus ist in späteren Jahren, nachdem Mr. Newton alles verkauft und sich zur Ruhe gesetzt hatte, zu ihrem Alterssitz erweitert worden. In den Jahren nach Mr. Newtons Tod zog sich Elisabeth immer weiter aus der Öffentlichkeit zurück. Sie ist ihre Großtante und das was sie ihrem Neffen, jetzt also ihnen vermachen will, ist dieses Anwesen! Warum sonst sollte ich mit ihnen hier rausfahren?“ „Dieser Kasten?“, platzte es aus Dean heraus. Er wollte das einfach nicht glauben, auch wenn er es schon befürchtet hatte. „Was sollen wir mit so einem Kasten? Wir hätten zurzeit nicht mal die Möglichkeiten ein kleines Haus instand zu halten, geschweige denn zu sanieren, wie es hier der Fall wäre!“ O´Flannagáin reagierte nicht auf Deans Einwurf. Er ging zur zweiten Tür rechts, öffnete diese und trat ein. „Hier ist die Küche. Gut, sie sieht furchtbar aus und riecht noch schlimmer. Im ganzen Haus haben Diebe nach Verwertbarem gesucht und der eine oder andere Obdachlose hat hier auch gehaust, aber als Mrs. Newton noch lebte, war hier in diesem Raum das Zentrum des Lebens. Sie liebte es zu kochen. Also hier ist die Küche, gerade durch gibt es eine Frühstücksecke und den Durchgang zum großen offiziellen Esszimmer mit einer riesigen Glasfront. Darunter befindet sich die Garage. Hier rechts geht es zum Familienesszimmer mit Kamin. Auf der linken Seite des Hauses ist vorn ein Herrenzimmer und gegenüber dem Esszimmer die Bibliothek, dahinter war der Ballsaal und darunter das Schwimmbad. Wie ich schon erzählte, liebte sie es zu schwimmen. Oben sind die Schlafzimmer der Familie und unter dem Dach wohnte die Dienerschaft.“ „Selbst wenn wir das Ding hier übernehmen wollen wollten“, erklärte Dean mit erzwungener Ruhe, „wir könnten es uns nicht leisten. Außerdem ist es viel zu groß für uns!“ „Mrs. Elisabeth hat hier alleine gelebt!“, wischte O´Flannagáin diesen Einwand beiseite. „Wir können das nicht ...“, wehrte jetzt auch Sam ab. „Kommt Zeit, kommt Rat“, würgte der Verwalter sie ab und ging zur Treppe. „Ich werde hier noch das eine oder andere erledigen und mir ein Taxi rufen. Sie müssen also nicht auf mich warten.“ Die Brüder tauschen einen kurzen Blick. Warf er sie gerade raus? Egal! Hier hatten sie eh nichts mehr verloren. Gemeinsam gingen sie zum Impala, stiegen ein und Dean lenkte den Wagen den Weg zurück zur Straße. Auf halbem Weg drehte sich Sam noch einmal um. O´Flannagáin stand auf der Treppe und schaute ihnen nach und das Haus hüllte sich wieder in diese düstere, abweisende Aura. War das nur eingebildet? Im Haus hatte er das nicht gespürt! Es war verwahrlost, ja. Die zerschlagenen Fenster, die zerschlissene Couch und der Müll, den er in den Ecken hatte liegen sehen, aber sonst? Er schüttelte den Kopf und gab sich für eine Minute dem Traum hin, hier eine Familie zu haben und Kinder groß zu ziehen. Es wäre bestimmt toll! „Du denkst darüber nach“, stellte Dean leise fest. „Irgendwie schon“, gab Sam zu. „Wir können es uns nicht leisten!“ „Ich weiß, aber ein bisschen träumen darf man doch, oder?“ „Ein bisschen!“ Endlich war der Wagen verschwunden. O´Flannagáin ging zurück ins Haus, nahm seine wahre Gestalt an und war mit einem Fingerschnippen verschwunden. Zurück in ihrer Wohnung begann Sam das Internet nach Mrs. Elisabeth Newton und dem Anwesen zu durchsuchen. So ganz geheuer war ihm diese Dame nicht. Das mit dem Haus, das fühlte sich so an, als ob ein Zauber darauf liegen würde. Aber wenn das wirklich so war, wer war sie dann? Wie hatte sie es gemacht und war sie wirklich ihre Großtante? Zeitgleich telefonierte Dean mit Bobby und brachte ihn auf den neusten Stand in Sachen Tante Elisabeth. Auch ihm spukten so einige Zweifel im Kopf herum und er bat Bobby, ob der nicht mal seinen Hacker fragen konnte. Vielleicht fand dieser Frank ja etwas heraus, was Sam entging. Innerhalb der nächsten Tage trugen sie jede Menge Fakten über diese Frau zusammen. Ja, es gab sie wirklich. Sie fanden Fotos und Zeitungsausschnitte über ihre karitativen Aktivitäten. Es gab Bilder wie sie Gemälde kaufte oder für den guten Zweck versteigerte. Sie war eine schöne Frau und mit ihrem Mann auf fast jeder Party zu finden gewesen, doch nach seinem Tod zog sie sich immer mehr zurück. In dieser Beziehung hatte dieser Verwalter Recht gehabt. Außerdem fand Sam etliche Bilder vom Grundstück und auch vom Inneren des Hauses. „Hoch herrschaftlich“, kommentierte Dean lakonisch. „Das ist wirklich nichts für uns.“ Sam lauschte diesen Worten nach. Klang sein Bruder irgendwie ein bisschen traurig? Würde er doch gerne da wohnen, traute sich aber nicht, es zuzugeben? Er selbst war ja auch total hin und her gerissen. Einerseits sagte ihm die Vernunft, dass es vollkommen unmöglich war, andererseits war da der Wunsch, der Traum von Familie und Kindern und das Anwesen da draußen wäre genau der richtige Ort dafür. „Du denkst über das Haus nach?“, fragte er also frei heraus. „Du nicht?“, antwortete Dean mit einer Gegenfrage und nickte gleichzeitig. „Ja. Mir spukt das Ding im Kopf herum, aber ganz ehrlich? Wir können es uns nicht leisten, also ist es nur ein schöner Traum.“ „Ich weiß, dass wir es uns nicht leisten können, aber mal abgesehen davon? Mein Studium und deine Feuerwehr waren auch nur schöne Träume und jetzt sieh uns an.“ Dean legte den Kopf schief und musterte seinen Bruder. „Trotzdem ist das was Anderes. Ja, es war schwer aus unserem Leben heraus zu kommen und ich gebe zu, dass es wohl nur wenige Jäger gibt, die das schaffen, trotzdem! Meine Ausbildung hat der Pokergewinn bezahlt. Dein Studium finanzieren wir über dein Teilstipendium, dieses Apartment hier, unsere Jobs und den Pokergewinn. Und das auch nur, weil Bobby sich als ein genialer Finanzstratege entpuppt hat. Dieses Haus umzubauen würde wahrscheinlich Millionen kosten und wir haben schon den Schrottplatz am Hals. Ich finde einfach keinen Weg wie wir das stemmen könnten. Und du?“ Sam zuckte mit den Schultern. „Wenn ich da an Bobbys Haus denke, das habt ihr doch auch wunderbar hinbekommen.“ „Da gab es aber auch das Kapital in der Hinterhand. Willst du eine Freundin in das Haus da draußen einladen?“ „Willst du eine Freundin hierher einladen?“, konterte Sam. Dean schüttelte den Kopf. „In der letzten Zeit hatte ich so viel um die Ohren, dass da nicht mal ein Gedanke an eine Freundin Platz hatte. Aber wenn der Schrottplatz fertig ist, also wenn Stan umgezogen und wir das Haus da umgebaut haben, dann ginge das schon.“ „Da hätten wir auf Dauer aber das Problem, dass wir irgendwann ein zweites Haus anbauen müssen. Für zwei Familien ist es zu klein!“ „Du willst dieses Haus?“, fragte Dean unsicher. „Ich spiele nur unsere Optionen durch“, erwiderte Sam. Dean schwieg. Irgendetwas an diesem Haus hatte ihn angesprochen, trotz des horrormäßigen Aussehens und das beunruhigte ihn zutiefst. Kurz darauf rief Bobby an und gab ihm durch, was Frank über Mrs. Newton und das Anwesen gefunden hatte. Es deckte sich im Großen und Ganzen mit ihren Rechercheergebnissen, machte sie also auch nicht schlauer und half auch nicht, das Für und Wider dieses Erbes abzuwägen. Genervt von diesem Hin und Her ging Dean an diesem Abend ins Bett. Immerhin hatte er morgen frei und konnte sich bei Stan auf dem Schrottplatz so richtig auslassen! Das letzte Mal, bevor er mit dem Lehrgang für Firmengründer beginnen würde. Langsam lenkte Dean den Impala den Weg entlang zum Haus. In Schein der Sonne hob sich der Sandstein hell leuchtend von den grauen Backsteinen der Fassade ab. Die Blätter des Efeus, der sich an den Ecken des Hauses empor rankte, spielten leise im Wind. Auf der Schaukel, die in den Ästen der mächtigen Linde hing, die neben dem Haus stand, saß sein Kind und ein anderes schubste es an. Jauchzend warf es seine Beine in die Luft. Er stellte den Wagen ab und stieg aus. Sam stand am Grill und winkte ihm mit der Grillzange zu. Mom und Bobby saßen an dem Tisch unter dem Baum, an dem sie im Sommer fast immer aßen. Jody würde wohl den Frauen helfen. Oder sie musste arbeiten, die Arme. Ein Kind kam wie ein Wirbelwind über die Wiese geschossen, Marley in seinem Schlepptau, und warf sich ihm in die Arme. „Daddy!“ Er wirbelte es herum. Eine Frau kam die Treppe herunter. Sie trug eine Schüssel. Er stellte das Kind ab, warf einen Blick in die Schüssel und umarmte sie. „Hey“, wisperte er in ihr Haar und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Salat?“, grummelte er leise. „Das Fleisch ist schon bei Sam auf dem Grill“, lachte sie. „Dann sollte ich mich aber beeilen, bevor es schwarz wird.“ Dean grinste. „Du wirst doch wohl nicht über meinen Mann lästern?“ Eine weitere Frau drohte ihm spielerisch mit einem Kochlöffel. Lachend schob Dean seine Frau vor sich. „Daddy? Spielst du mit uns?“, rief ein Kind. Es hielt ein Frisbee in der Hand, während ein Hund aufgeregt vor ihm hin und her sprang. Etwas polterte und dann dran das unterdrückte Fluchen seines Bruders an sein Ohr. Aber der stand doch am Grill. Hatte der … Er drehte sich zu ihm um, öffnete die Augen und sah, dass er in seinem Bett lag. Er schnaufte. Die aufkommende Enttäuschung schob er energisch beiseite und versuchte noch eine Weile diesen schönen Bildern nachzuhängen doch sie zerfaserten und lösten sich im Licht des erwachenden Tages auf, aber die Erinnerung daran hatte er ganz tief in seinem Inneren gespeichert. Kapitel 69: Fairytales ---------------------- 069) Fairytales Er setzte sich auf, fuhr sich durch die Haare, stellte die Ellenbogen auf die Knie und legte sein Gesicht in die Hände. „Willst du auch einen Kaffee?“, fragte Sam und schob die Tür ganz auf, warum auch immer die halb offen stand. Er hatte Deans Füße gesehen und wenn der schon wach war ... „Dean?“, fragte er alarmiert. Fast sofort schaute der Ältere auf und ließ Sam stutzen. Er hatte erwartet, dass sein Bruder ein Problem wälzte, einen Albtraum gehabt hatte, aber nicht, dass er verträumt schaute. „Alles gut“, erwiderte der nun auch, seufzte und stand auf. „Willst du das das Haus immer noch?“ „Meine Meinung ist noch die von gestern. Wollen? Gefühlt ja, realistisch wohl besser nicht.“ „Und wenn wir einfach mal nicht realistisch sind? Wenn wir unser Leben realistisch betrachten, dürften wir eigentlich nicht mehr leben“. Dean schaute seinen Bruder offen an. „Deshalb versuchen wir es ja jetzt mit einem echten, realen Leben.“ Sam grinste. „Was hat deine Meinung geändert?“ „Geändert?“ Dean schüttelte den Kopf. „Ich schwanke die ganze Zeit hin und her und versuche mir immer wieder einzureden, dass es nicht geht. Ich hätte schon gerne ein richtiges Zuhause, wo wir bleiben können und … Lach mich jetzt ruhig aus aber … Ich habe von Familie im Schatten dieses Hauses geträumt. Grillen, Kinderlachen. Auch wenn einiges in diesem Traum wohl Utopie war und ich gerade darüber nachdenke, ob der Traum sich damit als Absurdum darstellen wollte.“ Etwas hilflos zuckte er jetzt mit den Schultern. „Und wenn wir es einfach versuchen? Verkaufen können wir es ja immer, oder?“ „Würde es uns einer abnehmen?“ „Es gibt immer reiche Spinner. Man muss sie nur finden. Wird vielleicht nicht so einfach wie für einen restaurierten Oldtimer, aber ich denke schon, dass wir es loswerden können, egal in welchem Zustand. Vielleicht hatte Mrs. Elisabeth“, er versuchte die naselnde Art O´Flannagáins nachzuahmen, ja Fans, die gerne in ihrem Anwesen leben wollen. „Okay, dann machen wir´s“, nickte Sam und fühlte sich dabei irgendwie erleichtert. Müsste er nicht eher Angst haben vor dieser Aufgabe? Schnell schob er diese Gedanken beiseite. „Ich rufe diesen Kobold an“, sagte er und zog sein Handy hervor, bevor er alles zerdachte. „Du bist also auch der Meinung er ist einer?“, fragte Dean neugierig. „Ich denke, wenn wir die Probe machen würden, ja. Er ist einer. Ich frage mich nur, wie diese Elisabeth an den gekommen ist und wie sie ihn für ihre Zwecke einspannen konnte. Kobolde sind doch eher nicht für ihre freundliche Art bekannt“, antwortete Sam bevor er den Kaffee in die Tassen füllte. „Verrätst du mir was dich an deinem Traum irritiert hat? Was hast du gesehen?“ Dean schüttelte den Kopf. Er inhalierte das Aroma seines Kaffees. „Ich bin mit dem Impala nach Hause gekommen, die Straße zu dem Haus entlanggefahren. Du hast gegrillt. Kinder haben gespielt und unsere Frauen kamen aus dem Haus. Weder die Kinder noch die Frauen hatten Gesichter. Bei den Kindern war nicht mal ein Geschlecht zu erkennen.“ Er trank einen Schluck. „Bobby war da … und Mom.“ „Unsere Frauen kennen wir noch nicht und das Geschlecht unserer Kinder, wenn wir denn welche bekommen, auch nicht. Bobby könnte Urlaub bei uns machen. Nur Mom finde ich ein bisschen abwegig. Aber! So sehr wie du dir immer noch wünschst, dass sie nicht gestorben wäre, finde ich es dann wieder kaum seltsam, dass du sie in deinen Traum einbaust.“ „Du meinst also nicht, dass der Traum sich so als Utopie vorstellen wollte?“ „Nein, ich glaube nicht. Und wenn, werden wir es früh genug erfahren, oder?“ „Was, wenn sich das Haus doch als unverkäuflich herausstellt?“ „Dann muss ich die reichen Verbrecher verteidigen, um genug Geld zu verdienen, um das Haus halten zu können.“ Sam grinste schief. Dean starrte seinen Bruder irritiert an. „So viel liegt dir daran? Du würdest wirklich Verbrecher verteidigen wollen?“ „Nein, eigentlich nicht. Eigentlich sollte das ein Witz sein. Aber ich denke, dass wir es irgendwie schon schaffen werden. Dein Gehalt, meins und wenn wir doch mal heiraten, haben wir vielleicht ja noch zwei Verdiener mehr. Ich denke, wir kriegen es hin.“ Sam nickte zur Bestätigung und fügte ein ‚hoffentlich‘ in Gedanken hinzu. Er wollte es wirklich gerne und wusste noch immer nicht genau warum. „Okay.“ Jetzt nickte auch Dean. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir haben so oft Unmögliches möglich gemacht. Warum nicht auch das?“ Jetzt endlich suchte Sam die Nummer des Nachlassverwalters heraus und drückte die Wahltaste. Schon nach dem zweiten Klingeln ging O´Flannagáin dran und Sam machte mit ihm einen Termin aus. „Sie haben sich also entschieden?“, empfing O´Flannagáin die Brüder mit einem wissenden Lächeln, kaum dass sie durch die Tür getreten waren und deutete auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch. „Haben wir“", nickte Sam ernst. „Wir wollen das Erbe antreten.“ „Gut“, freute sich der Mann und unterdrückte das Bedürfnis, sich die Hände zu reiben. Er war ja so gut! Er zog eine Schublade seines Schreibtisches auf und holte einen Karton hervor, dem er eine Mappe entnahm, die er aufschlug. „Es gibt eine Klausel, die besagt, dass sie das Haus in den nächsten 20 Jahren nicht verkaufen dürfen.“ „Es gibt was?“, fragte Sam fassungslos. Fragend schaute er zu seinem Bruder. „Wer will das denn wie überprüfen?“, hakte Dean lauernd nach. „Ich werde das prüfen“, sagte O´Flannagáin und schaute Dean in die Augen. „Glauben Sie mir, dass ich es erfahre, wenn das Haus den Besitzer wechselt.“ Die Brüder hielten stumm Zwiesprache. Sam schaute fragend zu Dean, der mit einem Verdrehen der Augen antwortete, letztendlich aber mit den Schultern zuckte, den Kopf schief legte und nickte. „Okay. Wir stimmen dieser Klausel zu, wenn es sonst nicht noch irgendwelche Einschränkungen gibt!“, erklärte Sam entschieden. „Nein, keine.“ „Wir müssten also nicht selbst da wohnen. Wir könnten es auch vermieten?“, hakte Dean nach. „Oder abreißen oder weiter verfallen lassen?“ „Davon steht hier nichts. Das liegt in ihrem Ermessen.“ „Gut.“ „Wenn sie sonst keine Fragen haben, möchte ich sie bitten, Beide, hier zu unterschreiben.“ O´Flannagáin schob ihnen einen ausgearbeiteten Vertrag über den Tisch. „Was ist mit der Erbschaftssteuer?“, fragte Sam. „Können wir uns das überhaupt leisten? Das Grundstück muss Millionen wert sein ...“ „Darüber brauchen sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Das ist schon geregelt.“ „Woher wussten Sie, dass wir das Erbe annehmen werden“, fragte Dean bissig. So langsam roch ihm das alles sehr verdächtig. „Mrs. Elisabeth hat Regelungen getroffen, die diesen Punkt betreffen und besagen, dass sie sich damit nicht mehr belasten müssen.“ Wieder tauschte Sam einen langen, beredeten Blick mit seinem Bruder, bevor er das Blatt zu sich heranzog. Er las es sich in aller Ruhe durch, während Dean ganz interessiert aus dem Fenster schaute. Irgendwann würde Sam fertig werden und wenn sein kleiner Bruder unterschrieb, sollte es auch für ihn in Ordnung sein. Seine Gedanken wanderten zu der Klausel. Ja, er hatte zugestimmt. Aber war das auch wirklich richtig? Banden sie sich damit nicht an etwas, dass sie nicht bewältigen konnten? 20 Jahre waren eine lange Zeit und trotz seiner Zusage befürchtete er, dass sie die Erhaltung des Hauses finanziell nicht so einfach stemmen konnten. Sie würden ihre Lebensplanung der nächsten Monate überdenken müssen. Könnten sie in diese Bruchbude ziehen? So würden sie sofort Geld sparen können, aber ging das überhaupt? Er würde den Schrottplatz schnellstens auf Vordermann bringen müssen. Wenn er jeden Monat einen Wagen restaurierte, sich einen Namen bei den Sammlern machte, würden sie es vielleicht schaffen. Dann wäre Sam allerdings komplett für ihren Lebensunterhalt zuständig und die notwendige Sanierung würde sehr langsam vonstattengehen. Selbst wenn sie seinen Pokergewinn vollkommen aufbrauchten. Aber besser langsam als gar nicht, oder? Sie würden ein Zuhause haben, einen Ort, an den sie immer zurückkommen konnten, einen Ort, der nur ihnen gehörte. Wärme breitete sich in seinem Inneren aus und ließ das Chaos in seinen Gedanken etwas weniger schlimm erscheinen. Sam unterschrieb das Papier und schob es zu Dean, der nach einem kurzen Blick zu seinem Bruder ebenfalls unterschrieb, das Blatt drehte und O´Flannagáin zurückgab. „Sehr schön!“, freute der sich. Er legte das Blatt in seine Mappe und holte ein großes, mit mehreren, teils uralten, Schlüsseln bestücktes Bund hervor und reichte es Dean. „Der Haustürschlüssel. Die anderen sind für die Garage und die Verandatüren. In der Garderobe befindet sich ein Kästchen, mit den Zimmerschlüsseln, auch wenn ich bezweifle, dass sie die noch benutzen können.“ Seamus erhob sich und ging zu einem Schrank. Er zog einen Schlüssel aus der Tasche, schob ihn in das Schloss, drehte ihn zweimal bedächtig und öffnete die Türen. Er entnahm einen größeren Karton und eine lange, dicke Papprolle und schloss den Schrank genauso bedächtig, wie er ihn geöffnet hatte. Erst als der Schlüssel wieder in seiner Tasche verschwunden war, drehte er sich zu den Brüdern. „Hier sind alle Papiere, die das Anwesen betreffen, einige alte Fotos und Zeichnungen und Informationen zum Hauskonto und Listen der dazugehörigen Ländereien und Pächter. In der Rolle befinden sich die Baupläne und Flurkarten.“ Er legte alles auf seinen Schreibtisch und reichte Sam die Hand. „Es ist mir eine Freude ihnen das Haus übergeben zu können.“ ‚Das glaube ich sofort‘, dachte sich Sam, sagte aber nichts. Dean wollte sich die Pläne und den Karton nehmen, stolperte aber gedanklich über diese zwei Wörter. „Hauskonto? Pächter?“, hakte er nach. Gab es hier noch eine böse Überraschung? Was war ein Hauskonto? „Hauskonto!“, nickte der Kobold etwas genervt. „Ein Konto, das sie zum Begleichen aller Rechnungen für das Anwesen nutzen können. Es sind zurzeit 100.000 Dollar darauf.“ Er hob abwehrend die Hände. „Ich weiß, dass das nicht annähernd ausreichen wird, deshalb hat Mrs. Newton eine Stiftung für die Erhaltung des Anwesens ins Leben gerufen. Die Zahlungen der Pächter laufen auch darauf.“ Er verdrehte genervt die Augen. Menschen! Warum mussten sie alles hinterfragen? „Diese Stiftung übernimmt alle Kosten, die dafür anfallen. Sie können jede Rechnung zu mir schicken und ich überweise ihnen den benötigten Betrag auf dieses Konto." Dean war blass geworden. Sein Blick huschte zwischen Sam und O´Flannangáin hin und her. 100.000 Dollar? „Stiftung?“, hakte nun Sam ungläubig nach. „Ja! Stiftung!“, wieso waren diese Menschen so begriffsstutzig? „Das Stiftungskapital beläuft sich derzeit auf knapp 16 Millionen Dollar. Mrs. Newton hat die meisten ihrer Kunstwerke dafür verkauft. Sie wollte das Haus in guten Händen wissen“, er kratzte sich am Kopf. „Vor der Finanzkrise war es mehr, aber ich denke, wenn sich der Markt in den nächsten Monaten und Jahren erholt, werden auch die Anteile der Stiftung wieder steigen", verteidigte O´Flannangáin sich kleinlaut. Es tat ihm in der Seele weh Mrs. Newton enttäuscht und einen Teil des Geldes verloren zu haben, auch wenn es nur ein ganz kleiner Teil war. Die Brüder starrten Seamus O´Flannangáin nur stumm an. „Hätten Sie das nicht eher sagen können?“, platzte Dean endlich hervor. Das … Ihm fehlten selbst in Gedanken die Worte! „Nein! Hätte ich nicht! Mrs. Elisabeth und ich wollten nicht, dass sie das Anwesen nur wegen des Geldes nehmen. Sie sollten es aus Liebe dazu tun, weil sie es wollten. Dieses finanzielle Polster ist nur für das Anwesen, für alles, was damit zu tun hat, also scheuen sie sich nicht, mir die Rechnungen zu schicken, egal wie hoch sie sind. Auch für Möbel oder Geschirr.“ Seamus nickte, so heftig, dass Sam befürchtete, sein Kopf würde abfallen. „Okay“, japste Sam leise, „nochmals Danke. Wir werden das Angebot nutzen!“ Er reichte dem Mann die Hand. Als er auch Dean mit einem Händedruck verabschiedet hatte, scheuchte O`Flannangáin die Brüder mit einer mit einer Handbewegung regelrecht aus dem Büro. Kapitel 70: Our House --------------------- 070) Our House Ohne wirklich zu wissen, wie ihnen gerade geschehen war, traten die Brüder auf den kleinen Parkplatz und gingen zum Impala, wo sich Dean noch immer vollkommen verwirrt gegen die Fahrertür lehnte. „Das ist … Ich …“, begann er und brach schulterzuckend wieder ab. „Ich kriege die 16 Millionen nicht aus meinem Kopf. Das ist so ...“ Er starrte zu der Bürotür hinauf und atmete tief durch. Abrupt wandte er sich ab und stieg in den Wagen. Sam folgte seinem Beispiel. „Ich auch nicht!“, sagte er nachdem er neben seinem Bruder saß. „Ich brauche jetzt etwas Starkes, Brennenderes und nicht nur einen“, ließ Dean rau verlauten. „Kommst du mit?“ Erst jetzt schaute er seinen Bruder an, der ziemlich verkrampft neben ihm saß. „Nein, ich ...“ Sam knetete seine Hände. „Ich glaube nicht, dass ich mich zurückhalten würde und ich will nicht mit Restalkohol zur Vorlesung morgen fahren. Aber du hast frei. Geh ruhig. Ich hole dich auch ab.“ Ein schiefes Lächeln huschte über Sams Gesicht. „Sicher? Ich muss morgen auch zur Schule, schon vergessen?“ „Stimmt, aber nein. Ich bin mir sicher. Ich überlege, ob ich nicht vielleicht joggen gehe.“ „Also da komme ich auf keinen Fall mit!“, erklärte Dean entschieden. Auch wenn er dem nicht so ablehnend gegenüberstand, Sport hatte er noch immer genug, auch wenn weder Bradley noch Gillian ihm diese Extratouren aufbürdeten, wie es Miller und Grady gemacht hatten. Außerdem war ihm wenn, dann das Fitnessstudio in ihrer Wohnanlage oder auf der Wache lieber. „Das war mir klar und ich will es auch gar nicht. Alleine kann ich meine Gedanken besser sortieren.“ „Okay“, sagte Dean und startete den Impala. Vor ihrem Apartmentblock ließ er Sam raus. Er wollte mit dem Wagen zum Pub fahren, dann war die Chance, dass er vollkommen versumpfte wesentlich geringer. Auch er hatte keine Lust verkatert im Unterricht zu sitzen. Er parkte vor dem Pub, zog den Schlüssel ab und wollte aussteigen, als sein Blick auf den Schlüsselbund fiel, der Sam wohl aus der Tasche gefallen war. Der Schlüssel! Kurz entschlossen ließ er den Wagen wieder an und fuhr zu dem Anwesen. Wieder verfehlte er die Einfahrt und musste zurücksetzen. Langsam rollte er durch den Waldstreifen, die Auffahrt entlang bis zu dem Häuschen links. Er hielt an, stieg aus und ging hinein. Der Boden fiel nach hinten ab, die Fenster fehlten und die meisten Wände waren zerschlagen. Das zu erneuern würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Sollten sie es überhaupt machen oder gleich ganz abreißen? Diese Frage verschob er auf später. Das würde er mit Sam klären. Er ging zurück zu seinem Baby, stieg ein und fuhr bis zu der Villa, die noch immer riesig und dunkel und drohend über den Dingen zu thronen schien. Er parkte sein Baby, griff sich den Schlüsselbund und stieg, den Blick stur auf die Treppenstufen gerichtet, nach oben zur Eingangstür. ‚Tür‘, Dean grinste. ‚Das war wohl eher ein Portal als eine Tür!‘ Er umfasste den Schlüssel und wollte ihn gerade ins Schloss schieben, als ihn etwas in den Finger stach. „Verdammt“, schimpfte er und ließ den Schlüssel fallen. Irritiert betrachtete er sich seinen Finger. Ein Tropfen Blut quoll aus der Fingerkuppe. „Was soll das denn?“, knurrte er und schob seinen Finger in den Mund, um die Blutung zu stillen, während er sich bückte und den Schlüssel mit spitzen Fingern aufhob. Misstrauisch betrachtete er das Ding, das ihn gebissen hatte. Ein winziger Blutstropfen schimmerte auf der blanken Fläche und lief langsam daran herunter. Es sah fast so aus, als ob das Blut irgendwie aufgesogen wurde. Konnte das sein? Er drehte das monströse Teil von einer Seite zur anderen. Hatte er wirklich gesehen, wie der Schlüssel das Blut aufnahm? Hatte er sich einfach nur geirrt? Spielte ihm das Licht einen Streich oder steckte hier mehr dahinter? Hatte dieses Düstere, Unheimliche einen anderen Grund als dass das Haus einfach nur heruntergekommen war und einen aus dunklen, fensterlosen Löchern anstarrte? Er umfasste den Schlüssel erneut und führte ihn mit angehaltenem Atem zum Schloss. Nichts passierte. Er schob ihn in hinein und drehte ihn. Nichts, außer dem typischen vielleicht etwas zu lauten, Geräusch, das entsteht, wenn der Riegel zurücksprang. Dean umfasste den Knauf und drehte ihn. Knarzend sprang die Tür auf. Er zog den Schlüssel aus dem Schloss und musterte ihn noch einmal. Nichts. Er musste sich geirrt haben! Hatte er sich geirrt? Komisch war das Ganze auf jeden Fall! Langsam ging er von Raum zu Raum und versuchte sich ein eigenes Bild zu machen was wo gewesen sein könnte und was wo sein sollte. Er lief durch einen großen Raum mit Erker in eine kleinere Nische. Hier waren die Küche und eine Frühstücksecke gewesen, wenn er sich recht an das Geplapper des Kobolds erinnerte. Das könnte es auch wieder sein. Durch eine Tür ging es in einen riesigen Raum mit ovaler Fensterfront, ein Wintergarten. Er lief an dieser Front entlang. Der Wind pfiff durch die vielen Löcher. Er fröstelte. Vor diesen Fenstern gab es eine schmale Terrasse. Ein weiterer Raum, mit Kamin, schloss die Runde. Auch hier gab es zwei weitere Türen. Eine führte in die Küche, durch die andere kam er wieder in den Eingangsbereich. Hier könnte man Fangen spielen. Jeder Raum hatte mindestens zwei Türen. Die gegenüberliegende Seite des Hauses sah ähnlich aus. Ein großer Raum mit Kamin, ein riesiger Wintergarten mit ovaler Fensterfront und Terrasse davor und ein weiterer großer Raum mit Erker und vielen zerschlagenen Fenstern. Erst als Dean wieder in der Eingangshalle stand fiel ihm auf, dass von dem mulmigen Gefühl, das er bei seinem ersten Besuch hier hatte, nichts zu spüren war. Er holte den Schlüssel aus der Tasche und musterte ihn noch einmal ausgiebig. Seine Lippen kräuselte ein Lächeln. ‚Mrs. Newton hatte sich doch mit Magie befasst ...‘ Diesen Gedanken würde er nachher noch überprüfen, aber er war sich sicher, die Lösung gefunden, naja, ihr zumindest sehr nahe gekommen zu sein. Er stieg die Treppe nach oben und sah sich auch hier um, bevor er noch einen Blick in das Dachgeschoss warf. Immer wieder klopfte er gegen die Wände, drückte die Schalter, die er sah und drehte einen Wasserhahn auf. Nichts als ein unheimliches Knarzen kam aus der Leitung. 16 Millionen! Ein Schauer lief ihm über den Rücken. 16 Millionen! Wenn er noch länger darüber nachdachte, würde ihm noch schwindeliger werden! Er warf einen Blick aus den Fenstern. Das Grundstück war, von hier aus gesehen fast noch riesiger, als es sich beim Herkommen angefühlt hatte und komplett von dem Wald umgeben. Gut und schlecht. Eindringlinge würden sie erst bemerken, wenn sie auf dem Grundstück waren. Aber der Wald würde Schutzmaßnahmen zulassen und sie auch verbergen. Er ging in den Keller. Auch hier fand er massive Steinwände, eine veraltete Heizung und fragwürdige Installationen. Wasser und Strom würden sie komplett erneuern müssen, genau wie die Heizung! Er schnaubte. Also alles! Gab es Möglichkeiten sie so gut es ging autark zu versorgen? Und wie konnten sie das Haus so umbauen, dass hier zwei Familien leben konnten? Wäre eine Art Wohngemeinschaft möglich? Die Planung würde er nicht alleine stemmen können. Gab es jemanden, der ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte? Langsam stieg er wieder ins Erdgeschoss hinauf und sah sich in der Eingangshalle um. Ganz vorn, neben dem Eingangsportal, links und rechts an den Wänden gab es noch zwei Türen. Er warf einen Blick in die kleinen, leeren Räume, deren Zweck sich ihm auf die Schnelle nicht erschloss. Er trat wieder in die Halle schaute nach oben. Die Balustrade führte einmal komplett um den Raum und es gab zwei Treppen. Ein paar Ideen formten sich in seinem Kopf. Zuerst einmal würde er aber die Pläne studieren müssen und dann einen Spezialisten zu Rate ziehen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hatte doch mal bei einem gearbeitet und der war nicht mal weit entfernt! Er zog sein Handy aus der Tasche, wählte die Nummer und lauschte, während er aus dem Haus trat, die Tür verschloss und zum Impala ging, auf das Klingelzeichen. Zufrieden grinsend lehnte er sich gegen die Rückenlehne. Das Gespräch war besser verlaufen, als er erwartet hatte, nach der langen Zeit. Jetzt sollte er nur zusehen, dass er seine Ideen schon mal zu Papier brachte, um nicht mit leeren Händen dazustehen, wenn Dave am Wochenende herkam. Er ließ den Impala an, umrundete den großen Baum, dessen junges Grün plötzlich viel intensiver zu leuchten schien und fuhr den Weg zurück zur Straße. Auf halber Strecke hielt er an, stieg aus und musterte das Haus. Ja, es sah immer noch düster und abgewohnt aus, aber lange nicht mehr so bedrohlich. Da wirkte also wirklich ein Zauber. Allerdings einer, der wohl nicht das bewirkte, was bezweckt worden war, aber auch das war für ihn ja nichts neues. Mit Magie sollte man sich besser nicht beschäftigen, sie forderte immer ihren Tribut. Auch hier würden sie also recherchieren müssen. Ob dieser Kobold etwas wusste? Aber wollte er ihn fragen? Wollte er noch mehr mit ihm zu tun haben, als unvermeidlich war? Jetzt hieß es erst mal sich auf Dave vorbereiten. Er stieg wieder ein und fuhr zum Apartment. Langsam formte sich da eine Idee in seinem Kopf. Wäre das möglich? Was würde Sam dazu sagen? Konnten sie das den Frauen zumuten, sollten sie je welche finden? „Sam?“, rief er, als er die Wohnung betrat, doch er bekam keine Antwort. War der also wirklich joggen gegangen. Verrückter Kerl! Er nahm sich die Pläne, rollte sie auf dem Tisch aus und begann sie zu studieren. Als Sam zurückkam, fand er seinen Bruder noch immer über den Tisch gebeugt. „Du bist aber schnell wieder da!“, stellte er erstaunt fest. „Ich war nicht im Pub“, sagte Dean und richteten sich auf und stöhnte leise, als er seinen Rücken streckte. „Nicht?“ „Nein, ich … Der Schlüssel lag noch auf deinem Sitz und ich dachte mir, ich fahre noch mal zum Haus und schaue es mir genauer an.“ „Und?“ „Das wird ein Mammut-Projekt. Ich denke wir sollten alles erneuern. Kabel, Rohre, Heizung, Fenster. Das können wir nicht alleine stemmen.“ „Und jetzt? Wo suchen wir uns Hilfe?“, fragte Sam mit dem festen Glauben, dass sein Bruder das trotzdem in Angriff nehmen würde und auch schon Ideen hatte. Würde er doch, oder? Dean musterte seinen Bruder mit schief gelegtem Kopf. „Du willst es komplett von einer Firma machen lassen?“, fragte Sam etwas ungläubig. „Ich weiß nicht, ob die unsere speziellen Wünsche so ausführen würde.“ „Speziellen Wünsche?“ Sam blinzelte ratlos. „Salz unter den Schwellen und Dämonenfallen an allen Eingängen?“ Jetzt hellte sich Sams Mine auf. „Wir können auch versuchen das Grundstück komplett zu sichern. Da kann uns Bobby bestimmt weiterhelfen.“ „Das sollten wir zusätzlich machen“, nickte Dean. „Dieser Waldstreifen geht komplett um den Hauptteil des Grundstücks.“ Dean umkreiste mit dem Finger die Umrisse auf der Karte. „Das sollte uns in der Beziehung entgegenkommen. Dahinter ist zwar auch noch eine Art Wiese, zumindest sieht es hier so aus, aber die können wir vorerst vernachlässigen, oder?“ Sam nickte nach einem Blick auf die Karte. „Irgendwann sollten wir uns das genauer ansehen.“ „Ja. Wenn das Haus soweit bewohnbar ist“, stimmte Dean ihm zu. „Und wer hilft uns? Können wir Bobby fragen? Käme er her?“ „Wäre schön, aber er kennt sich mit so einem Umbau auch nicht wirklich aus. Er musste auch einen Klempner holen. Nein.“ Dean sah seinem Bruder in die Augen, bevor er sagte: „Ich habe Dave angerufen.“ „Dave?“, fragte Sam und versuchte den Namen einer Person zuzuordnen. Dann fiel es ihm ein. „Dave? Dein Chef, bevor du mich aus Stanford geholt hast?“ „Genau der. Er ist in Reichweite und ihm vertraue ich.“ „Soll er den Umbau machen?“ Dean legte den Kopf schief. „Keine Ahnung. Er hat seine Firma in Greensburg. Ich hoffe auf Unterstützung bei der Planung und auch den einen oder anderen Tipp. Vielleicht kennt er hier ja auch jemanden, dem er vertraut und der mich bei dem Umbau unterstützt.“ „Dean! Du hast deinen Firmengründerlehrgang, der noch reichlich zwei Monate läuft. Du willst bei Stan arbeiten und Lieutanant willst du auch noch werden! Jetzt noch der Umbau der Villa! ...“ „Du meinst, dass ich das nicht schaffe?“ „Ich habe einfach Angst, dass du dabei etwas ganz Essenzielles vernachlässigst.“ „Und das wäre?“, wollte Dean lauernd wissen. „Dich, Dean! Ich habe Angst, dass du dich übernimmst und das ganze Kartenhaus zusammenbricht.“ Dean atmete tief durch. „Umbauen müssten wir doch eh. Gut, die Villa ist größer als Stans Haus, aber ...“ „Stans Haus wäre aber erst im Herbst oder Winter soweit, dass wir überhaupt damit anfangen könnten.“ „Wir? Du sagtest wir? Du willst wirklich helfen?“ „Soweit ich es neben Uni, meinen Tutorenstunden und Supermarkt noch kann, ja. Es soll ja auch mein Zuhause werden.“ Kapitel 71: What there is ------------------------- 071) What there is Dean nickte. „Dave kommt am Wochenende. Dann würde ich gerne mit ihm durchsprechen was geht, was gemacht werden muss und wie, und danach setzen wir zwei uns zusammen und überlegen, wie wir das Ganze gestemmt kriegen, okay?“, versuchte Dean einen Vorschlag zur Güte zu machen. „Und warum wälzt du dann jetzt die Pläne?“ „Wie gesagt: Ich war da und habe mir so meine Gedanken gemacht und jetzt wollte ich die schon mal als ersten Entwurf zu Papier bringen. Ich meine, du hast sicher auch deine Vorstellungen. So können wir besser drüber reden und haben Samstag zumindest eine wage Idee, auf der wir aufbauen können.“ Sam nickte und sah zu, wie sein Bruder die groben Grundrisse mit wenigen Strichen auf ein Blatt Papier übertrug. „Ich kann die Pläne morgen kopieren“, bot Sam an, „nur nicht so groß.“ „Das wäre klasse.“ Dean strahlte. Trotzdem zeichnete er in seiner Skizze weiter. „Erzählst du mir, was du vorhast?“, wollte Sam wissen und beugte sich über den Tisch. „Klar! Warte nur kurz.“ Sam nickte und versuchte aus den Strichen etwas lesen zu können. Leicht fiel ihm das nicht. Endlich legte Dean den Stift weg. Er drehte das Blatt zu Sam und begann zu erklären. „Ich dachte, wir könnten das Haus in zwei Hälften teilen. Jeder von uns bekommt eine. Das ließe sich in den beiden Obergeschossen auch ganz gut machen. Nur was wir mit dem Erdgeschoss machen? Das zu trennen ...“ er schaute zu Sam. „Du hast doch auch da eine Idee. Das sehe ich“, grinste der Jüngere. „Zum Erdgeschoss habe ich tatsächlich eine gewagte Idee. Ich weiß nur nicht, ob die dir gefallen würde. Ich meine im Moment ja vielleicht noch, aber wenn wir mal Familien haben?“ „Das kann ich dir nur sagen, wenn du endlich mit deiner Idee rausrückst!“ Dean nickte. Er holte tief Luft. „Eine Wohngemeinschaft anstelle von zwei kompletten Wohnungen. Das Erdgeschoss würde ich genauso lassen. Hier ein kleines Bad, Toilette und Waschbecken“, begann er und deutete auf das Räumchen gleich links neben der Eingangstür. Dann ließ er seinen Finger gegen den Uhrzeigersinn weiterwandern. „Dahinter die große Küche mit der Frühstücksecke. Was aus dem Wintergarten hier werden soll, keine Ahnung. Vielleicht eine Bar, eine Tischtennisplatte. Es wäre sogar hoch genug für einen Basketballkorb. Hier der Raum mit dem Kamin könnte das große Esszimmer werden. Gegenüber davon eine Bibliothek und hier vorn, rechts neben dem Eingang, eine Gardrobe. Nur was aus dem ganzen Teil werden soll?“ Dean umkreiste den Raum, der das spiegelverkehrte Pondon zu Küche und Wintergarten war und zuckte mit den Schultern. „Ein Herrenzimmer? Ein Spielzimmer für Kinder?“ Fragend schaute er zu Sam. Der wollte seinem Bruder im ersten Augenblick eine Abfuhr erteilen. Wie sollte das denn klappen? Zwei Familien als WG mit einer Küche? Aber wenn er etwas länger darüber nachdachte, so fand er das eigentlich gut. Sie konnten sich Küche, Esszimmer und Wintergarten teilen und würden so eigentlich keine Möglichkeit haben sich aus dem Weg zu gehen. Er nickte. „Bleibt nur die Frage wie wir Frauen finden, die sich damit arrangieren würden.“ Jetzt grinste Dean. „Wie wäre es mit Zwillingen?“ Sam knuffte seinen Bruder in den Oberarm. „Ich glaube, den habe ich sogar verdient“, lachte Dean. „Aber heißt das jetzt, dass du die Idee gut findest?“ „Eigentlich wollte ich zuerst ablehnen, aber wenn ich darüber nachdenke, hat sie was. Wir wären eine große Familie. Keiner wäre ausgeschlossen und die Kinder würden zusammen aufwachsen.“ „Jetzt planst du aber weit in die Zukunft.“ „Manchmal geht sowas schneller als man denkt.“ „Hast du was in Aussicht?“, hakte Dean auch sofort nach. „Nein“, Sam schüttelte traurig den Kopf. Irgendwie hätte er schon gerne eine Freundin. Seit er hier studierte, musste er oft an Jess denken und was der Dämon ihm genommen hatte. Sanft legte Dean seinem Bruder die Hand auf den Arm. Eigentlich hatte er einen dummen Spruch loslassen wollen, aber so bedrückt wie Sam aussah, dachte der sicherlich an Jess und diese Erinnerungen wollte er nicht torpedieren. Sam nickte mit einem traurigen Lächeln. Er schob die Erinnerungen beiseite und konzentrierte sich auf die Pläne. „Was hältst du von einem Wellnessbereich oder einem Fitnessraum?“, fragte er und schüttelte gleichzeitig dem Kopf. „Gehört eher in den Keller, oder?“ Dean schob zwei Pläne beiseite und deutete auf ein großes Rechteck. „Das hier ist das Schwimmbad. Der einzige Raum im Keller, der wirklich große Fenster hat.“ Er blickte zu Sam. „Hier würde ich mir eher Liegestühle und Palmen vorstellen wollen, als Laufband und Boxsack. Einen Fitnessraum oben finde ich gut. Ich weiß zwar nicht, ob ich den brauchen werde, aber ...“ Sam boxte seinen Bruder in den Arm. „Willst du behaupten, dass ich fett werde?“ „Nein, nur dass ich auf der Wache jederzeit trainieren kann, wenn ich das will.“ Sam legte den Kopf schief. „Das Schwimmbad ...“ Er starrte auf das riesige Rechteck. „Willst du das behalten? Frisst das nicht jede Menge Strom, wenn es beheizt wird?“ „Das will ich mit Dave besprechen. Er hat damals schon mit Solar und Windenergie gearbeitet. Vielleicht gibt es da ja jetzt noch mehr oder effektivere Ideen?“ Sam nickte und Dean rollte die Pläne zusammen und schob sie Sam hin, der sie auch sofort in seine Tasche steckte. Dean nahm sich seinen Laptop und begann das Netz nach Blutzaubern zu durchsuchen. Er wollte etwas handfestes haben, bevor er Sam damit überfiel. Der Samstag kam viel zu schnell. Sam hatte sich zum Frühstück ins Diner verzogen und hatte sich dann zum Lernen mit Mity bei Tylor getroffen, damit Dean nach seiner Nachtschicht noch ein paar Stunden Schlaf bekam. Jetzt jonglierte er eine Tüte mit Salat, Burgern und zwei Kaffee zu ihrer Haustür, als ihm ein Mann über den Weg lief, der sich suchend umsah. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Sam ihn. „Wohnen Sie hier?“, wollte der Mann wissen. „Ja, eine Weile schon. Vielleicht weiß ich es ja und sonst weiß ich wenigstens wo jemand ist, der es weiß.“ Sam grinste. „Ich suche Apartment 7.14. Der Wagen des Bewohners steht hier, zumindest wenn ich mich noch recht an den Impala erinnere ...“ „Sie sind hier fast richtig.“ Sam nickte dem Mann kurz zu und musterte ihn neugierig. „Hallo! Ich bin Sam Winchester. Kommen Sie mit. Im ersten Moment ist das hier ein wenig verwirrend.“ „Okay, Danke. Ich bin David Garrison. Hallo.“ Er folgte Sam in das Haus und die Treppen nach oben. Sam hämmerte mit der Faust gegen die Tür, bevor er den Schlüssel ins Schloss schob. „Ich hoffe, dass er jetzt wach ist“, erklärte er mit einem Grinsen und schob die Tür auf. „Dean?“, rief er in die Wohnung. Er lud die Tüte und einen Becher auf der Theke ab, ging mit dem zweiten zur Tür von Deans Zimmer und schob die weiter auf. Der saß, noch in seinem Schlafzeug, auf der Bettkante, die Unterarme auf den Oberschenkeln abgestützt und starrte auf den Boden. Sofort stellte Sam den Kaffee auf dem Nachttisch ab und hockte sich vor ihn. Vorsichtig legte er seine Hand auf Deans Oberschenkel. „Hey! Was ist los?“, fragte er ruhig und ignorierte Dave, der ihm gefolgt war und jetzt in der Tür stand. „War ´ne heftige Nacht“, erklärte der ältere Winchester ohne den Kopf zu heben. „Ein schwerer Unfall. Ich hoffe, wir waren schnell genug ... für alle.“ Er schloss die Augen, schüttelte den Kopf und atmete durch, bevor er aufstand auf. „Gib mir fünf Minuten, ja?“, bat er rau, stand auf, schob sich grußlos an Dave vorbei und verschwand ins Bad. Besorgt blickte Sam ihm nach und nahm den Kaffee wieder an sich. „Eine heftige Nacht?“, brachte Dave sich so wieder in Sams Wahrnehmung. „Ach, ja“, er schaute zu dem Besucher. „Dean arbeitet ...“, mit einem Lächeln schüttelte Sam den Kopf und begann seinen Satz erneut. „Dean IST Feuerwehrmann. Er hatte Nachtschicht und war noch nicht da, als ich heute Morgen gefahren bin.“ „Dean ist Feuerwehrmann? Er arbeitet nicht mehr mit eurem Vater zusammen? Er ist damals weg, weil er ihn suchen wollte.“ „Unser Vater starb vor fast sechs Jahren. Seitdem waren wir viel unterwegs und dann bei unserem Onkel in South Dakota“, erklärte Sam. „Das mit eurem Vater tut mir leid.“ „Es ist lange her“, wiegelte Sam ab. Er brachte Deans Kaffee in den Wohnraum zurück und begann die Tüten und Packungen auf dem Tisch zu verteilen. Frisch geduscht betrat ein vollkommen veränderter Dean das Zimmer. Und, wie um Sams vorherige Worte zu bestätigen, trug er ein T-Shirt der Bloomingtoner Feuerwehr. „Hallo Dave“, begrüßte er seinen ehemaligen Arbeitgeber mit einem Handschlag. „Wie ich sehe, hast du meinen kleinen Bruder schon kennen gelernt?“ „Kleiner Bruder ist gut“, lachte Dave. „Naja, bis ich 16 war, war er kleiner.“ Schnuppernd hob Dean die Nase und sah das Essen auf dem Tisch. Sofort steuerte er darauf zu. „Die Burger sind für dich“, erklärte Sam auf den fragenden Blick und schon stürzte sich Dean. „Wenn´s dich nicht gäbe, müsste man dich glatt erfinden!“, erklärte Dean kauend. „Verfressen bist du also auch noch immer!“, stellte Dave lachend fest. „Ich hatte heute noch nicht viel. Nur einen Müsliriegel und ein Brötchen. Der Unfall war kurz nach zehn gestern Abend und es hat ewig gedauert alle aus den Wagen zu schneiden.“ Er schob sich den Rest des ersten Burgers in den Mund. „Als wir zur Wache zurückkamen, war es nach sieben und ich wollte nur noch ins Bett.“ Er nahm sich den zweiten Burger und schaute zu Dave. „Willst du erst über die Pläne gucken oder erst zum Haus?“ „Erst zum Haus, denke ich. Pläne können wir später noch wälzen.“ „Gut. Was ist mit dem Salat, Sammy?“ „Den esse ich, wenn wir zurück sind.“ „Okay“, Dean schob sich den Rest seines Burgers in den Mund, räumte den Salat in den Kühlschrank und wusch sich die Hände. Er nahm den Impalaschlüssel von der Kommode und die Rolle mit den Plänen, die danebenstand und ging zur Tür. „Wir können.“ Dieses Mal verpasste Dean die Einfahrt zu ihrem Anwesen nicht. Sie passierten das kleine Häuschen und Dean war gespannt, ob das Haus heute wieder so düster und abweisend wirken würde. Doch nein. Es war noch immer dunkel und heruntergekommen, aber von abweisend oder gar bedrohlich war keine Spur mehr. Er grinste und fühlte sich nicht mehr ganz so schlecht dabei, dass er nicht dazu gekommen war, Sam von dem Blutzauber und seinen Rechercheergebnissen zu erzählen. Vor dem Portal hielt er an, stieg aus und wartete auf Dave, der seinen Pickup hinter ihm parkte. „Oh Gott, was ist das denn für ein Kasten“, wollte der wissen, kaum dass er seine Fahrertür geöffnet hatte. „Wollt ihr euch das wirklich antun? Wie seid ihr überhaupt da dran gekommen, das muss doch mal Millionen gekostet haben.“ „Die Tante unseres Vaters hat ihm das vererbt und da er tot ist ...“ Dean ließ den Rest des Satzes offen. „Sie hat auch ein bisschen Geld hinterlassen und wir überlegen jetzt, ob es Sinn macht, das Ding hier zu be- und zu erhalten.“ „Bei unserem Telefonat klang es so, als wärt ihr euch da schon sicher.“ Die Brüder tauschen einen kurzen Blick. „Noch nicht so ganz, aber ja. Eigentlich würden wir es gerne behalten, wenn es erhaltbar ist“, erklärte Sam. „Das wird aber alles andere als billig.“ „Vieles könnten wir selbst machen“, erklärte Dean und zuckte mit den Schultern. „Lass uns erstmal drumrum gehen und ich erklären dir, was ich mir vorstelle. Keine Ahnung, ob es machbar ist.“ Er holte die Schlüssel aus der Tasche und warf ihn Sam zu. „Willst du mitkommen, oder gehst du lieber schon rein?“ Sam schaute zum Eingang und wog das miese Wetter kurz gegen das unheimliche Haus ab, bevor er sich den beiden anschloss. Kapitel 72: Here I go again --------------------------- 072) Here I go again Langsam umrundeten die drei Männer das Haus und Dean erklärte, dass er die Versorgung des Anwesens gerne so weit wie möglich autark gestalten wollte, aber nicht wusste wie. Sam lief erstmal schweigend nebenher. Er versuchte sich hier mit Frau und Kindern vorzustellen und sah sich im Sommer auf der Wiese liegen, die großen Glastüren zum Schwimmbad waren weit geöffnet, Kinder lachten … Ein breites Lächeln legte sich auf sein Gesicht bis er Dave sagen hörte: „… Wenn du Solar verwenden willst, wäre es sinnvoll darüber nachzudenken, wo du die Wassertanks unterbringen willst. Du kannst aber auch Erdwärme verwenden. Hier ist das möglich ...“, und ihm klar wurde, dass er einen großen Teil des Gespräches verpasst hatte. Eine kalte Böe fuhr ihm in die Jacke. Er fröstelte und schob die Hände in die Taschen. „Gibst du mir den Schlüssel, dann kann ich schon reingehen“, bat er seinen Bruder. Dean zog ihn aus der Tasche und warf ihn Sam zu, der sich auch gleich auf den Weg zum Portal machte. Er führte den Schlüssel zum Schloss und ließ ihn fallen, weil ihn etwas in den Finger gebissen hatte. „Au“, fluchte er und besah sich die Stelle. Vorsichtig hob er den Schlüssel auf und betrachtete ihn von allen Seiten. Er stutzte. Sog der Schlüssel sein Blut auf? Er schaute genauer hin. Ein roter Schimmer lag auf dem Metall. Konnte das sein? „Schließt du auf, Sammy?“, fragte Dean. Sam schaute auf und zu seinem Bruder, dann nickte er. Mit zwei Fingern schob er den Schlüssel zum Schloss, steckte ihn hinein und drehte ihn. Nichts biss und die Tür ließ sich ganz normal öffnen. Aber er hatte sich doch nicht geirrt, oder? Drei Stunden später verließen sie das Haus. Sam schwirrte der Kopf und auch Dean atmete erleichtert auf, als er die Tür abschloss. Im Keller und in den oberen Etagen hatten sie Elektroleitungen und Rohre gesucht und geprüft und waren zu dem Schluss gekommen, den Dean schon befürchtet hatte. Es musste alles neu gemacht werden! Dean schloss die Tür ab und brachte sie zu ihrer Wohnung zurück, wo sie über den Plänen brüteten. Sam kochte ihnen Kaffee und Dave erläuterte das Prinzip einer Deckenheizung und gab ihnen einige Adressen von Bauunternehmern und Baustoffhändler hier aus Bloomington, die alles das machen konnten, was sich Dean nicht zutraute und auch gut bestückte Lager hatten. Danach erklärten die Brüder, was sie sich für das Haus vorstellten. Jetzt klemmte Dave sich die Pläne des Hauses unter den Arm und verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung von Dean, dann reichte er Sam die Hand. „Ich mache mir nächste Woche mal Gedanken und dann treffen wir uns Samstag wieder hier?“ „Samstag ist in Ordnung“, nickte Dean. „Da hab ich frei. Ab Sonntag hab ich Nachtschicht.“ „Dann komme ich Samstag früh“, bestimmte Dave, „wenn du nichts anderes vorhast.“ „Ich bin da. Treffen wir uns hier oder im Haus?“ „Hier wäre besser. Ich befürchte ich finde die Einfahrt zum Haus nicht wieder.“ „Heute war auch das erste Mal, dass ich nicht dran vorbei gefahren bin“, lachte Dean. „Also dann“, grüßte Dave noch einmal und verließ die Wohnung. Leise stöhnend rieb sich Dean den Nacken. Das waren eine Menge Informationen. Die musste er erst einmal in aller Ruhe sacken lassen. Er hängte seine Jacke, die er vorhin nur auf die Couch geworfen hatte, weg und legte den Schlüssel auf die Kommode. Sam hörte das Klappern. Er schaute zu Dean und dem Schlüssel und ging zur Kommode. Vorsichtig nahm er den Schlüssel in die Hand und musterte ihn von allen Seiten. „Du warst doch vor mir in dem Haus“, begann er ruhig. „War ich, ja.“ „Und du hattest keine Probleme mit dem Schlüssel?“ „Du willst wissen, ob mich das Ding auch in den Finger gebissen hat?“ Ein entschuldigendes Lächeln breitete sich auf Deans Zügen aus. „Es hat dich gebissen und du hast nichts erzählt? Was, wenn es Gift war? Was wenn du stirbst?“, fragte Sam entsetzt. „Dean, du ...“ „Sammy“, beschwor Dean seinen Bruder. „Ich war vor einer Woche da und lebe und mir geht es gut. An dem Schlüssel war kein Gift. Es hat nichts abgegeben. Es hat aufgesaugt. Ist dir nicht aufgefallen, dass das Haus viel weniger bedrohlich aussah, als wir gefahren sind?“ „Ich habe nicht darauf geachtet“, antwortete Sam und versuchte sich an das Haus zu erinnern. Doch nein. Er hatte nur nach vorn geschaut. „Diese Elisabeth hat mit Magie hantiert, wenn ich mich recht an ihren Brief erinnere“, begann Dean. „Ich gehe davon aus, dass es ein Blutzauber war, der prüfen sollte, ob wirklich Familie in das Haus geht.“ „Bist du dir sicher?“ „Ich habe versucht im Internet etwas über Blutzauber herauszubekommen. Viel war es nicht, aber es gibt ein Ritual, bei dem der Gegenstand Blut aufnimmt und erst danach nutzbar ist. Ich habe auch mit Bobby gesprochen und er gibt mir Recht. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass dieser Zauber wohl falsch herum wirkt, so wie das Haus auf uns gewirkt hat und so wie es aussieht.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Ich habe hin und her überlegt, ob ich es dir sage, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass der Schlüssel früher oder später Blut von dir will und so war es einfacher.“ „Einfacher?“ „Du wusstest nicht was kommt und … Ich habe darin keine Gefahr gesehen, Sammy.“ Dean atmete tief durch. „Du kannst gerne noch tiefer graben. Ich gebe dir meine Quellen. Vielleicht findest du ja mehr.“ „Das werde ich auf jeden Fall“, nickte Sam. Er war immer noch besorgt und auch ein wenig sauer, dass Dean nichts gesagt hatte. Die Überlegung eines Blutzaubers war allerdings auch nicht von der Hand zu weisen. Recherchieren würde er das auf jeden Fall genauer. Die Woche verging wie im Flug. Jede Minute, die sie nicht arbeiteten oder lernten verbrachten die Brüder im Internet, um sich über die Möglichkeiten für Warmwasser und Heizung zu informieren und Ideen für die Einrichtung der einzelnen Zimmer zu sammeln. Außerdem versuchten sie herauszubekommen, was genau Elisabeth Newton für einen Zauber verwendet haben könnte, den Kobold wollten sie nicht fragen, und wie der komplett gebrochen werden konnte, schließlich wollten sie niemanden verschrecken, der mithelfen sollte, das Anwesen auf Vordermann zu bringen. Sie konkretisierten ihre Pläne immer mehr und wunderten sich nicht nur einmal, wie normal es sich schon anfühlte, Besitzer eines so großes Hauses zu sein. Für Dean klingelte der Wecker am Freitagmorgen viel zu früh und die Dusche schaffte es auch nicht richtig ihn zu entspannen. Irgendwie hatte er den Eindruck, als ob ihm ein paar Stunden Schlaf fehlten. Nein, eigentlich noch nicht mal das. Es war eher, als hätte er auf einer zugigen Parkbank gelegen. Wahrscheinlich hatte er gestern irgendwie komisch gesessen, als er nach der Schule hier noch gelernt hatte. Hoffentlich hatte er sich nichts eingefangen. Das konnte er jetzt überhaupt nicht brauchen! Er machte sich fertig und fuhr zur Wache. Sein erster Weg führte ihn zur Kaffeemaschine und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Da war schon einer so gut gewesen und hatte die erste Kanne des schwarzen Lebenselixiers gebraut. Er nahm eine Tasse aus dem Schrank und füllte sie. Den ersten Schluck nehmend ging er zum Tisch. Er stellte die Tasse ab, legte sein Schulbuch daneben und setzte sich. Seine Kollegen warfen nur einen Blick auf ihn und ließen sich am anderen Ende des Tisches nieder. Leise unterhielten sie sich, obwohl Dean ihnen schon mehrfach gesagt hatte, dass sie wegen seiner Lernerei nicht flüstern müssten. Er fand es trotzdem toll, wie sehr sie auf ihn Rücksicht nahmen. Bei Grady hätte er … Nein! Grady war Geschichte! Energisch schob er jeden Gedanken an diesen Schinder beiseite und vertiefte sich in sein Buch. Weit kam er nicht, bis sie von einer Durchsage aufgescheucht wurden. Ein paar Querstraßen von ihnen entfernt brannte ein Wohnhaus. Sie ließen alles stehen und liegen, sprinteten zu ihren Wagen, schlüpften in die Schutzkleidung und sprangen in den Wagen. Minuten später standen sie vor dem Haus. „Wir wissen nicht, ob noch Personen im Haus sind“, erklärte Chief Bradley. „Bolin, Duke, sie kümmern sich um die Belüftung.“ „Win, du kommst mit mir, wir fangen oben an“, entschied Lt. Gilian. Dean nickte, setzte sich seinen Helm auf und folgte ihm zur Eingangstür. Irgendwann in den letzten Wochen hatte seine Kameraden sich angewöhnt ihn Win zu rufen, warum auch immer. Er war sich nicht sicher, ob das ein Omen sein sollte, ob sie meinten, dass er ein Gewinn wäre. Sie stiegen die Treppen hoch. Hinter ihnen kamen Dave Holland und Morton Peterson. „Ihr zwei nehmt die Seite, wir fangen da an“, erklärte der Lieutenant und setzte seine Worte sofort in die Tat um. Er rammte eine Tür auf. „Hier ist die Feuerwehr. Ist hier jemand? Bitte melden Sie sich!“, brüllte er in die Wohnung. Es meldete sich niemand. Sofort betrat Dean die Räume und begann sie zu durchsuchen. „Keiner hier“, erklärte er als er wiederkam, zur nächsten Tür ging und die mit einem Schlag öffnete. Jetzt ging Gilian auf die Suche. Auch er fand niemanden. Zurück an der Treppe trafen sie auf Holland und Pete. „Geht ihr schon runter und helft da, wir gehen nach oben“, entschied der Lieutenant. Im Dachgeschoss gab es zwei Wohnungen. Wieder trat Dean die Tür ein und Gilian durchsuchte die Wohnung. Auch hier fand er niemanden. „Dann mal zur Letzten!“ Dean nickte. Gilian trat die Tür ein und der Winchester betrat die Wohnung. „Feuerwehr Bloomington! Bitte melden Sie sich!“, rief er und machte einen Schritt in den ersten Raum auf der linken Seite. Ein Schlafzimmer. „Feuerwehr“, rief er, ging in die Hocke und schaute unter das Bett. Ein kleine Mädchen lag darunter. „Komm raus Kleine. Wir müssen hier weg.“ Er hielt ihr die Hand hin. „Aber mein Dad!“, jammerte sie. „Was ist mit ihm?“ „Er hat gesagt, dass ich hierbleiben soll, bis er mich holt.“ „Dein Dad ist auch noch in der Wohnung?“ Schniefend zuckte sie mit den Schultern und schaute ihn ängstlich an. „Na komm. Ich bringe dich raus und dann suche ich ihn. Was denkst du?“ Endlich griff sie nach seiner Hand und ließ sich rausziehen. Dean nahm sie auf den Arm und trug sie zu Gilian. „Ihr Vater ist noch da drin“, erklärte er, während er sie an ihn übergab und verschwand wieder in der verrauchten Wohnung. In der Küche, auf halbem Weg zwischen Tür und Fenster lag ein Mann. „Sir?“ Dean rüttelte ihn an der Schulter. „Können Sie mich hören?“ Er drehte ihn auf den Rücken und schob ihm seine Reservemaske über das Gesicht. „Was?“, krächzte der. Er wollte sich die Maske von Gesicht wischen. „Nicht, Sir“, hielt Dean ihn auf. „Wer sind Sie?“ „Feuerwehr Bloomington!“ „Feuer ...“, jetzt kam Leben in den Mann. „Meine Tochter“, hustete er und wollte aufstehen. „Sie ist bei meinem Kollegen in Sicherheit“, erklärte Dean ruhig und half dem Mann. Als der endlich stand, ließ er ihm noch zwei, drei Atemzüge Zeit, dann drängte er ihn zur Tür. „Wir müssen hier raus!“ Dean legte ihm die Hand auf den Rücken und schob ihn mehr, als das der Mann selbst lief zur Tür. Kaum sah der seine Tochter, stolperte er vorwärts. „Theresa“, keuchte er und zog sie in eine feste Umarmung. „Das können Sie draußen gerne weiter und ausgiebig machen, jetzt müssen wir hier raus!“, knurrte Gilian, löste die Arme des Mannes und nahm die Kleine auf den Arm. Das wütende Funkeln in dessen Augen ignorierte er. „Raus jetzt!“, forderte Dean. Er umfasste den Arm des Mannes und zog ihn hinter sich her. Schnell warf der noch einen Blick auf sein Kind. „Es wird alles Gut, Kleines“, versuchte er sie zu trösten und folgte dem Retter. Gilian ließ ihnen zwei, drei Schritte Vorsprung. Er wollte gerade die Treppe ins Erdgeschoss betreten, als ein Knacken die Flammen übertönte und durch das Haus hallte. Die Treppe sackte ein Stück nach unten. Sofort sprintete Gilian mit der Kleinen die wenigen Stufen wieder hoch und in die relative Sicherheit des Obergeschosses. Auch Dean wollte zurück nach oben, doch der Mann hinter ihm stand stocksteif und krallte sich regelrecht in seiner Jacke fest. „Hoch!“, brüllte Dean. Der Mann reagierte noch immer nicht. Und dann sackte die Treppe nach unten. Kapitel 73: Start the Simulator ------------------------------- 073 Start the Simulator Für einen Wimpernschlag schien Dean zu schweben, dann hatte ihn die Schwerkraft wieder unter Kontrolle und zerrte ihn unerbittlich in die Tiefe. Die Treppe, auf der er eben noch gestanden hatte, fiel auf die darunterliegende und riss auch die mit sich in den Keller. Eine riesige Staubwolke aufwirbelnd, krachten sie auf den Boden, Sekunden bevor auch Dean und der Mann, den er eigentlich hatte retten wollen, aufschlugen. Instinktiv versuchte er sich gegen den Aufprall zu wappnen, es half ihm nicht wirklich. Schmerzen explodierten in Deans Körper, dann umfing ihn die Dunkelheit. Sein Körper steckte sich und der Helm, den er bei der unsanften Landung verloren hatte, rollte ein Stück weg. „Win!“, brüllte Cooper Gilian. „WIN!“ „Daddy!“, jammerte die Kleine in seinen Armen und begann zu strampeln. Doch er hielt sie fest. „Feuerwehrmann immobil!“, gab er über Sprechfunk durch und versuchte gleichzeitig das Kind irgendwie zu beruhigen. „Keller. Treppen mit zwei Personen abgestürzt. Ich brauche eine Leiter zum Obergeschoss.“ Er setzte die Kleine ab und hockte sich vor sie. „Meine Kollegen kümmern sich um ihn, okay? Jetzt müssen wir hier raus. Du willst doch seinen Dad draußen empfangen, oder?“ Schniefend nickte sie. „Gut, dann los!“ Er hob sie hoch und trug sie zu einem Fenster. Tom Brolin stand neben Josh Duke, der die Leiter ausfuhr, und suchte die Fenster des Obergeschosses ab. Endlich entdeckte er den Lieutenant. Er schlug Josh auf die Schulter. „Da!“, sagte er und zeigte auf das Fenster. Duke nickte und dirigierte die Leiter genau zu diesem Fenster. Schnell stieg Tom nach oben und half dem Lieutenant die Kleine in Sicherheit und zu den wartenden Sanitätern zu bringen. „Danke“, nickte der Lieutenant, kaum dass er wieder Boden unter den Füßen hatte. Er rannte zum Chief. „Win?“, fragte er atemlos. „Die Rüstgruppe ist dran.“ Gilian nickte und lief zurück ins Haus. Vielleicht wurde ja noch eine Hand gebraucht. Kaum das Lieutenant Gilians „Feuerwehrmann immobil“, verklungen war, stürmten die Männer der eben eingetroffenen Rüstgruppe auch schon los. Vorsichtig näherten sie sich dem Loch und versuchten in dem Chaos unter sich etwas zu sehen. Noch hatte sich der Staub nicht vollständig gelegt. „Da!“, sagte Greene und zeigte auf ein schwach sichtbares blinkendes rotes Licht. „Lasst mich runter“, forderte Romero. Sofort befestige er ein Seil am Karabiner an seinem Gürtel. Er kletterte über den Rand und drückte sich etwas von der Kante ab, während seine Männer ihn nach unten ließen. Etwas unwirsch schlug er das Seil weg, dass immer noch an seinem Arm hing, nachdem er es vom Karabiner gelöst hatte und lief zu dem Kameraden. Langsam tauchte Dean aus seiner Bewusstlosigkeit wieder auf. Sein Körper schmerzte, allerdings fand er bei seiner Bestandsaufnahme nichts, was wirklich schlimm war und nicht mit einer heißen Dusche und ein paar Stunden Ruhe wieder wurde. Er versuchte langsam und tief zu atmen und musste husten. Jemand rüttelte ihn an der Schulter. Sofort spannte er sich an. „Hey, du bist hier zum Arbeiten. Ausruhen kannst du später!“ Er konnte die Erleichterung in der Stimme hören und versuchte seine Augen zu öffnen. Dean musste noch zwei Mal blinzeln, dann hatte sich seine Sicht soweit geklärt, dass er die Hand sah, die Romano ihm hinhielt. Er griff danach und ließ sich auf die Beine ziehen. „Alles okay bei dir?“ Dean nickte. „Nichts, was nicht mit einer heißen Dusche zu beheben wäre“, erklärte er heiser und versuchte sich zu strecken. „Wo ist ...“, begann er und schaute sich suchend um. Er sah den Mann keine drei Schritte von sich entfernt liegen. Romano kniete bei ihm. Schnell überbrückte er die Schritte und kniete sich ebenfalls hin. „Wir müssen ihn hier rausbringen“, erklärte Romano. Dean nickte und schob ihm seine Reservemaske wieder über das Gesicht. Gemeinsam hievten sie ihn in eine sitzende Position und trugen ihn unter den Rand des Loches. „Wir brauchen noch ein Seil“, rief Romano nach oben und begann das erste Seil schon mal so zu befestigen, dass sie den Mann nachher in sitzender Position hochziehen konnten. Das zweite Seil fiel nach unten und wurde von Dean in gleicher Weise angelegt. „Zieht hoch!“, forderte Romano und schon schwebte der Mann nach oben. „Vorsicht!“, rief Dean, der ihm hinterherschaute, als der dem Rand gefährlich nahekam. Kaum war der Mann aus seinem Sichtfeld verschwunden, sah er sich suchend um. Er holte sich seinen Helm und begann das Regal zu untersuchen, dass an der Wand stand. Er rüttelte dran und befand es für halbwegs brauchbar. „Hilfst du mir?“, fragte er Romano. Gemeinsam trugen sie das Teil unter die Abbruchkante. Sie kletterten darauf und Romano half ihm mit einer Räuberleiter nach oben zu kommen. Kaum war Dean oben, drehte er sich auch schon um und beugte sich in das Loch. „Jetzt du!“, forderte er. Romano nickte, er holte Schwung und sprang, die Hand zu Deans ausgestreckt. Deans Finger schlossen sich und er sah, wie das Regal zusammenklappte. Schwer hing der Lieutenant der Rüstgruppe an seinem Arm, als er versuchte ihn nach oben zu ziehen. Aber er hatte keinen Halt. Langsam, aber sicher wurde er von dem Gewicht nach vorn gezogen. Immer wieder versuchte er seinen Arm anzuwinkeln, damit Romano den Rand des Loches zu fassen bekam und immer wieder versuchten seine Füße einen Halt zu finden. Und dann waren die Hände da. Seine Kameraden waren zurückgekommen. Sie hielten ihn und sie halfen ihm, den Lieutenant nach oben zu holen. Endlich hatten sie ihn! Dean drehte sich auf den Rücken und atmete durch. „Los hoch mit dir!“, forderte Gilian und hielt ihm die Hand hin. Dean ließ sich aufhelfen. Dankbar klopfte ihm Romano auf die Schulter und die anderen knufften ihn freundschaftlich gegen Arm und Brust. Dean lächelte und folgte seinem Lieutenant nach draußen. Er nahm sich eine Flasche Wasser, die ihm irgendwer hinhielt, trank ein paar Schluck und kippte sich den Rest über den Kopf. Er schüttelte sich, dass die Tropfen nur so flogen. Dass war ein Einsatz, aber sie hatten es geschafft! Endlich war der Brand gelöscht und sie konnten zusammenpacken und zur Wache zurückkehren. Nach der ausgiebigen heißen Dusche fühlte sich Dean wirklich wieder gut. Nur die blauen Flecke würde er wohl noch ein paar Tage behalten. Er kehrte zu seinem Büchern zurück und konnte nun auch in Ruhe lernen. Den Abend verbrachten die Brüder vor dem Fernseher, bis Dean sich gleich nach dem Spiel ins Bett verzog. Sam schaute noch eine ganze Weile auf die geschlossene Tür. Sein Bruder hatte ihm von dem Einsatz erzählt und von seinem Absturz und das Romero ihn gerettet hatte. Er hatte ihm auch gesagt, dass es ihm gut ging. Ging es ihm gut? Frustriert fuhr er sich durch die Haare. Er wusste doch, dass Deans Arbeit kein Kaffeetrinken war. Warum nahm ihn das dann so mit? Es war nicht Wache 39. Obwohl das auf der wohl nie so passiert wäre, weil sie Dean nicht mitgenommen hätten. Nein! Er würde ihm vertrauen und er würde seinen Kameraden vertrauen! Dean war da in guten Händen! Er musste keine Angst um ihn haben! Als Dave wieder kam, überraschte er sie mit einem virtuellen Rundgang durch ihr Haus. Er hatte Küche, Frühstücksecke, Esszimmer und Bibliothek eingerichtet, die oberen Geschosse in zwei Wohnungen geteilt und auch hier ein paar Räume mit Möbel versehen. „Wow“, ließ sich Dean vernehmen. Er blickte zu Sam und sah, dass auch dessen Augen begeistert leuchteten. „So toll hätte ich mir das nicht vorgestellt“, sagte er beeindruckt. „Danke!“, freute sich Dave. „Aber seid ihr euch sicher, dass ihr das Erdgeschoss wirklich gemeinsam nutzen wollt? Ich habe hier einen Vorschlag, wie auch das Erdgeschoss getrennt werden kann. Dann würdet ihr euch nur die Eingangshalle teilen. Die beiden Wohnungen sind groß genug für eine moderne Aufteilung und unten im Keller könntet ihr, mit ein paar Umbauten für Fenster, einige Gemeinschaftsräume haben.“ Dean wechselte zwischen den beiden Vorschlägen hin und her und schaute dann fragend zu Sam. Auch diese Idee hatte ihre Reize. „Darüber müssen wir noch reden“, begann Dean. „Die Idee hat was, auch wenn ich die erste Lösung bevorzugen würde.“ Er schaute wieder zu Sam und dann zurück zu Dave. „Hast du etwas über die verschiedenen Möglichkeiten der Heizung herausfinden können?“ Dave nickte, „Alles ist möglich“, erklärte er und legte ihnen seine Ideen dazu dar. „Ich weiß nur nicht, ob die Firmen hier mit dieser Art Deckenheizungen arbeiten. Wenn nicht, musst du dich melden, dann schicke ich einen Mann oder ich komme selbst und wir arbeiten mal wieder zusammen. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten.“ Dean strahlte. „Mit dir zu arbeiten wäre mir fast das Liebste. Ich habe gerne für dich gearbeitet, schon alleine, weil ich so viel von dir gelernt habe.“ „Danke!“ Dave lächelte breit. „Bei der Heizung helfe ich dir gern. Sonst musst du dir allerdings einen anderen Bauunternehmer suchen. Ich bin in Greensburg eingespannt.“ „Ich dachte wir haben eine Immobilienkrise“, wunderte sich Sam. „Greensburg arbeitet dagegen. Die Stadt lässt Wohnungen bauen. Damit bin ich ausgelastet.“ Er deutete auf eine Nummer auf Deans Blatt. „Ich würde dir den empfehlen. Der ist gut. Fahrt mal hin, redet mit ihm. Bei so einem Projekt muss die Chemie stimmen. Die Anderen sind aber auch nicht schlechter.“ Die Brüder tauschten einen ihrer so beredeten Blicke, dann nickten sie. „Gut. Wegen der Heizung melde ich mich. Wir wollen erstmal ausräumen“, erklärte Dean. Er freute sich, dass schon mal ein Problem gelöst war. Jetzt mussten sie nur noch um die restlichen 3694 kümmern. „Das Einfachste wird sein, wenn ihr erstmal den kompletten Abriss macht. Das ganze Haus ist verputzt und so habt ihr nur einmal den Dreck“, erklärte Dave und schaute zwischen Sam und Dean hin und her. „Melde dich, wenn ich dir beim Anzeichnen der Leitungswege helfen soll.“ Dean nickte erfreut, konnte er so noch einen weiteren Tag von Dave lernen. „Danke, Dave, dass du dir die Zeit genommen und uns so schnell und unkompliziert geholfen hast. Ohne dich würden wir wohl noch ewig rumeiern.“ Dean war aufgestanden und reichte seinem ehemaligen Arbeitgeber die Hand. „Gern geschehen und ich würde mich freuen auch danach hin und wieder mal zu hören, was ihr aus dem Kasten macht. Einfach wird das nicht und ich beneide dich nicht um das Projekt, auch wenn es interessant ist.“ „Wir überlegen uns, was wir wollen, und dann rufe ich dich an“, sagte Dean. „Von mir auch ein herzliches Dankeschön!“ Sam war ebenfalls aufgestanden und reichte Dave nun auch die Hand. „Keine Angst“, lachte Dean. „Ich“, er schaute zu Sam, „wir werden dir wohl noch ein paar Mal mehr auf die Nerven gehen. Jetzt hast du uns an der Backe.“ „Ich nehme dich beim Wort!“ Auch wenn Dave lächelte, drückten seine Augen aus, wie ernst es ihm damit war. Er wollte wissen, wie es mit diesem Haus weiterging. Mit dem Haus und mit seinen Bewohnern, denn die waren alles andere als gewöhnlich. Noch einmal reichte Dave den Brüdern die Hand und machte sich auf den Weg zurück nach Greensburg. Dean setzte sich vor den Rechner und wechselte zwischen den einzelnen Ideen hin und her. „Was denkst du?“, fragte Sam, der neben ihm stand und ihm über die Schultern schaute. „Keine Ahnung. Die zweite Variante wäre wahrscheinlich besser.“ „Aber du magst sie nicht?“ „Wir würden nebeneinanderher leben. Wir müssten uns wirklich besuchen wollen oder darauf hoffen, dass wir uns mal über den Weg laufen. Klar, draußen würden wir uns vielleicht treffen … Es ist wie in derselben Straße wohnen oder im selben Ort.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich ist es das, was wir machen sollten. Wahrscheinlich ist es das normale Leben, aber ich will das nicht. Wir hatten nie ein normales Leben und irgendwie will ich das auch jetzt nicht. Nicht so. Nicht in jeder Situation. Ich ...“ Noch einmal zuckte Dean mit den Schultern. Er ließ die Variante mit den zwei getrennten Wohnungen auf den Bildschirm und starrte traurig darauf. Sanft legte Sam seinem Bruder die Hand auf den Arm. Er konnte ihn verstehen, auch wenn es für ihn nicht so schlimm wäre nebeneinander zu wohnen. Aber Dean schien diese Situation zu schaffen zu machen. „Gibt es eine Möglichkeit das Erdgeschoss so einzurichten“, Sam nahm sich die Maus und klickte auf die von Dean favorisierte Variante, „und trotzdem die Möglichkeit zu haben es so“, er klickte das ungeliebte Bild an, „zu ändern, ohne das ganze Haus wieder abzureißen?“ „Ich müsste ein paar Leitungen und Anschlüsse zusätzlich legen.“ „Ist das schwierig oder zu viel Arbeit?“ „Je nachdem, was wir aus den Räume machen wollen.“ „Gut. Dann strengen wir unsere kleinen grauen Zellen noch ein wenig mehr an und überlegen uns, was wir aus diesen Räumen machen wollen, dass allen nutzt, aber auch nicht meilenweit davon entfernt ist, wenn wir es doch noch mal umbauen müssen. Oder wir suchen uns gleich Frauen, die mit diesem Leben klarkommen.“ Dean grinste schief. Klar war ja auch so einfach überhaupt eine Frau zu finden, der er soweit vertraute, um sie wirklich in sein Leben zu lassen. „Das müssten schon ganz besondere Frauen sein.“ „Wer weiß, wer weiß“, lachte Sam. „Kommt Zeit kommt Rat, oder in diesem Fall Frau.“ „Du und deine klugen Sprüche“, grummelte Dean und schloss den ungeliebten Entwurf. Er zog ein Blatt aus seinem Block und begann in wahlloser Reihenfolge alles das aufzuschreiben, was in dem Anwesen demnächst zu machen war. Es wurde eine schier endlose Liste. Kapitel 74: If I had a hammer ----------------------------- 074) If I had a hammer Am nächsten Morgen wollten sie wenigstens einen Punkt von der Liste abzuarbeiten. Sie fuhren zu dem Bauunternehmer, den Dave ihnen empfohlen hatten. Vielleicht konnten sie ja da schon einiges in die Wege leiten. Dean lenkte den Impala auf einem Parkplatz neben dem Eingang. Sie stiegen aus und betraten die Halle. Gleich links gab es ein verglastes Büro, in dem drei Schreibtische standen. Niemand war da, aber die Tür stand offen und über einen Monitor lief der Bildschirmschoner. „Hallo?“, rief Dean. Er schaute sich ein bisschen um. Im Büro hingen Bilder von Indien. In der Halle gab es jede Menge Musterständer. Knäufe, Fliesen, Holz, Marmor, Granit und Quarz. Eine junge Frau kam auf sie zu. Sie trug eine braune Latzhose und eine beigefarbene Jacke. Ihr fast schwarzes Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. „Hallo! Ich bin Amita Branson“, grüßte sie mit einem freundlichen Lächeln. „Wie kann ich ihnen helfen?“ Sie musterte die beiden jungen Männer mit großen, dunkelbraunen Augen. „Wir haben ein Haus, dass umgebaut werden soll und suchen einen Bauunternehmer, der das Ganze koordiniert“, erklärte Dean. „Da sprechen sie am Besten mit meinem Bruder. Der ist für Häuser zuständig.“ „Und Sie?“, wollte Dean nun neugierig wissen. Sein Blick huschte kurz zu Sam, der schweigend neben ihm stand. Gab es da so etwas wie heimliche Bewunderung in seinen Augen? Sein Typ wäre sie. „Ich bin Landschaftsarchitektin“, sie lächelte. „Ich hole ihn. Einen Augenblick bitte.“ Dean wandte sich seinem Bruder zu, schaute ihm fragend in die Augen, sagte aber nichts, als der nur fragend zurückblickte. Schon bald kam sie mit einem Mann zurück, der unverkennbar mit ihr verwandt war. „Mein Bruder, Karan Branson.“ „Hallo“, Dean hielt ihm die Hand hin. „Dean Winchester. Mein Bruder Sam“, er deutete auf den Langen neben sich. „Sie haben ein Haus, das umgebaut werden soll?“, wandte sich Karan nach der Begrüßung sofort dem Geschäftlichen zu. Dean nickte. Karan deutete auf das Büro und ging voraus. „Möchten sie einen Kaffee?“ „Gerne“, nickten die Brüder fast unisono. „Ich bin wieder hinten“, informierte Amita ihren Bruder. Sie verabschiedete sich mit einem Nicken und ging. Karan stellte Milch und Zucker auf den kleinen Tisch in der Ecke des Büros und verteilte die Tassen. „Was soll gemacht werden?“, fragte er, nachdem er sich ebenfalls gesetzt hatte. „Eigentlich alles. Fenster, Türen. Die Dachkonstruktion muss geprüft werden. Wir wollen Solar haben“, Dean schaute zu Sam und der nickte. „Leitungen, Rohre.“ Der Ältere zuckte mit den Schultern. „Den Abriss kann ich machen, auch Schlitze stemmen. Trockenbau könnte ich auch, aber das Haus ist ein massiver Steinbau.“ Karan schaute ihn überlegend an. „Und wo ist das Haus.“ Sam nannte die Adresse. Der Bauunternehmer schüttelte den Kopf. So sagte ihm das nichts. „Wenn Sie gleich noch Zeit haben, könnten wir gemeinsam hinfahren“, erklärte Dean. „Die Einfahrt ist kaum zu finden. Ich denke, es ist einfacher alles vor Ort zu besprechen. Wenn es jetzt nicht klappt, müssten wir einen Termin ausmachen.“ „Dann sollten wir einen Termin ausmachen, damit ich mir das ansehen und einschätzen kann.“ Dean blickte zu Sam. Doch der schüttelte den Kopf. „Da du hier der Fachmann bist, wäre es besser, wenn du das mit ihm klärst. Aber ich komme gerne mit.“ Dean kaute überlegend auf seiner Unterlippe. „Ich habe ab morgen wieder Nachtschicht.“ Karan erhob sich und ging zu seinem Kalender. Er blätterte kurz, bevor er zur Uhr schaute. „Ich wollte eigentlich mit einem Kunden eine Baustelle begehen, aber das kann ich nachher noch machen. Wenn´s nicht zu lange dauert könnten wir sofort fahren.“ „Gut“, freute sich Dean. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf. „Folgen Sie mir?“ Branson nickte und folgte den Brüdern nach draußen. Sein Blick glitt kurz bewundernd über den schwarzen Wagen. Jetzt war er gespannt, was das wohl für ein Haus sein würde. Er folgte dem Impala eine ganze Zeit lang, bis Dean den Blinker setzte und in einen kaum erkennbaren Weg einbog. Für einen Augenblick dachte er, dass es das Häuschen hier gleich rechts wäre, doch der Wagen fuhr weiter auf die riesige düstere Villa hinter einer großen Buche zu. Neben dem Haus stand eine große Linde. Toter Efeu hing an den Wänden. Seine Augen weiteten sich, als er das Anwesen in seinem gesamten Ausmaß sah. Das sollte umgebaut werden? Das würde Millionen kosten! Lohnte sich das überhaupt? Er stellte seinen Pickup neben dem Impala ab und stieg aus. „Den Kasten wollen sie umbauen?“, fragte er ungläubig. „Wir haben ihn geerbt“, sagte Sam während er seinen Laptop auf die Motorhaube des Impala legte, öffnete und die Pläne von Dave aufrief. „So ungefähr soll es mal aussehen“, erklärte er. Branson betrachtete die Pläne. „Dave Garisson, Greensburg“, fragte er irritiert und schaute von Sam zu Dean. „Ich habe vor Jahren eine Weile für ihn gearbeitet und da er in der Nähe ist, war mein erster Weg zu ihm“, erklärte Dean. „Er hat Sie empfohlen.“ Sofort hellte sich Bransons Mine auf. Er schaute zum Portal hinauf. „Dann wollen wir mal reingehen.“ Der Rundgang dauerte fast zwei Stunden. Sie fachsimpelten über Details und waren sich danach einig, dass Bransons Firma den Großteil der Arbeiten übernehmen würde, die Dean sich nicht zutraute, oder für die man spezielle Zulassungen haben musste, die er nicht hatte. Außerdem stimmte er Dave zu, dass sie zuerst die Abrissarbeiten machen sollten und er sagte zu, ihnen nächste Woche einen großen Container zu bringen, in dem sie all den Müll entsorgen konnten, der noch im Haus war. Sie verabschiedeten sich mit einem festen Handschlag. Die Brüder waren froh, so schnell jemanden gefunden zu haben, der ihnen half und Branson freute sich über den Auftrag, der ihm sicher über das nächste Jahr helfen würde. „Kann ich die Einfahrt irgendwie kennzeichnen?“, fragte Karan bevor er einstieg. „Gerne“, nickte Dean. Auch für ihn wäre das erstmal eine Erleichterung. Sie schauten dem davonfahrenden Pickup hinterher. „Das ist super gelaufen“, freute sich Dean. Sam nickte nur. Hoffentlich ging das alles gut. Hoffentlich übernahm sich Dean nicht und hoffentlich zahlte der Kobold wirklich alle Rechnungen, nicht dass der sie mit diesem Hauskonto nur ködern wollte. Er hatte sich zwar die Unterlagen angesehen, die sie von ihm bekommen hatten, so ganz hatte er sie aber noch nicht entwirren können. Das würde er in den nächsten Tagen in Angriff nehmen. „Was machst du eigentlich zu deinem Geburtstag?“, fragte Dean und stieg die Eingangstreppe noch einmal hinauf. „Keine Ahnung. Du hast Nachtschicht und am Wochenende muss Tylor zu einer Tante, die 80 wird und Chris auf die Taufe seines Neffen.“ Dean nickte. „Chris ist Patenonkel.“ In seinem Kopf formte sich eine Idee. Mal sehen, wie die umzusetzen wäre. „Und am Wochenende danach?“, wollte er von Sam wissen. „Da kann Tarek nicht.“ „Und du hättest ihn gerne dabei?“ „Wir gehen einmal im Monat zusammen los. Ich würde ihn schon gerne mit einladen.“ Sam schnaufte traurig. Dean legte ihm die Hand auf den Arm. „Wir finden einen Tag“, versprach er, ging in die Küche und zog sich seine Jacke wieder über, die er vorhin hier ausgezogen hatte. Sein Blick fiel auf den Hammer, der auf der Fensterbank lag. Den hatte Dave wohl vergessen, als sie die Wände oben abgeklopft hatten. Er nahm ihn, wog ihn kurz in der Hand und warf ihn dann, aus einer Laune heraus, gegen die Wand. Vielleicht blieb er ja stecken? Der Hammer pralle gegen die Wand und fiel zu Boden, ohne Schaden angerichtet zu gaben. Dean zog die Augenbrauen zusammen. Er hob den Hammer auf, fasste ihn fester, holte aus und verdankte es nur seinen mehr als guten Reflexen, dass der ihn nicht im Gesicht traf. Was war das denn? Er schüttelte den Kopf musterte die Wand und den Hammer und schlug erneut zu. Wieder prallte der Hammer zurück. Jetzt untersuchte er die Wand noch genauer. Aber nichts. Keine Delle, kein Kratzer. ‚Okay. Ein letzter Versuch‘, überlegte er und nahm sich eine andere Wand vor. Wieder prallte der Hammer zurück, ohne eine Wirkung hinterlassen zu haben. Dean verdrehte die Augen. Er stellte den Hammer weg und ging zum Impala. „Was ist?“, wollte Sam wissen, der gerade ins Haus kommen wollte, um zu sehen, was sein Bruder da so lange trieb. Dean schüttelte den Kopf, kramte im Handschuhfach des Impala und ging mit dem EMF zurück in die Küche. Hier konnte etwas nicht mit rechten Dingen zugehen! Sam folgte ihm langsam. In der Küche schaltete er es ein und hielt es an die Wand. Drei der fünf Lämpchen leuchteten. Kein sehr aussagekräftiges Ergebnis! Er ging durch den Durchgang ins Esszimmer. Im Durchgang leuchtete eine LED und die zweite flackerte leicht, im Esszimmer waren es wieder drei. Auch im Foyer und der Garderobe änderte sich die Anzeige nicht. In der Bibliothek und in dem großen freien Raum leuchteten wieder drei und die vierte flackerte hin und wieder. Er schnaufte. Grübelnd ging er zurück in die Küche und begann langsam auf und ab zu gehen, während er versuchte sich klar zu werden, was das bedeuten könnte. Das EMF hatte er immer noch eingeschaltet in der Hand. Sam beobachtete ihn schweigend und versuchte ebenfalls sich einen Reim auf das Ganze zu machen. Warum hatte Dean das EMF überhaupt geholt? Plötzlich fiel Deans Blick auf die vierte LED. Irgendwas war hier komisch! Aber was? Er starrte auf die kleine Leuchte und hielt das EMF in Richtung Fenster. Das vierte Lämpchen leuchtete nur hin und wieder. Als er zurück zur Tür ging, zeigte das kleine Gerät eher zur Wand und die vierte Leuchte flackerte viel stärker. Er rieb sich den Nacken und schaute zu Sam. „Was hältst du davon? Gibt es hier Geister, die …“, hilflos zuckte er mit den Schultern. ‚Ja was eigentlich? Waren sie ans Haus gebunden? Gab es hier Morde? Einen Friedhof auf dem Grundstück? Aber warum sollten diese Geister dann im Haus sein? Waren es überhaupt Geister?‘ Diese Mrs. Elisabeth konnte alles Mögliche gemacht haben und wurde ihm gerade ziemlich unsympathisch. Vererbtes Haus hin oder her. Noch einmal rieb er sich den Nacken und atmete tief durch. „Ach verdammt!“, wütete er, hob den Hammer auf und warf ihn erneut gegen die Wand. „Schei …!“ Hastig versuchte er sich zu drucken, als das Werkzeug von der Wand abprallte und auf ihn zugeschossen kam. Er schaffte nur eine halbe Drehung. Der Hammer traf ihn an der Schulter. „Uhm!“, knurrte er, während der Schmerz durch seinen Körper vibrierte. Verdammt noch mal. Dieses Haus wusste doch, dass sie Familie waren! Wieso griff es ihn an? „Dean?“ Sam überbrückte die wenigen Schritte zu seinem Bruder und fasste ihn vorsichtig am Arm. „Bist …?“, er schüttelte den Kopf. Natürlich war Dean nicht okay. Blöde Frage! Aber? „Was war das gerade?“ Er starrte auf die Wand, die eine sichtliche Delle von dem Hammer haben sollte, aber keine hatte. „Was war das? Wieso hast du das EMF geholt?“ Dean atmete tief durch. „Der Hammer lag rum und ich hab ihn, aus Jux und Dollerei, gegen die Wand geworfen. Er prallte ab und fiel runter, ohne dass er Spuren hinterlassen hätte. Also hab ich ihn dagegen geschlagen und hätte ihn fast gegen den Kopf bekommen.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich die Schulter. „Du sollst erhalten werden, verdammt“, knurrte er in den Raum hinein. „Oder willst du vergammeln?“ Er bekam keine Antwort vom Haus. Natürlich nicht. „Und du denkst, dass hier Geister am Werk sind?“, brachte sich Sam wieder Gespräch. „Keine Ahnung. Das EMF zeigt etwas an.“ Dean verkniff es sich mit den Schultern zu zucken. „Lass uns gehen!“, knurrte er, um nicht doch noch den Hammer vor seinen Füßen aufzuheben und ihn noch einmal, dieses Mal allerdings gegen das Fenster zu schleudern. Vielleicht zerplatzten ja wenigstens eine Scheibe?! Wütend starrte er auf die Wand und rieb sich die Schulter. Er holte tief Luft und verließ den Raum. Das brachte heute eh nichts mehr. Er nahm sich seine Jacke und folgte Sam zum Impala. Die Haustür knallte er wütend ins Schloss. Kapitel 75: Bakerman -------------------- 075) Bakerman Umständlich schälte sich Dean in ihrem Zimmer aus der Jacke und konnte ein leises Aufstöhnen nicht unterdrücken, als er die Schulter bewegte. „Ziehst du das Shirt aus?“, bat Sam. Dean nickte und schaffte es mit dessen Hilfe sich halbwegs schmerzfrei seiner Kleidung zu entledigen. Ein dicker blauer Bluterguss prangte an der Stelle, an der ihn der Hammer getroffen hatte. An den Rippen darunter schillerten die die Blutergüsse von seinem letzten Einsatz in allen Farben. „Das sieht übel aus“, stellte Sam fest und tastete die Stellen so vorsichtig wie möglich ab. „ Von deinem Unfall?“ „Ja.“ „Du hast gesagt, dass die Treppe abgesackt ist. Ich dachte, du bist eine Stufe runter gefallen. Du hast nicht gesagt, dass es so schlimm ist!“ „Ist es nicht. Ich bin ein Stockwerk weiter unten gelandet.“ Dean schaute ihn zerknirscht an. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht beunruhigen.“ Sam schüttelte den Kopf. „Warst du im Krankenhaus?“ „Nein. Amy hat es sich angesehen. Es ist nichts gebrochen und mehr könnten die im Krankenhaus auch nicht machen.“ „Und wenn du inneren Verletzungen hast?“ „Habe ich nicht, Sammy.“ Der Jüngere verdrehte nur die Augen. „Erklärst du mir noch mal, was im Haus passiert ist?“ „Das Zimmer hat sich gewehrt.“ „Wie? Das Zimmer hat sich gewehrt?“ „Wenn ich dir das sagen könnte. Ich habe den Hammer gegen die Wand geworfen. Der Hammer ist sofort abgeprallt und mit voller Kraft gegen meine Schulter geknallt. Ich habe es nicht geschafft mich wegzudrehen.“ Besser diese Version als seinen Wutausbruch zugeben müssen. „Da war keine Delle in der Wand, nichts!“ Fragend schüttelte Sam den Kopf. „Du hast das EMF geholt. Was ist dabei rausgekommen?“ So genau hatte Sam nicht auf die Lämpchen achten können. „In den großen Zimmern gab es einen stärkeren Ausschlag als in den anderen. Nicht wirklich auffällig, aber sichtbar. Und an den Wänden ist er etwas stärker als neben den Fenstern. Ich hab mir auf der Fahrt hierher den Kopf zerbrochen. Mrs. Elisabeth hat einen Blutzauber gewirkt, der zwar nichts gebracht hat, aber vielleicht hat sie es hier ja auch versucht und hier hat ein Zauber Erfolg gehabt? Oder der Blutzauber hat Nebenwirkungen?“ Das Schulterzucken ließ er lieber. „So brauchen wir im Haus jedenfalls gar nicht erst anzufangen.“ Frustriert schnaufte er und stemmte sich in die Höhe, um duschen zu gehen, jetzt wo er schon mal halbnackt war. „Was, meinst du, könnte es sein? Du hast mit Sicherheit mehr Ideen, als du zugeben willst“, hielt Sam ihn noch kurz auf. „Keine Ahnung. Ein Schutzsiegel? Geister?“ „Ich rufe Bobby an“, erklärte Sam und zückte sein Handy. „Danach nehme ich mir das Internet vor.“ Dean nickte und verschwand nun endlich im Bad. Sich das Handtuch gegen die schmerzende Schulter pressend, kam Dean wieder ins Zimmer. Sofort zückte Sam die schmerzstillende, heparinhaltige Salbe und rieb sie vorsichtig über den riesigen blauen Fleck. „Ich habe Bobby erreicht. Er ist der festen Überzeugung, dass er ein Ritual hat, dass Geister sichtbar macht. Das muss er aber erst raus suchen. Er wollte mir aber auch gleich eins mailen, mit dem man Zauber aufspüren kann. Vielleicht hilft uns das ja schon weiter?“ „Okay, das laß uns zuerst versuchen“, erklärte Dean. „Erstmal sollten wir sehen, was aus deiner Schulter wird“, schränkte Sam ein. „Gebrochen ist sie nicht und morgen gehe ich auch wieder arbeiten.“ Sam schluckte die Bitte, dass er sich schonen sollte herunter. Wenn ein Einsatz kam, würde er das kaum tun. „Dann versprich mir bitte, dass du auf die aufpasst, ja?“ Er musterte Dean besorgt. „Mach ich, Sammy!“ Dean nahm sich sein Lehrbuch und setzte sich auf die Couch. Würde er diesen Buchhaltungskram je verstehen? „Du solltest zum Feuerwehrfest mitkommen. Da kannst du dich mit den anderen Partnern unterhalten. Die haben bestimmt schon Erfahrungen mit solchen Situationen.“ „Ich bin ..:“, begann Sam und schüttelte fast sofort den Kopf. Irgendwie war er auch Deans Partner und sein Bruder hatte Recht. Mit den Anderen zu reden half ihm vielleicht seine Ängste nicht übermächtig werden zu lassen, immerhin konnte er Dean hier nicht begleiten und ihn so auch nicht schützen, sollte er mal seinen Schutz brauchen. „keine schlechte Idee“, erwiderte er also. Schon bald meldete Sams Laptop die eingehende Mail. Er öffnete sie und überflog deren Inhalt. „Bobby hat das Ritual für den Zauber gemailt“, meldete Sam. „Er hat einige Zutaten da, die er uns per FedEx schickt. Einige Kräuter bekommen wir so und für den Rest werde ich wohl meine alte Kreditkarte nutzen. Gut, dass ich nicht alle entsorgt habe“, lachte er. „Ich hätte auch noch die eine oder andere Karte“, erklärte Dean. „Lass mal. Vielleicht brauchen wir die ja noch mal später.“ „Also können wir morgen nicht weiter machen?“, wollte Dean wissen und schaute gespielt traurig. „Morgen hast du eh Schule.“ Dean verdrehte die Augen. „Du weißt was ich meine.“ Sam verzog bedauernd das Gesicht. „Nein. Damit kommen wir nicht weiter. Aber ich denke, dass wir das am Wochenende lösen können. Meine Geburtstagsfeier fällt ja aus.“ Traurig schaute Sam zu seinem Bruder und wandte sich dann wieder dem Bildschirm zu. Dean schluckte. „Dann unternehmen wir zwei eben was und verschieben die Feier“, versprach er. Sam nickte nur. Er schaltete seinen Rechner aus und verschwand im Bad. „Was hältst du von Minigolf?“, fragte Dean beim Frühstück am nächsten Morgen. Seine Schulter schmerzte noch und er hatte keine Lust sich sportlich zu betätigen. Außerdem musste er ja heute Abend wieder zum Dienst. Sam lächelte und nickte. Immer wenn sie Zeit miteinander verbringen wollten, ohne großen körperlichen Aktivitäten nachzugehen, fuhren sie zum Minigolf. Da konnten sie gemeinsam schweigen, dummes Zeug quatschen oder ernste Themen diskutieren. Dieses Mal war es einfach ein ruhige Insel in der Hektik dieser Zeit. In der Nacht jagte mal wieder ein Einsatz den nächsten. Müde fiel Dean am Montagmorgen ins Bett, bis ihn der Wecker vier Stunden später wieder herausklingelte. Nicht wirklich erholt setzte er sich auf und war versucht sich einfach wieder fallen zu lassen, doch er hatte Stan versprochen ihm zu helfen. Und, er musste heute noch etwas ganz Wichtiges tun. Noch einmal rieb er sich müde über das Gesicht, stand auf und verschwand im Bad. Schnell war er fertig und begann Teig für Sams Geburtstagsüberraschung anzurühren. Die fertigen Cupcakes versteckte er in einem Pappkarton und stellte sie in seinem Schrank in eines der Fächer. Wenn er Glück hatte, konnte er die Milchcreme für die Verzierung morgen früh auf der Wache noch machen und könnte die kleinen Kuchen verzieren, bevor er zur Schule fuhr. Das würde zwar hektisch werden und wahrscheinlich würde er auch zu spät zum Unterricht kommen, aber damit würde er leben können. Wäre eh nicht das erste Mal und der Lehrer wusste ja was er arbeitete und dass es da immer mal zu längeren Einsätzen kommen konnte. Er räumte die Küche auf und hoffte, dass Sam nichts von seiner Backaktion roch, wenn er zurückkam. Dann fuhr er zu Stan. „Hey“, grüßte der Schrottplatzbesitzer und hielt ihm einen Kaffee hin. „Du siehst müde aus.“ „Ist ziemlich hektisch“, sagte Dean nur und trank einen Schluck. „Ich hab Nachtschicht und morgen hat Sam Geburtstag.“ „Und dann kommst du her?“ Stan schüttelte den Kopf. „Du hast den Wagen hier und willst ihn so schnell wie möglich fertig haben. Du hast mich gefragt und ich habe zugesagt.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Außerdem lenkt es mich von den Statistiken, Bilanzen und den ganzen Zahlen ab. Ohne das hier würde ich diesen ganzen Bürokram wohl schon lange hingeschmissen haben.“ Er verzog das Gesicht, trank den Kaffee aus und stellte die Tasse weg. „Und jetzt lass uns loslegen.“ Stan nickte und trank ebenfalls aus. Als sie das Werkzeug weglegten, strahlten beide Zufriedenheit aus. Motor und Getriebe waren eingebaut und aneinander angepasst. Stan holte einen Kanister Öl. „Geh duschen. Ich fülle Öl auf und versuche einen Start.“ Dean nickte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen musste. „Sagst du Bescheid?“ „Natürlich. Ich rufe dich an.“ Nickend verschwand der Winchester im Haus. Inzwischen kannte er sich hier aus und es erinnerte ihn nicht nur in einem Raum an Bobbys. Auch wenn es nicht ganz so schlimm aussah, wie früher bei dem alten Freund. Er ging duschen. Natürlich musste Dean, bevor er zur Wache fuhr, noch einmal in die Werkstatt schauen. „So schnell läuft das Öl nicht“, lachte Stan. Verlegen grinsend zuckte Dean mit den Schultern und ging. Die Schicht war ruhig. Dean machte ihnen ein reichhaltiges, leckeres Frühstück und zauberte nebenbei noch die Milchcreme für Sams Geburtstagskuchen. „Was wird das?“, wollte Amy wissen und steckte den Finger aus. Sofort schlug Dean zu. „Finger weg“, knurrte er. „Das wird die Deko für Sams Geburtstagskuchen!“ „Geburtstagskuchen? Wer hat Kuchen?“, wollte Gillian wissen und kam zur Theke. Romano, Brolin und Duke folgten ihm auf dem Fuß. Dean verdrehte die Augen. War ja klar, dass jetzt alle hier aufschlugen. „Ich kann in den nächsten Tagen gerne mal wieder was backen, aber nur wenn das hier von euch in Ruhe gelassen wird und jetzt seht zu, dass ihr Land gewinnt, sonst gibt’s gar nichts“, schimpfte er. „Schlimmer als die kleinen Kinder“, grummelte er. Chief Bradley musste sich das Lachen verkneifen. Weniger wegen Deans kleinem Anfall als mehr weil wirklich alle geknickt und mit hängenden Köpfen von dannen schlichen. „Geht doch!“, brummelte Dean erleichtert und machte die Creme fertig. Wenn Sam die mochte, konnte er ja morgen hier ein paar Cupcakes backen. Pünktlich verließ er die Wache. In ihrer Wohnung huschte er in die Küche, holte einen Spritzbeutel und einen Löffel und verschwand in seinem Zimmer und verzierte die Cupcakes. Er stellte sie auf eine Platte auf den Tisch und begann Kaffee zu kochen und den Tisch zu decken. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er genau einen Versuch hatte, Sammy zu wecken. Wenn es nicht klappte, würde er ihm eine SMS schicken müssen und nachher in einer Pause versuchen ihn zu erreichen. Er hockte sich vor das Bett seines Bruders, legte ihm die Hand auf die Schulter und rüttelte leicht. „Hey Sammy!“ Träge blinzelte der seinen Bruder an. „Alles Gute zum Geburtstag!“, wünschte ihm Dean mit einem breiten Lächeln. Sammy war noch so richtig schön verschlafen und hatte außerdem den Abdruck vom Kissen über Wange und Schläfe. „Was machst du denn hier?“, fragte der völlig verdattert. Müsste sein Bruder nicht schon in der Schule sein? „Dir zum Geburtstag gratulieren“, lachte Dean. „Aber jetzt muss ich los. Frühstück steht auf dem Tisch.“ Er wäre gerne geblieben, um wenigstens mit Sam zu frühstücken. Dieses Jahr war irgendwie der Wurm drin und irgendwie nicht. Eigentlich ein ganz normales Winchester-Jahr, oder? Innerlich schüttelte er den Kopf. Darüber wollte er jetzt besser nicht nachdenken! Erst jetzt begriff Sam. Schnell war er auf den Beinen und wurde von Dean in eine feste Umarmung gezogen. „Genieß deinen Tag. Ich hoffe wir sehen uns heute Abend.“ Sam nickte und ließ seinen Bruder gehen. Traurig schaute er sich um. Blöder Geburtstag! Sein Bruder hatte Nachtschicht und Schule und er musste gleich auch zur Uni. War ja eigentlich okay, so. Was er nur blöd fand war, dass sie erst in drei Wochen feiern konnten. Jetzt, wo er Freunde hatte, wollte er auch mit ihnen feiern! Aber Tylor musste zum Geburtstag und Chris und Tarek konnten auch nicht. Gut, dass es erst der 29. war. Seinen 30. wollte er dann doch richtig feiern. Und das würde er können. Nächstes Jahr würden sie im Haus wohnen Er streckte sich und wollte ins Bad. Sein Blick streifte den Tisch. Auf einer Platte standen zwölf mit fast weißer Creme verzierte Cupcakes und so wie die aussahen, warn es keine gekauften. Auf der Creme prangten Stückchen, die wie Cornflakes aussahen. Eine neue Packung Cornflakes und Milch standen da und wenn sein Geruchssinn ihn nicht trog, hatte Dean auch Kaffee gekocht. Wie lange war der hier gewesen und warum hatte er das nicht mitbekommen? Dean! Sofort legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Er hatte doch den besten großen Bruder, den er sich wünschen konnte. Sein Blick blieb an den beiden Päckchen neben seiner Schüssel hängen. Sollte er es sofort öffnen oder sich erst fertig machen? Er entschied sich für das Bad. Das Päckchen wollte er in aller Ruhe öffnen. Kapitel 76: Magic ----------------- 076) Magic Dean kam schliddernd vor der Tür zu seinem Klassenzimmer zum Stehen. Er klopfte kurz und trat ein. „Mr. Winchester!“, der Lehrer nickte nur. „Nehmen Sie Platz. Wir haben gerade erst angefangen und waren dabei die Hausaufgaben durchzugehen.“ „Dazu hab ich auch noch eine Frage“, sagte Dean und ging zu seinem Platz. „So möchte ich auch mal begrüßt werden, wenn ich zu spät komme“, murrte Don, ein Mitschüler, der generell durch wenig Lust glänzte und es auch öfter schaffte unpünktlich zu sein. „Hatte Nachtschicht“, erklärte Dean nur und holte seine Mappe raus. „Mr. Winchester ist, wie Sie an seiner Kleidung sehen, Angehöriger der Feuerwehr und hat es trotz wechselnder Schichten bis jetzt immer pünktlich zum Unterricht geschafft, im Gegensatz zu Ihnen." Er warf Don noch einen Blick zu, der deutlich zeigte, wie genervt er von dieser Diskussion war. Don verdrehte die Augen, schwieg aber. Es brachte ja nichts. Seine Eltern wollten, dass er die kleine Firma übernahm. Er wollte es nicht. Doch da er finanziell auf sie angewiesen war, blieb ihm wohl erstmal nichts anderes übrig. Frisch geduscht und rasiert kam Sam wieder ins Zimmer. Er zog sich an und holte sich einen Kaffee. Er ließ sich auf den Stuhl fallen. Magisch zogen die Päckchen seinen Blick an. Sollte er sie gleich öffnen? Eigentlich wollte er warten, bis er gegessen hatte. Nein! Er nahm eins, entfernte das Band und wickelte es vorsichtig aus. Ein Buch über Jugendrecht von Bobby und Jody. Er lächelte. Das brauchte er im nächsten Semester. Das zweite Päckchen wickelte er genauso vorsichtig aus und seine Augen wurden groß. Das Buch über nationales und internationales Privat- und Erbrecht hatte er schon seit Wochen gesucht. In den Buchhandlungen und im Internet war es vergriffen gewesen und die Exemplare aus der Bibliothek? Daran wollte er lieber nicht denken. Wie war Dean denn daran gekommen? Und woher hat er das gewusst. Hatte er es mal beiläufig erwähnt? Wie schade, dass sein Großer gerade nicht da war. Er würde ihm jetzt gerne persönlich danken! Immerhin eine What`s app konnte er ihm schreiben. Er nahm einen Cupcake. Die Stücke auf der Creme waren wirklich Cornflakes. Vorsichtig fischte er einen herunter und schob ihn sich in den Mund. Das schmeckte fast wie sein heiß geliebtes Frühstück, Mittag, Abendessen. Ein wenig süßer, aber verdammt lecker! Wann hatte Dean die denn gezaubert? In aller Ruhe pikte er sich jeden einzelnen Cornflake aus der Creme und ließ sie sich im Mund zergehen, bevor er begann den Cupcake zu essen. Auch hier waren Cornflakes im Teig. Langsam und mit geschlossenen Augen kaute er. Während er sein zweites Törtchen genoss, überlegte er sich, das es eigentlich an der Zeit war, dass er auch endlich besser kochen lernen sollte. Es konnte doch nicht angehen, dass nur Dean in der Küche stand und er außer ein paar Fertiggerichten etwas aufpeppen nur Rühreier mit Speck und Salat zubereiten konnte. Gut, er konnte etwas mehr. Bei Jody hatte er einiges gelernt, aber so richtig als Kochen würde er es nicht bezeichnen. Es wäre bestimmt lustig so einen Kurs mit Dean zu machen. Obwohl? Lieber nicht. Er wollte sich vor seinem Bruder nicht blamieren. Außerdem hatte der ja gerade genug um die Ohren. Die Idee wollte er allerdings im Hinterkopf behalten. Vielleicht konnte er ihm ja mal einen Kurs bei einem Sternekoch schenken. Irgendwann wenn das Haus soweit war und er seinen Firmengründer-Kurs beendet und den Schrottplatz übernommen hatte, wenn wieder etwas mehr Ruhe in ihr Leben eingezogen war. ‚Etwas mehr Ruhe‘, Sam lehnte sich zurück und schmunzelte. Worüber er so nachdachte! Plötzlich gab es Ruhe in ihrem Leben, oder besser etwas mehr Ruhe. Vor zwei Jahren hatte er sich eher mehr Action gewünscht. Damals lag Dean im Koma. Damals war alles was er wollte, dass Dean ihn wieder anschaute, mit ihm redete. Vor zwei Jahren war er sich noch sicher gewesen, dass alles wieder in Ordnung kam, wenn Dean nur endlich aufwachen durfte. Wie sehr hatte er sich doch getäuscht. Dean war aufgewacht und er hatte, entgegen aller negativen Prognosen auch kaum körperliche Probleme gehabt. Gut er hatte keine, die sich nicht relativ schnell beheben ließen. Nein. Er hatte nur all seine Erinnerungen verloren. Ein eisiger Schauer nach dem anderen ran ihm über den Rücken. Letztendlich war alles gut ausgegangen, aber die Zeit von Deans Amnesie war der Horror gewesen. Die Angst, die Sorgen um ihn und Deans Wut. Mit aller Macht schob er diese Erinnerungen beiseite. Es war vorbei und sein Bruder wieder so wie er sein sollte. Er hatte einiges aus der Zeit übernommen, aber das vervollkommnete ihn eher. Trotzdem war diese Zeit furchtbar gewesen! Da dachte er doch lieber über die kommenden Jahre nach, darüber was in einem Jahr sein würde. Er wäre kurz davor sein zweites Studienjahr abzuschließen. Sie würden im Haus leben und Dean eine feste Stelle haben und auf dem Schrottplatz werkeln. Ob sie Freundinnen hätten? Ob es Frauen in ihrem Leben geben würde? Er wünschte es sich, aber durfte er das auch? Jess musste sterben, weil sie mit ihm zusammen war. Wieder schob er die Gedanken beiseite. Das war auch nicht das, worüber er nachdenken wollte. Vielleicht sollte er es wie Dean machen und jeden Tag nehmen, wie er kam? Trotzdem bleib der Wunsch nach einer Familie! Und warum auch nicht. Das letzte Jahr war ohne übernatürliches vergangen. Sie hatten weder nach Fällen gesucht noch gejagt. Die einzige Verbindung in diese Welt war das Jägernetz gewesen. Nur das hatte er mit Bobby betreut und erweitert, wenn es seine Zeit zuließ und so wollte er es auch im nächsten Jahr halten. Also kein Grund auf eine Familie zu verzichten! Zufrieden mit dieser Entscheidung und mit einem Lächeln auf den Lippen erhob er sich und begann den Tisch abzuräumen. Er packte ein paar Cupcakes in eine Schultasche und machte sich auf den Weg zur Uni. Als er am Nachmittag wieder kam, schlief sein Bruder. Er holte sein Buch hervor und begann Hausaufgaben zu machen. Deans Wecker riss ihn aus seiner Konzentration und seinen Bruder aus dem Schlaf. Träge streckte der sich, stand auf und tapste in ihr Wohnzimmer. Sofort wurde er in eine lange, feste Umarmung gezogen. „Du bist der beste Bruder, den ich mir wünschen kann!“, erklärte Sam, nachdem er ihn wieder losgelassen hatte. „Sollte ich das heute nicht eher zu dir sagen?“, fragte der Ältere schmunzelnd. „Immerhin hast du Geburtstag.“ „Kannst du ja gleich. Zuerst wollte ich mich für die Cupcakes bedanken. Die waren so lecker. Ich hab dir auch zwei aufgehoben.“ „Das ist wirklich großzügig von dir“, lachte Dean. „Den Rest, einen Teil davon habe ich mitgekommen und mit Tylor und Mity geteilt. Er meinte er liebt Rühreier und Speck mit Würstchen und gebackenen Bohnen und er hat am 17. Oktober Geburtstag. Sollte ich dir ausrichten. Mitena hat nur gelacht. Sie hatte ja erst im März.“ Dean legte den Kopf schief und grinste nur. Vielleicht fiel ihm ja was ein. „Den Rest habe ich gegessen. Die sind unglaublich lecker! Also ja, du bist der beste Bruder! Und vielen Dank für die Bücher. Wo hast du das über Privat- und Erbrecht her? Ich habe ewig danach gesucht!“ „Gern geschehen. Und nein. Meine Quellen gebe ich nicht preis. Vielleicht brauche ich die ja noch mal.“ Sam nickte grinsend, drehte sich um und holte die Platte mit den zwei letzten Cupcakes. Er hielt sie seinem Bruder hin. „Lass es dir schmecken, bevor ich sie aufesse.“ Das ließ sich der nicht zweimal sagen. Er nahm einen und biss ein Stück ab. „Die Creme zu retten war ein echtes Kunststück. Ich hab die heute früh auf der Wache gemacht. Meine Kameraden wollten dauernd mit den Fingern in den Pott. Um sie davon abzuhalten, habe ich ihnen versprochen heute oder morgen welche für sie zu machen.“ „Du entwickelst dich immer mehr zum Koch.“ „Genau das wollte ich eigentlich nie“, überlegte Dean. „Okay, den Job als solchen wollte ich nie. So hin und wieder macht das schon Spaß.“ Er aß auch noch den zweiten Cupcake und zog sich an. „Ich muss los. Tut mir leid, dass dein Geburtstag heute so blöd läuft.“ „Kannst du ja nicht ändern.“ „Samstag gehen wir fein essen. Ich führe dich aus, Schatz“, lachte Dean und beeilte sich aus der Tür zu kommen, bevor Sam etwas erwidern konnte. Der schüttelte aber nur lachend den Kopf. Diese Nacht war relativ ruhig und so setzte Dean sein Versprechen auch sofort in die Tat um, um buk der Truppe Cupcakes mit Milchcreme und schaffte es sogar noch ein paar Stunden zu schlafen. Freitagabend war es endlich soweit. Das Paket von Bobby war genauso angekommen, wie die Bestellungen bei diversen Internetshops. Sam packte alles in einen Karton, nahm sich seine Jacke und folgte Dean zum Impala. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, was wir mit diesen Kutscher- Gärtner- wie auch immer -Häuschen, hier, machen sollen?“, fragte Dean und deutete auf das windschiefe Gebilde. „Nicht wirklich“, antwortete Sam. „Ist das denn noch zu retten?“ „Mit viel Arbeit vielleicht.“ „Dann sollten wir erstmal alles so lassen wie es ist. Entweder fällt es von selbst ein, oder wir reißen es irgendwann ab.“ Dean nickte. „Gute Idee. Mit dem Haus haben wir vorerst genug zu tun. Das heißt, wenn wir herausbekommen, wer oder was uns bei der Renovierung in die Suppe spuckt.“ „Das sollten wir in der nächsten Stunde hoffentlich wissen!“, nickte Sam. Hoffentlich! Das Ritual war simpel. Topf aufstellen, Wasser kochen und die Kräuter in der richtigen Reihenfolge hinein und ein paar lateinischen Formeln und schon sollten Siegel und Symbole sichtbar werden. Ganz wollte er nicht glauben, dass man Zauber so einfach entlarven können sollte, aber warum nicht auch mal einfach? Gemeinsam bauten sie einen kleinen Gasherd auf. Dann verzog sich Dean zum Fenster und zückte sein Handy. Sam wollte das Ritual durchführen und ihm blieb die Aufgaben die erscheinenden Symbole festzuhalten, damit sie sie später identifizieren und aufheben konnten. Das Wasser kochte und Sam warf die ersten Kräuter hinein. Laut und deutlich las er die lateinischen Sätze. Immer mehr Kräuter landeten im Kessel, immer mehr Dampf verbreitete sich im Raum und reizte Deans Kehle, während Sams monotoner Singsang ihn langsam einzuschläfern drohte. Er räusperte sich, hustete und erstarrte. Hastig hob er das Handy und fotografierte das flammend rote Symbol, das plötzlich auf der Wand erschien und wenige Sekunden später auch schon wieder verschwunden war. „Das war … irre“, erklärte Dean fasziniert. „Ich hab irgendwie nicht geglaubt, dass das funktioniert.“ „Ich auch nicht“, stimmte Sam ihm zu. „Müssten wir das jetzt in jedem Raum machen?“ „Besser wäre es. Oder wir versuchen erst dieses Symbol zu entschlüsseln und den Raum frei zu machen. Dann kann ich hier arbeiten. Über kurz oder lang müssen wir aber auch in die anderen und der Hinweis von Dave, erst alles anzureißen und damit den Dreck mit einem mal aus dem Haus zu bekommen, war definitiv mehr als eine Überlegung wert.“ Sam trank ein paar Schluck Wasser. „Dann lass uns weitermachen. Eins schaffe ich auf jeden Fall noch.“ „Gut. Nehmen wir uns das nächste Zimmer vor“, erklärte Dean und begann die Utensilien zusammen zu packen. Müde und zerschlagen schlappte Sam in sein Zimmer und ließ sich auf das Bett fallen. Selbst zum Duschen war er zu fertig. „Du hättest das Obergeschoss lassen sollen“, schimpfte Dean leise. „Oder mich machen lassen.“ Er hustete. Sam schüttelte den Kopf und begann sich umzuziehen. „Es hat sich nicht so schlimm angefühlt“, wehrte Sam ab. „Keine Ahnung warum ich so fertig bin.“ Er kroch ins Bett und war keine Minute später eingeschlafen. Dean musterte ihn besorgt, konnte aber nichts feststellen, außer dass sein Bruder fertiger war, als wäre er einen Ironman gelaufen. Das allerdings konnte durchaus an dem Ritual liegen. Auch wenn sie einfach aussahen, forderten sie meistens doch auch Kraft von dem, der es ausführte. Noch einmal ließ er seinen Blick über seinen schlafenden Bruder wandern, dann holte er sein Handy hervor und machte sich daran, die Symbole zu entschlüsseln. Kapitel 77: Kongfu fighting --------------------------- 077) Kongfu fighting Stunden später wachte Sam auf. Er hatte Durst und Kopfschmerzen. Langsam drehte er sich auf die Seite und schaute sich um. Durch die halb offenstehende Tür drang gespenstisch blaues Licht. Er setzte sich auf und versuchte in ihren Wohnbereich zu schauen. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht, als er den Grund sah. Sein Bruder war wohl bei der Recherche eingeschlafen und lag jetzt halb auf der Tastatur, so dass sich der Bildschirm nicht abschaltete. Er ging zu Dean. „Hey!“, sagte er laut und rüttelte ihn kurz an der Schulter, um ihn zu wecken. „Was´n?“, grummelte Dean, richtete sich auf und schaute zu Sam, der sofort wieder grinsen musste. Die Tasten hatten sich in Deans Wange gedrückt. „Geh ins Bett, du hast heute Schule. Versuch wenigstens ein bisschen richtigen Schlaf zu kriegen.“ „Hm“, grummelte Dean und tappte zu seinem Bett. Noch im Halbschlaf zog er sich um und kroch unter seine Decke. Sam holte sich eine Tablette und spülte die mit viel Wasser herunter. Dabei versuchte er aus Deans Hieroglyphen etwas herauszulesen. Natürlich gelang ihm das nur im Ansatz. Hatten sie sich nicht mal vorgenommen sich ihre Herangehensweise zu erklären? Er hatte doch damals in Naples schon hilflos ratend vor Deans Zetteln gestanden. Nur dass es Unterschiede bei den Symbolen gab, das konnte er, dank Deans Kringeln um die betreffenden Stellen erkennen. „Na super“, grummelte er, schob die Blätter zusammen, schaltete den Rechner aus und ging wieder ins Bett. Das würden sie in aller Ruhe besprechen. Leider hatte er sich auch noch den ganzen Samstag zu gedulden, da Dean ja die Schulbank drücken musste. Aber auch Sam blieb kaum Zeit zum Grübeln, war er doch den Großteil des Tages im Supermarkt. Am Abend kam er mit mehreren Packungen mit Essen nach Hause. „Wollte ich dich nicht zum Essen ausführen?“, fragte Dean perplex. „Ich dachte, wir essen hier“, erwiderte Sam und verteilte die Boxen. Schon beim Essen wanderte sein Blick aber immer wieder zu den Zetteln. „Was ist denn mit dir?“, fragte Dean mit einem wissenden Lächeln in den Augenwinkeln. „Du weist genau, was mich beschäftigt!“, grummelte Sam. „Du konntest noch nie gut etwas nicht wissen“, lachte Dean. „Und es war schon als du noch klein warst schwer, etwas vor dir geheim zu halten.“ „Und warum erzählst du‘s mir nicht einfach, wenn du doch weißt, was mich so brennend interessiert?“ „Weil ich dich eigentlich zum Essen ausführen wollte und mich darauf gefreut hatte und weil ich jetzt wenigstens ein paar Minuten einfach mit dir friedlich hier sitzen und essen wollte?“ „Oh“, machte Sam und versuchte nicht mehr zu dem Stapel Zettel zu schauen. Mit einem ergebenen Seufzen stopfte sich Dean den letzten Bissen in den Mund und begann, noch immer kauend, den Tisch abzuräumen. „Iss doch in Ruhe auf!“, forderte Sam erschrocken und erhob sich. Dean schluckte. „Wie denn, wenn du mir jeden Bissen von der Gabel guckst?“ Sam schluckte hart. „Tut mir leid.“ Er schaute Dean zerknirscht an und machte sich daran, seinem Bruder zu helfen. Endlich breitete der die Zettel auf dem Tisch aus. Er blätterte einmal durch, sortierte sie neu und begann dann zu erklären: „Es scheint eine Mischform von Schutz- und Bindesymbol zu sein und so wie es aussieht, bindet es jeweils einen anderen Geist.“ Er deutete auf die eingekreisten Stellen. „Wenigstens sind diese Siegel nur im Erdgeschoss.“ Dean verdrehte die Augen. Jetzt nur nicht über den Verursacher nachdenken, sonst wäre er noch versucht, alles hinzuschmeißen. „Konntest du herausfinden, wer der Geist sein könnte?“ Dean, schüttelte den Kopf. „An der Stelle bin ich letzte Nacht eingeschlafen, denke ich. Allerdings habe ich auf dem einen Foto etwas gesehen. Zumindest bilde ich mir ein, dass da was ist.“ Er suchte sich die Fotos auf dem Rechner, vergrößerte das eine und deutete auf einen wagen Schatten. Sam drehte den Bildschirm zu sich und starrte den Umriss an. „Es könnte ein Geist sein. Aber sicher bin ich mir da auch nicht.“ „Und wie kommen wir jetzt weiter? Irgendwann sollten wir mit der Renovierung ja auch mal beginnen.“ Dean schnaufte frustriert. „ich meine, ich kann oben loslegen, aber das Erdgeschoss brauchen wir am dringendsten, denke ich.“ „Ich kann noch ein wenig recherchieren oder wir rufen gleich Bobby an“, schlug Sam vor. „Du quälst das Internet und ich rede mit Bobby“, sagte Dean und zog sein Handy aus der Tasche. Eine halbe Stunde später hatte er seine Recherchen in eine für den alten Jäger verständliche Form gebracht und ihm gemailt. Jetzt hieß es wieder warten. Dean fuhr sich frustriert durch die Haare. „Heute können wir eh nicht mehr viel tun“, begann Sam, „aber was hältst du davon, wenn wir uns morgen mal so richtig verausgaben? Wir könnten in die Kletterhalle fahren oder Schwimmen gehen? Wir könnten uns auch ein hübsches Plätzchen suchen und mal wieder trainieren.“ „Klettern gehen klingt gut“, erwiderte Dean. „Daneben soll es ein Dojo geben, das für alle offen ist, habe ich zumindest gehört. Falls du dahin willst.“ „Also gehen wir erstmal klettern und wenn wir dann noch Energie haben, können wir ja noch nach nebenan.“ Zufrieden mit dieser Entscheidung machten die Brüder es sich mit einem Bier vor dem Fernseher bequem. Nach einem ausgiebigen Frühstück fuhren sie am nächsten Morgen in die Kletterhalle. „Meinst du, dass das eine gute Idee war, sich den Bauch so vollgeschlagen zu haben?“, fragte Sam, als sie ihre Sachen aus dem Kofferraum holten. „Ich wollte dir nicht von vornherein jede Chance nehmen. Immerhin habe ich das schon ein paar Mal gemacht und bin ganz gut darin.“ „Du warst an einer Kellerwand?“ „Beim Lehrgang im Januar, ja. Hatte ich das nicht erzählt?“ „Nur dass ihr klettern ward. Ich hab das nicht mit einer Kletterwand in Verbindung gebracht.“ „Erst war es nur zum Eingewöhnen, um überhaupt mal zu klettern und uns mit einem Sicherungsgeschirr vertraut zu machen. Aber es hat so viel Spaß gemacht, dass wir nach dem Unterricht oft noch da waren.“ „Dann kannst du es mir ja zeigen.“ „Klar“, nickte Dean begeistert. Gemeinsam betraten sie die Halle und schauten sich um. „Hallo! Ich bin David. Sie kennen sich aus?“, wurden sie von einem der Trainer empfangen. „Ich war schon klettern. Mein Bruder noch nie“, erklärte Dean. „Gut, dann zeige ich Ihnen, wie Sie das Sicherungsgeschirr anlegen und erkläre Ihnen die Routen hier.“ Er führte die Brüder zu den Spinden. „Wo waren Sie klettern?“, fragte er Dean, während er Sam mit den Gurten half. „Ich hab´s beim Feuerwehrlehrgang gelernt“, erklärte der Winchester. „Ist aber schon etwas her.“ „Sie sind Feuerwehrmann? Hier in der Stadt? Bei welcher Wache, wenn ich fragen darf.“ „Derzeit bei der 17.“ „Sie wissen aber schon, dass Sie die Zeit hier für Ihren jährlichen Fitnessnachweis nutzen können? Außerdem bekommen Sie bei uns Rabatt.“ „Oh, wow. Das klingt gut“, lachte Dean. „Dann kommen wir bestimmt öfter her.“ Er kontrollierte sein Sicherungsgeschirr noch einmal. Sam war inzwischen auch fertig. Gemeinsam gingen sie zu einer Wand. „Ich würde Ihnen für die ersten Klettertouren die grünen Griffe empfehlen“, wandte sich der Trainer an Sam. „Mach ich“, nickte der Winchester. Dean hakte ein Ende der, von der Decke hängenden, Sicherungsleinen in sein Geschirr ein und das andere bei Sam. „Dann leg mal los“, sagte er und wies zur Wand. „Ich dachte, du zeigst es mir erstmal“, versuchte Sam sich noch eine Atempause zu verschaffen. Er fand das Ganze interessant und wollte es auch machen, trotzdem würde er zuerst gerne einmal jemandem zusehen, der es konnte und da bot sich sein Bruder ja nun wirklich an. „So wie früher, Sammy?“ Dean lächelte. Als sie noch Kinder waren, hatte er Sam immer alles zuerst gezeigt, was der dann auch begeistert nachmachte. Sam nickte etwas verlegen und hoffte, dass es Dean nicht merkte. Tat der aber doch und es breitete sich ein warmes Gefühl in seinem Inneren aus, so wie vor so vielen Jahren, als sie noch Kinder waren. Diese Erinnerungen waren ihm viel zu lieb, als dass er sie durch einen doofen Spruch zerstören wollte, also schwieg er und zeigte seinem Bruder wie der ihn sichern musste und begann die grünen Griffe nutzend nach oben zu klettern. Danach ließ er Sam die Strecke nehmen und nutzte bei seiner folgenden Tour die etwas schwierigeren Griffe. Drei Stunden später streckte Dean seine schmerzenden Finger. Er gähnte verhalten. „Braucht der alte Mann seinen Mittagsschlaf?“, stichelte Sam. „Ich werd dir gleich, alter Mann. Sei froh, dass hier viele Leute sind, sonst würde ich dich übers Knie legen, Jungspund!“, grummelte Dean leise. „Du mich übers Knie legen? Das schaffst du doch gar nicht mehr!“ Sam löste den Karabiner des Sicherungsseils von seinem Geschirr. „Wollten wir nicht noch in die Trainingshalle? Da zeig ich dir wer hier wen schafft. Du solltest dich warm anziehen, du Uni-Schnösel. Den ganzen Tag auf dem Hintern hocken und dann der arbeitenden Bevölkerung vorhalten, wenn sie müde ist.“ Dean schüttelte den Kopf. „Diese Jugend von heute!“ Lachend gingen die Beiden in den Umkleidebereich. Der Trainer, der sie eingewiesen hatte, kam zu ihnen und reichte Dean eine Bonuskarte. „Sie müssen hier nur noch ihren Namen eintragen und unterschreiben, dann können sie die jeder Zeit wieder nutzen.“ „Vielen Dank. Ich werde bestimmt öfter kommen.“ Nach einem leichten Imbiss, der bei Dean immerhin noch aus einem Burger mit Pommes frites und einen Salat bestand, Sam hatte sich nur den Salat bestellt, fuhren sie zur Trainingshalle. „Und du bist dir sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Dean und musterte den Eingang skeptisch. Auch wenn er irgendwo gehört hatte, dass man hier auch so trainieren konnte, müsste es dann nicht auch draußen dran stehen? „Ich weiß es von Tylor“, begann Sam und jetzt fiel es Dean auch wieder ein, woher er das gehört hatte. Er nickte kurz. „Tylor sagte, dass wir jederzeit kommen könnten, wenn wir mal richtig trainieren wollten. Er konnte nicht so recht glauben, dass man auch im Zimmer oder im Wald üben kann.“ Sam ging zum Eingang, zog die Tür auf und betrat den Raum. Sofort kam ihm ein Mann im schwarzen Karateanzug mit schwarzem Gürtel entgegen. „Sie wünschen?“, fragte er reserviert. „Tylor Lane trainiert hier und er meinte, dass wir mal reinschauen und vielleicht auch trainieren könnten“, begann Sam. Tylor drängte sich an seinem Trainer vorbei zu Sam. „Hey! Schön, dass ihr gekommen seid“, begrüßte er die Brüder, um sich dann gleich an dem schwarz Gewandeten zu wenden. „Das sind die Winchesters, von denen ich dir erzählt habe, John.“ Dean schluckte. Irgendwie stieß ihm der Name, und die Art des Mannes gerade sauer auf, der ihn und Sam mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte. „Ich hatte dir gesagt, dass du sie mal vorstellen kannst und dass wir dann weitersehen.“ Dean griff nach Sams Arm. „Komm, Sammy. Wir haben es nicht nötig, uns irgendwem anzubiedern. Für´s erste reicht der Rasen bei uns am Haus und dann besorgen wir uns ein paar Matten, die wir in den Keller packen können.“ Sam nickte. Er fand es schade. So ein richtiger Trainingsraum hatte viel für sich, aber Dean hatte Recht. Sie mussten sich niemandem beweisen. „Tut uns leid, Tylor. Wir wollten dich nicht in Schwierigkeiten bringen“, erklärte er, nickte dem Freund zu und folgte seinem Bruder nach draußen. Sichtlich erleichtert atmete Dean auf, als er hinter das Lenkrad seines Babys rutschte. „Der Typ war mir mehr als nur suspekt“, erklärte er. „und es lag nicht am Namen!“ Mit einem schiefen Grinsen startete er den Wagen und lenkte ihn auf die Straße. „Bist du böse, wenn ich keinen Bock mehr auf eine Trainingseinheit habe?“, fragte Sam, ohne Dean anzuschauen. „Warum sollte ich dir böse sein, du kannst genauso wenig dafür wie Tylor, der es wohl auch nur gut gemeint hat. Ich meine, ich würde ja auch nicht jeden in mein Haus lassen. Lass es uns einfach vergessen und … was hältst du von Minigolf?“ „So oft wie wir das spielen, würde sich eine eigene Anlage wirklich lohnen“, lachte Sam. „Aber klar komme ich mit. „Ist zwar ein schlechter Ersatz für eine gute Prügelei, aber es macht Spaß und beschäftigt uns beide.“ „Wir können auch zurück nach Hause und versuchen mehr über das komische Binde-Schutzsymbol zu finden.“ „Dann lieber Minigolf“, wehrte Sam ab. Kapitel 78: Ritual ------------------ 078) Ritual Am Mittwoch kam die lang ersehnte Mail von Bobby. „Endlich“, entfuhr es Sam, als er sie öffnete. Sofort stand Dean hinter ihm. „Woher wusstest du …?“, fragte er. „Der Ton einer ankommenden Mail und deine Äußerung. Du würdest höchstens noch deine Prüfungsergebnisse oder einen Praktikumsplatz so begrüßen. Da du aber weder das eine noch das andere erwartest ...“ Dean lächelte. „Und jetzt mach das Ding auf!“ Jetzt war es an Sam zu grinsen. Er öffnete die Mail und überflog den Text. Bobby hatte ihnen ein Ritual aufgeschrieben, dass es ihnen ermöglichen würde, mit einem Geist Kontakt aufzunehmen, das aber nicht ohne Risiko war, oder sie könnten auf Pamela warten. Er hatte mit ihr gesprochen. Leider war sie gerade ziemlich eingespannt und würde erst in zwei oder drei Wochen zu ihnen kommen können. „Was machen wir?“, fragte Sam und schaute zu seinem Bruder. „Haben wir Zeit bis Pam kann?“ „Pam?“ Dean schüttelte den Kopf. „Ich kann mich an keine Pam erinnern.“ „Sie hat uns bei deinem Seelentausch geholfen, dich wiederzubekommen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, du, Dean, hast nie mit ihr gesprochen.“ „Okay und wie sollte sie uns helfen können?“ „Sie ist ein starkes Medium. Sie könnte mit unserem Geist reden. Aber wollen wir so lange warten?“ „Eigentlich nicht. Ich würde schon gerne bald abfangen, auch weil ich nicht weiß, inwieweit es die Abrissarbeiten stören wird. Das Dach soll nächste Woche gemacht werden und die Erdwärmebohrungen“, Dean schüttelte den Kopf. „Was hältst du davon, wenn wir uns erstmal das Ritual ansehen und dann entscheiden.“ „Das ist echt nicht ohne“, sagte Sam, nachdem er sich Bobbys Schreiben und seine Erklärungen mehrfach durchgelesen hatte. „Sollen wir das wirklich machen?“ „Je schneller wir den Geist vertreiben und den Schutzzauber brechen, umso eher können wir auch umziehen“, erklärte Dean. „Aber einer von uns muss quasi sterben!“ „Das habe ich bis jetzt verdrängt“, schnaufte Dean. „Aber hast du eine bessere Idee?“ „Lass mich wenigstens noch einmal die Unterlagen von Mrs. Newton durchgehen. Vielleicht findet sich ja irgendein Hinweis, den wir bis jetzt überlesen haben“, versuchte Sam das Unumgängliche hinauszuzögern. „Du wärst nicht Sam, wenn du das nicht schon lange gemacht hättest.“ Sam nickte und ließ den Kopf hängen. „Wenn du Bedenken hast es zu machen, lassen wir es und warten auf Pamela“, intervenierte Dean. Sam atmet tief durch. „Nein. Das Ritual kann jeder von uns machen und die Zutaten für die Beschwörungen haben wir auch da. Ich habe nur ein schlechtes Gefühl, weil wir schon ewig nichts mehr in dieser Richtung gemacht haben und weil einer von uns … naja.“ Sam schnaufte. „So ganz wohl ist mir dabei auch nicht, aber wenn wir es nicht rocken, wer dann? Wir sind DIE Winchesters“, erklärte Dean. Diese Aussage zauberte ein trauriges Lächeln auf das Gesicht seines Bruders. „Immer öfter bin ich geneigt „leider“ zu sagen“, nickte Sam. Dean schob eine Erwiderung darauf beiseite. Sie wussten beide, dass ihr Leben nicht das gewesen war, was sie beide gewollt hätten. Doch das war egal. Es war nicht zu ändern. Sie konnten nur das Jetzt gestalten. „Ich habe morgen noch Schicht und dann zweieinhalb Tage frei. Wenn du also denkst, dass es geht, können wir gleich morgen versuchen mit dem Geist Kontakt aufzunehmen und wenn wir es nicht schaffen, können wir immer noch diese Pamela zu Hilfe bitten.“ „Okay. Ich bereite alles vor. Bleibt nur noch die Frage, wer geht.“ „Wer wohl. Du kennst dich mit den Formeln und Beschwörungen besser aus und du bist der beste Anker im Diesseits, den es geben kann“, erklärte Dean kategorisch und wehrte jede Diskussion mit einer Handbewegung ab. Er wollte nicht darüber reden. Warum auch. Er würde gehen. Ende der Diskussion. „Du kannst dich nicht immer für mich ins Feuer stürzen!“ „Warum nicht? Ich bin Feuerwehrmann!“ „Ja, aber hier willst du ohne Schutzausrüstung gehen!“ „Und was willst du tun? Willst du ohne Schutzausrüstung gehen?“ „Nein, Dean, will ich nicht wirklich, aber ich will wenigstens die Chance haben, dich von diesem Unterfangen abhalten zu können!“, erklärte Sam verzweifelt. Letztendlich war ihm eigentlich klar, dass Dean gehen würde, so wie er immer derjenige war, der sich mit wehenden Fahnen auf den Feind stürzte, aber er hoffte sich dann wenigstens nicht ganz so schlecht zu fühlen. Fragend legte Dean den Kopf schief. Sam grinste gequält, legte eine Hand auf den Rücken und hielt Dean die andere, zur Faust geballt hin. Dean grinste. Schnick, Schnack Schnuck. Warum nicht. Während Sam zählte, ratterten die Gedanken durch seinen Kopf. Dean würde wie immer Schere nehmen, also müsste er Papier …? Aber wollte er verlieren? Ohne wirklich zu einer Entscheidung gekommen zu sein, nahm er auch Schere und stutzte. „Du nimmst immer Schere!“, beschwerte er sich, als er sah, dass Dean Papier hatte. Dean grinste. „Ich weiß. Akzeptiere es einfach, Sammy. Ich werde mit dem Geist reden und du quälst dich mit Rauch und Feuerschalen und jeder Menge Latein.“ „Das werde ich wohl tun müssen!“, resignierte er. Am nächsten Abend, sie hatten gerade alles für das Ritual gepackt und wollten los, als Dean Handy klingelte. Verwundert schaute er auf das Display. „Chris“, murmelte er leise und schon fielen ihm alle vergessenen Zusagen wieder ein. Nein, eigentlich war es nur eine, eine Dauerzusage. „Tut mir leid, Chris“, begann er auch sofort, kaum dass er das Gespräch angenommen hatte. „Ich weiß wir waren zum Schwimmen verabredet. Ich hab vollkommen vergessen dir abzusagen. Wir sind Hausherren geworden und gerade dabei, uns in alles rein zu finden. Kann ich dich in den nächsten Tagen anrufen? Ich will das mit Sam abklären, und dann treffen wir uns und wir erzählen euch alles?“ „Ihr seid Hausherren geworden? Das nenne ich mal einen schnellen Entschluss, wenn ich mir überlege, dass du vor knapp vier Monaten noch alles hinschmeißen wolltest.“ Dean schnaubte nur kurz. Er schloss ihre Tür ab und lief über den Parkplatz. „Aber gut. Melde dich. Wir lassen es uns hier richtig gut gehen!“ „Tut das!“, erwiderte Dean und legte auf. „Chris“, sagte er nur während er auf seinen Sitz rutschte. „Wir wollten heute schwimmen gehen!“, entfuhr es Sam. Dean nickte. „Ja. Ich hab ihm abgesagt. Aber wir sollten unsere Planung vielleicht noch mal überarbeiten. Nur weil mein Leben gerade etwas chaotisch ist, will ich ihn nicht komplett streichen.“ Sam nickte lächelnd. Sein Bruder hatte Freude an Freunden gefunden. Er wusste, dass sie ihm gut taten und er genoss es, dass sich nicht nur der kleine Bruder für ihn interessierte. „Da fällt mir ein, den Musketieren hab ich auch schon länger nichts mehr erzählt.“ „Heute ist es zu spät für Fotos“, erklärte Sam. Dean setzte den Blinker und bog in ihre Einfahrt ab. Gemeinsam stiegen sie aus, gingen ins Haus und bereiteten alles für das Ritual vor. Sam zeichnete mit einer Paste aus Schafblut und Kalk ein Pentagramm, das er mit etlichen Schutzsymbolen spickte. Die Dämmerung brach herein und der Wind strich leise heulend durch das Haus. „Lass uns loslegen“, drängte Dean. „So langsam kriege ich Hunger.“ Er hatte bewusst nichts mehr gegessen, bevor sie losgezogen waren. Wer wusste schon, was das Ritual mit ihm machte. Sam nickte ernst und überprüfte noch einmal das Pentagramm und sämtliche Schutzsymbole, die auf den Boden vor der Bibliothek prangten. Dean tigerte derweil an der Wand auf und ab und brachte Sam damit fast zur Verzweiflung. „Machst du das eigentlich extra, damit es mir gleich nicht so schwer fällt, dich in die Geisterwelt zu schicken?“, fragte der Jüngere genervt und bekam ein schiefes, fast verzweifeltes, Lächeln als Antwort. Immerhin riss sich Dean zusammen und blieb zwischen Tür und Fenster, in der Ecke, stehen. Ein letztes Mal überprüfte Sam alle Utensilien, die auf einer kleinen Fußbank standen, dann wandte er sich zu Dean. „Bist du wirklich sicher, das...“ „Wenn du noch einmal fragst, nicht mehr“, erwiderte der heiser. „Wir müssen nicht …“ „Sammy!“, unterbrach Dean ihn erneut. „Das hatten wir doch schon alles. Lass es uns durchziehen, bevor mir meine Selbstachtung restlos egal ist und ich kneife.“ „Du …“ Dean wehrte Sams Worte mit einer Handbewegung ab und trat zu ihm. „Was soll ich tun?“ Noch einmal musterte Sam seinen Bruder, dann drängte er seine Sorgen um ihn beiseite. „Leg dich bitte in die Mitte des Pentagramms und schließe die Augen. Versuche, wenn möglich an nichts zu denken, aber hör mir zu, okay?“ Er kannte Deans Art, sich aus dem Hier und Jetzt vollkommen ausklinken zu können, aber genau das sollte er eben nicht. „Okay“, nickte Dean heiser. Er trat in das Pentagramm und versuchte keine Linie zu zerstören, bis er sich in die Mitte setzte und sich gleich darauf ausstreckte. Er atmete tief durch, faltete die Hände auf dem Bauch und schloss die Augen. Auch Sam atmete noch einmal tief durch, schob sämtliche Gedanken beiseite und begann, die erste Beschwörungsformel aufsagend, die schwarzen Kerzen anzuzünden und auf die Spitzen des Pentagramms zu stellen. Das sollte vor allem Deans Körper schützen. Mit ein paar Eschespänen entzündete er ein Feuer in einer Schale. Er warf ein paar Mistelzweige hinein und begann mit seiner Beschwörung. Immer wieder machte er Pausen und ließ Kräuter, weitere Zweige und einige Beeren in das Feuer fallen. Rauch erfüllte die Eingangshalle. Dean lauschte Sams monotoner Stimme und versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren, die über ihn dahinplätscherten. Seine Glieder wurden immer schwerer und eine bleierne Müdigkeit erfasste ihn und dann, als er meinte einschlafen zu müssen, jagte eine Hitzewelle durch seinen Körper, der ein Reißen folgte. Er biss die Zähne zusammen. Um nichts in der Welt wollte er Sams Beschwörung unterbrechen. Als sich dann auch noch sein Magen zusammenkrampfte und die Magensäure seine Speiseröhre hinaufkroch, gab er ein leises Knurren von sich. Er war froh über seine Eingebung nichts zu essen. Das Reißen und Zerren verbanden sich und schienen einen Augenblick kaum noch auszuhalten. Dann war es vorbei. Von einer Sekunde auf die nächste. Nichts! Verwirrt schaute er sich um. Sam hockte vor dem rauchenden Kessel. Die Rauchschwaden waberten durch den Raum und ließen die Umrisse langsam im Nebel verschwinden. Alles war okay, oder? Noch einmal schaute er sich um. Dann traf es ihn wie ein Blitz. Seine Perspektive hatte sich verändert. Er stand! Irritiert schaute er in den Kreis und sah sich, seinen Körper, in der Mitte liegen. Reglos. Tot! „Abgefahren“, murmelte er. Langsam umrundete er sich und Sam. Sollte ihn das jetzt nicht irritieren? Sollte er nicht wenigstens ein komisches Gefühl im Magen haben? Er war tot! Wenn jetzt ein Sensenmann käme … Nein, er würde nicht mitgehen. Nicht jetzt! Nicht, wo sein Leben gerade richtig gut zu werden schien! Er warf noch einen Blick auf seinen Bruder. Sam hatte die Beschwörung inzwischen beendet. In einer Stunde würde er damit beginnen, ihn zurückzuholen! Er sollte sich beeilen! Doch wo fing er an? Am Besten wohl in der Bibliothek. Da hatte er einen Geist gesehen! Zügig ging er zu dem Raum und prallte gegen ein Barriere. Rote Symbole flammten auf dem Türrahmen auf, die sofort wieder verblassten, kaum dass er einen Schritt zurückwich. Was sollte das denn? Verdammt! War das bei den anderen Räumen genauso? Hatte er sich ganz umsonst töten lassen? Was hatte diese Mrs. Nweton noch alles gemacht? Mit welchen Mächten hatte sie sich eingelassen? So etwas konnte doch keine kleine Möchtegernhexe hinbekommen! Mit schnellen Schritten ging er zur Küche. Auch hier war kein Reinkommen. Genauso wenig wie im Esszimmer oder dem vierten Raum gegenüber der Küche. An jedem Türrahmen flammten diese Symbole. Und jetzt? Missmutig fuhr er sich durch die Haare und ging zu Sam zurück. Er setzte sich ihm gegenüber. Doch es hielt ihn nicht lange am Boden. Ruhelos begann er durch die Eingangshalle zu wandern. Es musste doch eine Lösung geben! Welche? ‚Denk nach, Dean, denk nach!‘ Kapitel 79: Spellbound ---------------------- 079) Spellbound In der Bibliothek war ein Geist. Er hatte ihn gesehen! Er kam aber nicht rein. Aber vielleicht konnte der Geist ja raus? Vielleicht konnte er ihn ja hören? Er ging zu der Tür. „Hey? Ist hier jemand?“ Nichts geschah. „Hallo?“ Klang er wirklich so verängstigt, wie es sich in seinen Ohren angehört hatte? Etwas hilflos ging er ein paar Schritte von der Tür weg und warf die Arme in die Luft. „Ist hier wer?“, fragte er noch einmal in den leeren Raum. „Wieso sollte hier jemand sein?“, fragte eine ruhige Stimme neben ihm und Dean erschrak. „Oh Gott!“, keuchte er und musterte den Mann, der ihn genauso intensiv betrachtete. „Hat sie dich auch überredet?“, wollte der Fremde wissen. Sein Blick wanderte zu Sam. „Das ist nicht Mrs. Newton!“ „Nein. Das ist mein Bruder“, erklärte Dean aus dem Bauch heraus. „Mrs. Newton ist tot. Sie war die Tante unseres Vaters und hat ihm und uns das Anwesen hier vererbt.“ „Wieso will dich dein Bruder an das Haus binden?“, fragte der Geist. Er trat bis an die Linie des Pentagramms an Deans Körper heran und musterte den. „Du siehst gar nicht krank aus!“ „Nein. Wieso sollte ich krank sein?“ „Mrs. Elisabeth“, begann der Geist, „Ich habe mein Leben lang als Butler bei ihr gearbeitet. Irgendwann wurde ich immer schwächer und dachte, ich müsste meine Stellung kündigen, doch sie hat mich bei sich behalten. Sie hat mich bis zu meinem Tod gepflegt, hat sich um mich gekümmert und die Rechnungen bezahlt. Dafür wollte sie, dass sie meinen Körper nach meinem Tod hier im Haus beerdigen kann. Dass sie meine Seele an das Haus binden wollte, wusste ich nicht. Ich dachte sie ist einfach ein bisschen verschroben geworden.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wir“, Dean deutete auf Sam und sich, „wir könnten dich befreien. Wenn du uns sagst, wo dein Körper liegt.“ „Ich habe ihr geschworen das Haus zu schützen“ wehrte er ab. „Das übernehmen wir. Wir kennen wirksamere Methoden ein Haus zu schützen“, versicherte Dean ihm. „Wirklich? Ich meine ich würde schon gerne … Es ist so langweilig geworden, hier im Haus, seid Mrs. Elisabeth es verlassen hat. Es gibt zwar noch andere wie mich, aber wir können nur ein paar Schritte aus unserem Raum machen. Das heißt ich kann es. Bei den anderen bin ich mir nicht sicher.“ Er strecke seine Hand aus. Seine Fingern schienen gegen etwas zu stoßen. Sofort bildete sich eine blau leuchtende wabernde Barriere. „Weiter kann ich nicht. Ich kann dir auch nicht sagen wo mein Körper ist.“ Dean ließ den Kopf hängen. War das Ganze hier umsonst? Hätten sie es sich sparen können? Aber wie sollten sie weitermachen? So konnten sie kaum etwas verändern. „Ich habe das hier entdeckt, als ich versucht habe, aus dieser Barriere zu entkommen.“ Der Butler ging zur Wand und hielt seine Hand dagegen. Wieder flammte diese Energiebarriere auf, aber Dean konnte auch etwas lesen. „37, 15? Was soll das sein?“, fragte er und schaute genauer hin. Waren die Punkte und Striche einfach nur dem Alter der Farbe geschuldet? Hatten sie eine Bedeutung? „Sie sagte mal, dass es eine Stelle im Haus gibt, wo ihr Tagebuch liegt. Vielleicht ist es da?“ „Sie wissen es aber nicht?“ „Nein. Ich habe diese Zahlen genauso entdeckt, wie ich die Barrieren entdeckt habe, als ich einen Weg zu den anderen gesucht habe. Sie können damit also nichts anfangen?“, traurig sackten seine Schulter nach unten. „Noch nicht, nein“, erklärte Dean. „Aber wir finden es heraus! Gibt es einen Ort hier im Haus, ein Zimmer vielleicht, in das sie immer alleine ging und das eher ungewöhnlich für sie war? Hat sie gerne gekocht oder war sie nie in der Küche, zum Beispiel?“, versuchte Dean mehr zu erfahren. Doch der Butler schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Außerhalb meines Raumes zu sein macht mich schwach. Ich …“ er flackerte kurz. Als er sich wieder stabilisiert hatte, nickte er Dean kurz zu „Kell...er“ Der Geist verschwand endgültig. Der Winchester zerbrach sich den Kopf über diese Zahlen. Hatte er jetzt wirklich Keller gehört? Wenn er doch nur sein Handy gehabt hätte und wenn er es hätte benutzen können … Hätte, hätte, hat aber nicht! Er setzte sich auf den Boden vor die Salzlinie und wartete darauf, dass Sam das Ritual beginnen und ihn wieder in seinen Körper bringen würde. '37, 15' Was konnte das nur bedeuten? 37 Fenster, 15 Türen? 37 Jahre, 15 Reparaturen? 37 Tote 15 Geister? Hoffentlich nicht! Aber das hatte auch nichts mit einem Tagebuch zu tun. Also wo würde er es verstecken? 37 Fuß von der Tür aus und 15 Fuß nach links oder rechts? Sam erhob sich, sortierte die Kräuter und entzündete das Feuer unter der Schale. Wieder begann er mit einem monotonen Singsang und warf immer mehr Kräuter in den Kessel. Rauch waberte erneut durch den Raum und vereinigte sich mit dem, der noch immer in der Eingangshalle stand. Ein Wind wirbelte durch die Schwanden. Er erfasste Dean, wirbelten ihn mit sich und zerrten ihn zu seinem Körper. Es rauschte in seinen Ohren. Er fühlte sich gestaucht und zerdrückt. Hin und her gerissen und wieder schwappte eine Hitzewelle über ihn hinweg. Dann herrschte Schweigen. Sein Rücken schmerzte, er fühlte sich unwohl. Magensäure brannte in seiner Speiseröhre. Sein Herz raste und in seinem Kopf hakten die Zwerge im selben Rhythmus Holz. Etwas klapperte. Ein Stöhnen quälte sich über seine Lippen und er versuchte sich auf die Seite zu drehen. Erst beim zweiten Anlauf gelang es ihm und er rollte sich so gut es ging zusammen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass das Klappern von seinen Zähnen kam. Er fror erbärmlich. Hastig beendete Sam seine Beschwörungen. Er zertrat die schützende Salzlinie und kniete sich neben seinen Bruder. „Dean?“, fragte er besorgt und versuchte ihn aufzurichten. Dean presste seine Arme nur noch fester an seinen Körper. „Sammy“, keuchte er. „Energiebarriere, Wand, 37, 15, Striche?“, presste er zwischen den klappernden Zähnen hervor. „Dean? Was soll das heißen?“, bohrte Sam nach. „Energiebarriere, Wand, 37, 15, Striche, Punkte …?“ Dean versuchte seinen Bruder zu fixieren, doch er schaffte es ja kaum, die Augen offen zu halten. Wieso fror er so und wieso war er so fertig? Sam sah ein, dass er hier wohl nicht mehr herausbekommen würde. Er zog Dean in seine Arme und trug ihn zum Impala. Schnell wickelte er ihn in ein paar Decken, die noch im Kofferraum lagen. Er rannte zurück und vernichtete die Spuren ihrer Beschwörung so gut es ging. Er stürzte zum Impala zurück, warf alles in den Kofferraum und sprang regelrecht auf den Fahrersitz. Kurz warf er einen Blick zu seinem Bruder, der noch immer wie Espenlaub zitterte. Schnell ließ er den Wagen an und jagte zu ihrer Wohnung zurück. Kaum hatte er den Wagen geparkt, riss er die Tür auf und wäre fast hinter hergefallen, so schnell wollte er aussteigen. Er konnte sich gerade noch fangen. Die Tür zuschlagen, um den Wagen herumlaufen und die Beifahrertür aufreißen war eine Sache von Sekunden. Er zog seinen Bruder in seine Arme und trug ihn in ihre Wohnung, wo er ihn auf seinem Bett absetzte. Gut, dass ihm keiner entgegenkam. Das hätte er wohl kaum erklären können. Sofort versuchte er Dean aus seiner Kleidung zu schälen. Dean wehrte sich so gut er konnte dagegen, auch noch das letzte bisschen Wärmespender einzubüßen. „Dean, bitte!“, fuhr Sam ihn an. „So kalt“, wisperte der kaum verständlich durch seine klappernden Zähne. „Du kannst gleich heiß duschen“, versuchte Sam es ihm schmackhafter zu machen. „Und dann kannst du ins Bett, aber bitte, dafür musst du aus den Klamotten raus.“ Endlich entspannte sich Dean etwas und ließ seinen Bruder machen. Mithelfen war allerdings auch jetzt noch zu viel verlangt. Mit einem erleichterten Seufzer schob Sam ihn unter die Dusche und drehte das warme Wasser auf. Eine Weile ließ er den Wasserstrahl über Deans Körper gleiten, dann drückte er ihm die Brause in die Hand. „Wärm dich noch ein bisschen auf, ich komme gleich wieder“, erklärte er und verschwand. In ihrer Küche durchsuchte er sämtliche Schränke, um etwas zu finden, dass Dean auch innerlich wieder aufwärmen konnte. Viel hatten sie nicht da, aber an der Seite des Schrankes stand eine kleine Flasche Rum. Halbvoll. Warum auch immer. Hatte Dean mal mit Rum gekocht? Er konnte sich nicht erinnern. Egal! Er machte Wasser heiß und ging zurück ins Bad. Dean hockte noch immer bewegungslos auf dem Fliesenboden die Brause in der Hand gegen seine Brust gerichtet. Wenigstens das Klappern der Zähne war weniger schlimm. „Okay“, begann Sam. „Kannst du dich alleine waschen oder soll ich dir helfen?“ Dean reagierte nicht. Sam seufzte. Er holte Shampoo und Duschgel und griff nach der Brause. „Nich“, versuchte Dean sich zu wehren. „Komm schon“, bat Sam leise. „Noch schnell waschen und dann kannst du ins Bett, okay?“ Dean gab auf und Sam fragte sich, ob er ein Einsehen hatte oder … Nein! Er war zu ihm durchgedrungen! Jeden anderen Gedanke verbat er sich kategorisch. Schnell schäumte er ihn ein und spülte die Seife wieder ab. Er wickelte Dean in ein Handtuch und zog ihn aus der Dusche, um ihn abtrocknen zu können. Es dauerte etwas, doch dann machte der sogar mit und Sam konnte ihm sein Schlafzeug und einen dicken Pullover holen. Er füllte heißes Wasser in ein Glas, halb voll Rum, und stellte das auf Deans Nachttisch. Gleich darauf saß sein Bruder, warm eingepackt und in Decken eingemummelt im Bett und er drückte ihm den Grog in die Hände. Dean nahm ein paar Schluck und begann sich endlich etwas zu entspannen. Langsam leerte er das Glas und gab es dann Sam. „Willst du noch einen oder lieber gleich schlafen?“ Dean schüttelte den Kopf, machte aber auch keine Anstalten sich hinlegen zu wollen. Er blieb einfach sitzen und starrte vor sich hin. Langsam wanderte sein Blick zu Sam. „Kannst du mir erzählen, was du rausgefunden hast? Was bedeutet 37, 15?“ „Ich habe den Butler getroffen“, begann Dean leise mit kratziger Stimme. „Er konnte mir nicht wirklich weiterhelfen, hat aber erzählt, dass Mrs. Elisabeth wohl nicht nur ihn an das Haus gebunden hat. Aber das war uns ja vorher schon fast klar. Es gibt ein Tagebuch von ihr, das irgendwo im Haus versteckt ist, das wusste er, aber nicht wo. Diese Geister sind über Energiebarrieren an ihre Zimmer gebunden und der Butler hat, als er seine Grenzen ausgetestet hat, an der Wand diese Zahlen entdeckt. Ich habe da noch mehr gesehen, glaube ich. Punkte, Striche, vielleicht. Aber ich weiß nicht, ob die einfach nur vor der Barriere stammen oder so schon in der Wand waren oder wirklich eine Info enthalten. Als er verschwand hallte etwas wie „Keller“ durch die Halle. Vielleicht war das ja die Antwort auf meine Frage, ob er vielleicht ahnte, wo das Buch sein könnte. Vielleicht habe ich mir auch einfach nur eingebildet, dass es ein Wort war. Ich konnte übrigens auch nicht in die Zimmer. Sie waren alle magisch versperrt und an den Türzargen leuchteten rote Symbole.“ „Hast du eine Ahnung was diese Zahlen bedeuten können?“, hakte Sam nach. „Nein. Ich hab mir schon den Kopf zerbrochen. Keine Ahnung.“ Dean gähnte und jetzt endlich streckte er sich auf seinem Bett aus, zog die Decke noch fester um sich und war binnen Sekunden eingeschlafen. Sam legte noch den Quilt über ihn und ging, die Tür offenlassend, in den Wohnraum. Er zog seinen Laptop zu sich, wusste aber nicht so Recht, was er suchen sollte, also ließ er ihn vorerst geschlossen. Sie würden also noch einmal diese Ritual abhalten müssen, um die Magie in der Eingangshalle sichtbar machen zu können. Wenn das so weiter ging, würde er an einer Staublunge sterben! Morgen musste er als allererstes prüfen, ob sie noch genügend von den Kräutern hatten! Dazu hatte er heute keine Lust mehr. Schnell telefonierte er mit Bobby, um ihn auf den Stand ihrer Nachforschungen zu bringen. Er schaute noch einmal nach Dean, konnte aber nicht erkennen, wie es ihm ging. Hoffentlich hatte er sich bei der Aktion nichts eingefangen! Er zog den Quilt etwas höher. Er rieb sich die Augen und ging ins Bad, um nun auch endlich zu duschen. Als er ins Bett ging, ließ er aus seine Schlafzimmertür offen, um seinen Bruder hören zu können, falls der nach ihm rief. Noch im Einschlafen hoffte er, dass der sich nicht erkältet hatte. Warum hatte der überhaupt so gefroren? Wie weit konnte ein Körper in einer Stunde auskühlen? Sollten sie sowas noch einmal machen, müsste sie den Körper schützen, wie auch immer. Besser wäre es aber, sie brachten dieses Ritual nie wieder! Hoffentlich fanden sie das Tagebuch bald und erfuhren so auch, wie sie das Haus magiefrei machen konnten. Vielleicht sollte er auch mal mit Bobby reden, ob es einen Zauber gab, einen Ort zu entmagiesieren. Gab es das Wort überhaupt? Wer wusste schon wie lange sie nach diesem Tagebuch suchen würden? Er schnaufte, zog seine Decke etwas höher und versuchte sich einfach nur auf Deans Atmung zu konzentrieren. So konnte er bislang immer noch am Besten einschlafen. Kapitel 80: Writing´s on the wall --------------------------------- 80) Writing´s on the wall Deans Handy riss ihn aus dem Schlaf. Er kämpfte sich unter den Decken hervor und aus dem Bett. Irgendwie fühlte er sich immer noch schlapp. Die Kälte steckte noch immer in seinen Knochen. Ein Schauer rann über seinen Rücken, als er sich dessen bewusst wurde. So eine Aktion musste er nicht noch einmal haben. Zumindest nicht so. Wenn sie das noch mal machen wollten, dann sollten sie eine Wärmedecke besorgen, auf die er sich legen konnte. Er schlurfte zur Kaffeemaschine und schaufelte Pulver in den Filter. Danach verschwand er im Bad. Vielleicht half ja eine heiße Dusche? Tat sie nicht so richtig, auch wenn er sich rein äußerlich fast wie eine Brühwurst fühlte. Mit dem Handtuch um die Hüften verließ er das Bad und ging sich anziehen. Als Dean sich seinen ersten Kaffee eingoss, kam auch Sam in den Wohnbereich. Verschlafen blinzelte er zu Dean. „Du kannst noch liegen bleiben“, sagte der leise. „Wie geht’s dir?“, überging Sam den Einwurf und kam in die Küche. Er holte sich eine Tasse und goss sich ebenfalls einen Kaffee ein. „Kann mich nachher wieder hinlegen“, antwortete er doch noch verspätet. Einen Augenblick überlegte der Ältere, ob er Sam seine übliche Antwort geben sollte, doch er hatte, vor nicht allzu langer Zeit, versprochen ihn nicht mehr mit Floskeln abzuspeisen, sondern die Wahrheit zu sagen. Er pustete in seine Tasse, bevor er antwortete: „Schlapp. Als ob ich ´ne Erklärung kriegen würde. Nur kann ich mir die gerade überhaupt nicht leisten.“ „Ein Beinbruch wäre schlimmer. Der würde dich mehr behindern“, stellte Sam fest. „Das würdest du nur aushalten, wenn du noch welche von diesen tollen Tabletten hättest, die mich jedes Mal restlos abschießen. Sonst wäre ich wohl nicht zu ertragen.“ „Wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?“, fragte Sam verblüfft. „Ist doch so“, grummelte Dean und trank einen Schluck. Wie oft hatte er zu hören bekommen, dass er ein furchtbarer Patient war? „Das wohl. Nur dass du so früh ansprechbar bist, mir sagst wie es dir geht und auch noch zugibst, dass du krank unerträglich wirst“, Sam schüttelte den Kopf. „Das ist mehr als ich je von dir erwartet hätte.“ Er lachte leise. „Aber ich freue mich darüber.“ Dean nickte nur. Er trank seinen Kaffee aus und nahm sich eine zweite Tasse. „Wenn du schon wach bist“, grinste Dean, „Überlege dir doch mal, was wir an unserem nächsten gemeinsamen freien Tag machen wollen. Vielleicht könnten wir ja Chris und Mac und Tylor mit einbeziehen. Sie wissen noch nicht wirklich was von Haus. Irgendwann sollten wir es ihnen auch mal zeigen. Muss aber nicht sofort sein. Vielleicht besser, wenn es wieder, wie ein Haus aussieht und nicht wie ein fensterloses Geisterhaus.“ Er trank den letzten Schluck aus, nahm sich seine Schultasche und war zur Tür raus, bevor Sam eine Antwort hatte. Mit zwei Tüten und einem Sixpack Bier schob sich Dean am späten Nachmittag in ihr Zimmer. Geistig erschöpft ließ er sich auf den Stuhl fallen. „So schlimm?“, wollte Sam wissen. Er begann den Tisch frei zu räumen und holte Besteck und Teller. „Ich habe keine Ahnung wie ich das je alles begreifen soll“, stöhnte Dean. „Auch wenn es langsam, etwas klarer zu werden scheint.“ „Das ist doch was“, freute sich Sam für ihn. „Naja, ich hoffe nur, dass der Lichtschein am Ende des Tunnels kein entgegenkommender Zug ist.“ „Alter Pessimist“, schimpfte Sam. „So kenne ich dich gar nicht!“ „Muss wohl am Stoff liegen“, grummelte Dean. ‚Oder am letzten Jahr oder der Wache 39‘ Doch das sprach er nicht aus. Er nahm sich eine der Tüten, öffnete ein Bier und reichte es an Sam weiter. Er öffnete eine zweite Flasche und nahm einen Schluck. In aller Ruhe packte er sein Essen aus. „Hast du dir was für morgen überlegt?“ „Du hast Nachtschicht. Willst du da morgen wirklich viel machen?“, fragte Sam leise. „Ich wollte nicht mit dir im Pub versacken, aber ich würde schon gerne was mit dir unternehmen“, erwiderte Dean. „Gut“, nickte der jüngere. „Wir könnten klettern oder schwimmen gehen. Minigolf muss nicht schon wieder sein“, erwiderte Sam. „Ich habe mit Tylor gesprochen. Er hat morgen keine Zeit und ich weiß auch nicht, ob Chris oder Mac so kurzfristig können. Ich dachte wir treffen uns mit allen Samstag in 14 Tagen. Dann haben wir das Geisterproblem ja vielleicht gelöst.“ Dean nickte. Ein Frösteln ging durch seinen Körper. „Was ist los?“, fragte Sam, dem das natürlich nicht entgangen war. „Keine Ahnung. Seit gestern haben ich irgendwie das Gefühl meine Knochen wären gefroren.“ Sam schluckte. „Das ist aber nicht wie damals“, er verdrehte die Augen. Wie das klang! Trotzdem schlug die Sorge, seinen Bruder doch noch an Amaruq zu verlieren unvermittelt zu. „Nein, Sammy, diese Kälte ist es nicht!“ Dean wusste sofort, woran sein Bruder dachte. „Du würdest es aber nicht sagen, wenn es so wäre?“ „Damals nicht, nein. Ich hätte es weder dir noch Bobby zumuten wollen, mir beim langsamen Sterben zusehen zu müssen. Und eigentlich will ich das heute auch nicht. Aber darüber müssen wir nicht nachdenken. Es ist einfach nur Kälte, so wie eine Erkältung. Es sind nicht diese langsam vorwärts kriechenden Spinnenfinger, die ich damals gefühlt habe.“ Sam musterte seinen Bruder noch eine Weile, dann nickte er. Dean würde es ihm nicht sagen und wenn er ehrlich zu sich selbst war, er würde mit den gleichen Voraussetzungen auch schweigen. „Also was machen wir dann morgen?“, hakte Dean nach. „Vielleicht sollten wir schwimmen gehen. Die haben eine neue Wellnessoase eröffnet. So mit Solebad und Whirlpools und Wärmelampen. Da könntest du dir deine alten Knochen auswärmen.“ Sam grinste. „Alte Knochen?“ Dean zog eine Schmollschnute. Er musterte Sam mit einem langen Blick, dann nickte er. „Wahrscheinlich hast du Recht. Immerhin bin ich vier Jahre älter als du!“ Er nahm einen Schluck. „Lass uns Wellness machen. Aber dann versuchen wir heute noch das Rätsel um die Punkte und Striche zu lösen. Das heißt, wenn du willst und kannst und wir noch genug von den Kräutern und anderen Zeugs haben. Ich würde schon gerne mit dem Haus anfangen, aber dazu müssen wir dieses 37, 15 Rätsel lösen. Und ich möchte mir diese Bindesymbole an den Türen genauer ansehen.“ „Dachte mir schon, dass du das sagst.“ Sam verzog das Gesicht. So wirklich hatte er keine Lust dazu, aber er hatte auch noch keinen einfacheren Weg gefunden und leider auch nichts, womit man Magie einfach so und komplett löschen könnte. Selbst wenn. Dann hätten sie noch immer die Geister im Haus, wenn deren Körper, wie Dean erfahren hatte, im Haus beerdigt oder abgelegt worden waren. So langsam wurde ihm diese Mrs. Elisabeth reichlich unsympathisch. Hätte die ihr Tagebuch nicht auch dem Kobold geben können? Er hatte ihn angerufen und gefragt, ob er vielleicht noch was für sie hätte oder ob Mrs. Elisabeth vielleicht ihre Memoiren geschrieben hätte. Der Kobold wusste von nichts. Wäre ja auch zu schön gewesen. „Denkst du jetzt darüber nach, wie du mir am besten das Ganze ausreden kannst?“ Sam verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Würde ich gerne, brächte uns aber nicht weiter, oder? Die Geister wären immer noch da und wir könnten nichts machen.“ „Auf Dauer nicht. Zumindest nicht, wenn wir irgendwann mal da einziehen wollen.“ Sam schnaufte. „Dann lass uns essen und danach fahren.“ Dean nickte. Was sie machen würden, sollten sie keinen Weg finden, das Rätsel zu lösen, darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Nein! Sie würden das wie einen Fall ansehen und ihn lösen, so wie sie jeden Fall lösten, den sie annahmen! In aller Ruhe leerten sie ihre Teller. Danach suchte Sam die Zutaten und Formeln für den Zauber und Dean räumte auf. Drei Stunden später schaffte Sam den Weg vom Impala zu ihrem Zimmer nur mit Deans Hilfe. Das Ritual hatte wieder an seinen Kräften gefressen. „Das sollten wir echt nicht öfter machen“, nuschelte er, während Dean ihn aufs Bett setzte und begann ihn von seinem Zwiebellook zu befreien. „Willst du noch duschen, was essen oder trinken?“, fragte er, obwohl er sich sicher war, die Antwort zu kennen. „Ich glaube nicht, dass ich das noch schaffe“, bestätigte Sam ihn auch sofort unwissentlich. „Wenigstens einen Traubenzucker solltest du nehmen“, bat Dean besorgt. Sam schaffte ein Nicken und über Deans Gesicht huschte ein Lächeln. Er kramte in seiner Schultasche und holte eine Packung hervor. Schnell löste er zwei Stück aus der Folie, schob sie Sam in den Mund und hielt ihm die Wasserflasche an die Lippen. Nach drei Schlucken streikte Sam und Dean ließ ihn in die Kissen sinken. „Gute Nacht, Sammy“, flüsterte er und strich die Decke glatt. Dann holte er seinen Laptop, stöpselte sein Handy an und übertrug die Bilder und den Film, den er in ihrer Eingangshalle gemacht hatte. Der Sonntagmorgen begann wie ein typischer und doch so selten gewordener Morgen der Winchesters. Sam war lange vor seinem Bruder wach. Er ging duschen und schaute dann in den Schränken nach, ob sie alle Zutaten für ein Frühstück da hatten. Immerhin hatte er bei Jody oft genug mitgemacht, um sich das jetzt auch wieder zuzutrauen. Eier und Speck waren da, alles andere jedoch nicht. Sollte er losfahren und etwas holen? Nein! Er wollte eh Müsli essen und Eier und Speck würden Dean reichen. Im Hallenbad gab es ein kleines Restaurant, da konnten sie was essen und heute Nachmittag konnten sie vielleicht noch in die kleine Bäckerei, bevor Dean zum Dienst musste. Also los. Er kochte Kaffee, legte Deans Aufzeichnungen beiseite und deckte den Tisch. In aller Ruhe begann er Rühreier und Speck zuzubereiten. Er lud alles auf einen Teller, stellte den in den Backofen zum Warmhalten und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er nahm sich seinen Kaffee und richtete den Blick auf die Tür zum Zimmer seines Bruders. Von dem langsam durch den Raum ziehenden Aroma seines geliebten Muntermachers geweckt, setzte sich Dean auf, schob die Decke weg und stemmte sich hoch. Mit geschlossenen Augen tappte er zum Tisch und ließ sich auf seinen Stuhl plumpen. Sam schob ihm eine Tasse in die suchenden Hände, lehnte sich zurück und genoss das Schauspiel, dass sich ihm bot. Er grinste. Wie üblich war Dean nach der zweiten Tasse soweit aufnahmebereit, dass er davon ausgehen konnte, auf eine Frage auch eine Antwort zu bekommen. Er holte Deans Frühstück und stellte es ihm vor die Nase. „Was hast du rausgefunden?“, fragte er und deutete auf die Zettelsammlung auf dem Laptop. „Über die Bindezauber an den Türen noch nicht viel. Sie sind alle unterschiedlich, aber davon bin ich eigentlich auch ausgegangen, da die Siegel in den Räumen ja auch unterschiedlich waren. Ich hab alle Steine in der Fassade, die zu 37, 15 passen markiert, immer von den Ecken aus gesehen. Allerdings glaube ich irgendwie nicht, dass sie es sein könnten.“ „Du meinst sie wäre nie so hoch auf eine Leiter geklettert?“, hakte Sam nach. Dean nickte und zuckte gleich darauf mit den Schultern. „Keine Ahnung. Bei dem, was sie alles veranstaltet hat, traue ich ihr inzwischen einiges zu.“ Er schüttelte den Kopf und schnaufte frustriert. „Vielleicht fällt uns ja nachher was ein, wenn wir faul irgendwo rumliegen oder beim schwimmen“, überlegte Sam. Dean nickte. Er war zwar noch, immer nicht überzeugt, aber was sollte es? Vielleicht hatte Sam ja Recht. In aller Ruhe aßen sie, räumte die Küche wieder auf und packten ihre Badesachen. Kapitel 81: Swimming -------------------- 081) Swimming Mit dem Handtuch über der Schulter suchten sie sich einen Platz am großen Becken. Zuerst wollten sie sich auspowern. Danach was essen und dann Wellness. Gleichmäßig zogen sie ihren Bahnen. Sam liebte das Gefühl vom getragen werden, das es so nur im Wasser gab, genauso wie sein Bruder. Nach 30 Bahnen Brustschwimmen drehte er sich auf den Rücken. Sein Blick glitt über die Deckenplatten und er begann sie zu zählen. Die Erkenntnis traf ihn völlig unerwartet. Er schwamm zum Rand und richtete sich auf. Sein Blick glitt über die Platten an den Wänden. Konnte es so einfach sein? Er stemmte sich aus dem Becken und bedeutete Dean, dass er mit ihm reden wollte. „Was ist los, Sammy, dass es nicht warten kann?“, wollte der wissen, kaum dass er neben ihm stand. „Lass uns ins Solebecken gehen“, bat der Jüngere. Dean nickte. Er holte ihre Handtücher, die sie über die Lehne einer Bank geworfen hatten. Seins legte er sich wie einen Schal über die Schultern und verdeckte einen Teil seines durchtrainierten Oberkörpers. „Och nöö“, schimpfte eine Frau, die mit einem Buch auf einer Liege saß aber schon eine Weile nicht mehr hinein gesehen hatte. Ihre Freundin neben ihr kicherte leise. Ihr Blick war eher auf den Langen gerichtet, zu dem er jetzt aufschloss und ihm ein Handtuch gab. Der warf es sich über die Schulter und trocknete sich sein Gesicht ab. „Mist“, schimpfte jetzt diese Freundin. „Das kann er doch nicht ...“ „Lass uns ihnen folgen“, schlug die erste vor, als sie sah, wohin die Brüder gingen. Sie schob ihr Buch in ihre Tasche und erhob sich. Dean folgte seinem Bruder, seine Augen auf den Fußboden gerichtet. Jede Menge Fliesenreihen mit vielen Fliesen. Ob das? Die Blicke, die ihnen nicht nur diese beiden Frauen schmachtend hinterherwarfen, sahen beide nicht. „Also, was ist so wichtig?“, wollte Dean wissen, kaum dass sie sich eine Ecke im Solebecken gesucht hatten. Er tauchte etwas weiter unter. Das Wasser war herrlich warm und vielleicht konnte es ja auch den letzten Rest Kälte aus seinen Knochen vertreiben. „37, 15“, begann Sam. „Einige Räume haben Wandvertäfelung und Deckenplatten“, erklärte er. „Und Bodenfliesen“, nickte Dean. „Du meinst also…?“ „Dass wir zählen sollten, ja.“ „Wollen wir gleich noch hin?“, fragte Dean und stemmte sich in die Höhe. „Erstmal genießen wir den Tag hier. Die Zählerei rennt uns nicht weg.“ Mit einem äußerst zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht ließ sich Dean wieder ins Wasser gleiten. Natürlich würde er lieber gleich als später das Rätsel lösen, aber gerade fühlte er sich hier so richtig wohl. Es war ihr Familientag und er genoss die Wärme. Er legte sich aufs Wasser und schloss die Augen ließ sich treiben. Sam versuchte es ihm gleich zu tun, doch irgendwie wollte ihm das nicht gelingen. Sein Hintern sackte immer wieder nach unten und er klappte zusammen, wie ein Taschenmesser. Also begnügte er sich damit, es sich auf der Sitzfläche gemütlich zu machen und seinen Bruder hin und wieder zu sich zurück zu ziehen, wenn der Gefahr lief abgetrieben zu werden. So könnte er ewig sitzen. Die beiden Frauen ließen sich gegenüber der von ihnen begehrten Objekte nieder. „Ob die noch zu haben sind?“, wollte die eine leise wissen. „Ich habe keinen Ehering gesehen“, entgegnete die andere und musterte das schwarz glänzende Tattoo, das auf Sams Brust prangte. „Meinst du das hat eine Bedeutung?“ „Keine Ahnung, aber der Andere hat es auch, nur kleiner.“ „Ob die in einer Sekte sind?“ „Mächtige Hexer“, erwiderte die Erste in verschwörerischem Ton. Beide musste kichern. „Süß sind sie trotzdem und ganz ehrlich? Der Kleinere könnte mich ruhig verhexen!“ Wieder kicherten beide wie Schulmädchen. Sam hatte den Kopf auf den Rand des Beckens gelegt und döste. Nur hin und wieder schaute er nach seinem Bruder und auch wenn sein Blick die beiden Frauen streifte so beachtete er sie nicht. Wieder schaute er auf und zog seinen Bruder am Bein zu sich zurück und freute sich im Stillen, dass Dean es so geschehen ließ, ohne auch nur kurz aufzuschauen. Plötzlich knurrte dessen Magen so laut, dass er ihn hörte. Lachend schlug er Dean gegen das Bein. Sofort klappte der zusammen und kam prustend auf die Beine. „Was?“, fragte der irritiert. „Du hast Hunger“, informierte ihn Sam und wischte sich Tränen aus den Augen. „Wieso? Ich ...“ Wieder knurrte sein Magen und Dean verdrehte die Augen. „Lass uns essen gehen. Danach haben wir vielleicht noch Zeit für einen kurzen Besuch im Whirlpool bevor du los musst.“ Dean nickte und kletterte aus dem Becken. Nach dem Essen machten sie es sich in einem der Whirlpools gemütlich. „Jetzt einen Cocktail und leise Musik“, überlegte Sam. „Oder eine willige Frau“, grinste Dean und sein Bruder verdrehte die Augen. War ja klar, dass das von ihm kommen musste. „Sag mal“, begann Sam nach einer Weile und schaute zu seinem Bruder. „Der Raum vorne, von dem wir noch nicht wissen was rein soll: Ich hatte ja Fitness vorgeschlagen, aber: wie wäre es mit so einer Wellnessoase? Liegen mit diesen Wärmestrahlern“, er deutete in den Ruheraum, den sie wohl heute nicht mehr nutzen würden, „Sauna, Whirlpool, ´ne Bar für die Cocktails, Massageliege? Aus dem Wintergarten auf der Seite könnte das Fitnessstudio werden. Da würde so ein Raum bestimmt passen.“ „Klingt wie eine gute Idee“, nickte Dean. Er schaute sich um und musterte die Heizstrahler. „Mal sehen, wie sich das umsetzen lässt.“ Er ließ den Kopf wieder auf den Rand sinken und schloss die Augen. Viel zu schnell rückten ihnen die beiden Frauen, die Sam spätestens als sie sich beim Essen an den Nachbartisch setzten, als zu aufdringlich eingestuft hatte, wieder auf die Pelle. Ein Blick zu Dean zeigte ihm, dass auch der genervt war. Er schaute zur Uhr. „Willst du noch eine Runde durchs Becken bevor wir gehen?“ „Nein, aber lass uns los. So können wir uns in Ruhe fertig machen. Dann bringe ich dich weg und fahre danach zur Wache.“ Dean erhob sich und stieg aus dem Pool. Schnell war Sam an seiner Seite. Früher hatten sie die Menschen doch immer wieder für ein Pärchen gehalten, warum dann gerade die Beiden nicht? Ob er mal Deans Hand …? Wohl besser nicht. Sein Bruder würde ihn glatt hier aussetzen oder sofort in einem der Pools ertränken. Obwohl? Da war doch mal was mit hemmungslos rumknutschen, an das er sich dunkel erinnerte. Sam schloss zu seinem Bruder auf. „Vielleicht sollte ich hemmungslos mit dir rumknutschen. Dann wären wir sie los“, erklärte er leise. Abrupt blieb Dean stehen. Sein Blick wanderte über seinen Bruder, dann zuckten seine Mundwinkel. „So besoffen bist du nicht, dass ich dir das durchgehen lassen würde.“ Er wackelte aufreizend mit den Augenbrauen und schaute seinem Bruder verliebt in die Augen. Sam japste reichlich unmännlich nach Luft. Dean grinste und war kurz versucht seinem Bruder einen Klaps auf den knackigen Hintern zu geben, doch er ließ es. Solche billigen Ausreden hatten sie dann doch nicht nötig, genauso wenig, wie er wirklich wissen wollte, wie es wäre ein Mann zu küssen. Sie gingen duschen und dann brachte Dean seinen Bruder zur Wohnung. Er kam gerade auf der Wache an, als er auch schon Chief Bradley über den Weg lief. „Win?“, hielt der ihn auf. Dean grinste. War das letztens doch nicht nur ein Ausrutscher. Bislang hatte ihn der Chief immer mit Mr. Winchester angesprochen und er musste sich jedes Mal zusammenreißen nicht die Augen zu verdrehen. Mr. Winchester war John! Aber so langsam musste er sich wohl daran gewöhnen ebenfalls so angesprochen zu werden. Trotzdem mochte er Win lieber und er überlegte kurz, wer damit eigentlich angefangen hatte. Sein Blick fiel auf die Füße seines Chief. „Sir?“ „Sie fahren diese Woche mit Thompson im Rettungswagen. „Ich hoffe, dass ist okay?“ „Klar“, nickte der Winchester. Der Chief hatte ja gesagt, dass er ihn überall mal einsetzen wollte und auf dem Rettungswagen war er bis jetzt noch nie gewesen. Ob er das überhaupt noch konnte? Er räumte seine Tasche in den Spind, zog sich um und ging dann zum Rettungswagen. „Hey“, grüßte er Amy, die ihre Ausrüstung kontrollierte. „Wie weit bist du?“ „Fast fertig“, erwiderte sie mit einem Lächeln. „Du bis jetzt mein Fahrer?“ „So sieht es aus“, lächelte er. „Du darfst frei über mich verfügen.“ „Wenn ich das mal nicht ausnutze“, lachte sie breit. „Aber im Moment bin ich hier fast wunschlos glücklich.“ Der Winchester nickte. Er versuchte ein Gähnen zu unterdrücken und ging sich einen Kaffee holen. Doch auch der schwarze Muntermacher half nicht wirklich. Das Bad in der Sole hatte ihn zwar endlich wieder bis in die Knochen aufgewärmt, ihn aber auch müde gemacht, so dass er eigentlich nur noch in ein Bett wollte. Ganz mieses Timing! Er schob seine Tasse etwas zur Seite, legte die Arme auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. Sekunden später war er eingeschlafen. Chief Bradley kam in den Raum und starrte irritiert auf den Winchester. Was war das denn? Um diese Uhrzeit? Was hatte der getrieben? „Weiß einer, was ...“, begann er, als der Alarmton erklang und der Rettungswagen zum Einsatz gerufen wurde. Augenblicklich war Dean wach, erhob sich und lief zum Fahrzeug. Er setzte sich auf den Fahrersitz und wartete bis seine Partnerin eingestiegen war. „Die Straße sagt mir nichts“, erklärte er leise. Er war zwar immer wieder Umwege zu ihrer Wohnung gefahren und hatte sich so schon die meisten Straße eingeprägt, aber eben noch nicht alle. „Kein Problem“, erwiderte sie und lotste ihn zum Einsatzort. „Ähm, ja“, machte Chief Bradley und schaute dem davonrasenden Wagen hinterher. „Hatte der Winchester nicht gerade geschlafen?“ Lt. Gilian lachte. „Das kann der, wie auch immer. Ich hab´s auch schon mal erlebt. Schläft tief und fest und ist in der nächsten Sekunde einsatzbereit. Das könnte ich auch gerne.“ „Okay“, nickte der Chief, schüttelte den Kopf und holte sich endlich einen Kaffee. Er schaute noch eine Weile auf das offene Tor. Wie sehr hatte er sich dagegen gesträubt, den Winchester zu übernehmen. Er brauchte hier niemanden schon gar keinen Anwärter. Aber der Winchester hatte ihn schnell seiner Vorurteile enthoben. Klar gab es einige kleine Probleme am Anfang, weil er Arbeiten nicht so flüssig ausführte wie jemand, der das schon jahrelang machte, doch er war gelehrig und setzte Hinweise sofort um. Dass er inzwischen auch noch jeden dritten Tag kochte war ein Bonus, den er jetzt schon vermisste, wenn der mal zu einer anderen Wache wechseln würde. Dass der Tag kommen würde, stand fest und er würde das gute, gesunde Essen vermissen. Kapitel 82: Business at usual ----------------------------- 082) Business at usual Dean hielt vor dem Haus. Sie stiegen aus, nahmen ihre Taschen und liefen zur Tür. Amy klingelte. Ein Mädchen von vielleicht zwölf, dreizehn Jahren öffnete ihnen. „Meine Mom ist die Treppe runter gefallen“, erklärte sie leise und wies in das angrenzende Zimmer. „Sie wollte Essen kochen und ist plötzlich zusammengebrochen. Ich kriege sie nicht mehr hoch!“ Die beiden Sanitäter folgten ihrem Fingerzeig und betraten den Raum. Die Frau saß an einen Küchenschrank gelehnt. Ihre Augen huschten hektisch durch den Raum. „Ma‘am“, machte Amy sich bemerkbar. „Wir sind vom Rettungsdienst. Können Sie uns sagen, was passiert ist?“ „Sie hätten nicht kommen müssen“, sagte sie leise und versuchte sich aufzurichten. „Ich bin heute Morgen auf der Treppe gestolpert und gefallen.“ Sie schüttelte den Kopf und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht. „Mein Kreislauf war wohl noch etwas angeschlagen. Aber jetzt ist alles gut“, erklärte sie und hielt sich krampfhaft an der Arbeitsplatte fest. „Okay“, nickte Dean und schob ihr einen Stuhl hin. „Aber da wir schon mal hier sind, können wir Sie auch kurz durchchecken.“ „Sie müssen nicht … mir geht’s gut.“ „Das glaube ich Ihnen. Lassen Sie mich trotzdem kurz Ihren Blutdruck messen. Dann kann ich Ihnen auch was für den Kreislauf geben“, wandte jetzt Amy ein. Sie holte ihr Stethoskop hervor und schob ihr Shirt hoch. Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Die Frau hatte am ganzen Oberkörper verteilt Hämatome in allen möglichen Stadien der Heilung. Vorsichtig legte sie ihr die Hände auf die Rippen. „Atmen Sie bitte langsam ein und wieder aus.“ „Sie haben mindestens zwei gebrochene Rippen. Wir müssen Sie mitnehmen“, erklärte Amy ruhig, aber bestimmt. „Ich verspreche Ihnen, ich passe auf. Können Sie nicht einfach einen Verband?“, wollte die Frau hastig wissen. „Nein! Die Rippen können in die Lunge eindringen“, versuchte Amy ihr die Dringlichkeit klar zu machen. „Sind sie taub? Sie will nicht mitfahren also verschwinden sie hier“, bellte der Ehemann, der plötzlich mit einem Messer bewaffnet in der Tür auftauchte. „Sir, bitte. Ihre Frau könnte sterben!“, erklärte Amy eindringlich. „Die ist bis jetzt nicht verreckt, dann wird sie das auch überleben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und wenn nicht? Das Gör ist alt genug!“ „Ruf Verstärkung“, wandte sich Dean an seine Partnerin und trat dem Mann in den Weg. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und machte die Schultern breit. „Wie war das?“, wollte er gefährlich leise wissen. Der Typ war jedoch viel zu besoffen, um die Gefahr, die plötzlich von dem Winchester ausging zu registrieren. „Die Alte ist nutzlos! Bringt bloß Weiber zur Welt.“ „Schon mal was davon gehört, dass der Mann für das Geschlecht des Kindes zuständig ist?“, fragte Dean und schob sich einen weitere Schritt an seinen Gegner heran. Blitzschnell machte er einen weiteren Schritt, diesmal zur Seite, griff das Handgelenk der Hand, in der er das Messer hielt und verdrehte es. Der Kerl stieß einen erschrockenen, schmerzvollen Schrei aus und ließ das Messer fallen. Dean trat es beiseite. Energisch legte er dem Mann seine Hand auf die Brust und drückte ihn aus dem Raum und gegen eine Wand. „Es reicht jetzt“, knurrte er und seine Augen blitzten wütend. „Du hast mir den Arm gebrochen! Ich zeige dich an!“, brüllte der, wagte aber nicht sich zu rühren, solange Dean vor ihm stand. „Amy, bring sie und die Kleine raus!“, forderte Dean und wandte sich wieder an den Säufer. „Ich brech dir die Nase, solltest du auch nur eine falsche Bewegung machen!“ „Kommen Sie, bitte“, versuchte Amy die Frau zu überreden. „Ihre Tochter braucht Sie!“ Jetzt endlich stemmte sie sich mühsam in die Höhe und folgte der Sanitäterin hinaus zum Wagen. Ihre Tochter folgte ihr wie ein Schatten. Sie waren noch nicht ganz zur Tür raus, als auch schon die Polizei vorfuhr. „Was habt ihr?“, wollte der Polizist wissen. „Häusliche Gewalt“, Amy deutete kurz auf Mutter und Tochter, „und er hat uns mit ´nem Messer bedroht. Mein Partner hält ihn in Schach.“ Der Polizist hob fragend eine Augenbraue und ging mit seinem Partner hinein. „Hey“, grüßten sie Dean mit einem Nicken. „Häusliche Gewalt?“ Dean nickte. „Er wollte uns mit einem Messer angreifen. Das liegt da.“ Er deutete auf das Messer. „Der hat mir den Arm gebrochen“, jammerte der Kerl. „Und er wollte mir die Nase brechen!“ „Wollte er?“, fragte ein Polizist, während sein Partner das Messer eintütete. „Jaha!“, lamentierte der weiter. „Und was soll ich jetzt tun?“ „Ihn verhaften!“ „Machen wir, später.“ Er nickte Dean grinsend zu. „Wir übernehmen.“ Der Winchester beeilte sich nach draußen zu kommen, damit sie die Frau ins Krankenhaus bringen konnten. Noch in der Tür hörte er wie der Polizist: „Erstmal kommen Sie mit!“, sagte. Er lief zum Rettungswagen und stieg ein. Mit Blaulicht jagten sie zur Klinik. „Da wir alle jetzt hier sind, in einer viertel Stunde im Besprechungsraum!“, forderte der Chief, kaum dass Dean und Amy aus dem Wagen geklettert waren. Sie hatte gerade genug Zeit den Rettungswagen für den nächsten Einsatz vorzubereiten. Eine viertel Stunde später saßen alle im Besprechungsraum und unterhielten sich. Chief Bradley betrat den Raum. Keiner reagierte wirklich auf ihn. Ein schriller Pfiff ertönte und alle zuckten zusammen. „Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit“, lachte der Chief. „Da mir jetzt alle zuhören, kann ich ihnen ja erzählen, dass der schon lange in Raum hängende Umbau der Feuerwehr im Juni, Juli beginnen soll. Es wird demnächst nur noch 5 Wachen geben. Die anderen werden geschlossen und die Mannschaften verteilt und in die neuen Schichten integriert.“ Sofort begann eine wilde Diskussion. Chief Bradley hob die Finger zum Mund und stieß einen weiteren schrillen Pfiff aus. „Wer wann wohin geht, werden wir noch sehen und dann, ich betone DANN, ist die richtige Zeit für Diskussionen! Also zum Ablauf! Das Hauptquartier macht den Anfang. Da die Räume noch umgebaut werden müssen, übernehmen wir ab Mai bis auf weiteres ihre Drehleiter. Das heißt, der Rettungswagen zieht in die kleine Garage um. Die muss aufgeräumt werden! Ab August soll das Hauptquartier dann mit dem 24-Stunden-Dienst beginnen. Die drei Schichten werden teilweise neu zusammengestellt. Das Hauptquartier ist und bleibt Wache 1. Die jetzige Wache 5 folgt im August und wird danach die neue Wache 3 sein. Danach sind wir dran und sollen Wache 2 werden. Der Umbau hier soll im Oktober beginnen und ab Dezember werden wir hier auch den 24-Stunden-Dienst haben. Zumindest ist so der Plan. Wir werden sehen, wie die Umsetzung abläuft. So, und jetzt könnt ihr diskutieren.“ Chief Bradley verließ den Besprechungsraum, während das verbale Chaos ausbrach. Dean hielt sich raus. Er war hier ja nur für seine Anwärterzeit. Aber vielleicht konnte er so auch bleiben? In einer der anderen Schichten? Die Wache gefiel ihm. Mal sehen, was kam. Ein neuer Alarm löste die Runde auf, bevor die Diskussion überhaupt richtig begonnen hatte. In dieser Nacht kamen sie nicht wirklich zur Ruhe. Der Rettungswagen musste noch zwei Mal ausrücken. Entsprechend müde war Dean, als er in ihre Wohnung zurückkam. Noch vor der Tür zog er sich seine Schuhe aus. Er wollte Sam nicht wecken, sollte der seine Tür nicht geschlossen haben. Leise schloss er die Tür hinter sich und kroch keine zwei Minuten später, nur noch mit Shorts und T-Shirt bekleidet ins Bett. Mit einem zufriedenen Schnaufen drehte er sich auf den Bauch, umschloss das Kissen mit den Armen und ließ sich in Morpheus Arme fallen. Sam blinzelte in den erwachenden Tag. Er stand er auf, machte sich im Bad fertig und schaute dann in Deans Zimmer. Sein Bruder war schon da und schlief. Leise schloss er die Tür wieder, kochte Kaffee und ging duschen. Als er sich die Milch aus dem Kühlschrank holte, fiel sein Blick auf ihren Terminplan. Er stutzte. Dean hatte letzte Nacht Dienst, dann drei Tage frei, eine Nacht Dienst und dann wieder frei. „Stimmt“, murmelte er, als ihm einfiel, dass sein Bruder erwähnt hatte, dass er Überstunden abbummeln sollte. Schade, dass er das nicht erst nächsten Monat machen konnte, dann hätte er auch frei und sie vielleicht zu Bobby fahren können. Aber egal. Was nicht ging, ging nicht. Spätestens im September, wenn Jody sich zur Wiederwahl stellen musste, würden sie hinfahren und ihr den Rücken stärken. In aller Ruhe frühstückte Sam und fuhr danach zur Uni. Leise schloss Sam die Tür ihrer Wohnung, als er am frühen Nachmittag von der Uni kam. Er wollte seinen Bruder nicht wecken, sollte der noch schlafen. Er fütterte die Kaffeemaschine und hörte, wie Dean sich streckte und aufstand. „Hast du schon gegessen?“, fragte der seinen kleinen Bruder. „Nein.“ „Wollen wir gleich was essen fahren, oder nehmen wir uns was mit zum Haus, um unsere Theorie mit den Fliesen oder Platten zu überprüfen?“ „Wir könnten was essen fahren.“ Dean nickte. Er zog sich um. Dankend nahm er den Kaffee entgegen. An die Theke gelehnt inhalierte er das Aroma. Schweigend tranken sie ihren Kaffee, stellte die Tassen in die Spüle und verließen ihre Wohnung. Die Sonne schien vom blankgeputzten Himmel und die Temperaturen waren angenehm. „Wollen wir uns doch nur was holen und ein Picknick vorm Haus machen?“, schlug Sam vor und sein Bruder nickte. Dean lenkte den Impala vor die Villa und parkte ihn so, dass die Motorhaube zum Eingang zeigte. „Unser Geisterhaus“, grinste er etwas schief und stieg aus. Er holte das Bier von der Rückbank und machte es sich auf der Motorhaube bequem. Sam folgte seinem Beispiel. Er platzierte die Tüten zwischen ihnen. In aller Ruhe begannen sie zu essen. „Was machen wir, wenn wir ...“, begann Sam und wurde sofort von Deans Handbewegung abgewürgt. „Wir finden einen Weg! Wir haben immer einen Weg gefunden und unsere Fälle abgeschlossen.“ „Du siehst es als Fall?“ Sam schaute seinen Bruder an, der nur nickte und sich eine Gabel voll in den Mund schob. ‚Warum eigentlich nicht?‘, überlegte Sam. So war es auf jeden Fall einfacher damit umzugehen. „Das Ritual, um Magie sichtbar zu machen könntest du auch ins Netz stellen“, überlegte Dean, nachdem er fertig gegessen hatte. Er trank sein Bier aus und stand auf. „Wo fangen wir an?“ „Küche, die Wintergärten, Eingangshalle. Gibt es oben Räume, die wir prüfen müssen?“ Sam rutschte von der Motorhaube. „Nicht wenn wir von 37, 15 ausgehen. Wenn es 52 sind, käme jeder Raum in Frage. Und auch hier im Erdgeschoss: Außer den Wintergärten wird hier alles von Geistern bewacht. Meinst du wirklich, dass sie es hier oben hat? Mir spukt immer noch dieses Keller im Kopf herum.“ „Gerade deshalb würde ich es hier verstecken“, erklärte Sam. „Gut, dann nehmen wir erstmal alle, die das erste Kriterium erfüllen.“ Gemeinsam betraten sie das Haus und gingen in die Küche. Jede in Frage kommende Fliese und Paneele wurden gesucht und unter die Lupe genommen und auf jeder versuchten sie es mit dem Morsecode EWN, denn genau das hatten die Striche und Punkte auf der Wand ergeben und genau deshalb waren sich die Brüder sicher, dass es eben nicht nur Punkte und Striche waren. Doch sie fanden - Nichts. Frustriert fuhr sich Sam durch die Haare und Dean rieb sich den Nacken. „Zählen wir durch oder ...“ „Ich will erst in den Keller“, erklärte Dean energisch. Jetzt wollte er seine Theorie prüfen. Dann konnten sie sich immer noch eine andere Strategie überlegen. Kapitel 83: The Riddle ---------------------- 083) The Riddle Sie betraten den großen Kellerraum unter der Eingangshalle. Während Sam sich die Wandverkleidung vornahm, zählte Dean 15 Reihen von der Tür aus. Auf dieser Reihe ging er zur Wand unter dem Eingang und zählte 37 Fließen. Einfach nur um zu testen, klopfte er zweimal mit dem Fuß auf die Fliese. Nichts. Es klang nicht anders als bei allen anderen Fliesen zuvor. Er holte tief Luft und trat mit dem Fuß den Morsecode auf die Fliese. Ein leises Klacken war zu hören. Sofort drehte sich Dean in die Richtung, konnte aber nicht wirklich etwas erkennen. Er holte den Impalaschlüssel aus der Hosentasche und legte ihn auf die Fliese. Langsam näherte er sich der Wand, von der das Geräusch gekommen sein musste. Sam, der ebenfalls sofort aufgehorcht hatte und in diese Richtung schaute, folgte seinem Bruder. Gemeinsam leuchteten sie mit ihren Taschenlampen erst die Ränder der Wand ab, dann begannen sie sie Stein für Stein zu untersuchen. „Sam!“ Dean schob seine Taschenlampe zwischen seine Zähne. Seine Finger drückten einen Stein ein Stück zur Seite. Sam leuchtete seinem Bruder. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Wenn das Ding jetzt wieder zuschnappte, würde es ihm die Finger abquetschen. Ob er vielleicht besser zu der Fliese ging, um sofort den Morsecode eingeben zu können? Deans Finger fanden einen Griff. Seine Muskeln spannten sich und dann zog er an der Wand. Langsam schwang sie auf. Kaum hatte er genug Platz, quetschte er sich durch den Spalt und schob die Tür weit auf. Der Mechanismus sollte mal geölt werden, wenn sie öfter hier rein wollten, überlegte er. Dann leuchtete er in den Raum, den er geöffnet hatte. An allen Wände waren Regalen in denen hin und wieder eine Flasche lag. „Ein Weinkeller?“, fragte er ungläubig und leuchtete die einzelnen Regale ab. Sam trat zu ihm. Sollte sich die Tür schließen wollen, konnten sie sich immer noch mit einem schnellen Sprung in Sicherheit bringen. Auch er leuchtete die einzelnen Regalfächer ab. Gleich neben der Tür, ganz oben lagen mehrere Hefte und darunter mehrere Bücher. Er nahm sie herunter und pustete den Staub weg. Demonstrativ wedelte Dean mit der Hand vor seinem Gesicht herum und hustete. Sam trat in das Licht des großen Kellers und begann sich diese Hefte genauer anzusehen. Schnell fand er einige Zauber und begann zu lesen. Dean interessierte sich mehr für die Flaschen. Er nahm die eine oder andere heraus, wischte über das Etikett und legte sie wieder zurück. Nichts was darauf stand sagte ihm viel. Wieder wollte er eine Flasche nehmen. Er umfasste den Hals und kippte sie leicht nach oben, als erneut ein leises Klicken zu hören war. Sofort hastete er aus dem Raum und stellte sich zu Sam. Doch nichts passierte. Als sich die Wand nach 5 Minuten immer noch nicht geschlossen hatte, betrat er den Weinkeller wieder und begann die Regale genauer zu untersuchen. Sam beobachtete ihn mit Argusaugen. ‚War zwischen den beiden Regalen gegenüber des Einganges überhaupt ein Spalt gewesen?‘ Dean zog an einem Regal. Fast lautlos glitten sie auseinander. Der Geruch, der ihm entgegenschlug, ließ ihn sich angeekelt wegdrehen. Es stank nicht wirklich schlimm, aber er hatte ihn zu oft gerochen, um nicht zu wissen, was er gleich sehen würde. Er hielt sich den Arm vor die Nase, atmete tief ein und leuchtete mit der Taschenlampe in den Raum. Vier Leichen lagen nebeneinander auf dem Boden. „Wieso habe ich es geahnt?“, fragte er und schaute zu Sam, der langsam näherkam. „Was machen wir jetzt?“, wollte Dean wissen. „Sofort verbrennen oder willst du erst sehen, ob die Geister noch anderweitig gebunden sind?“ „Mir wäre es lieber, wenn wir erst ihre Hefte durchgehen“, erwiderte Sam. „Dann sofort. Ich will die so schnell wie möglich hier raus haben!“ „Gut. Machen wir die Kammer erstmal wieder zu und dann holst du den Impala runter. Ich gehe die Hefte durch. So viel ist es nicht.“ Dean nickte und verschwand nach oben. Nachdem er den Impala in die Garage gestellt hatte, setzte sich Sam mit den Büchern zu ihm und gemeinsam gingen sie die Einträge durch. Zwei Stunden später hatte Sam die Lösung gefunden. „Sollte es so einfach sein?“, fragte er zweifelnd und hielt Dean die Seite hin. Der las es sich durch, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Der Spruch sollte den Geist für ein paar Minuten bewegungsunfähig machen. Ging das überhaupt? „Wer nicht wagt ...“, erklärte er und stieg aus. Sie stiegen die Treppe nach oben und gingen in die Bibliothek. „Soll ich es einfach mit allen Namen versuchen oder probieren wir jeden einzeln durch?“, fragte Sam. „Versuchen wir es lieber mit jedem einzeln. Auf die paar Minuten mehr kommt es nun auch nicht mehr an“, überlegte Dean und Sam nickte. Er las den Spruch mit dem ersten männlichen Namen der Liste. Dean hob den Hammer und schlug vorsichtig zu. Der Hammer prallte ab, ohne einen Schaden hinterlassen zu haben. Sam versuchte den zweiten Namen. Wieder schlug Dean zu und dieses Mal lösten sich einige Bröckchen Putz. Hastig vergrößerte er die Stelle und holte den Hexenbeutel aus der Wand. Auf dem Weg zum Esszimmer ließ er ihn in die Schale fallen. Auch im Esszimmer und danach in der Küche musste Sam den Spruch zweimal lesen, bevor Dean den Hexenbeutel entfernen konnte. Das letzte große Zimmer ging dann logischerweise schnell. Dean warf auch den letzten Hexenbeutel in die Schale. „Und was machen wir damit?“ „Darum kümmere ich mich gleich“, erwiderte Sam. „Was machen wir mit den Leichen?“ „Salzen und verbrennen!“ Dean grinste. „Aber nicht hier auf dem Grundstück.“ Über Sams Gesicht huschte ebenfalls ein Lächeln, während er nickte. „Willst du das heute noch machen?“ „Draußen ist es inzwischen dunkel. Ich habe frei und du hast morgen nach der Uni auch nichts.“ Er zuckte mit den Schultern. „Je eher wir die los sind, umso besser. Ich will hier endlich anfangen können, ohne befürchten zu müssen, dass mich das Werkzeug attackiert.“ „Gut. Ich kümmere mich um die Hexenbeutel, dann schaffen wir die Leichen in den Impala und verbrennen sie irgendwo im Wald“, fragend schaute Sam zu seinem Bruder. Der nickte nur. Während Sam die Formel aufsagte und Myrre, Wermut und Beifuß in die Schüssel gab und das Ganze zum Schluss mit einem Streichholz anzündete, nahm sich Dean den Hammer, ging in die Küche und schlug wahllos auf mehrere Fliesen ein. Zufrieden sah er, wie jede einzelne unter dem Schlag zersprang. Er drosch den Hammer noch an einer Stelle neben der Tür so heftig gegen die Wand, dass der Putz flog. „Endlich!“ Er stellte den Hammer weg und holte die Planen und Decken, die er schon besorgt hatte aus dem Kofferraum. Er ging in den Keller und öffnete die Geheimtüren. Als er Sam die Treppe herunterkommen hörte, zerrte er die erste Leiche auf eine Plane und trug sie, gemeinsam mit Sam, zum Impala. Schnell waren die vier Leichen eingeladen und die Geheimtüren wieder verschlossen. Dean fuhr den Impala aus der Garage und Sam schloss die Haustür ab. Dann lenkte Dean den Wagen Richtung Westen. „Irgendwie fühlt es sich an wie früher“, begann Sam nach einer ganzen Weile. Er schaute zu seinem Bruder. Im Radio lief leise Musik. „Irgendwie und irgendwie ist es ganz anders“, nickte der. Er warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße blickte. „Und was ist anders?“ „Früher hätte ich mir nicht vorstellen können sesshaft zu werden. Heute“, er zuckte mit den Schulter, „kann ich mir fast nicht mehr vorstellen nochmal so ein unstetes Leben zu führen. Seit ich auf der 17 bin ist unser altes Leben plötzlich überhaupt keine Option mehr und manchmal frage ich mich, warum wir nicht schon früher ausgestiegen sind.“ Sam musterte seinen Bruder kurz. „Es ist ja nicht so, als hätten wir es nicht versucht. Dieser Zigeuner-Werwolf hat sich uns regelrecht aufgedrängt und als du wieder du warst ... Ich wüsste nicht, wie wir etwas hätten ändern können. Klar wäre dir dann wohl diese furchtbare Wache erspart geblieben und ich hätte uns gewünscht, dass wir weder dein Leben als Wolf noch deine Amnesie je erlebt hätten, aber es ist nun mal nicht zu ändern. Letztendlich ist entweder der Dämon an allem schuld,oder John. Beide sind tot und die Vergangenheit können wir nicht ändern.“ „Ich weiß nicht“, überlegte Dean. „Wenn ich dich nicht aus...“ „Nein! Wenn du mich in Stanford gelassen hättest, wäre ich entweder tot oder ... tot. Entweder wäre ich mit Jess gestorben oder ich hätte dich gesucht, oder John und alles wäre gekommen wie es kam, oder ich wäre dem Alkohol verfallen und so wieder jagen gegangen. Nein. Letztendlich läuft es alles darauf hinaus, dass das jetzt die beste Alternative ist und wir einfach diese Chance nutzen müssen.“ „Hast du nie Angst, dass sich das alles als Traum herausstellt? Dass sich plötzlich ein großes schwarzes Loch auftut und alles um uns verschlingt und wir quasi nackt und hilflos zurückbleiben?“ „Immer wieder“, entgegnete Sam und schaute zu seinem Bruder. „Aber wenn es so wäre, was könnten wir dann ändern? Willst du, nur weil etwas passieren könnte, das was sich uns hier bietet nicht genießen?“ Sam zuckte mit den Schultern. „Das wäre das Einzige, was wir uns dann vorwerfen könnten. Es nicht genossen zu haben.“ „Seit wann bist du so abgeklärt?“, wollte Dean verwundert wissen. Sein kleiner Bruder schien sich darüber schon länger Gedanken gemacht zu haben. „Jetzt sag nicht, dass du nicht auch immer wieder darüber nachdenkst.“ „Und wie. In letzter Zeit frage ich mich immer öfter, ob ich unwissentlich einem Dschinn in die Fänge gegangen bin. Es ist so surreal. Das Alles hier ist so surreal.“ Sam musterte seinen Bruder im Schein der Armaturenbeleuchtung. Der Dschinn! Der war schon lange wieder aus seiner Erinnerung verschwunden. Aber er hatte ja auch nicht erleben dürfen?, müssen?, wie das Leben mit ihrer Mom hätte sein können. Mom! „Es ist mit Sicherheit kein Dschinn“, antwortete er ruhig. „Und woher willst du das wissen?“ Interessiert schaute Dean zu seinem Bruder. „Mom!“, entgegnete Sam. „Wenn es ein Dschinn wäre, wäre Mom da.“ „So hin und wieder ist sie für mich da.“ „Ja, für dich.“ Sam seufzte und versuchte den Schmerz zu verdrängen, den dieser Satz in seinem Inneren auslöste. Warum zeigte sie sich nur ihm? Warum durfte er sie nicht sehen? War er nicht wichtig? Aber damals, als er in Rocky Ford in Deans Träumen war und Dean von seinem Zufluchtsort nach dem Höllenhundangriff geträumt hat, als er noch dachte, er wäre gestorben und müsste in die Hölle, da hatte Mom ihm gesagt, dass er ihn grüßen sollte. Vielleicht durfte sie sich ihm ja nicht zeigen, weil er sie nicht wirklich gekannt hatte? Er wollte es glauben. „Es tut mir leid, Sammy.“ „Du kannst ja nichts dafür!“, er seufzte. „Ich will einfach glauben, dass sie sich mir nicht zeigen darf. Warum auch immer.“ „Ich sehe sie immer nur, wenn es mir so richtig dreckig geht und … keine Ahnung. Vielleicht bilde ich sie mir ja auch nur ein.“ „Zumindest als du die Lungenentzündung hattest, war sie da. Da haben Bobby und ich sie gehört.“ „Es ...“ Dean brach ab. Diese Phase wollte er nicht schon wieder aussprechen, obwohl es so war. „Hast du eigentlich schon bei Mom immer beim Kochen geholfen oder kam das erst später bei Bobby?“, lenkte Sam das Gespräch in eine andere Richtung. Dean musste überlegen. „Ich habe manchmal gekostet und ich erinnere mich an ein oder zweimal, als ich auf der Arbeitsplatte saß“, wieder schaute er zu Sam. „Ganz genau weiß ich allerdings, dass sie gern gebacken hat und ich immer die Teigschüssel auslecken durfte.“ Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Ich weiß noch, einmal, ich hatte die Schüssel fest an meinen Bauch gedrückt und den Finger gerade im Mund, da meinte sie, dass ich mir das bald mit dir teilen müsste. Und ich habe ihr gesagt, dass sie dann einfach mehr Teig machen muss, damit es für uns beide reicht. Sie hat nur gelacht.“ Sam lächelte und schwieg. Dazu war es nie gekommen, das wussten sie beide. Aber die Erinnerung war zu schön als das er sie durch so eine Aussage zerstören wollte. „Ich kann ja jetzt bei dir die Teigschüssel auslecken.“ „Wenn ich dir was übriglasse?“ „Wenn nicht, muss ich eben den ganzen Kuchen essen“, provozierte Sam. „DAS will ich sehen“, entgegnete Dean und nahm sich vor Sam nichts vom leckeren Teig abzugeben. Die nächsten Kuchen würden auf jeden Fall ein ganzes Blech füllen! Sam verdrehte schnaufend die Augen. Da hatte er sich ja was eingebrockt. Aber da musste er wohl durch, oder er würde nie eine Teigschüssel auslecken dürfen. Bei Jody hatte das immer geschmeckt und es war wie ein kleiner Moment Kindheit. Kapitel 84: Weil Du heut Geburtstag hast ---------------------------------------- 084) Weil Du heut Geburtstag hast Dean setzte den Blinker und bog in einen Wald ab. Der Weg war gut ausgefahren, so dass es wohl nicht auffallen würde, dass hier heute Nacht jemand gewesen war. Er fuhr noch ein ganzes Stück in den Wald hinein, bevor er anhielt. „Nehmen wir sie gleich mit oder bauen wir erst einen Scheiterhaufen?“, fragte Sam, bevor er ausstieg. „Wir nehmen sie mit. So viel Holz brauchen wir sicher nicht, so trocken wie die sind. Außerdem will ich sie aus meinem Wagen haben.“ Sie hoben die Plane mit den vier Mumien aus dem Kofferraum und schleppten sie in den Wald. Schnell war eine Unterlage aus Holz ausgelegt. Sie legten die Leichen darauf und schichteten noch eine Lage Holz darüber. Dann kippte Dean Benzin darauf und Sam warf das brennende Streichholzbriefchen hinterher. Fauchend erwachte das Feuer. Die letzte Flamme war noch nicht ganz erloschen, als sie auch schon begannen erst Erde und dann Laub auf den Überresten zu verteilen. „Erledigt“, erklärte Dean zufrieden, schulterte die Schaufel und ging zu seinem Baby zurück. „Jetzt braucht sie nur noch einen Tag Wellness und dann erinnert nichts mehr an die Leichen im Kofferraum!“ Sanft strich Dean über das Lenkrad. Sam verbiss sich einen bissigen Kommentar. Er war zu müde für das dann unweigerlich folgende Geplänkel. Er lehnte seine Schulter gegen das Fenster und war gleich darauf eingeschlafen. Dean kutschierte sie sicher zurück zu ihrer kleinen Wohnung. Auf dem Parkplatz vor ihrem Wohnblock stellte er den Motor aus und streckte sich. Sam blinzelte ihn träge an, nicht gewillt wirklich wach zu werden. „Na komm, du kannst dich gleich richtig hinlegen“, erklärte Dean, stieg aus und ging um den Wagen herum. Vorsichtig öffnete die Beifahrertür, immer bereit Sam zu stützen, sollte der ihm entgegen kippen, doch der Jüngere war schon wach genug und hievte sich leise grummelnd aus seinem Sitz. Er schlurfte die Treppen nach oben, ging in sein Zimmer und schälte sich aus seiner Kleidung. Schnell kroch er unter die Decke. Lächelnd hatte Dean das Schauspiel verfolgt. Er sammelte Sams Kleidung auf und legte sie, ordentlich zusammengefaltet, auf den Stuhl. Er zog die Decke noch etwas höher über Sams Schulter. Er strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Schlaf schön, Sammy“ wünschte er ihm, nahm sich sein Handy und verließ den Raum. Schnell schrieb er sich die Telefonnummern von den Freunden Sams auf, die er noch nicht hatte. Frisch geduscht schaute er noch einmal nach seinem Bruder und legte das Handy auf den Nachttisch. Zufrieden mit sich und der Welt ging er jetzt ebenfalls ins Bett. Im Einschlafen überlegte er sich, was er am nächsten Tag alles tun wollte. Ausgeruht stand er auf, zog sich an und ging in die Küche, um sich Frühstück zu machen. Danach fuhr er zu Bransons, um einen Container, oder zwei, zu bestellen und die ersten Arbeiten mit Karan durchzusprechen, damit es ab Montag endlich losgehen konnte. Er besorgte einen Grill und eine größere Kühlbox und telefonierte mit Sams Freunden und Kollegen und erklärte ihnen sein Vorhaben. Als Sam von der Uni kam, brütete Dean über ihrem Terminplan. Durch die Wohnung zog ein herrlicher Geruch nach Essen. „Was machst Du?“ Dean schaute auf. „Ich dachte, dass ich nächste Woche endlich mit dem Haus anfangen kann, jetzt wo wir die Geister los sind.“ Er schaute auf. „Ich versuche alles unter einen Hut zu bekommen. Ist nicht ganz einfach, aber es sollte funktionieren. Wenn du deine Nachmittage zwischen Prof. Davenport, Tylor und Mity und deinem Job im Supermarkt aufteilst und ich, je nach Schicht, zwei Vor- oder Nachmittage in der Schule verbringe, zwei weitere zu Stan gehe und zwei Tage im Haus arbeite, bleibt uns ein Tag, um auszuspannen.“ Dean schaute zu Sam auf. „Was denkst du?“ „Ich frage mich, wann du lernen willst?“ „Das kann ich während meiner Schicht machen, wenn nichts los ist. Tue ich ja jetzt schon und sonst muss ich einen Tag Haus streichen und dafür hier lernen.“ „Dann müssen wir das Ganze nur an deinen Schichtplan anpassen“, nickte Sam. „Und du willst wirklich nicht, dass ich dir im Haus helfe?“ „Wollen? Gerne! Aber ich kann dir nichts zahlen und im Moment leben wir von dem, was du im Supermarkt verdienst. Mein Gehalt geht für die Uni und den Lehrgang drauf und den Rest finanziert Bobby mit unserem Gewinn. Mir wäre es schon lieb, wenn der Betrag nicht noch größer werden würde.“ Sam holte Luft. Doch, bevor er etwas sagen konnte, würgte Dean ihn mit einer Handbewegung ab. „Ich will Bobby immer noch nicht fragen, ob er unser Polster noch weiter angreift. Auch wenn für den Hausumbau gesorgt ist. Keiner weiß, wozu wir das noch brauchen. Solange es so geht, würde ich es gerne so belassen wie es ist“, er zuckte mit den Schultern. „Bitte Sam!“ „Ich verstehe dich ja, auch wenn ich es nicht verstehe. Aber gut. Keiner weiß, was noch kommt. Machen wir es erstmal so. Sollte es dir aber zu viel werden, versprich mir bitte, dass du mir Bescheid sagst und wir planen neu!“ Dean nickte. Er übertrug seine Hieroglyphen in ihren Kalender. Gerade als er den wieder an den Kühlschrank hängte, klingelte der Ofen. Er nahm den Chicken-Pot-Pie heraus und stellte ihn auf den Tisch. „Lass uns essen.“ „Wie sieht´s aus Sammy? Brauchst du noch lange?“, rief Dean durch die geschlossene Badezimmertür. „Was ist denn? Wir haben doch noch jede Menge Zeit“, fragte der und öffnete die Tür. Letztendlich hatte er sich für Minigolf entschieden. Sie wollten sich in der kleinen Bäckerei treffen und nach dem Essen zum Minigolf fahren. Ausklingen sollte der Abend dann in einem Pub. Es war nicht unbedingt das, was er sich für seinen Geburtstag vorgestellt hatte, aber mehr als überhaupt in seinem Leben. Seine Geburtstage waren ja schon besonders, wenn John dagewesen und mit ihnen in einem Diner essen gegangen war. „Karan hat angerufen. Er war im Haus. Nächste Woche will er sich um das Dach kümmern.“ Dean schüttelte genervt den Kopf. „Ist ja auch egal. Er meinte, irgendwo im Keller würde Wasser laufen! Wir sollen uns mit ihm treffen, um das wenigstens zu besprechen.“ „Wasser? Aber wir waren doch erst vor ein paar Tagen da und da lief nichts!“ „Keine Ahnung. Vielleicht haben wir unwissentlich eine Leitung zerstört.“ Dean kaute auf seiner Unterlippe. „Ich würde es mir gerne anschauen, bevor wir feiern fahren. Ich meine, du musst nicht mitkommen ...“ „Nein, ist okay. Ich bin ja fast fertig“, erwiderte Sam und verschwand nochmal im Bad. Zwanzig Minuten später bog Dean in ihre Einfahrt ein. Links und rechts davon flatterten rot-weiße Bänder an den Bäumen. Diese Orientierungshilfe würden sie wohl noch eine Weile brauchen, überlegte Dean. Er fuhr zum Haus hoch und parkte vor dem Eingang. Gemeinsam stiegen sie aus und gemeinsam schlugen sie die Türen des Impala zu. Sam war mit seinen langen Beinen einen Schritt schneller an der Tür. Er schob sie auf und … „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, scholl es ihm aus mehreren Kehlen entgegen. Völlig perplex starrte Sam mit großen Augen auf seine Gäste. „Wie seid ihr denn hierhergekommen und was macht ihr hier?“, fragte er etwas dümmlich. „Party“, lachte Dean. Er freute sich diebisch, dass seine Überraschung geglückt war. Nacheinander gratulierten alle Sam, der sich noch immer nicht von seinem Schock erholt hatte. „Aber wir ...“ „Minigolf ist langweilig. Das können wir machen, wenn du ein alter Mann bist. Hier und jetzt haben wir etwas viel besseres.“ Fragend musterte Sam seinen Bruder. „Aber was wollen wir denn hier machen, hier ist doch nichts!“ „Eben! Und wenn wir fertig sind, ist hier noch weniger, und ich habe mir Arbeit erspart.“ Erst jetzt fiel Sam auf, dass alle nicht gerade die besten Kleidungsstücke trugen und der Groschen fiel. „Abrissparty“, nickte Dean. „Deine alten Klamotten liegen im Kofferraum, genau wie meine. Bleibt nur die Frage: Erst essen oder erst arbeiten?“ „Mit leerem Bauch arbeitet es sich schlecht“, erklärte Tarek und Chris und Felicia nickten zustimmend. Mity stand etwas abseits neben Omar. „Dann folgt mir“, bat Dean und ging nach oben. Er führte die Gruppe in das, was mal sein Wohnzimmer werden sollte. Hier gab es auch einen kleinen Balkon, auf dem er den Grill ausgebaut hatte. Sam staunte nicht schlecht. „Du hast dich ja richtig ins Zeug gelegt“, stellte er leise fest. „Für meinen kleinen Bruder tue ich doch fast alles.“ Sam nickte nur. Darüber wollte er nicht näher nachdenken. Dean holte einige Thermoskannen und Kühltaschen hervor, aus denen er Bleche mit Muffins und Cupcakes und eine Geburtstagstorte für Sam holte. „Bier, Wasser, Cola stehen unten im Keller. Mit einem Kühlschrank können wir leider noch nicht dienen.“ Nach dem Essen zogen sich die Brüder um. Dean verteilte Hämmer, Äxte und Brechstangen und stellte Schuttkübel und Schaufeln bereit. Danach erklärte er ihnen, dass überall wo ein rotes X prangte, Fliesen, Vertäfelungen und Bodenbeläge runter könnten. „Dann mal gut Schlag“, gab Dean den Abriss frei. „Das wollte ich immer schon mal machen“, erklärte Mac begeistert und ließ seinen Vorschlaghammer gegen die Fliesen in der Küche krachen. „Tu dir keinen Zwang an“, erklärte Sam und ging mit Felicia in die Bibliothek. Tarek und Omar ließen sich in der zukünftigen Wellnessoase aus und Dean ging mit Pat und Mity ins Esszimmer. Drei Stunden später gab es in den Räumen keine heile Fliese mehr. Die Paneele waren von den Wänden gerissen und auf den Fußböden klebten nur noch Reste des ehemaligen Belags. Chris ging nach oben, um ihnen eine neue Runde Getränke zu holen, die sie alle bitter nötig hatten. Er warf einen Blick in den angrenzenden Raum. „Mac“, brüllte er nach unten. „Was?“ wollte der weniger enthusiastisch wissen. „Komm mal hoch!“ Leise murrend lief der nach oben, wo ihm Chris mit leuchtenden Augen, eine alte, löchrige Badewanne zeigte. Sofort strahlte auch Mac breit. „Lass uns die mitnehmen!“, forderte Chris. „Und wenn Dean die behalten will?“ „Das löchrige Ding?“, wunderte sich Chris, zuckte mit den Schultern und ging zur Treppe. „Dean? Was ist mit dem Zeug, was noch hier oben in den Räumen ist. Willst du was behalten?“ Dean verdrehte die Augen. Er hatte Sams Kollegen nur gesagt, dass das Haus einem Bekannten gehörte und sie sich hier mal so richtig auslassen durften. Die Entscheidung ihnen zu erzählen, dass das Haus hier ihnen gehörte, wollte er Sam überlassen. „Nein, kann alles raus.“ Sofort liefen Mac und Chris zurück in das Bad, holten die Wanne und stellten sie vor die Treppe. „Achtung da unten“, brüllen Chris und gab dem Teil einen Stoß. Laut polternd rutschte sie nach unter, wo sie von ihrem Schwung getragen bis zur Eingangstür schlidderte und dort gegen die Wand donnerte. „Jah“, freute sich Chris. „Das sollten wir nochmal machen!“ „Du willst die wieder hoch schleppen?“ Mac musterte den Freund, als wäre der nicht mehr ganz dicht. „Nein, aber hier gibt es bestimmt noch eine?“ „Du kannst auch runter kommen die Wanne mit Schutt füllen und rausbringen“, erklärte Sam grinsend, während er mit einem leeren Kübel in die Bibliothek ging. „Könnte ich“, nickte Chris. Aber vorher wollte er schauen, ob es nicht doch noch eine Wanne gab. Er schlug Mac gegen den Arm. „Komm mit“, forderte er. Gemeinsam durchsuchten sie das obere Stockwerk und fanden noch zwei Wannen, die sie mit viel Spaß und lauten Poltern nach unten rutschen ließen. „Du kannst gerne oben weiter ausräumen“, meinte Dean grinsend. „Wolltest du nicht Getränke holen?“, fragte Tarek. „Ich geh ja schon!“, erklärte Chris und verschwand nur, um gleich darauf mit zwei Sixpacks Bier aus dem Keller zu kommen. Er verteilte sie. „Das tat gut“, sagte Omar und warf die Flasche in eine Wanne. Tarek warf seine Flasche hinterher und gemeinsam nahmen sie eine der Wannen mit in die Küche. „Du kannst gerne wiederkommen und oben weiter ausräumen, wenn dir das so viel Spaß macht“, lachte Dean, warf seine Flasche in eine Wanne und ging ins Esszimmer. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Dean trug einem Teller voller Steaks ins Zimmer und stellte den auf den Tisch. Er schaute zu dem faulen Haufen, der satt, müde, zufrieden und ausgelaugt auf den beiden Sofas lümmelte, die er am Vortag hier zusammengestellt hatte. Zufrieden, nahm er sich noch ein Steak, holte sich Beilagen und begann in aller Ruhe zu Essen. „Dass du das noch runter kriegst“, wunderte sich Felicia. „Dean ist ein Vielfraß“, entgegnete Sam. „Aber selbst der sollte mal satt sein“, überlegte Mac. Er nahm sich ein neues Bier. Nach ein paar Schluck stellte er die Flasche auf seinen Bauch, streckte die Beine aus und lehnte sich gegen die Lehne der alten zerschlissenen Couch. Mity gähnte leise. „Oh Gott, das tut mir leid“, nuschelte sie, als sie Sams Blick auf sich gerichtet fühlte. „Ich bin sonst eigentlich nicht so eine Spaßbremse, aber ich bin hundemüde und fix und alle. Das hier“, sie deutete nach unten, „hat tierisch Spaß gemacht. Ich bin es nur nicht gewohnt.“ „Du musst dich nicht entschuldigen“, beruhigte Sam sie. „Außer unseren Feuerwehrmännern sind, glaube ich, alle rechtschaffen fertig.“ „Wenn ihr fahren wollt, sagt Bescheid“, bat Dean und schob sich den letzten Bissen in den Mund. Er hatte kaum Alkohol getrunken und allen schon bei der Einladung angeboten sie nach Hause und am nächsten Tag wieder her zu bringen, damit sie ihren Wagen holen konnten. „Du kannst in Ruhe aufessen, aber dann würde ich das Angebot gerne annehmen“, erwiderte Felicia. Nacheinander nickten alle. Tarek lotste Dean die letzten Meter zu seiner Wohnung. „Hier kannst du mich rauslassen.“ „Ruf an, wenn ich dich morgen zu deinem Auto bringen soll“, sagte Dean, während er den Wagen anhielt. „Mache ich, und Danke. Das war eine tolle Idee. Mal was ganz anderes als nur essen und trinken.“ „Gern geschehen und bis morgen“, verabschiedete sich der Winchester. Er wartete noch bis Tarek im Haus verschwunden war dann fuhr er zurück zu ihrem Anwesen. Müde, satt und mit sich vollkommen zufrieden ließ sich Dean in sein Bett fallen. Er hatte Chris, Mac und Mity ebenfalls nach Hause gefahren und die beiden Männer hatten ihnen versprochen, dass sie auch weiterhin zur Verfügung stehen würden, sollten sie sie im Haus brauchen. Natürlich hatten die Winchester dieses Angebot angenommen. Kapitel 85: Step by Step ------------------------ 085) Step by Step Sam stemmte die Hände in die Hüften und drückte den Rücken durch. Sein Blick wanderte zu dem vollen Container. Sie hatten die Spuren der Vernichtung seiner Abriss-Geburtstagsparty beseitigt und die letzten Möbel entsorgt. Es war ganz schön was zusammengekommen. „Hätte nie gedacht, dass doch noch so viele… naja, Möbel, kann man das ja eigentlich nicht nennen, im Haus waren“, sagte er müde und rieb sich über das Gesicht. „Immerhin haben wir alles in den kleinen Container gekriegt“, grinste Dean, nicht weniger fertig. „Na mir hat es gereicht“, grummelte Sam gutmütig. „Mir auch“, bestätigte der Ältere. „Wann willst du anfangen abzureißen?“, wollte Sam nun wissen. Er hatte heute, während ihres verspäteten Frühstücks, noch einmal mit Dean diskutiert, um ihm von dem Gedanken abzubringen schon jetzt mit dem Umbau des Hauses zu beginnen. Er hatte den Kürzeren gezogen. Natürlich. Wenn Dean sich etwas in den Kopf setzte, konnte er sehr stur sein und sein Bruder wollte so schnell wie möglich anfangen, um hier einziehen zu können und irgendwie konnte er ihn ja verstehen. Trotzdem war er der Meinung, dass sich sein Bruder damit fertig machen würde. Dean hörte den leisen Vorwurf in der Frage nur zu gut und schluckte seinen Kommentar herunter. Er wollte sich nicht wieder streiten. Bei dem Thema würden sie auf keinen Nenner kommen. Sam war um seine Gesundheit besorgt, wenn er sein Programm so durchzog wie er es sich vorgenommen hatte, und dafür war er ihm im Grunde ja dankbar. Sammy war der kleine Engel auf seiner Schulter, wenn sein Teufelchen mit ihm durchging. „Diese Woche nicht mehr“, erwiderte er auf die Frage. Sam schnaubte. „Heute ist Sonntag!“ Dean grinste und nickte. „Eben.“ Gerade jetzt hatte er so gar keine Meinung zu irgendwas. Das würde sich aber spätestens in ein paar Stunden geändert haben, wenn er ausgeruht war, und dann würde er wieder darauf brennen hier anfangen zu können. Jetzt, wo er sich mit dem Gedanken angefreundet hatte Herr dieses Hauses zu sein, wollte er auch so schnell wie möglich einziehen. „Ich habe letztens mit Dave gesprochen, ob er nochmal herkommt, um mit mir die Leitungswege anzuzeichnen, aber er meinte, es wäre sinnvoller den kompletten Putz abzuschlagen. Er hat etliche Stellen gefunden, die lose klangen.“ Dean verdrehte die Augen. „Normales Ständerwerk wäre einfacher.“ Er zuckte mit den Schulter. „Man kann halt nicht alles haben.“ Schnell schlug er sich die Hand vor den Mund, bevor ihm das Gähnen den Kiefer ausrenkte. „Morgen rufe ich den Bauunternehmer an, damit er den Container holt, einen neuen bringt und dass er mit dem Dach anfangen kann.“ Wieder musste er gähnen. „Lass und zusehen, dass wir dich ins Bett bekommen“, schlug Sam grinsend vor und verließ das Haus, um sein eigenes Gähnen zu verstecken. Noch immer gähnend folgte Dean seinem Bruder, drückte ihm den Impalaschlüssel in die Hand und scheuchte ihn zur Fahrerseite. Er ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und war eingeschlafen, bevor Sam mit dem Kopf schütteln und den Wagen starten konnte. In ihrer Wohnung schafften es Beide gerade noch zu duschen, bevor sie ins Bett fielen. Am nächsten Tag telefonierte Dean mit Karan, dass der den Container abholen, einen neuen liefern und mit dem Dach anfangen könnte, was der auch prompt zusagte. Den nächsten freien Tag verbrachte Dean dann damit, die ersten Wände im Dachgeschoss zu entfernen, so wie Dave es ihm vorgeschlagen hatte. Hier sollte nur die Wände gemauert werden, die sie brauchten, um das Dach zu stützen und die beiden Haushälften zu unterteilen. Den Rest konnte sie machen, wenn sie ihn brauchten. Es war nur Gipskarton an Ständerwerk, was er rausreißen musste und doch staubte es, als würde er in einem Sandsturm stehen. Schnell ließ er den Hammer wieder sinken und stürmte zum Fenster. Er zerrte sich die Staubschutzmaske herunter und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, auch wenn das das Ganze wohl eher noch schlimmer machte. Hustend beugte er sich aus dem Fenster und hoffte, dass er bald wieder genügend Luft bekam. Er öffnete alle Fenster und Türen, bevor er den größten Teil des Schutts zusammenkehrte und alles in die Rutsche schaufelte. Er konnte selbst hier oben hören, wie es in den Container polterte. Als er Schluss machte, telefonierte er mit dem Bauunternehmen und fragte, wann der mit dem Dach anfangen wollte und bestellte einen Minibagger. Bevor sie überhaupt an Einziehen denken konnten, mussten erst die Wasser- und Abwasserrohre und die Stromkabel bis zur Straße neu verlegt werden. Die Stadt hatte den Anschluss schon vor Jahren gekappt. Den brauchten sie also eh, da konnten sie auch gleich die Leitungen erneuern. Das Wochenende verbrachten die Brüder in ihrer Wohnung. Es goss wie aus Eimern, außerdem hatte Dean ab Samstag an Nachtschicht. So machten sie es sich vor dem Fernseher gemütlich, in dem irgendeine Wiederholung eines Spiels lief. Dean las den Grafen von Monte Christo und Sam hatte sich die Liste der Pächter vorgenommen, die sie von O`Flannagáin bekommen hatten. Die schlummerten seit dem Tag im Regal und er wollte wenigstens wissen, von wem sie Geld bekamen. Es waren alles Farmen, wie er herausfand. Vier Konventionelle und drei Biofarmen. Die würde er sich gerne mal anschauen. Wenn sie mit dem Haus fertig waren! Kurz informierte er Dean, als sie gemeinsam kochten. „Du willst morgen wirklich im Haus weitermachen?“, fragte Sam, während sie aßen und die Sorge war ihm anzuhören. „Ja, will ich. Je schneller ich alles abreiße, umso schneller kann ich wieder aufbauen. Ich hab Licht zum Arbeiten, es ist warm und du bist eh in der Uni. Ich will einfach so schnell wie möglich umziehen. Wir können jeden gesparten Dollar gut brauchen. Ich habe zwar nur noch ein paar Wochen bis das Jahr als Anwärter offiziell um ist. Aber ich habe keine Ahnung, ob dann wirklich eine richtige Stelle auf mich wartet, ob ich wirklich Feuerwehrmann werde oder weiter als Anwärter rumlaufe. Auch wenn der Chief mir geraten hat, mich für den Lehrgang zum Lieutenant anzumelden.“ Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, was er mit mir vorhat.“ „Hast du Zweifel?“ „Wahrscheinlich habe ich gerade an allem Zweifel“, begann Dean und schüttelte den Kopf. „Nimm mich einfach nicht ernst.“ „Was ist los?“, wollte Sam nun erst recht wissen. „Nichts“, erwiderte Dean und verdrehte die Augen, weil Sam ihn nun natürlich noch genauer musterte. „Nichts Reales. Ich zweifle nur hin und wieder an mir, am Leben und an dem was gerade mit uns passiert. Überlege doch mal. Es ist noch nicht lange her, da sind wir noch von Fall zu Fall gehetzt, haben in billigen Motels geschlafen und standen immer mit einem Beim im Knast, oder Schlimmeres. Klar, wir haben vom Ausstieg geträumt, aber wirklich vorstellen konnte ich es mir nicht. Jetzt studierst du, ich habe einen Beruf, bin dabei einen Schrottplatz zu übernehmen und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, sind wir Schlossherren. Lässt dich das nicht zweifeln? Treibt es dich nicht langsam im den Wahnsinn nicht zu wissen, was das Universum mit uns vorhat?“ „Bislang habe ich das Universum nicht für das verantwortlich gemacht, was mit uns passiert ist“, überlegte Sam. „Was soll es denn sonst sein? Eine höhere Macht? Gott? Ein Irrer, der mit der Feder des Schicksals ein neues Märchen schreibt, das zufällig unser Leben ist?“ „Du klingst gerade überhaupt nicht wie du. Du warst bisher immer derjenige, der jede höhere Macht vehement abgestritten hat. Du hast immer gesagt, dass wir unser Leben selbst bestimmen. Was ist passiert Dean? Ist es wirklich nur ein Lagerkoller?“ Dean zuckte mit den Schultern. „Ich sagte doch, dass ich gerade an allem zweifle.“ Er holte tief Luft. „Wahrscheinlich hast du Recht. Wir sind seit einer halben Ewigkeit an einem Ort. Ich kenne das nur aus meiner frühesten Kindheit. War ja eigentlich klar, dass sich das unstete Leben nicht so leicht aus den alten Knochen vertreiben lässt.“ Er lächelte breit. „Lass mir einfach ein paar Tage Zeit. Wenn ich mich im Haus austoben kann, habe ich keine Zeit mehr mir unnötige Gedanken zu machen.“ Zweifelnd schaute Sam seinen Bruder an. Er hatte ja Recht. Sie waren noch nie zusammen so lange an einem Ort gewesen. Er hatte zwei Jahre in Stanford gelebt und Dean kannte diese Konstanz nur aus der Zeit mit Mom. Er würde ihn weiter im Auge behalten und einschreiten, sollte sich Deans Unruhe zum Problem auswachsen. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ Sam stellte seine leere Tasse ab. Wahrscheinlich müssen wir nur noch etwas abwarten, bis sich dieses Leben wirklich zur Routine entwickelt hat.“ Dean zuckte mit den Schultern, dann nickte er. Er trank seinen Kaffee aus und brachte das Geschirr in die Spülmaschine. Danach fuhr er zur Wache. Es war eine ruhige Nacht. Ausgeruht fuhr Dean zum Haus. Er machte im Dachgeschoss weiter und kam schnell voran. 2 höchstens 3 Tage noch, dann wäre er hier oben fertig und könnte eine Etage tiefer anfangen. Er räumte auf und dann fuhr er in ihre Wohnung. Nach einer schnelle Dusche verschwand er in seinem Bett. Sam war zuhause, als er aufstand und so konnte er ihm von den Fortschritten im Haus berichten, bevor er wieder zur Wache fuhr. Drei Tage später wollte er wieder zur Baustelle. Er passierte gerade das kleine Häuschen, als ihm der Bauunternehmer entgegenkam. Schnell fuhr er auf die Auffahrt zum Häuschen und hielt an. Auch Branson blieb stehen. „Ich habe mir den Container angesehen. Sie haben ja schon einiges rausgerissen“, begann er, als Dean zu ihm kam. „Mit dem Dach fangen wir nächste Woche an und den Bagger bringe ich auch nächste Woche. Können Sie damit umgehen?“ „Ich bin bei der Feuerwehr“, erklärte Dean ruhig. „Wir müssen mit den Dingern umgehen können.“ „Es ist aber auch kein Problem, wenn wir den Graben machen.“ Dean legte den Kopf schief. Er hatte eigentlich genug zu tun und sein Zeitplan war eng gesteckt. Aber der Bagger reizte ihn schon. „Ich lasse Ihnen ein paar Meter.“ Deans Mine hellte sich auf. So konnte er Zeit sparen und trotzdem Spaß haben. „Okay“, lachte er. „So machen wir es.“ Karan nickte. „Sie haben sich echt was vorgenommen, mit dem Kasten.“ Er schaute zu dem Haus. Dieser Auftrag sicherte seiner Familie, seinem Unternehmen das Überleben des nächsten Jahres. Alleine was sie bis jetzt bestellt hatten, würde bis in den Herbst reichen. Wenn sie zahlten. Doch damit würde er sich jetzt nicht belasten. Wem so ein Haus gehörte, der sollte ja wohl auch Geld haben, oder? „Alles klar, danke“, nickte Dean und ging wieder zum Impala zurück. Er wartete bis Branson eingestiegen und an der Einfahrt vorbei gefahren war und fuhr zum Haus. Kapitel 86: I´m to sexy ----------------------- 086) I´m to sexy Die Sonne schien noch, hatte den Horizont aber schon erreicht. Er hatte es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht. In der Hand hielt er ein Glas, in dem einige Eiswürfel schmolzen. Eine Zitronenscheibe lag dazwischen. „Möchtest du noch ein Glas?“ Er war zu träge, um sich zu bewegen. „Nein, Schatz. Danke. Ich komme gleich rein“, erwiderte er und schloss kurz die Augen. Vogelgezwitscher drang an sein Ohr. ‚Wieso singen die am Abend?‘ überlegte er und öffnete die Augen. Sam brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Er lag in seinem Bett, in seinem Zimmer, in ihrer Wohnung. Die Sonne schien in sein Zimmer. Er streckte sich und stand auf. Auf dem Weg ins Bad warf er einen Blick in Deans Zimmer. Sein Bruder schlief, unter den Decken vergraben. Sofort schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht, wurde gleich darauf aber von der Sorge um den Älteren wieder verdrängt. In der letzten Woche war der nur zum Schlafen hier, wenn überhaupt. Hoffentlich rieb sich Dean nicht zwischen seinen ganzen selbst gestellten Aufgaben auf. Lehrgang, Stans Schrottplatz, die Arbeit und jetzt auch noch das Haus … Das musste doch zu viel sein. Und gerade jetzt konnte er ihm nichts abnehmen, weil der Abschluss des Semesters kurz bevorstand. Leise verließ er Deans Zimmer und nahm sich vor heute mit ihm zu reden. Hoffentlich blieb es auch dabei, nicht dass sein Bruder wieder zum Haus fuhr, während er noch unterwegs war. In aller Ruhe machte er sich fertig und frühstückte in seinem Zimmer. Um nichts in der Welt wollte er Dean doch noch wecken. Nachher wollte er sich mit Tylor und Mity im wissenschaftlichen Museum treffen. Erst nach zwei kam er, zurück in ihre Wohnung. Dean hockte auf der Couch und starrte auf ihren Terminplaner. „Hey“, grüßte Sam und versuchte sich die Sorge, die ihn beschlich, nicht anmerken zu lassen. „Was machst du?“ „Hey. Ich trage nur meine Termine für die nächste Woche ein und versuche, wie immer, alles unter einen Hut zu bekommen.“ Er verdrehte die Augen. „So schlimm?“ „Nein, nur stressig, wie immer in den Tagschicht-Wochen. Irgendwie ist mir die Nachtschicht lieber.“ „Hast du schon was gegessen?“, fragte Sam trat an den Tisch. „Nein. Ich dachte wir kochen zusammen?“ Dean stand auf, hängte den Kalender wieder an die Tür des Kühlschrankes und verschwand im Bad, während Sam das Gemüse aus dem Kühlschrank holte und vorbereitete. Es sollte Lasagne geben. Davon konnten sie mindestens noch einmal essen. „Willst du gleich noch ins Haus?“, wollte Sam wissen, als sein Bruder neben ihm am Herd stand. „Ich würde gerne, aber heute ist unser Familientag und den musstest du bis jetzt schon alleine verbringen.“ „Ich war im Museum, mit Tylor und Mity. Bis Tylor zum Familienessen musste.“ „Gut, dass es die Beiden gibt!“, erklärte Dean leise. „Ich ...“ Er rieb sich verlegen den Nacken. „Du musst kein schlechtes Gewissen haben. Es ist noch nicht lange her, da war ich dauernd unterwegs und du musstest sehen, wie du klar kamst und das ohne Erinnerungen.“ „Du warst für deine Schule unterwegs und arbeiten und ...“ „Und du jetzt. Du hast Schichtdienst!“ „Das wird sich auch bald ändern“, bemerkte Dean ruhig. „Wieso hast du gekündigt? Nun doch? Warum? Ich dachte dir gefällt es da?“, platzte Sam ratlos hervor. „Nein, nichts von dem. Oder naja, ja. Es gefällt mir. Mehr als das! Aber nein, Das ist es nicht. Chris hatte ja schon mal erzählt, dass die Feuerwehr auf 24-Stunden-Dienste umsteigt. Ab Montag geht es im Hauptquartier los. Löschzug und Rettungsdienst ziehen um, damit sie da umbauen können. Im August fangen die mit dem 24-Stunden-Rhythmus an und dann folgen die Wachen. Die Feuerwehr in Bloomington wird komplett umgebaut und einige Wachen werden auch geschlossen.“ „Und deine?“ „Die bleibt. Aber ich weiß nicht, ob ich bleibe. Eigentlich bin ich ja nur übergangsweise da.“ Sam nickte. Das war das Dilemma. Dean fühlte sich da wohl und hing seit er da war in der Luft. „Weißt du denn schon, ob du bald richtiger Feuerwehrmann wirst? Das Anwärterjahr ist ja fast rum.“ „Keine Ahnung. Chris hat schon vermutet, dass sie uns erst nach und nach zu richtigen Feuerwehrleuten machen, wenn unsere Wachen umgebaut worden sind, oder wir einer fertigen Wache zugeteilt werden. Ich denke, er hat Recht.“ „Und der Lehrgang zum Lieutenant?“ „Der überschneidet sich zum Glück wohl nicht mit dem für den Schrottplatz. Die Prüfungen da sind in drei Wochen.“ „Immerhin was!“, freute sich Sam. „Brauchst du Hilfe? Soll ich dich abhören?“ „Das wäre klasse. Ich wollte nächste Woche anfangen den Stoff nochmal durchzugehen.“ „Und wann, wenn du auch noch zum Haus willst?“ „Wenn die Schicht ruhig ist da, sonst muss das Haus warten. Ich reiße ja zurzeit eh nur ab. Sam schnaufte. Die Planung klang in seinen Augen zwar immer noch sehr ambitioniert, wenn nicht, deutlicher gesagt, auf Deans körperlichen Verschleiß ausgelegt, aber solange der sich gut dabei fühlte, konnte er kaum einschreiten. Außerdem sahen seine Tage ja nicht viel besser aus. Gut, dass er bald Semesterferien hatte. Dann wollte er auf jeden Fall im Haus mitarbeiten. „Und wann willst du schlafen?“, musste er trotzdem fragen. „Ich denke, Schlaf ist überbewertet.“ „Dean!“, schimpfte Sam. „Drück die Daumen, dass die Dienste ruhig sind.“ „Ich drücke“, erklärte Sam wenig überzeugt. Bislang waren die Schichten, die sich Dean ruhig wünschte, meistens das komplette Gegenteil. Aber vielleicht half es ja. „Hast du noch was für heute geplant, oder willst du die Seele baumeln lassen“, fragte er Dean. „Wir könnten Wellness machen.“ „Mir wäre mehr nach Aktion. Was hältst du vom Kletterpark? Ich brauche noch ein paar Stunden.“ Sam nickte. „Warum nicht.“ Ihm würde ein bisschen mehr Bewegung auch guttun. Sie räumte das Geschirr in die Spülmaschine und machten sich auf den Weg. An einer Kreuzung mussten sie warten, weil ihnen ein Brautpaar in einer Kutsche entgegenkam. Flankiert wurde diese Kutsche von mehreren Reitern. „Ich würde auch gerne mal wieder reiten gehen“, überlegte Dean leise. „Nach dem Umbau!“, erklärte er sich bestimmt. Sam musterte ihn von seinem Platz aus. Dean fühlte sich auf Pferden wohl. Das hatte er noch gut in Erinnerung. In El Paso hatte er faktisch auf einem Pferderücken gelebt und in Tea konnte er seine Probleme wenigstens dann vergessen, wenn er auf einem Pferd saß. Vielleicht, wenn das Haus soweit fertig und sie umgezogen waren, konnte er ihm ja ein Pferd schenken? Den Gedanken würde er zumindest mal im Hinterkopf behalten. Mal sehen, was so ein Tier kostete. An diesem Nachmittag tobten sich die Brüder so richtig aus. Danach waren sie schnell wieder in ihrem Hamsterrad. Dean pendelte weiter zwischen Wache, Schule, Stan und dem Haus und Sam zwischen Uni und Supermarkt. Bis jetzt war diese Schicht für Dean ruhig verlaufen. Nicht einmal kochen musste er, obwohl ihm diese Ablenkung ganz willkommen gewesen wäre, aber seine Kollegen wollten heute chinesisch essen und hatten Josh schon losgeschickt. Warum auch immer der fahren wollte. Blieb ihm nur das Lernen, doch das empfand er heute als extrem anstrengend, auch wenn er wusste, wofür und es die letzten Unterrichtstage waren. „Win!“, forderte Battalion Chief Bradley. Er schenkte sich Kaffee in seine Tasse. „Ja, Chief?“ „Folgen Sie mir bitte in mein Büro.“ „Ja, Chief.“ Dean erhob sich. „Schließen Sie die Tür“, forderte der Chief, kaum dass Dean eingetreten war. Dean nickte und stellte sich dann vor den Schreibtisch. Irgendwie hatte er jetzt ein mulmiges Gefühl im Magen. „Entspannen Sie sich, es ist nichts Schlimmes.“ „Das sagen Sie!“ „Das weiß ich.“ Bradley lächelte und holte einen offenen Brief hervor. „Ich habe hier die Zusage für den Lehrgang zum Lieutenant.“ Dean schnappte nach Luft. Das war … das sollte … verdammt! Hatte er … ? „Ganz ruhig atmen!“, forderte der Chief. Sein Anwärter war gerade kalkweiß angelaufen. Nicht das der ihm hier umkippte! „Setzen Sie sich!“ Dean nickte und stakste zum Stuhl, zog ihn sich vor den Schreibtisch und ließ sich darauf fallen. „Natürlich weiß ich von Ihrem Antrag und natürlich hat sich First Chief Reed mit mir beraten, ob das wirklich etwas für Sie ist. Sie sind gut und Sie können führen, auch wenn sie diese Rolle nie von sich aus beanspruchen. Die Männer folgen Ihnen und solche Männer brauchen wir hier! Ich weiß nicht, ob Sie auf dieser Wache bleiben, in meiner Schicht wohl eher nicht, denn ich habe zwei gute Lieutenants. Trotzdem verliere ich Sie nur sehr ungern“, erklärte er auch, um dem Anwärter die Zeit zu geben, wieder normal durchzuatmen. „Der Lehrgang beginnt am 2. Juli, zwei Tage in der Woche und insgesamt 8 Wochen.“ Dean schnaufte und rieb sich frustriert den Nacken. „Bis dahin sollten Sie ja mit Ihrem Lehrgang fertig sein, oder irre ich mich da?“ „Nein, der ist dann durch. Ich bin in den letzten Zügen. Zwei Tage Unterricht und drei Prüfungen, dann ist das erledigt, hoffe ich.“ „Gut. Dann dürfte dem ja nichts im Wege stehen.“ „Nein Sir!“ „Aber?“ Dean atmete tief durch. „Mein Bruder und ich haben ein Haus geerbt, das wir umbauen und ich hatte gehofft etwas mehr in der Werkstatt machen zu können, den Papierkram vertiefen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das muss dann wohl warten!“ Bradley lächelte. „Sie schaffen das!“, erklärte er zuversichtlich. „Ich muss!“ Dean erhob sich. Er deutete auf die Tür. „Ich geh dann mal wieder lernen, solange es ruhig ist.“ Chief Bradley nickte und entließ Dean. Eine reichliche Stunde später hatten sie gegessen. Der Chief ging wieder in sein Büro und die Feuerwehrleute räumten die Tische ab und die Küche auf. Dean kochte gerade Kaffee, als Chief Bradley zurückkam. Gillian und Romero traten sofort zu ihm. „Meine Herren?“, begann Bradley ruhig. Gerade als der Chief die Hand zum Mund hob, um seine Truppe mit einem scharfen Pfiff zur Ruhe zu bringen, erstarben die Gespräche und alle setzten sich. Es wurde eng auf den Bänken, da sie ja inzwischen auch den Löschzug des Hauptquartiers beherbergten. „Ich habe heute die Ehre, ein Paar neue Streifen zu vergeben. Win!“, auffordernd schaute er zu Dean, dem das Herz in die Hose rutschte, nur um gleich wie an einem Bungeeseil wieder in die Höhe gerissen zu werden. Langsam erhob sich der Winchester und stakste zum Chief. „Herzlichen Glückwunsch! Ab sofort sind Sie ein vollwertiges Mitglied der Feuerwehr.“ Er reichte ihm seine Schulterklappen. Dean strahlte über alle vier Backen und ließ sich die Hand schütteln. Kaum ließ Bradley von ihm ab, klopfte Gillian ihm herzlich auf die Schulter. „Herzlichen Glückwunsch auch von der Drehleiter!“ Er übergab ihm ein T-Shirt, auf dem nur das Emblem der Feuerwehr prangte. Doch bevor Dean dazu kam in den Umkleideraum zu verschwinden, um sein Anwärter-Shirt auszuziehen, schüttelte ihm schon Romano die Hand. „Auch von der Rüstgruppe alles Gute! Und auch von uns eine kleine Aufmerksamkeit!“, er deutete auf die Kartons auf dem Tisch. „Sind leider nur gekauft.“ Er grinste und hielt Deans Hand weiter fest. „Und jetzt … Du wirst doch den anwesenden Damen hier nicht den Anblick eines gut gebauten Männerkörpers verwehren wollen, Also ...“, auffordernd schaute er zu Brie und Amy, den beiden Sanitäterinnen. „Ausziehen, ausziehen, ausziehen!“, forderten die lautstark, unterstützt von Emily Brown, der einzigen Feuerwehrfrau des Löschzuges vom Hauptquartier. Dean verdrehte die Augen. Sofort begannen die Frauen wieder mit ihrem Sprechchor. „Ausziehen, ausziehen.“ Ganz langsam schob Dean einen Hosenträger von der Schulter. Fast noch langsamer folgte der zweite. Er zupfte sich das Shirt aus der Hose, umfasste den Saum und schob es in Zeitlupe über seinen Bauch nach oben. Die drei Frauen johlten und auch die Männer begannen ihn anzufeuern. Dean schob sein Shirt immer weiter nach oben. Er zog einen Arm aus dem Ärmelloch, streifte es sich über den Kopf und ließ es seinen anderen Arm hinunterrutschen. Bevor es fallen konnte, umfasste er es, knüllte es zusammen und warf es in Richtung der Frauen. Er nahm sein neues Shirt, zog es sich über und holte sich in aller Ruhe ein Stück Kuchen aus einer der Schachteln. Mit Kaffee und Kuchen versorgt ließ er sich auf seinen Platz fallen. Er zog sich sein Schulbuch heran und begann zu lesen. Emily, die das Shirt gefangen hatte, stopfte es sich unter den neidischen Blicken der beiden Rettungssanitäterinnen in den Latz ihrer Hose und ging sich ebenfalls ein Stück Kuchen holen. „Und dabei ist sie hier nur zu Gast“, grummelte Amy. Lt. Gillian ließ sich neben Dean fallen. Er knuffte ihn in die Seite. „Also wenn du Geld brauchst, mit etwas Übung kannst du als Stripper ganz gut Geld verdienen.“ Dean verschluckte sich fast an seinem Kuchen. „Ich? Stripper?“, fragte er, nachdem er sich endlich beruhigt hatte. „Naja. Studentinnen gibt’s hier genug.“ „Und du meinst, die zahlen?“ „Keine Ahnung. Einige werden sicher Kohle haben.“ Ein eingehender Notruf beendete dieses Geplänkel. Kapitel 87: Take Care of you ---------------------------- 087) Take care of you Spät kam Dean an diesem Abend von seinem Lehrgang. Seine Mitschüler und er hatten noch eine ganze Weile zusammen gestanden und eine Aufgabe diskutiert. „Hey“ Sam schaute nur kurz auf. „Du bist ja noch auf“, stellte Dean fest. Er schloss die Tür, ließ seinen Rucksack neben der Tür fallen und ging zum Bad. „Brauchst du Hilfe?“ Er deutete auf das Buch auf Sams Knien. „Nein“, erwiderte Sam und musterte ihn genauer. Irgendwas an seinem Bruder hatte ihn stutzig gemacht. Er starrte ihn angestrengt an. Dann fiel es ihm auf. Er schob sein Buch beiseite, erhob sich und trat vor Dean. „Du bist Feuerwehrmann!“, stellte er fest und pikte mit dem Finger auf die Stelle auf seiner Brust, auf der bis heute Morgen über dem Feuerwehremblem der Schriftzug Anwärter gestanden hatte und der jetzt nicht mehr da war. „Bin ich!“, erklärte Dean und wurde, noch bevor er selbst reagieren konnte, von Sam in eine feste Umarmung gezogen, die er nur zu gerne erwiderte. „Herzlichen Glückwunsch, großer Bruder!“ „Danke, Sammy.“ Dean löste sich langsam von seinem großen Kleinen. „Ab jetzt gibt’s zumindest mehr Geld. Da musst du nicht mehr so viel arbeiten und kannst dein Praktikum genießen“, erklärte Dean lächelnd. „Was heißt zumindest mehr Geld? Was gibt’s denn nicht mehr?“ „Zeit. Ich hab die Daten für den Lehrgang zum Lieutenant.“ „Und wann? Sag jetzt nicht sofort!“ „Nein, der Kurs scheint schneller voll geworden zu sein als gedacht. Er ist im Juli und August.“ „Na, immerhin lassen sie dir zwei Wochen zum Luft holen.“ Sam verdrehte die Augen. War ja irgendwie klar, dass das auch sofort sein würde. „Und den Lehrgang für Firmengründer im Ruhe zu Ende bringen.“ Dean gähnte. „Ich gehe ins Bett“, erklärte er, schob sich an Sam vorbei und verschwand im Bad. „Du solltest auch schlafen gehen“, sagte Dean, als er wieder ins Zimmer kam. Sam nickte. „Ich gehe gleich. Gute Nacht, Dean.“ „Gute Nacht, Sammy.“ Die nächsten zwei Wochen vergingen wie im Flug. Dean schaffte seinen Abschluss problemlos, wenn der auch nicht so gut war, wie die letzten drei, so war er doch mit seiner Leistung zufrieden. Es gab eine kleine Feierstunde, in der die Kursteilnehmer ihre Zeugnisse bekamen. Dieses Mal war es Sam, der für Bobby und Jody filmte. Die Beiden ließen es sich dann auch nicht nehmen, ihrem Jungen zu dem gelungenen Abschluss zu gratulieren. In der darauffolgenden Woche, war Sam entweder bei Mity oder Tylor oder die drei hockten bei ihnen und gingen ihren Stoff durch. Deshalb zog es Dean vor, seine freie Zeit im Haus zu verbringen und sich im Obergeschoss auszutoben. Aber auch diese Zeit verging und endlich hatte auch Sam sein ersten Studienjahr geschafft. Mitte Juli würde er dann mit seinem Praktikum in einer renommierten Wirtschaftsanwaltskanzlei beginnen. Bis dahin hatte er aber genug freie Zeit und beschloss, dass sein Bruder Hilfe brauchte, denn der hetzte schon wieder von seiner Schicht zur Schule oder zu Stan oder zum Haus. Dean hatte Dave für die zweite Augustwoche bestellt, damit der ihm zeigen konnte, wie das mit dem Anbringen der Deckenheizung funktionieren sollte. Wenigstens für die ersten Platten brauchte er Hilfe. Bis dahin wollte er das Haus in einen Rohbau verwandelt haben und bis jetzt hielt er auch eisern an diesem Plan fest. Nur ihre Familientage nahm er sich frei, aber da war er unübersehbar müde. Sams Sorgen um seinen Bruder hatten sich langsam, aber stetig gesteigert. Wie lange wollte der das noch durchhalten? Ja, das Ende war absehbar, aber noch verdammt weit entfernt. Er wollte nicht, dass Dean sich aufrieb! Außerdem war er neugierig, was der alles schon geschafft hatte. Er nahm sich seinen Autoschlüssel, fuhr zu der kleinen Bäckerei, in der sie inzwischen Stammgäste waren und kaufte eine bunte Mischung an Muffins, kleinen Kuchen und zwei großen Bechern Kaffee und fuhr zur Villa. Unterwegs hielt er noch an einem Imbiss und holte Pizza und chinesisches Essen. Damit sollten sie ja wohl über den Tag kommen! Hoffentlich war der Kaffee wenigstens lauwarm, wenn er beim Haus ankam! Sam bog in ihre gut markierte Einfahrt. Er fuhr durch den Waldstreifen und ein Stück den Weg entlang und musste erst einmal anhalten, um das Bild, das sich ihm bot auf sich wirken zu lassen. Über dem nicht mehr vorhandenen Dach ragte ein großer Kran auf. Im ganzen Haus fehlten die Fenster. Irgendwie machte das Haus so, wieder diesen gruseligen Eindruck wie am Anfang, als sie zum ersten Mal hier waren. Sie sollten unbedingt den alten Efeu entfernen lassen! War die niedliche Kleine bei Branson nicht Garten-, Landschaftsbauerin? Amita Branson, Karans Schwester, erinnerte er sich. Er würde darüber mal mit Dean reden. Außerdem sollten sie die gesamte Fassade reinigen. Neben der Hälfte des Weges klaffte ein langer, tiefer, breiter Graben, in dem einige, unterschiedlich dicke Rohre lagen. Auf der restlichen Strecke war der Graben schon wieder zugeworfen worden. Am Ende dieses Stückes stand ein Bagger, Paletten mit Rohren und Kabeltrommeln. Nur Dean war nirgends zu sehen. Arbeitete er im Haus? ‚Wie lange war ich nicht mehr hier?‘, fragte sich Sam erstaunt. Er gab wieder Gas und fuhr zum Haus. Auch hier war weder von Dean noch vom Impala etwas zu sehen. Allerdings war er sich auch sicher, dass Deans Baby in der Tiefgarage stand, jetzt wo sie diesen Luxus hatten. Er holte das Essen von der Rückbank und stieg die Treppe zum Eingang hinauf. „Dean?“, rief er, während er die Tür aufschob. Nichts war zu hören. Er stellte das Essen neben das große Loch, dass mal eine Tür gewesen war, in eine Ecke, die so aussah, als ob da nicht sofort jemand darüber stolpern würde, nahm die Kaffeebecher in die Hand und machte sich auf die Suche nach seinem großen Bruder. Als Erstes schaute er sich im Erdgeschoss um. Hier war noch nicht viel passiert. Er trat wieder in die Eingangshalle. „Dean?“, rief er noch einmal und überlegte, ob er jetzt nach unten in die Tiefgarage oder lieber nach oben gehen sollte, um ihn zu suchen. Da kam der die Treppen herunter. „Was machst du denn hier?“, fragte er leise. „Ich habe Essen und Kuchen und Kaffee mitgebracht und wollte dir eigentlich helfen.“ Sam hielt ihm den Becher hin. Aufmerksam musterte er seinen Bruder. Dean sah müde aus, müde und fertig. „Den kannst du trinken und dann kommst du erst einmal mit nach Hause und schläfst dich aus. So lasse ich dich hier nicht weiterarbeiten. Ich muss ja Angst haben, dass du von der Leiter fällst, dich mit dem Hammer verstümmelst oder sonst was Schlimmes!“ „Sammy“, begann Dean. „Ich habe noch etwas mehr als fünf Wochen und noch das komplette Erdgeschoss und den Keller zu machen und im Obergeschoss bin ich auch noch nicht fertig.“ „Und ich werde dir helfen. Ich habe frei. Außerdem ist es auch mein Haus. Aber jetzt hörst du jetzt auf mich und kommst mit und schläfst dich aus.“ „Sammy ...“, begann Dean in gequältem Ton. „Nein! Wenn es um mich geht, achtest du peinlich darauf, dass ich auch Zeit für mich habe. Du vergisst dich mal wieder und das kann ich nicht zulassen! Wir essen. Dann zeigst du mir, was du hier schon alles gemacht hast und was in den nächsten Tagen ansteht und dann fahren wir nach Hause und du schläfst dich aus. Von mir aus können wir auch ein Spiel schauen oder Mensch ärgere dich nicht spielen, wenn du noch nicht ins Bett willst.“ „Mensch was ...?“, fragte Dean verwirrt. „Vergiss es. Es ist egal. Wichtig ist nur, dass du mitkommst und dich ausruhst. Ich will nicht, dass dir was passiert, weil du übermüdet bist. Du sagst, es sind noch fünf Wochen. Ich habe fast drei Wochen frei, bis ich mit meinem Praktikum anfange, da kann ich helfen. Zu zweit schaffen wir das schon, oder?“ „Naja, ja“, gab Dean leise zu. Er seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich hatte es mir einfach vorgenommen und gehofft, wir könnten umziehen wenn wir von Jody und Bobby kommen. Ich wollte wenigstens ein Zimmer fertig haben, damit du deine Ruhe hast, wenn das Studium weiter geht. Ich ...“ „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich hier Ruhe habe, wenn du werkelst.“ „Deswegen wollte ich ja jetzt den Abriss machen. Streichen macht ja kaum Krach.“ „Und wo willst du schlafen? Wo willst du zur Ruhe kommen?“ Sam legte seine Hand auf Deans Arm. „Ich finde es so toll, wie fürsorglich du immer noch mir gegenüber bist. Aber lass mich auch fürsorglich dir gegenüber sein. Und deine Gesundheit ist mir wichtiger als das Haus und viel wichtiger als Geld. Klar könnten wir eine oder zwei Monatsmieten sparen, aber dann muss ich eben etwas mehr arbeiten gehen. Mir macht das im Supermarkt Spaß.“ Dean schnaufte ergeben. Eigentlich hatte Sam ja Recht. Er war müde und er wünschte sich einen Tag, an dem er nur faul im Bett liegen konnte. Er war fertig. Aber er wollte eben auch das Haus fertig machen. Er steckte in seiner selbstgebauten Zwickmühle. Jetzt wo er die Aussicht auf ein Leben in einem Haus hatte, in so einem Haus, wollte er es auch so schnell wie möglich genießen! „Vielleicht hast du ja Recht“, gab er leise zu. „Vielleicht?“, Sam grinste breit. „Wir fahren jetzt nach Hause und machen das Essen warm. Danach gehst du ins Bett und ich koordiniere das mit dem Supermarkt, damit wir hier weiter abreißen können.“ „Aber ich will ...“, protestierte Dean. „Das sehen wir dann!“, würgte Sam ihn ab. „Was musst du aufräumen?“ „Nur oben Bohrer und Hammer.“ „Wohin?“ „Neben der Garage unten ist ein abschließbarer Raum. Da lagern wir alles.“ Sam nickte. Er ging nach oben. Schnell schaute er sich in den kahlen, fensterlosen Räumen um. In etwas mehr als der Hälfte der Räume fehlte der Putz an den Wänden. Er holte Hammer und Bohrer und brachte sie nach unten. „Soll ich dich mitnehmen oder fährst du hinter mir her?“, wollte er von seinem Bruder wissen. „Ich fahre selbst.“ „Gut.“ Wirklich begeistert war Sam nicht, aber er wollte seinen Bruder nicht komplett demontieren. Also würde er ihm vertrauen. Dean war schon oft vollkommen übermüdet gefahren, dass sollte dann hoffentlich jetzt auch kein Problem sein. Er ging wieder nach oben, nahm die Tüten mit ihrem Essen und ging zu seinem Wagen. Nacheinander verließen sie ihr Anwesen und fuhren zu ihrer Wohnung. Während Dean duschte, wärmte Sam ihr Essen auf. Sie aßen in aller Ruhe. Im Hintergrund lief ein Spiel im Fernsehen. „Wollen wir das weiter schauen oder willst du gleich ins Bett?“ Sam brachte die Teller in die Küche. „Hm“, erwiderte Dean, ohne jedoch Anstalten zu machen sich überhaupt zu regen. Sam schüttelte den Kopf. „Willst du ein Bier?“, fragte er und öffnete den Kühlschrank. Dean nickte. Sam stellte die Flaschen auf den Tisch und holte ein Glas mit Schraubdeckel aus dem Schrank, nahm einen Packen Notizzettel und einen Stift und kam mit diesem Sammelsurium zum Tisch zurück. „Was wird das?“, fragte Dean und deutete auf die Schüssel mit Zetteln und Stift. „Ich habe da eine Idee, mit der wir, wie ich hoffe, beide gleichberechtigt zu den Zimmern kommen, die wir haben wollen, denn so, wie ich dich kenne, machst du sonst erst nur, was für mich wichtig wäre und würdest wahrscheinlich im Impala schlafen.“ „Sie ist bequem.“ „Ein Bett ist bequemer.“ Sam hielt Dean eine Flasche hin und nahm die Zettel aus der Schüssel. „Willst du die Heizung komplett in einem Abwasch fertig machen oder lieber Raum für Raum? Wie hast du dir das gedacht?“ Dean versuchte sich zu konzentrieren. „Raum für Raum. Ich dachte ich fange im Gäste-WC an, dann die Küche und ein Zimmer, in dem du ... wir schlafen können.“ „Warte kurz, okay?“, sagte Sam und schrieb Bibliothek auf einen Zettel, auf den zweiten schrieb er Küche, danach Esszimmer und so machte er weiter, bis er alle Räume in Erdgeschoss aufgelistet hatte. Dann machte er mit den anderen Etagen weiter. Interessiert schaute Dean dem Treiben zu und nahm hin und wieder einen Schluck aus seiner Flasche. „Erklärst du mir jetzt was das hier soll?“, fragte er, nachdem Sam den Stift weglegte. „Ganz einfach. Du willst im Haus alles für mich so schön wie möglich herrichten, damit ich Ruhe zum Lernen habe und ich will, dass du dich dabei nicht vergisst, was du tun würdest. Streite es nicht ab!“ Dean schaute ertappt. „Gut, also: Du willst im Erdgeschoss anfangen.“ Sam deutete auf den Stapel Zettel. „Und wo?“ „Esszimmer“, erklärte Dean wahllos und Sam zog den Zettel mit Esszimmer aus den Stapel. „Den hängen wir an den Kühlschrank. Wenn du damit fertig bist, ziehst du aus dem Glas einen neuen Zettel und dieser Raum wird dann fertig gemacht.“ „Das wird aber ein mächtiges Durcheinander, wenn du alle in das Glas packst.“ „Ich werfe drei ins Glas, von denen ich glaube, dass die die nächsten sein sollen. Du ziehst einen und ich packe einen neuen dazu. So haben wir beide entschieden, wie es weiter geht, ohne lange Diskussionen führen zu müssen.“ „Solange du nicht per Computer ausrechnest, welches der effektivste Raum ist, den ich als nächstes machen soll.“ „Bring mich nicht auf dumme Gedanken“, lachte Sam. Er nahm drei Zettel, knüllte sie zusammen, warf sie in das Glas und schraubte es zu. „Welche hast du genommen?“ „Das wirst du sehen, wenn du sie ziehst.“ „Und wann ziehen wir um?“ „Frühestens wenn es zwei Zimmer, Küche und Bad gibt.“ Dean überlegte kurz und nickte dann. „Damit kann ich leben“, sagte er und gähnte. „Küche und Bad gehören auch zu meinen Prioritäten. Ein Zimmer für mich nicht unbedingt, aber gut. Versuchen wir es so.“ Er stellte die leere Flasche ab. „Ich ...“, begann er und deutete, schon wieder gähnend, auf sein Zimmer. „Gute Nacht, Dean.“ „Nacht, Sammy.“ Kapitel 88: Crash! Boom! Bang! ------------------------------ 088) Crash! Boom! Bang! Desorientiert schaute sich Dean um. Es dauerte etwas, bis er begriff, dass er in seinem Bett lag. Wieso hatte er sein Handy nicht gestellt? Wieso war er von alleine wach geworden? Was hatte ihn geweckt? So auf die Schnelle konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen. Der gestrige Abend drängte sich in sein Bewusstsein und ein Lächeln schlich sich in sein Gesicht. Einfach ausschlafen, das hatte es schon seit Wochen nicht mehr gegeben. Lauschend lag er im Bett, konnte jedoch nichts hören. Er streckte sich, gähnte und schwang die Beine aus dem Bett. Sein Magen grummelte und jetzt endlich schaute er auf die Uhr. Kurz nach Mittag. So langsam sollte er wach werden, wenn er noch etwas Zeit mit Sam verbringen wollte. War der überhaupt da? Er stand auf, nahm sich seine Sachen und ging in den Wohnraum. Sam saß auf der Couch und las ein Buch, als er in den Wohnraum kam. „Hast du die ganze Zeit hier gesessen und darauf gewartet, dass ich aufstehe?“, wollte Dean auch gleich wissen und schon meldete sich sein schlechtes Gewissen.. „Nein. Ich war schon arbeiten und bin gerade erst rein. Ich habe uns Hackbraten mitgebracht, wollte dich aber nicht wecken, deshalb habe ich mir ein Buch genommen.“ „Das klingt gut“, freute sich Dean und sein Magen knurrte. Mit einem breiten Grinsen verschwand er im Bad. Auch Sam konnte sich ein Lachen nicht verbeißen. Deans Magen war wie ein pawlowscher Hund. Nur dass der nicht auf ein Glöckchen, sondern auf alles was irgendwie Essen war, reagierte. Er stand auf und holte den Hackbraten aus dem Kühlschrank, um ihn aufzuwärmen und deckte den Tisch. Zufrieden ließ sich Dean auf seinen Stuhl fallen. „Das hat gutgetan“, sagte er leise. „Danke, Sammy.“ Er begann zu essen. „Wenn du schon nicht auf dich achtest, muss ich ja das wohl tun“, erklärte der. „Und das tust du gut.“ „Willst du gleich noch zum Haus?“, wollte Sam wissen. „Irgendwie schon, aber ich denke, irgendwas zwischen faul sein und Kletterpark, oder wir spielen Mensch ärgere dich nicht. Was auch immer das ist.“ „Ein Brettspiel.“ „Wir haben Brett ...“ Dean schüttelte den Kopf. „Ist ja auch egal. Ich hätte Lust noch irgendwas zu unternehmen. Was denkst du?“ „Können wir machen. Zeit haben wir noch genug, bis du zur Nachtschicht musst. Was hältst du von Schwimmen? Wir könnten zum Lake Monroe oder zum Griffin." "Klingt nach irgendwas zwischen faul sein und Kletterpark", nickte Dean. Nächstes Jahr konnten sie vielleicht schon am eigenen Pool liegen, wenn sie jemanden fanden, der den bis dahin auf Vordermann brachte, überlegte Dean. Sie aßen in Ruhe, räumten das Geschirr weg, packten Handtücher und ein paar Müsliriegel ein und fuhren zum Lake Monroe. Auf der Wache lief Dean Lt. Gillian über den Weg. „Du siehst ausgeschlafener aus“, stellte der auch sofort fest. „Sam hat mich zu einer Ruhepause gezwungen.“ „Du solltest ihm dankbar sein!“ „Bin ich auch“, erklärte der Winchester uns holte sich einen Kaffee. In den nächsten Tagen versuchte Dean wirklich mehr auf sich zu achten. Zum Haus fuhr er nur noch mit Sam, der seine Arbeitszeiten im Supermarkt nach Deans Planungen für das Haus ausgerichtet hatte. Jedes Mal, wenn sie an dem Bagger vorbei fuhren, huschte Deans Blick zu dem großen Gerät. "Durftest du wenigstens mal damit fahren?", fragte Sam als es ihm auffiel. "Ja, ein paar Meter Graben durfte ich machen. Aber die sind schon eine ganze Ecke schneller als ich und ich kann mich über mangelnde Arbeit ja auch nicht beklagen." Er schaute zu Sam. "Es macht nur mehr Spaß als Putz von den Wänden kloppen." "Das würde ich sofort unterschreiben", lachte Sam. Sie parkten in der Tiefgarage, nahmen Werkzeug und Masken mit nach oben und begannen die nächsten Wände zu bearbeiten. Die neue Woche, die erste im Juli, brachte die erste Hitzewelle des Jahres und sie waren schon froh, dass sie wenigstens im Obergeschoss arbeiten konnten, obwohl es ohne Fenster und Türen auch nicht viel kühler war. Immerhin zog es etwas und sie standen nicht in der prallen Sonne wie Karans Männer, die das Dach errichteten. Die Firma, die die Erdwärmebohrungen machten, waren in diesen Tagen auch vor Ort. Bis zum Beginn von Sams Praktikum arbeiteten sie gemeinsam. Danach machte Dean wieder meistens alleine weiter. Sam versuchte wenigstens einen Tag in der Woche mit dabei zu sein und auch Chris versuchte zu helfen. An diesem Tag jedoch arbeitete Dean alleine, im Erdgeschoss. Bis zum frühen Abend herrschte Gewusel auf der Baustelle, bis Karan bei ihm reinschaute. „Wir machen Schluss für heute“, sagte er. „Ja, danke“, erwiderte Dean. Er wollte das Esszimmer fertig machen. Viel war es nicht mehr. Er war gerade dabei, den letzten Schlitz zu stemmen, als er etwas am Zimmer vorbeihuschen sah. Kurz hielt er inne und schaute. Hatte er sich geirrt? Hier war niemand. Er legte den Hammer beiseite und ging in die Eingangshalle. Offensichtlich holte er einen Kübel, um den Schutt wegräumen zu können, doch der Jäger in ihm war in Alarmbereitschaft. Dean schaufelte den Kübel voll und stellte ihn zurück vor die Tür. Er nahm den Hammer wieder zur Hand und schlug das letzten Stück Putz für heute herunter. Während der ganzen Zeit hatte er immer wieder ein Auge auf der Tür und dann sah er den Schatten vorbei huschen. Grinsend legte er den Hammer weg und kehrte den Schutt auf. Er war sich fast sicher, wen er da gesehen hatte. Diesen O´Flannegáin. Diesen Kobold! Ob der wohl es inzwischen bereute, ihnen das Haus gegeben zu haben? Schön sah es nun wirklich nicht aus und es wurde gerade auch nicht besser. Im Dachgeschoss standen kahle Wände auf Betonboden. Das Obergeschoss sah genauso aus und er war dabei auch das Erdgeschoss in einen Rohbau zu verwandeln. Obwohl? Immerhin hatte das Haus wieder ein Dach. Er räumte das Werkzeug weg. Aus dem Keller nahm er eine Packung Nägel mit und kippte die im Esszimmer aus. Leise pfeifend schaffte er den Schuttkübel in den Container und fuhr dann in ihre kleine Wohnung. Zwei Tage später wollte Dean, gleich nach der Nachtschicht, zum Haus. Die Solarpaneele sollten geliefert werden. Er wollte sie annehmen, weil Karan irgendeinen Termin hatte und mit seinem Männern erst später kommen würde. Ein paar Stunden vor Ende seiner Schicht mussten sie zu einem schweren Unfall ausrücken. Die Unfallstelle war das reinste Trümmerfeld. Ein Kranwagen war mit einem Autotransporter zusammengestoßen und lag jetzt halb auf einem dunkelblauen Pickup. Der Auflieger lag halb auf dem Auflieger des Autotransporters, der halb über der Leitplanke hing und jeden Augenblick abzustürzen drohte. Ein weiterer PKW steckte unter dem Auflieger des Transporters. „Cooper, Win, Josh sie sichern den Autoauflieger. Romero, Sie und Ihre Männer sichern den Kranwagen und ziehen ihn von dem Pickup“, kommandierte Bradley. „Der Rest schaut nach den LKW-Fahrern und den Insassen des Pickup. Olsen, Thompson, kümmern sie sich um den PKW.“ Sofort legten die Teams los. Dave Holland und Morton Peterson holten den Fahrer des Kranwagens aus seinem Fahrerhaus und lösten dann die beiden Sanitäterinnen ab, damit sie den weiter versorgen und ins Krankenhaus bringen konnten. Der Chief forderte mehr Rettungskräfte an. Mehrere Polizisten sperrten die Straße. Die Insassen des Pickup, zwei junge Männer, waren eingeklemmt. Bis der Kranwagen weggeräumt sein würde, konnten die Feuerwehrmänner allerdings nicht viel mehr tun, als die Beiden zu beruhigen. Dean rief Sam an und sprach ihm eine Nachricht auf die Mailbox. Lt. Gillian, Dean und Josh versuchten den Auflieger des Transporters erstmal mit Ketten an der Leitplanke zu sichern. Zuerst musste der Kranwagen weg, bevor sie hier weiter machen konnten. Ein Rettungshubschrauber landete auf der Straße und zwei weitere Krankenwagen hielten nicht weit vom Unfallort entfernt. Die Verletzten, die sie bis jetzt hatten bergen können, wurden versorgt und eingeladen und schon waren sie wieder unterwegs, um auch die ins Krankenhaus zu bringen. Inzwischen hatten Lt. Romero und seine Männer den Auflieger des Kranwagen mit Ketten mit ihrem Rüstfahrzeug verbunden und versuchten jetzt den vom Autotransporter wegzuziehen. Der Auflieger schwankte und knarzte und richtete sich ganz langsam etwas auf. Plötzlich knallte es laut. Es rumpelte und kreischte und dann polterte einer der Wagen vom oberen Deck des Aufliegers, einen knappen halben Meter neben Dean, auf die Straße. Der Winchester stand wie vom Donner gerührt, starrte auf das, wie in Zeitlupe rutschende Auto und sprang auf den Auflieger. Der Wagen kippte auf die Seite und landete dann mit den Rädern am Auflieger. „Win! Win? Dean?“, brüllten Deans Kollegen wie von Sinnen und rannten zu dem Wagen, um den vom Auflieger wegzukippen. „Es geht mir gut!“, erklärte der Winchester viel zu ruhig und atmete langsam und bedacht ein und wieder aus. Sein Herz hämmerte noch immer in seiner Brust. Das war verdammt knapp und er hatte es wohl nur seinen guten Instinkten zu verdanken, dass er das überhaupt bemerkt hatte und reagieren konnte. „Du hast uns einen Schrecken eingejagt!“, schimpfte Gillian erleichtert und musterte den Kollegen argwöhnisch. Dean sah ziemlich blass aus. „Bist du wirklich okay?“ „Ja. Es geht“, erklärte der heiser, nickte und kletterte langsam vom Auflieger. Auch Chief Bradley atmete durch. Das war knapp! Michael Greene, der Fahrer des Rüstgruppenfahrzeugs ließ sich wieder auf seinen Sitz fallen. Auch er hatte angehalten, als das Auto herunterkam. Jetzt gab er vorsichtig wieder Gas. Der Kranwagen wand sich, Metall knirschte und dann gab es einen Ruck und er stand auf seinen Rädern. Bei dieser Aktion hatte sich der Haken gelöst und schwang durch die Luft. „Romero! Runter!“, brüllte Gillian, doch es war zu spät. Der Haken traf den Lieutenant an der Brust und riss ihn von den Beinen. „Verdammt!“, schimpfte Dean, der dem Lieutenant am nächsten war, und sprintete los. Als er in den Bereich des wild pendelnden Hakens kam, warf er sich auf die Knie und krabbelte zu ihm. Er zerrte sich den Handschuh von der Hand und suchte mit fliegenden Fingern nach einem Puls, den er nach einer Weile nur sehr schwach fühlen konnte. Doch hier konnte er ihm nicht helfen! Noch immer pendelte der Haken unverändert hin und her. Langsam kroch Dean rückwärts und zog den Lieutenant aus dem Gefahrenbereich. Kaum war es halbwegs sicher, zerrten Brolin und Holland Dean und Romero noch weiter in Sicherheit und halfen dann bei den Wiederbelebungsmaßnahmen. „Komm schon, verdammt!“, schimpfte Dean während der Herzdruckmassage. Endlich bäumte Romero sich auf. Sofort packten ihn vier Feuerwehrmänner an Schultern und Hosenbeinen und schafften ihn zum wartenden Hubschrauber. „Was haben wir?“, fragte die junge Ärztin. „Er wurde vom Haken an der Brust getroffen“, erklärte Dean und deutete auf den noch immer leicht pendelnden Haken des Kranwagens. „Okay, wir übernehmen“, erklärte sie und half ihren Kollegen Romero in den Hubschrauber zu bringen. Dean schaute kurz hinterher. Hubschrauber! Ein Schauer rann über seinen Rücken. Eher nebenbei registrierte er die raspelkurzen Haare und die grauen Augen der Ärztin. Er wandte sich ab und ging zu seinen Kollegen, die dabei waren, die Insassen des Pickup zu bergen. Träge tastete Sam nach seinem Handy. Solange er Ferien und Dean Spätschicht hatte, wollte er mit seinem Bruder frühstücken, wenn der nach der Arbeit nach Hause kam. Er schaltete den Wecker aus und sah, dass er eine Nachricht hatte. Er hörte sie ab, stand auf und ging zum Kalender. Der Liefertermin für die Solarpaneele war für acht, halb neun eingetragen. Gut. Dann hatte er noch Zeit sich fertig zu machen und in Ruhe zu frühstücken. Auf ihrem Grundstück nahm er sich die Zeit für Bobby ein paar neue Fotos zu machen. Das Haus sah schon wieder anders aus. Das Dach war fast fertig. Nur oben fehlten noch ein paar Reihen. Er stieg wieder ein und fuhr zur Villa. Langsam ging er durch die Räume. Im Erdgeschoss war auch schon einiges passiert. Das Obergeschoss war fertig. Bald konnten sie anfangen das Haus wieder zu einem Wohnhaus zu machen. Auch hier machte er ein paar Fotos. Lautes Hupen drang von draußen ins Haus. Amita stand neben dem Führerhaus und schaute zu ihm. „Ist Dean nicht da?“, wollte sie wissen. „Karan meinte, dass er die Paneele abnehmen würde.“ „Nein. Dean ist noch bei einem Unfall.“ „Der auf der 69? Der soll heftig sein“, erwiderte sie. Sam zuckte mit den Schultern. Er hatte sich nicht weiter dafür interessiert. Dean würde es ihm sicher erzählen, wenn er wiederkam. „Okay, und was mache ich jetzt?“ „Hier unterschreiben“, lachte sie. „Karan kommt gleich, dann schafft er die mit dem Kran nach oben. Sein Termin ging schneller und ich kann auf ihn hier warten. Die Zeit habe ich." „Gut“, nickte Sam und unterschrieb den Lieferschein. "Sie sind doch Landschaftsgärtnerin“, begann er, als Amita den ins Fahrerhaus geworfen hatte. „Ja?“ „Das Gestrüpp da“, Sam deutete auf den Efeu. „keine Ahnung, warum das tot ist, aber kriegt man das irgendwie weg ohne das ganze Haus abzureißen?“ Er hatte schon mal versucht das runter zu reißen, aber so einfach war das nicht. „Das schon. Es ist nur viel Arbeit wirklich alles wegzubekommen.“ Sam musterte sie und dann das tote Gestrüpp. „Irgendwie finde ich es schon zu dem Haus passend, wenn hier wieder was wachsen würde. Ich weiß nur nicht was und ich würde das dann gerne vorher mit Dean besprechen.“ Amita grinste. „Hat der die Hosen in eurer Beziehung an?“ Sam schluckte, hustete und musste erneut schlucken. Inzwischen fand er diese Anspielungen ja ganz lustig, aber hier wollte er das doch richtigstellen. „Er ist wirklich mein Bruder! Vier Jahre älter und da wir beide hier einziehen wollen, haben wir entschieden sowas auch gemeinsam zu entscheiden.“ „Also doch nur ihr zwei.“ „Erstmal ja, aber wir haben die Hoffnung auf Frau und Kinder noch nicht aufgegeben“, erklärte Sam mit einem schiefen Lächeln. „Nur das mit dem weißen Gartenzaun wird hier wohl eher schwierig.“ Er lächelte sie an. „Auf jeden Fall kostspielig.“ „Also, was könnte da hin?“, kehrte Sam zu ihrem vorherigen Thema zurück. „Jasmin, Trompetenblume, Wein oder wieder Efeu“, zählte sie einige Möglichkeiten auf. „Oder Kletterrosen.“ „Gut, dann kann ich Dean das schon mal so erklären. Danke.“ „Es freut mich, dir geholfen zu haben“, sagte sie und ging zum Führerhaus des Transporters zurück. Sie wollte gerade einsteigen und es sich gemütlich machen, als Sam sie aufhielt. „Können wir das dann vielleicht bei einem Kaffee besprechen?“ „Du kannst immer zu uns ins Büro kommen.“ „Nein, eigentlich wollte ich dich auf einen Kaffee einladen. Wir kennen da eine kleine Bäckerei.“ „Gerne. Wann und wo?“ „Morgen Nachmittag vielleicht?“ Er gab ihr die Adresse. „Ich kann ab vier“, sagte sie und öffnete die Fahrertür. „Dann morgen um vier!“, verabschiedete sich Sam. Er schaute noch einmal zu ihr hoch und ging dann zu seinem Auto, um nach Hause zu fahren. Er war gerade auf die Straße eingebogen, als er Karans Transporter im Rückspiegel sah. Sollte er noch mal zurück und mit ihm reden? Aber warum? Beaufsichtigen musste er nichts. Die Männer wussten, was sie zu tun hatten. Kapitel 89: Just Can't Get Enough --------------------------------- 089) Just Can't Get Enough Dean und seine Kameraden hatten es endlich geschafft. Jetzt war es an den Unfallermittlern den Hergang und den Schuldigen zu finden. Müde kletterte er in den Truck. Er ließ den Kopf gegen die Rückwand fallen und schloss die Augen. Viel zu schnell hielt der Wagen wieder. Träge öffnete Dean die Augen. Sie standen vor dem Krankenhaus. Er stieg aus und folgte seinen Kameraden in die Notaufnahme. Nur Morton blieb hinter dem Steuer sitzen. Er würde den Einsatzwagen zur Wache bringen und mit seinem Auto wiederkommen. Als Dean die Notaufnahme betrat, redete Chief Bradley schon mit einer der Schwestern. Er nickte und drehte sich zu seinem Männern. „Romero wird noch operiert“, sagte er nur und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Seine Männer folgten seinem Beispiel. Und wieder legte Dean den Kopf an die Wand in seinem Rücken und schloss die Augen. Er schlief nicht, dafür ging ihm viel zu viel in Kopf herum, aber so konnte er wenigstens die äußeren Reize ausblenden. Erst als die Unruhe um ihm herum immer stärker wurde, öffnete er die Augen wieder. Ein Arzt kam und steuerte auf Chief Bradley zu. Sofort erhob er sich wie die anderen auch. Sie umringten den Arzt und den Chief. „Er hat die OP überstanden. Allerdings ist er noch in einem kritischen Zustand. Wir müssen abwarten. Er hatte einen Pneumothorax und mehrere gebrochene Rippen. Aber wir sind zuversichtlich, was seine Genesung angeht.“ Die Männer atmeten auf. Das war zumindest keine ganz schlechte Nachricht, denn davon hatten sie heute schon genug gehabt. Den Fahrer des Pickup hatten sie nur noch tot bergen können und ob der Beifahrer des PKW überlebte, stand auch noch nicht fest. „Sie haben es gehört!“, wandte sich der Chief nun an seine Männer. „Lieutenant Romero wird wieder. Also fahren sie jetzt nach Hause und schlafen noch ein paar Stunden!“ Leise murrend folgten die Männer diesem Befehl. Dean kletterte mit Gillian, Holland, Josh und Tom zu Morton in den Wagen und ließen sich zur Wache bringen. Im Impala überlegte Dean kurz, ob er nicht gleich hier schlafen sollte, doch er entschied sich dagegen. Das Bett würde eine viel bessere Erholung bieten. Er ließ den Wagen an und lenkte ihn zu ihrer Wohnung. „Wo kommst du denn jetzt her?“, wollte Sam leise wissen, kaum dass sein Bruder zur Tür herein war. „Sag nicht, dass du doch am Haus warst!“ Dean schüttelte den Kopf und lehnte er sich an die Wand neben der Tür. „Der Unfall. Romero wurde verletzt. Wir waren bis jetzt im Krankenhaus.“ Er löste sich von der Wand und tappte zu seinem Zimmer. „Er wird aber wieder?“, hakte Sam besorgt nach. „Die Ärzte sagen ja.“ Dean schälte sich aus der Jacke. „Das ist aber auch schon die einzige gute Nachricht. Wir mussten einen Toten bergen und ob es einer der Schwerverletzten schaffen wird, steht auch in den Sternen“, sagte er, während er sich die Hose auszog. Er ließ sich auf sein Bett fallen und war eingeschlafen, kaum dass er die Matratze berührte. Sam breitete die Decke so gut es ging über seinen Bruder und legte den Quilt darüber. Es war zwar warm, aber er wollte nichts riskieren. Deans Arme schlossen sich um das Kissen. Er schnuffelte leise und schlief ruhig weiter. Viel zu früh riss Deans Handy ihn wieder aus dem Schlaf. Er streckte sich, setzte sich auf und rieb sich über die Augen. Ausgeruht war anders. Am liebsten würde er sich wieder fallen lassen und weiter schlafen. Aber der Gedanke daran, gleich wieder zur Wache zu fahren, tolle Kollegen zu treffen und vielleicht doch Leben retten zu können, ließ ihn die Müdigkeit verdrängen. Als er noch ganz Jäger gewesen war, hätte er sich nie vorstellen können, einmal jeden Tag zu einer geregelten Arbeit zu fahren und daran auch noch Spaß zu haben. Heute konnte er sich kaum noch vorstellen wieder auf die Straße zurück zu kehren und Monster zu jagen. Dieser Abschnitt ihres Lebens war lang gewesen, fast zu lang und er lag hinter ihnen. Er streckte sich noch einmal, gähnte und stand dann endgültig auf. Er tappte zur Kaffeemaschine und löffelte Pulver in den Filter. Heute brauchte er mehr als zwei Tassen, um halbwegs wach zu werden. Die Schicht verlief ruhig. Ausgeruht fuhr Dean danach zu seinem Lehrgang. Sam war auch nicht da, als er in ihre Wohnung zurückkam. Er warf einen Blick auf den Kühlschrank. Sein Bruder war arbeiten. Die Hand am Griff des Kühlschrankes überlegte er, ob er sich ein Bier nehmen und sich vor den Fernseher setzen sollte. Er war immer noch, oder schon wieder müde und zum Lernen hatte er keine Lust. Vielleicht sollte er ja Sams Rat befolgen, und sich mal richtig ausschlafen, obwohl er das vor ein paar Tagen ja erst hatte. Außerdem musste er heute Abend ja noch mal zur Nachtschicht. Schlafen war wirklich eine gute Idee. „Nur ein Glas Wasser, bitte. Ich möchte auf meine Begleitung warten“, wies Sam die Bedienung nun schon das zweite Mal ab. Er schaute zur Tür. Gerade als er sich wenigstens einen Kaffee bestellen wollte, kam Amita herein. Sam winkte kurz und sie kam auf ihn zu. „Hallo“, grüßte er und erhob sich kurz. Seine Augen wanderten über ihre Gestalt, die er bisher nur in Latzhosen und brauner Jacke kannte. Heute trug sie die Haare offen. In leichten Wellen umrahmten sie ihr Gesicht und ihre dunklen Augen strahlten wie Samt. Atemberaubend! ‚Verdammt! Sieht sie gut aus!‘ „Setz dich doch“, bat er heiser. Er winkte der Bedienung. „Mit Dean habe ich noch nicht reden können. Gestern nach dem Unfall ist er nur noch ins Bett und heute war er zum Lehrgang“, erklärte Sam und schob den Zuckerstreuer über den Tisch. „Okay“, dehnte Amita und musterte den Mann. Sie mochte ihn, war sich aber nicht sicher, ob er überhaupt mehr in ihr sah als eine Geschäftspartnerin. Sam überlegte fieberhaft, wie er ein Gespräch beginnen und so vielleicht mehr vor ihr erfahren konnte. Dann fiel ihm etwas ein. „Die Bilder von Indien in eurem Büro ...“, begann er und schaute sie fragend an. „Meine Mutter stammt aus Indien.“ Sie blickte auf und sah wirkliches Interesse in Sams Augen. „Mein Vater arbeitete für eine Hilfsorganisation in Indien. Er hat beim Aufbau von SOS Kinderdörfern und Krankenhäusern geholfen. Sie haben sich da kennen gelernt und geheiratet. Priya, Raja und Karan wurden in Indien geboren. Als mein Großvater hier schwer erkrankte sind sie in die USA zurückgekommen und Vater hat das Unternehmen übernommen. Mein Bruder Rahul und ich wurden hier geboren. Vor fast zwei Jahren übernahm Karan das Unternehmen.“ Sie schaute ihm in die Augen. „Und du? Wo kommst du her?“ Sam hatte ihr gebannt zugehört. Doch bevor er auf ihre Frage antworten konnte kam die Kellnerin mit ihrer Bestellung. Erst als sie wieder weg war, begann er von sich zu erzählen. „Ich bin in Lawrence, Kansas geboren. Mom starb bei einem Brand, da war ich ein halbes Jahr alt. Unser Vater hat das nicht verkraftet. Er begann zu trinken und verlor einen Job nach dem anderen und zog mit uns, Dean und mir, von einem Ort zum nächsten. Wir waren nirgends lange. Meine Schulen kann ich nicht zählen.“ Er zuckte mit den Schultern und ignorierte Amitas mitfühlenden Blick. „Es ist ewig her, aber es hat Dean und mich fest zusammengeschweißt. Nach dem Tod unseres … Vaters brauchten wir Zeit, um diese Lebensweise abzulegen. Im letzten Jahr habe ich es endlich geschafft, meinen Collegeabschluss zu machen und Dean hat erst die Ausbildung zum Rettungssanitäter, danach die als Feuerwehrmann begonnen und bestanden. Wir sind hergekommen, weil ich hier einen Studienplatz bekommen habe.“ Sein Zögern, bevor er Vater gesagt hatte, war ihr aufgefallen, doch das wollte sie nicht beim ersten Treffen, wenn es das denn war, erörtern, also fragte sie das Offensichtlichere. „Wenn ihr nur umhergezogen seid, wie ... ich meine, wie kommt ihr an das Haus?“ Wie konnten sich zwei Männer mit dieser Vergangenheit so ein Anwesen leisten. „Das haben wir von einer Großtante geerbt.“ Er zuckte mit den Schultern. Mehr würde er dazu vorerst nicht erzählen. Dafür war später Zeit, sollte es ein später geben. Sie nickte. Sam hatte schon mehr von sich preisgegeben, als sie es bei dieser Vergangenheit getan hätte. Sie schoben diese ernsten Themen beiseite und unterhielten sich über Filme und Bücher und lachten über kleine Anekdoten aus ihren Leben. Bis Sams Blick auf die Uhr fiel. „Oh verdammt! Ich wollte Dean Kuchen mitbringen! Jetzt muss ich mich sputen, wenn ich ihn noch erwischen will.“ Er trank seinen Kaffee aus. „Entschuldige bitte, wenn ich dich jetzt so sitzen lasse. Ich hatte es ihm heute morgen versprochen.“ „Heute morgen? Ich dachte, ihr habt euch nicht gesehen?“, fragte sie verwirrt. „Ja, per SMS.“ Sam grinste und jetzt lächelte sie auch. „Mach dir keinen Stress. Ich wollte eigentlich auch schon wieder in der Firma sein.“ Sie hatten sich wirklich verquatscht. „Treffen wir uns wieder?“, fragte Sam, dem sein hektischer Aufbruch wirklich leidtat. „Gerne“, erwiderte sie und schrieb ihre Handynummer auf eine Serviette und schob sie zu Sam. „Ruf mich an“, bat sie ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie das Café verließ. Verträumt schaute Sam ihr hinterher. Er schob die Serviette in seine Tasche und ging zur Theke, um ein paar Leckereien für seinen Bruder zu bestellen und alles zu bezahlen. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme“, entschuldigte sich Sam etwas atemlos, kaum dass er durch die Tür hereingekommen war. „Ich hatte mich mit Amita getroffen und wir haben uns verquatscht.“ „So wie du strahlst, sollte es dir eigentlich nicht leidtun“, lachte Dean, nahm ihm die Faltschachtel mit den Leckereien aber sofort ab, kaum dass Sam sie ihm hinhielt. „Es war also ein toller Nachmittag?“ „Ja. Sie ist witzig und neugierig, intelligent.“ „Und süß oder besser heiß“, ergänzte Dean und wackelte aufreizend mit den Augenbrauen. „Du findest sie heiß?“, fragte Sam misstrauisch. „Nein ... naja ... nein. Ich finde sie niedlich, aber sie ist nicht mein Typ. Deiner allerdings schon und du solltest sie heiß finden“, kommentierte der ältere Winchester. Sam zuckten mit den Schultern. „Keine Ahnung, schon ja, aber ...“ „Du brauchst Zeit, um sie besser kennenzulernen“, ergänzte Dean. In dieser Beziehung war Sam so ganz anders als er und er hatte ihn früher auch gerne damit aufgezogen. Heute freute er sich einfach nur für seinen kleinen Bruder, dass wenigstens der einer Freundin näher zu kommen schien. Sammy hatte es mehr als verdient, das Trauma Jess endlich hinter sich lassen zu können. Er nahm sich die Schachtel, zog seine Jacke über und schaute noch einmal zu Sam. „Danke hier für und ich freue mich für dich!“, erklärte er und machte sich auf den Weg zur Wache. Auch der letzte Arbeitstag dieser Schicht verlief für Dean ruhig. Kapitel 90: Hurra, Hurra, der Kobold mit dem roten Haar ------------------------------------------------------- 090) Hurra, Hurra, der Kobold mit dem roten Haar Die Sonne brannte noch immer heiß vom Himmel und die Brüder hatten beschlossen sich heute einen Tag am See zu gönnen. Im Haus waren sie gut voran gekommen. Zwar mussten sie noch in zwei Räumen im Erdgeschoss und im gesamten Keller ihr Vernichtungswerk wirken lassen. Doch nicht heute. Heute wollten sie sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen und ein paar Runden im Lake Griffin drehen. Doch zuvor wollte Dean zum Haus. Er hielt vor dem Portal, holte einen Eimer Leim und einen leeren Eimer aus dem Kofferraum und stieg zum Haus hoch. Sam folgte ihm. Er schnaufte. Inzwischen war es hier drin genauso heiß wie draußen. Da half auch das neue Dach nichts. „Was wird das?“, wollte er wissen und deutete auf den Eimer. „Ich glaube unser Kobold schnüffelt hier immer wieder rum!“ „Wie kommst du darauf?“ „Ich habe irgendwann einen Schatten gesehen, als eigentlich keiner mehr hier war und dann einfach ein paar Nägel ausgeschüttet. Sie waren eingesammelt, als ich das nächste Mal wiederkam. Ich habe es letzte Woche noch einmal gemacht und wieder waren sie eingesammelt.“ „Und jetzt willst du ihn fangen?“ Sam deutete auf den Leimeimer. „Aber warum, wenn du doch weißt wer es ist.“ „Ich will ihm eine kleine Lektion erteilen.“ „Ich weiß nicht, Dean. Er zahlt unsere Rechnungen“, gab Sam zu bedenken. „Ich will nur, dass er sich anmeldet und nicht einfach so hier herumschnüffelt. Jetzt wohnt hier keiner, aber ich habe keine Lust, dass er irgendwann im Bad steht, wenn ich aus der Dusche komme, oder noch schlimmer unsere, vielleicht mal, Frauen.“ Sam musste ihm zustimmen. Sie brachten die Eimer in die Küche. Dean schraubte den leeren am Boden fest und kippte den Leim hinein. Er hängte einen Lappen halb hinein und drückte den Deckel darauf. „Mal sehen, ob das schon ausreicht, seine Neugier zu wecken. Wenn er festklebt, kann ich ihm erklären, dass er das lassen soll.“ „Der bereut bestimmt, dass er uns das Haus überlassen hat, so wie es jetzt aussieht.“ Dean nickte grinsend. „Komm es hat ein neues Dach und sogar schon Solarpaneele.“ „Aber sonst sieht es verheerend aus.“ „Wie war das bei der unendlichen Geschichte? Es muss schlimmer werden, damit es besser wird?“ „Es muss weh tun, damit es heilt“, sagte Sam. „Aber ja.“ Er schaute sich um. „Ich werde Ruby anrufen, damit wir das Grundstück sichern. Vielleicht bringt das ja auch schon was.“ Dean nickte. „Tu das. Sicher ist sicher, auch wenn wir hier noch nicht wohnen.“ Sie gingen zum Impala zurück. Auch wenn es in dem fast noch heißer war, hier hatten sie wenigstens den Fahrtwind. „Ich denke, nächste Woche wird das Erdgeschoss fertig, dann kann ich im Keller anfangen“, begann Dean, „und ich habe überlegt, den Mechanismus für den Geheimraum an die Wand zu verlegen. Außerdem überlege ich, diesen Raum zu vergrößern. Dann kann da einer arbeiten, ohne dass die Bücher den Raum verlassen müssten.“ „Klingt gut“, nickte Sam. „Ich freue mich schon jetzt drauf, wenn die Bücher, die wie da drin noch gefunden haben, wieder in dem Raum verschwunden sind.“ „Sie liegen doch ganz gut, unter deinem Bett. Außerdem sind es wirklich keine Bücher, die so versteckt werden müssen.“ „Schon“, sagte Sam. „Trotzdem.“ Er überlegte: „Wir können Bobby fragen, wie er das mit seinem Panikraum gemacht hat.“ „Ja, sollten wir“, stimmte Dean ihm zu und lenkte den Wagen auf den Parkplatz. Der Tag am See war erholsam. Einfach nur genießen, daran könnten sie sich gewöhnen, so hin und wieder. Jetzt ließ sich Dean auf die Couch fallen. Er nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche, bevor er die auf den Tisch stellte. Er schaute zu Sam, der das Besteck auf den Tisch legte. „Wenn Dave für die Heizung kommt: Ich denke wir brauchen nicht den ganzen Tag im Esszimmer. Was sagt denn dein magisches Glas? Mit welchem Raum soll es dann weiter gehen?“, wollte Dean mit einem Blick auf das Einweckglas wissen, das im Regal stand und in dem drei gefaltete Zettel lagen. Sam holte das Glas, schraubte es auf und hielt es Dean hin. „Was soll ich denn damit?“, wollte der irritiert wissen. „Den nächsten Raum ziehen! Ich lege fest welche Räume infrage kommen und du suchst den aus, der es wird. Schon vergessen?“ „Nein, ich ...“ Dean überlegte. Irgendwas war da, aber an dem Abend war er wohl ziemlich durch den Wind gewesen. Er zuckte mit den Schultern, nickte und holte einen Zettel heraus. Er faltete ihn auseinander. Küche Dean nickte. „Die brauchen wir auf jeden Fall.“ Er war mit dieser Wahl zufrieden. Es würde vorwärts gehen. Sam suchte einen neuen Zettel aus dem Stapel, faltete ihn zusammen und warf ihn hinein. Nach seiner Schicht am folgenden Tag, fuhr Dean zum Haus. Zuerst schaute er natürlich nach seiner Falle, doch der Kobold war nicht da. Mist! Morgen hatte er Schule, da wollte er eigentlich nicht herkommen. Mal sehen, wie er das regeln konnte. Er holte sich den Hammer und machte in dem großen Raum neben der Küche weiter und kam gut voran. Wenn Sam und Chris ihm noch einen oder vielleicht zwei Tage helfen könnten, könnten sie sogar im Keller schon einiges rausreißen. Müde fuhr Dean am nächsten Tag zur Ruine. Hoffentlich war der Kobold da. Wenn nicht, wollte er den Eimer erstmal wegräumen und irgendwann später wieder aufstellen. Vielleicht sollte er dann auch ein paar Nägel in eine Leimpfütze legen? Er parkte den Impala und ging zum Eingang hoch. Schon bevor er die Eingangshalle betreten hatte, hörte er den Kobold zetern. „Das ist eine Frechheit“, schimpfte O´Flannagáin, kaum dass er Schritte hörte. „Du Flegel. Wie kannst du es wagen mich hier festzuhalten?“ „Wie ich es wage? Genau so“, erklärte Dean gleichmütig. Sollte der doch zetern. Er klebte fest. Was wollte er dagegen tun? „Ich wollte mit Ihnen reden.“ „Du hättest anrufen können! Und jetzt mach mich los!“ „Hätte ich“, nickte Dean und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Wären Sie drangegangen? Hätten Sie sich daran gehalten, wenn ich Sie gebeten hätte, sich hier anzumelden und nicht ungefragt hier herumzustreunen?“ „Warum sollte ich? Ich habe die Aufsicht über das Anwesen, dass ihr im Übrigen vollkommen zu Grunde gerichtet habt. Hätte ich gewusst, was ihr hier anstellt, hätte ich es euch nie überlassen! Wie konntet ihr das Vermächtnis von Mrs. Elisabeth so ruinieren?“ „Stimmt“, nickte Dean, „Im Moment sieht es wirklich wie eine Ruine aus. Aber es hat ein neues Dach. Sie haben uns das Haus förmlich aufgedrängt und gesagt, dass sie jede Rechnung zahlen. Also was wollen Sie?“, fragte Dean unschuldig. „Ich will dass du mich losmachst und ich will dass ihr das Haus wieder herrichtet! Keinen Cent werde ich mehr für euch freigeben!“, fauchte der Kobold und zerrte an dem Leimtopf. „Ohne Geld kein herrichten“, erklärte Dean trocken. „Mach mich los!“ „Wenn ich die Zusage bekommen, dass Sie sich anmelden, wenn Sie kommen wollen und dass Sie weiterhin die Rechnungen bezahlen!“, forderte Dean kalt. „Nichts bekommst du, wenn du mich nicht los machst.“ „Okay, dann fahre ich wieder. Mal sehen wann ich wiederkomme!“ Dean wandte sich ab und verließ die Küche. Noch bevor er drei Schritte weit gegangen war, rief ihn der Kobold zurück. „Und?“, hakte Dean nach, als ihn der Kobold nur wütend anstarrte. „Ihr bekommt das Geld. Drei Monate! Wenn sich bis dahin nichts ändert, war´s das!“ „Vier Monate und du kriechst hier nicht mehr ungefragt rum!“ O´Flannagáin verdrehte die Augen. Wütend zerrte er am Eimer. „Neugier ist eine Sünde“, lachte Dean. „Als ob mich eure Sünden interessieren würden!“ „Also?“, Dean gähnte. „So langsam bin ich mit meiner Geduld am Ende.“ „Vier Monate und ich krieche hier nicht mehr ungefragt rum“, knirschte der Kobold. „Geht doch“, nickte Dean. Er war sich zwar sicher, dem Kobold gerade eine Schlupfloch geboten zu haben, doch er war zu müde, um länger mit ihm zu diskutieren. Außerdem hoffte er auf Sam und Ruby. „Warte“, sagte er nur und ging in den Keller, um Wasser zu holen. Schnell war der Kobold vom Leim gelöst. O`Flannagáin funkelte Dean wütend an und verschwand wortlos. Dean ging zum Impala und hoffte, dass er den erstmal los war und dass der die Rechnungen weiter zahlte. Sonst würden sie alt aussehen. Sam war nicht da, als er in ihrer Wohnung ankam. Es war ihm ganz recht, auch wenn er das mit dem Kobold lieber sofort klären würde, jetzt wollte er nur noch ins Bett. Aber auch am Abend, als Dean aufstand, war Sam noch nicht da. Dean schaute auf den Kalender am Kühlschrank. Sam war arbeiten. Super. Hätte er draufgeguckt, bevor er ins Bett gegangen ist, hätte er eine Stunde länger schlafen können. Dann würde er jetzt eben in Ruhe etwas essen. Er schrieb Sam eine Nachricht und fragte ihn, wann er heute da wäre, weil er mit ihm reden wollte. Nach der Schicht fuhr Dean noch für ein paar Stunden zu Stan, da Sam erst am Abend Zeit hatte. Sam empfing seinen Bruder mit Pfannkuchen und Rührei mit Speck, als er am Abend aufstand. Er wartete, bis er den ersten Kaffee getrunken hatte und fragte dann: „Was ist denn so wichtig, dass du so dringend mit mir reden wolltest?“ Dean überlegte kurz. „O´Flannagáin ist ein Kobold. Ich habe ihn mit dem Leim erwischt und ihn gestern auch wieder freigelassen.“ „Aber?“, Sam schwante Böses. „Eigentlich kein Aber. Er hat gedroht unsere Rechnungen nicht mehr zu bezahlen. Er ...“ „Er will die Rechnungen nicht mehr bezahlen?“, fragte Sam entsetzt. „Aber wie sollen wir das Haus dann je fertig kriegen?“ Dean legte seine Hand beruhigend auf den Arm seines Bruders. „Haben wir im Moment offene Rechnungen?“ „Gestern kam eine von Karan über knapp 10.000.“ „Zahlt Flannagáin die auch oder gehen die so übers Konto?“ Das Finanzielle regelte Sam. Darum kümmerte er sich nie. „Ich bezahle sie, schicke sie ihm und er überweist das Geld.“ „Dann mach das genauso und wir sehen, was passiert. Zur Not greifen wir doch den Gewinn an und machen das Haus eben langsamer fertig.“ Dean rieb sich den Nacken. „Wenn er uns nicht in vier Monaten rausschmeißt.“ „Wieso in vier Monaten raus ...?“ „Er hat gedroht, weil wir das Haus zugrunde richten. Seine Worte. Er wollte uns drei Monate geben, um das Haus wieder herzurichten. Ich habe ihn auf vier hochgehandelt.“ „Wir schaffen das nie in vier Monaten!“ „In vier Monaten wird es besser aussehen als jetzt. Außer dem Dach reißen wir ja wirklich nur ab.“ Sam verdrehte seine Augen. „Es war eine blöde Idee, den zu fangen!“ „Möglich. Ich wollte ihn aber nicht ständig im Haus herumkriechen haben! Also warten wir ab, ob er die Rechnung zahlt und dann sehen wir weiter.“ „Ich weiß nicht“, sagte Sam resigniert. „Ich fand die ganze Idee schon nicht gut und kann nur hoffen, dass sie das jetzt nicht rächt. Was wenn er uns das Haus wieder wegnimmt? Ich meine … Ich habe mich schon darauf gefreut, da zu wohnen, aber wenn es nicht geht? Naja, wir haben noch das Haus auf dem Schrottplatz. Es ist nur, du hast da so viel Arbeit reingesteckt.“ Er seufzte. „Ich denke er hat nur gedroht. Wer soll ihm die Ruine denn wieder herrichten? Er hat keinen und abkaufen würde ihm das Ding so auch keiner. Aus irgendeinem Grund scheint er Mrs. Newton verpflichtet zu sein und sie wollte, dass wir das Haus erben. Ich bezweifle, dass er sich ihrem letzten Wunsch widersetzen kann. Außerdem zähle ich auf dich und Ruby. Ihr solltet das Anwesen so schnell wie möglich sichern vielleicht hält ihn das ja auch fern.“ „Ich bin immer noch nicht begeistert von deiner Aktion und dem was jetzt vielleicht passiert, aber ich rede mit Ruby.“ Er atmete tief durch. „Es bleibt uns ja nichts anderes übrig!“ Dean nickte. „Danke Sammy.“ Er räumte sein Geschirr weg und fuhr zur Arbeit. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen, aber er wollte diesen Gnom einfach mit im Haus haben und das schien ihm der sicherste Weg zu sein, um ihm das zu verstehen zu geben. Drei Tage später konnte Sam insoweit Entwarnung geben, dass O´Flannagáin die Rechnung gezahlt hatte. Kapitel 91: Whenever Wherever ----------------------------- 091) Whenever Wherever Dean parkte den Impala in der Tiefgarage. Er stellte die Kühlboxen an die Wand und ging nach oben. Gleich würde Dave kommen und mit ihm die ersten Platten für die Deckenheizung anbringen. Er war gespannt, wie das am Ende aussehen und dann auch funktionieren würde. Er stiegt die Treppe zum Erdgeschoss hinauf und mit jeder Stufe schien es wärmer zu werden. In der letzten Woche hatte es zwar einige Gewitter gegeben, aber die hatten die Hitze des Julis auch nicht beendet. Jetzt war es zusätzlich noch schwül und es sollte in den nächsten zwei Wochen, bis Mitte August, so bleiben. Draußen hupte es. Dean lief zur Tür. "Fahr einfach in die Tiefgarage." "Ihr habt ein neues Dach", stellte Dave nach einer herzlichen Begrüßung fest. "Ja. Das ist aber so ziemlich das einzig Neue hier", erwiderte Dean. "Und was habt ihr sonst noch gemacht?" "Na komm, ich zeig dir die Ruine", lachte Dean und begann im Keller. In dem Raum unter der Eingangshalle fehlte ein Teil der Bodenfliesen. Erst am vergangenen Wochenende hatten sie den Mechanismus für die geheime Kammer entfernt und auch die Wandfliesen. "Hier ist noch ein Raum?", fragte Dave auch sofort, als er die offene Geheimtür sah. "Ja, ein Weinkeller." "Dann würde sich hier ein Partyraum anbieten", meinte Dave und schaute sich um. "So ohne Fenster?" "Dahinter ist doch eine Art Hügel, auf dem die Terrasse liegt. Tragt den Hügel ab, lasst die seitlichen Treppen und erweitert den Raum hier bis unter die Terrasse. Dann hättet ihr genug Licht und noch einen Ausgang nach hinten." "Das hat Karan Branson letzte Woche auch schon vorgeschlagen", nickte Dean. "Und?" "Klingt ganz gut. Aber erstmal haben wir auch so genug zu tun.“ Sie gingen weiter. "Willst du das Schwimmbecken behalten?", fragte Dave, als sie in den großen Raum mit dem Pool kamen. „Ich denke schon, Wir denken auf jeden Fall darüber nach.“ "Dann solltest du ihn überprüfen lassen. Oder ihr lasst die Fliesen gleich rausschlagen. Das ist heute eh nicht mehr in." Dean verdrehte die Augen. Noch mehr Arbeit. "Lass das am besten gleich einen Poolbauer machen", schlug Dave vor. "Die sind schneller und wenn sie die Wand beschädigen, ist es ihre Problem. Aber das hast du nicht von mir." Er zwinkerte Dean zu. Dean lächelte nur. „Na komm, gehen wir hoch." Dean führte den Bauunternehmer ins Dachgeschoss und dann langsam nach unten. "Ihr ward verdammt fleißig!", staunte Dave. Außer dem Keller gab es in keinem Raum mehr Putz an den Wänden. "Wir wollten zuerst den Dreck und den Krach weghaben. Dann können wir hier einziehen, sobald wir zwei Räume, Küche und Bad haben." Dave nickte nur. Dean hatte noch nie viel Wert auf große Annehmlichkeiten und Luxus gelegt. "Lass uns anfangen", sagte er und folgte Dean in die Bibliothek. „Ist ja einfacher als ich gedacht hätte“, stellte Dean wenig später fest. Sie hatten gerade die ersten Platten der Deckenheizung angebracht. „Stimmt. Das hier ist kein Hexenwerk“, lachte Dave. „Na zum Glück!“ Dean schaute nach oben. Platten anbringen und Leitungen verlegen konnte er auf jeden Fall selbst. Das Anschließen würde der Handwerker von Karan machen, genau wie die Decke mit Lehmputz zu verputzen. „Das kriege ich hin!“ Die Arbeit ging ihnen schnell von der Hand. „Sollen wir gleich noch die Küche machen?“, wollte Dave wissen. Dean hatte ihm ja erzählt, dass die Decke wegen der Einbaustrahler und der Dunstabzugshaube etwas abgehangen werden sollte. „Zumindest die Unterkonstruktion können wir beginnen.“ Dean nickte begeistert. Sie packten ihr Werkzeug zusammen und gingen in der Küche, als es draußen hupte. Fragend schaute Dave zu Dean, der mit den Schultern zuckte. Er stieg von der Leiter und ging nach draußen. „Chris? Mac?“, fragte er überrascht. „Was macht ihr denn hier?“ „Du hast doch erzählt, dass du heute hier eine Deckenheizung einbauen willst, und wir dachten uns, dass wir da was lernen können und ihr vielleicht ja Hilfe braucht.“ „Na dann, immer hereinspaziert.“ Schnell hatte Dean Dave, Chris und Mac einander vorgestellt und sie begannen zu arbeiten. Als Sam am Abend gucken kam und, um seine Neugier wenigstens etwas zu kaschieren, Pizza brachte, war die Unterkonstruktion für die Decke in der Küche angebracht. Einige Ausschnitte für die Strahler ausgesägt, Kabel lagen genau wie der Schlauch für die Abzugshaube und sie hatten auch schon ein paar Platten für die Heizung angebracht. „Wahnsinn!“, staunte er „Ich hätte nicht gedacht, dass ihr so weit kommt.“ Sollte es ab jetzt wirklich vorwärts gehen? Irgendwie spukten ihm O´Flannagáins Drohung im Kopf herum. „Dank tatkräftiger Unterstützung von Chris und Mac“, freute sich Dean. „So könnte es weiter gehen.“ „Du musst nur Bescheid geben, wenn du Hilfe brauchst“, entgegnete Chris. „Ich kann auch weiter mit anfassen!“, wandte Sam ein. „Du hast dein Praktikum und musst für unseren Lebensunterhalt sorgen“ erklärte Dean kategorisch. "Wenn du dann noch Zeit hast, gerne. Aber dann hilfst du ja eh schon." Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche. „Allerdings könnte ich wirklich Hilfe gebrauchen“, gestand er kaum hörbar. „Manchmal bist du echt ein Blödmann. Warum sagst du denn nichts? Wir würden dir doch helfen!“, schimpfte Chris leise. Sam atmete tief durch. Sein Bruder nahm zwar seine Hilfe an, aber er hatte es immer noch nicht gelernt aktiv darum zu bitten. Aber wie auch, war er doch mehr oder weniger auf sich allein gestellt aufgewachsen. „Du stehst nicht mehr mit allem alleine da, Dean und dir reißt auch niemand den Kopf ab, wenn du es nicht schaffst“, erklärte Sam leise. „Ich weiß. Es ist nur so schwer umzusetzen, wenn ich doch weiß, dass ich es ja auch so schaffe.“ Sam schüttelte den Kopf. Die Erfahrungen eines Lebens waren nicht so schnell zu ersetzen. „Ich könnte ihn manchmal ...“, knurrte er wütend und frustriert. „Er ist tot“, erwiderte Dean genau wissend, über wen Sam da fluchte. „Das macht es auch nicht besser. Du kämpft immer noch damit!“ Chris und Mac schauten fragend zu Dave, der Dean augenscheinlich etwas länger kannte, doch der antwortete mit einem Schulterzucken. Auch er wusste nicht, worüber die Brüder sprachen. „Was müssen wir wegräumen?“, fragte Sam, als sie mit dem Essen fertig waren. Er trank sein Bier aus und stellte die Flasche weg. „Das Werkzeug muss in den Keller“, erklärte Dean leise. Nach Sam kleiner Ansprache war das Essen ziemlich ruhig verlaufen. Jetzt waren alle froh, dass sie etwas tun konnten. „Bringen wir es runter“, schlug Dean vor und erhob sich. Er nahm die Stichsäge und einen Hammer. Sam folgte seinem Bruder mit der zweiten Stichsäge. Er legte sie in den kleinen Raum, den sie für Werkzeug und Material nutzten, und als er sich umdrehte, um wieder nach oben zu gehen, stand er Dean plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er fasste die Gelegenheit beim Schopfe und umfasste Deans Arme. „Ich bin so stolz auf dich!“ Dean schaute ihn irritiert an. „Das war das erste Mal, dass du nach Hilfe gefragt hast.“ „Ich habe schon oft gefragt!“, erklärte Dean bestimmt. „Bobby und ich zählen nicht, auch wenn ich das eigentlich auch schon bemerkenswert finde.“ „Ich habe vor zwei Jahren immer fragen müssen!“ Dean schnaubte leise. „Und es war auch nicht wirklich eine Frage.“ „Bei dir war es eine. Gut kaschiert und so, dass niemand sich einen Vorwurf machen könnte, wenn du keine Hilfe bekommen würdest. Und ganz ehrlich? Vor zwei Jahren warst du nicht du, nicht wirklich!“, Sam schnaubte amüsiert. „Egal wie du es drehst, ich freue mich einfach, dass du endlich so weit bist und fragen kannst, dass du diesen Missbrauch endlich aus dem Kopf kriegst.“ „Er hat mich nie missbraucht!“, fuhr Dean auf seinen Bruder an und machte sich los. „Es gibt auch anderen Missbrauch als den und du willst jetzt nicht behaupten, dass es kein Missbrauch ist, ein Kind dazu zu zwingen, einem noch kleineren Kind Mutter und Vater zu ersetzen und für ihn die Krankenschwester zu geben, wenn er verletzt zurückkam? Du willst nicht behaupten, dass es kein Missbrauch ist, dass du dafür zu sorgen hast, dass niemand mitbekommt, dass zwei kleine Kinder tage- oder wochenlang alleine in einem Motelzimmer sind?“ Sam redete sich in Rage. „Dann nenn es eben Vernachlässigung oder Kindeswohlgefährdung. Es kommt auf das Gleiche raus.“ „Können wir das bitte wo anders diskutieren, oder besser noch: Nie wieder? Es ist nicht mehr zu ändern. Ich habe ... ich versuche ihn aus meinem Kopf zu bekommen. Ich habe ihn aus meiner Familie geworfen und den großen Helden demontiert. Alles Andere kommt irgendwann, vielleicht.“ Sam seufzte. Er wollte Dean einfach nur seine Freude über dessen Frage ausdrücken, aber er hatte sich zu diesen Worten verleiten lassen. „Es tut mir leid, Dean. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen. Ich wollte dir nur sagen, wie froh ich bin, dass du ... immer mehr du wirst.“ „Na ob das so gut ist?“, schnaubte Dean. „Es ist das, was ich mir für dich wünsche!“ „Hoffentlich wirst du nicht enttäuscht sein, wenn du irgendwann das Ergebnis siehst!“ „Ich glaube nicht!“ „Dann lass uns hier endlich fertig werden, ich will ins Bett!“, erklärte Dean und ging zu Treppe. Erst jetzt trauten sich Chris, Mac und Dave die letzten Stufen herunter. Sie hatten den Dialog der Brüder mitgehört und nicht mal die Hälfte verstanden, aber immerhin so viel, dass die Kindheit der Winchester-Brüder wohl noch schlimmer gewesen sein musste, als sie bis jetzt vermutet hatten. Sie legten die Werkzeuge ebenfalls in den kleinem Raum. Bis sie alles weggeräumt hatten, mussten sie nur noch einmal gehen, dann schloss Dean ab. Sie gingen zu ihren Autos. "Also, wann brauchst du Hilfe?“, fragte Chris, bevor er einsteigen wollte. „Wenn wir in diesem Monat unseren Familientag mal wegfallen lassen, könnten wir hier immer einen ganzen Tag arbeiten“, schlug Sam vor. Dean nickte kurz und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß ja nicht, wie du arbeiten musst ... Ich bin Montag, Mittwoch ab Mittag und Freitag den ganzen Tag hier.“ „Gut. Montag und Freitag kann ich“, entgegnete Chris. "Ich könnte auf jeden Fall Samstag", sagte Mac. „Danke“, erwiderten die Brüder fast gleichzeitig. Dean strahlte Chris und Mac an. Gleichzeitig war er auch neugierig, ob die Beiden wirklich kämen. So ganz ließ sich die kleine fiese Stimme in seinem Kopf noch nicht überhören, die ihm sagte, dass er es nicht wert war, dass ihm geholfen wurde. Energisch schob er sie beiseite. Das würde er spätestens Montag sehen. Chris lehnte am Montag schon an seinem Wagen, den er vor der Villa abgestellt hatte und grinste ihm entgegen. „Hey“, grüßte er, kaum dass Dean ausgestiegen war. „Kommst du auch schon?“ „Ich musste erst noch was essen. Ohne hätte Sam mich nicht aus dem Haus gelassen, wenn ich schon zu wenig schlafe.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Der entwickelt sich zur Glucke.“ Er lachte. „Und ich muss gestehen, ich mag es.“ „Bist du nie so umsorgt worden?“ Zu gut hatte Chris noch das Gespräch der Brüder im Ohr, dass sie vor wenigen Tagen geführt hatten und das irgendwie auch zu dem passte, was Dean ihm damals in Jackson bei dem Lehrgang erzählt hatte. „Als ich ganz klein war und Mom noch lebte“, erklärte Dean leise und wechselte das Thema. „Lass uns loslegen.“ Kapitel 92: In the air tonight ------------------------------ 092) In the air tonight Inzwischen war es Mitte August und immer noch keine Abkühlung in Sicht. Im Esszimmer und der Küche lagen die Kabel und Leitungen. Jetzt arbeitete Dean im Gäste-WC und der Garderobe. Viel musste er da nicht tun. Außerdem war er immer noch damit beschäftigt im Keller die Fliesen von den Wänden zu schlagen. Nur für den Pool hatten die Brüder einen Poolbauer beauftragt. Er sollte gleich den gesamten Raum gestalten. In den nächsten Tagen wollte Karan die ersten Räume verputzen und die Fenster einbauen. Dean überlegte, ob er Sam nicht fragen sollte, ob er schon einen neuen Zettel ziehen konnte oder ob er die Zeit genießen und fürs Lernen verwenden wollte. In zwei Wochen waren die Prüfungen. Dann würde er auch diesen Lehrgang beendet haben und endlich genug Zeit für das Haus und Stan. Er atmete durch und schon die Gedanken beiseite. Jetzt wollte er lernen und nicht träumen! Er zog sich sein Buch etwas näher heran und ... wurden von einem eingehenden Alarm unterbrochen. Feuer in Wohnblock ... droht auf andere Wohnungen überzuspringen ... Drehleiter, Rettungswagen, Rüstgruppe Sofort sprangen alle auf und liefen zu ihren Einsatzwagen. Sie stiegen in die Stiefel und kletterten auf ihre Plätze und schon jagte Brolin zum Einsatzort. Die 17 war die erste Wache, die vor dem Wohnblock eintraf. Chief Bradley warf einen Blick auf das brennende Gebäude und forderte Verstärkung. Hier drohte kein Übergreifen der Flammen, es war schon lange passiert. „Brolin, Peterson, Abluft schaffen. Gil, Win, Duke, Holland, sie suchen nach Personen“, der Chief deutete auf einen Eingang. „Romero, sie und ihre Rüstgruppe nehmen den Eingang rechts davon.“ Sofort stürmten die Männer los. In der Tür warf Dean einen Blick zur Decke. Keiner seiner Kollegen wusste warum, aber sie fragten auch nicht. Ihm schien es wichtig zu sein. Sie stürmten die Treppe nach oben. Dean orientierte sich kurz. Drei Türen. Er nickte Gillian zu und nahm die Hinterste, während Josh und Dave die mittlere Tür nahmen. „Feuerwehr Bloomington, melden Sie sich!“, brüllte Dean und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Er zögerte nur kurz, dann trat er sie ein und schaute sich sichernd um. Hier gab es drei Türen. Er öffnete die erste ein und stürzte hinein. „Feuerwehr Bloomington“, brüllte er, „melden Sie sich.“ Das Zimmer war leer! War es das? Hatte er etwas gehört? Schlugen seine Instinkte Alarm? Er drehte sich im Kreis und kippte dann das Bett zur Seite. Darunter lag ein Junge, vielleicht acht Jahre alt. Er klammerte sich an seinen Teddy. Dean zog seinen Atemschutz ab und lächelte den Jungen an. Aufforderns hielt er ihm die Hand hin. „Wie heißt du?“ fragte er. Cooper Gillian knurrte, das war jetzt echt nicht die Zeit für ein Schwätzchen. Aber er wusste auch, dass sie nur, wenn ihnen vertraut wurde, etwas erreichen konnten. „Leroy“ schniefte der Kleine. „Komm Leroy, ich bringe dich raus. Ist noch jemand hier?“ Der Junge nickte. „Meine Schwester und das Baby. Ich wollte zu ihnen, aber da war so viel Feuer. Es war so heiß!“ Dean nickte mit einem Lächeln. Er riss die Decke vom Bett, warf sie über den Jungen und drängte ihn zu Gillian. Dann wandte sich der zweiten Tür zu und öffnete die. „Feuerwehr Bloomington“, rief er in den Raum. Hier war wirklich niemand. Also auf zum dritten Zimmer. Er öffnete die Tür und stieß sie weit auf. Gleich neben der Tür stand ein Regal in Flammen und auch das Bett brannte schon. Er wollte sich gerade abwenden und noch einmal in den vorherigen Zimmern suchen, da schlugen seine Instinkte Alarm. Er schaute sich noch einmal genauer um. Ganz hinten in der Ecke drückte sich ein zehn- höchstens zwölfjähriges Mädchen in eine Ecke. Sie hielt ein Bündel in ihren Armen. Mit panisch aufgerissene Augen starrten sie den Feuerwehrmann an. Dean lief zu ihr und sah sich um. Hier gab es nichts, was er als Schutz für sie nutzen konnte. Er schob ihr seinen Atemschutz vors Gesicht und nahm ihr das Bündel ab, während er sich die Jacke aufriss und das Baby hineinschob. „Komm“, sagte er und hielt der Kleinen die Hand hin. Sofort drängte sie sich an ihn. Jetzt aber raus hier. Mit dem Rücken zu den Flammen, die Kleine vor sich herschiebend schafften sie es aus der Wohnung und die Treppen hinunter. An der Haustür kamen ihnen die Kollegen der Wachen 5 und 12 entgegen. „Wohnung 3-3 ist leer“, brüllte Gillian ihnen entgegen, „Und 3-2 auch.“, tönte es von Duke. Die Männer nickten und rannten nach oben. Gillian und Dean übergaben die Kinder den Sanitätern. Dean setzte sich seinen Atemschutz wieder auf und schon liefen sie wieder ins Haus und nach oben in den zweiten Stock. Zwei Wohnungstüren standen schon offen, also wandten sie sich der letzten geschlossenen Tür auf dieser Etage zu. Dieses Mal durchsuchte Lt. Gillian die Wohnung, während Dean sichernd im Flur stand und versuchte wieder zu Atem zu kommen. „Win“, rief Gillian ihn zu sich. Er musste nicht mehr sagen. Dean sah das alte Ehepaar. Der Mann lag neben dem Tisch und seine Frau saß halb im Sessel. Gillian kniete neben ihm. Dean trat zu der Frau und hielt ihr die Finger an den Hals. Er fühlte einen schwachen Puls. Er setzte ihr seine Maske auf und hob sie auf seine Arme. Ein kurzer Blick zu Gillian zeigte ihm, dass der den Mann geschultert hatte. Gemeinsam verließen sie die Wohnung und versuchten so schnell wie möglich nach draußen zu kommen. Hier übergaben die die Beiden den wartenden Rettungssanitätern. Kurz schaute Dean dem startenden Helikopter hinterher. Dann stützte er sich mit den Händen auf seinen zitternden Knien ab. Ihm war schwindelig. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Sie sollten sich auch untersuchen lassen“, versuchte der Notarzt ihn aufzuhalten, als der das sah. „Keine Zeit“ hustete Dean. Er schaute zu Gillian und schon waren sie wieder auf dem Weg in die nächste Flammenhölle. Es blieb nur noch eine Wohnung im Erdgeschoss, in der das Feuer nicht so sehr wütete, dafür gab es umso mehr Rauch. Wieder trat der Winchester die Tür ein und sie traten in die Wohnung. Über Funk hörte Dean wie Cooper nach draußen durchgab, dass er im Bad einen Mann neben der Tür und eine Frau in der Wanne gefunden hatte. Dean rannte zu ihm und gemeinsam schafften sie die Beiden nach draußen. Auf der Liege kam die Frau zu sich. Sie krallte sich in Deans Ärmel. „Meine Mädchen“, wisperte sie und versuchte sich aufzurichten. „Wir finden sie“, versprach Cooper. Er warf einen Blick zu seinem Partner. „Da sind noch Menschen im Haus“, erklärte Lt. Gillian an Chief Bradley gerichtet. „Drei Minuten! Keine Sekunde länger!“ Dean und Cooper nickten und liefen noch einmal in das Haus. Während Gillian sich den dritten Raum vornahm, ging Dean wieder in den, aus dem ihn sein Partner vorhin geholt hatte. Alle seine Instinkte sagten ihm, dass hier jemand war, doch wo? Er drehte das Bett um, nichts. Er schaute in den Schrank. Wieder nichts. ‚Denk nach verdammt, denk nach!’, forderte er stumm. Noch einmal drehte sich Dean im Zimmer. Der kleine Schrank, auf dem das Puppenhaus stand, zog seinen Blick an. Er lief hinüber, ging davor in die Hocke und riss die Schranktüren auf. Verschreckte Augen starrten ihn an. Die Kleinen versuchten fast mit der Rückwand des Schrankes zu verschmelzen. „Hab sie“, gab Dean durch. Er nahm die Maske ab und lächelte. Er wusste nicht, dass sein Gesicht total rußverschmiert war. Die Mädchen, Zwillinge wie Dean mit einem Blick feststellte, verschwanden noch weiter im Schrank, wenn das denn überhaupt möglich war. „Hey“, versuchte er heiser, „ich bin Dean. Eure Eltern warten da unten auf euch, kommt.“ er hielt ihnen die Hände hin. Hinter sich hörte Dean Cooper in den Raum kommen. Die Mädchen zögerten noch. „Verratet ihr mir eure Namen?“ Schon wieder begann sich alles vor seinen Augen zu drehen. Er versuchte tief durchzuatmen und musste husten. Eine der Beiden schniefte. „Jasmine“, sagte sie leise. „Und du?“, wandte sich Dean an das zweite Mädchen. „Camille“, piepste die. „Lasst und hier verschwinden“, erklärte er und hielt ihnen die Hände hin. Sie wussten nicht, vor wem sie mehr Angst haben sollten. Dem Feuer oder dem schwarzen Mann? Sie schauten sich an. Aber der schwarze Mann sprach von ihren Eltern. Außerdem war es hier so heiß! Noch immer zögernd legten sie ihre kleinen Hände in seine. Er zog sie aus dem Schrank und schob Jasmine zu Cooper. Er nahm Camille auf den Arm und stülpte ihr die viel zu große Maske übers Gesicht. „Jetzt siehst du wie ein Marsmensch aus.“ grinste er sie an. Die Kleine lächelte schüchtern zurück. „Raus hier“, forderte Cooper und beeilte sich zur Tür zu kommen. „Wir haben sie“, meldete er über Funk. „Löschen“, befahl Bradley, kaum dass er seine Männer aus der Tür kommen sah. Bei den Rettungssanitätern angekommen, nahm Dean der Kleinen die Maske ab und drückte sie auf eine der Liegen. Sofort wurde sie untersucht. Dean richtete sich auf und atmete durch. Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn. Er schloss die Augen und beugte sich nach vorn. Ihm war schwindelig. Sofort trat eine Notärztin neben ihn und auch Cooper stand ihm sichernd zur Seite. „Sie kommen besser mit“, bestimmte sie. „Ich habe hier noch genug zu tun. Wir sind noch nicht fertig!“, wehrte er ab. „Vergessen Sie es. Bei Ihnen besteht nicht nur der Verdacht auf eine Rauchvergiftung.“ „Du hast für heute genug gerettet“, bestimmte Cooper. „Lass die anderen auch was tun. Du gehst ins Krankenhaus oder ich schleife dich hin!“ Resigniert zuckte Dean die Schultern. Ihm war übel und sein Hals kratzte. Sofort schob ihn ein Sanitäter auf die Trage und stülpe ihm eine Sauerstoffmaske über. „Ich“, versuchte Dean sich nun doch noch zu wehren. Doch dieser Versuch wurde von einem heftigen Hustenanfall abgewürgt. Er kämpfte sich auf der Liege auf die Seite und krümmte sich zusammen. Immer wieder versuchte er die Maske vom Gesicht zu schieben, weil er sich sicher war, dann mehr Luft zu bekommen und genauso oft wurde sie ihm wieder aufs Gesicht gedrückt. Endlich hatte er sich etwas beruhigt. Die Trage wurde in den Wagen geschoben und Dean erhaschte einen Blick auf den Heckrotor. Heckrotor? Ein Krankenwagen hatte keinen Heckrotor! Sofort rutschte Dean zum Rand der Trage und wollte aufstehen. Der Sanitäter drückte ihn zurück. „Es ist okay. Wir bringen Sie ins Krankenhaus!“, versuchte er ihn zu beruhigen, doch er drang nicht mehr zu dem Winchester durch. Die Flugangst hatte ihn in ihrem unbarmherzigen Griff. Immer stärker versuchte er sich zu wehren. Er trat und schlug um sich. „Verdammt!“, schimpfte die Ärztin. „Was soll das denn!“ Der Pilot versuchte Deans Arme zu fassen zu bekommen, während sich der zweite Sanitäter über seine Beine warf und die Notärztin sich bemühte, die Jacke von Deans Schulter zu schieben. Deans Atmung wurde immer abgehakter und seine Befreiungsversuche immer verzweifelter aber auch immer kraftloser. Sie legte sich über Dean, öffnete einen Schub an der gegenüberliegenden Wand des Helikopters und holte ein kleines Fläschchen heraus. Sie öffnete einen weiteren Schub und kramte blind nach einer Spritze. Mit den Zähnen zog sie die Kappe von der Kanüle. Sie schob sie durch die Membran und zog die Spritze auf. Mit wenig Feingefühl rammte sie die Kanüle gleich darauf in Deans Schulter und injizierte das Beruhigungsmittel. Endlich entspannte sich der Körper auf der Trage. Deans Augen wanderten unfokussiert durch den Raum, dann senkten sich die Lider. Seine Atmung wurde ruhiger. „Ein Feuerwehrmann mit Flugangst?“, fragte der Pilot breit grinsend. „Sehen wir zu, dass wir ihn in die Klinik bringen!“, sagte die Notärztin und kontrollierte noch einmal die Pupillenreaktion ihres Patienten, nur um das faszinierende Grün noch einmal zu sehen. Schnell hatten sie ihn auf der Liege festgeschnallt. Dann hob der Helikopter ab. Lt. Cooper Gillian wandte sich nun endgültig wieder dem Löschen des Hauses zu. Bis jetzt gehörte seine Aufmerksamkeit eher Dean und er fragte sich, ob das, was er da zu sehen glaubte real war und warum sich Dean so gewehrt hatte. Die Klärung dieser Frage verschob er auf später. Kapitel 93: Shadowside ---------------------- 093) Shaddowside Endlich hatten sie das Feuer gelöscht und räumten ihre Schläuche zusammen. „Wo ist Dean?“ Lt. Cooper Gillian musterte den Mann, der neben ihm stand. Er war verdammt groß und breit und gehörte zu Wache 5. „Wer will das wissen?“, fragte er misstrauisch. „Christopher Saintclair. Chris. Wir sind Freunde. Ich war mit Dean in der Ausbildung.“ „Win wurde ins Krankenhaus gebracht. Verdacht auf Rauchvergiftung“, gab er Auskunft. „Weiß sein Bruder, Sam, Bescheid?“ „Warum, Dean kann ihn doch irgendwann später anrufen?!“ natürlich wusste Cooper wer Sam war. Aber wieso sollte der unbedingt Bescheid wissen? Es war ja nichts Lebensbedrohendes. Er zuckte mit den Schultern. Wortlos begann Chris in den Tiefen seiner Hose zu graben und förderte sein Handy zu Tage. Er wählte eine Nummer. „Die Beiden sind da etwas eigen. Sie haben ein anderes Verhältnis zueinander als normale Geschwister. Liegt an ihrer Vergangenheit“, erklärte Chris, als er das fragende Gesicht sah. Ein verschlafener Sam meldete sich. „Sam, hier ist Chris. Wir hatten einen Einsatz. Dean ist im Krankenhaus. Rauchvergiftung“, sprach er ins Telefon und lauschte dann eine Weile. „Wo?“, wollte Chris von Cooper wissen. „Uni. Die haben ihn mit dem Hubschrauber hingebracht“, antwortete der und Chris bekam große Augen. "Hast du´s gehört?" Ein breites Grinsen zierte Chris´ Gesicht, während er zuhörte. Dann nickte er "Wir sehen uns da“, sagte er und klappte sein Handy zu. „Ich fahr nach der Schicht auf jeden Fall noch ins Krankenhaus.“ erklärte er Cooper. „Ich denke, dass wir eh nachher da sind.“ "Okay, treffen wir uns am Eingang?" Chris nickte, dann beeilte er sich seinen Schlauch zusammenzurollen und zu seinem Wagen zu kommen, nicht dass die ohne ihn losfuhren. Auch die 17 räumte den Einsatzort, doch sie kehrten nicht sofort zur Wache zurück. Wieder hielt der Wagen vor dem Krankenhaus und die Männer stürmten die Notaufnahme. Die Schwester an der Anmeldung lächelte nur und ging ihnen entgegen. "Es geht ihm so weit gut. Er bekommt reinen Sauerstoff und wird wohl noch zwei Tage zur Beobachtung bleiben müssen", erklärte sie in die Runde. Die Männer atmeten durch und nickten. "Können wir ihn besuchen?", wollte Josh wissen. "Später gerne", antwortete ein Arzt, anstelle der Schwester, "jetzt brauche er Ruhe." "Gut!", nickte Gillian. "Wo liegt er?" "Zimmer 359" "Sie haben es gehört. Also zurück zur Wache. Lassen wir die Leute hier arbeiten und stehen nicht im Weg rum!", forderte Bradley. Seine Männer murrten zwar, verließen aber einer nach dem anderen die Notaufnahme. Sam sah den Einsatzwagen um die Eck biegen. Er lächelte. Es war schön, dass sich die Wache so um ihre Männer kümmerte und dass sie Dean mit einbezogen. Das war es, was Dean brauchte und das hätte er von Anfang an so kennenlernen sollen. Er stellte seinen Wagen ab und ging zur Anmeldung. "Sam Winchester", stellte er sich der Schwester vor. "Mein Bruder wurde gerade hier eingeliefert. Rauchvergiftung. Er ist Feuerwehrmann. Kann ich jemanden sprechen, der weiß, wie es ihm geht und kann ich zu ihm?" "Nehmen Sie bitte Platz? Ich sage dem Arzt Bescheid und er ruft sie dann." Sam nickte. Er holte sich einen Kaffee und ging zu einem der Stühle. Der Arzt kam, als er seinen Becher gerade ausgetrunken hatte. "Mr. Winchester? Ich bin Dr. DeRusso." "Guten Morgen, Doktor. Wie geht´s meinem Bruder?" "Er hat eine Rauchvergiftung und bekommt Sauerstoff. Mehr kann ich Ihnen noch nicht sagen." "Und wie lange muss er hierbleiben?" "24 bis 36 Stunden, vielleicht auch etwas mehr." "Danke Doktor. Kann ich zu ihm?" "Er sollte eigentlich schlafen, aber Sie können gerne nach ihm sehen. Zimmer 359." "Danke", sagte Sam und lächelte den Arzt an. Er holte sich einen Kaffee und ging zum Treppenhaus. Während Sam mit dem Arzt sprach, trafen sich Chris und Cooper vor dem Eingang des Krankenhauses. "Weißt du, wo wir hin müssen?", wollte Chris wissen. "Ja, Zimmer 359." "Dann los!" Sie betraten das Krankenhaus und gingen, ohne sich groß umzusehen zu den Fahrstühlen. Vor Deans Tür angekommen, klopften sie. Vorsichtig schob Chris die Tür auf. "Hm", machte er nur und wunderte sich, dass Sam nicht da war. Sie musterten den Winchester von ihrem Platz aus. Er war blass, schien zu schlafen. "Sollen wir einfach rein gehen oder kommen wir später wieder?" Fragend sah Cooper zu Chris. "Gute Frage." Sam erreichte die 3. Etage. Er rannte durch die Gänge und schaffte es gerade so bei Chris und dem anderen Mann zum Stehen zu kommen. "Hey", grüßte er und musterte beide. Sie sahen besorgt aus. "Hey", grüßte Chris mit einem Lächeln und machte ihm sofort Platz. Auch der Begleiter ging zur Seite, hielt seinen Blick aber weiterhin neugierig auf Sam gerichtet. Vorsichtig steckte der jüngere Winchester seinen Kopf durch die Tür. Dean schaute ihm entgegen. Er hatte auf Sam gewartet, weil er hier raus wollte. Zwar fühlte er sich müde und zerschlagen und sein Hals kratzte, aber das konnte er auch in ihrer Wohnung auskurieren! Jetzt drehte er den Kopf zur Tür und zog sich sofort die Maske vom Gesicht. Seine Hand glitt zur Decke und er machte Anstalten sich aufzusetzen. Sofort stand Sam neben ihm und drückte ihn sanft, aber bestimmt zurück in die Waagerechte. "Ich will hier raus!", erklärte Dean heiser und versuchte sich gegen Sam zu stemmen. Selbst diese Anstrengung brachte ihn dazu nach Luft zu japsen. Gleich darauf wurde er von einem heftigen Hustenanfall durchgeschüttelt. „Dean bitte. Hier wird dir effektiver geholfen!“ „Ich will aber nicht bleiben! Ich ...“ , presste der mühsam hervor. „Genau deshalb nehme ich dich auf keinen Fall mit“, erklärte Sam ungerührt als Dean japsend Luft holte. Sanft schob er ihm die Atemmaske wieder über das Gesicht. "Wenn du nur deswegen nie mehr arbeiten könntest, könnte ich mir das nie verzeihen." „Sammy bitte.....ich will nicht. Ich kann mich auch auf der Couch ausruhen“, bettelte der Ältere. In seinen Augen lauerte etwas, das Sam irritierte. Er versuchte das Gefühl, das in ihm aufkeimte zu ignorieren. „Versuch zu schlafen“, bat er leise. "SAM!", hustete Dean. "Menschen sterben in Krankenhäusern!" Jetzt verstand Sam und doch konnte er es nicht verstehen. Wo kam diese Angst plötzlich her? Reichte es aus, wenn er mit Vernunft argumentierte? "Du warst schon so oft im Krankenhaus und bis nicht gestorben!" "Das war mehr Glück als Können. Ich will weder mein Leben noch meinen Verstand hier lassen! Sam! Bitte! Ich ... " Dean atmete ein paar Mal durch. "Ich habe endlich ein Leben und ich will keine Sekunde davon in einem Krankenhaus verbringen! Es ist ... Die haben hier nichts, was ich auf meiner Couch nicht auch habe und ich verspreche dir auch brav liegen zu bleiben." Deans Stimme war kaum noch zu verstehen. Die Trauer in seinen Augen raubte Sam den Atem und er schwankte kurz in seinem Ansinnen. "Die haben hier Sauerstoff und eine lückenlose Überwachung, dass sich dein Körper erholt. Ich muss in die Kanzlei. Ich kann nicht immer da sein und auf dich Acht geben." Er verstand seinen Bruder ja - irgendwie. Trotzdem! "Du wirst hier weder Leben noch Verstand verlieren. Du hast nur ´ne Rauchvergiftung. Bleib hier und ruhe dich aus. Tu was die Ärzte sagen und du bist schneller raus, als du denkst und kannst da weiter machen, wo du aufgehört hast. Sieh es als Ruhepause. Du hast dir in den letzten Monaten kaum einen Moment zum Durchatmen gegönnt." Sam grinste kurz. "Ich könnte mich mal wieder für Rocky Ford rächen." "Oh man, wie lange willst du mir das eigentlich aufs Brot schmieren?" "Bis du begreifst, dass auch ein Krankenhaus seinen Sinn hat." Dean verdrehte die Augen und schnaufte frustriert. "Bringst du mir wenigstens meine Bücher mit?" "Mache ich. Und jetzt schlaf." "Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig!", maulte der, schloss demonstrativ die Augen und drehte Sam den Rücken zu. "So ist´s brav", lachte Sam. "Dann bringe ich dir heute Nachmittag auch ein Stück Kuchen mit." "Ein großes", nuschelte Dean fordernd in die Maske. Über Sams Gesicht huschte ein Lächeln. "Schlaf!" Dean nickte kaum sichtbar. Er entspannte sich und war binnen Minuten eingeschlafen. Sam schloss die Augen und seufzte. Da hatte er so einiges, worüber er nachdenken musste. Warum hatte Dean immer noch diese Angst, dass ihm das jetzige Leben einfach zwischen den Fingern zerrinnen könnte? Saß das Trauma von Moms Tod und die, daraus resultierende, radikale Veränderung seines Lebens so tief? Hatte er Angst, dass das wieder passieren konnte? Er schnaubte. Wahrscheinlich hatte sich das in jede einzelne Zelle seines Körpers gefressen. Er zog die Decke etwas höher und ließ seine Hand auf Deans Schulter ruhen. Ganz sanft drückte er die. Er würde gleich noch mit Nick telefonieren. Vielleicht hatte der ja Zeit, um Dean zu besuchen. Und er musste Bobby informieren. Jetzt hatte er alle Informationen und mit Dean gesprochen. Jetzt konnte er Bobby guten Gewissens beruhigen und musste ihn nicht anlügen. Noch einmal drückte er Deans Schulter, dann verließ er das Zimmer. „Was ist das mit den Beiden?“ fragte Cooper Chris leise, als Sam noch mit seinem Bruder diskutierte. Das Ganze kam ihm doch ziemlich komisch vor. Er wusste zwar, dass Dean hier mit seinem Bruder lebte und auch, dass er ein Haus umbaute und einen Schrottplatz übernehmen würde. Aber er hatte nie erklärt warum er mit seinem Bruder zusammenlebte und er hatte auch nie über seine Vergangenheit oder Familie gesprochen. „Ich weiß auch nur, was Dean mir erzählt hat. Sie haben ihre Mutter sehr früh verloren. Danach ist ihr Vater mit ihnen von einem Ort zum nächsten, von einem Job zum nächsten gezogen. Dean meinte mal das sie teilweise zehn, zwölf Mal im Jahr oder sogar noch öfter die Schule gewechselt haben. Viel zu wenig Zeit, um jemanden kennen zu lernen, geschweige denn Freunde zu finden. Die beiden hatten nur sich, da ihr Vater sie wohl meistens allein gelassen hat. Deshalb hängen sie so aneinander. Vor ein paar Jahren ist der Vater bei einem Autounfall gestorben. Sie haben diese Lebensweise noch eine Weile beibehalten, bis sie sesshaft werden konnten.“ Er warf einen Blick zu den Winchesters im Zimmer. „Sie erzählen nicht viel von ihrer Vergangenheit und vor allem Dean braucht länger, bis er einem Menschen vertraut.“ Chris zuckte ratlos die Schultern. Er und Mac waren inzwischen zu Freunden der Brüder geworden und er selbst wusste ein bisschen mehr von ihrem Leben. Trotzdem war auch für ihn diese tiefe Verbindung zwischen den Brüdern immer noch ein Mysterium. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass meine Eltern nicht da sind.“ überlegte er mehr für sich. „Ich hab mein Leben in dieser Stadt verbracht und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie es ist ständig umziehen zu müssen.“ „Na?“, fragte Sam, der plötzlich neben den Männern stand. „Breitest du unser Leben vor ihm“, sein Blick wanderte zu Cooper, „aus?“ „Ich ...“ Chris starrte auf seine Schuhspitzen. „Er hat gefragt und ich ...“ „Es ist okay, irgendwie“, entgegnete Sam etwas versöhnlicher. „Auch wenn ich nicht weiß, wer Sie sind.“ „Cooper Gillian. Ich bin Lieutenant der Drehleiter auf der Wache 17. Dean und ich arbeiten viel zusammen.“ „Von Ihnen hat er erzählt, ja. Jetzt habe ich endlich ein Gesicht zu einem Namen.“ Er musterte Cooper mit einem Lächeln. „Sie konnten ihn also auch nicht dazu bringen mehr auf sich zu achten?“, fragte Sam. „Nein, ich ... Wir haben mehrere Menschen gerettet und ...“ „Ist schon okay. Ich glaube, wenn Dean anfängt, nur auf sein Leben zu achten, muss ich mir Sorgen machen.“ Sam grinste schief. „Wie geht’s ihm?“ wollte Chris jetzt wissen und schaute zu Sam. „Beschissen, denke ich. Er hat ziemlich schnell aufgegeben.“ „Aufgegeben?“ Cooper war irritiert. „Normalerweise will er auch dann aus einem Krankenhaus raus, wenn er den Kopf unterm Arm trägt.“ Sam schüttelte traurig grinsend den Kopf und schaute noch einmal zur Tür, hinter der er Dean wusste. Kapitel 94: Grüne Augen ----------------------- 094) Grüne Augen „Wie wäre es mit einem Kaffee?“, fragte Chris in die Runde. Cooper nickte. Sam sah auf seine Uhr. Er hatte noch eine gute Stunde, bis er los musste, also nickte er auch. „Ich muss nur schnell zwei Anrufe machen!“ Gemeinsam gingen sie in die Cafeteria. Sam suchte sich eine ruhige Ecke und wählte Bobbys Nummer. „Was ist passiert?“, begrüßte Bobby den Winchester. „Warum muss immer gleich es passiert sein?“, fragte Sam nach. „Weil du nie um diese Zeit anrufst, es sei denn ...“ Sam schnaufte. Dieser Logik hatte er nichts entgegenzusetzen. „Dean ist im Krankenhaus. Er hat eine Rauchvergiftung. Nichts Schlimmes. Aber er muss erstmal bleiben“, informierte er den Freund. „Ist wirklich nichts Schlimmeres?“ „Nein.“ „Und Dean bleibt freiwillig?“ „Ich hoffe es. Er keucht ganz schön und wo kann er schneller wieder fit werden als hier, wo sie ihm Sauerstoff geben können. Ich hoffe einfach, dass er versteht, dass er sonst vielleicht nie wieder als Feuerwehrmann arbeiten kann.“ Bobby brummelte etwas, dann schnaufte er frustriert. „Grüß ihn von uns und pass auf ihn auf.“ „Mache ich Bobby. Wie geht’s euch? Wie geht’s Jody?“ Schon wieder schnaufte Bobby. „Sie wird immer nervöser. Ihr Deputy hat alles getan, um ihren Ruf zu zerstören. Sie hat Angst, dass sie nicht wiedergewählt wird. Aber es bedeutet ihr viel, dass ihr kommen wollt.“ „Wir würden sie nie hängen lassen. Ist nur blöd, dass wir so weit weg sind. Nur telefonieren ist nicht das Gleiche wie sich sehen oder sich in den Arm nehmen können.“ „Gut, dann kümmerst du dich darum, dass Dean wieder fit wird, und ich versuche Jodys Laune nicht ganz in den Keller rutschen zu lassen.“ „So machen wir es. Ich melde mich wieder“, erklärte Sam und legte auf. Auch das noch. Er hatte immer gehofft, dass die Menschen von Sioux Falls Jodys gute Arbeit sahen und ihr das neue Glück mit der Zeit gönnen würden, dass sie dem so ablehnend gegenüberstanden, hatte er nicht erwartet. Schnell wählte er noch Nicks Nummer, doch der ging nicht an sein Telefon. Er schaute sich in der Cafeteria um und ging zu den beiden Männern hinüber. Chris schob ihm einen Latte vor die Nase. „Danke“, nickte Sam mit einem kurzen Lächeln. „Noch mehr Sorgen?“, wollte Chris wissen. „Ja“, gab Sam zu, „nur lassen die sich nicht so schnell aus der Welt schaffen wie Deans Rauchvergiftung.“ Er trank einen Schluck. „Aber das gehört nicht hier her.“ „Weißt du warum Dean so eine Angst vor Krankenhäusern hat?“, ergriff Cooper die Chance. "Ich meine, es riecht hier ziemlich streng und das Essen ist vielleicht auch nicht das Wahre, aber sonst? Wir sind versichert. Also was ist hier so schlimm, dass er unbedingt raus will?" „Das liegt in der Vergangenheit. Es ist Jahre her, da hatte er einen starken Stromschlag bekommen. Es sah nicht gut aus, aber er hat es überlebt und bei dem Unfall, bei dem John starb, war Dean viel schwerer verletzt worden. Eigentlich hätte er sterben müssen und nicht John.“ Sam zuckte mit den Schultern. Er wollte nicht daran denken. Nicht an den Streit davor und nicht daran was John von Dean verlangte, bevor er starb und auch nicht an das Danach. „John ist ...“, hakte Cooper nach. „Unser Erzeuger.“ Mehr wollte Sam ihm nicht mehr zugestehen. „Und was meinte er mit Verstand einbüßen?“ bohrte Cooper wenig feinfühlig nach. Wann bot sich schon mal die Möglichkeit mehr über Dean zu erfahren? „Das Leben verlieren hast du erklärt, aber wie kann man in einem Krankenhaus den Verstand verlieren?“ Chris schnappte nach Luft und Sam schüttete den Kopf. Er schnaufte, bevor er doch antwortete: „Das ist noch nicht so lange her. Wir haben einer Freundin geholfen und dabei wurde Dean in einer Höhle verschüttet. Er hatte ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, lag lange im Koma und hatte, als er endlich aufwachte, eine Amnesie.“ Sam grinste schief, als er versuchte das Grauen von damals, dass sich gerade wieder in ihm breit machen wollte, zu vertreiben. „Es hat mehr als sechs Monate gedauert, bis er sich wieder erinnern konnte.“ Sam trank seinen Kaffee auf und blickte auf die Uhr. „Ich muss zur Kanzlei“, sagte er eher an Chris gewandt. „Sehen wir uns später?“ „Klar“, nickte Chris. „Ich lasse ihn jetzt nicht alleine.“ „Danke“, sagte Sam. Er brachte das Tablett weg. Chris und Cooper blickten ihm nach. Sie waren jetzt auch nicht viel schlauer als vorher. Sams Erklärungen hatten eher noch mehr Fragen aufgeworfen. Bevor Sam das Krankenhaus verließ, schaute er nochmal bei Dean vorbei. Sein großer Bruder schlief. Lächelnd strich Sam die Decke über Dean glatt, dann machte er sich auf den Weg. Er wollte die Kanzlei gerade betreten, als sich Nick meldete. „Hey“, grüßte der. „Wie komme ich zu der Ehre deines Anrufes?“ „Dean ist im Krankenhaus. Ich wollte nur fragen, ob du ihn mal besuchen kannst, von mir aus auch mit Ruby.“ „Oh Gott, Sam, was ist passiert?“, fragte Nick. „Er hat eine Rauchvergiftung.“ „Schlimm?“ Sorge sprach aus der Stimme des Agenten. „Dean ist zäh. Mit etwas Ruhe wird das schon wieder.“ „Ich bin nicht in der Stadt, wollte aber spätestens übermorgen wieder da sein. Wo Ruby ist, kann ich dir nicht sagen.“ „Ärger im Paradies?“ „Nein. Sie tut ihr´s und ich meins. Ich muss nicht alles wissen, was sie macht.“ Sam grinste. „Alles gut. Grüße sie von mir.“ „Mache ich. Ich werde versuchen morgen schon zurückzukommen. Wenn Dean noch im Krankenhaus ist, werde ich ihn besuchen.“ „Danke“, sagte Sam und legte auf. Er fuhr sich durch die Haare und strich seinen Anzug glatt, dann betrat er die Kanzlei. Dean verschlief den Tag. Erst am frühen Abend wurde er langsam wieder wach. Er schaute sich kurz um. Sam war noch nicht hier gewesen. Aber der hatte ja auch noch sein Praktikum in dieser Wirtschaftskanzlei. Noch zwei Tage, dann wäre er erlöst und so wie Sam immer wieder die Augen verdrehte, wenn es um Wirtschaftsrecht ging, würde er wohl nicht in diese Richtung gehen wollen. Sein Magen grummelte. Klar. Er hatte ja auch seit gestern Abend nichts mehr gegessen und eigentlich hatte er sich auf den Apfelkuchen gefreut. Aber so langsam brauchte er wohl doch etwas zu essen. Sollte er noch warten oder doch nach einer Schwester klingeln? Ein paar Minuten würde er noch aushalten. Unschlüssig stand sie vor der Tür. Die letzten zwei Tage waren hektisch gewesen. Da war der Einsatz bei dem schweren Brand nur einer von mehreren und auch jetzt trug sie noch ihre Hubschraubermontur. Ihr Herz klopfte als sie die Hand ausstreckte. Sollte sie ihn besuchen? Aber warum eigentlich nicht? Sie musste sich ihm ja nicht an den Hals werfen oder ihm verraten, wie sehr sie von seinen grünen Augen fasziniert war. Sie wollte sich doch nur erkundigen, wie es ihm ging. Immerhin war es eher selten, dass sie einen Feuerwehrmann ins Hospital bringen mussten. Energisch streckte sie ihren Arm aus und klopfte. Gedämpft klang das „Herrin“ durch die Tür. Sie öffnete und trat ein. „Hey“, grüßte sie der Mann, der in dem einzigen Bett in dem Zimmer lag und ihr noch immer etwas blass aber mit leuchtenden Augen entgegenblickte. Sie blieb wie erstarrt stehen. „Haben Sie sich vielleicht im Zimmer geirrt?“, wollte er leise wissen und er fragte sich, wo er sie gesehen hatte. War das nicht die Notärztin, die Romero ins Krankenhaus gebracht hatte. Hatte sie vielleicht auch ihn ...? „Ich wollte nur sehen, ob diese Augen wirklich so grün sind“, sagte sie und starrte ihn noch immer unverwandt an. Dean klimperte mit den Wimpern und grinste sie breit an. „Um das zu klären, sollten Sie wohl etwas näherkommen!“ Sie wurde rot und starrte ihn entsetzt an. „Das hab ich jetzt nicht laut gesagt, oder?“, Ihre Stimme klang leicht panisch. Er musterte sie interessiert. Die streichholzkurzen, dunkelblonden Haare und diese großen, leuchtenden, blaugrauen Augen ließen ihn an einen Kobold denken. Einen süßen Kobold. Verwirrt strich er sich durch die Haare. Was hatte er in letzter Zeit nur dauernd mit Kobolden? „Sollte ich Sie näher kennen?“, wollte er also wissen, weil sie noch immer nicht reagierte. „Naja, Sie waren ziemlich weggetreten.“ „Sie sind also doch die Notärztin, die mich zu einem Hubschrauberflug gezwungen hat!“, entfuhr es ihm entrüstet. „Und Sie haben Flugangst!“, stellte sie ruhig fest. Ihr Koboldgrinsen und das Funkeln in ihren Augen straften ihre Ruhe allerdings Lügen. „Ist das ein Verbrechen?“ „Nein. Ich finde es eher niedlich. Ein Feuerwehrmann, der mehrere Kinder und einen Erwachsenen aus den Flammen rett, hat Flugangst.“ „Ich bin nun mal lieber mit den Füßen auf dem Boden! Der Mensch ist nicht fürs Fliegen gemacht!“ „Das sehe ich anders“, lachte sie. „War ja klar“, erwiderte Dean und deutete auf ihre Montur. Er zog eine Schmollschnute. Sie lachte leise. „Verraten Sie mir wem ich die Ehre dieses Besuches zu verdanken habe?“, wollte der Winchester wissen. Seine Augen ruhten noch immer warm auf der Ärztin. „Ich bin Madeleine Fisher, Notärztin hier.“ „Dean Winchester, Feuerwehrmann“, stellte sich nun auch Dean offiziell vor und deutete ein Nicken an. Verbeugen ging im Liegen ja auch schlecht. „Jetzt da ich gesehen habe, dass es Ihnen so weit gut geht, werde ich mal wieder gehen“, verabschiedete sie sich und wandte sich um. „Vielen Dank für Ihren Besuch“, sagte Dean und ließ sich wieder richtig in die Kissen fallen. Hoffentlich kam Sammy bald und holte ihn hier raus, auch wenn diese Ärztin durchaus was hatte. Aber sie war Notärztin. Die würde er hoffentlich nicht so schnell wiedersehen. Madeleine schloss die Tür und wollte gerade wieder nach unten gehen, als ihr eine Schwester entgegenkam. „Mads?“, rief sie überrascht. „Bist du es wirklich?“ „Ava. Schön dich zu sehen. Wie geht’s der Kleinen?“ „Gut. Sie wächst und gedeiht und ist jetzt halbtags bei meiner Mutter. Ich wollte wieder arbeiten gehen. Aber sag mal, was ist denn mit deinen Haaren passiert?“ Ungläubig starrte Ava auf den Igelschnitt. „Die waren mal so schön lang.“ „Ich wollte das Schwarz endlich loswerden.“ Madeleine zuckte mit den Schultern. „Meinen Haaren ist das nicht bekommen und da habe ich, bevor ich wie ein zerrupftes Huhn aussehe, eben kurzen Prozess gemacht und sie komplett abgeschnitten.“ „Das hätte ich nie gekonnt.“ „Ich habe mich auch noch nicht wirklich daran gewöhnt, aber sie wachsen ja wieder.“ In dem Moment leuchtete, zwei Türen weiter, die rote Leuchte auf. „Ich muss weiter“, sagte Ava. „War schön, dich mal wieder gesehen zu haben“, freute sich Maddie, „und hab ein Auge auf den süßen Feuerwehrmann.“ Sie deutete auf die Tür hinter der Dean lag. „Du findest ihn auch süß?“, fragte die Schwester. „Und wie.“ Ihre Augen blitzten, als sie sich abwandte. Dean fühlte wie seine Ohren heiß wurden und mit Sicherheit färbten sich auch seine Wangen rot. `Wie war das mit dem Lauscher an der Wand?‘ Aber ihm war langweilig und warum sollte er seine Talente nicht nutzen? Er konnte ja nichts dafür, dass sein Gehör so gut funktionierte. Er zog seine Hand vom Klingelknopf zurück. Eigentlich hatte er nach etwas zu essen fragen wollen. Jetzt traute er sich irgendwie nicht mehr, denn wahrscheinlich würde er auch gleich noch wieder rot werden. Hoffentlich kam Sam bald. Schnaufend drehte er sich auf die Seite und versuchte wieder einzuschlafen. Kapitel 95: Freunde ------------------- 095) Freunde In seiner Mittagspause besorgte Sam den Kuchen und fuhr kurz zu ihrer Wohnung und holte Deans Bücher, bevor er wieder zum Krankenhaus fuhr. Er betrat Deans Zimmer. Sein Blick glitt über das einzelne Bett am Fenster. Dean war also immer noch alleine. Während er leise näher ging, versuchte er zu erkunden, ob sein Bruder schlief oder nur aus dem Fenster schaute. Er wollte ihn auf keinen Fall wecken. Doch gerade, als er den Kuchen auf den Nachttisch stellen wollte, drehte sich Dean auf den Rücken. Ein Lächeln huste über Sams Gesicht. Sein Bruder trug noch immer die Atemmaske. Sie schien ihm als doch zu helfen. „Hey“, grüßte er. Jetzt schob Dean die Maske herunter. „Hey“, antwortete er etwas kratzig. Er tastete nach dem Knopf, um das Kopfteil höher zu stellen und während ihn das langsam in eine sitzende Position brachte, lagen seine Augen auf dem Päckchen. „Kuchen?“ „Hatte ich doch versprochen.“ Sam musste sich das Lachen verkneifen, als Dean sofort danach griff und es auspackte. Gerade als er sich den ersten Bissen in den Mund schieben wollte, öffnete sich die Tür erneut und eine Schwester kam herein. „Oh, Sie sind wach.“ Sie lächelte und kam näher. „Dann kann ich ja gleich noch ihre Werte überprüfen.“ Deans Wangen färbten sich leicht rosa. Das war Ava, wie er jetzt auch auf ihrem Namensschild lesen konnte. Die Ava, die sich mit der niedlichen Notärztin über ihn unterhalten hatte. Widerstrebend stellte er den Kuchen zurück auf den Nachttisch. Sofort protestierte sein Magen laut knurrend und seine Wangen wurden noch dunkler. Die Schwester musterte ihn mit einem breiten Lächeln, während Sam heldenhaft versuchte sein Lachen zu unterdrücken. Dann machte Ava ein betroffenes Gesicht. „Sie hatten heute noch nichts.“ Dean schüttelte den Kopf und jetzt verging auch Sams Lachen. Er schluckte. Da war es ja mehr als klar, dass sich sein Bruder so auf den Kuchen stürzte. Schon fast hastig las Schwester Ava die Werte ab und trug sie in das Krankenblatt ein. Mit den Worten: „Ich bringe Ihnen gleich etwas“, rauschte sie davon. Sam und Dean schauten sich verwundert an. Zögerlich griff der ältere Winchester wieder nach dem Kuchen und schob sich, schulterzuckend das erste Stück in den Mund. Er kaute, schluckte und wollte gerade ein weiteres Stück essen, als Schwester Ava wieder ins Zimmer kam. Sie balancierte ein volles Tablett zu seinem Nachttisch. „Es ist nicht mehr ganz heiß“, entschuldigte sie sich. „Trotzdem wünsche ich Ihnen einen guten Appetit.“ „Danke“, antwortete Dean und nahm sich das Tablett auf den Schoß. Er lüftete den Deckel. Es gab Hackbraten mit Süßkartoffelpüree und Erbsen. Er nahm einen Bissen, kaute, schluckte und schob sofort den nächsten Bissen hinterher. „Wie war dein Tag?“, fragte er Sam zwischen schlucken und der nächsten Gabel, die er sich in den Mund schob und schaute ihn an. Sam verdrehte die Augen. „So langweilig wie in den letzten fünf Wochen auch. Verträge prüfen, Hersteller von Plagiaten verklagen. Eigentlich haben sie da nur mit anderen Anwälten zu tun und versuchen immer noch mehr Geld aus dem jeweiligen Gegner zu pressen. Das ist nicht das, warum ich Anwalt werden wollte. Überhaupt nicht.“ „Ist doch gut“, grinste Dean. „So weißt du jetzt, dass dein Gefühl im letzten Jahr richtig war und du es von der Liste streichen kannst.“ „Das hilft mir aber auch nicht wirklich weiter.“ „Ein bisschen schon.“ Dean stellte den leeren Teller weg und nahm sich den Kuchen. „Du weißt, dass du lieber mit Menschen zu tun hast, da würde ich Prozessanwalt auch ausschließen und so wie ich dein Rechtsempfinden einschätze, würde dir eine kleine Kanzlei oder sogar Privatdetektei ganz gut stehen.“ Sam musterte seinen Bruder und überlegte. „Da liegst du wahrscheinlich richtig. Familienrecht könnte ich mir auch ganz gut vorstellen.“ „Keifenden Frauen durch die Scheidung helfen?“ „Nein, ich glaube Scheidungen möchte ich weder auf der einen noch auf der anderen Seite durchboxen müssen.“ „Gut. Wieder ein Punkt weniger.“ Grinsend schob sich Dean das letzte Stück in den Mund. „Auch wenn die sich in einer kleinen Kanzlei wahrscheinlich nicht vermeiden lassen würden. Oder du lehnst Mandanten von vornherein ab.“ „Ich weiß nicht“, sagte Sam. Darüber musste er in Ruhe nachdenken. Aber noch hatte er ja auch fast zwei Jahre Zeit. Schwester Ava betrat das Zimmer. Sofort schaute Dean zu ihr. „Wann darf ich hier raus?“ „War das Essen so schlecht?“, wollte sie betroffen wissen. Sam grinste breit. „Nein, nur ... ich mag keine Krankenhäuser“, erwiderte Dean. „Wenn Sie sich weiter brav ausruhen und die Maske aufbehalten, damit Ihre Werte sich weiter so verbessern, dürfen Sie vielleicht morgen, auf jeden Fall aber übermorgen hier raus.“ „Übermorgen?!?“, keuchte Dean entsetzt. „Aber nur, wenn Sie sich weiter ausruhen!“ „Dann kannst du mich mit ´nem Sarg abholen“, maulte Dean und schaute zu Sam. „Dann bin ich vor Langeweile gestorben!“ „Armer schwarzer Kater“, lachte Sam. Dean verdrehte die Augen, schnaufte und ließ sich in die Kissen fallen. Missmutig schob er sich die Atemmaske wieder aufs Gesicht. „Geht doch“, kommentierte Sam. Die Schwester wandte sich hastig ab, damit die Männer ihr breites Grinsen nicht zu sehen bekam. ‚Waren die niedlich miteinander!‘ Sie verließ den Raum. Sam holte den Rucksack hervor, der bis jetzt eher unbeachtet neben seinem Stuhl gestanden hatte. „Ich habe dir deine Bücher mitgebracht. Dann kannst du in aller Ruhe lernen. Außerdem sind schon zwei Angebote von den Poolbauern gekommen. Also eins sieht echt gut aus, wenn du mich fragst.“ Er hielt Dean die Umschläge hin. Der öffnete einen und zog die Mappe heraus. Kurz blätterte er durch und schaute fragend zu Sam. „Nicht so das Wahre, oder?“, schnaufte er in seine Maske. „Das was wir haben in etwas moderner. Einen Whirpool daneben gestellt und fertig. Immerhin, die Gegenstromanlage hat er eingebaut.“ „Haben wir uns so ungenau ausgedrückt?“, fragte Dean. „Der wird es wohl eher nicht!“ Er schob die Mappe zurück in den Umschlag und legte den auf seinen Nachttisch. „Warte ab“, sagte Sam nur und freute sich, dass Dean den obersten Umschlag wirklich als erstes geöffnet hatte. „Okay“, sagte Dean und öffnete den zweiten Umschlag. Sein Blick fiel auf die Zeichnung. „Heiliger Strohsack“, entfuhr es ihm. Er schaute zu Sam. „Entweder haben wir uns hier besser ausgedrückt, oder er kann Gedanken lesen.“ Er schaute wieder auf das Bild. „Vielleicht sollte ich erstmal auf den Preis gucken. Dann ist das wahrscheinlich extrem hässlich!“ „Der ist gar nicht so viel höher, als der andere. Der hatte hochwertige Natursteine mit Spezialbeschichtung für die Wänden und das Becken geplant. Das hier ist Spritzbeton.“ Dean schaute auf den Preis und nickte nur. „Also wenn der andere nicht noch besser ist und für umsonst arbeitet ...?“ Er schaute wieder auf das Bild. Es gab einen Wasserfall mit mehreren Terrassen, deren Platz reichte, um darauf zu sitzen. Zwei waren sogar so groß, dass man im Wasser liegen konnte. Das Becken hatte einen geschwungenen Rand. Es gab einen Whirlpool mit Infinity-Kante, über die das Wasser in den Pool lief. Eine Gegenstromanlage, ein Flachwasserbereich und sogar eine Poolbar ergänzten das Ambiente. Neben dem Pool standen Liegen mit Wärmestrahlern darüber. „Hier ziehe ich ein. Ich glaube ich brauche kein Zimmer“, sagte Dean nur. Sam nickte lächelnd. „Jetzt fehlen nur noch jede Menge Pflanzen und wir haben unsere eigene Südseebucht.“ „Besprichst du das mit ihm?“, fragte Dean und gab Sam die Mappe zurück. „Gerne, aber sonst klärst du alles, was mit dem Bau zu tun hat“, wunderte sich Sam. „Kann ich auch machen, wenn ich je wieder hier rauskomme!“ Dean verdrehte die Augen. „Na komm! zwei Tage sind keine Ewigkeit!“ „Sagst du!“, maulte Dean. „Wenn du dich weiter ausruhst und die Maske trägst, lassen sie dich vielleicht ja schon morgen raus.“ Dean verdrehte nur wieder die Augen. „Ich muss auch gleich wieder los. Meine Mittagspause ist fast vorbei“, sagte Sam und nahm seinen Rucksack. „Jaja, lass mich ruhig alleine hier“, maulte Dean. „Dean, ich ...“, versuchte Sam sich zu rechtfertigen. „Du musst kein schlechtes Gewissen haben“, sagte Dean und gähnte demonstrativ. „Es geht um deine Zukunft.“ Sam nickte. Trotzdem tat es ihm leid, seinen Bruder hier schon wieder alleine zu lassen. „Ruhe dich aus. Dein Leben war in den letzten Monaten verdammt hektisch.“ Dean nickte er schob sich die Maske wieder über die Nase und schaute Sam hinterher. Als der die Tür hinter sich ihm geschlossen hatte, schloss er die Augen. Seine Hand tastete nach der Fernbedienung und er fuhr das Kopfteil des Bettes wieder in die Waagerechte. Schnell war er eingeschlafen. Am Nachmittag verließen Chris und Mac den Fahrstuhl und gingen zu Deans Zimmer. Sie klopften an die Tür und traten nach einem kurzen „Ja“, ein. „Hey“, grüßten die beiden den Winchester, der in seinem Bett saß, die Atemmaske auf dem Gesicht und einige Bücher um sich verteilt hatte. Er ließ den Block sinken. „Du scheinst ja gut beschäftigt“, stellte Chris fest. „Naja, die werden die Prüfung nicht verschieben, nur weil ich hier rumliege.“ „Ich dachte den Lehrgang für Firmengründer hättest du schon im Juni beendet?“, wunderte sich Mac. „Das ist der fürs Lieutenant-Patent. Chief Reed hatte mir nahegelegt, dass ich den machen soll.“ Dean zuckte mit den Schultern. So ganz verstand er immer noch nicht warum er und warum jetzt schon. Aber da der Chief es ihm so, ja schon fast, befohlen hatte? „Ich finde es gut“, erklärte Chris. „Du hast das Zeug dazu und vielleicht ist es auch ein kleines bisschen Wiedergutmachung, weil er dich zu Grady geschickt hat und der Dank dafür, dass du dazu beigetragen hast, den loszuwerden.“ „Ich habe nicht ... nicht wirklich“, stammelte Dean. „Und wenn es nur dadurch gewesen wäre, dass du auf dieser Wache warst und damit irgendwie den Stein ins Rollen gebracht hast. Wer weiß wie viele es noch getroffen hätte.“ „Möglich“ Dean zuckte mit den Schultern. Ihm war das Thema unangenehm. „Habt ihr kein anderes Thema?“ „Wie sieht es übermorgen bei dir aus? Willst du im Haus arbeiten?“, fragte Mac. „Nein. Ich soll mich schonen und da Sam das mit Sicherheit auch weiß, werde ich wohl höchstens beim Minigolf zusehen dürfen.“ Der Winchester verdrehte die Augen. „Wahrscheinlich muss ich die Couch hüten.“ „Sei doch froh, dass er auf dich aufpasst“, forderte Chris. „Bin ich ja auch, trotzdem nervt es manchmal, wenn der kleine Bruder sich in mein Leben einmischt. Schließlich ist er trotz allem mein KLEINER Bruder.“ Chris grinste und schaute zu Mac. „Dann könnten wir Beide uns mal wieder einen gemütlichen, gruseligen Abend machen.“ „Warum nicht? Was willst du gucken?“ „From Dusk till Dawn oder die Underworld-Filme.“ „Also eher amüsant als Horror?“, überlegte Mac. „Wir können auch ES gucken oder einen Freitag der 13. Aber mir wäre mehr nach Vampire pfählen. Was denkst du Dean, machst du mit?" Dean schüttelte grinsend den Kopf. „Was?“, hakte Mac nach. „Magst du keine Horrorfilme?“ „Ich mag Shining.“ Obwohl mögen inzwischen auch zu viel gesagt war. Früher hatte er Horrorfilme geliebt. Nach oder mit der Amnesie hatte er die gemieden und jetzt? Bislang hatte er Constantine gesehen und Black Swan aber eigentlich stand ihm der Sinn jetzt auch mehr nach amüsant. Horror hatte er in seinem Leben genug gehabt. „Du guckst dir Geisterfilme an aber magst keine Vampire?“ „Ich habe schon ewig keinen Horrorfilm mehr gesehen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Im Endeffekt mag ich weder Geister noch Vampire, und auch das ganze restliche Übernatürliche nicht. Es erinnert mich viel zu sehr an unsere Vergangenheit.“ Chris musterte den Freund. Immerhin wusste er mehr als die meisten über das Leben der Brüder. „Warum?“, wollte Mac wissen. Dean verdrehte die Augen. „Wir sind viel umgezogen. Das habe ich ja schon erzählt“, begann er, „und oft genug war uns ziemlich langweilig, also haben Sam und ich irgendwann angefangen Mythen und Legenden zu sammeln und sie uns zu erzählen.“ „Und was habt ihr so zusammengetragen?“, fragte plötzlich eine Stimme von der Tür her. Erschrocken fuhren die drei auf und starrten den Neuankömmling an. „Ich hatte geklopft“, verteidigte sich Gillian. „Schon okay, komm rein“, bat Dean und nahm ein paar Atemzüge aus seiner Maske. Das lange reden strengte ihn doch noch an. „Das ging von Göttern bis Geister, von Vampiren über Werwölfe und Wendigos bis hin zu einer Art Zombie.“ „Kannst du uns eine erzählen?“, fragte Cooper. Dean überlegte und begann ihnen den Fall von Molly McNamara und Jonah Greely zu erzählen, den sie damals auf dem Highway 41 gelöst hatten. Die Drei hingen gebannt an seinen Lippen und nur Chris schien vielleicht zu ahnen, dass das mehr war als eine einfache Gruselgeschichte. Kapitel 96: Step by Step ------------------------ 096) Step by Step Wieder klopfte es an die Tür. Dean ließ sich erschöpft gegen das Kopfteil seines Bettes fallen. Er nahm die Atemmaske und versuchte wieder zu Luft zu kommen. Das Erzählen strengte mehr an, als er gedacht hatte. Chris schaute fragend zu Dean. Hatten sie ihm zu viel zugemutet? Der Winchester nickte und Chris antwortete mit einem „Herein“ Dean schaute zur Tür. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als Sam ins Zimmer kam. „Was machst du denn hier? Musst du nicht in der Kanzlei sein?“ „Die Chefs haben einen Auswärtstermin und mir gestern Abend den Tag frei gegeben. Dafür muss ich Montag noch mal hin.“ „Okay“ sagte Dean und nickte. „Gut, dass du kommst, ich brauch eine Pause“, erklärte er hustend. „Was macht ihr?“, fragte Sam und musterte seinen Bruder besorgt. Er stellte Kaffee und Kuchen auf den Nachttisch. Dean griff nach einem Becher und trank mehrere Schlucke. Abwehrend schüttelte er den Kopf. „Mir geht’s gut. Ich brauch nur ´ne Pause“, sagte er und schob sich die Sauerstoffmaske wieder über die Nase. „Was habt ihr gemacht?“, wollte Sam nun von den Anwesenden wissen. So ganz wollte er Deans kratzige Stimme und dessen freiwillige Benutzung der Maske nicht auf sich beruhen lassen. „Dean sagte, dass ihr früher Mythen und Legenden gesammelt habt, und wir haben ihn gebeten eine zu erzählen.“ „Legenden?“, fragte Sam etwas ungläubig und schaute Dean in die Augen. Der nickte nur und Chris hatte mal wieder den Eindruck, als würden die beiden telepathisch kommunizieren. „Und welche?“, wollte Sam jetzt von ihm wissen. „Molly.“ „Okay.“ „Kannst du uns auch eine erzählen?“, fragte Cooper. „Eine urbane Legende?“ „Genau.“ „Und welche?“ „Ich habe mal was von weißen Frauen gehört, die in alten Häusern umgehen sollen. Hast du so was im Repertoire?“, fragte er. Sam schloss kurz gequält die Augen. Er mochte diesen Abschnitt seines Lebens nicht. Viel zu sehr erinnerte es ihn an Jess. Auch wenn die Erinnerung schon lange nicht mehr so sehr schmerzte wie am Anfang, darüber wollte er nicht nachdenken und auch nicht reden. Er blickte zu Dean. „Tut mir leid, Sammy“, murmelte er hinter seiner Maske. Er fühlte sich noch immer schuldig, Sam damals aus seine Idylle gerissen zu haben, auch wenn Sam ihm das schon lange nicht mehr nachtrug, sollte er das überhaupt je getan haben. Sam schüttelte den Kopf und wandte sich dann an die Zuhörer: „Ich denke wir suchen uns ein anderes Thema. Darüber kann Dean mehr erzählen.“ Er blickte zu Dean. Der nickte und versuchte sich noch etwas zu entspannen. „Gibt es sonst etwas, dass ich euch erzählen kann?“ „Wendigos“, warf eine weibliche Stimme ein. Sofort gingen alle Augen in diese Richtung. Die niedliche Notärztin stand in der Tür. Sofort richtete sich Dean wieder auf. Grinsend drückte Sam ihn zurück in die Kissen. „Darf ich reinkommen?“, fragte sie. Es war ein spontaner Entschluss gewesen heute wieder nach dem Feuerwehrmann sehen zu wollen. Es war gerade nichts los, also warum nicht, hatte sie sich gesagt. Jetzt kam sie sich etwas deplatziert vor, bei so vielen Männern. Ihr einsamer Feuerwehrmann schien doch einen größeren Freundeskreis zu haben. „Sie können sich hierher setzten.“ Dean schlug mit der flachen Hand auf sein Bett und rutschte zur Seite. Sam wackelte kurz, fragend, mit den Augenbrauen. Bahnte sich da etwas an oder war Dean nur in Flirtlaune? Aber selbst das war ja schon ein Grund zum Freuen, so lange wie sein Bruder schon wie ein Mönch lebte. Sie lächelte und zu Deans Verwunderung nahm sie wirklich an seiner Seite Platz. „Ich bin Madeleine Fisher“, stellte sie sich vor. „Wie kommen Sie gerade auf Wendigos?“, wollte Dean wissen. „Ich habe mal einen Bericht über Legenden gesehen und da wurde erwähnt, dass es später auch eine Folge darüber geben sollte, die ich allerdings verpasst habe.“ „Gut, dann Wendigos“, nickte Sam und begann zu erzählen. Er war gerade fertig, als ihr Piepser sie zu einem Einsatz rief. „Wir sollten auch wieder“, nahm Chris ihren Aufbruch zum Anlass und stand ebenfalls auf. „Wir haben dich lange genug vom Lernen abgelenkt.“ „Bis morgen?“, fragte er und schaute zu Dean. „Ich hoffe, dass die mich morgen früh rauslassen!“ Chris nickte. „Wenn nicht, ruf an.“ Cooper verabschiedete sich eine halbe Stunde später und auch Sam schaute immer wieder unruhig auf die Uhr. „Was ist los, kleiner Bruder?“ „Ich wollte mich eigentlich mit Amita treffen.“ Er winkte ab. „Aber es war eher eine lose Verabredung.“ Er konnte Dean doch jetzt nicht so einfach hier alleine lassen! „Fahr hin. Mir reicht es für heute und dann kann ich ohne schlechtes Gewissen um diese Uhrzeit schon schlafen.“ „Bist du wirklich sicher? Ich muss nicht und ...“ „Ich bin sicher. Außerdem gibt es hier keinen Alkohol.“ „Na zum Glück!“, entgegnete Sam und verdrängte die Erinnerungen an Windom und Deans Saufgelage, als Adam und er Kates Leiche weggebracht hatten. „Bis du wirklich ...“, musste er trotzdem noch einmal fragen. „Fahr und grüß sie von mir.“ Sam nickte. Er ging zur Tür, warf noch einen Blick auf seinen Bruder, der sich das Kopfteil wieder in die Waagerechte brachte und trat auf den Gang. Sam fuhr langsam an der kleinen Bäckerei vorbei, in der er sich mit Amita treffen wollte. Er hoffte, dass sie da war, doch er war verdammt spät dran und ... Sie wartete vor der Tür auf ihn. Er parkte seinen Wagen und lief zu ihr. „Schön, dass du noch da bist“, freute er sich und gab ihr einen Kuss. „Ich war mir nicht sicher, ob du warten würdest.“ „Du sagtest doch, wenn du nicht anrufst, kommst du.“ Sam nickte. „Ja, aber ich dachte doch, dass ich mich eher loseisen könnte. Tut mir leid.“ „Er ist dein Bruder. Wie geht es ihm?“, fragte Amita. „Er macht sich ganz gut dafür, dass er eigentlich immer sofort wieder aus einem Krankenhaus verschwindet.“ Er legte seinen Arm um ihre Schultern und führte sie zu ihrem Tisch. „Er verschwindet sofort aus dem Krankenhaus?“, wollte sie wissen. „Ja. Naja. Wir sind öfter mal da gelandet und Dean ist eher hyperaktiv, als dass er lange stillsitzen kann.“ Sam zuckte mit den Schultern. „Es fällt ihm schwer so lange da auszuharren und nichts tun zu können. Aber ich habe ihm seine Bücher gebracht. Da sollte er eigentlich beschäftigt sein. Und ich soll dich grüßen.“ Der Kellner kam und reichte ihnen die Karte. Am Nachmittag des folgenden Tages wurde Dean entlassen. Sam war nach seinem letzten Tag in der Kanzlei sofort zum Krankenhaus gefahren. Er fand Dean im Gespräch mit Dr. Franklin. „In vier Wochen will ich Sie hier zu einem Test wiedersehen, und in den nächsten zwei Wochen lassen Sie es ruhig angehen!“ mahnte der ihn. Dean nickte. Klar ruhig angehen lassen. Er war Feuerwehrmann! Der Arzt verabschiedete sich. Sam reichte seinem Bruder die Kleidung, die er mitgebracht hatte und der verschwand im Bad. Er kam gerade fertig angezogen wieder, als Madeleine ins Zimmer kam. „Sie dürfen dieses Etablissement verlassen?“ „Sieht so aus“, freute sich Dean. „Dann wünsche ich Ihnen alles Gute, und so schnell will ich Sie nicht wieder in meinem Hubschrauber haben.“ Dean lachte. „Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass ich da nie wieder rein will?“ Sie nickte. „Passen Sie auf sich auf.“ „Ich gebe mir Mühe, Doc. Wie wäre es mit einem Essen. Sie sagen Ort und Zeit, ich bezahle.“ Er lächelte sie charmant an. Sam verbiss sich jeden Kommentar. „Aber ich.....“ „Dann können Sie an dem Abend auf mich aufpassen“, schmunzelte Dean. Sie lachte. Dieser Logik konnte sie nichts entgegensetzen. „Gut. Morgen Abend hab ich um sieben Schluss.“ Sie fand Dean interessant und wollte ihn gerne näher kennen lernen, also warum kein Essen. „Gut, ich warte gegen Acht vor dem Krankenhaus“, bestätigte Dean und reichte ihr die Hand. Gemeinsam mit Sam verließ er das Zimmer und das Krankenhaus. „Ich bin`s“, rief Sam, kaum dass er die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte. Er trug den Waschkorb ins Bad. Die Tür zu Deans Zimmer stand offen und er warf einen Blick hinein. Auf dem Bett lagen Klamotten. Räumte er um? Wollte er noch mehr waschen? Als er wieder aus dem Bad kam, bleib er in der Tür zu Deans Zimmer stehen. „Was machst du?“ „Ich ...“, begann Dean und atmete tief durch. „Ach, keine Ahnung. Ich will mich gleich mit Madeleine treffen und weiß nicht was ich anziehen soll.“ „Das war dir doch sonst nie wirklich wichtig.“ „War es nicht. Aber da ging es eigentlich nur um Sex und …“ Er schaute Sam an. „Unser Leben ist jetzt anders. Wir leben seit einer gefühlten Ewigkeit ein ganz normales Leben. Wir haben ein Haus. Ich habe einen Beruf und du studierst. Alles ist anders und SIE ist anders! Ich will nicht nur Sex. Ich will eine echte feste Beziehung. Familie. Ich meine, ich weiß nicht, ob ich das mit ihr finden werde, aber ich will es nicht von Anfang an versauen.“ Sam lächelte warm. Er trat in den Raum. Nach einem kurzen Blick auf Dean nahm er das olivgrüne Hemd. „Zieh ein dunkles T-Shirt drunter und das hier an. Es betont deine Augen.“ „Es betont meine Augen, Samantha?“, irritiert starrte Dean auf seinen Bruder. Sam atmete durch. War ja klar, dass Dean so reagierte. „Als wir letztens bei Mity lernen wollten, mussten wir noch auf Tylor warten. Da habe ich `ner Cosmopolitan geblättert. Die lag da rum“, erklärte er gleich noch, bevor Dean was sagen konnte. „Da stand sowas drin.“ Dean schüttelte den Kopf. „Cosmopolitan“, grummelte er, zog sein Shirt aus und das schwarze an. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.“ „Zieh dich an und fahr los. Sonst kommst du zu spät“, lachte Sam und ging in sein Zimmer. Noch einmal zuckte Dean mit den Schultern. Aber wenn Sam meinte. Er räumte die restliche Kleidung wieder in den Schrank, zog das Hemd über und verließ die Wohnung. „Warte nicht auf mich, Schatz“, rief er, während er sie Tür zuzog. Pünktlich acht Uhr stand der nachtschwarze Impala vor dem Haupteingang des Krankenhauses. Dean wartete im Auto. Als Dr. Fisher aus dem Krankenhaus kam stieg er aus und ging ihr entgegen. Sie trug eine helle Hose, eine helle Bluse und einen dunklen Blazer. Das kurze Haar hatte sie wie Igelstacheln gegelt und das leichte Make-up betonte ihre Augen. „Hallo“, begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln und hielt ihr die Hand hin. Er führte sie zu seinem Baby und hielt ihr die Beifahrertür auf. „Wie war der Tag?“, wollte sie wissen, als er sich neben sie setzte. „Sam und ich waren einkaufen. Danach haben wir zusammen gekocht. Er hat mich abgehört und jetzt bin ich hier.“ „Abgehört?“ „Ja, ich mache gerade einen Lehrgang um Lieutenant werden zu können.“ „Und?“ „Die Prüfungen sind morgen.“ Sie nickte. „Du unternimmst viel mit deinem Bruder“, stellte sie dann fest. „Ja, wir haben nur uns. Wir wohnen zusammen und wir haben ein Haus geerbt, dass wir herrichten.“ „Dein Bruder ist auch Single?“, schoss sie einfach mal ins Blaue. Sie hatte nicht gesehen, dass er weiblichen Besuch bekommen hatte, aber eigentlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass ein Mann wie er freiwillig Single war. „Ja. Naja, ich denke, da entwickelt sich gerade etwas. Zumindest hat er sie schon ein paar Mal ausgeführt. Ich würde mich freuen, wenn er endlich die Frau fürs Leben gefunden hätte.“ Ein Lächeln legte sich auf Deans Gesicht. „Und Sie?“ „Ich hatte noch nicht wirklich Zeit, mich umzusehen.“ Er zwinkerte ihr verschmitzt zu, startete den Impala und fuhr los. Madeleine lotste ihn zu dem Restaurant, das sie ausgesucht hatte. Kapitel 97: I´m happy --------------------- 097) I´m happy Auf dem Parkplatz des Restaurants half er ihr aus dem Wagen. Gemeinsam gingen sie hinein und ließen sich zu ihrem Tisch führen. Dean schaute sich interessiert um. Sie hatte ein kleines irisches Restaurant ausgesucht. „Mir gefällt Ihre Wahl“, erklärte er, als er einen ersten Blick in die Karte geworfen hatte. Es gab viel Fleisch, aber auch Salat. „Das habe ich gehofft. Sie sehen nicht aus wie ein Vegetarier.“ „Ich esse zwar inzwischen auch ganz gerne mal Salat. Als Beilage ist der auch okay, aber ein Steak ist mir dann doch lieber“, gab er zu. „Kommen Sie aus Bloomington?“, fragte sie als sie ihre Bestellung aufgegeben hatten „Nein. Mein Bruder wollte Jura studieren und hat hier einen Studienplatz bekommen.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Mir war es egal, wo wir wohnen werden. Ich wollte gerne Menschen helfen und schon als Kind Feuerwehrmann werden. Das kann ich überall machen. Wieso sind sie Ärztin geworden?“ „Weil ich das kann“, platzte sie hervor. Dean zog die Augenbrauen zusammen. „Ähm. Entschuldigung. Das war ein blöde Formulierung. Aber eigentlich stimmt es schon. Ich wollte, genau wie Sie, Menschen helfen. Mein Vater war Polizist und meine Mutter Tierärztin. Mir fehlt die Kombinationsgabe, um Fälle zu lösen und ich wollte lieber Menschen als Tieren helfen, obwohl Tierarzt die zweite Wahl gewesen wäre.“ Sie zog die Nase kraus und schüttelte den Kopf. Ihre silbernen Ohrringe klapperten leise. „Für die Feuerwehr bin ich einfach nicht gebaut. Außerdem ist es mir da zu heiß.“ Sie lächelte. „Naja, blieb also nur noch Ärztin. Ich habe ein Praktikum gemacht und dabei festgestellt das mir Blut nichts ausmacht. Also hab ich Medizin studiert.“ Dean nickte. Medizin wäre nicht Seins, obwohl die Arbeit als Rettungssanitäter auch Spaß gemacht hatte und mit Blut hatte er sowieso keine Probleme. „Ich habe vor der Ausbildung zum Feuerwehrmann auch Rettungssanitäter gelernt. Trotzdem wäre die Medizin nicht meine Wahl gewesen.“ Der Kellner brachte ihnen ihr Essen. „Ich bin Madeleine.“ Sie hob ihr Bierglas. „Maddie oder Meds für meine Freunde.“ „Maddie. Mag ich. Ich bin einfach nur Dean“ er grinste. Dann stieß er mit ihr an. „Erzählst du mir noch was von dir?“, fragte sie. Er ließ den Kopf hängen. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Als ich klein war, sind wir immer wieder von einem schäbigen Motel zum nächsten gezogen. Ich weiß nicht, wie oft und wo wir überall waren. Wir haben unzählige Schulen besucht.“ „Und warum?“ „Unsere Mom starb bei einem Brand, als ich vier war. Danach ist John von einem Job zum nächsten. Er hat es nirgendwo lange ausgehalten und wir mussten mit.“ „John?“ „Unser Erzeuger. Als Vater hat er sich nicht wirklich hervorgetan. Als wir noch ganz klein waren vielleicht ja, aber später.“ Er zuckte mit den Schultern und schwieg. John war ein heikles Thema und er wollte nicht zu viel sagen. „Wegen dieses Brandes wolltest du Feuerwehrmann werden?“ „Wahrscheinlich, ja.“ Er musterte sie eine Weile. „Und warum hasst du Krankenhäuser? Oder liegt es an den Ärzten?“ „Ich würde nicht sagen, dass ich dich hasse….“ er lächelte sie charmant an. „Hab einfach ein paar sehr schlechte Erfahrungen gemacht.“ Dean starrte in sein Glas. Madeleine wartete, ob er mehr erzählen würde, doch er schwieg. „Lass uns von was Anderem reden“, bat er nach einer ganze Weile. „Wurdest du in Bloomington geboren?“ „Nein, ich komme aus Boston. Meine Mom ist Deutsche und Paps stammt aus Irland. Beide wurden als Kleinkinder hierher verschleppt.“ Sie lachte breit. „Das haben sie zumindest immer mal wieder betont. Jedenfalls sind sie in den Staaten aufgewachsen. Sie haben sich auf der Highschool kennengelernt. Ich habe einen älteren Bruder, Michael. Er arbeitet als Privatdetektiv in Chicago. Meine Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen, das ist drei Jahre her und ...“ Dean legte seine Hand auf ihre. „Das tut mir leid für euch. Es ...“ Er schüttelte den Kopf. Sie hatten ihre Mom vor so langer Zeit verloren und es schmerzte noch immer, wenn er an sie dachte. „Wir hatten viele schöne Jahre in Boston mit ihnen“, sagte Madeleine etwas heiser. „Aber ich wollte danach trotzdem so schnell wie möglich von Boston weg und bin hierhergekommen. Ich würde später gerne als Kinderärztin arbeiten. Derzeit ist im Krankenhaus aber nur die Stelle als Notärztin frei. Deshalb, und weil es mir Spaß macht, mache ich das.“ Der Kellner brachte ihr Essen. Während sie es genossen, unterhielten sie sich über Alltägliches, Musik und Filme und sie stellten fest, dass sie einen ähnlichen Geschmack hatten. Es war ein wundervoller Abend, den beide gerne wiederholen wollten. Nach dem Essen brachte Dean Madeleine nach Hause und setzte sie vor ihrer Wohnung ab. „Willst du noch mit auf einen Kaffee hochkommen?“, fragte sie ihn, in der Tür stehend. Dean schüttelte den Kopf. „Ich will mein Glück nicht überstrapazieren. Außerdem habe ich morgen die ersten Prüfungen zum Lieutenant. Da sollte ich ausgeschlafen sein.“ Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. „Beim nächsten Mal gerne. Wie wäre es nächste Woche?“ Sie musste lachen. „Ich dachte du wolltest dein Glück nicht zu sehr strapazieren?“ Dean zuckte mit den Schultern. „Heute will ich mein Glück nicht überstrapazieren. Ich brauche es morgen noch. Aber danach ...“ „Nächste Woche kann ich nicht, ich habe Nachtschicht. Aber wie wäre es Donnerstag oder Freitag.“ „Freitag geht, da habe ich Tagschicht.“ Dean schenkte ihr ein Lächeln. „Gibst du mir deine Telefonnummer? Oder soll ich dich wieder vor dem Krankenhaus abholen?“, wollte er wissen. Sie nannte ihm die Nummer, die er sofort in sein Handy tippte, winkte ihm zu und verschwand im Haus. Breit lächelnd ging er zum Impala startete den Wagen und fuhr nach Hause. Bald würde er wieder ein richtiges Zuhause haben, in das er auch eine Freundin einladen konnte. Mal sehen, wie lange sie brauchten, um das Haus vorzeigbar zu machen? Jetzt war allerdings erstmal seine Prüfung wichtig. Danach würde er mehr Zeit haben, um sich ums Haus und um den Schrottplatz zu kümmern, und um Maddie? Sam schaute seinem Bruder entgegen, als der durch die Wohnungstür kam. „Und?“ „Und? Was?“, stellte sich Dean dumm. „Und? Wie war´s?“ „Das Essen war gut.“ „Und die Frau heiß?“ „Du findest sie heiß?“ Sam verdrehte die Augen. „Ich finde sie höchstens niedlich. Aber du solltest sie heiß finden“, wiederholte er den Wortlaut von Deans Aussage, als er das erste Mal mit Amita ausgegangen war. Dean grinste. „Ich wundere mich nur, dass du schon wieder hier bist.“ „Ich habe morgen Prüfung und ich wollte es langsam angehen.“ Sam musterte seinen Bruder mit großen Augen. Dean schien wirklich mehr für sie zu empfinden, wenn er abwarten wollte. Aber klar. Jetzt wo sie sesshaft werden würden, hatte er die Chance auf etwas Langfristiges und nicht nur er hatte diese Chance. „Na dann“, antwortete er etwas verspätet. „Na dann!“, nickte Dean und holte sich seine Bücher, um wenigstens einen Teil des Stoffes noch einmal durchzugehen. „Du solltest es unter dein Kopfkissen legen“, schlug Sam vor und erhob sich. Dean schaute ihm fragend entgegen. „Was soll das denn bringen?“ „Es soll helfen das Wissen zu behalten.“ „Und hat es?“ „Es hat zumindest nicht geschadet“, lachte Sam und verschwand im Bad. Dean schüttelte den Kopf und vertiefte sich in seinen Stoff. Zwei Stunden später ließ Dean das Buch sinken. Dass Sam ins Bett gegangen war, hatte er nur noch am Rand mitbekommen. Er schaute zur Uhr. Wenn er zur Prüfung halbwegs ausgeschlafen sein wollte, sollte er jetzt wirklich ins Bett gehen, auch wenn er sich nicht wirklich vorbereitet fühlte. Er legte seine Notizen weg und wollte in sein Zimmer gehen. Noch in der Bewegung stockte er. Sollte er es probieren? Er zog die Augenbrauen zusammen. Die beiden Bücher wären wohl zu unbequem, aber seine Notizen gingen. Da stand alles Wichtige drin und er hatte sie in einem Block. Fragte sich nur, wie der morgen aussah und warum er überhaupt so aufgeregt war. Es war schließlich nicht die erste Prüfung, die er hatte. So langsam sollte er das doch gewohnt sein. Der nächste Morgen kam viel zu früh. Dieses Mal war es Sam, der darauf drang, dass sein Bruder etwas aß, bevor er aufbrach. „Viel Glück!“, rief er ihm hinterher. „Hmhm“, brummelte Dean nur und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Nach den letzten Prüfungen verließ Dean das Hauptquartier mit der Gewissheit bestanden zu haben. Seine Schulterklappen und das Diplom würde er sich Freitag beim Chief abholen können. Auch wenn er vorerst weiter als Feuerwehrmann arbeiten sollte, bis es eine freie Stelle für ihn geben würde. Tief durchatmend lehnte er sich gegen seine schwarze Schönheit. Er holte das Handy aus der Tasche und tippte eine Nachricht an Maddie, Sam und Nick. Dann wählte er Bobbys Nummer. „Was ist passiert?“, wollte Bobby etwas atemlos wissen. „Nichts? Muss immer etwas passieren, wenn ich anrufe?“, wollte Dean amüsiert wissen. „Um diese Uhrzeit schon.“ „Ich habe mein Lieutenant-Patent fast in der Tasche“, erzählte Dean stolz. „Fast?“ „Die Prüfungen habe ich bestanden. Das Diplom und die Schulterklappen kriege ich Freitag. Wann ich letztendlich als Lieutenant arbeiten werde? Abwarten." „Herzlichen Glückwunsch Junge. Das muss ich gleich Jody erzählen. Jede gute Nachricht hilft im Moment.“ „Steht´s es so schlimm um ihre Neuwahl?“ „Schlimmer.“ Bobby seufzte. So langsam wusste er nicht mehr, wie er seine Frau aufbauen sollte. „Aber darüber können wir auch nächste Woche noch reden. Geht ihr feiern?“ „Nein. Nicht direkt. Ich habe ab morgen wieder Dienst. Bis Freitag Tagschicht und von Samstag bis Dienstag Nachtschicht. Donnerstag wollten wir dann losfahren, wenn es euch Recht ist. Freitag heiratet Krista und danach gehören wir ganz euch.“ „Krista heiratet? Die Kleine mit der du den Lehrgang hier gemacht hast?“ „Genau die.“ Bobby atmete tief durch. „Ich muss aufhören. Der Sheriff werden Wollende steht vor der Tür und sucht wohl noch was, um Jody am Zeug zu flicken. Ich ...“ Bobby wechselte das Thema. „Haltet die Ohren steif und passt auf euch auf. Wir sehen uns Donnerstagabend.“ Noch bevor Dean etwas antworten konnte, hatte der Freund aufgelegt. Verdattert schaute der Winchester auf sein Telefon. Da schien ja mächtig was los zu sein, allerdings wohl nicht Gutes. Hoffentlich konnten sie da etwas Entspannung bringen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte er an seine schwarze Schönheit. Er schloss auf, öffnete die Tür und ließ sich auf seinen Platz fallen. „Hast Recht! Wir fahren erst beim Haus vorbei und schauen mal, wie weit die da sind. Danach schauen wir was Stan zu tun hat.“ In dem Moment meldete sein Handy eine Nachricht. Maddie gratulierte ihm und fragte, wann sie sich Freitag treffen wollten. Sofort erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Er freute sich jetzt schon darauf den Abend mit ihr zu verbringen. Vielleicht sollten Sam und er auch mal darüber nachdenken, wenn es mit Amita weiterhin so gut lief, ob sie aus ihren Familientagen einfach Pärchentage machten und zu viert loszogen. Aber damit hatten sie noch bis nach ihrem Urlaub Zeit. Er drehte den Zündschlüssel und freute sich über das satte Grollen, mit dem Baby zum Leben erwachte. Kapitel 98: helping hand ------------------------ 098) Helping hand Dean lenkte den Impala durch den Waldstreifen, der ihr Anwesen umgab und fuhr an dem kleinen, verfallenen Kutscherhäuschen vorbei. Ein Gedanke formte sich in seinem Kopf. Aber das wollte er mal mit Sam besprechen. Sein Blick fiel auf das Haus. Unweigerlich verglich er das Jetzt mit der Erinnerung, als er das Haus zum ersten Mal gesehen hatte. Der tote Efeu war verschwunden und Karan hatte die Fassade einmal komplett gereinigt. Es gab ein neues Dach mit jeder Menge Sonnenkollektoren. Küche, Garderobe und das kleine Bad hatten neue, weiße Sprossenfenster und blaugraue, wirklich funktionierende, Fensterläden. Die Haustür fehlte noch. Aber das war egal. Noch war das hier eher Ruine als Wohnhaus. Er ging durch das Erdgeschoss. In der Küche, Garderobe und im Essbereich mussten die Wände noch verputzt werden. Das kleine Gäste-WC war soweit fertig. Dafür sollten sie vor ihrem Urlaub noch Fliesen aussuchen. Er holte sein Handy aus der Tasche und wählte Sams Nummer. „Herzlichen Glückwunsch!“, tönte es aus dem Lautsprecher, bevor er überhaupt etwas sagen konnte. „Danke“, strahlte er. „Dein Tipp hat geholfen!“ Er lachte. „Ich bin gerade im Haus“, brachte er sein Anliegen jetzt vor. "Hast du abends Zeit? Wir könnten Fliesen aussuchen fahren, dann kann Karan das kleine WC im September fertig machen." „Nein. Ich muss arbeiten. Ich hatte an Samstagmorgen gedacht. Ich weiß, wir haben unseren Familientag. Aber ...“ „Mach dir keinen Kopf Sammy. Das wollte ich heute Abend auch mit dir besprechen. Wir fahren nächste Woche zu Bobby. Ich wollte mich Freitagabend mit Maddie treffen. Und ganz ehrlich? Fliesen für unser Haus aussuchen gehört auch zu den Familienaktivitäten, oder?“ Sam lachte leise. „Dann grüße Karan, wenn du ihn sprichst.“ „Mache ich. Wir sehen uns heute Abend?“ „Ich komme nach neun. Soll ich was zu Essen mitbringen?“ „Gerne.“ Dean legte auf. Er ging wieder nach draußen und wollte gerade Karans Nummer wählen, als der vor dem Portal hielt. "Das ist Gedankenübertragung", freute sich Dean. „Hey“, grüßte der Bauunternehmer. „Was machst du denn hier?“ „Wollte schauen, wie weit wir hier sind. Ich soll dich von Sam grüßen.“ "Danke. Dann können wir die nächsten Arbeiten besprechen", sagte Karan. Gemeinsam gingen sie durch die Räume. "Gut, dann verputzen wir Küche, Garderobe, die Speisekammer und den kleinen Essbereich. Wir machen den Eingangsbereich für die beiden Wohnungen oben fertig und vernageln alle Fenster", fasste Karan zusammen. "Was ist mit dem kleinen Gäste-WC?" "Wir wollen Samstag zu dir kommen und Fliesen aussuchen", antwortete Dean. "Und ich hoffe, dass der Poolbauer im Keller arbeitet." "Habt ihr einen ausgesucht?" "Ich denke ja. Es steht noch ein Angebot aus, aber ich bezweifle, dass das besser wird als das, was wir haben. Da müssten dann auch die Fenster rein. Um alles andere kümmert er sich. Ich gebe ihm deine Nummer." Karan nickte. „Gut. Dann machen wir mal weiter und wir sehen uns Samstag, wegen der Fliesen." "Genau. Bis Samstag." Wieder nickte Karan. Gemeinsam verließen sie das Haus und gingen zu ihren Wagen. Dean fuhr zu Stan. Kaum hörte der das inzwischen so vertraute Röhren des Impala, legte er den Schraubenschlüssel beiseite und trat auf den Hof. „Was machst du denn hier?“, wollte er wissen, als Dean ausgestiegen war. „Ist das heute der allgemeine Begrüßungssatz?“ „Warum?“, fragte Stan verwundert. „Ich war gerade am Haus und habe unseren Bauleiter getroffen. Der wollte das gleiche von mir wissen.“ „Und? Warum warst du da? Und warum bist du jetzt hier, um diese Zeit, meine ich?“ „Ich hatte heute die Prüfungen zum Lieutenant.“ „Und?“ „Theoretisch bin ich jetzt einer.“ „Theoretisch?“ „Naja, solange ich nicht auch als solcher eingesetzt werde eben nur theoretisch. Ich habe kaum Erfahrungen und bis heute noch nicht wirklich verstanden, warum der First Chief wollte, dass ich den Lehrgang mache, aber egal. Jetzt habe ich ihn und gut.“ „Trotzdem! Herzlichen Glückwunsch!“ Stan klopften dem Winchester auf die Schulter. „Wenn ich daran denke, wie niedergeschlagen du noch Anfang des Jahres warst und dass du alles hinschmeißen wolltest... Das nenne ich mal eine Wandlung. Das muss begossen werden!“ Stan lachte und ging in die Werkstatt, wo er die schon bekannte Flasche aus dem Fach holte und zwei Gläser füllte. „Eigentlich wollte ich fragen, ob du Arbeit für mich hast“, sagte Dean und nahm ein Glas. „Die kannst du auch kriegen.“ „Gut!“ Sie stießen an, genossen den Whiskey und Dean überlegte sich, dass er das beibehalten würde. Ein guter Whiskey konnte nie schaden. Dean trank sein Glas leer und ging sich umziehen. Schon bald standen die beiden Männer nebeneinander in den Motorraum eines Wagens gebeugt. Frisch geduscht betrat Dean gerade den Wohnraum ihrer Wohnung, als Sam zur Tür hereinkam. „Hey“, grüßte der Jüngere, ließ seine Tasche fallen, ging auf ihn zu und zog ihn in eine feste Umarmung. „Jetzt nochmal in Real! Herzlichen Glückwunsch! Ich bin so stolz auf dich und ein bisschen neidisch.“ „Neidisch?“, fragte Dean irritiert. „Du hast alle Prüfungen bestanden und mit Noten, die ich erstmal erreichen will und die mich wirklich neidisch machen!“ Deans Wangen zierte ein rosa Schimmer. Er schluckte, schnaufte und drehte sich zur Küche um. „Du bist so viel besser als ich. Ich könnte nie studieren!“ „Doch, könntest du und wenn du es tun würdest, würdest du mich wohl in den Schatten stellen. Du bist gut! Nein! Du bist Spitze! Du hast die Abschlüsse in der Tasche, die ich noch anstrebe. Du bist das was ich noch werden will. Du hast deinen Traumberuf gefunden. Ich suche noch. Also ja! Nimm das Lob und die Glückwünsche an. Du bist der beste Dean, den ich kenne!“ „Na super! Kennst ja nur einen“, grummelte Dean. „Eben!“, lachte Sam. „Pff“, machte Dean, holte Teller und Besteck aus dem Schrank und deckte den Tisch. „Ich habe Karan gebeten Küche, Essecke und Speisekammer zu verputzen. Die Garderobe auch und er will im Obergeschoss die Eingänge für unsere Wohnungen machen. Außerdem soll er alle Fenster mit Brettern vernageln. So langsam wird es kalt und das hält den Regen ab.“ Fragend blickte er zu Sam. „Das finde ich eine gute Idee. Will er denn das Minibad fliesen?“ „Ja, wenn wir die Fliesen aussuchen. Ich habe ihm gesagt, dass wir Samstagmorgen kommen. Dann könnten wir den restlichen Tag mit Amita und Maddie verbringen.“ „Wir vier zusammen?“ „Von mir aus auch, aber ich dachte eher du mit Amita und ich mit Maddie, und wenn wir uns sicher sind, dass mehr daraus wird? Dann vielleicht auch zu viert.“ Sam nickte. „Das finde ich gut!“ „Okay“, sagte Dean und begann seinen Teller zu füllen. Gemeinsam machten sie sich über ihr Essen her. Den Abend verbrachten sie gemeinsam mit Bier und einem Glas gutem Whiskey vor dem Fernseher und schauten sich ein Spiel an. Sie waren beide geschafft und gingen gleich nach dem Spiel ins Bett. Am nächsten Morgen schaffte Dean es gerade, sich einen Kaffee einzuschenken, als ihn auch schon Battalion Chief Bradley zu sich rief. „Sie haben bestanden“, stellte der ruhig fest, kaum dass Dean die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Ja, Sir.“ Bradley verdrehte die Augen. „Ich freue mich für Sie. Herzlichen Glückwunsch!“ Er reichte Dean die Hand. „Leider heißt das auch, dass Sie uns nun wohl bald verlassen werden.“ „Wissen Sie wohin ich versetzt werde?“ „Nein. Noch nicht“, sagte Bradley. „Für die nächsten Tage habe ich sie auf dem Rettungswagen eingeteilt.“ „Gerne“, freute sich Dean. Er mochte Amy und wenn er irgendwann als Lieutenant arbeiten würde, würde er wohl nie wieder als Rettungssanitäter eingesetzt werden. Außerdem hatte er so die Chance Madeleine zu treffen. Vielleicht ließ sich ja noch ein weiterer gemeinsamer Abend finden? Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er nickte den Chief grüßend zu und verließ das Büro, um sich jetzt endlich seinen Kaffee einzuverleiben. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und griff gerade nach seinem Kaffeebecher, als der Alarm ertönte. »Rettungswagen 27 Unfall, « Seufzend stellte er den Becher wieder hin und lief zum Rettungswagen. Da gönnte ihm wohl jemand seinen Kaffee nicht. Er sprang auf den Fahrersitz und lenkte, kaum das Amy saß, den Wagen aus der Garage, bis ihm aufging, welche Adresse da gerade genannt worden war. „Verdammt“, knirschte er und trat das Gaspedal noch ein Stückchen weiter durch. Ohne zu überlegen, lenkte er den Wagen am Haus vorbei auf den Hof und sprang hinaus. „Stan?“, brüllte er. „Stan? Wo steckst du?“ Er lief in die Werkstatt. Amy schaute ihm etwas ratlos hinterher. Was war das denn und woher ... „Der Schrottplatz“, murmelte sie leise. Deans Schrottplatz! Sie hatte zwar immer nur halb zugehört, wenn er davon sprach, aber klar! Deans Schrottplatz lag an der 69 und er hatte auch schon von einem Stan gesprochen. Sie holte die Tasche aus dem Wagen und folgte dem Winchester. Inzwischen hatte Dean den Freund gefunden. Er saß an die Werkbank gelehnt. Er sah käsig aus und sein Fuß war unnatürlich abgewinkelt. Dean kniete sich zu ihm. „Wie hast du das denn hinbekommen?“ „Die Stoßstange hing fest. Ich habe kräftig gezogen. Sie löste sich, ich stolperte rückwärts und trat auf den Gummihammer. Das Ergebnis siehst du hier.“ Er deutete auf seinen Fuß. „Hat eine Weile gedauert, bis ich mich hierher schleppen konnte.“ Dean tastete das Gelenk vorsichtig ab. „Dass das gebrochen ist, hast du dir sicher schon gedacht, oder?“, fragte er eher rhetorisch. Er blickte zu dem Wagen. „Was hat er?“ „Irgendwo dagegen geprallt.“ Stan deutete auf den verbeulten Kotflügel. „Und einen Riss im Kühler. Deshalb musste ich da dran.“ Dean nickte. „Ich mache den heute Abend fertig. Hast du alles da?“ „Ja. Die Teile liegen da vorn.“ Er deutete in Richtung Tor. „Gut! Dann wollen wir dir mal eine Freifahrt mit dem Krankenwagen spendieren.“ Dean schob Stans Ärmel noch etwas höher und injizierte ihm ein Schmerzmittel in den Arm. Dann versuchten sie den Fuß so vorsichtig wie möglich mit einer Schiene zu stabilisieren. „Ich komme nach der Schicht ins Krankenhaus. Dann sehen wir, ob du bleiben darfst, wovon ich ausgehe, und was du noch brauchst. Ich mache den Wagen fertig und bringe dir auf dem Weg nach Hause die Sachen. Soll ich irgendwen anrufen?“, redete Dean auf Stan ein, um ihn von den Schmerzen abzulenken, die er trotz des schnell wirkenden Mittels haben musste. „Sarah kann ich vom Krankenhaus aus anrufen, wenn ich weiß, was los ist. Sie wollte in zwei Wochen kommen, um beim Umzug zu helfen. Ich will sie nicht unnötig beunruhigen.“ „Gut“, nickte Dean und erhob sich. „Holst du die Trage, oder soll ich ...“ „Lass mal, ich gehe“, erklärte Amy nachdem die Schiene richtig saß. „Hast du sonst noch Schmerzen?“, hakte Dean bei Stan nach. Er wollte dem Mann nicht ungefragt an die Wäsche gehen, sah aber, dass er viel zu flach atmete. „Ich denke, ich habe mir ein paar Rippen geprellt.“ „Darf ich?“ „Du bist hier der Rettungssanitäter! Du solltest nicht fragen müssen, oder?“ „Solange du ansprechbar bist, frage ich.“ Stan versuchte umständlich sein Shirt aus der Latzhose zu fummeln. „Lass mich das machen!“, bat Dean. Er öffnete die Knöpfe, schob den Träger zur Seite und zog das Shirt nach oben. Vorsichtig legte er seine Hand auf die Rippen. „Atme bitte so tief wie es geht durch.“ Stan gehorchte widerstrebend. „Eine schwere Prellung“, erklärte Dean nach der kurzen Untersuchung. „Gut“ Stan starrte auf seine Hände und dann zum Tor. „Die Kleine, die du mit hast, sie ist süß. Wäre die nichts für dich?“ Mit großen Augen starrte Dean den alten Mann an, holte Luft … „Sie hat einen Freund“, tönte Amy vom Tor aus und Dean ließ die Luft ungenutzt wieder fahren. Ein leichter rosa Schimmer zierte seine Wangen. Er hatte Stan noch nichts von Madeleine erzählt. Aber wann auch. Gestern waren sie irgendwie nicht auf dieses Thema gekommen. Außerdem wusste er ja nicht, ob das überhaupt mehr werden würde. Also schwieg er einfach weiter, während Amy und er Stan auf die Trage halfen. „Kann ich mir wenigsten noch die Hände waschen?“, wollte der wissen, als sie mit ihm zum Rettungswagen rollten. Dean verdrehte die Augen, grinste und hielt am Waschbecken an. Kapitel 99: Love it in the air ------------------------------ 099) Love is in the air Mit Blaulicht und Sirene jagte Dean den Wagen, kaum das Stans Hände halbwegs vorzeigbar waren, zum Krankenhaus. Sie lieferten Stan ab und obwohl Dean extra lange brauchte, um die Papiere auszufüllen, war ihm das Glück wohl nicht hold. Madeleine war nirgends zu sehen. „Jetzt komm endlich oder willst du hier Wurzeln schlagen?“, drängelte Amy. Dean seufzte und ging zum Ausgang. „Dean?“ Mitten in der Tür blieb der Winchester stehen, drehte sich um und sofort legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Madeleine! Irgendwie hatte ich gehofft, dich hier zu treffen.“ „So lange wie du getrödelt hast, wäre wohl über kurz oder lang auch der Papst hier vorbeigekommen!“, grummelte Amy. „Ich warte im Wagen!“ „Dann kann ich dir ja jetzt direkt noch mal gratulieren: Herzlichen Glückwunsch“, sagte Maddie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Bleibt es bei Freitag?“ „Klar“, grinste Dean. „Was hältst du von Kino? Wir können auch nächste Woche Mittwoch noch was zusammen unternehmen? Danach fahren wir zu unserem Onkel und sind eine ganze Weile weg. Ich habe noch Urlaub und genügend Überstunden, die ich abbummeln soll und Sam hat noch Ferien“, erklärte er kurz. „Also was denkst du? Freitag oder Mittwoch?“ „Beides?“ Jetzt lachte er. „Beides. Gerne! Dann bis Freitag. Es gibt da eine kleine Bäckerei…“ Er nannte ihr die Adresse. „Da könnten wir uns treffen.“ „Ich freue mich“, sagte sie. „Freitag kurz nach sieben?“ Dean nickte und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Jetzt komm endlich! Die melden uns sonst noch als vermisst!“, schimpfte Amy. Sie stand in der Tür, verdrehte gespielt die Augen und stapfte wieder nach draußen. „Ich muss!“, erklärte Dean ergeben, zuckte mit den Schultern und folgte seiner Kollegin. „Was war das?“, wollte Amy wissen, kaum dass Dean den Rettungswagen angelassen hatte. „Ein Gespräch?“ „Und wer war das, mit dem du ein Gespräch geführt hast?“ „Eine Freundin?“ „Das sah mir nicht wie EINE Freundin aus. Eher wie DEINE Freundin.“ Auffordernd sah sie Dean von der Seite an. Der zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, was das wird. Ich kenne sie erst ein paar Tage.“ „Und du hast diesem Stan noch nichts von ihr erzählt.“ „Nein. Er zieht in den nächsten Wochen nach Florida und ich bin in den nächsten Wochen in South Dakota.“ „Umziehen? Wie soll das gehen mit seinem Beinbruch?“ „Seine Tochter wollte ihm helfen. Mal abgesehen davon, soll das Meiste eh im Haus bleiben. Soweit ich ihn verstanden habe, hat seine Tochter ihm ein Apartment auf ihren Grundstück eingerichtet. Er scheint also nicht so viel packen zu müssen.“ Er schaute kurz zu ihr und dann wieder auf die Straße. Das Thema würde er nicht weiter erörtern, sollte sie noch weitere Fragen dazu stellen. Doch Amy schien ihn entweder gut lesen zu können, oder sie hatte seinen Blick verstanden. Sie ließ dieses Thema fallen und begann ihn zu dem Schrottplatz und seiner Freundschaft mit Stan allgemein auszufragen. „Seit wann bist du eigentlich so neugierig?“, wollte Dean wissen, als er auf der Wache die Fahrertür des Rettungswagens zuschlug „Seit es so aussieht, als ob es etwas Interessantes über dich zu erfahren gibt.“ Dean grinste. „Na dann sind wir ja durch.“ „Hast du nur diesen einen Freund?“ „Nein, aber für die anderen sind andere Wachen zuständig!“ „Oh wie gemein!“ Dean lachte. „Du hast mir von deinem Freund ja auch nichts erzählt.“ „Da gibt es kaum etwas zu erzählen. Er ist in der IT-Branche und hat zwei linke Hände und nur Daumen. Aber er verdient gut, also ist das kaum ein Problem.“ „Hm“, machte Dean. Was sollte er auch sonst sagen. Sammy war bei ihnen der, der gut mit Computern konnte, aber er war auch ganz praktisch veranlagt. Sie füllten ihre Bestände im Wagen auf, holten sich einen Kaffee und gingen dann zu den anderen. Dean ließ sich auf einen Stuhl fallen und wollte gerade sein Buch öffnen, als ihm auffiel, dass er ja gar kein Buch mehr hier hatte, dass er für nichts mehr lernen musste. Irgendwie fühlte sich das komisch an, nach so vielen Monaten, in denen er seine Nase in fast jeder freien Minute in Lernstoff gesteckt hatte. Und jetzt? Sollte er sich ein Buch mitbringen oder im Internet nach Einrichtungsmöglichkeiten für die übrigen Zimmer suchen? Nein. Erstmal würde er diese freie Zeit genießen, den anderen bei ihren Gesprächen zuhören und vielleicht auch wieder öfter kochen. Auch ohne zu lernen, vergingen die Tage schnell. Den Wagen, der Stan solche Probleme bereitet hatte, hatte er schon am Mittwoch reparieren können und Donnerstag seinem Besitzer zurückgegeben. Am Freitag fuhr Dean nach der Arbeit nach Hause, duschte und machte sich für seine Verabredung fertig. Er warf noch kurz einen Blick auf den Kalender am Kühlschrank. Sam war nicht arbeiten. Er zuckte mit den Schultern. Auch Sammy hatte ein Recht auf sein Privatleben. Trotzdem fühlte er einen kurzen Stich, weil er nicht wusste, wo sein kleiner Bruder war. Er vermutete zwar, dass Sam etwas mit Amita unternahm oder mit seinem Kollegen aus dem Supermarkt. Hatte er vielleicht nicht richtig zugehört, als Sam es ihm erzählt hatte oder hatte er es gar verdrängt? Nicht gut! Dean rief sich zur Ordnung. Alles was Sammy tat, war wichtig, also sollte er auch zuhören! Er nahm sich vor wieder mehr auf Sam zu achten und verließ die Wohnung. Ein Lächeln schlich legte sich auf sein Gesicht. Er würde sich gleich mit Madeleine treffen! Sam blickte gerade zur Tür als sein Bruder die kleine Bäckerei betrat. Dean sah zu ihm, nickte kurz bevor er sich bei Ava, der Besitzerin, einen Kaffee orderte. Sam winkte ihn zu sich. Dean nickte erneut und kam zum Tisch. Auf halbem Weg blieb er stehen. Er musterte Sams Begleitung und warf seinem Bruder einen fragenden Blick zu. „Ich will euch nicht stören!“, sagte er, als er neben dem Tisch stand. „Du störst nicht“, entgegnete Amita. Sie rutschte ans Fenster, während Sam seinen Platz räumte und sich neben sie setzte, wusste er doch, dass Dean sich noch immer wohler fühlte, wenn er die Tür im Blick hatte. „Was machst du hier?“, wollte Sam jetzt wissen. „Wolltest du nicht mit Madeleine ins Kino?“ „Ja, wir wollen uns hier treffen.“ „So langsam wird das unser Stammplatz, kann das sein?“, lachte Sam. „Ist ja auch gemütlich hier, und es gibt so viel leckeren Kuchen!“ „Der Kuchen gibt den Ausschlag“, lachte Sam. „Nur der Kuchen.“ Warum sollte Dean sich gegen diese Aussage wehren. Es wusste doch inzwischen fast jeder, wie sehr er Kuchen liebte. „Ihr wollt also ins Kino?“, lenkte Amita das Gespräch wieder in andere Bahnen. „Ja. Hoffentlich kein Liebesfilm.“ Dean guckte gequält. „Apropos Liebe ...ich würde gerne um euer Haus etwas mehr machen, wenn ich darf“, warf Amita ein. Ihre Augen begannen zu leuchten. „Ich meine, da könnte ich mich so richtig auslassen. Unterschiedliche Räume schaffen, jede Menge Pflanzen und Bäume, Sitzecken, vielleicht einen kleinen Bachlauf ...“ Sie brach ab und schaute zu Dean. „Also ich habe keine Ahnung, was da überhaupt wächst. Im Moment ist mir das Innere des Hauses wichtiger. Aber wenn du möchtest und im Oktober noch was machen kannst?“, fragend schaute er sie an. „Sonst verschieben wir das aufs nächste Jahr? Oder hast du schon bestimmte Ideen?“ Sein Blick wanderte kurz zu Sam. „Ich hätte gerne einen Garten. Kräuter, Gemüse, vielleicht auch Obstbäume“, warf Sam ein. Dean legte den Kopf schief und lächelte leicht versonnen. Genau das hatte er von seinem Bruder erwartet. „Du willst Gärtner werden?“ Obwohl das mit Amita an seiner Seite kein Problem sein sollte. „Werden vielleicht nicht, aber wie schwer kann es sein? Es gibt genug Leute, die das machen. Außerdem hätte ich ja die Kompetenz in Person an meiner Seite, hoffe ich.“ Sein Blick suchte Amitas. Dean legte den Kopf schief. War es schon so ernst zwischen den Beiden? Wünschen würde er es seinem kleinen Bruder. Er nahm sich vor, auf der Fahrt zu Bobby mit ihm darüber zu reden. „Dass du das hinbekommst, bezweifle ich nicht. Eher woher du die Zeit nehmen willst. Oder soll Amita da alleine ...?“ „Ich will ja nicht die ganze Fläche nutzen. Nur ein paar Hochbeete, ein paar Bäume und Sträucher. Erstmal anfangen und dann sehen wir weiter.“ Dean nickte. Irgendwie würden sie auch das hinbekommen. „Der Schwimmteich sieht furchtbar aus. Obwohl es ein Teich sein soll, wirkt er nur künstlich“, überlegte er. „Warst du schwimmen?“ „Nein, obwohl das bei der Hitze eigentlich eine Idee gewesen wäre.“ „Wann hast du denn dann ...?“ „Als wir kein Dach hatten, habe ich mir das Anwesen mal von oben angeschaut.“ „Du kletterst auch überall rum. Dass du Flugangst hast, ist so unwahrscheinlich.“ Sam lachte. Dean zuckte mit den Schultern. Dazu musste er nichts mehr sagen. Er blickte zu Amita. „Du kannst gerne mal ein paar Ideen aufzeichnen und wir schauen dann nach unserem Urlaub, was uns allen gefällt und was wir wann und wie umsetzen können“, bat er sie und freute sich über das Leuchten in den Augen. „Gerne“, nickte sie. Sam legte seinen Arm um sie und drückte sie an sich, während er ihr einen Kuss gab. Als er sich wieder von ihr löste, sah er aus dem Augenwinkel wie Madeleine zur Tür hereinkam. Sie sah Dean und nickte kurz. Sams Blick wanderte zu seinem Bruder. Deans Augen leuchteten auf. Hoffentlich hatte Dean das Glück jetzt auch endlich gefunden. Beruflich schien es ihm ja schon hold zu sein, fehlte nur noch die richtige Frau an seiner Seite. Sam mochte Madeleine, soweit er sie bisher in Deans Krankenzimmer kennengelernt hatte. Sie könnte die Frau sein, die seinen Bruder für immer von der Straße holen, oder ihn endgültig auf die Straße trieb. Dean trank sein Bier aus und stand auf. Mit einem sanften Kuss begrüßte er Maddie. „Das ist Amita Branson, Sams Freundin und Sam kennst du ja. Amita, das ist Dr. Madeleine Fisher.“ „Hallo“, grüßte Amita und beugte sich vor, um ihr die Hand zu geben. „Hallo“, lächelte Madeleine sie an. „Grüße Dich, Sam.“ Sie schaute zu Dean. „Wollen wir los?“ „Was hast du ausgesucht?“, fragte der ältere Winchester. „Da kommt eine neue Liebesschnulze. Die soll so richtig romantisch sein.“ Erwartungsvoll blickte sie zu Dean. Der ließ Kopf und Schultern hängen. „Na wenigstens kann ich dann schlafen.“ „Untersteh dich!“ lachte sie. Sie gab ihm einen Kuss und wandte sich zum Ausgang. Dean folgte. „Sie scheint nett zu sein. Wo hat Dean sie kennengelernt?“, fragte Amita, während Sam sich wieder auf seinen Platz fallen ließ. „Sie ist Notärztin im Krankenhaus“, erklärte Sam. „Sie hat ihn ins Krankenhaus gebracht, als er letztens die Rauchvergiftung hatte.“ „Na wenn das kein spektakulärer Start in eine Beziehung wäre?“ Sie trank ihre Cola aus und schaute zu Sam. „Wollen wir dann auch los?“ Sam nickte und winkte die Inhaberin zu sich, um zu bezahlen. Er wollte mit Amita heute in ein Varieté-Theater gehen. Kapitel 100: Vielleicht verliebt? --------------------------------- 100) Vielleicht verliebt? „Willst du diesmal mit auf einen Kaffee raufkommen?“, fragte Maddie, als der Impala schwieg. Sie hatten sich eine romantische Komödie angesehen, von der sie nicht wirklich viel mitbekommen hatten. „Ich glaube, das hatte ich dir beim letzten Mal versprochen?“, erklärte er versonnen. „Hast du, deshalb frage ich.“ Maddie klimperte mit den Wimpern und Dean musste lachen. Knarrzend öffneten sich die Wagentüren, sie stiegen aus und Dean folgte ihr ins Dachgeschoss des Hauses. Während sie die Kaffeemaschine befüllte, schaute er sich in der großen Wohnküche um. Sie war praktisch eingerichtet. Einige Fotos standen auf einem Regal und an den Wänden hingen ein paar Bilder. Es gab zwei volle Bücherregale. Ein Plüschbär und eine Puppe saßen auf der Couch und überall standen Pflanzen. „Du lebst hier im Dschungel“, stellte er fest. „Ich liebe Pflanzen, schon als ich noch ein Kind war, standen überall welche rum. Meine Eltern haben immer gemeint, wenn wir mal länger weg sein sollten, müssten wir uns den Weg in die Wohnung mit einer Machete bahnen.“ Sie lächelte ihn an und reichte ihm eine Tasse. Er schloss die Augen und inhalierte das Aroma, bevor er den ersten Schluck trank. „Wow, könntest du jeden Morgen bei mir vorbeikommen und Kaffee kochen, der ist ... Wow. Ich habe vor einer halben Ewigkeit zwar auch immer mal wieder herumexperimentiert, aber so lecker habe ich den nie hinbekommen.“ „Das Rezept hat mir meine Tante verraten, als wir bei ihr zu Besuch waren.“ „Die Frau versteht was davon.“ Dean genoss einen weiteren Schluck mit geschlossenen Augen. Ob ihre Kaffeemaschine das wohl auch so gut konnte? Er stellte die leere Tasse in die Spüle und ließ auf der Couch nieder. Maddie setzte sich zu ihm. Sie kuschelte sich an seine Seite und er legte seinen Arm um ihre Schulter. Sanft zog er sie noch enger an sich. Ihre Lippen berührten sich vorsichtig. Der Kuss blieb nicht so sanft. Schnell wurde er immer ungestümer bis endlich ein langer Zungenkuss daraus wurde. Atemlos trennten sich ihre Lippen. Jedoch nur um sich sofort wieder zu einem langen Kuss zu finden. Dean zog sie auf seinen Schoß. Seine Hände wanderten unter ihrer Bluse ihren Rücken hinauf. Sie schob ihre Hände unter sein Shirt und ließ ihre Finger sanft über seine Bauchmuskeln gleiten. Sich immer wieder küssend, erkundeten sie den Körper des anderen, bis Madeleine sich erhob und ihn mit sich in die Höhe zog. Sie umfasste seine Hand und führte ihn in ihr Schlafzimmer. Vor ihrem Bett blieb sie stehen und nestelte an seinem Gürtel, während er langsam ihre Bluse öffnete. Als er nach vielen Küssen nur noch mit Shorts bekleidet vor ihr stand, stieß sie ihn mit sanfter Gewalt ins Bett und setzte sich auf ihn. Ihre Lippen erforschten seinen Oberkörper, ihre Zunge spielte mit seinen Brustwarzen und wanderten über seinen Hals. Dean keuchte. Sie knabberte an seinem Ohr. Seine Hände wanderten über ihren Rücken. Er umfassten ihren Po. Seine Nase rieb er über die Stelle hinter ihrem Ohr und über das kurze Haar. Es roch nach Honig. Er wollte sie zu sich ziehen, ihre Lippen auf seinen spüren, doch sie lächelte ihn nur kurz an und wanderte, ihn weiter mit ihren Lippen erforschend, bis zum Bund seiner Shorts. Er wand sich vor Lust unter ihr. Ihre Nägel wanderten mit leichtem Druck über seinen Oberkörper folgten seinen Muskeln. Mit quälender Langsamkeit zog sie ihm die Shorts vom Körper. Er wurde immer ungeduldiger und zog sie wieder zu sich nach oben. Dann wälzte er sich auf sie. Jetzt begann er ihren Körper mit seinen Lippen zu erforschen. Ihre festen runden Brüste, die Brustwarzen, die sich ihm hart entgegenstellten. Wieder rieb er mit seiner Nase über ihre kurzen Haare, die im matten Schein der Straßenlaterne leicht golden schimmerten. Seine Zunge spielte mit ihrem Ohrläppchen. Sanft küssend wanderten seine Lippen über ihre Augen bis zur Nasenspitze. Wie ein Aal wand sie sich unter ihm vor Verlangen. „Nimm mich“, wisperte sie leise und holte ein Kondom aus der Schublade ihres Nachttisches. Sie konnte sich gerade nichts Schöneres vorstellen, als seine Hände und seine Lippen auf ihrem Körper. Dean machte mit seinen Liebkosungen noch eine Weile weiter, bevor er vorsichtig in sie eindrang. Sie drängte sich ihm entgegen, als er begann sich langsam zu bewegen. Sie ließen sich nicht viel Zeit, bis ihr Liebesspiel schneller und fordernder wurde. Fast gleichzeitig erreichten sie den Höhepunkt. Sie küssten sich zärtlich, während sie das Nachglühen genossen. An ihren Rücken gekuschelt, seinen Arm locker über ihre Hüfte gelegt, folgte er ihr in Morpheus Arme. „Smoke on the water“ ertönte und riss Dean aus dem Schlaf. Er hatte wohl vergessen, den gestern auszuschalten. Müde blinzelte er in den erwachenden Tag und rieb sich die Augen. Schlagartig setzte er sich auf als er erkannte, dass er nicht in seinem Zimmer war. Dann kamen seine Erinnerungen wieder. Mit einem Lächeln kippte er zurück ins Bett und vergrub seine Nase in den Kissen. Tief inhalierte er Maddies Duft. Träge drehte er sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Die Zeit, die er mit ihr verbracht hatte, machte Lust auf mehr und die Nacht war großartig gewesen! Er wollte mehr von ihr! Aber er wollte sie nicht belügen. Er wollte, dass sie wusste, wer er war. Vielleicht wollte sie ihn dann ja nicht mehr, aber das war dann ihre Entscheidung. Er würde mit ihr reden müssen, bevor sich das hier wiederholte. Noch könnte er es als heiße Affäre abtun. Nein, könnte er nicht, aber er würde es schon irgendwie schaffen weiterzuleben. Dann müsste er nur aufpassen, dass sie ihn nicht wieder ins Krankenhaus bringen musste. Aber das mit Cassie sollte sich auf keinen Fall wiederholen. Aus der Küche klangen leise Geräusche. Frischer Kaffeeduft mischte sich unter den Geruch nach Honig in Madeleines Kissen. Dean angelte nach seinen Shorts und stand auf. Er zog sie sich über und ging zur Tür. Sie hantierte am Herd als sie ein heiseres „Morgen“ aus ihren Gedanken riss. Sie drehte sich um. Dean lehnte am Türrahmen. Barfuß mit Jeans bekleidet und freiem Oberkörper lächelte er sie noch reichlich verschlafen an. Er fuhr sich durch sein verstrubbeltes Haar und setzte sich auf den Stuhl, den sie ihm wies. Sie wandte sich wieder dem Herd zu und belud seinen Teller mit Rührei und Würstchen. Toast stand schon auf dem Tisch und der Kaffee dampfte in seinem Becher. Er beobachtete sie dabei. Madeleine füllte einen weitere Teller und setzte sich dann, nachdem sie beide Teller auf den Tisch gestellt hatte, ihm gegenüber. „Lass es dir schmecken“, sagte sie und begann zu essen. Dean probierte den ersten Biss und schaufelte dann seinen Teller leer, als gäbe es kein Morgen. Maddie beobachtete ihn voller Freude. „So könnte ich jeden Morgen beginnen“, erklärte er und warf ihr einen Kuss zu. „Aber ich glaube dann gehe ich auf wie ein Hefekloß.“ „Frühstückst du nie?“ „Naja. Wir versuchen es. Wenn ich Tagschicht habe, steht Sam extra mit auf, damit wir zusammen essen können. Wenn ich aus der Nachtschicht komme, reicht es meist nur noch für einen kurzen Imbiss. Aber wenn ich frei habe, fahren wir eigentlich fast immer in die kleine Bäckerei zum Frühstück.“ „Sam und du? Er ist dein kleiner Bruder, aber ihr hängt aufeinander wie ein altes Ehepaar. ... Ich meine ich habe auch einen Bruder, aber wir sehen uns kaum.“ „Wir haben viel durchgemacht und waren oft auf uns gestellt“, er schaute zu ihr und verzog das Gesicht. „Das ist nichts, was ich dir zwischen Tür und Angel erklären kann“, sagte er leise. Maddie legte den Kopf schief. War es das? „Aber du wirst es mir erklären?“ „Ich werde es dir erklären!“, nickte er und Madeleine fragte sich, ob sie die Traurigkeit in seinen Augen wirklich gesehen hatte. Was war das für eine Zeit, die so tiefe Spuren hinterließ, dass er sie noch nach Jahren nicht verwunden hatte? Auch sie hatte Verluste erlitten. Der Unfall ihrer Eltern. Es tat noch weh, wenn sie an sie dachte, aber es war lange nicht mehr dieser allumfassende Schmerz, der sie nach diesen Tag überrollt hatte. Es war besser geworden, auch wenn sie es immer noch nicht akzeptieren konnte, dass sie nicht mehr da waren. Schnell wechselten sie das Thema während sie zu Ende frühstückten. Danach half Dean ihr, das Chaos in der Küche zu beseitigen. „Sehen wir uns am Mittwoch?“, wollte sie wissen, als Dean sich verabschiedete. „So war es ausgemacht!“ Der Winchester nickte. „Wir könnten ins Varieté gehen? Das soll gut sein.“ „Sam war gestern da, den könnte ich fragen. Aber ich würde gerne einen eher ruhigen Abend mit dir alleine verbringen.“ Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. „Was schlägst du vor?“ „Mal sehen, was das Wetter sagt. Vielleicht ein Picknick oder Minigolf. Wir könnten auch klettern gehen oder schwimmen. Kannst du reiten?“ „Wie kommst du denn auf Reiten?“ „Fiel mir gerade ein. Ich habe schon lange nicht mehr auf einem Pferd gesessen und würde es gerne wieder mal tun“, sagte er und überlegte, ob er sich vielleicht ein Pferd zulegen könnte, wenn sie auf dem Anwesen wohnen würden. „Überrasch mich“, sagte sie und gab ihm einen Kuss. „Jetzt bin ich so schlau wie zuvor“, grummelte er, während er die Treppen hinunter ging. Konnte sie nun reiten oder nicht? Der Mittwoch kam schneller als gedacht. Am Ende seiner Schicht verabschiedete sich Dean von seinen Kollegen. Immerhin war er jetzt fast vier Wochen weg. „Wenn du wieder kommst, musst du aber Einstand zahlen. So lange Urlaub zu haben ...“ Gilian schüttelte den Kopf. „Nachher müssen wir dich bestimmt wieder anlernen“, maulte Tom Brolin. „Solange er diese leckeren Muffins und Brownies mitbringt, erkläre ich ihm gerne jedes einzelne Teil der Drehleiter“, warf Josh ein und Dean grinste. Irgendwie hatte er sich für eine Sekunde mit Schläuchen beladen und in voller Montur die Treppen hoch hasten gesehen. Doch das würde hier nie passieren. Sowas war Gradys Ding und den gab es nicht mehr! „Denk an die Muffins!“, rief Dave ihm hinterher, als er in den Impala stieg. Dean grinste und winkte seinen Kollegen. Fast vier Wochen frei. Hatte er das je gehabt? Frei sein? Tun was er wollte? Doch, bei Bobby, als sie sein Haus umgebaut hatten. Das war schon wie Urlaub gewesen. Jetzt baute er wieder ein Haus um. Ihr Haus dieses Mal und nicht im Urlaub und er beschloss noch einmal bei ihrem Haus vorbeizufahren. Viel hatte sich nicht verändert. Die Zimmer sahen noch genau so aus, wie er sie vor einer Woche verlassen hatte. Aber alle Fensteröffnungen waren mit Brettern vernagelt worden. Nächste Woche sollte es im Schwimmbad losgehen. Den Auftrag hatten sie am Samstag erteilt, genau wie sie die Fliesen für das Gäste-WC ausgesucht hatten. Wenn sie wieder hier waren, mussten sie sich um die Küchenmöbel kümmern. Es fühlte sich total komisch an. Bis vor knapp zwei Wochen war er mehrmals in der Woche hier und jetzt nur einmal in der ganzen Zeit. Er atmete durch. Auch das würde sich nach dem Urlaub wieder ändern! Er schoss noch ein paar Fotos, dann verließ er das Haus und fuhr in die Wohnung, wo er sich zufrieden ins Bett fallen ließ. Kapitel 101: Let it be ---------------------- 101) Let it be Ein paar Stunden später riss ihn der Wecker aus einem schönen Traum. Er hing den Bildern noch eine Weile nach, dann stand er auf, ging duschen und begann einen Picknickkorb zu packen. Eineinhalb Stunden später stellte Dean den Impala vor Maddies Haustür ab. Er ging nach oben und klingelte. Die Taste hatte er noch nicht richtig losgelassen, als sie auch schon die Tür öffnete. Kritisch musterte sie ihn. „Was?“, wollte er irritiert wissen. „Ich dachte, ich könnte anhand deiner Kleidung erkennen, wohin es heute gehen soll.“ „Wir gehen klettern. Und danach, dachte ich, könnten wir uns ein hübsches Plätzchen für ein Picknick suchen.“ „Dann bin ich mit Jeans ja genau richtig angezogen.“ „Nimm eine Jacke mit, für den Abend“, bat Dean. Madeleine holte ihre Jacke und bewunderte still seine Voraussicht. Zur Kletterhalle war es nicht weit. „Fährst du hier öfter her?“, wollte sie wissen, nachdem Dean den Wagen geparkt hatte und die Tür ansteuerte. „So hin und wieder.“ „Dean, hey, brauchst du schon wieder Trainingsstunden oder willst du die Frau an deiner Seite beeindrucken?“, strafte einer der Trainer, der gerade einem jungen Mann beim Anlegen des Sicherungsgeschirrs half, Deans Worte Lügen. „Weder noch, Rus“, erklärte der Winchester. „Ich dachte, wir verbringen hier einen ruhigen Nachmittag.“ „Na dann! Viel Spaß“, wünschte Rus und ging mit seinem Klienten in die Halle. „Hin und wieder?“, lachte Madeleine nur. „Naja, es macht Spaß und wir kriegen die Zeiten für den Fitnessnachweis angerechnet.“ Er zuckte mit den Schultern und half ihr das Sicherheitsgeschirr anzulegen. Nach zwei Stunden Felsenkletterei reichte es Maddie. Das Klettern hatte Spaß gemacht und sie wollte es bestimmt auch wiederholen, aber es war ungewohnt und jetzt streikten ihre Muskeln. Außerdem knurrte ihr Magen. „Ich habe genug“, sagte sie also zu Dean, als wie wieder neben ihm stand. „Du hast dich gut gehalten!“, bewunderte er sie. „Ich hätte gewettet, dass du eher streiken würdest.“ „So unsportlich bin ich nun auch wieder nicht!“, maulte sie. „Das meinte ich auch nicht.“ Er lächelte. „Nach meiner ersten Runde hatte ich mächtigen Muskelkater und wir waren nicht so lange in der Wand“, erklärte er. „Wenn du so weiter machst, muss ich bald um meinen Job fürchten“, sagte Rus, der sich eben zu ihnen gesellt hatte. „Wie du sie sicherst und ihr alles erklärt hast, das sah sehr professionell aus.“ „Lass mal“, Dean rieb sich den Nacken. „Ich habe einen Job, der mir Spaß macht und den ich um nichts in der Welt aufgeben möchte.“ „Da habe ich ja Glück.“ Russell grinste und schlug Dean kameradschaftlich auf die Schulter. „Willst du auch noch in die Wand?“ Dean schaute zu Maddie. Bisher hatte er sie nur gesichert. Er würde schon gerne, aber sie konnte ihn nicht halten, wenn er abrutschen sollte. „Ich möchte schon sehen, was du so kannst, wenn dich hier jeder kennt“, sagte sie. „Aber nur kurz. So langsam habe ich Hunger“, sagte Dean. „Ich sicher dich. Wo willst du hoch?“, fragte Rus. Dean musterte die schwarzen Griffe. Diese Wand kannte er fast auswendig. Aber das war egal. Er konnte es ja mal wieder auf Zeit versuchen. Doch bevor er etwas sagen konnte deutete Rus auf den freistehenden Turm in der Mitte. „Die lila Griffe sind neu und gehen einmal um den Turm rum. Wie sieht´s aus?“ Ganz automatisch folgte Deans Blick dem ausgestreckten Arm des Trainers. Dann schaute er zu Madeleine und sie nickte begeistert. Der Winchester zuckte mit den Schultern. Warum nicht? „Dann mal los“, sagte er und ging zu dem Turm. Er hakte das Sicherungsseil in seinen Gurt. Rus zog das andere Ende des Seiles durch den Karabiner an seinem Geschirr. „Alles klar“, forderte er Dean auf und der machte sich auf den Weg nach oben. Die ersten Meter waren einfach, dann wurde es komplizierter. Vor allem an den Ecken musste er mehrfach umgreifen. Doch natürlich schaffte er die Strecke. Grinsend stand er oben. „Lässt du dich fallen?“, wollte Rus wissen. „Habe ich das je?“, fragte Dean und löste das Seil. Er hatte schon immer Probleme damit die Kontrolle vollkommen abzugeben. Dass ihn jemand bei Klettern sicherte, war nicht das Problem. Da lag es ja eher an ihm, wenn jemand eingreifen musste. Aber sich fallen zu lassen? Das würde er wohl höchstens bei Sam und selbst da spielte seine Flugangst eine größere Rolle und er musste sich überwinden. Einem Fremden würde er wohl nie die Kontrolle über sein Wohlergehen überlassen, solange er noch selbst denken und handeln konnte. Er nahm die Treppe im Inneren des Turmes. „Das sah gut aus“, empfing ihn Madeleine. „Danke“, freute er sich ehrlich. „Und jetzt habe ich Hunger!“ Sie deutete auf die Tisch in einem abgetrennten Bereich. „Essen wir hier?“ „Nein. Ich dachte wir suchen uns ein hübsches Plätzchen in der Natur. Was hältst du von einem Platz an einem See oder eine Lichtung im Wald?“ Sie nickte. „Eine Lichtung klingt näher.“ Dean grinste und gemeinsam gingen sie sich umziehen, um dann zu ihrem Picknick zu fahren. Mitten auf der Lichtung brannte ein kleines Lagerfeuer. Die Sterne funkelten am Firmament. Dean erhob sich und schürte das Feuer. Dann sammelte er seine Sachen zusammen und zog sich an. Er reichte Madeleine seine Jacke. Sie waren vor ein paar Stunden hier angekommen und hatten eine Decke ausgebreitet, bevor sie sich über den Picknickkorb hergemacht und sich dann wild und lange geliebt hatten. Jetzt zog die Kälte langsam über die Wiese. Er setzte sich wieder und lehnte sich an einen Baumstamm. Maddie kuschelte sich an seine Brust. Immer wieder schaute sie zu ihm auf. Was hatte er nur? Er war schon eine Weile in sich gekehrt und sie fragte sich, was diesen Stimmungsumschwung ausgelöst haben könnte. „Wir müssen reden“, sagte Dean plötzlich in das Rauschen der Bäume. „Ich muss dir etwas von meiner Vergangenheit erzählen, bevor ...“‚ 'ich mich nicht mehr traue oder das mit uns noch tiefer geht.‘, führte er den Satz in Gedanken zu Ende. ‚Oh Gott, er ist verheiratet und hat Kinder‘, schoss es ihr durch den Kopf. Sie setzte sich auf und schaute ihn schweigend an. Er starrte ins Leere. Er hatte Angst vor ihren Reaktion, Angst davor, dass sie genauso reagierte wie Cassie. Doch auf Dauer mit einer Lüge leben konnte er nicht und jetzt war es vielleicht noch möglich, sich von diesen Gefühlen zu lösen und weiterzumachen, ohne dass er daran kaputt gehen würde. Er holte tief Luft. „Du kennst Horrorfilme. Ich mochte Poltergeist immer ganz gerne“, er grinste schief. „Allerdings weiß ich, dass der wahr ist. Poltergeister, Vampire, Dämonen, das Ding im Schrank vor dem Kinder Angst haben, es gibt sie wirklich. Sam und ich, wir waren bis vor reichlich zwei Jahren auf der Jagd nach diesen übernatürlichen Wesen, auf der Jagd nach dem Bösen und Übernatürlichen in diesem Land.“ Jetzt war es raus und er fühlte sich erleichtert und beschissen zugleich. Madeleine rückte von ihm ab. ‚Jetzt spinnt er total!‘ Sie richtete sich auf, um ihm in die Augen sehen zu können. Sie wartete auf ein Grinsen, das ihr verriet, dass er sie auf den Arm nahm. Doch nichts dergleichen passierte. Sein Blick blieb weiter ins Leere gerichtet. Sie stand auf. „Sag mal hast du sie noch alle? Bist du völlig bekloppt? Du gehörst doch in eine Anstalt!“ Dean schloss die Augen. Eine steile Falte erschien zwischen seinen Brauen und der ganze Schmerz seines Lebens schien sich in sein Gesicht graben zu wollen. Er nickte. „Ich bin ein Freak! Und ich jage Freaks. Ich habe ewig gebraucht, mich in ein Leben hineinzufinden, das immer noch fantastisch erscheint und dass ich liebe. Trotzdem kann ich nicht verleugnen was ich bin. Meine Mom starb als ich vier war, durch die Hand eines Dämons über Sammys Bettchen an die Decke gepresst. Blut tropfte aus ihrem Bauch und dann stand die Decke um sie herum in Flammen. Ich habe Sammy damals aus dem Haus getragen während John versuchte Mom zu retten.“ „Du hast als Kind Horrorfilme gesehen? Wie verantwortungslos ist das denn?“, griff sie die erste Vermutung auf, die ihr bei dieser Aussage in den Sinn kam. „Es war kein Film und ich habe Mom nicht gesehen. Aber Jess. Sams Freundin. Sie starb 22 Jahre später auf die gleiche Weise.“ Er öffnete die Augen wieder und schaute zu ihr. „Vampire, Hexen, Werwölfe, Dämonen. Sie sind real!“, sagte er ernst. Madeleine fuhr sich durch die Haare. Wie sollte sie hier argumentieren? So wie er aussah, glaubte er daran. Verdammt! Wieso musste sie an so einen geraten? Bis eben schien er doch ganz normal gewesen zu sein!?! „Dean“, beschwor sie ihn, „das sind nur Filme. Es gibt keine Monster! Ich hab noch nie davon gehört. Klar in Filmen und Legenden. Aber ich kenne niemanden der sowas schon mal gesehen hätte.“ „Du glaubst auch an Keime und Bakterien. Ich habe noch nie welche gesehen und doch gibt es sie“, konterte er. Er stand ebenfalls auf und begann ihre Sachen zusammen zu sammeln. „Ja, aber ich habe sie gesehen. Ich kann sie dir zeigen!“ fauchte sie und starrte ihn wütend an. „Und ich könnte dir die Monster zeigen.“ Dean richtete sich auf. Sein Blick verlor sich in der Ferne, irgendwo jenseits von Raum und Zeit. Traurig schien er in die Vergangenheit zu schauen. „Sam und ich wurden von klein auf als Soldaten erzogen. Gedrillt für einen Krieg gegen das Böse.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich..... wir haben so viel Furchtbares gesehen.“ Dann riss er sich von den Erinnerungen los und schaute sie an. Es brachte so nichts. Sie hatte dicht gemacht. Sie würde ihm nicht glauben, egal was er sagte. Er hatte wieder einmal verloren. Wie hatte er glauben, wie hatte er hoffen können, dass es dieses Mal anders lief? Sie waren ein paar mal ausgegangen. Cassie kannte er wesentlich länger. Ihre Liebe war viel tiefer gegangen, als er es ihr gesagt hatte und sie hatte ihm nicht geglaubt. Wie sollte es Madeleine da schon jetzt tun? Wollte er sie vertreiben? Wollte er, tief in seinem Inneren, eine Bestätigung dafür, dass er nicht für so ein Leben geschaffen war, dass er wieder auf die Straße und in ein Leben zurückkehren wollte, das von der Jagd bestimmt wurde? Wollte er so sterben wie John? Hatte er sich die ganze Zeit etwas vorgemacht? Nein! Das wollte er nicht glauben! Er wollte leben und er wollte dieses Leben! „Ich bring dich nach Hause“ sagte er leise, nahm ihre Sachen und brachte alles zum Impala. Immer wieder schaute sie zu ihm hinüber. Immer wieder wollte sie etwas sagen. Doch er strahlte eine Kälte aus, die sie noch nie bei einem Menschen erlebt hatte. Er hatte sich komplett abgeschottet und starrte auf die Straße. Sie hatte den Eindruck, dass ein völlig fremder Mann neben ihr saß. Das war nicht der warmherzige, fröhliche Dean, als den sie ihn kennengelernt hatte. Doch was wollte er. Warum erzählte er ihr sowas. Wollte er sie verlassen? Das hätte er ihr auch anders sagen können. Warum so ein Lügenmärchen? Sie wünschte sich, er hätte ihr von einer Frau und Kindern erzählt. Damit hätte sie umgehen können. Irgendwie. Monster, Dämonen, Vampire, Werwölfe? Warum dachte er sich diese Dinge aus? Hatte er als Kind zu viele Horrorfilme gesehen und sich den Verlust seiner Mutter so erklärt? War der Vater unfähig gewesen seinen Kindern diesen Verlust zu erklären und ihn mit ihnen zu verarbeiten? Sie überlegte. Im Krankenhaus hatten die Brüder ihnen doch urbane Legenden erzählt. Diese Erzählungen waren so lebendig gewesen. Waren das wirklich nur Legenden? Sie wusste es einfach nicht. Sie wusste nicht, was sie von seiner „Beichte“ halten sollte. Dean brütete ebenfalls vor sich hin. Was sollte jetzt werden? Würde er eine Frau finden, die seine Vergangenheit akzeptieren konnte? Oder wäre es einfacher den Wunsch nach einer Familie fallen zu lassen? Er wollte nicht mehr zurück auf die Straße und einer Bestimmung folgen, die John ihm eingeredet hatte. Er wollte leben! Er wollte es hier und mit Sam! Selbst wenn das heißen würde, nie eine eigene Familie zu haben! Er würde sich nicht unterkriegen lassen. Er würde kämpfen. Das hatte er immer! Außerdem hatte er den besten Grund hier, um zu bleiben. Sammy. Und inzwischen ja auch das Haus, das er allerdings sofort für Sams Glück aufgeben würde, würde ihn jemand fragen. Dean atmete tief durch. Sein Entschluss stand fest. Wenn nicht Madeleine, dann fand er vielleicht später eine anderen Frau, die ihn akzeptierte. Er würde nicht aufgeben! Vor Madeleines Haus hielt er an. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, doch er schaute stur geradeaus. Er wollte es nicht hören. „Lass mir Zeit!“ bat sie leise und blickte ihn fragend an. Er reagierte nicht. Klar! Sie hatte ihm erklärt, dass sie ihn für bekloppt hielt. Aber wie konnte er ihr so ein Märchen auftischen? Wie konnte er annehmen, dass sie ihm glauben würde? Sagte er vielleicht doch die Wahrheit? Aber wieso hatte sie dann noch nie etwas davon gehört? Sie würde ihn das zu gerne fragen. Sie wollte zu gerne wissen, wie er darauf kam, dass diese Gestalten real wären, und sie wollte ihm sagen, dass er es beweisen sollte. Spätestens dann müsste sein Kartenhaus doch einbrechen, oder? Spätestens dann müsste er der Wahrheit ins Auge blicken. Er ließ mit keinem Anzeichen erkennen, dass er sie überhaupt gehört hatte, also stieg sie aus. Vor ihrer Haustür drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Dean saß in seinem Impala und starrte auf die Straße. Er schien nicht auf sie zu achten, aber er fuhr auch nicht davon. Schnaufend zuckte sie mit den Schultern und betrat das Treppenhaus. Sie war schon eine Weile in ihrer Wohnung, als sie hörte wie der Impala endlich gestartet wurde und sich entfernte. Zu Hause ließ sich Dean auf die Couch fallen. Er stellte die Ellenbogen auf die Knie und stützte seinen Kopf in die Handflächen. Er fühlte sich wie ausgelaugt und wusste nicht mal warum. Er hatte sich gewünscht, dass sie ihm glauben würde, aber er hatte es nicht erwartet. Wie auch. Trotzdem hatte er es versuchen müssen. Lange saß er einfach nur da, stumpf ins Leere starrend. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er holte ihre Waffentasche aus dem Fach unter seinem Bett und begann die Waffen zu reinigen, die er einpacken wollte. Viele waren es nicht. Nur Sammys Beretta, sein Colt, die Schrotflinten, Armbrüste und Macheten. Damit kam er sich nicht so gänzlich nackt vor, wenn sie durchs Land fuhren und diese Waffen konnten sie problemlos mit einer Jagd bei ihrem Onkel erklären. Es dauerte nicht lange, bis sich die meditative Wirkung seines Tuns in seinem Inneren ausbreitete. Seine Gedanken beruhigten sich und als er die Waffen in eine Tasche schob, fühlte er sich auch endlich in der Lage ins Bett zu gehen und noch ein paar Stunden erholsam zu schlafen. Kapitel 102: Bridges over troubled water ---------------------------------------- 102) Bridges over troubled water Er erwachte, als er Sam in der Küche hantieren hörte. Er stand auf und verließ sein Zimmer. „Morgen“, grummelte er und zauberte Sam damit ein Lächeln ins Gesicht. Dean war immer noch so herrlich morgenmufflig, wie früher und es fühlte sich so gut an, dass sich manche Dinge eben doch nie zu ändern schienen. „Morgen“, erwiderte er etwas verspätet. Gemeinsam deckten sie den Tisch fertig. Sie ließen sich auf ihre Plätze fallen und begannen in aller Ruhe zu Frühstücken. Schon nach wenigen Löffeln hielt Sam inne und musterte seinen Bruder aufmerksam. Etwas war da? Etwas, das er in den letzten Monaten nicht gesehen hatte. „Du solltest essen“, sagte Dean ruhig. „Huh, ja ich ...“, begann Sam und schon sich einen weiteren Löffel Müsli in den Mund. Er kaute, schluckte und fragte, bevor er den nächsten Löffel nahm: „Was ist mit dir?“ „Was soll ...“, Dean schüttelte den Kopf. Er wollte doch nicht schon wieder in diese alten Muster fallen. „Ich habe es Madeleine erzählt.“ Einen Augenblick schwieg Sam verwirrt, dann war es ihm klar. „Du hast ihr von unserer Vergangenheit erzählt.“ „Ja.“ „Sie hat dir nicht geglaubt?“ „Nein. Sie meinte, dass ich in eine Anstalt gehören würde.“ „Nett ausgedrückt.“ Sam schob sich den letzten Löffel Müsli in den Mund. „Und jetzt?“ „Ich denke, ich werde mich nach einer neuen Freundin umsehen müssen. Oder es geschehen noch Zeichen und Wunder und sie glaubt mir plötzlich, warum auch immer. Obwohl ich ihr nicht wüsche, einen unserer Spielkameraden kennen zu lernen.“ „Du hättest dir mehr mit ihr gewünscht? Warum hast du ihr von unseren Monstern erzählt? Du hättest es ihr verschweigen können. Ich war zwei Jahre mit Jess zusammen und habe ihr nichts gesagt.“ „Das wollte ich nicht. Entweder sie akzeptiert mich so wie ich bin mit all meinen Dämonen, oder sie ist nicht die Richtige.“ „Ich bewundere dich dafür. Ich weiß nicht, ob ich mit Amita reden könnte.“ „Und ich bewundere dich dafür, dass du schweigen kannst. Was hast du ihr gesagt, wenn dich irgendwelche Monster um den Schlaf gebracht haben?“ „Ich hatte damit abgeschlossen und war der festen Meinung, dass ich einfach nur aussteigen muss, um frei zu sein.“ Er starrte in seinen Kaffee. „Das war, wie wir wissen ein Trugschluss.“ „Und jetzt? Wie denkst du jetzt darüber?“ Sam schaute auf. Was sollte er sagen? „Ich weiß es nicht. Das Thema versuche ich zu vermeiden und wenn es sich doch mal aufdrängen will, freue ich mich, dass wir kaum noch etwas mit diesem Teil unseres Lebens zu tun haben. Ich denke, dass wir weiterhin aufmerksam sein sollten und hoffe, dass sie uns, je länger wir nichts mehr tun, einfach vergessen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich Amita noch nichts erzählt habe.“ Sam zuckt mit den Schultern. „Und was ist, wenn es uns überfällt? Wenn es sich wieder in unser Leben drängt?“ „Dann werden wir uns dem stellen, so wie wir es immer getan haben und dann, aber wirklich erst dann, und selbst dann auch nur vielleicht, werde ich freiwillig mit Amita reden. Ich will sie nicht mit Dingen ängstigen, die es in ihrem Leben vielleicht ja nie geben wird. Und ich habe Angst sie zu verlieren, nur weil ich ehrlich war.“ Dean musterte seinen Bruder. Jess hatte er verloren, weil er nicht ehrlich gewesen war, aber hätte es ihr genutzt, wenn Sam sie eingeweiht hätte? Sie könnte noch leben, wenn sie Sam verlassen hätte, aber das ... Nein. Ein was wäre, wenn hatte sie noch nie weitergebracht. Er war seinem Gefühl gefolgt und hatte Maddie eingeweiht. Sie hatte entschieden, ihm nicht glauben zu wollen. Das musste er akzeptieren. Er würde irgendwann nach einer neuen Frau in seinem Leben Ausschau halten und dann entscheiden, ob und was er ihr erzählen würde. Er schob die Gedanken beiseite und erhob sich, um sein Geschirr zur Spüle zu bringen. „Wir sollten hier fertig werden, sonst sitzen wir heute Abend noch hier“, sagte er leise. „Willst du zuerst ins Bad?“ „Du bist schneller fertig. Geh du“, erwiderte Sam und machte sich daran, ihr Wohnzimmer aufzuräumen. Dann packte er seine Tasche und räumte sein Zimmer auf. Er wollte gerade mit dem Abwasch beginnen, als Dean wieder in die Küche kam. „Ich mach das“, sagte der Ältere und schickte Sam ins Bad. Eine Weile stand Dean vor seinem Schrank und überlegte, was er zu Kristas Hochzeit morgen anziehen sollte. Wollte er so richtig angeben und in seiner Feuerwehruniform mit den funkelnagelneuen Streifen gehen oder lieber in einem ganz normalen Anzug? Er nahm den Anzug heraus und packte ihn zu seiner Uniform. Mit der würde er zu Jodys Wahl auflaufen. Dann konnte sie so richtig mit ihren Männern angeben. Er grinste, strich den Anzug glatt und schloss den Kleidersack. Gerade als er den über Lehne der Couch zu seinen anderen Sachen gelegt hatte, kam Sam aus dem Bad. Er schaute zu Dean dann wanderten seine Augen zu den Taschen. „Hab ich so getrödelt?“, fragte er erschrocken. „Musst du wohl“, lachte Dean. Sam funkelte ihn kurz wütend an und verschwand lachend in seinem Zimmer. Wenige Minuten später kam er fertig angezogen, mit seiner Tasche und einem weiteren Kleidersack zurück. „Wir können“, verkündete er und ging zur Tür. Sein Bruder folgte ihm. Öffnete ihm unten angekommen den Kofferraum des Impalas und legte seine Taschen hinein. Die eine klapperte verdächtig bekannt und Sam legte eher zur Bestätigung seiner Vermutung die Hand darauf. „Du nimmst Waffen mit?“ „Schrotflinten, Armbrüste, Macheten, deine Beretta und meinen Colt. So ganz ohne würde ich mir nackt vorkommen.“ Sam musste grinsen. Er wäre auch ohne Waffen im Kofferraum gefahren, fühlte sich so aber entschieden wohler, auch wenn er das nicht sofort zugeben würde. Obwohl? „Willst du die Schrotflinten nicht lieber hier lassen? Wenn wir in eine Kontrolle kommen … Armbrust und Machete okay und für meine Beretta und deinen Colt haben wir Waffenscheine.“ „Wir fahren zu Bobby und mit dem gehen wir jagen“, erklärte Dean kategorisch und schlug den Kofferraumdeckel zu. Während Dean den Impala vom Parkplatz lenkte, rief Sam Bobby an, um ihm mitzuteilen, dass sie gerade losfuhren. „Na hoffentlich steht das Haus noch, wenn wir da sind“, überlegte Sam grinsend, nachdem er aufgelegt hatte. „Warum?“ „So wie Jody sich gefreut hat, dass wir kommen.“ Er schaute zu Dean. „Das klang wie Großputz. Nicht dass sie die Dielen durchscheuern, oder so.“ „So schlimm?“, hakte Dean nach. „Ich hatte gehofft, dass sich das mit ihrem Deputy irgendwie legen würde. Vielleicht sollten wir den mal exorzieren.“ Sam lachte nickend. „Ich bin mir nur nicht sicher, ob das jetzt noch was bringt. Die Wahl ist übermorgen.“ Dean nickte. „Und der neue Bürgermeister will sie unbedingt vorführen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich verstehe die Menschen einfach nicht. Sie hat so viel für den Ort getan und nur weil sie eine Affäre hatte, wenden sich alle von ihr ab?“ „Moralische Verfehlungen scheinen da mehr zu zählen, als Leben zu retten.“ „Sie hatte keine moralische Verfehlung!“, schimpfte Dean. „Wenn dann bin ich wohl schuld an dem Dilemma. Ich habe ihr zu dem „Verhältnis“ mit Bobby geraten.“ „Aber auch du konntest nicht wissen, dass sich die Leute so ewig daran erinnern. Wahrscheinlich haben die alle Dreck am Stecken und freuen sich, von sich ablenken und auf andere zeigen zu können.“ „Ich sage es ja immer wieder: Ich verstehe Menschen nicht.“ „Du verstehst sie schon ganz gut.“ Dean schüttelte den Kopf. „Ich habe sie da reingeritten, dann muss ich ihr eben einen Ausweg bieten.“ „Du hast sie da nicht reingeritten! Wenn dann ist ihr machtgeiler Deputy schuld und die dummen Menschen in Sioux Falls, die sich von aufgeblasenem Getue beeindrucken lassen. Mal abgesehen davon. Was willst du ihr denn für einen Ausweg bieten?“ Sam musterte seinen Bruder fragend. „Mir wird schon was einfallen“, sagte Dean. „Abwarten.“ Er hatte tatsächlich schon eine Notfallidee. Doch dazu wollte er diese Wahl abwarten. Außerdem wusste er ja nicht, was Bobby und Jody dazu sagen würden. Aber egal. Jetzt zählte erstmal die Fahrt nach Sioux Falls. Alles andere würde sich ergeben. Sam schaute noch kurz zu seinem Bruder, doch da der zu keiner weiteren Aussage bereit zu sein schien, lehnte er sich in seinem Sitz zurück und betrachtete die vorbeifliegende Landschaft. Schnell fielen ihm die Augen zu und er schlief ein. Dean musterte ihn mit einem Lächeln, drehte die Musik leiser und genoss das Schnurren seines Wagens. Vielleicht konnte er ihr ja einen Wellnesstag bei Bobby spendieren, der alten Zeiten wegen, denn nötig hatte sie es nicht. Meile um Meile spulte er ab. Nach reichlich fünf Stunden hatte er fast die Hälfte des Weges zurückgelegt und sein Magen knurrte. Er fuhr auf eine Tankstelle. Blinzelnd setzte sich Sam auf und löste bei seinem Bruder einen kleinen Lachanfall aus. „Was?“, fragte Sam verwirrt. „Nichts. Es ist nur, du wirst dich nie ändern.“ Dean deutete auf das Diner gleich neben der Tankstelle. „Willst du gleich noch was essen?“ „Wir könnten uns was holen und irgendwo an einem schöneren Platz eine Art Picknick machen.“ „Das klingt gut“, nickte der Ältere. „Holst du was?“ „Was willst du?“ „Bring was du nimmst“, entgegnete Dean und holte den Wassereimer, um die Insektenleichen von der Frontscheibe zu wischen. Dean fuhr gerade an dem Diner vorbei, um einen Parkplatz zu suchen, als Sam aus der Tür trat. „Das passt ja“, freute sich der Ältere. Sam stieg ein und sie verließen den Parkplatz. Knapp 10 Meilen weiter gab es einen Rastplatz, auf dem einige Bänke standen, und der sogar einen interessanten Ausblick bot. Sam holte seine Errungenschaften aus dem Fond. Sandwiches und Salat für jeden von ihnen. Außerdem hatte er zwei große Becher Kaffee gekauft. Schweigend packten sie ihre Brote aus und bissen hinein. Sam verzog sofort das Gesicht. „Schmeckten die früher auch schon so pappig oder ...“ Er zuckte mit den Schultern. „Werden sie wohl“, erklärte Dean. Auch er überlegte warum das Teil nach so langer Zeit, in der sie sich davon ernährt hatten, so furchtbar schmeckte. Waren sie inzwischen verwöhnt, was das Essen anbelangte? Eigentlich kochte er ja nichts Extravagantes, nur das normale Essen, aber das eben mit meist frischen Zutaten. Seit Sam im Supermarkt arbeitete brachte der ja nur noch frisches Obst und Gemüse mit. Mit Todesverachtung schluckte er den letzten Bissen vom Sandwich herunter und griff nach der Salatpackung. Er verteilte das Dressing und war kurz versucht die alte Sammy-Methode zu nutzen, um es ohne viele Umstände in der Packung zu verteilen, doch er entschied sich dagegen Er schob sich die erste Gabel voll in den Mund und kaute. „Immerhin der ist ziemlich frisch“, sagte er und machte sich daran, die Packung in Windeseile zu leeren. Erst dann schlossen sich seine Hände um den Kaffeebecher, der nicht mehr wirklich heiß war. Er musterte Sam und ließ dann seinen Blick durch die Landschaft gleiten. „Woran denkst du?“, fragte Sam, während er seine Salatbox schüttelte, um das Dressing zu verteilen. Dean grinste. „Solange du das nicht zuhause machst ...“ „Du nennt es Zuhause“, freute sich Sam. „Das heißt also, dass du deinen Frieden mit Bloomington gemacht hast?“ „Das sollte ich, oder?“ Sam verdrehte die Augen. „Ja, solltest du. Trotzdem möchte ich wissen, ob du es wirklich gemacht hast, oder ob du es nur hast, weil du es solltest, weil wir da ein Haus geerbt haben.“ Dean nahm einen Schluck Kaffee, schaute kurz zu Sam und blickte dann wieder in die Ferne. „Ich denke darüber nach, Bobby eine Partnerschaft auf dem Schrottplatz anzubieten, sollte Jody die Wahl verlieren.“ Er schaute Sam in die Augen. Der Jüngere schnappte nach Luft. „Das ist also der Plan, um Jody aus der Misere zu helfen, in die du sie angeblich geritten haben willst.“ „Ich habe ihr vorgeschlagen mit Bobby eine Affäre zu beginnen. Immerhin sollte da ja schon eine Weile gelaufen sein bevor das Haus …“ „Ja, aber wenn sie keine Gefühle für Bobby hätte, hätte sie die auch wieder beendet. Du hast ihr lediglich einen Ausweg aus einer ausweglosen Situation geboten. Ich fände es furchtbar, wenn sie die Wahl verlieren würde, aber ich könnte es mir nie verzeihen, wenn sie jetzt im Gefängnis säße. Und du dir auch nicht.“ Dean verdrehte die Augen. Natürlich wollte er nicht, dass Jody im Gefängnis saß, trotzdem hatte er ihr diesen Vorschlag gemacht und er fühlte sich verantwortlich für das was daraus resultierte. Sam seufzte. Sein Bruder würde sich nie ändern und irgendwie war das trotzdem beruhigend. „Wir warten ab, was passiert. Vielleicht sind ihre Unterstützer zwar leiser aber in der Mehrzahl. Wenn aber doch nicht? Ich finde deine Idee Spitze. Ja Bobby müsste seinen geliebten Schrottplatz aufgeben, aber er würde wieder einen bekommen und das Beste daran wäre, dass sie in unserer Nähe wären. Wir hätten die Familie beisammen.“ Sam strahlte. „Jetzt verkauf die Milch bitte nicht, bevor die Kuh da ist, okay?“ Dean verdrehte die Augen. „Ich meine ja nur“, schmollte Sam. „Und ich meine, dass wir weiterfahren sollten. Fährst du?“ Dean hielt seinem Bruder den Zündschlüssel hin. „Gerne.“ Sam griff zu. Sie räumten ihr Zeug zusammen und machten sich wieder auf den Weg. Kapitel 103: We are familiy --------------------------- 103) We are family Dank Deans Bleifuß auf dem letzten Stück der Strecke, schafften sie es trotz einer zweiten Pause, in den 12 Stunden Fahrtzeit bis Sioux Falls. Dean lenkte den Impala auf den Schrottplatz, zog den Zündschlüssel ab und war die Stufen zur Veranda hinaufgelaufen, bevor Sam es schaffte sich aus seinem Sitz zu schälen und bevor Bobby es schaffte die Tür zu öffnen. Der zuckte im ersten Augenblick auch sichtlich zusammen, als er auf die Veranda trat und sofort in eine feste Umarmung gezogen wurde. Dann jedoch erkannte er Dean und legte seine Arme ebenfalls fest um den Jungen. „Seid ihr geflogen?“, wollte er wissen, während er sich langsam aus der Umarmung löste. „Baby hatte Sehnsucht.“ „Nur Baby?“ Deans Wangen färbten sich rosa während er verlegen grinste und einen Schritt zur Seite machte, damit Sam ihren Ziehvater nun auch endlich in die Arme schließen konnte. Jody trat aus der Tür. Sie musterte Dean kurz und zog ihn dann in eine Umarmung. „Schön dich glücklich zu sehen“, sagte sie heiser. Dean drückte sie fest an sich. Er hatte die dunklen Augenringe gesehen, die Falten, die sich um ihre Augen eingegraben hatten und die irgendwie graue Hautfarbe und er wollte sie nur noch halten und vor der Welt beschützen. „Wir sind da“, sagte er. „Wir stehen hinter dir und wir finden einen Weg, egal wie das hier endet. Wir werden dich nicht alleine im Regen stehen lassen“, erklärte er fest und schob sie ein Stück von sich, um ihr fest in die Augen sehen zu können und so dieses Versprechen zu bekräftigen. „Ihr habt mich aufgefangen und ertragen, als es mir schlecht ging, jetzt werde ich alles tun, damit es dir gut geht.“ Sie schniefte kurz, nickte dann aber. „Ich liebe meinen Beruf und diese Stadt.“ „Sie sind Idioten, wenn sie nicht wissen, was sie an dir haben. Blinde Idioten!“ „Das kann ich ihnen aber schlecht sagen.“ „Wenn sie das nicht erkennen, haben sie dich auch nicht verdient!“, Dean schüttelte den Kopf. „Aber darüber reden wir nicht hier und nicht heute. Außerdem brennt mir Sam ein Loch in den Rücken, wenn ich ihn nicht endlich zu dir lasse.“ Aus den Augenwinkeln sah Dean ein grau-weißes Fellknäul durch den Flur geschossen kommen. „Und hier verlangt noch jemand nach Aufmerksamkeit.“ Er grinste und ging in die Hocke, um Marley ausgiebig knuddeln zu können. Die Hündin warf sich auf den Rücken und fiepte vor Vergnügen. Ihr Schwanz schlug einen Trommelwirbel auf den Boden. Bobby, Jody und Sam schauten sich fragen an. „Was findet sie nur an ihm, dass sie so ausflippt?“, wollte Jody leise wissen. „Gut Frage“, grübelte Bobby und zuckte mit den Schultern. Er legte seinen Arm um seine Frau und schob sie zur Tür. „Last uns reingehen. Solange Dean hier beschäftigt ist, bleiben mehr Steaks für uns.“ „Tja, Alter. Pech gehabt“, lachte Sam und legte seine Hand auf Deans Schulter. „Ich rede nicht mit ihr“, antwortete der auf diese unausgesprochene Frage, die in dieser Geste lag und schaute zu Sam hoch. „Ich weiß nicht mal, ob ich es noch kann.“ „Hast du´s nie versucht?“ „Nein, ich ...“ Dean zuckte mit den Schultern und schaute zu Marley. Er kraulte sie weiter, konzentrierte sich und gab ein ganz sanftes Grollen von sich. Die Hündin legte den Kopf etwas schräg und spitzte die Ohren. Ihre Augen lagen unverwandt auf dem Menschen, während sie dessen Liebkosungen weiter genoss. Erst als Dean aufhörte, gab sie ein kurzes Fiepen von sich, sprang auf und lief in die Küche, um sich weitere Streicheleinheiten von Sam abzuholen und auch bei ihm drehte sie sich begeistert auf den Rücken und fiepte vor Vergnügen, während Sam Brust und Hals kraulte. „Du hast jetzt nicht wirklich mit ihr gesprochen?“, wollte Jody wissen, als Dean, der Hündin folgend, in die Küche kann. „Naja, wirklich reden kann man das glaube ich nicht nennen“, gab er etwas verlegen von sich. „Aber sie schien zumindest begriffen zu haben, was ich von ihr wollte.“ „Und das wäre?“ Bobby nahm sich die Schüssel mit dem Fleisch und ging nach draußen, um es auf den Grill zu legen. „Euch wenigstens beim Tisch decken zu helfen, damit ich hier was bekomme und nicht ihren Napf plündern muss.“ Er grinste. „Außerdem hab ich ihr angedeutet, dass es noch mehr Hände gibt, die zum Knuddeln bereit sind.“ „Habt ihr unterwegs nichts gegessen?“ Jody hielt in ihrem Tun inne und musterte Dean besorgt. „Warum schaust du mich an?“, fragte der sofort. „Weil Sam nicht gleich eines Hungertodes stirbt, du aber schon. Außerdem habe ich Angst, dass du unleidlich wirst und ich überlege, was ich dir geben könnte.“ Deans Augen wurden groß und ein liederliches Grinsen zierte sein Gesicht. Er nahm sich eine der Gabeln, die er gerade auf den Tisch gelegt hatte und holte sich einen Happen aus der Schüssel mit dem Kartoffelsalat. „Wirst du wohl warten! Die Schüssel ist nicht nur für dich“, schimpfte Sam lachend und gab seinem Bruder einen Klaps auf die Hand. „Nicht?“, schmollte Dean. „Du magst doch so fettiges Zeug gar nicht.“ Sam verdrehte die Augen. „Außerdem haben wir Pausen gemacht, um dich und dein Baby zu füttern.“ „Schon, aber sowas Leckeres gibt es selten.“ „Du kannst genauso gut kochen.“ „Ja, aber dann muss ich es selber machen.“ Jody lächelte. Es tat so gut, die Jungs hier zu haben. Ihre Plänkeleien lenkten sie von dem ganzen Wahldilemma ab und sie ertappte sich, mal wieder, bei dem Gedanken, dass es doch schön wäre, wenn sie in der Nähe wohnen würden. Unbewusst strich sie sich über den Bauch. Auch wenn sie mit Bobby glücklich war ... in letzter Zeit dachte sie immer mal wieder darüber nach, wie alt Sean jetzt wäre und dass ihr ein Kind in ihrem Leben doch fehlte. Aber Sean war tot und Bobby wollte keine Kinder. Außerdem: War sie nicht schon viel zu alt dafür? Sie schob den Gedanken beiseite, nahm einen großen Löffel und schaufelte Dean etwas von dem Kartoffelsalat auf den Teller. „Ich denke, damit kannst du es aushalten, bis Bobby die Steaks bringt.“ „Wenn es dich nicht gäbe, müsste man dich erfinden“, strahlte Dean und streckte seinem Bruder kurz die Zunge heraus. Jetzt war es an Sam die Augen zu verdrehen. „Möchtest du einen Joghurt oder hältst du durch?“, fragte ihn Jody. „Ich halte durch. Ich bin nicht so verfressen wie mein Bruder“, erklärte er und grinste sie gleich darauf an. „Das hättest du nach dieser Frage auch gesagt, wenn du schon auf dem Zahnfleisch gehen würdest“, stellte Dean fest und schob sich die nächste Gabel in den Mund. „Hmmm“, machte er, kaute bedächtig und schluckte gut sichtbar, nur um Sam zu ärgern. „Kartoffelsalat oder lieber grünen?“, wandte sich Jody nun an Sam. „Ich verhungere wirklich nicht“, wehrte der ab. „Aber gib dieser siebenköpfigen Raupe ruhig noch was, dann ist die satt und wir können und genüsslich über das Fleisch her machen.“ Dean schluckte und legte demonstrativ seine Gabel beiseite. Jetzt war es Sam, der seinem Bruder eine lange Nase drehte. Dean zuckte nur mit den Schultern, stand auf und ging, zwei Bierflaschen vom Tisch nehmend nach draußen zu Bobby. Er öffnete beide Flasche und reichte eine an den alten Freund weiter. „Haben sie dich überführt und jetzt willst du dich hier ausheulen?“, schlug Bobby in dieselbe Kerbe, wie die beiden in der Küche. „Was gibt es da zu überführen? Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass sie mich kennen und wissen, wie sehr ich gutes Essen liebe.“ Dean zuckte mit den Schultern und ließ seinen Blick über den Garten wandern. „Also willst du sehen, wie weit die Steaks sind oder mir Gesellschaft leisten?“ „Beides und dafür sorgen, dass du bei der schweren Arbeit nicht verdurstest.“ „Bist eben doch ein guter Junge.“ Bobby wendete die Steaks. Er trank einen Schluck und schaute dann zu Dean. „Hast du wirklich eine Idee, wie das weitergehen soll, wenn Jody übermorgen ...?“ Er musste den Satz nicht beenden, Dean wusste auch so was er meinte. Sie alle wussten es. Schließlich drehten sich ihre Gespräche in der letzten Zeit fast nur noch darum. „Ich habe lange darüber nachgedacht. Immerhin bin ich Schuld daran, dass sie mit dir ...“ Bobby lachte. „Du bist kein Amor, also schmücke dich nicht mit fremden Federn.“ Dean schaute ihn ratlos an, bevor er sich verlegen den Nacken rieb. „Aber ich habe euch den Vorschlag überhaupt erst gemacht.“ „Und wir hätten uns getrennt, wenn es nur für diesen Zweck gewesen wäre.“ „Sowas in der Art hat Sam auch schon gesagt.“ „Sam ist ein kluger Junge. Höre hin und wieder auf ihn. Du bist nicht an allem Schuld!“ Eine Weile schwiegen sie und nur das leise Fauchen des Gases war zu hören, Bis Dean plötzlich fragte: „Meinst du es gibt ihn wirklich?“ „Wen? Amor?“ Der Winchester nickte. „Wenn, dann würde ich gerne mal ein Wörtchen mit ihm reden.“ „Du bist verliebt?“, fragte Bobby geradeheraus. „Verliebt würde ich das jetzt nicht nennen, Ich war ein paar Mal mit ihr aus.“ „Und? Mag sie dich nicht oder was?“ „Ich habe ihr erzählt, was wir früher gemacht haben.“ „Und sie damit verschreckt“, stellte Bobby ruhig fest. Dean nickte kurz und ließ dann den Kopf hängen. „Sie muss doch wissen, worauf sie sich einlässt. Ich meine, ich weiß doch nicht, ob die uns jetzt wirklich für den Rest unseres Lebens in Ruhe lassen. Ich finde es einfach unfair, wenn ich sie belüge.“ „Ist es das? Eine Lüge?“ Dean zuckte mit den Schultern. „Es kann tödlich sein, egal wie du es nennst.“ „Daran ist etwas Wahres.“ „Du bist eben ein Glückspilz, Du hast Jody.“ „Darauf musste ich aber auch lange warten.“ „Auch wieder wahr.“ Dean lachte. „Ich gönne sie dir von Herzen.“ „Danke“, erwiderte der Jäger. Er nahm die Steaks vom Grill und brachte den Teller rein. „Musstet ihr hochwichtige Männergespräche führen?“, wollte Jody von den Beiden wissen, während Bobby das Fleisch verteilte. „Mussten wir“, entgegnete Dean an seiner Stelle, ohne jedoch weiter darauf einzugehen. Nach dem Essen und nachdem die Küche wieder aufgeräumt war, machten es sich die Vier mit Chips, Salsa, M+M und Coockies vor dem Fernseher bequem. Bobby und Jody saßen auf der Couch. Sam ließ sich auf einen Sessel fallen und Dean setzte sich neben Bobby vor der Couch auf den Boden. Er zog das rechte Bein an und legte seinen Arm auf das Knie. Marley ließ sich neben Sam nieder, den Kopf auf deinem Oberschenkel gelegt. Fast sofort begann Sam sie wieder zu kraulen. Bobby legte seinen Arm um seine Frau. Sie kuschelte sich an ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter. Irgendwann ging Marley zu Dean und legte sich neben ihn. Sams Blick wanderte über diese Szene und ihm fiel nur ein Wort ein. Familie. So musste es sein, wenn sich eine ganz normale Familie zum Fernsehen niederließ. Ein wenig wehmütig dachte er daran, wie schön es hätte sein können, wenn ... und schob den Gedanken energisch von sich. Es brachte ja doch nichts und jetzt war es eben an ihm, diese Familienidylle mit seiner Familie möglich zu machen. Er warf einen Blick zu Dean, der jetzt mit Marley knuddelte. Ob er jetzt mit ihr redete? Das würde er wohl nur herausfinden, wenn er ihn berührte, denn das leise Grollen, war für ihn nicht hörbar. Fast automatisch wanderten seine Gedanken zu Yuri und William. Mit ihnen hatten sie auch nur noch sporadisch Kontakt. Das sollte er demnächst auch wieder ändern. Sie kannten so viele tollen Menschen. Die hätten sie nie kennen gelernt, wenn sie das bequeme Leben eines normalen Menschen gehabt hätten. Hm. Ihr Leben als Jäger hatte auch ein paar gute Seiten, ja. Trotzdem hätte er sich gewünscht, dass sie ... Kurz schloss er die Augen. Es brachte doch nichts dieses wenn und wäre. Sie hatten was sie hatten und er war dankbar, dass sie lebten, dass sie jetzt SO lebten. Kapitel 104: Himmel auf ----------------------- 104) Himmel auf Spät kam Dean am nächsten Morgen in die Küche. Sie waren erst nach Mitternacht in die Betten gegangen. Irgendwie wollte keiner diese ruhige Runde gestern Abend aufheben. Erst als Jody ein Gähnen nicht mehr unterdrücken konnte, waren sie regelrecht aufgesprungen. Er stellte einfach nur eine Tasse unter die Kaffeemaschine und hoffte, dass sie diesen Luxus im Haus auch bald haben würden. Während das schwarze Gebräu in die Tasse lief, schmierte er sich ein Sandwich und schlappte dann zum Büro. Vielleicht waren Bobby und Sam ja da. Immerhin Sam saß am Schreibtisch. „Morgen“, grüßte er. „Soll ich dir noch einen Kaffee bringen?“ „Danke nein, ich habe noch.“ Sam schaue nur kurz auf und deutete dann mit einem Blick auf seine Tasse. Dann tippte er weiter. „Was machst du?“, wollte Dean wissen. „Bobby hat ein paar seiner alten Fälle überarbeitet und ich stelle die jetzt ins Netzwerk.“ Sam streckte sich. „Wann müssen wir eigentlich los?“ Dean schaute zur Uhr. „Wenn wir uns in einer Stunde fertig machen, ist das früh genug.“ Er aß sein Sandwich auf. „Ich werde mal schauen, ob ich Bobby mit einem Kaffee beglücken kann.“ „Tu das. Er war schon länger nicht mehr drin.“ Dean verschwand in die Küche und ging dann, mit zwei Tassen Kaffee zur Werkstatt, wo Bobby ihn mit einem: „Na auch schon ausgeschlafen“, empfing. Der Winchester grinste. „Eher aufgehört.“ Er reichte die Tasse weiter. In aller Ruhe fachsimpelten sie über die beste Herangehensweise und genossen still, mal wieder gemeinsam an einem Fahrzeug zu schrauben. Beide freuten sich darauf, dass sie in den nächsten Wochen noch genug Zeit dafür haben würden. „Weißt du denn schon, wie es mit dir weiter gehen soll, jetzt wo du deine Streifen hast. Bleibst du in deiner Wache?“ „Eher nicht. Aber es ist auch egal. Ich müsste auf jeden Fall in eine andere Schicht wechseln. Chief Bradley wird weder Gillian noch Romero gehen lassen. Selbst wenn die befördert werden sollten, können die bei der Wache bleiben. Chief Reed wollte, dass ich mein Lieutenant-Patent mache, als Lieutenant arbeiten werde ich aber noch nicht. Ich habe doch kaum Erfahrungen! Vielleicht setzt er mich auf der neuen Wache drei ein. Die sollte diesen Monat fertig werden. Oder er versetzt mich in eine andere Schicht auf der 17.“ Er zuckte mit den Schultern. „Sie haben gerade angefangen die Feuerwehr in Bloomington umzubauen. Ich kann dir also erstmal nur sagen, dass ich nicht im Hauptquartier gelandet bin.“ „Vielleicht auch besser so, Du ständig unter der Fuchtel der obersten Bosse? Das könnte schief gehen.“ Bobby grinste. „Wieso das denn?“ „Weil du inzwischen auch Obrigkeiten hinterfragst. Außerdem kannst du sehr unkonventionell sein und ich weiß nicht, ob das immer so gut ankommt.“ „Dann kriege ich aber auch mit dem Battalion-Chief Ärger.“ „Der kann dich aber auch decken.“ „Stimmt. Bislang habe ich nie viel darüber nachgedacht. Bei Grady durfte ich eh nie etwas und bei Pratt und Bradley?“ Dean zuckte mit den Schultern. Er hatte getan, wofür er ausgebildet war und wie er es für richtig hielt, soweit er überhaupt selbst entscheiden konnte. Sie waren ja immer in Zweierteams unterwegs. Sein Blick wanderte zur Uhr. Er seufzte. So langsam sollte er gehen und sich fertig machen. „Ich glaube, ich muss los.“ Bobby schaute zu ihm. „Schau es dir gut an. Vielleicht brauchst du das Wissen noch mal.“ „Du meinst, falls ich irgendwann selber heiraten sollte?“ „Genau.“ „Hast du Hoffnung, dass das jemals passiert?“ „Ihr habt mich schon so oft überrascht.“ Bobby lächelte ihn warm an. „Dann will ich mal was lernen gehen.“ Dean nahm die Tassen und ging ins Haus zurück. Er duschte und zog sich seinen Anzug an. „Nicht die Uniform?“, fragte Sam. Er war gerade in Deans Zimmer gekommen und lehnte sich nun an den Türrahmen. „Die ziehe ich morgen an.“ „Dann solltest du sofort mit Jody morgen früh ins Rathaus gehen und davor für sie Werbung laufen. Das würde ihr bestimmt noch die eine oder andere Stimme bringen.“ Dean nickte nur. In seiner Brust schlugen zwei Herzen. Auf der einen Seite gönnte und wünschte er ihr diesen Posten, schon alleine, weil er ihr so viel bedeutete. Auf der anderen Seite würde er sich aber auch freuen, wenn sie zu ihnen nach Bloomington zogen. Sie waren seine Familie und wenn er die in seiner Nähe hätte ... Dass es für den Schrottplatz auch besser wäre, wenn immer jemand da wäre, wollte er gar nicht erst erwähnen. Er strich sich die Jacke glatt, schob die Brieftasche in die Innentasche und musterte Sam. „So wie du aussiehst, werden dir die Bräute die Türen einrennen.“ „Kann ich nur zurückgeben. Aber eigentlich will ich keine Bräute. Ich bin mit Amita ganz glücklich, wenn es sich so weiterentwickelt.“ „Dann lass uns den Damen da die Köpfe verdrehen und sie sabbernd stehen lassen.“ Sam grinste und folgte seinem Bruder zum Impala. Sie fanden einen Parkplatz, nicht weit von der Kirche entfernt. „Hast du kein Geschenk?“, fragte Sam, der sich schon die ganze Zeit wunderte, dass Dean sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht zu haben schien. „Doch. Javier, Rohan und ich haben zusammengelegt und ich bin auch schon gespannt, wie das Ding in Natura mit allem Zubehör aussieht. Das können wir auch gut für unsere Küche brauchen.“ „Und was ist es?“ „Was bist du neugierig“, lachte Dean. „Krista hat eine Wunschliste im Internet zusammengestellt und jeder Gast konnte sich, musste aber nicht, was aussuchen. Wir haben diese Kitchenaid genommen. In Bonbonfarbe!“ Dean schüttelte sich. Sie betraten die Kirche und Dean schaute sich um, ob er die Freunde irgendwo sah. Er musste nicht lange suchen. Javier hatte nach ihm Ausschau gehalten und winkte ihnen jetzt zu. Dean nickte und drängte sich durch die Menschen, die noch im Gang standen. „Hey“, grüßte er den Freund und umarmte ihn herzlich. „Wie geht’s euch?“ „Ganz gut“, erklärte Javier und stellte den Brüdern seine Begleiterin vor. Nach einem freundlichen „Hallo“, ließ sich der ältere Winchester von Rohan in eine herzliche Umarmung ziehen. Auch der hatte eine weibliche Begleitung an seiner Seite. „Und du ziehst immer noch mit deinem Bruder los?“, wollte der wissen. „Sieht wohl so aus“, erklärte Dean. Viel mehr Zeit, um die letzten Neuigkeiten auszutauschen, blieb ihnen allerdings nicht. Der Organist schlug die ersten Tasten an und brachte die Anwesenden so dazu, ihre Plätze einzunehmen. Erst jetzt konnte Dean einen Blick auf den sichtlich nervösen Bräutigam werfen. Sein Blick suchte den seines Bruders. Würden sie je so vor einem Altar stehen und wären sie dann auch so nervös? Sam schien einen ähnlichen Gedanken zu haben. Auch er sah fragend zu Dean, bevor er schief lächelte. „Ich denke schon“, sagte er leise. Der Hochzeitsmarsch ertönte und sofort drehten sich alle Anwesende zur Tür. Am Arm ihres Vaters, zumindest ging Dean davon aus, denn die Ähnlichkeit war frappierend, betrat Krista in einem eng geschnittenen weißen Kleid, die Kirche und ging langsam zum Altar. Der Bräutigam strahlte über das ganze Gesicht. Unweigerlich wanderten seine Gedanken zu Madeleine und wurden fast sofort wieder verdrängt. Ihre Anrufe hatte er auf die Mailbox umgeleitet, denn heute ging es allein um Krista, morgen um Jody und den Rest der Zeit wollte er seine Familie genießen und sich nicht mit vertanen Chancen und ungläubigen Ex-Vielleicht-Freundinnen beschäftigen. Was Jody und vor Allem Bobby wohl zu seinem Vorschlag sagen werden, sollte sie die Wahl morgen verlieren. Konnten sie ihr Zuhause hier verlassen? Würden sie es? Würden sie ihm überhaupt zuhören? So ganz wollte er nicht glauben, dass sie ihm keine Schuld an der Misere gaben. Bislang hatte ihm immer alle die Schuld an allem gegeben, dass dieses Denken doch noch irgendwo in ihm verwurzelt war, auch wenn er es versuchte zu ignorieren. Plötzlich lachte die Menge um ihn herum und er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen am Altar zu. Geraden sagte der Bräutigam sein Gelübde. Die Ringe wurden getauscht und dann marschierten Mr. Und Mrs. Callaghan den Gang entlang aus der Kirche und in ihr gemeinsames Leben. Dean, Sam und der Rest der Musketiere schlossen sich der Reihe der Gratulanten an. Es dauerte eine Weile, bis sie vor Krista und ihrem Mann standen, da jeder dem Brautpaar die Hände schütteln und ihnen ein paar gute Wünsche mit auf den Weg geben wollte. „Meine Musketiere“, freute sich Krista und ließ sich ungeniert von Dean in die Arme schließen. „Alles Gute und lass dich nicht von ihm ärgern“, flüsterte Dean ihr ins Ohr. „Ich doch nicht“, lachte sie. „Endlich lerne ich auch den letzten mal kennen“, freute sich der Bräutigam. „Ich habe bisher immer nur von dir gehört.“ „Da geht es dir genau wie mir. Ich habe nur von dir gelesen. Du bist doch Matt, oder?“ Dean zwinkerte Krista zu. „Bin ich und du? Welcher der Musketiere bist du?“ „Athos“, erklärten Krista und Rohan wie aus einem Mund. „Wieso Athos?“, kam Sam seinem Bruder zuvor. „Dean hatte seine Vergangenheit vergessen und Athos wollte sie vergessen“, begann Rohan. „Letztendlich hatten beide also ein Problem mit Vergangenheit.“ Sam grinste. „Und das wo Dean zu der Zeit nicht einen Tropfen Alkohol getrunken hat.“ „Apropos Alkohol“, hakte Dean nach. „Wann gibt`s hier wo was zu Essen?“ Kaum war das Wort Essen verklungen, meldete sich Deans Magen auch schon grummelnd zu Wort was nicht nur bei Sam einen Lachanfall auslöste. „Bis es Essen gibt, wirst du dich wohl noch mindestens eine oder zwei Stunden gedulden müssen. Aber gleich gibt es für die Gäste einen Empfang und da gibt es Häppchen.“ „Häppchen?“, Dean schaute wie drei Tage Regenwetter. „Die sind doch höchstens für den hohlen Zahn.“ „Und du hast extra kaum etwas gegessen, heute Morgen“, stichelte Sam. „Na warte. Die Rache wird mein sein.“ „Ich schlottere jetzt schon“, grinste Sam und zog seinen Bruder weiter, damit die restlichen Gäste, die hinter ihnen standen, auch endlich zum Zuge kamen. Dean überlebte die Zeit bis zum Essen, wenn auch gerade so, wie er nicht nur einmal betonte, genauso wie den Rest des Abends. Krista schaffte es sogar ihn zweimal zum Tanzen auf die Tanzfläche zu ziehen und er bemühte sich, ihr nicht wieder auf den Füßen herumzutreten. Mitternacht war längst vorüber, als die Brüder sich verabschiedeten und den Jungvermählten alles Gute für die Zukunft wünschten, und sie baten, Jody zu wählen. "Willst du das wirklich?", fragte Sam auf dem Weg zum Wagen. "Für Jody, ja!" Trotzdem standen sie, wenn auch reichlich verschlafen, in aller Frühe wieder in der Küche und zauberten alleine durch ihre Anwesenheit ein Lächeln auf Jodys angespanntes Gesicht. „Am Liebsten würde ich wieder ins Bett gehen und den ganzen Tag nicht mehr rauskommen“, erklärte sie leise, während sie an ihrer Tasse Tee nippte. „So siehst du auch aus“, nickte Dean und holte sich einen Kaffee. „Na danke!“, grummelte sie. „Was wollt ihr eigentlich schon hier?“ „Frühstücken und dir dann den Rücken stärken“, erklärte Sam und rieb sich die Augen. Der Blick, den sie von einem Bruder zum anderen und dann zu Bobby wandern ließ, wurde weich. „Ihr seid lieb, aber ihr braucht erst gegen elf aufkreuzen. Vorher will der Bürgermeister nur mit seinen Kandidaten angeben.“ Sie schnaubte. „Ist uns doch egal, was der Bürgermeister will. Du brauchst Unterstützung und die werden wir dir geben.“ „Bitte Dean. Kommt gegen elf.“ Der Winchester stellte die Tasse weg und drehte sich zu ihr. „Bist du dir da ganz sicher?“ „Der Bürgermeister will es so. Er will unsere volle Aufmerksamkeit.“ Sie seufzte und fragte sich, was das Ganze überhaupt noch für einen Sinn hatte. Warum tat sie sich das an? Weil sie die Stadt liebte, weil sie ihre Arbeit liebte und weil sie für die Einwohner und ihren Platz hier kämpfen wollte. Weil sie wollte, dass ihre Arbeit und ihre Beziehung anerkannt und geachtet wurden. Dafür kämpfte sie und wenn, dann ging sie auch mit erhobenem Haupt unter. „Ich bin mir sicher.“ Sie straffte die Schultern. „Entweder sie erkennen es an, oder ... wir betrinken uns heute Abend.“ „Gut. Weil du es so willst“, erklärte Dean fest. Er nahm seine Tasse und leerte sie in einem Zug. Dann stellte er sie in die Spülmaschine und zog sie in eine feste Umarmung. „Du schaffst das und wir sind schneller da, als du denkst“, sagte er leise ging wieder nach oben. Wenn sie ihn hier nicht wollten, konnte er auch noch ein paar Stunden Schlaf nachholen. „Dean?“, fragte Sam irritiert. „Ich gehe wieder ins Bett, wenn mich hier keiner braucht“, kam es von oben. „Solltest du auch!“ Dann schlug eine Tür ins Schloss. Sam schüttelte den Kopf, zuckte mit den Schultern und nickte. „Damit hat er wohl Recht.“ Er trank seinen Kaffee aus und umarmte Jody jetzt ebenfalls. „Viel Glück!“, wünschte er ihr und verschwand ebenfalls. „So sind sie“, erklärte Bobby pragmatisch mit einem Schulterzucken. „Wenn sie dir nicht helfen können, wird die Priorität eben auf die eigenen Bedürfnisse gerichtet.“ Jody legte ihm die Hand auf den Arm. „Mach dir keine Gedanken, ich verstehe sie. Außerdem habe ich sie zurückgewiesen. Genau wie dich. Leg dich noch etwas hin, wenn du kannst, und dann frühstückt in Ruhe. Danach kommt ihr und bringt mir was mit. Ich bezweifle, dass einer daran gedacht hat.“ Sie lächelte etwas schief. Die halbe Tasse Tee leerte sie in den Ausguss, nahm ihre Jacke vom Haken und fuhr zum Rathaus. Kapitel 105: She ---------------- 105) She Der Vormittag zog sich wie ausgekauter Kaugummi. Jody hatte weder Lust falsche Freundlichkeiten mit ihrem Deputy oder dem Bürgermeister auszutauschen, noch bei den Stadtbewohnern um ihren Posten zu betteln, egal was ihr Wahlkampfteam sagte und wollte. So sehr sie sie auch mochte, so sehr sie ihr auch geholfen hatte, so sehr sie immer wieder versucht hatten sie aufzubauen, gerade waren sie ihr nur zu viel. Denn das letzte halbe Jahr hatte sie sich regelrecht den Arsch aufgerissen, um alle von ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Als sie diesen Saal jedoch heute Morgen betreten hatte, war sie sich nicht mehr sicher gewesen, ob sie das alles noch wollte. Sie liebte Bobby und sie wollte diesen Mann, in dem sie nur einen versoffenen, eigenbrötlerischen Zausel gesehen und der sich vor ihren Augen zu diesem liebevollen Mann entwickelte, den sie nicht mehr missen wollte, der ihr das Leben nicht nur wörtlich gerettet hatte. Sie wollte diese Beziehung nicht mehr verstecken und wenn ihre Mitmenschen das nicht sehen wollte, warum sollte sie sich dann für sie ins Kreuzfeuer stellen? Mr. Davenport kam mit seiner Frau auf sie zu. „Jody! Es tut mir wirklich leid, was hier gerade passiert. Das haben Sie nicht verdient.“ Jody lächelte ihn nur an. Was sollte sie dazu auch sagen? Mrs. Davenport legte ihr ihre Hand auf den Arm. „Wir haben für Sie gestimmt.“ „Vielen Dank. Das ist nett von Ihnen!“ „Haben Sie mal etwas von dem jungen Winchester gehört?“, wollte Mr. Davenport wissen. Er wurde zwar von seinem Bruder sporadisch über Sams Studium informiert, hoffte aber, dass er vielleicht so ein paar mehr Informationen bekommen würde. „Er ist hier und wollte heute auch noch kommen.“ „Dann werden wir noch etwas warten“, erklärte der Anwalt. Jody nickte und schaute zur Uhr. Der kleine Zeiger sprang gerade auf die Elf, als Bobby die Ratshalle betrat. Sofort schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Bobby trug einen eleganten, dunklen Zweireiher. Er hatte sogar auf sein geliebtes Basecap verzichtet. Ihm folge Sam in einem schlichten schwarzen Anzug, der ihm jedoch so perfekt passte, dass er einfach nur atemberaubend aussah. Hinter den Beiden ... Jody hielt kurz den Atem an. Dean trug seine Uniform. Weißes Hemd, Krawatte und Mütze. Selbst auf die weißen Handschuhe hatte er nicht verzichtet. Die drei kamen auf sie zu und während Sam und Bobby ihr nur freundlich zunickten, trat Dean vor sie, nahm Haltung an und salutierte. „Ma‘am!“ Ein breites Grinsen überzog sein Gesicht. „Stehen Sie bequem. Lieutenant?“ Sie musterte ihn. „Seit wann hast du deine Streifen?“ „Etwas mehr als eine Woche. Die Prüfungen sind zwei Wochen her.“ „Herzlichen Glückwunsch.“ Warm strahlte sie ihn an. „Warum hast du nichts gesagt?“ „Bobby wusste es, aber dich wollte ich überraschen.“ „Das ist dir gelungen“, sagte sie mit einem Lächeln. Auch der Rest des Tages verging nicht schneller. Immer wieder musste Jody mit Einwohnern von Sioux Falls plaudern und so blieben die drei Männer eher sich selbst überlassen. Sam unterhielt sich eine ganze Weile mit Mr. Davenport und der erneuerte dabei sein Angebot, das Sam jedoch ausschlug. Sie hatten das Haus in Bloomington und Dean eine Wache, auf der er glücklich war, auch wenn die nur vorübergehend war. Es würde ja hoffentlich keinen zweiten Grady bei der Truppe geben. Aber auch der längste Nachmittag verging, die Wahlurne wurde geschlossen und die Stimmenauszählung begann. Und dann, endlich, wurden die Ergebnisse verkündet. Jody hatte die Wahl recht deutlich, aber mit wesentlich geringerem Abstand als befürchtet, verloren. Ihr ehemaliger Deputy führte sich auf, als wäre er der Einzige, der überhaupt Stimmen bekommen hatte. Herablassend schaute er auf seine Chefin, als sie ihm zu dem Sieg gratulierte. Sie fühlte sich wie taub. Irgendwie schien das alles noch nicht wirklich zu ihr durchgedrungen zu sein, oder warum fühlte sie sich gerade eher erleichtert? Müsste sie nicht wütend und enttäuscht sein? Seit der Verkündung der Ergebnisse lag nicht nur Bobbys Blick auf Jody. Und nicht nur er machte sich Sorgen. Sie war viel zu ruhig. Gab sie nur die starke Frau oder hatte sie schon damit abgeschlossen? Das wollte und konnte keiner der drei Männer glauben. „Ich glaube, dein Notfallplan muss doch ausgepackt werden“, wandte sich Sam leise an seinen Bruder. „Befürchte ich auch. Oder eigentlich finde ich es richtig gut. Ich weiß nur nicht, wie der angenommen wird, immerhin will ich die zwei damit entwurzeln. Auch wenn ich mich freuen würde, sie in unserer Nähe zu haben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es tut mir leid, dass sie diese Wahl verloren hat. Ich ...“ Er brach ab, als er Sams Blick sah. „Die Leute bekommen was sie verdienen“, sagte Sam ruhig. „Jody ist es nicht.“ Er ließ seinen Blick über die Menge wandern. „Aber für uns freue ich mich. Die Familie beisammenhaben.“ Er nickte. Auch er fand die Idee gut, auf jeden Fall besser als Deans Vorschlag damals, als Jody in ihr Leben getreten war. Wie unrecht er doch hatte, wenn er sich anschaute, wie glücklich Bobby mit dieser Frau war und wie glücklich er war, sie in Bobbys und damit in ihrem Leben zu haben. Jody ging zum Bürgermeister und wechselte ein paar Worte mit ihm. Dann verließ sie die Bühne. Sie bedankte sich bei ihrem Wahlkampfteam für die gute Arbeit. Es war nicht deren Schuld. Mit einem Nicken verabschiedete sie sich von ihnen und ging zu ihren Männern. „Lasst uns gehen. Bei der Beweihräucherung des neuen Sheriffs muss ich nicht dabei sein. Noch ist er es nicht!“ Auf dem Weg zum Ausgang wurden sie von Mr. Davenport aufgehalten. „Es tut mir leid“, sagte er ruhig und schaute erst zur Bühne und dann ins Publikum. „Sie bekommen, was sie verdienen. Ich hoffe, Sie nehmen es nicht allzu schwer.“ Er drückte Jody noch einmal die Hand. „Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren.“ „Da sind Sie wohl der Einzige, der das so sieht.“ Jody lächelte tapfer. „Ihnen auch vielen Dank.“ Sie wandte sich ab und verließ, umrahmt von ihren Männern, das Rathaus. Auf dem Weg zum Wagen legte Bobby seinen Arm um ihre Schulter. Sanft drückte er ihren Arm. „Ich fahre“, sagte er leise und hielt die Hand auf. Nickend gab sie ihm den Schlüssel. Als Bobby den Wagen vom Parkplatz lenkte, brachen ihre Dämme. Tränen traten ihr in die Augen. Der Impala stand schon vor dem Haus, als Bobby auf den Hof fuhr. Nebeneinander warteten die Brüder auf der Veranda. Jody rutschte vom Sitz. Unschlüssig stand sie in der Tür, bevor sie einen Ruck gab, die Tür schloss und die Stufen auf die Veranda nahm. Fast sofort drückte sie sich an Sam. Der legte seine Arme um sie und hielt sie, während sie ihrem Kummer freien Lauf ließ. Dean legte ihr eine Hand auf den Rücken. Die Andere platzierte er auf Sams Schulter. Bobby trat zu ihnen und Dean legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sein Blick wanderte von Bobby zu Sam und wieder zurück. Ein kurzes Nicken und er verschwand im Haus. Mit vier halbvollen Whiskey-Gläsern in den Händen kam er zurück. Nur langsam erlangte Jody ihre Fassung zurück. Sie schniefte und löste sich von Sam. Sofort zog Bobby sie an seine Seite, um ihr weiter Halt geben zu können. Dean reichte jedem ein Glas. „Was haltet ihr von Eis, viel Whiskey und einem romantischen Film?“ Sam schaute seinen Bruder irritiert an. Woher hatte er denn diese Weisheiten?“ Jody lächelte gegen die Tränen an. „Clint Eastwood tut es auch.“ „Echt?“, Dean strahlte. „Du bist die Beste!“ „Sag das mal meinen Mitbürgern hier in Sioux Falls.“ „Die sind doch alle nur neidisch, dass du glücklich bist!“, erklärte Sam. Verlieb schaute Jody zu Bobby auf und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. Dean packte seinen Bruder am Ärmel und zog ihn mit sich ins Haus. „Du kannst mir helfen.“ „Wobei?“, fragte der und folgte dem Älteren Dean durchsuchte die Gefrierfächer und förderte eine Packung Vanille und eine Packung Schokoeis zu Tage. Außerdem fand er eine Tüte Cookies. „Die kannst du mal auftauen“, erklärte er Sam und reichte ihm die Tüte. Er selbst verteilte Eis in große Schüsseln und brachte alles ins Wohnzimmer. Blind griff er in Bobbys Clint Eastewood-Regal und schob die Kassette in den Videorecorder, bevor er nach oben lief, um sich umzuziehen. Als Bobby und Jody ins Zimmer kamen, lief der Vorspann von Dirty Harry. An diesem Abend wurde wenig geredet, dafür mehr gegessen und getrunken. Erst als die Vier am nächsten Morgen, nach ihrem Frühstück noch gemeinsam am Tisch saßen, begann Jody ein richtiges Gespräch. „Was habt ihr jetzt vor?“, fragte sie und schaute zu Dean. „Keine Ahnung. Ausspannen, deine Küche genießen und mit Bobby an einem Auto schrauben.“ Der Winchester zuckte mit den Schultern. Jody trank einen Schluck. „Du hast Donnerstag gesagt, dass wir eine Lösung finden werden, egal was passieren würde. Welche Lösung soll das denn sein?“, lauernd schaute sie ihm in die Augen. Dean stand auf und holte die Flasche Whiskey und vier Gläser. „Alkohol am frühen Morgen?“, fragte Bobby skeptisch. „Wenn wir voll sind, kann sie uns nicht rausschmeißen“, grinste Dean schief. Er goss jedem einen Schluck ein, verteilte die Gläser und setzte sich. Er starte auf die goldene Flüssigkeit, die leicht in Glas hin und her schwappte, während er es sanft drehte. „Ich bin ein Familienmensch und ich habe meine Familie gerne in meiner Nähe“, begann er. Seine Augen wanderten zu Sam. „Und ich weiß, dass es Sam genauso geht.“ Er ließ seinen Blick von Jody zu Bobby wandern. „Ihr seid meine Familie! Sam und ich, wir haben ein riesiges Haus geerbt, das auf einem Grundstück steht, dass ...“ Er schüttelte den Kopf. „Egal. Was ich damit sagen will. Wir haben genug Platz und außerdem noch einen Schrottplatz, der mit Sicherheit mehr abwerfen würde, wenn täglich einer vor Ort wäre.“ Er atmete tief durch. „Lange Rede kurzer Sinn. Wenn ihr´s hier nicht mehr aushaltet und euch vorstellen könntet umzuziehen? Ihr wärt in Bloomington herzlich willkommen.“ Dean schnaufte und kippte seinen Whiskey hinunter. „Du willst, dass ich für dich arbeite?“, fragte Bobby. „Ich dachte da eher an eine Partnerschaft“, erwiderte Dean. „Und wo sollen wir wohnen? Bei euch im Haus? Das baut ihr für zwei Familien um, wenn ich das richtig verstanden habe.“ „Wir haben da ... die Ruine in der Nähe der Einfahrt und es gibt das Haus auf dem Schrottplatz.“ „Die müssen gemacht werden. Aber wir haben auch dein Haus hier hinbekommen“, warf Sam ein. „Habt ihr nicht schon genug zu tun?“ „Bislang haben wir uns noch vor keiner Arbeit gedrückt!“ Dean holte sich einen weiteren Kaffee. „Ihr redet immer vom Schrottplatz und von Bobby“, meldete sich Jody jetzt auch zu Wort. „Was soll ich denn in eurer Planung tun? Däumchen drehen? Dafür bin ich wirklich zu jung!“ „Wir können mit Nick reden. Er sucht immer noch gute Leute für sein Team. Du könntest als Köchin arbeiten, wenn du daran Spaß hast. Einen Foodtruck kriegen Dean und Bobby bestimmt hin.“ Sam schaute kurz zu den Beide. „Du bist ein guter Polizist. So jemanden findet bestimmt auch bei der Polizei in Bloomington einen Job. Oder du arbeitest als Privatermittler.“ „Letztendlich sind es nur Angebote.“ Dean sah ihr in die Augen. „Mir hat allein das Wissen, dass ich nicht ins Bodenlose falle, sondern einige Möglichkeiten habe, nach meiner Kündigung so viel Halt gegeben.“ Er legte seine Hand auf ihre. „Egal was ihr, was du tun willst. Ihr sollt nur wissen, dass es offene Türen gibt.“ „Und dass wir uns freuen würden, wenn ihr in unsere Nähe ziehen würdet“, fügte Sam an. Jody schnaufte. Ihr Blick suchte Bobbys. „Ich weiß nicht.“ „Du musst nichts sofort entscheiden. Denkt einfach mal drüber nach“, bat Sam. Dean trank seinen Kaffee aus, stand auf und brachte die Tasse in die Spülmaschine. „Hast du Platz in der Halle? Ich wollte Baby einen Wellnesstag bieten.“ „Hat sie es nötig? Ich dachte du hast jetzt eine Werkstatt dafür.“ „Habe ich auch. Ist eher der alten Zeiten wegen. Oder hast du Arbeit für mich?“ Bobby grinste. „Ich hätte da einen Kunden. Wenn du mitmachst, geht es schneller.“ „Gerne“, freute sich Dean und ging nach oben, um sich umzuziehen. Kapitel 106: Already Gone ------------------------- 106 Already Gone Die folgenden Tage verliefen ruhig. Jody hatte eine Woche frei und genoss die Zeit mit ihrer Familie. Dean und Bobby arbeiteten am Wagen. Sam kümmerte sich um das Netzwerk und half Jody in der Küche. „Ich kann das Kochen doch nicht nur auf Dean abwälzen“, erklärte er und versuchte mit ihrer Hilfe tiefer in die Feinheiten und die Geheimnisse der Kochkunst einzutauchen. Sie besuchten Greg und Emily in Tea und machten ein Picknick an den Wasserfällen. Das Thema, wie es mit Jody und Bobby in Sioux Falls weitergehen würde, kam nicht mehr auf den Tisch. Warum auch. Von Seiten der Winchester war alles gesagt und Jody und Bobby brauchten Zeit, um eine Entscheidung fällen zu können. Ein weiterer Tag in der Werkstatt war zu Ende. Dean hatte sein Handy in der Küche auf den Tisch gelegt und war duschen gegangen. Plötzlich begann das kleine Teil zu klingeln. Sam, der sich gerade einen Kaffee holen wollte, schaute auf das Display. Die Nummer sagte ihm nichts. Also entschied er, dass er dran gehen sollte. Vielleicht war es ja wieder eine Hiobsbotschaft von einem von Johns Telefonen? Warum hatten sie die eigentlich noch immer nicht entsorgt? Er lauschte kurz. Aus den Worten des Gegenübers wurde er alles andere als schlau. Und wer war dieser D-Dog von dem der Anrufer redete? Dean betrat die Küche. Er rieb sich die Haare trocken und legte das Handtuch beiseite. Sammy telefonierte mit seinem Handy. Hatte er sich also doch nicht getäuscht. Es hatte geklingelt. „Hier gibt es keinen D-Dog“, erklärte Sam gerade. Dean nahm ihm das Telefon ab. „Hey, Sony! Was gibt‘s?“ Irritiert musterte Sam seinen Bruder. Er kannte diesen Mann? Woher? Frustriert strich sich Dean durch die Haare. Sie konnten jetzt nicht fahren! Nicht, wo Jody und Bobby so in der Schwebe hingen! „Eigentlich sind wir ausgestiegen und ... Wir werden hier gebraucht. Ich ...“ Er hörte zu. „Ich melde mich, okay?“, erklärte er ziemlich verzweifelt und legte auf. „Verdammt!“, schimpfte er und schob sein Handy in die Tasche. „Warum gerade jetzt?“ Sam musterte seinen Bruder noch immer, jetzt allerdings auch mit einem leichten Grinsen. „Was war das denn bitte? D-Dog??“ Dean schnaufte. „Weißt du noch, als wir Kinder waren? Der Frühling in Upstate New York? John hat Ghouls gejagt. Wir haben in einem Bungalow gelebt, mit Tischtennisplatte.“ Sams Stirn furchte sich, bevor er nickte. „Ja. Du warst auf einmal verschwunden. John kam wieder und du warst weg. Mich hat er für ein paar Monate zu Bobby abgeschoben, um dich zu suchen. Du warst auf irgendeiner Jagd, als wir dich fanden“, erzählte Sam seine Erinnerungen. Dean legte den Kopf schief. „Das haben wir dir erzählt?“ Er nickte. „Stimmt ja.“ „Was soll das denn heißen, das habt ihr mir erzählt?“, fragte Sam lauernd. „Die Wahrheit ist: Ich habe versucht unser Essensgeld bei einem Kartenspiel etwas aufzubessern und habe verloren. Wir brauchten aber etwas zu essen also habe ich im Supermarkt was mitgehen lassen und wurde erwischt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich war nicht auf irgendeiner Jagd, ich war in einer Besserungsanstalt und John wusste ganz genau wo ich war. Sie hatten ihn sehr schnell am Telefon und er hat sich geweigert, die Kaution zu zahlen. Er hat denen gesagt, dass sie mich ruhig behalten sollten, damit ich meine Lektion lerne.“ „Das sieht ihm ähnlich“, schnaubte Bobby, der hinter seiner Frau in der Küchentür stand. Dean schaute auf und Sam drehte sich zu ihnen um. Keiner der Brüder hatte bemerkt, dass die Zwei zu ihnen getreten waren. Auch Sam schnaubte. Er schaute zu seinem Bruder, der jetzt irgendwie verloren mitten in der Küche stand. John ließ immer zu wenig Geld da und blieb zu lange weg. Bis dahin war Dean nur nie erwischt worden. Bedauernd schaute er seinen Bruder an. „Eine Besserungsanstalt? Sowas wie ein Internat?“, fragte Sam interessiert. „Mehr oder weniger. Es war eine Farm und sie gehört Sony.“ „Und Sony weiß, was wir machen?“ „Ja.“ Dean verzog das Gesicht. Es war nicht unbedingt eine seiner Glanzleistungen gewesen. Aber damals wollte er schockieren. Er wollte provozieren um rausgeschmissen zu werden. Dann hätte er sich zu Bobby durchschlagen können. Und er wollte John eins auswischen. Es hatte nicht funktioniert. Sony hatte das einfach so hingenommen. „Er ist ein guter Mensch“, erklärte er mit Verzögerung. „Er hat die Nummer von meinem Batphone und es scheint so, als hätte er Probleme mit Vampiren.“ „Du hättest es mir sagen können, das mit der Besserungsanstalt.“ „War Johns Idee. Und irgendwie blieb es bei der Geschichte, bis es selbst zur Geschichte wurde. Ich habe mir wirklich keine großen Gedanken darüber gemacht. Ich war 13!“ Jody blickte zu Bobby. Mal wieder war sie schockiert über Johns Verhalten. Den Mann hätte man einsperren sollen! Wie konnten die Jungs bei so einem Vorbild nur so tolle Menschen werden? Dean schaute Sam eindringlich an und begann dann unruhig hin und her zu laufen. „Fahrt“, sagte Jody bestimmt. Der Winchester hielt inne und starrten sie irritiert an. „Nein. Wir ... Wir kommen immer nur her, wenn es uns, oder eher mir, beschissen geht. Jetzt seid ihr dran! Jetzt geht es euch nicht gut, euch beiden nicht! Da können wir wenigstens dafür sorgen, dass ihr nicht komplett in Depressionen versinkt.“ Sam stimmte seinem Bruder mit einem Nicken zu. „Das habt ihr schon. Ihr habe uns einen Weg gezeigt und wir, ich muss mir klar werden, was ich wirklich will. Ich meine, ich kann die fünf Jahre warten, weiterhin das furchtbare Weib sein und zusehen, wie hier alles vor die Hunde geht und hoffen, dass sie mich dann wieder wählen, was sie nicht tun werden! Oder ich kann seine Fehler ausbügeln und ihn gut dastehen lassen. Dann würden sie ihn auf jeden Fall wieder wählen. Egal wie. Für mich wird sich nichts ändern, wenn ich mein Leben nicht ändere. Ich liebe Bobby. Ihn werde ihn nicht verlassen! Außerdem würdet ihr mir fehlen.“ Sie holte tief Luft und schmiegte sich an den Mann hinter sich, der sofort seine Arme fest um sie schloss und ein Schniefen unterdrückte. „Was ich damit sagen will ist, dass es an uns liegt, uns zu entscheiden wie es weiter gehen soll. Es tut uns gut, dass ihr hier seid. Es lenkt von dem ganzen Dilemma ab, versteht mich nicht falsch, aber der Anruf klang dringend und dir Dean scheint etwas an dem Anrufer zu liegen, also fahrt. Helft ihm.“ „Seid ihr sicher?“, fragte Dean skeptisch. Ja er mochte Sony, aber Bobby und Jody waren Familie und die war wichtiger. „Sind wir“, stimmte Bobby seiner Frau zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Wir schaffen das hier.“ „Ich weiß nicht“, unschlüssig stand Dean mitten in der Küche. „Rufe ihn an und sage ihm, dass ihr kommt. Bitte“, sagte Jody leise. Ohne die Jungs vor Augen war es vielleicht einfacher das Ganze realistisch zu durchdenken und nicht sofort versucht zu sein „ja“ zu brüllen und mit fliegenden Fahnen einen Umzug zu planen. Dean schnaufte und als dann auch noch Bobby nickte, holte er sein Handy aus der Tasche und wählte Sonys Nummer. „Ich komme“, sagte er nur und schob das kleine Ding wieder in die Tasche. „Wann wollt ihr los?“, fragte Bobby. „Kommt drauf an. Es sind Vampire. Am besten gleich. Bleibt die Frage, ob du mit dem Wagen klarkommst.“ Dean schaute reichlich zerknirscht aus der Wäsche. In seinen Augen flackerte die Bitte, dass ihr Ziehvater nein sagte. Er wollte nicht fahren! „Das ist kein Problem. Das Meiste haben wir gemacht.“ Dean nickte ergeben. „Dann sollten wir packen“, sagte er zu Sam und wandte sich ab. Mit hängenden Schultern stapfte er nach oben. Eine Stunde später verabschiedeten sich die Brüder und auch wenn Dean beide herzlich umarmte und ein Lächeln auf den Lippen hatte, seine Augen blieben kalt. Selbst für Marley hatte er nur ein kurzes Streicheln übrig. Er vergrub seine Gefühle tief in sich und wollte niemandem zeigen, wie sehr es ihn traf, regelrecht fortgeschickt zu werden. Diese Gefühle waren Quatsch, das wusste er und er freute sich ja auch irgendwie auf Sony, auch wenn er nicht wusste, wie Sam das aufnehmen würde. Trotzdem wollte er hierbleiben! Aber das gönnte ihm das Schicksal wohl nicht. Gerade fühlte er sich, als ob alles und jeder gegen ihn war. Frustriert nahm er seine und Sams Taschen, packte sie in den Kofferraum und ließ sich hinter das Lenkrad seines Babys fallen. Blicklos starrte er zur Straße. Wenn es nicht Sony wäre, der Hilfe brauchte, hätte er nicht mal seine Tasche gepackt, geschweige denn würde er jetzt sein Baby in Bewegung setzen! Aber es war Sony! Sony, der ihn nicht nur einmal vor einer Dummheit bewahrt und ihm wahrscheinlich auch das Leben gerettet hatte. Trotzdem wollte er nicht fahren. Nicht jetzt! Ganz anders nahm Sam von den Beiden Abschied. Er ließ sich von ihnen knuddeln und drückte sie fest. „Tut mir leid, dass wir so hektisch aufbrechen“, sagte er. „So ist das Leben als Jäger“, nickte Bobby. „Da bleibt kaum Zeit für etwas wie Normalität.“ „Genau deshalb sind wir ja ausgestiegen. Wir leben ein normales Leben.“ Er schnaufte. „Was ist mit Dean?“, fragte Jody und deutete auf den Impala. Laute Musik dröhnte aus dem Wagen. „Der hat dicht gemacht. Das Ganze wühlt unschöne Erinnerungen auf, nehme ich an. Außerdem war jetzt abreisen das Letzte was er will. Er hat sich so sehr auf diesen Urlaub hier gefreut und er wollte ihn bis zur letzten Sekunde auskosten.“ „Dann beeilt euch. Vielleicht schafft ihr das Problem ja schnell aus der Welt, dann könnt ihr noch ein paar Tage herkommen“, sagte Bobby. „Ich werde versuchen es ihm so zu sagen, wenn er wieder ansprechbar ist“, nickte Sam. „Auch wenn das nicht mehr das Gleiche wäre, wie die ganze Zeit hier zu genießen.“ Er drückte beide noch einmal beeilte sich dann, zum Wagen zu kommen, nicht dass Dean in seinem Frust alleine loszog. Auch wenn er dann ja hierbleiben könnte. Schnell schob er den Gedanken beiseite. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeschlagen, als Dean den Impala auch schon mit durchdrehenden Rädern vom Hof schießen ließ. Stunde um Stunde trieb Dean den Wagen wortlos brütend über die Straßen. Selbst als er die Musik auf ein erträgliches Maß herunter gedreht hatte, verstopfte das Schweigen noch immer das Innere des Wagens. Er hing seinen Erinnerungen nach und trauerte um den Urlaub, den er schon wieder nicht hatte. Was hatte er nur verbrochen, dass es ihm nicht vergönnt war, wenigstens ein paar Tage bei Bobby und Jody zu genießen? Würde das immer so weiter gehen? Wie lange würde er überhaupt noch Urlaub mit Sam bei ihnen machen? Sam hatte Amita. Wenn das so weiter ging, würden die wohl schon im nächsten Jahr entweder zu Zweit mitkommen, oder alleine irgendwo Urlaub machen und vielleicht fand er ja eine Frau, die bereit war ihr Leben mit ihm zu verbringen. Aber dann würde er auch nicht mehr zu Bobby fahren. Selbst wenn. Es wäre nicht mehr das Selbe. Ein Gefühl von Verlust machte sich in ihm breit. So wie es aussah war das eh das letzte Mal, dass sie so da zusammengekommen waren. Entweder nahm Jody seinen Vorschlag an, dann würde es keinen Bobby mehr auf diesem Schrottplatz geben oder ... er wusste nicht, was das oder wäre. Trotzdem würden sie so wohl nie wieder so Zeit miteinander in Sioux Falls verbringen. Der Gedanke, nie wieder auf diesen Schrottplatz zu kommen traf ihn so sehr, dass er kurz aufkeuchte. Er hatte sein Zuhause verloren! Sofort horchte Sam auf. Er legte seine Hand auf Deans Unterarm und musste selbst schlucken, als er die Flut an Gefühlen in Deans Augen sah. Womit schlug sich sein Bruder nur herum? Dean fühlte die Hand. Nein. Er hatte sein Zuhause nicht verloren. Er hatte einen Zufluchtsort verloren. Sammy und der Impala waren SEIN Zuhause. Aber, auch wenn dieser Gedanke ihn tröstete, tat es trotzdem weh. Der Schrottplatz war ihr Sicherungsnetz, ein Heimathafen und noch hatte er keinen neuen. Kapitel 107: I'm a Vampire -------------------------- 107) I‘m a Vampire „Wir hätten es ins Netz stellen sollen“, sagte Sam leise. „Damit kommst du zu spät“, erklärte Dean heiser. „Das Problem daran ist nur, dass Sony einem anderen Jäger nicht so einfach trauen würde. Er hat mir zugehört, aber ich bezweifle selbst heute, dass er mir je geglaubt hat.“ „Warum hast du es überhaupt erzählt?“ Dean schnaubte. „Ich war 13 und auf alles und jeden wütend. Auf mich, weil ich das Geld verloren habe und mich erwischen ließ, auf ... John weil er mich einfach in dem Schlamassel sitzen ließ, auf den Supermarkt, auf den Deputy, dem ich übrigens ein hübsches Veilchen verpasst hatte“, er grinste breit. „Egal“, er holte tief Luft. „Meine Arme waren voller Blutergüsse und Sony wollte wissen, ob das der Deputy gewesen wäre. Ich sagte ihm, dass es ein Werwolf war. Er musterte mich nur stumm und befreite mich dann mit einer Büroklammer von den Handschellen, die der Deputy mit Absicht vergessen hatte, mir abzunehmen.“ Deans Mine wurde weich. „Und dann fragte er mich, was ich essen wollte, weil ich ja wohl Hunger hätte. Ich glaube ich habe ihn angestarrt wie einen Marsmenschen. Doch er meinte nur, wenn ich Toastbrot und Erdnussbutter gestohlen habe, müsste ich wohl Hunger haben.“ Dean schluckte. „Seit Jahren hatte niemand mehr nach meinen Bedürfnissen gefragt!“, nuschelte er heiser. „Das klingt nett“, entgegnete Sam, nur um überhaupt etwas zu sagen. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, das Gehörte zu verarbeiten. „Sony war toll. Ich meine, er verlangte, dass wir unsere Aufgaben erledigten und pünktlich waren, aber er hat uns auch Freiheiten gelassen.“ Dean hüllte sich wieder in Schweigen. Er hing seinen Gedanken nach und Sam fragte sich, was das wohl für eine Zeit für Dean gewesen war. Am späten Vormittag des folgenden Tages parkte Dean den Impala vor einem blauen Farmhaus. Er stieg aus, schloss die Wagentür und schaute zum Haus hoch. Eine Weile stand er einfach nur da. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er ging den leicht ansteigenden Weg zum Haus hinauf. Sam beeilte sich aufzuschließen und folgte seinem Bruder mit einem Schritt Abstand. Das hier war Deans Revier. Da wollte er lieber sichernd abwarten, was passierte. Dean klopfte an der Tür. Eine ältere Frau öffnete. „Ja?“ „Hallo. Ich bin Dean ich ... wir sind Freunde von Sony.“ „Freunde? Aus dem Knast?“, fragte sie mürrisch. „Wir ... nein. Können Sie ihm einfach sagen, dass wir hier sind?“ Die Frau nickte und öffnete die Tür. „Ich habe gerade gewischt. Die Schuhe können gerne draußen bleiben!“ „Ja, klar“, erwiderte Sam und beeilte sich seine Schuhe auszuziehen. Sein Bruder folgte seinem Beispiel wortlos. Sie traten ein und Dean ging zielstrebig zur Tür zum Wohnraum. An den Türrahmen gelehnt blieb er stehen. Sein Blick lag auf der Couch, auf der er damals gesessen hatte, als der Deputy ihn an Sony übergab. Und dann betrat Sony den Raum und kam auf die Brüder zu. „D-Dog!“ Er zog Dean in eine feste Umarmung. „Es tut gut dich zu sehen.“ „Hey, Sony“, krächzte Dean heiser. Sie lösten sich voneinander und Sony musterte Dean. „Bist groß geworden“, lachte er. Dean schnaubte und Sam grinste amüsiert. Sony wandte sich Größeren zu. „Du musst Sam sein“, sagte er und hielt ihm die Hand hin. „Willkommen.“ „Du weißt, dass ich nie etwas von dem geglaubt habe, was du erzählt hast“, wandte er sich wieder an Dean. „Aber hier gehen ... komisch Dinge vor sich.“ Dean musterte ihn. „Komische Dinge?“ „Naja. Es gibt vermehrt Jäger, die angegriffen wurden und einige Viehrisse und drei Jungs hatten den Eindruck beobachtet zu werden.“ „Das haben sie dir erzählt?“ „Nein“, Sony grinste. „Kein Junge würde sowas einem Erwachsenen erzählen. Ich habe es zufällig gehört.“ „Habt ihr jemanden ums Haus schleichen sehen?“ „Nein.“ Sony überlegte und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Mir ist nichts aufgefallen.“ „Aber nur weil ein paar Jungs sich beobachtet fühlen und einige Jäger von ihrer Beute angegriffen wurden, rufst du mich nicht an“, stellte Dean ruhig fest. Sony schnaufte. „Wir haben Jack vorgestern drüben auf der Weide, bei dem kleinen Wäldchen, gefunden. Irgendetwas hat ihn angefallen und es sah nicht wie der Biss eines Tieres aus!“ „Jack? Der alte Kinderschreck?“, fragte Dean. „Ich dachte, den kriegt nichts kaputt! Ist er ...?“ „Seine Leiche liegt noch im Leichenschauhaus. Wir wollten mit der Beerdigung warten, bis du sie gesehen hast.“ „Okay“, nickte der Winchester. „Wir schauen uns hier um und fahren danach ins Leichenschauhaus.“ Er streifte Sam mit einem fragenden Blick und wandte sich, als der nickte, zur Tür. Sie gingen zum Impala und holten ihre Schrotflinten und die Macheten aus dem Kofferraum. „Vielleicht hätte ich die lassen sollen, wo sie waren“, überlegte Dean laut. „Dann würden wir jetzt ohne Waffen hier stehen.“ „Oder es wäre nichts passiert.“ „Du meinst, weil du die eingepackt hast, ist dieser Jack jetzt tot.“ „Naja“, Dean zuckte mit den Schultern. „Wäre es so unwahrscheinlich?“ „Es ist genauso wahrscheinlich, wie die Möglichkeit, dass du den Impala jemals pink lackierst.“ Dean erstarrte. „Das sind die Bilder meiner nächsten Albträume! Danke dafür, Sammy.“ „Blödmann“, lachte Sam. „Trottel“, erwiderte Dean pflichtschuldig. Sie schoben sich die Macheten in den Hosenbund, nahmen die Schrotflinten und gingen zum Wald. Ein Mann trat aus dem Schatten der Scheune. Er beobachtete die Jäger, bis sie unter den Bäumen verschwunden waren. Langsam schlugen die Brüder einen großen Bogen um die Farm, auf jeden abgeknickten Zweig und zertretenes Gras achtend. Waren das Tiere oder Menschen? Plötzlich hörte Dean ein Geräusch. Er gab einen kurzen, erstickten Pfiff von sich und bedeutete Sam, der augenblicklich zu ihm schaute, dass der einen Bogen schlagen sollte. Er selbst umkreiste die Stelle von der anderen Seite. Seine Augen versuchten jeden Schatten zu durchdringen. Hatte er sich geirrt? Gerade als er sich sicher war, dass es ein Tier gewesen sein musste, das er gehört hatte, stand er vor ihm. Dean prallte zurück. Seine Augen hefteten sich auf die Gestalt, seine Brauen zogen sich zusammen. Der Mann war so groß wie er, etwas bulliger. Er trug eine Schiffermütze, eine dunkle Marinejacke, Jeans und Boots und sah fast so aus, wie Dean ihn in Erinnerung hatte. Gerade als er auf ihn zugehen wollte, zeigte der Mann ihm sein Vampirgebiss. Dean fühlte sich, als wäre er mit Eiswasser übergossen worden. Das ... das ... aber … Bedauern lag auf dem Gesicht des Mannes. Ein leises Geräusch lenkte Deans Aufmerksamkeit von ihm ab. Er sah Sam hinter dem Mann auftauchen, die Machete zum Schlag erhoben. „Sam! Nicht“, stieß Dean hervor und der zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. Doch das reichte dem Mann. Er duckte sich weg und verschwand im Dickicht des Waldes. „Was sollte das, Dean? Das war wahrscheinlich der Vampir, der diesen Jack angegriffen hat und es wäre ihm ein Leichtes gewesen, dich ebenfalls zu töten!“ Dean schüttelte den Kopf. Das konnte, das wollte er nicht glauben. „Ich glaube nicht“, stieß Dean kraftlos hervor und starrte auf die Stelle, an der der Mann verschwunden war. Dann drehte er sich um und ging zu Haus zurück. Aufgebracht riss der Winchester die Tür auf. „Sony“, rief er. Seine Stimme vibrierte vor unterdrückter Wut. Der Hausherr kam in die Küche und selbst Sam sah ihm das schlechte Gewissen an. „Wie lange weißt du schon, dass Benny ...?“ Dean brach ab. Es auszusprechen würde es real machen. „Wo war er überhaupt als wir ankamen?“ „Es ist nicht Sonys Schuld.“ Benny trat ebenfalls in die Küche. Sofort spannte sich Sam. Mit einem Vampir im Haus fühlte er sich mehr als unwohl. Sein Blick wanderte von einem Mann zum anderen. Woher kannte Dean einen Vampir und warum lebte der noch? „Ich habe ihn gebeten nichts zu sagen“, erklärte Benny in einem breiten Südstaatendialekt und Dean fragte sich, woher er den plötzlich hatte. „Warum?“, brachte Dean alle seine Fragen in dem einen Wort unter. Er ließ sich kraftlos gegen einen Küchenschrank fallen. Benny schaute zu Dean, dann begann er zu sprechen. „Nachdem du weg warst, hat mich hier auch nichts mehr gehalten. Ich bin fast 10 Jahre durchs Land gezogen und irgendwann in Louisiana gelandet. Da war eine Frau. Andrea. Ich habe mich verliebt und bin ihr gefolgt. Dass sie nur der Köder war, habe ich erst gemerkt, als ich als Vampir aufgewacht bin. Unser Führer war ein alter, grausamer Mann.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn angehimmelt. Er ist wie ein Vater ... wie Gott. Er hat mich mit Blut versorgt, hat mich angeleitet. Alles was ich brauchte kam von ihm. Vier Jahre war meine Welt in Ordnung. Dann beschloss er, dass sich sein Nest vergrößern müsste, und er schickte Andrea los. Sie war meine Partnerin, doch ich ließ es zu.“ Seine Stimme verriet das Unverständnis über sich selbst. „Das neue Opfer war ein Jäger. Der alte Mann fand das wohl lustig. Der Jäger nicht. Er muss den Braten gerochen haben, denn er griff uns an. Andrea wurde getötet und zwei Vampire verletzt. Der alte Mann gab mir die Schuld an ihrem Tod. Er hetzte mehrere Vampire des Nestes auf mich. Es war blutig, aber ich konnte mich durchsetzen. Ich bin geflohen und wieder durch das Land gezogen. Vor einem halben Jahr bin ich hier gelandet. Sony nahm mich auf. Ich arbeite hier und wohne in der Scheune drüben.“ Er deutete in die Richtung. „Leider scheint der alte Mann meine Spur gefunden zu haben. Ich hatte gehofft, dass ich sie verwischt habe ...“ Benny schaute Dean in die Augen. „Ich will nicht mehr weglaufen! Und wenn ich schon sterben soll, dann nicht durch die Hand dieses Schinders!“ Der Winchester schüttelte den Kopf. „Nein!“, erklärte er und schaute Benny in die Augen. „Abgesehen davon, würde es nichts ändern!“ Sein Blick ging ins Leere. „Er ist ein Vampir, Dean!“, mischte sich Sam jetzt ein „Ich ernähre mich von Blut, nicht von Menschen!“, sagte Benny leise. „Lenore“, sagte Sam leise und nickte. Dean erwachte aus seiner Starre. „Jack. Ist er ... Wurde er verwandelt?“ „Ich glaube nicht.“ Benny holte tief Luft. „Es muss etwas passieren, Dean. Der alte Mann wird nicht ruhen, bis er alle vernichtet hat, an denen mir etwas liegen könnte.“ „Deswegen werden wir jetzt ins Leichenschauhaus fahren und uns vergewissern.“ Deans Magen knurrte zum unpassendsten Zeitpunkt. Und doch löste dieses Knurren die angespannte Spannung, in dem kleinen Raum. Sam, Benny und Sony grinsten, während Dean die Augen verdrehte. „Hast du ein Glas mit Deckel?“, fragte Dean Sony. „Wozu?“ „Wir brauchen eine stärkere Waffe als die, die wir haben.“ Ein Ruck ging durch seinen Körper. Jetzt wo er etwas tun konnte, fühlte er sich nicht mehr, als würden ihn die Ereignisse überrollen. „Also. Sam und ich fahren zum Leichenschauhaus und was essen. Danach kommen wir wieder her und besprechen alles weitere.“ Ohne sich darum zu kümmern, was die Anderen zu seinem Plan sagten, marschierte er zur Tür. Im Vorbeigehen nahm er Sony das Schraubglas aus der Hand. Sam folgte ihm auf dem Fuß, seine Augen fragend auf Deans Rücken geheftet. Doch wenn sein Bruder sie fühlte, ignorierte er sie gekonnt. Kapitel 108: Guitar man ----------------------- 108) Guitar Man Sie packten die Waffen wieder in das Geheimfach des Kofferraums und machten sich auf den Weg. Während der Fahrt zum Leichenschauhaus hüllte sich Dean erneut in Schweigen. Das war verdammt harter Tobak, den er da zu hören bekommen hatte und das Benny ... Nein, darüber wollte er nicht nachdenken! „Woher kennst du Benny? Habt ihr euch hier getroffen?“, versuchte Sam trotzdem an Informationen zu kommen. Dean schaute zu ihm. In seinen Augen spiegelte sich eine Mischung aus Verlust, Freude und Trauer und das Flehen das erstmal selbst verarbeiten zu dürfen. „Können wir das später besprechen, bitte?“, fragte er heiser und schaute wieder auf die Straße. Sam nickte seufzend. Dean stellte den Wagen gegenüber des Leichenschauhauses auf den Seitenstreifen. Sie stiegen aus und gingen über die Straße. „Was willst du sagen, warum wir hier sind?“, fragte Sam. „Wir haben keine Ausweise mit.“ Dean schaute zu Sam und zuckte mit den Schultern. „Wir sind Bekannte von Jack?“, erklärte der noch immer etwas heiser. Besorgt musterte Sam seinen Bruder. Der hatte den Abbruch ihres Urlaubs noch immer nicht ganz verwunden, war den größten Teil der Strecke gefahren und hatte einen, wie er inzwischen vermutete, alten Freund gefunden, der jetzt ein Vampir war. Er nahm sich vor, gut auf ihn aufzupassen. Hoffentlich ergab sich bald eine Möglichkeit, dass er wenigstens kurz schlafen konnte. Er warf noch einen Blick auf den Rücken seines Bruders. „Wir sind Bekannte von Jack. Wir waren gerade bei Sony ... und er erzählte uns, dass er ...“ Dean schaute die junge Frau an der Anmeldung treuherzig in die Augen. „Wir würden uns gerne von ihm verabschieden.“ „Das muss ich erst abklären“, erwiderte sie und griff nach den Telefon. „Tun Sie das, bitte“, nickte Dean ein wenig beleidigt. Da war sein Charme wohl eingerostet. Aber eigentlich brauchte er den ja auch nicht mehr. Ein Feuer ließ sich nicht mit Charme löschen und als Jäger wollten sie eigentlich nicht mehr arbeiten. Die Rezeptionistin legte den Hörer wieder auf. Lächelnd kam sie aus ihrem Zimmerchen. „Ich führe sie nach unten“, sagte sie und schloss die Eingangstür ab. „Dürfen wir kurz mit ihm alleine sein?“, bat Sam, als sie in der Pathologie standen. „Eigentlich nicht, aber was sollen Sie hier schon anrichten. Wenn Sie mir den Schlüssel wieder nach oben bringen und ihn vielleicht dann auch zurückschieben würden?“ Sie deutete auf das Kühlfach, das sie gerade geöffnet hatte. Sam und Dean nickten. Erleichtert verließ sie den Raum. Die Brüder warteten bis ihre Schritte verklungen waren, dann öffneten sie den schwarzen Sack und musterten den kalten Körper. Ein Blick auf den Hals genügte, um zu bestätigen, was sie schon wussten. „Vampire“, nickte Dean. Sam holte sich ein Paar Gummihandschuhe aus dem Spender und schob die Lippe nach oben. Er tastete den Kiefer ab. „Kein Vampir“, erklärte er, als er fertig war und warf die Handschuhe in den Mülleimer. Dean nickte. Er zog das Schraubglas aus seiner Innentasche. Sie nahmen sich jeder eine Spritze vom Tisch, auf dem die Instrumente für die Autopsien lagen und begannen die Kühlfächer zu öffnen. Sie fanden drei weitere Leichen und entnahmen jeder eine Spritze voll Blut. Als sie fertig waren, schoben sie Jacks kalten Körper wieder in seine Box, steckten ein paar leere Spritzen und Kanülen ein und gingen nach oben. „Er wollte verbrannt werden“, sagte Dean und legte den Schlüssel auf die Theke. „Ich gebe dem Bestatter Bescheid“, erklärte die junge Frau und nahm den Schlüssel wieder an sich. „Fahren wir was essen und dann zurück zu Sony.“ Dean schaute seinen Bruder über das Dach des Impalas an. „Du kennst dich hier aus“, nickte Sam und Dean verzog das Gesicht. Ja, er kannte sich hier aus. Er stieg ein und lenkte den Wagen über die Straßen des Städtchens. Vor einem Diner hielt er an, stieg aus und ging, gefolgt von Sam, hinein. Wie üblich suchte er sich einen Platz, von dem aus er die Tür und den größten Teil des Raumes überblicken konnte. Sam lächelte. Er fand es beruhigend, dass es Dinge gab, die sich nie ändern würden. Eine junge Frau kam an ihren Tisch. „Sie haben schon gewählt?“ Dean starrte sie mit großen Augen an. Robin! Natürlich wusste er, dass sie hier ausgeholfen hatte und natürlich erinnerte er sich, dass das Diner ihrem Vater gehörte und sie es übernehmen sollte. Trotzdem traf ihn ihr Anblick härter, als er dachte. Er schluckte. „Hey Robin. Ich bin´s, Dean!“, sagte er heiser und kaute auf der Unterlippe. „Ich wollte mich entschuldigen, wegen ... Ich ... Ich wollte dich nicht hängen lassen.“ „Bist du nur deshalb JETZT hergekommen?“ „Nein, ich... Wir waren bei Sony. Er hatte sich gemeldet.“ Sie nickte. Dass er damals einfach so verschwunden war, hatte weh getan, sehr weh. Auch wenn Sony sie angerufen und es ihr erklärte und auch wenn er ihr sogar einen Ersatz organisiert hatte, um den sie alle Mädchen beneideten. „Es war nie meine Absicht, dich hängen zu lassen“, erklärte Dean niedergeschlagen. „Tut mir leid!“, sagte er leise und rieb sich den Nacken. Dann atmete er tief durch. Sein Blick wanderte zur Karte. „Ich hätte gerne Kaffee und einen Bacon-Cheese-Burger mit extra Pommes frites.“ Dann stand er auf und verschwand zu den Toiletten. Sam schaute ihm verdutzt hinterher. Was war das denn? Konnte er Dean fragen, wenn der wiederkam? Würde er Antworten bekommen? Er hoffte es. „Was war das denn?“, wollte er auch sofort wissen, nachdem Dean sich wieder an den Tisch gesetzt hatte. „Ich ... Keine Ahnung“, erwiderte der. Er starrte auf seine Hände. „Ich hatte sie eingeladen und ... zehn Minuten! Wärt ihr nur zehn Minuten später gekommen, wäre ich weg gewesen und hätte einen schönen Abend mit ihr verbracht! Zehn Minuten!“ Er starrte blind in den Raum. „Du meinst John!“ Dean nickte nur. „John hat dir nicht nur den Abschlussball mit Lea in Richmond Hill versaut?!?“ Dean schaute ihm in die Augen. „Wenn es nur John gewesen wäre, der mich, abgeholt hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht mitgefahren.“ Er schnaubte. „Ich hatte wochenlang ein schlechtes Gewissen.“ „Wegen John? Weil du bleiben wolltest?“ „Nein. Wegen Robin und wegen dir. Wenn ich dich bei Bobby gewusst hätte ... ich ...“ Er spielte mit dem Zuckerstreuer. „Dir hat es hier gefallen!“, platzte Sam hervor. Der Gedanke, das Dean lieber in einer Besserungsanstalt geblieben wäre als mit ihrem Vater mitzufahren, raubte ihm fast den Atem. War es Dean hier wirklich so viel besser gegangen? Hatte er sich hier wirklich wohler gefühlt? Gut, hier konnte er wahrscheinlich seit Jahren endlich wieder Kind sein, auch wenn er schon 13 war. Hier hatte er keine Verantwortung zu tragen. Trotzdem! Es war eine Besserungsanstalt! Robin brachte Kaffee. Dankbar griff Dean nach der Tasse. Jetzt hatte er etwas Vernünftiges, um sich abzulenken. Er nickte ihr kurz zu und trank den ersten Schluck. Sie stand noch neben ihm und schien auf eine Unterhaltung zu warten. Nur was sollte er sagen? „Gibst du immer noch Unterricht?“, fragte er das Erste, was ihm in den Sinn kam. „Ja. Spielst du noch?“ „Selten“, erwiderte er. „Inzwischen aber etwas mehr als früher.“ „Dann ist wohl nichts aus dem Rockstar geworden?“ Dean schüttelte den Kopf. „Nee.“ „Und Automechaniker?“ „Im Nebenjob sozusagen. Ich bin Feuerwehrmann.“ „WOW! Dean Winchester. Aus dir ist was geworden!“ Sie verzog das Gesicht. „Hoffentlich bist du da zuverlässiger.“ Diesen Seitenhieb konnte sie sich nicht verkneifen. Doch sie bereute ihre Worte sofort, als sie sah, wie sehr sie Dean trafen. „Entschuldige bitte!“ „Schon okay“, antwortete er heiser und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Robin ging. Gleich darauf brachte sie den Cheese-Burger für Dean und einen Cesars Salad für Sam und füllte die Tassen auf. Dieses Mal blieb sie nicht stehen und die Brüder begannen zu essen. Dean gähnte schon wieder. „Ich denke, du solltest dich erstmal hinlegen.“ Zwar hatte sein Großer noch keine seiner Fragen beantwortet sondern ihm noch mehr geliefert, aber er gehörte eindeutig ins Bett. „Ja. Gleich nebenan ist ein Motel.“ „Gut, dann los“, nickte Sam und winkte Robin heran, um ihr Essen zu bezahlen. „Seid ihr noch länger bei Sony?“, fragte sie, als sich die Brüder erhoben. „Ein oder zwei Tage vielleicht“, erwiderte Dean. „Okay“ Sie nahm die Teller und ging. Sam schaute ihr hinterher und musterte dann seinen Bruder, doch er wurde weder aus ihrem noch aus seinem Verhalten wirklich schlau. Im Motel verzog sich Dean auf ein Bett und trotz all der Gedanken und Erinnerungen, die ihn gerade heimsuchte, war er schnell eingeschlafen. Auch Sam legte sich hin. Sie wussten womit sie es zu tun hatten und von Benny wusste er nur, dass er in Louisiana zum Vampir wurde, das reichte nicht aus, um eine Recherche zu starten. Er drehte sich auf die Seite und schaute zu Dean. Schnell fielen ihm auch die Augen zu und mit dem Wissen seinen Bruder an seiner Seite zu haben, schlief er ein. Sams Handy weckte ihn. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Er stand auf und ging ins Bad. Danach kochte er Kaffee. Als er mit der dampfenden Tasse zu seinem Bruder ging, begann der sich zu rühren. Er schnupperte, grummelte und rieb sich gähnend die Augen, bevor er sich aufsetzte. Sam schob den Kaffeebecher in die blind ausgestreckte Hand. „Heiß“, warnte er und zog sich zurück, um das geliebte, viel zu selten gewordene, Schauspiel genießen zu können. Dean pustete in die Tasse und nahm vorsichtig den ersten Schluck, und Sam fühlte sich betrogen. Hatte sich sein Bruder einmal zu oft die Zunge verbrannt oder war er schon zu wach? Trotz Sams Vermutung brauchte Dean zwei Tassen Koffein, um wirklich ansprechbar zu sein. Er verschwand im Bad und dann machten sie sich auf den weg zu Sony. Wieder parkte Dean den schwarzen Wagen vor dem Farmhaus. Er schaute hinauf, bevor er ausstieg. In den Zimmern brannte Licht. Kaum hatten sie das Haus betreten, als Sony ihnen auch schon aus der Küche entgegenkam. Benny huschte lautlos aus der Hintertür und lief im Schatten des Hauses zur Scheune. Dort holte er seine Sachen und machte sich auf den Weg. Er wollte versuchen sein ehemaliges Nest weiter in Richtung Westen zu locken. Es war unwahrscheinlich, dass es klappte. Aber er wollte es wenigstens versuchen. Zu wissen, dass Dean den alten Mann jagen wollte, hatte ihn zu dem Entschluss getrieben. Der alte Mann war verrückt genug einen Winchester unter seine Macht zwingen zu wollen. Ja, er wusste wer Dean und Sam waren. Er hatte immer wieder von ihnen gehört und doch nie wirklich eine Verbindung zu seinem Freund Dean gezogen. Vielleicht wollte er es aber auch nicht und es war auch egal. Jetzt würde er alles in seiner Macht stehende tun, um Dean und Sam und Sonny mit den Jungs zu schützen. „Hey“, grüßte Sony. Dean nickte ihm zu. Er stand in der Tür und sein Blick lag auf Robin, die auf der Couch saß, die Gitarre auf dem Schoß. „Kann ich mich hier mal umsehen?“, fragte Sam Sony. „Gerne.“ Sony deutete wage zum Eingangsbereich. „Die Jungs machen noch ihre Hausaufgaben. Ihre Zimmer sind oben, genau wie mein Schlafzimmer.“ Sam nickte. Er schaute noch einmal von Dean zu Robin zu Sony und ging nach oben. Hier unten war er gerade einfach fehl am Platz. Unschlüssig stand Dean in der Tür. Robin saß alleine auf der Couch. Sie schaute zu Dean. „Hey“, grüßte er. „Bist du mit dem Unterricht schon fertig?“ „So sieht es aus“, erklärte sie ruhig. „Darf ich mich setzen?“ „Warum nicht?“ „Ich weiß nicht, ob du wirklich noch was mit mir zu tun haben willst, so wie ich dich habe sitzen lassen?“ Er ließ sich neben ihr nieder. „Inzwischen bin ich drüber weg.“ Sie schob ihm die Gitarre auf den Schoß. Vorsichtig ließ er die Finger über die Saiten gleiten und begann ein paar der Übungsmelodien zu spielen, die sie ihm beigebracht hatte. Kapitel 109: I want to break free --------------------------------- 109) I want to break free Im Obergeschoss der Farm stand eine Tür offen. Sam schaltete das Licht an und ging hinein. Fünf Betten gab es hier. Drei standen unter den Fenstern und zwei an der gegenüberliegenden Wand. Geradeaus war noch eine Tür. Ein Badezimmer, wie er feststellte, in dem es nichts Besonderes gab. Er kontrollierte, ob das Fenster fest verschlossen war und auch in dem Schlafzimmer kontrollierte er die Fenster. Eine Weile blieb Sam noch in der Mitte des Raumes stehen und versuchte sich Deans Leben hier vorzustellen, versuchte sich Dean hier vorzustellen. Seine Hand ruhte auf einem der Bettpfosten des mittleren Bettes unter dem Fenster. Unter seinen Finger fühlte er Rillen. Er schaute genauer hin. Ein Pentagramm. Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Er ging in die Hocke und schaute auf den Klebestreifen mit dem Namen. Natürlich war es nicht Deans. Er zog ihn ab. Sam musste noch zwei Namensschilder entfernen, bis das D. Winchester auftauchte. Dean! Langsam erhob er sich. Seine Finger glitten sanft über das Fußteil des Bettes, während er zur Tür ging, um die anderen Zimmer zu kontrollieren. In einem Zimmer stand nur ein großes Bett. Das war dann wohl Sonys. Es gab ein Zimmer mit drei Betten und dann noch ein Zimmer, das dem Ersten glich. Auch hier gab es fünf Betten, von denen aber nur drei benutzt wurden. Überall kontrollierte Sam die Fenster, auch wenn das einen Vampir wohl nicht wirklich aufhalten würde. Immerhin würde es ihn behindern, sollte der hier rein wollen. Genug hoffentlich, dass sich die Bewohner in Sicherheit bringen konnten, wie immer die aussah. Vielleicht sollten sie hierbleiben? Bevor er den Vorschlag machte, wollte er aber mit Dean reden. Auf keine Fall wollte er ihn mit der Idee überfahren. Leises Gitarrenspiel klang von unten herauf. Ob Robin spielte? Irgendwie klang es mehr nach Dean, so wie er ihn von den wenigen Malen, die der bei ihnen Zuhause vor sich hin spielte, im Ohr hatte. Langsam ging er wieder nach unten. Sein Blick fiel auf eine Wand mit vielen gerahmten Urkunden. „Dein Bruder ist auch hier verewigt“, sagte Sony plötzlich neben ihm. Sam starrte ihn erschrocken an. „Da“, Sony zeigte auf eine Urkunde und reichte eine Tasse Kaffee an Sam weiter. „Sieger im Ringen bis 54 kg.“ „Das ...“ Sams Blick wanderte durch die Tür zu seinem Bruder. Er hatte recht gehabt. Dean hatte die Gitarre auf den Oberschenkel liegen und spielte. Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Bei ihm wäre ich nie auf Ringen gekommen. In den Schulen, in denen wir waren, hat es ihn eher zum Baseball gezogen.“ Er nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. „Hast du Milch?“ „Klar“, erwiderte Sony und deutete auf die Küche. „Irgendwie habe ich gedacht, dass du deinen Kaffee wie Dean trinkst.“ „Nein. Dean bezeichnet meinen Kaffee als Mädchenkaffee.“ Grinsend zuckte er mit den Schultern und folgte Sony. In der Küche kippte er seine Tasse mit Milch voll, trank einen großen Schluck und füllte noch Milch nach. Dann setzte er sich zu Sony an den Küchentisch. Er wollte mehr über seinen Bruder erfahren. Zu den Beiden im Wohnraum konnte er sich danach immer noch setzen, also schaute er Sony offen an. „Wie war Dean hier so?“, fragte er. „In den ersten Wochen hatte er Schwierigkeiten sich hier einzuleben, wie viele der Jungs, auch wenn er es echt übertrieben hat. Er war abweisend, trieb sich rum und hat die Schule auch nicht wirklich ernst genommen. Mit der Zeit hat er sich eingelebt und es wurde besser. Eigentlich war er ein ganz normaler Junge. Er hat seine Arbeiten erledigt, die Schulnoten wurden besser und seine Energie ist er beim Ringen losgeworden. Und er hat sich mit Robin angefreundet.“ „Angefreundet?“, hakte Sam nach. So wie Dean im Diner reagiert hatte, war da viel mehr als Freundschaft. „Ich plaudere keine Geheimnisse aus. Dazu musst du schon deinen Bruder fragen.“ Auch wenn es Sam schade fand, machte es Sony nur sympathischer. Eine ganze Weile unterhielten sie sich über Gott und die Welt. Sam erzählte, dass sie ein Haus umbauten und von seinem Studium und Sony schimpfte auf die Jugendrichter, die die Jungs jetzt eher in ein Gefängnis schickten, als sie ihre Strafe abarbeiten zu lassen und dass es so immer schwerer wurde, die Farm zu führen. Ganz leise begann Dean „Hey Jude“ zu spielen und als er sah, dass Robin mit dem Fuß im Takt zu wippen begann, wurde er schnell mutiger und die letzte Strophe sang er sogar mit. Als er fertig war, wollte er die Gitarre zurückgeben, doch sie schüttelte den Kopf. „Bitte, mach weiter“, sagte sie leise. Er nickte und spielte Sweet Home Alabama, Smoke an the Water, Let it be, Nothing else matters, Highway to hell und Halelujah. Sony, Sam und sogar die Jungs versammelte sich im Wohnraum und klatschten Beifall, nachdem er endete. Deans Wangen waren rosa, als er die Gitarre zurückgab. Sein Blick suchte Sams und ganz automatisch legte sich das gleiche Lächeln auf sein Gesicht, das er bei seinem Bruder sah. Mit einem kurzen Blick bat der ihn zu sich. Dean erhob sich sofort und ging in die Küche. „Was gibt’s?“ „Die Fenster sind sicher und wenn Sony die Türen abschließt ... Lange wird das einen zu allem entschlossenen Vampir aber trotzdem nicht aufhalten.“ Dean nickte. „Und was schlägst du vor?“ „Wenn wir vor Ort wären, könnten wir schneller eingreifen.“ „Du willst mir damit schonend beibringen, dass wie hier übernachten sollten.“ Sam nickte. „Du musst mich nicht schonen wollen. Ich habe mich hier wohl gefühlt. Es brachte nur nichts, dieser Zeit nachzutrauern also habe ich sie verdrängt, wie so vieles, was einfach nicht zu ändern war.“ Sam nickte traurig, ‚Mal wieder‘, dachte er nur. Sony, der hinter der Tür stand, hatte zufällig mitgehört. Ein kleines warmes Gefühl machte sich in seinem Bauch breit. Hatte er Dean doch richtig eingeschätzt, damals. „Dann werde ich mal mit Sony reden“, erklärte Dean und wandte sich zum Wohnraum. Sony stand ihm schon gegenüber. „Sam meinte, dass es sinnvoll wäre, wenn wir hier übernachten würden.“ „Ihr könnt das Drei-Bett-Zimmer nehmen. Das ist leer.“ „Okay“, nickte Dean. „Dann bringen wir Robin nach Hause und checken im Motel aus.“ Er schaute zu Sam und der nickte. Robin hatte die Unterhaltung mit angehört. Sie war eh schon länger geblieben als üblich. Die Gitarre hatte sie inzwischen eingepackt. Jetzt schaute sie zu Dean. „Ich bin schon ein großes Mädchen. Ich kann auch alleine nach Hause gehen!“ „Das hätte ich nie bezweifelt. Schon damals nicht.“ Er lächelte. „Trotzdem müssen wir noch unser Motelzimmer räumen. Also können wir dich auch mitnehmen.“ Robin nickte kurz. Sie zogen ihre Jacken an und gingen zum Impala. Dean schob das Rad in den Kofferraum und dann machten sie sich auf den Weg. Robin lotste sie zu einem kleinen Haus wenige Straßen von Diner entfernt. „Hier wohnst du?“ Sie nickte. „Ja. Stell dir vor. Eine Haus mit weißem Gartenzaun, Mann, Kind und Hund. Wie langweilig.“ „Damals fanden wir das langweilig, ja. Heute würde ich ruhig und sicher dazu sagen“, erwiderte Dean und stieg aus, um ihr ihr Rad zu geben. „Ruhig und sicher? Ist es das was du willst?“ „Es ist das, was ich habe, im Großen und Ganzen zumindest.“ Robin legte ihre Hand auf seinen Arm. „Ich wünsche dir alles Gute und viel Glück!“, sagte sie und schob ihr Rad zum Gartentor. Dean stieg in den Wagen und wartete, bis sie im Haus verschwunden war. Erst dann startete er den Impala und lenkte ihn zum Motel. Sam schaute immer wieder zu seinem Bruder, doch der hüllte sich in Schwiegen. Kein wütendes oder trauriges Schweigen. Einfach nur eines, bei dem er seine Gedanken laufen lassen konnte und Sam war beruhigt. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie das hier weitergehen soll, wenn wir diese Vampire nicht kriegen? Du hast noch etwas mehr als eine Woche Urlaub und ich muss auch wieder zur Uni.“ Sam ließ sich auf ein Bett fallen. Sie hatten im Motel ausgecheckt und hier mit Sony noch ein Bier getrunken, bevor sie sich in das Zimmer zurückgezogen hatten. „Wenn wir in einer Woche noch nicht weiter sind, sollten wir einen anderen Jäger damit beauftragen. Du könntest im Netz schon mal fragen, ob einer Zeit hätte. Ich will unser Leben nicht noch einmal an die Jagd verlieren.“ Sichtlich erleichtert atmete Sam durch. „Du dachtest, ich bleibe bis der Fall erledigt ist?“ „Ich hatte Angst, dass dir das hier doch wichtiger geworden sein könnte als unser Leben. Ich meine, es bröckelt ja gerade wieder ein Stück ab. Bobbys Schrottplatz werden wir wohl so nie wieder sehen.“ Dean musterte seinen Bruder nur fragend und Sam versuchte ein Lächeln. „Wir werden erwachsen Dean. Kinder verlassen ihr Zuhause und ziehen in die Welt.“ „Wir hatten nur nie ein Zuhause. Zumindest du nicht.“ „Lange habe ich mich bei dir Zuhause gefühlt“, gab Sam frei heraus zu. „Und du dich wohl für eine Weile hier. Erzählst du mir davon?“ Dean ließ sich auf das Bett fallen und holte tief Luft. „Ich war wütend als ich hergebracht wurde. Ich meine: Es war das erste Mal, dass ich versuchte unser Geld mit Poker aufzubessern und ich dachte natürlich, dass mich keiner schlagen könnte, weil ich so gut war. Tja, falsch gedacht. Ich verlor. Ich hatte dir schon kaum noch etwas als Schulbrot mitgeben können und wusste, dass du Hunger haben würdest und ich nicht bis zur Nacht warten konnte, also habe ich versucht im Supermarkt was mitgehen zu lassen. Keine gute Idee hungrig und mit Wut im Bauch. Ich wurde erwischt und sie brachten mich her, weil John sich weigerte mich rauszuholen. Ich sollte meine Strafe absitzen, meinte er, meine Lektion lernen!“, Dean schnaubte. „Sony fragte mich als Erstes, was ich essen wollte. Ich hab gesagt, dass ich keinen Hunger hätte. Um nichts in der Welt hätte ich zugegeben, wie sehr mein Magen knurrte.“ Dean beugte sich vor. Er stützte sich mit den Unterarmen auf die Oberschenkel und schaute zu Sam. „In den ersten Tagen, Wochen habe ich keine Hausaufgaben gemacht, bin zu spät gekommen und habe meine Aufgaben hier vernachlässigt. Ich habe die Älteren auf dem Schulhof provoziert und nicht nur einmal jämmerlich Prügel bezogen. Ich war aufsässig. Alles nur um Sony wütend zu machen, weil ich dachte wenn er wütend genug wäre, würde er mich einfach rausschmeißen. Dann hätte ich mich zu Bobby durchschlagen können. Aber Sony wurde nie wütend. Und dann tauchte Benny immer öfter in meiner Nähe auf. Er war hier Vorarbeiter und im letzten Highschool-Jahr. Benny ließ sich genauso wenig aus der Reserve locken wie Sony und er verhinderte dass ich mich mit den üblen Gangs anlegte oder anfreundete und auch das eine oder andere Veilchen in meinem Gesicht. Benny war einfach immer da. Benny hörte zu oder schwieg mit mir, je nachdem wonach mir gerade war. Er brachte mich zum Ringen.“ Dean schaute Sam in die Augen. „Keine Ahnung, ob ich noch leben würde, wenn Benny nicht gewesen wäre.“ Sam Augen weiteten sich kurz. Jetzt verstand er warum Dean einen Vampir schützte. „Dann sollte ich ihm wohl danken, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“  Dean stand auf und begann sich umzuziehen. „Das sagt uns aber immer noch nicht, wie wir den Fall am Besten angehen.“ „Wir sollten morgen die Umgebung noch einmal in Ruhe absuchen. Wenn die Vampire hier sind, müssen sie einen Unterschlupf für den Tag haben.“ Dean nickte. „Den müssen wir finden, Sam. Wir haben die Armbrüste und das Blut.“ „Wir müssen nur schnell genug sein“, nickte Sam. Auch er machte sich bettfertig. Kapitel 110: it´s no good ------------------------- 110) it´s no good Die Nacht war ruhig, auch wenn Dean hin und wieder von dem Gefühl beobachtet zu werden aus dem Schlaf gerissen wurde. Allerdings konnte er nie eine Bedrohung ausmachen, egal wie leise er sich bewegte, oder wie schnell. Also legte er sich wieder hin und schlief endlich auch bis zum Morgen durch. Das Klingeln eines Telefons riss Sam aus dem Schlaf. Er setzte sich auf und versuchte die Geräusche des Hauses zuzuordnen. „Verdammt“, tönte Sonys Stimme von unten hoch und Dean sprang auf. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Hastig zog er sich an. Sam folgte seinem Beispiel. Noch vor den Jungs kamen sie in die Küche. „Was ist passiert?“, fragte Dean. „Ruth ist tot. Das war gerade ihr Mann. Sie ist vom Eier holen nicht zurückgekommen und als er rausging, lag sie tot vor dem Stall. Er hat die Polizei gerufen.“ Die Brüder nickten und Dean begann wortlos Sony beim Vorbereiten des Frühstücks zu helfen. „Wenn die Jungs in der Schule sind, fahren wir hin und versuchen etwas zu erfahren“, erklärte er und Sam nickte. „Ich komme mit!“, bestimmte Sony und deckte den Tisch. Nachdem die Jungs zur Schule gefahren waren, machten sich die drei Männer auf den Weg. Während Sony Ruths Mann sein Mitgefühl ausdrückte und noch kurz mit ihm sprach, konnten Sam und Dean einen Blick auf die Leiche erhaschen. Auf dem Rückweg zu Sonys Farm kaufen sie noch eine Wanderkarte. Zurück in Sonys Haus kochten sie Kaffee und ließen sich am Küchentisch nieder. „Wie geht es jetzt weiter? Ich kann die Jungs nicht einsperren, um sie zu schützen und ich kann niemandem etwas von Vampiren erzählen“, wollte Sony frustriert wissen. „Darum werden wir uns kümmern, hoffe ich“, erklärte Sam. Er schob die Kaffeetassen beiseite und breitete die Wanderkarte auf dem Tisch aus. „Wo kann man hier ein Nest verstecken?“, wollte er von Dean wissen. „Nest? Verstecken?“, echote Sonny ratlos. „Mausoleum, alte ungenutzte Scheunen oder Häuser“, erklärter Dean, „oder Jagdhütten?“ Sony überlegte. Er trank einen Schluck Kaffee, stand auf und trat neben Sam. „Ungenutzte Scheunen sind hier“, Sony nahm den Stift und machte Kreuze auf der Karte. „Jagdhütten und unbewohnte Häuser“, dieses Mal zeichnete Sony Kreise. „Wie sieht es mit Höhlen und Stollen aus?“, fragte Sam und nur Dean wusste woher das hörbare Unbehagen in dessen Stimme kam. „Nein. Nicht dass ich wüsste.“ Die Brüder atmeten hörbar aus und ernteten einen fragenden Blick von Sony. „Lange Geschichte“, wiegelte Dean ab und ging nach draußen, um ihre Waffen zu holen. Mit den Armbrüsten und Macheten kam er zurück. Er stellte das Glas mit dem Blut auf den Tisch und tauchte die Bolzen hinein. „Was ist das?“, fragte Sony. „Blut von Toten. Es tötet Vampire nicht, aber es lähmt sie für eine Weile.“ Sam studierte derweil die Karte. „Wir sollten hier anfangen.“ Er deutete auf einen Punkt. „Den Impala können wir auf dem Parkplatz abstellen. Dann schlagen wir einen Bogen und kommen letztendlich wieder hier an“, erklärte Sam. Dean warf einen Blick auf die Karte. „Einen zackeligen Bogen“, sagte er und schnaufte. Das war ein mehr als tagesfüllendes Programm. „Aber wir sollten hier anfangen.“ Er deutete auf eine Scheune, nicht weit von der Farm. „So haben wir die als Mittelpunkt und müssen nicht noch den Wagen holen.“ Das „wenn“, ließ er lieber weg, denn das verstand Sam auch so. Der nickte. Er hatte bei den Scheunen anfangen wollen, die am dichtesten standen, so hätten sie viel in kürzester Zeit geschafft. Aber Deans Bedenken waren begründet. „Da habt ihr euch viel vorgenommen“, überlegte Sony. „Ich denke nicht, dass wir alle absuchen müssen“, sagte Sam. „Mal sehen, wie viel wir heute schaffen. Den Rest machen wir dann morgen.“ Er schob die Machete in den Hosenbund, schulterte den Rucksack und schaute zu seinem Bruder, der gerade die Karte zusammenfaltete. Weit entfernt griff Benny seine Tasche, schob die Sonnenbrille höher und sprang aus dem Fahrerhaus des Trucks, der ihn bis hierher mitgenommen hatte. „Wolltest du nicht an die Westküste?“, fragte ihn der Fahrer, der gerade seinen Truck betankte. „Wollte ich. Mir ist nur gerade klar geworden, dass Weglaufen meine Probleme nicht lösen wird. Aber Danke für´s Mitnehmen.“ „Na dann. Viel Glück!“, wünschte der Fahrer und schaute Benny hinterher, wie der die Fahrbahnseite wechselte und nach einer neuen Mitfahrgelegeheit Richtung Nordost suchte. Einträchtig liefen die Winchesters am Waldrand entlang. Die Dämmerung begann sich über das Land zu legen. „Wie weit willst du heute noch suchen?“ „Wenn ich die Karte richtig im Kopf habe, sind da noch zwei Scheunen“, entgegnete Dean. „Auf dem Rückweg könnten wir noch die Jagdhütte und die Scheune links von hier mitnehmen. Den Rest überprüfen wir morgen.“ „Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass sie in einer der letzten drei wären“, überlegte Sam. „Die wären ideal gewesen“, stimmte ihm Dean zu. „Aber vielleicht sind sie wie wir früher waren? Vielleicht ist ihnen nur wichtig Benny zu vernichten und dann wieder in den Süden zurückzukehren und es ist ihnen egal, wo sie übernachten?“ Vor ihnen stand die nächste Scheune. Sie umrundeten sie und zwängten sich, als sie keine offensichtliche Gefahr ausmachen konnten, hinein. Nichts. Auch hier fanden sie keine Spur der Vampire. Wo waren die nur? Irgendwie mussten sie die Tage doch verbringen oder waren sie von ihrem Leben im Süden so abgehärtet, dass ihnen die Sonne gar nichts ausmachte? Hatten sie vielleicht sogar Zimmer in einem Motel? Dann würden sie die nie finden. Nicht in der Zeit, die ihnen blieb. Sie verließen die Scheune und gingen weiter in den Wald hinein. Die Bäume schluckten auch noch das letzte bisschen Licht und sie holten ihre Taschenlampen hervor. Hin und wieder ließen sie einen kurzen Lichtstrahl aufblitzen, um ihren Weg auf Hindernisse zu überprüfen. Viel Licht brauchten sie nicht. Die Wolken des Tages hatten sich mit der Dämmerung verzogen und der Mond stand hell am Himmel, auch wenn sein Licht zwischen den Bäumen nicht wirklich bis zum Boden reichte. Den Brüdern langte es, um sich orientieren zu können. Ein paar hundert Meter von der Hütte steckten sie die Taschenlampen ganz weg. Sie umrundeten die Hütte, die ihre besten Tage auch schon lange hinter sich hatte. Sam deutete auf ein paar abgebrochene Zweige. Seine Nasenflügel weiteten sich, als er den muffigen Geruch bemerkte, der von der Hütte vor ihnen ausging. Fragend legte er den Kopf schief. Dean schnupperte ebenfalls und verzog das Gesicht. Er ging einen Schritt näher an die Hütte heran und lauschte. Dann gab er Sam ein Zeichen und sie entfernten sich wieder. „Da ist jemand drin“, informierte er Sam leise als er hoffte weit genug weg zu sein. „Vampire?“ „Keine Ahnung.“ „Und jetzt?“ „Jetzt klopfen wir freundlich an.“ Schnell erklärte Dean seinen Schlachtplan, dem Sam, zähneknirschend zustimmte. Sony saß in der Küche. Die Jungs waren in ihren Zimmern. Wahrscheinlich planten sie ihren Ausbruch. Er grinste traurig. Als sie aus der Schule gekommen waren, hatte er ihnen erklärt, dass sich vermutlich ein Entführer hier herumtrieb und ihnen verboten aus dem Haus zu gehen. Nach vielen Diskussionen hatten sie sich gefügt. Ob sie das morgen noch tun würden, war fraglich. Außerdem musste er eine Farm führen. Es klopfte an der Hintertür. Er erhob sich und öffnete. „Benny“, entfuhr es ihm überrascht, „was machst du denn hier? Wolltest du nicht nach Westen?“ „Ich war auf dem Weg, aber mir ist klar geworden, dass ich weder vor meinen Problemen weglaufen noch anderen deren Lösung überlassen sollte. Ich meine, ich weiß nicht, ob ich mich gegen meinen alten Meister stellen kann, aber ich kann doch Dean nicht in seine Fänge treiben, ohne wenigstens zu versuchen mich ihm entgegenzustellen.“ „Dann solltest du dich mit den Beiden beraten, wenn sie wieder da sind.“ „Wo sind sie überhaupt?“ „Jagen, wie sie es nannten. Sie wollten wissen, wo in der Umgebung Scheunen und Hütten sind. Eigentlich sollten sie schon wieder hier sein.“ „Es gibt jede Menge Scheunen und Hütten.“ „Ich weiß“, entgegnete Sony. Er würde gerne helfen, aber er hatte keine Ahnung, wo Dean und sein Bruder waren. Hoffentlich kamen sie bald, dann würde er ihnen anbieten, sie morgen zu begleiten. Er nahm sich ein Bier und ging auf die Veranda hinaus. Sam war alles andere als begeistert von Deans Plan, aber er hatte auch keinen besseren also nahm er sich vor gut auf seinen älteren Bruder zu achten. Irgendwie schien der gerade wieder so richtig Spaß an einer Kamikazeaktion zu haben. Aber vielleicht irrte er sich ja auch und Dean wollte nur so schnell wie möglich wieder nach Hause oder zu Bobby? Wenn sie morgen fahren würden, hätten sie noch eine knappe Woche da. Vielleicht waren ja auch nur Menschen in der Hütte? Schnell wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Dean zu, der gerade an die Tür klopfte. Er hob die Armbrust und zielte. Die Tür öffnete sich. Ein ungepflegt aussehender Typ schaute heraus. „Hey“, grüßte Dean und grinste ihn breit an. „Ist ...“ Die Nasenflügel des Mannes weiteten sich und auch wenn er versuchte sich zu beherrschen, das frische Blut auf Deans Wange, ließ seinen Hunger die Führung übernehmen. Sofort duckte sich der Winchester weg und Sam feuerte den Bolzen ab. Der Vampir erstarrte. Dean richtete sich auf und trennte ihm mit einem Hieb den Kopf von den Schultern. Er fasste zu und drückte den Torso in den Raum zurück, bevor der von selbst umkippte. In der gleichen Bewegung schleuderte Dean das Zippo in den Raum. Es prallte gegen die Rückenlehne des alten Sofas, landete auf der Armlehne und fiel zu Boden. „Mist“, fluchte Dean leise und wischte sich das Blut von der Wange. Die kleine Wunde, die er sich vorhin selbst beigebracht hatte, blutete schon nicht mehr. Zwei weitere Vampire kamen aus dem Nebenraum gestürmt und wollten sich sofort auf Dean stürzen. Den ersten empfing er mit einem gezielten Hieb der Machete. Der Körper taumelte kopflos noch ein paar Meter in den Wald hinaus. Den Zweiten lähmte Sam mit einem weiteren Bolzen, bis Dean auch ihn enthaupten konnte. Das Zippo war auf einem Stapel knochentrockenem Kaminholz gelandet. Es hatte ein bisschen gebraucht, bis es Feuer fing, doch jetzt erwachte der Brand explosionsartig. Die Hitze erreichte sogar Dean, der noch immer vor der Hütte stand. Ein Feuerball jagte durch den Kamin. Benny lehnte an der Hauswand und trank einen Schluck Bier. Er versuchte mit Hilfe der Verbindung, die er noch immer zu seinem Erschaffer fühlte, zu ergründen, wo der alte Mann war, doch er konnte ihn nicht wirklich lokalisieren. Plötzlich sah er den Feuerball über den Bäumen aufleuchten und so schnell wieder verschwinden, wie er aufgetaucht war. „Verdammt“, knurrte er, stellte die Flasche auf das Geländer der Veranda und hetzte los. Dean holte sich seine Armbrust, die er vorhin an das Haus gelehnt hatte, um zu klopfen, und lief zu Sam zurück. „Meinst du wir haben alle?“ „Ich glaube nicht“, erwiderte Sam und Dean nickte. „Wäre auch zu schön gewesen. Wir hätten Benny fragen sollen, wie viele sie waren.“ Sam zuckte mit den Schultern. „Und jetzt?“ „Wir haben drei erledigt und ich vermute, dass ein oder zwei noch im Haus waren. Die werden wohl durch die Fenster abgehauen sein.“ Er schaute sich um. So langsam flaute das Adrenalin in seinen Adern ab. „Wir sollten noch eine Runde um die Hütte drehen und dann verschwinden. Wir finden hier keinen sicheren Unterschlupf für die Nacht, also schlage ich vor, wie machen morgen weiter.“ Dean nickte. „Klingt gut“, sagte er. Sie entfernten sich so weit von der Hütte, dass sie nicht mehr direkt im Licht standen und begannen ihre Runde. Kapitel 111: Don't Panic ------------------------ 111) Don´t Panic Plötzlich hörten sie hinter sich ein Rascheln. Blitzschnell drehten sie sich um und schossen. Sams Gegenüber taumelte noch ein paar Schritte vorwärts und ging dann zu Boden. Dean hatte nur den Arm seines Gegners getroffen. Hektisch lud er nach, schoss erneut und traf dieses Mal mitten in die Brust. Sam schlug dem Vampir den Kopf ab, bevor er zu Boden gehen konnte und auch Dean enthauptete seinen Gegner. Er legte gerade einen neuen Bolzen in die Armbrust, als zwei weitere Vampire aus dem Schatten der Bäume traten. Er schoss, lud nach während Sam schoss, und schoss erneut. Diese zwei waren so viel schneller, als die anderen und Dean vermutete in dem einen den alten Mann, wie Benny ihn beschrieben hatte, ausgemacht zu haben. Es wäre aber auch ein zu großer Zufall, wenn ein anderes Nest zeitgleich mit Benny hier auftauchte. Die Vampire wichen schon fast spielerisch aus und starteten ihrerseits einen Angriff. Dean ließ seine Armbrust fallen. Er hatte keine Zeit mehr erneut zu laden. Er hob die Machete und stürzte sich auf seinen Gegner. Viel zu schnell wechselten Jäger und Gejagte in diesem Kampf. Ein kurzer Blick zu Sam verriet Dean, dass auch der alle sein Können brauchte, um sich den Vampir vom Leib zu halten. Verbissen versuchte er den alten Mann, er hatte für sich entschieden, dass der es war, auszuschalten. Doch der war mehr als nur gut und trieb ihn immer weiter in den Wald hinein, immer weiter von Sam weg. Auch Sam wurde immer mehr bedrängt. Er bekam ein paar harte Schläge in die Rippen, bevor ein Schlag genau auf sein Gesicht zielte. Er schaffte es, sich so weit wegzudrehen, dass ihn dieser Schlag nicht von den Beinen riss, doch er taumelte heftig. Seine Gesichtshälfte fühlte sich fast sofort taub an und erst als er nicht nur einmal blinzeln musste, um seine Sicht von dem Blutschleier zu befreien, merkte er, dass seine Augenbraue aufgeplatzt war. Deans Gegner versuchte gerade ihn zu Fall zu bringen. „Du hast mein Nest zerstört, meine Familie“, knurrte der alte Mann gefährlich leise. „Gern geschehen. Bleibt mehr für dich!“, keuchte Dean mit einem Grinsen und startete einen weiteren Versuch, ihn zu enthaupten und wieder fuhr die Machete nur durch die Luft. Der Vampir griff an. Dean schaffte es auszuweichen und holte seinerseits zum Schlag aus. Doch der alte Mann fing seinen Arm ab, einfach so und ohne Anstrengung. Seine Klauen krallten sich in Deans Unterarm. Er lachte böse. „Du wirst leiden. Du wirst mich nähren und dann wirst du zu einem der meinen. Du wirst mir die Stiefel lecken und du wirst mich dafür vergöttern.“ „Leck mich“, knurrte Dean. Der alte Mann holte aus. Seine Faust traf Dean Kinn und ließ dessen Kopf nach hinten fliegen. Der zweite Schlag ging in den Magen. Dean klappte wie Taschenmesser zusammen, doch der Alte ließ nicht von ihm ab. Er holte erneut aus und ließ Dean los, als der zweite Schlag dessen Kinn traf. Dean wurde regelrecht von den Füßen gerissen. Ein Baum bremste seinen Sturz. Er konnte hören wie mindestens eine seiner Rippen bedrohlich knirschte. Der alte Mann bleckte seine Zähne. Dean rappelte sich wieder auf die Beine. Er versuchte es zumindest, denn plötzlich war der Kerl neben ihm und trat ihm seitlich gegen das Knie. Mit einem erstickten Aufschrei brach Dean erneut zusammen. Er versuchte irgendwie gegen den Schmerz anzukommen und zeitgleich auch noch zu atmen. Der alte Mann beugte sich zu seinem Opfer, zerrte ihn in die Höhe und warf ihn, wie eine magere Katze, von sich. Dean stöhnte, als sich etwas hartes Raues in seine Seite fraß. Sein Kopf schlug auf den Boden und er verlor das Bewusstsein. Sam trat seinem Gegner die Beine weg, drehte sich auf den Bauch und kam taumelnd wieder auf die Füße. Sein Blick suchte die Umgebung nach seinem Bruder ab, doch er konnte nur wage Kampfgeräusche ausmachen. Hektisch suchte er seine Machete. Wo war die nur? Er fand sie nicht und der Vampir griff schon wieder an. Er duckte sich zur Seite und versuchte sich gegen den Aufprall zu wappnen. Dieser Aufprall kam nicht. Stattdessen plumpste etwas dumpf auf den Boden. Irritiert drehte sich Sam um und sah gerade noch, wie der Vampir kopflos zusammenbrach. Aber wie? „Dean?“, krächzte er heiser und schaute sich suchend um. „Nur ich“, sagte eine Stimme mit einem Dialekt, den er nur einmal so gehört hatte. Benny trat hinter einem Baum hervor. Er hielt Sams Machete in der Hand. Blut tropfte zäh von der Klinge. „Wo ist Dean?“ Benny deutete mit der Machete in die Richtung, aus der leise Kampfgeräusche kamen. Sam nickte, dann schaute er auf die Machete. Benny ließ die Klinge nach unten sinken und hielt sie Sam hin. Der Winchester griff zu. Ein Schrei zerriss die Stille. Die Männer stürmten los. Der alte Mann starrte auf den Körper unter sich. Gierig musterte er den Bauch unter dem hoch gerutschten Shirt, bevor sein Blick weiter nach oben ging und auf Deans Hals, auf der pulsierenden, lebensverheißenden Ader liegen blieb. Er kniete sich auf den warmen Körper. Seine Krallen strichen über Hals und Schulter. Speichel troff von seinen ausgefahrenen Zähnen. Genau in diesen Moment kam Dean wieder zu Bewusstsein. Er fühlte den Druck und die tastenden Finger und versuchte sich dem zu entwinden. „Nah“, forderte der alten Mann. Er presste Deans rechte Schulter fester gegen den Boden. Seine Finger krümmten sich und Klauen bohrten sich tief in Deans Schulter. Er beugte sich vor, leckte über die pochende Stelle an Deans Hals, dann biss er zu. Dean fühlte die Zunge an seinem Hals, er spürte den heißen Atem über seine Haut streichen und dann drangen die Zähne tief in sein Fleisch. Konnte er sich noch beherrschen, doch als die Krallen seine Haut zerrissen, war der Schmerz des Bisses einfach zu viel. Er schrie. Das Blut war süß und schwer und der alte Mann fühlte sich wie berauscht, als es samtig seine Kehle hinunter rann. Er musste sich beherrschen diesen Menschen nicht in einem Zug leer zu trinken, denn er wollte ihn. Einen Jäger in seinen Reihen! Er wäre der mächtigste Vampir. Selbst der Alpha würde sein Können anerkennen müssen. Nur widerwillig beendete er sein Mahl, richtete sich auf und musterte den Menschen. Der war kaum bei Bewusstsein und die Wunden würden Zeit brauchen, aber das war eigentlich noch besser. In dieser Zeit wäre er vollkommen auf ihn angewiesen, darauf, dass er ihn mit Blut versorgte und das würde die Bindung zwischen Neuling und Meister noch tiefer werden lassen. Seine Nasenflügel weiteten sich. Er nahm den Geruch des Menschen noch einmal in sich auf. Dann öffnete er die Ader an seinem Handgelenk. Der alte Mann schwelgte noch in seinem Triumph, als Sam hinter ihm auftauchte und ihm mit einem Hieb den Kopf von den Schultern trennte. Benny kniete vor Dean und drehte seinen Kopf zur Seite. Auf keinen Fall durfte das Blut des Alten dessen Lippen benetzen! Die Augen des Alten weiteten sich überrascht, als ihm sein Fehler, sein allerletzter Fehler bewusst wurde. Dann trübten sich die Augen und der Kopf fiel von den Schultern. Ein einsamer Blutstropfen fiel auf Deans Wange. Sofort zerrte Sam den Körper von seinem Bruder und begann ihn zu untersuchen. Benny gab Deans Kopf frei und wischte das Blut des Alten mit einer kurzen Bewegung ab. Er richtete sich auf und begann die Umgebung abzusuchen. „Dean, mein Gott, Dean!“, versuchte Sam die Aufmerksamkeit seines Bruders zu erlangen. Er schaltete seine Taschenlampe ein und musste fast sofort seinen Würgereiz unterdrücken. Deans Schulter sah furchtbar aus. In Windeseile zog er sich Jacke und Hemd aus, knüllte das Hemd zusammen und presste es gegen die blutende Wunde. „Sam...my“, keuchte Dean und versuchte sie zu bewegen. Der Schmerz explodierte in seinem Körper und er knurrte. „Bleib liegen, bitte!“ Sam fasste Deans Hand, führte sie zu dessen Hals und drückte sie gegen das Hemd. „Fest drauf pressen!“, forderte er, nahm die Taschenlampe wieder auf und setzte die Untersuchung von Deans Körper fort. Das Ergebnis war verheerend. „Wie geht’s dir“, wollte Dean leise wissen. „Ein paar Prellungen und Schürfwunden. Nichts, was nicht wieder heilt. Benny hat mich gerettet.“ „Benny?“ Deans Augen begannen die Umgebung anzusuchen. „Ich bin hier.“ „Danke!“ „Ich muss dir danken. Ohne dich, ohne euch wäre ich weiter weggelaufen.“ „Könnt ihr bitte später große Reden halten? Dean muss in ein Krankenhaus, und das sofort!“ Benny nickte betreten. „Ich kann ...“, begann Dean und versuchte erneut sich aufzurichten. „Bleib liegen!“, herrschte Sam seinen Bruder an. Sein Blick wanderte zu Benny und dann zu der blutenden Wunde kurz über Deans Hüfte. Benny nickte wieder nur. Er zog sich nun ebenfalls sein Hemd aus und hielt es bereit. „Wir brauchen den Impala hier!“, erklärte Sam. „Es ist einfach zu weit, um ihn dahin zu bringen und bis ein Krankenwagen hier ist ...“ Er starrte auf den enthaupteten Vampir, der irgendwie an einen Baum gelehnt dasaß. „Außerdem will ich nicht in der Nähe sein, wenn das hier entdeckt wird.“ „Ich kann ihn zum Krankenhaus bringen“, bot Benny an. „Ich könnte in vielleicht zehn Minuten mit ihm da sein.“ „Du ...?“ Sam musterte ihn fragend. „Vampire sind schnell und ausdauernd. Das sollte nicht das Problem sein.“ Sam nickte kurz. „Fragt sich nur, wie wir die Wunden ...“ Dean schob seine Hand langsam zu Sam. Seine Fingerspitzen berührten dessen Oberschenkel und wanderten weiter auf der Suche nach der Naht. Er versuchte daran zu ziehen. Sam schaute fragend zu ihm. „Rucksack ... Gewebeband“, erklärte der Ältere leise. Sofort sprang Sam auf, holte den Rucksack und begann darin zu wühlen. Er förderte ein paar Päckchen Verbandsmull und das silberne Klebeband zu Tage. „Du hast ...“ „Wir ... Vampire ... Verletzung nicht ausgeschlossen“, erklärte Dean stockend. „Okay. Versuche durchzuatmen, ich muss dich bewegen!“, forderte Sam und gab sich Mühe seine Stimme ruhig zu halten. Dean nickte. Er holte ein paar Mal tief Luft, dann krallte er seine Hand in Sams Jacke. „Eins, zwei, ...“ zählte Sam und drehte seinen Bruder auf die linke Seite. Deans Kiefer mahlten aufeinander. Er knurrte schmerzerfüllt. Der Schmerz schien überall in seinem Körper zu sitzen. Benny schluckte. Der Geruch von frischem Blut drang tief in seine Nase und der Vampir in ihm erwachte. Vergeblich versuchte er sich zu beherrschen. Das Monster war mächtiger. Mit einem Knurren drehte er sich um und stapfte in den Wald. Sam schaute ihm kurz hinterher, bevor er sich wieder voll und ganz seinem Bruder widmete. „Gehts? Kann ich die Wunden versorgen?“ „Mach!“ Deans Stimme klang wie das heisere Krächzen einer altersschwachen Krähe. Hektisch wusch Sam die Wunde an Deans Hüfte mit Weihwasser aus, legte Verbandsmull darüber und verklebte alles großzügig mit Klebeband. Er konnte nur hoffen, dass Dean nicht bei Bewusstsein sein würde, wenn sie das wieder entfernten. So vorsichtig wie möglich drehte er ihn wieder auf den Rücken und zog ihn in eine sitzende Position, um die Bisswunde versorgen zu können. Dass sich dabei auch Deans Beine bewegten, war klar. Dass Dean einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken konnte, ließ Sam aufhorchen. Doch zuerst musste er die Bisswunde versorgen! Endlich konnte er Dean wieder auf den Boden legen. „Was ist mit deinem Bein?“, fragte er, als er sich sicher war, dass Dean antworten konnte. „Knie verdreht?“, keuchte der matt. „Soll ich es mir ansehen oder geht’s bis ins Krankenhaus? Ich möchte dich so schnell wie möglich von einem Arzt untersucht wissen“, sagte Sam besorgt. „Geht schon“, wisperte Dean. Wie aufs Stichwort tauchte Benny zwischen den Bäumen auf. „Willst du ihn wirklich zum Krankenhaus bringen?“ „Ich werde ihm nichts tun!“ Sam musterte den Vampir kritisch. Alles in ihm wehrte sich gegen die Vorstellung ihm Dean anzuvertrauen, doch ihm wollte einfach kein anderer Weg einfallen und sein Bruder musste eher jetzt als gleich ins Krankenhaus. Er zitterte immer heftiger. „Okay!“, nickte Sam. Vorsichtig zog er Dean an sich und stand leise ächzend auf. Fest hielt er seinen Bruder an sich gepresst. „Pass auf ihn auf!“, forderte er von Benny. „Wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst, werde ich dich finden und töten!“ Der Vampir nickte. Er trat an Sam heran und übernahm die kostbare Fracht. „Ich gehe zum Impala und komme dann zum Krankenhaus.“ „Geh zu Sony, Richtung Süden. Da kommt eine Straße. Dort wartest du auf mich. Ich bringe Dean zum Krankenhaus und hole dich mit dem Wagen ab.“ „Sicher?“, fragte Sam skeptisch. „Sicher.“ Benny zog Dean etwas fester an sich. „Wo steht der Impala?“ „Scheune wo wir ... Jack nicht ...“, wisperte Dean. „Okay und der Schlüssel?“ „Hosentasche“ Deans Kopf sank auf seine Brust. Benny nickte Sam kurz zu und stürmte los. Für eine Weile genoss Dean den kühlenden Wind im Gesicht, doch viel zu schnell strengte es ihn zu sehr an wach zu bleiben und er schloss die Augen. Erst als ihn Benny auf eine Liege legte, kam er wieder zu sich. „Keine Ahnung was es war. Es war dunkel und das Vieh schnell“, erklärte Benny gerade. „Vielleicht ein Wolf.“ „Kein Wolf“, protestierte Dean schwach. „CT, großes Blutbild und dann machen sie ihn für die OP fertig“, forderte die Ärztin und schon fühlte Dean wie die Liege bewegt wurde. Benny erklärte dem Pfleger an der Anmeldung, wer der Mann war, den er gebracht hatte und dass sein Bruder gleich kommen würde, dann verließ er das Krankenhaus wieder und lief zum Impala. Kapitel 112: A kind of magic ---------------------------- 112) A kind of magic Sam hetzte durch den dunklen Wald. Mond und Sterne waren schon länger nicht mehr zu sehen. Dicke Wolken hatten sich davorgeschoben und Wind kam auf. Der Lichtkegel der Taschenlampe hüpfte vor ihm her und doch stolperte er immer wieder und nicht nur einmal konnte er sich erst im letzten Augenblick abfangen. Wenn er nicht um sein Gleichgewicht kämpfte, verfluchte er sich dafür Dean einem Vampir anvertraut zu haben. Egal, ob die sich früher kannten und mochten. Jetzt war der ein Raubtier und Dean verwundet. Wie konnte er nur? Aber immer wieder fiel ihm kein anderer Weg ein, um Deans Leben zu retten. Verdammt! Hoffentlich lag der nicht schon vollkommen ausgesaugt irgendwo unauffindbar und starb! Schweiß trat ihm aus allen Poren und er wusste nicht, ob es die Anstrengung oder die Angst um seinen Bruder waren, die seinen Körper zu dieser Reaktion trieben. Gerade als er aus dem Wald auf die Straße trat, sah er hinter einer Kurve Scheinwerfer die Dunkelheit zerschneiden. Er lauschte noch kurz, dann trat er einen Schritt weiter auf den Asphalt zu und winkte. Das Grollen des Impala war unverkennbar. Benny hielt an und rutschte auf den Beifahrersitz, damit Sam das Steuer übernehmen konnte. „Dean?“, fragte Sam nur, während er sich auf den Sitz fallen ließ. „Wurde gerade in den OP geschoben.“ „Gut“, Sam atmete auf. Eine Last fiel von seinen Schultern, auch wenn er erst richtig beruhigt sein würde, wenn er Dean sah. „Ich habe ihm nichts getan“, sagte Benny ruhig. „Das habe ich ...“ Sam schluckte. „Ich war mir nicht sicher“, gab er dann zu, wendete den Wagen und fuhr in die Richtung zurück, aus der Benny gekommen war. „Hast du gesehen, ob der alte Mann ... ob Dean sein Blut ...?“, begann Benny ein Thema anzuschneiden, von dem er nicht wusste, wie Sam darauf reagieren würde, dass ihm aber wichtig war. „Du meinst, ob er das Blut getrunken hat?“, fragte Sam. „Ich denke nicht, nein.“ „Du musst es nicht trinken. Es reicht, wenn es in deinem Mund mit deinem Speichel in Verbindung kommt.“ Benny hoffte für Dean, dass das nicht so war, er wollte ihm das nicht zumuten, auch wenn es schon schön wäre, wieder mit ihm abhängen zu können. Die Zeit war schön, wenn auch kurz. Trotzdem … Sam versuchte sich zu erinnern. Er seufzte und riss Benny so aus seinen Erinnerungen. „Nein“, sagte er dann. „Ich denke nicht.“ Er holte Luft. „Aber selbst wenn. Wir müssen nur aufpassen, dass er kein Blut trinkt. Es gibt ein Heilmittel für die, die noch nicht getrunken haben. Wir brauchen nur Knoblauch, Salbei und ... Verdammt! Das Blut des Vampirs, der ihn verwandelt hat. Ich muss noch mal in den Wald ... Ich meine, ich muss da eh noch aufräumen, aber jetzt sollte ich mich damit wohl richtig beeilen.“ Sam schaute zu Benny. „Ich kümmere mich darum“, versprach der. „Du solltest bei Dean sein.“ Sam lächelte und nickte. Benny rieb sich den Nacken. „Das hätte ich damals wissen sollen.“ Er schnaubte. „Aber selbst dann hätte ich mich nicht gegen ihn stellen können. Dean hat bessere Chancen.“ Er grinste traurig. „Du sagtest für Vampire, die noch nicht getrunken haben. Gibt es auch ein Heilmittel für Vampire wie mich?“ „Theoretisch ja.“ „Theoretisch? Das Blut meines Erzeugers hole ich nachher.“ „Dafür brauchen wir das nicht. Wir brauchen Salbei, Wermut, Rosmarin, Knoblauch und die Asche eines Phönix.“ „Es gibt einen Phönix?“ „Ich vermute ja“, nickte Sam. „Aber du weißt weder was noch wo einer sein könnte.“ „Nein“ Sam dachte an seine Suche nach dem Phönix als Dean ein Wolf gewesen war. Er hatte keinen brauchbaren Hinweis finden können. „Tut mir leid.“ „Wäre schön gewesen. So bleibe ich eben bei Schweineblut.“ „Schwein?“ „Es ist dem menschlichen ähnlich und schmeckt mir besser als Rind. Wenn ich hin und wieder einen Beutel Menschenblut bekomme, geht das ganz gut.“ Sam erinnerte sich, dass Lenore eher Rinderblut mochte. Aber auch sie sagte, dass es schwierig war nur davon zu leben. Fast unbemerkt waren sie beim Krankenhaus angekommen. Sam lenkte den Impala auf den Parkplatz. „Du solltest schnell zu Sony fahren und duschen, bevor die Jungs wach werden, oder dir ein Zimmer nehmen. Du riechst sehr verführerisch für einen wie mich“, sagte Benny und stieg aus. „Ich würde mir lieber ein Zimmer in der Nähe nehmen“, begann Sam. Benny nickte. „Ich sage Sony Bescheid und hole euer Zeug. Kann ich das in den Impala packen?“ „Ich lasse den Kofferraum offen.“ „Dann so“, nickte Benny. „Danach kümmere ich mich um den alten Mann. Melde dich, wenn du mehr weißt.“ „Mache ich und Benny? Danke!“ Der Vampir nickte und verschwand. Sam schloss seine Jacke und hoffte so, die schlimmsten Flecken verbergen zu können, dann betrat er das Krankenhaus. An der Anmeldung fragte er nach seinem Bruder. „Ein Freund hat ihn hergebracht. Wir waren jagen. Wir hatten uns aufgeteilt. Er hat angerufen, dass ...“ Sam schob seinen Ausweis über den Tresen. „Ihr Freund sagte, Sie würden seine Daten haben?“ „Ja.“ „Dann füllen Sie das bitte aus.“ Er schob ihm ein Klemmbrett mit dem Formular zu und ging sich nach Dean erkundigen. Sam füllte das Formular aus, holte sich einen Kaffee und wartete, bis der Mann wieder kam. „Ihr Bruder ist im OP und es wird sicher noch dauern.“ „Okay“, seufzte Sam. Dann konnte er ja Bennys Rat folgen, auch wenn er lieber hier bliebe. Er füllte die Papiere aus und legte einen Zettel mit seiner Handynummer auf den Tresen. „Ich will mich schnell umziehen. Könnten Sie mich anrufen, falls mein Bruder eher aus dem OP raus ist, als ich wieder hier bin?“ Er lächelte ihn freundlich an und der Pfleger nickte. Schnellen Schrittes verließ er die Anmeldung, ging zum Impala und war erstaunt, dass Benny schon da gewesen war, denn ihre Taschen lagen auf der Rückbank. ‚Wie schnell war so ein Vampir?‘, fragte er sich und fuhr sich ein Motelzimmer suchen. Keine Stunde später war er wieder im Krankenhaus. Er nickte dem Pfleger freundlich zu, holte sich einen weiteren Kaffee und ging in den Warteraum. „Mr. Winchester?“, hörte er seinen Namen. „Ja?“, fuhr er herum. „Wie geht es ...“ „Ihr Bruder wird noch operiert, aber Sie haben da einige Verletzungen, die sich ein Arzt anschauen sollte.“ Die Schwester deutete auf den Bluterguss, der über seinem Schlüsselbein den Hals hinaufkroch. „Ich habe den schon behandelt, aber danke.“ „Okay.“ Sam nickte mit einem Lächeln und ließ sich wieder auf einen der unbequemen Plastestühle fallen. Ob es einen Ausstatter für alle Krankenhäuser gab? Die Leute hockten doch teils ewig auf diesen Dingern, da könnten die doch ein wenig angenehmer sein, oder? Ob die die Leute so davon abhalten wollten, überhaupt her zu kommen? Er hatte sich gerade seinen vierten Kaffee geholt, als eine Ärztin zu ihm kam, um ihn abzuholen. Sie führte ihn in ein Zimmer. Deans Bett stand am Fenster. „Er müsste gleich aufwachen.“ meinte sie. „Wie geht es ihm Doktor?“ „Den Umständen entsprechend. Er hat viel Blut verloren und die offenen Wunden sind sehr ausgefranst. Er bekommt Blut und Elektrolyte sowie Antibiotika. Er hat mehrere angebrochene Rippen. Die Bisswunde in der linken Schulter ist nicht ohne. Wir haben sie desinfiziert und genäht. Die Wunde an seiner rechten Hüfte ist nur eine Schürfwunde. Tief, aber sie sieht zum Glück schlimmer aus, als sie ist. Wir haben sie gereinigt. Sein Knie haben wir geschient. Die Bänder sind nicht gerissen. Trotzdem muss er es schonen. Wir haben es mit einer Vierpunkt-Orthese fixiert. Was macht ihr Bruder?“ „Er ist Feuerwehrmann.“ Die Ärztin nickte. „Seine körperliche Verfassung ist sehr gut, trotzdem wird es dauern, bis er wieder vernünftig laufen kann und bis er arbeiten darf noch länger.“ ‚Oh Gott‘ dachte Sam. ‚Das wird ihm nicht gefallen. Gar nicht!‘ „Wie ist das passiert?“ fragte die Ärztin. „Ich war leider nicht dabei, aber unser Freund, mit dem er unterwegs war, sagte nur, dass ihn etwas Großes angefallen hat. Ein Puma oder ein Wolf?“, Sam zuckte mit den Schultern. „Wie lange muss er bleiben?“ „Wir wollen sicher gehen, dass sich die Wunde an der Schulter nicht entzündet, wonach es im Moment leider aussieht. In 24 bis 48 Stunden kann ich Ihnen mehr sagen.“ „Danke, Doktor.“ Sam zog sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich, den Blick nicht von seinem Bruder lassend. Langsam kam Dean zu sich. Seine Lider flatterten. Er öffnete die Augen und kniff sie sofort wieder zusammen. Das Licht über seinem Bett blendete. „Dean?“ Vorsichtig öffnete er ein Auge. „Sammy?“ Er musterte seinen Bruder. „Du siehst fertig aus.“ „Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen.“ Dean verzog das Gesicht. „Was habt ihr erzählt, was passiert ist?“ „Du warst mit Benny los. Ich habe keine Ahnung. Er meinte, du wärst von etwas großem angegriffen worden. Weißt du was?“ „Es war jedenfalls kein Wolf!“ Dean wollte sich etwas anders hinlegen. Sofort jagten Schmerzen durch seinen Körper. Er zog die Augenbrauen zusammen. „Hast du starke Schmerzen? Soll ich die Schwester holen?“, fragte Sam besorgt. „Geht schon. Wie lange muss ich bleiben?“ fragte Dean stattdessen. „Sie wollen ausschließen, dass sich deine Wunden entzünden. 48 Stunden mindestens, eher 60 meinte der Arzt.“ Dean wechselte einen langen Blick mit Sam. „Zwei ganze Tage? Sicher?“ „Bitte Dean. Du hast wahnsinniges Glück gehabt. Die Bänder deines Knies sind nur gedehnt, du hast einige angebrochene Rippen. Du musst dich schonen. Bitte bleib wenigstens diese zwei Tage hier!“, beschwor Sam ihn. „Zwei Tage!“, erklärte der Ältere gepresst. Vorsichtig legte Sam seine Hand auf Deans Arm. „Hast du etwas von dem Blut des Alten abbekommen?“ „Abbekommen?“ „Er hat versucht dir was davon in den Mund tropfen zu lassen.“ Sofort fuhr sich Dean mit der Zunge über die Lippen. „Ich denke nicht.“ „Du denkst nicht?“, Sam musterte ihn intensiv. „Egal. Benny wollte das Blut des Alten besorgen. Wenn du merkst, dass du dich veränderst, versuche bitte niemanden zu beißen. Es gibt ein Heilmittel aber nur, wenn du noch nicht getrunken hast!“, beschwor Sam seinen Bruder. „Okay“, nickte Dean. Er gähnte, schloss die Augen und schlief ein. Sam schluckte. Sein Blick wanderte langsam über den geschundenen Körper in dem Bett. Wieder einmal hing alles an einem sehr dünnen Faden. Immerhin hatte er dieses Mal ein Heilmittel parat, sollte es zum Äußersten kommen. Er setzte sich wieder richtig auf den Stuhl und ließ seine Gedanken laufen. Irgendwann schlief er auch ein. „Das sieht nicht bequem aus“, riss ihn eine Stimme aus einem unruhigen Schlaf. Er starrte zur Tür. „Benny!“ „Wie geht es ihm?“ „Er war schon mal wach. Die OP ist ganz gut verlaufen. Sie müssen aber noch abwarten, ob die Wunden sich entzünden.“ „Klingt nicht so gut.“ „Er war schon schlimmer dran.“ Benny musterte die Brüder. Aber klar, wenn sie sowas berufsmäßig gemacht hatten, waren Verletzungen wohl nicht ausgeschlossen. „Hat er schon ...?“ Er deutete auf seinen Mund. „Nein.“ Sam gähnte. „Ich habe unser Zeug weggeräumt“, begann der Vampir. „Du solltest schlafen gehen. Ich kann bleiben. Sony weiß auch Bescheid.“ „Nein, ich ...“ Schon wieder musste er gähnen. Außerdem tat der Stuhl seinem Rücken nicht wirklich gut. Er erhob sich, streckte sich und verzog das Gesicht. Da hatte er sich ja so richtig schön verspannt. „Vielleicht hast du Recht“, meinte er leise und fragte sich, ob er jetzt den Fehler beging. „Ich habe ihn sicher hergebracht und ich werde ihn dir ...“ „Es ist okay, denke ich“, unterbrach ihn Sam. „Es ist nur ... Wir haben ein Leben lang Monster gejagt und auch wenn ich schon Vampire leben ließ, weil sie, wie du, keine Menschen töteten ... Es fühlt sich einfach falsch an. Dean. Er ist meine Familie!“ „Und er ist nur wegen dir damals hier weg.“ „Hat er ...“ Sam schluckte. „Er hatte sich in Robin verliebt und sie sich in ihn. Die erste große Liebe.“ Benny lächelte. „Sie wollten gemeinsam zum Abschlussball und dann stand euer Vater vor der Tür. Er kam nicht mal rein, sondern hat immer nur mal auf die Hupe gedrückt.“ In Bennys Stimme klang immer noch das Unverständnis von damals mit. „Dean stand am Fenster und starrte stumm auf den schwarzen Wagen. Ein kleiner Junge saß im Fond und spielte mit einem Flugzeug. ‚Sammy‘, war das Einzige, was Dean sagte. Er zog sich die Krawatte vom Hals, ließ sie auf das Bett fallen und ging zur Tür. Er ging, wie er kam, plötzlich und mit nichts, als dem was er am Leib trug.“ „Das ... du ...“ Sam schluckte. Dean hatte ihm das Gleiche erzählt und trotzdem. Voller Zuneigung schaute er zu seinem Bruder, bevor er wieder zu Benny schaute. „Versuche bitte ihm auszureden, zu verschwinden. Auch wenn er zwei Tage zugesagt hat, er wird so schnell wie möglich gehen wollen“, erklärte Sam und wandte sich zur Tür. „Und egal ob ich dich mag oder nicht, es gilt, was dich dir schon im Wald gesagt habe! Er ist das Wichtigste in meinem Leben und du wirst keine ruhige Minute und einen furchtbaren Tod haben, sollte ihm etwas passieren!“ Benny nickte ernst. Gerade als Sam nach der Klinke greifen wollte, wurde die Tür geöffnet und ein Bett mit einem neuen Patienten in das Zimmer geschoben. Sam nickte der Schwester zu, verließ das Zimmer und ging zum Parkplatz. Kapitel 113: Stay ----------------- 113) Stay Auf dem Weg zum Motel holte sich Sam noch etwas zu Essen. Viel Appetit hatte er nicht, also mussten ein Salat und ein Putensandwich herhalten. Danach ließ er sich ins Bett fallen und war binnen Sekunden eingeschlafen. Stunden vergingen, Stunden, in denen Benny nur den Schlaf seines Freundes bewachte, bis ein junger Pfleger kam, um den Mann im Nachbarbett zu einer Untersuchung zu holen. Er stellte sich noch etwas ungeschickt an mit dem sperrigen Bett. Die Tür knallte gegen die Wand, als das Bett an den Türrahmen stieß. Der Mann im Bett japste erschrocken. „Entschuldigen Sie bitte“, bat der junge Pfleger, der sich sichtlich mühte, mit dem Bett nicht noch einmal irgendwo dagegen zu stoßen. Eine Schwester auf dem Gang griff das Fußteil des Bettes und zog. „Er muss zum Röntgen“, hörten Dean und Benny noch, dann wurde die Tür hinter seinem Zimmernachbarn geschlossen und Dean sah sich aufmerksam blickenden Augen gegenüber. „Wie geht es dir?“, fragte Benny. „Geht so“, erwiderte Dean träge. „Ging schon mal besser. Wo ist Sam?“ „Im Motel“ Dean musterte den Mann mit hochgezogener Augenbraue. „Ich musste ihm versprechen dir kein Haar zu krümmen und nicht von dir zu naschen, danach hat er die Drohung, mich überall zu finden und mir einen qualvollen Tod zu bereiten, folgen lassen und als ich ihm hoch und heilig versprochen habe dir nichts zu tun, ist er gefahren. Obwohl? Vielleicht hätte ich warten sollen. Er wäre bestimmt bald vom Stuhl gefallen.“ Benny grinste. Dean lächelte warm. „Ihr zieht also immer noch zusammen mit deinem Vater durchs Land?“ „John ist schon vor Jahren gestorben. Ein Unfall. Sam und ich haben den Absprung geschafft. Sammy studiert und ich bin bei der Feuerwehr in Bloomington, Indiana. Also wenn du das Umherziehen mal leid bist und einen Tapetenwechsel brauchst. Ich habe da einen Schrottplatz und wir bauen ein Haus um. Platz hätten wir genug.“ „Und du meinst, dass Sam damit einverstanden ist, wenn ich in eurer Nähe bin?“ „Er hat mich dir anvertraut. Aber du kannst ihn selbst fragen.“ Benny nickte. Das würde er tun. „Wenn du mir deine Nummer gibst? Ich denke drüber nach.“ Dean nickte und nannte ihm seine Handynummer. Er rutschte ihm Bett hin und her. „Wie lange muss ich hier eigentlich noch rumliegen?“, maulte er. „Die Dinger sind leer!“ Er starrte zu den Beuteln, die mittels Schlauch mit seiner Hand verbunden waren. In diesem Moment kam eine Schwester und Benny schloss den Mund wieder und schluckte die Antwort herunter. Sie kontrollierte die Beutel, hängte neue an und überprüfte, dass die auch richtig durchliefen. „Können Sie ihm was geben, damit er schläft. Er nervt“, fragte Benny sie. Sie warf einen Blick auf Dean und nickte. „Ich rede mit der Ärztin.“ „Was soll das denn?“, fragte Dean bissig. „Du hast Schmerzen und brauchst Ruhe.“ „Woher willst du das wissen?“ „Dein Herz schlägt viel zu schnell, dein Blutdruck ist zu niedrig.“ Dean hob fragend eine Augenbraue. „Ich kann es hören.“ Dean legte den Kopf schief. „Was ist mit dir? Fühlst du eine Veränderung?“, fragte Benny. „Veränderung?“ „Mehr Zähne, zum Beispiel. Schmerzen, als ob sich der Magen verklumpt? Eine andere Wahrnehmung?“ „N .. nein.“ Dean schüttelte den Kopf. „Gut. Es ist zwar irgendwie cool, so zu sein. Die Ernährungsweise ist allerdings alles andere als cool.“ „Seit wann brauchst du etwas, um cool zu sein. Du warst es doch damals schon.“ „Dachte ich auch. Und dann bin ich Andrea begegnet.“ Benny schüttelte ungläubig den Kopf. „Auch wenn ich schon länger allein unterwegs bin, ist erst jetzt wirklich Ruhe in meinem Kopf.“ „Was meinst du?“, hakte Dean interessiert nach. „Dass ein Vampir immer irgendwie mit seinem Nest verbunden ist. Es ist wie ein Hintergrundrauschen, genau wie zu dem Alpha.“ Benny zuckte mit den Schultern. „Alpha?“ „Es gibt einen Alpha, den ersten Vampir auf der Erde. Von ihm stammen alle anderen Vampire ab.“ „Du weißt aber nicht, wo der ist?“, fragte Dean in einem Ton, der besagte dass er es eigentlich nicht wissen wollte. „Nein.“ Dean nickte. Er wusste nicht, was er mit dieser Information machen sollte, aber er war ja nicht mehr im Geschäft. Sollten sich andere mit ihm rumschlagen, sollten sie ihm begegnen. Er würde sich die zweite Hälfte seines Lebens nicht auch noch versagen. Nicht, nachdem er schon die erste der Jagd auf das Übernatürliche gegeben hatte. Kurz schloss er die Augen und schaute dann zum Fenster. Draußen war es hell. Ob Morgen oder Nachmittag konnte er nicht sagen, aber es war auch egal. Er lag hier und Benny würde ihn nicht gehen lassen. Außerdem meldete sich sein Knie und auch die Wunden in den Schultern pochten stärker. Vielleicht war das Schlafmittel ja nicht die schlechteste Idee? Vielleicht! Eine bessere wäre es trotzdem, wenn Sammy und er auf dem Weg zu Bobby oder nach Hause wären! Die Schwester riss ihn aus seinen Gedanken. Sie injizierte eine klare Flüssigkeit in seinen Zugang an der Hand und eine in den Infusionsbeutel. „Gegen die Schmerzen“, sagte sie mit einem Lächeln und verließ das Zimmer wieder. Dean fielen die Augen zu und er dämmerte in einen traumlosen, schmerzlosen Schlaf hinüber. Benny stand auf und trat ans Fenster. Geschützt vor den Sonnenstrahlen konnte er nicht genug von dem Spiel der Farben und Sonne und Schatten bekommen. Er stand am Fenster bis sich die Tür öffnete und die Art der Schritte verriet, dass Sony gekommen war. Er drehte sich um. „Hey“, begrüßte er den Mann. „Wie geht’s ihm?“, fragte Sony. „Jetzt gut.“ „Jetzt?“ Sony musterte Dean aufmerksam. „Er war bis vor ungefähr einer Stunde wach, wir haben uns unterhalten. Er hatte Schmerzen. Die Schwester hat ihm was dagegen und ein Schlafmittel gegeben.“ Auch er musterte Dean kurz. „Kannst du bleiben? Ich würde gerne was essen gehen.“ „Etwas Zeit habe ich“, nickte Sony. „Sam müsste auch bald kommen.“ Benny legte seine Hand kurz auf Sonys Arm, dann verließ er das Zimmer und ging nach unten zur Blutbank. Gut, wenn man einige Leute kannte. Mit einem Beutel A positiv in seiner Tasche verließ er das Krankenhaus und verschwand im Wald. Sony setzte sich auf den Stuhl. Sein Blick lag auf Dean und er versuchte zu ergründen, ob sich etwas in seiner Beziehung zu dem Jungen geändert hatte, seit er wusste, dass alles was der ihm damals, eher wütend, an den Kopf geworfen hatte, wahr war. Damals hatte er geglaubt, dass der Junge eine blühende Fantasie hatte, zu viel fernsah und ihn schockieren wollte. Wer oder besser was waren Dean und Sam? Gab es mehr von ihnen? Nein. Das wollte er nicht wissen und das würde er auch niemandem erzählen. Benny war Benny und Dean eben Dean und gemeinsam hatte sie einen Puma oder Wolf gejagt, der Menschen angefallen hat. Genau das würde seine Wahrheit sein und bleiben. Der junge Pfleger brachte Deans Bettnachbarn zurück. Dieses Mal wurde er beim Manövrieren durch die Tür von einer erfahrenen Schwester unterstützt, so dass es ohne große Unfälle vonstattenging. Die Zwei wollten das Zimmer gerade wieder verlassen, als Sam zur Tür hereinkam. Die Schwester musterte ihn. „Sie gehören zu?“, begann sie. „Ihm“, sagte Sam und deutete auf seinen Bruder. „Ich möchte Sie bitten, dass möglichst nur ein Besucher pro Patient im Zimmer ist. Sony erhob sich. „Ich wollte gleich gehen.“ „Danke“, entgegnete die Schwester und verließ das Zimmer nun endgültig. „Komische Regelung“, bemerkte Sam. Er reichte Sony die Hand. „Hallo. Wie geht’s ihm? Wo ist Benny?“ „Ich habe ihn abgelöst. Ist ungefähr eineinhalb Stunden her. Er wollte was essen gehen. Dean schläft. Sie haben ihm was gegeben, sagte Benny, vor vielleicht zwei, zweieinhalb Stunden.“ „Danke“, Sam lächelte. „Und danke, dass du gekommen bist. Du musst nicht gehen.“ „Nein, schon gut. Ich muss noch einkaufen. Wir wollen heute Abend draußen Marshmallows machen und grillen. Jetzt wo die Bedrohung vorbei ist, haben sich die Jungs einen langen Abend draußen verdient.“ Wieder lächelte Sam, dieses Mal versonnen. „Viel Spaß dabei“, wünschte er. Sony nickte und verließ das Zimmer, während sich Sam auf den Stuhl fallen ließ. Sein Blick huschte kurz über den Monitor am Kopfende von Deans Bett. Alles schien gut zu sein. ‚ Marshmallows und grillen‘ Er meinte fast den Geruch in der Nase zu spüren. Sie brauchten unbedingt eine richtige Feuerstelle beim Haus. Mit Baumstämmen als Bänke und vielleicht auch von ein paar Sträuchern und Bäumen umsäumt, damit man lange da sitzen konnte. Das würde er auf jeden Fall mit Amita besprechen, wenn sie wieder in Bloomington waren. Der Tag verging langsam. Dean war kurz nach Mittag aufgewacht. Er hatte etwas gegessen und gequengelt, dass er raus wollte, doch noch konnte Sam ihn mit der Bemerkung ausbremsen, dass er ja noch die Infusionen bekam und noch schien Dean diese Kröte zu schlucken. Kurz nach Mitternacht wechselte die Schwester die Infusionsbeutel. „Ihre letzten“, sagte sie mit einem Blick auf die Monitore und ging wieder. „Die letzten!“, grinste Dean. Das hieß, die Freiheit wartete schon. Sam verdrehte nur die Augen. „Bitte Dean. Lieber einen Tag länger hier rumliegen als ...“ „Mir geht’s gut, Sammy!“ Sam seufzte nur leise und grinste breit, als sein Bruder kurze Zeit später schon wieder eingeschlafen war. Bäume konnte der noch keine ausreißen. Gegen zwei kam Benny und schickte Sam ins Motel. Pünktlich sechs Uhr erwachte das Krankenhaus. Auf dem Gang war wieder mehr Personal unterwegs. Türen wurden geöffnet und wieder geschlossen und so dauerte es auch nicht mehr lange, bis ein Pfleger auch in das Zimmer kam, in dem Dean lag. „Wann kann ich raus?“, fragte der Winchester, kaum dass der Mann alle Daten abgelesen und die Infusionsbeutel entfernt hatte. „Die Ärztin will Ihre Werte noch prüfen.“ „Können Sie das bitte veranlassen?“ „Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich denke nach dem Frühstück ...“ „Nach dem Frühstück?“, Dean setzte sich auf. „Entweder Sie schaffen das in der nächsten Stunde oder Sie bringen mir die Papiere, die ich unterschreiben muss, um mich auf eigene Gefahr zu entlassen!“ „Dean, komm schon“, versuchte Benny. „Eine Stunde mehr oder weniger.“ „Ich will keine Minute länger hier rumliegen müssen“, knurrte Dean. „Ich habe einen tollen Urlaub abgebrochen, um Sony zu helfen und nicht um im Krankenhaus in einem Bett zu liegen. Das kann ich auch zuhause!“ Unwillig starrte Dean zur Tür. Er hatte sich lange genug gelangweilt. Hier war doch nichts los und er wollte aufstehen können, ohne erst drei Leute fragen zu müssen. Er wollte sich endlich wieder bewegen können! Eine Schwester kam herein. „Sie wollen uns verlassen?“ „Gerne“, nickte Dean. „Auch wenn Sie nett sind, zum Erholen würde ich mir ein anderes Etablissement suchen.“ Er strahlte sie so breit an, dass sie ihm kaum böse sein konnte. „Dann prüfen wir mal ihre Blutwerte.“ Dean nickte und hielt ihr bereitwillig seinen Arm hin. Kurz nach sieben kam die Ärztin mit Deans Ergebnissen und seinen Entlassungspapieren. „Eigentlich sollte ich Sie noch hierbehalten, Ihre Werte sind noch nicht wirklich optimal aber auch nicht so schlecht, dass ich Sie nicht gehen lassen kann. Hier sind Tabletten, die Sie bitte regelmäßig einnehmen und melden Sie sich bei Ihrem Arzt. Ihr Knie braucht auf jeden Fall eine weiterführende Behandlung.“ Sie reichte Dean mehrere Packungen und seine Entlassungspapiere. „Danke Doktor!“ „Alles Gute“, wünschte sie ihm und verließ das Zimmer. „Ich hole mal einen Rollstuhl“, erbot sich Benny und verschwand ebenfalls. Schnell war er wieder da, half Dean in den Stuhl und schob ihn zum Fahrstuhl. „Ich glaube, die sind ganz froh dein Bett zu kriegen. Es hat einen schweren Unfall gegeben“, erklärte der. „Na dann“, freute sich Dean über sein Glück, auch wenn ihm die Verletzten leidtaten, er durfte gehen. „Woher ...“ begann er seine Frage, schüttelte dann aber den Kopf. So genau wollte er es eigentlich gar nicht wissen. Kapitel 114: Go West -------------------- 114) Go West Sam putzte sich gerade die Zähne. Er wollte gleich noch frühstücken fahren und dann zu Dean und er hatte immer noch keine Ahnung, wie er den heute beschäftigen konnte, um ihn wenigstens diesen Tag noch an einem Ausbruch zu hindern. Ob die Schwestern noch einen extrem langsam laufenden Tropf hatten? Es klopfte. Wer war das denn und was wollte der? Benny? War was mit Dean? Hastig spülte er sich den Mund aus, ging zur Tür und öffnete. „Dean!“ Irritiert starrte er seinen Bruder an. „Jah, lässt du mich rein?“ fragte der matt. Sam seufzte, verdrehte die Augen und machte die Tür frei. „Du solltest im Krankenhaus sein.“ Dean ließ sich auf dem Bett nieder und legte das Bein hoch. Die Fahrt mit Benny hierher war zwar recht kurz, aber doch anstrengender gewesen, als er erwartet hatte. „Ich will da nicht mehr sein. Bringst du mich nach Hause, Sammy?“ „Du bist abgehauen?“ „Nein, sie haben mich entlassen und ich bin froh darüber. Rumliegen kann ich auch in meinem Bett oder auf der Couch. Außerdem ist es da ruhiger und ich fühle mich sicherer und ...“ Er sah sich noch immer Sams wachsamen, enttäuschten Blick gegenüber. „Die Werte waren okay, es ist nur ... irgendwie ist mir schwindlig und das Knie schmerzt etwas.“ „Hast du schon gegessen?“ „Nein. Sie haben mich vor dem Frühstück rausgelassen. Ich hab aber auch keinen Hunger.“ Sams Blick wurde alarmierend. Dean und keinen Hunger. Trotzdem nickte erstmal. Er wollte ja auch zurück, also stopfte er seine Sachen in die Tasche und brachte das Wenige in den Kofferraum des Impalas. Dann half er Dean auf den Beifahrersitz. Essen konnten sie auch unterwegs. „Ich möchte mich noch von Sony verabschieden“, sagte Sam und Dean nickte. Dieses Mal parkte Sam vor dem blauen Farmhaus. Sie stiegen aus und Dean humpelte, stur wie er war, von Sam gestützt, zum Haus hoch. Er erklomm die Stufen der Veranda und wollte gerade klopfen, als Sony die Tür aufriss. Sofort umarmte er Dean. „Ich hätte auch runterkommen können!“ „Ich weiß, aber ich wollte sehen, wie gut das mit dem Ding geht.“ Der Winchester klang etwas gepresst, während er auf seine Orthese deutete. „Und? Wie gut geht es?“ „Werde wohl noch üben müssen, bis ich in neun Tagen wieder arbeiten gehe.“ Sam verdrehte nur die Augen. In neun Tagen, arbeiten, klar! „Wäre schön, wenn du dich ab und zu mal melden würdest, jetzt wo ihr sesshaft geworden seid“, sagte Sony. „Können wir machen. Es gibt jetzt bestimmt mehr, worüber wir erzählen können“, nickte Dean und versuchte seine andere Haltung zu finden, bei der sein Knie nicht so stark schmerzte. Sony sah es, genau wie Sam, der seinem Bruder einfach den Arm hinhielt, damit der sich auf ihn stützen konnte. „Ihr solltet los“, kommentierte Sony diese Aktion. „Euer Weg ist der weiteste.“ Er umarmte erst Dean, dann Sam. „Ich danke euch und wünschte, es wäre nicht das gewesen, was es eben war.“ „Nicht zu ändern“, erwiderte Dean. „War nicht das erste Mal, dass wir verletzt wurden, aber hoffentlich das letzte.“ Sam lächelte. ‚Wäre toll‘, dachte er und freute sich, dass Dean nicht wieder Geschmack an der Jagd gefunden hatte. Obwohl? So ungern wie er überhaupt hierhergekommen war, war das auch kaum zu befürchten gewesen. Er half Dean zurück zum Impala zu humpeln und setzte sich hinters Steuer. „Nach Hause oder zu Bobby?“, fragte er, während er den Wagen startete. „Mit dem Knie bin ich bei Bobby nutzlos“, sagte Dean traurig. „Du bist nie nutzlos!“ „Ich würde mir bei Bobby trotzdem so vorkommen. Also wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne nach Bloomington fahren. Je eher wir da sind umso länger kann ich mein Knie da schonen.“ Sam nickte. Auch er wollte eigentlich nur noch nach Bloomington. Er wendete den Wagen, drückte kurz auf die Hupe und gab Gas. Endlich ging es nach Hause! Je weiter Sam sie nach Westen brachte, umso schlechter fühlte sich Dean. Seine Schulter pochte mit dem Knie um die Wette und der Verband über seiner Hüfte zwickte. Die Tabletten, die er im Krankenhaus bekommen hatte, waren wohl andere als die, die Sam damals für ihn hatte. Die erhoffte Wirkung setzte jedenfalls nicht ein und so versuchte sich Dean mal wieder darin, sich in sich zurückzuziehen und so vielleicht sogar schlafen zu können. Es dauerte eine Weile, aber er schaffte es endlich und schlief ein. Sam atmete erleichtert auf. Er holte die Sonnenbrille aus dem Handschuhfach und schob sie auf Deans Nase. Dabei kam er unweigerlich mit dessen Haut in Berührung. Irrte er sich? Dean fühlte sich ziemlich warm an! Hoffentlich war nichts mit den Wunden! Doch das würde er erst in ihrer Wohnung prüfen können. Oder sollte er ihnen ein Zimmer suchen und sich um Dean kümmern? Aber dann müssten sie den Rest der Strecke morgen oder übermorgen fahren. Er strich sich die Haare zurück. Letztendlich lief es darauf hinaus, Dean entweder jetzt oder später zu quälen. Außerdem wäre Dean nur quengelig, wenn er in einem Motel im Bett bleiben sollte. In Bloomington bestand zumindest die Chance Maddie um ein paar dieser tollen Tabletten für Dean zu bitten. Mit dieser Entscheidung fühlte sich Sam wohler, auch wenn er sah, dass es seinem Bruder immer schlechter zu gehen schien, je näher sie Bloomington kamen. „Willst du nicht lieber hinten sitzen?“, fragte Sam bei einem Tankstopp nach ungefähr der Hälfte der Strecke. „Geht schon“, erklärte Dean matt. „Na komm. Du musst hier nicht den harten Jäger mimen. Wir sind unter uns. Es wäre auch für dein Knie angenehmer.“ Dean nickte. Eigentlich hatte Sam ja Recht, er wollte sich nur nicht bewegen, weil er dann noch mehr fror. Er schnaufte kurz und rutschte dann an den Rand des Sitzes. Sofort griff Sam zu, half ihm hoch und bugsierte ihn zur hinteren Tür. Mit etwas Unterstützung rutschte Dean durch, so dass sein Bein komplett auf der Sitzbank ruhte. Er lehnte sich in die Ecke von Tür und Rückbank und war voll und ganz mit der Welt versöhnt, als Sam eine Decke um ihn legte. „Danke, Sammy“, sagte er leise, legte den Kopf auf die Kante der Rückenlehne und dämmerte wieder weg. Sam seufzte. Dean hatte definitiv Fieber. War das jetzt einfach nur die Belastung allgemein, oder lag es doch an den Wunden. Er legte seine Hand auf Deans Stirn. Nein, das Fieber war nicht so schlimm, dass er nicht weiterfahren konnte, auch wenn er sich lieber jetzt sofort darum kümmern würde. Zuhause konnte er es besser, also lenkte er den Impala wieder auf die Straße. Endlich überquerte Sam die Stadtgrenze von Bloomington. Er atmete erleichtert auf. Die Fahrt war anstrengend gewesen und es würden wohl noch ein oder zwei nicht weniger anstrengende Stunden werden, bis er sich wirklich ausruhen konnte. Aber egal. Jetzt, in diesem Augenblick, freute er sich Zuhause zu sein. Schon komisch, überlegte er. Aber dieses Wort hinterließ ein warmes Gefühl! Er setzte den Blinker und bog in ihr Wohngebiet ein. Den Kleinwagen, der ihn seit drei Straßen folgte, bemerkte er nicht. Madeleine wartete gerade an einer Ampel, als der unverkennbare schwarze Impala die Kreuzung überquerte. Spontan setzte sie den Blinker. Eigentlich wollte sie nach Hause, aber wenn Dean schon wieder da war, würde sie die Gelegenheit beim Schopf packen. Sie hatte die ganze Zeit über seine Worte nachgedacht. Sie konnte nicht glauben, wovon er da redete. Monster! Dämonen! Vampire! So etwas gab es nur in Filmen! Das waren Fantasien! Sie hatte das Internet durchsucht und nichts gefunden, das auf die Existenz dieser ... Dinger schließen ließ. Und trotzdem. Seine Worte klangen nicht wie die eines Spinners. Wenigstens einmal wollte sie noch mit ihm reden. Mit ihm und mit seinem Bruder. Vielleicht konnte Sam ja helfen. Sam parkte den Wagen vor ihrer Haustür. Er achtete nicht auf das Auto, das gleich neben ihm einparkte. Dean war jetzt alles, was für ihn zählte. Sein Bruder war bei Bewusstsein und ansprechbar und musste sofort versorgt werden. Ihm graute schon jetzt bei dem Gedanken ihm gleich wehtun zu müssen, doch anders würde es wohl nicht gehen, außer er brachte ihn in ein Krankenhaus. Doch das konnte er später, wenn er mit seinem Latein am Ende war und es Dean noch schlechter ging, auch noch. Erst wollte er versuchen ihm zu helfen. Er stieg aus, sprintete um das Auto und öffnete die Tür vorsichtig. Schnell schob er seine Hand in den Spalt als Dean drohte einfach aus dem Wagen zu kippen. Er schob seine Hände unter Deans Armen durch und zog ihn aus dem Wagen. Jemand stieg aus dem Auto neben ihnen. „Kannst du stehen?“, fragte Sam. Dean nickte und lehnte sich gegen den hinteren Kotflügel seines Babys. Er fror und schwitzte und irgendwie war ihm schwindelig. Mit einem erstickten Japsen verlor er das Gleichgewicht. Blitzschnell schob Sam seinem Bruder die Schulter in den Bauch und stemmte sich mit ihm hoch. Maddie stand vor ihnen. „Hey“, grüßte sie nur mit fragend zusammengezogenen Brauen. Sam nickte und versuchte ein Lächeln. Er zog Deans Bein ein Stück zur Seite. „In meiner Tasche sind die Schlüssel. Kannst du bitte...? Oben rechts, die erste Tür.“ Sie kramte die Schlüssel hervor, lief zur Haustür, dann die Treppe hoch und schloss die Wohnungstür auf. Deans Arme baumelten hinter Sams Rücken und schlugen gegen seine Hüften, während er ihn in die Wohnung und dort zur Theke trug. Vorsichtig legte er Dean darauf und begann ihn aus Jacke, Hemd und Shirt zu pellen. „Kann ich irgendwie helfen?“, wollte Maddie wissen. Sie fühlte sich gerade ziemlich unnütz und das, obwohl sie die Ärztin war. „Im Bad“, Sam deutete auf die Tür, „im Schrank, unterstes Fach, ist unser Verbandsmaterial.“ Er ließ Dean kurz los und holte den Whiskey aus dem Schrank. Die Flasche auf die Theke stellend schob er seinen Arm unter Deans Rücken durch und half ihm sich aufzusetzen. „Trink“, forderte Sam und hielt Dean die Flasche hin. Die Notärztin war starr vor Entsetzen. Das sollte doch jetzt nicht ...? Dean trank ein paar Schlucke. Er wollte die Flasche absetzen, doch Sam drängte sie ihm wieder auf. „Ich kann dich auch in ein Krankenhaus bringen.“ „Nein!“ Sam verdrehte die Augen. „Dann denk bitte dran, dass wir in einem Wohnhaus sind. Sag Bescheid, wenn du es nicht mehr aushältst.“ Gehorsam nickte Dean und nahm noch ein paar Schlucke. Er setzte die Flasche ab und schaute Sam fest in die Augen. „Wenn ich das hier nicht überlebe, wenn ich ...“, begann er langsam, aber ruhig. „Spürst du irgendwelche Veränderungen?“, unterbrach Sam ihn sofort und begann seinen Kiefer abzutasten. Dean schüttelte den Kopf. „Glaube nicht, dass das so lange dauern würde“, nuschelte er etwas undeutlich, da Sam noch immer über seiner Oberlippe herumdrückte. Nun nickte Sam, beendete seine Untersuchung aber trotzdem. Geduldig wartete Dean ab und begann noch einmal als Sam endlich von ihm abließ. „Wenn ich das nicht überlebe. Ich will ein Jägerbegräbnis! Verbrennen und dann verstreust du meine Asche in alle Winde. Vielleicht hilft Ruby ja, sie kriegt das ziemlich schnell hin, denke ich.“ „Ich werde es deinen Enkeln und Urenkeln ausrichten“, entgegnete Sam ernst. „Sam! Ich meine ...“ „Du warst schon schlimmer verletzt. Also lass mich meine Arbeit tun, dann kannst du ins Bett und wenn du brav bist auch bald wieder arbeiten.“ Dean trank noch ein paar Schlucke aus der Flasche, dann versuchte er sich zu entspannen. „Dann mach!“ Vorsichtig löste Sam den Verband an der Schulter. Deans Kiefer mahlten aufeinander. Seine Nasenflügel weiteten sich bei jedem stockenden Atemzug und als Sam den letzten Streifen Pflaster abzog, kippte er einfach nach vorn und wurde aufgefangen und gehalten. Zitternd atmete er gegen das Brennen. „Geht‘s wieder?“, fragte Sam sanft und schob ihn von sich. „Denke schon“, sagte er und griff nach der Flasche. „Kann ich weiter machen?“, wollte Sam wissen, kaum dass sein Bruder die Flasche abgesetzt hatte. Dean nickte und Sam löste den Verband um Deans Hüfte. Der Verbandsmull klebte an der Wunde. Sam atmete tief durch. „Langsam oder schnell?“ „Mach“, knurrte Dean und presste die Kiefer aufeinander. Sam nickte. Er legte seine Hand auf Deans Hinterkopf und drückte dessen Gesicht gegen seine Schulter. Er atmete tief ein, biss die Zähne zusammen und riss den Verband von der Wunde. Deans dumpfer, schmerzerfüllter Schrei drang nicht nur ihm bis ins Mark. „Was soll das? Du kannst ihm doch nicht ...“, fuhr Madeleine dazwischen, doch ihre Wut kam bei keinem der Brüder an. Sam konzentrierte sich voll und ganz auf seinen Bruder und der war einfach nur froh, dass der Schmerz langsam abebbte. Kapitel 115: Help ----------------- 115) Help Endlich löste sich Dean von Sams Schulter. „Kann ich mir die Wunden ansehen?“ Dean nahm noch einen tiefen Zug aus der Flasche und stellte sie weg. Viel war nicht mehr drin. Er richtete sich auf. Seine Finger umklammerten den Rand der Theke. Er atmete tief durch, nickte und Sam konnte sehen, wie er sich zu diesem einen Punkt in sich zurückzog, an dem ihn kaum noch etwas erreichen konnte. Maddie stand daneben und starrte fasziniert und entsetzt auf das was sich da vor ihren Augen abspielte, unfähig etwas zu unternehmen, unfähig überhaupt zu glauben, dass das da geschah, denn so wie Sam vorging und Dean reagierte, machten sie das nicht zum ersten Mal. „Okay“, nickte Sam und legte Dean seine Hand auf den Oberschenkel, doch der reagierte nicht mehr. Er atmete noch einmal durch und begann die Wundränder vorsichtig abzutasten. Die Wunde über der Hüfte blutete wieder, klar. Aber sie sah gut aus und blutete nicht so schlimm, dass er sie sofort verbinden musste, hoffte er doch das sie vielleicht von selbst aufhörte. Er tupfte das Blut vorsichtig ab und wandte sich der Bisswunde zu. Irritiert schaute er auf das, was er da sah. Was war das? Klumpte das Blut? Gerade als die Notärztin aus ihrer Erstarrung erwachte und aktiv in das Geschehen eingreifen und es beenden wollte, sprach Sam sie an. „Madeleine?“, fragte er und trat einen Schritt zur Seite. „Was sagst du, was ist das?“ Sie kam zu ihm und begann nun ebenfalls die Stelle zu untersuchen. „Das sieht komisch aus“, begann sie, „wie Klumpen geronnenen Blutes. Wie ist die Wunde entstanden? Ich meine, was hat ihn gebissen? War das giftig? Wann wurde er gebissen?“, sprudelte sie ihre Fragen hervor. „Es ist fast drei Tage her“, erklärte Sam „und ich glaube nicht, dass es wirklich giftig war.“ „Drei Tage?“ fragend schaute sie von Dean zu Sam und zurück. „Ihr habt die Wunde drei Tage ...?“ „Nein!“, fuhr Sam auf. „Er war bis heute Morgen im Krankenhaus, aber er ...“ „... hasst die Dinger“, nickte sie. „Ja und sie haben ihn versorgt und heute Morgen entlassen.“ Sam fuhr sich durch die Haare. Er könnte den Sud brauen, der Dean zurückverwandeln konnte und damit die Wunde spülen. Aber brachte das was? „Ich würde die Wunde gerne noch mal reinigen und wenn es morgen immer noch so aussieht, ...“ Sam ließ den Rest des Satzes offen. Das musste er mit ihr nicht besprechen. „Gut, tun wir das. Habt ihr ... natürlich habt ihr keine Salzlösung“, stellte sie eher für sich fest. „Wo ist das Salz und eine Schüssel wäre nicht schlecht.“ Er holte beides aus den Schränken, während sie bei Dean stehen blieb und sich wunderte, warum der weder reagierte, noch etwas dazu sagte. Sam stellte alles auf die Theke und kam wieder zu seinem Bruder. Maddie begann eine Lösung herzustellen. Er legte seine Hände an Deans Wangen. „Dean, hey. Dean!“ Langsam kehrte der Ältere in die Realität zurück. „Jah?“ „Bennys alter Mann scheint hartnäckiger zu sein, als erwartet. Die Bisswunde muss nochmal gereinigt werden.“ „Dann mach“, sagte Dean leise und spannte sich. „Ich denke, wir sollten ins Bad gehen. Das macht sich besser.“ Dean atmete durch und löste sich vom Tresen. Mit Sams Hilfe hoppelte er ins Bad. Hier entfernte Sam die Schiene, zog Dean die Hosen aus und half ihm in die Wanne. Er entledigte sich seiner Schuhe, Socken und Hosen und kletterte zu ihm. Inzwischen war Madeleine mit der Lösung fertig und gemeinsam spülten sie die Wunden. Sie fand es immer noch nicht richtig, einen Menschen so zu quälen, wenn es doch Krankenhäuser gab. Animositäten hin oder her. Darüber würde sie gleich noch einmal mit Sam reden! Dean gab immer wieder ein schmerzerfülltes Knurren von sich. Seine Zähne mahlten fest aufeinander und seine Atmung kam stoßweise. Für die Ärztin, aber auch für Sam war es fast zu viel ihn so leiden zu sehen. Immer wieder mussten sie schlucken. Endlich war die Schüssel leer und Maddie mit dem Aussehen der Wunden zufrieden. „Okay, danke“, krächzte Sam heiser. „Ich denke, ich schaff den Rest alleine.“ Sie nickte und verließ das Bad. Während Sam die Spuren ihrer Reinigungsaktion von Deans Körper wusch, schaute sie sich um. Viel mehr Privates, als ein paar Fotos gab es hier nicht. Sie trat vor den Schrank und betrachtete die blonde Frau mit den beiden Kindern. Vorsichtig half Sam seinem Bruder aus der Wanne und brachte ihn in sein Zimmer. Er verband die Wunden und zog ihm das Schlafshirt über. Dann endlich drückte er ihn sanft in die Waagerechte und deckte ihn zu. „Willst du noch was trinken oder essen?“, wollte Sam wissen. ‚Blöde Frage, jetzt wo er liegt!‘, ging es ihm durch den Kopf. Dean deutete ein Kopfschütteln an und schloss die Augen. Er war am Ende seiner Kräfte. Schnell war er eingeschlafen. Sam atmete durch und ging zurück in den Wohnraum. Madeleine stand noch immer vor den Fotos. „Das sind Mom, Dean und das Baby bin ich“, erklärte Sam leise. Er ging zur Kaffeemaschine. „Kaffee oder lieber sofort was stärkeres?“ „Ich hätte gerne was Stärkeres, wenn du noch hast“, sagte sie heiser und deutete auf den Schluck Whiskey. „Aber Kaffee wäre auch nicht schlecht.“ Noch einmal blickte sie zu den Fotos. „Sie war eine schöne Frau.“ „Ja“, entgegnete Sam nur und fütterte die Maschine mit Pulver. Eine Weile war nur das Röcheln der Kaffeemaschine zu hören und Sam, der Tassen, Gläser und eine neue Flasche Whiskey aus den Schränken holte. Er stellte alles auf den Couchtisch und holte dann die Kaffeekanne. Er goss die Gläser halbvoll und reichte eins an Maddy weiter. Schweigend tranken sie. „Was ist passiert? Wieso tust du Dean das hier an? Egal, ob er Krankenhäuser hasst oder nicht ... niemand muss so leiden!“ fragte sie mitfühlend und aufgebracht, nachdem der Whiskey aufgehört hatte in ihrer Kehle zu brennen. „Welche Wahrheit willst du hören?“ Die Medizinerin zog die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß, dass Dean dir von seinem, unserem Leben erzählt hat, bevor wir gefahren sind. Die Frage ist jetzt, was willst du glauben?“ „Was hat das denn damit zu tun? Ich meine, ich würde schon gerne die Wahrheit hören, aber er sagte ihr würdet Monster jagen. Sam! Das ist verrückt. Es gibt keine Monster.“ Sam nickte. „Eigentlich kommt es doch nur darauf an, was man als Monster bezeichnet, oder?“ „Was willst du damit sagen?“ „Naja, Monster sind böse. Sie richten Schaden an. Deine Viren und Keime könntest du auch als Monster bezeichnen.“ „Das ist verrückt. Dean hat fast dieselbe Argumentation gebraucht. Jetzt erkläre du mir nicht auch noch, dass es Geister und Vampire gibt!?“ Sam schaute sie traurig an. „Vor 150 Jahren gab es auch keine Viren.“ Er nahm einen Schluck Whiskey. „Es ist schwer das Ganze jemandem wirklich zu erklären, der nie damit zu tun hatte. Dean und ich, wir sind in dieser Welt aufgewachsen. Wir wurden nicht gefragt, ob wir das wollten. Glaub es oder nicht. Es gibt jede Menge Böses auf dieser Welt. Wenn du es nie gesehen hast, freue ich mich für dich und kann nur hoffen, dass du es nie sehen wirst. Mein Bruder und ich wissen es leider anders.“ „Sam! Ich hab das Internet durchforstet. Ich wollte Deans Behauptungen nicht einfach als Phantasien eines Irren abtun. Aber da ist nichts. Gar nichts. Außer Seiten von anderen Spinnern.“ Sam nickte. „Wenn ein Patient zu dir kommt, sagt er dir doch auch nicht: „Ich habe Krebs oder ich habe vereiterte Mandeln.“ Er sagt dir höchstens das er Bauchschmerzen hat, oder Halsschmerzen oder schlecht Luft bekommt. Genauso ist es bei uns. Da sind winzige Details. Menschen verschwinden, wachen irgendwo auf und wissen von nichts. Im Leichenschauhaus liegen Tote die aussehen als hätte ein Tier sie zerrissen. Jemand hat einen Menschen mit schwarzen Augen gesehen oder besser, er bildet sich ein bei jemanden plötzlich in schwarze Augen gesehen zu haben. Lauter solche Sachen. Für uns bedeuten sie etwas, so wie für dich Bauchschmerzen.“ Maddy starrte auf ihren Kaffee. Sie schüttelte den Kopf. Sam zuckte mit dem Schultern, er wusste sonst nichts zu sagen. Ein großer Teil ihres Lebens war genauso. „Das ... Ich meine Dean hat fast die gleichen Worte benutzt, aber trotzdem. Es ... es kann doch nicht sein, dass nur ihr davon wisst!“ „Es gibt nicht nur uns, Dean und mich. Es gibt mehr Jäger. Wir versuchen gerade ein Netzwerk aufzubauen, damit sie sich austauschen und jeder von den Erfahrungen der anderen profitieren kann. Das heißt, es gibt schon einige Jäger, die mit dem Netzwerk arbeiten.“ Sam klang ein wenig stolz. Die Notärztin atmete tief durch. Entweder waren beide schizophren oder sie hatten Recht. Und doch konnte es nicht sein. Es konnte einfach nicht sein! Das waren Gruselgeschichten! Allerdings erzählte die Bisswunde an Deans Schulter etwas anderes. Das war kein Tier. Aber auch kein menschlicher Biss. „Was war es, was Dean gebissen hat.“ Sie schaute Sam in die Augen. „Ein Vampir.“ „Vampir?“, zweifelte sie. „Die haben spitze Eckzähne. Das sieht eher wie der Biss eines Piranhas aus.“ „Echte Vampire sind nicht unbedingt das, was man aus dem Fernsehen kennt. Sie zerfallen nicht zu Staub. Ein Pflock ins Herz töten sie nicht. Sie meiden die Sonne, ja. Aber nicht, weil sie verbrennen würden und sie haben ein Piranhagebiss. Dass sie die Zähne einziehen können, stimmt allerdings.“ „Ich ...“ sie schüttelte den Kopf. „Darüber muss ich nachdenken.“ Sam nickte. Er goss sich noch einen Whiskey ein und schaute sie fragend an. Sie schüttelte den Kopf. „Ich wollte ins Krankenhaus fahren und schauen, was ich für ihn holen kann“, sagte sie leise und deutete zur Tür, hinter der Dean schlief. Sam nickte und ließ den Kopf hängen. Sie würde nicht wiederkommen. Er hatte es vergeigt. Egal. Jetzt war Dean wichtiger. Falls sie aber doch? Er nannte ihr den Namen des Medikaments, dass bei Dean so hervorragend wirkte. „Wenn du das kriegen könntest?“, meinte er noch. „Ich gucke mal, was ich tun kann.“ Sie ging zur Tür und war gleich darauf aus dem Leben der Brüder verschwunden. Sam seufzte. Er schaffte das Geschirr in die Küche und holte eine Packung Eis aus dem Kühlschrank. Mit zwei Löffeln ging er in Deans Zimmer. „Dean?“, fragte er leise. Wenn er schlief, wollte er ihn auf keinen Fall wecken. Der Ältere drehte den Kopf zur Tür und blinzelte Sam an. Sam zeigte ihm die Packung. Dean nickte und versuchte sich aufzusetzen. „Warte, ich helfe dir“, sagte Sam und kam zum Bett. Er stellte die Packung auf den Nachttisch und half Dean sich aufzusetzen. Er stopfte ihm die Kissen in den Rücken, setzte sich zu ihm und hielt ihm einen Löffel hin. Einvernehmlich schweigend leerten sie die Packung. Bald schon fielen Dean die Augen zu. Sam stand auf. Er brachte die Schüssel weg und holte einen Becher Tee, den er ihm in die Hand drückte. „Trink noch was.“ Dean nickte wieder und trank. Ein Lächeln kräuselte Sams Lippen. Er nahm den Becher an sich, als Dean ihn absetzte und half seinem Bruder sich wieder richtig hinzulegen. Schnell zog er die Decke noch etwas höher, dann ging er in den Wohnraum, um das Chaos zu beseitigen. Er brachte ihre Wäsche in den Keller und stellte eine Maschine an. Als er wieder nach oben gehen wollte, stand Madeleine vor der Haustür. Sam erschrak regelrecht. Langsam öffnete er die Tür. „Hey,“ sagte er leise und trat zur Seite. Gemeinsam gingen sie nach oben. Kapitel 116: Come back and stay ------------------------------- 116) Come back and stay „Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass du wieder kommst und wäre schon froh gewesen, wenn du uns nicht anzeigst oder einweisen lässt“, erklärte Sam leise. Madeleine musterte ihn stumm, bis sie endlich antwortete. „Ich habe auch eine Weile mit mir gerungen, ob ich wiederkommen soll und das hier unterstütze.“ Sie machte eine Geste, die die Wohnung umfasste. „Aber Dean braucht Hilfe und ich bin Ärztin. Ich ... Die Wunde an seiner Schulter spricht für euch, auch wenn ich das ... auch wenn ich mich eher dagegen wehre. Wie kann so etwas wirklich existieren und wie kann es sein, dass nur wenige Menschen davon wissen, und wie kann es Menschen geben, die diese Dinger jagen. Beruflich! Wie furchtbar muss so ein Leben sein?“ „Ich glaube nicht mal, dass es wirklich nur furchtbar ist. Zumindest für mich war es das nicht immer. Ich hatte Dean. Er hat versucht mir so lange wie möglich ein normales Leben zu bewahren, auch wenn ich das eher selten wirklich zu schätzen wusste. Ich war ein Kind. Er musste mit vier erwachsen werden, weil unser Erzeuger das Ding jagen wollte, das Mom getötet hatte. Er ist immer tiefer in diese Welt eingedrungen und hat letztendlich nicht mehr nur das Ding gejagt, sondern alles was es gab und ich vermute mit jedem Toten hat er Rache für Mom genommen. Ich hoffe es zumindest. Wir mussten mit ihm mit und hatten wohl nie wirklich eine Chance auf ein richtiges Leben. Dass was wir jetzt haben ... es war ein langer, harter Weg.“ „Aber wenn ihr doch jetzt normal lebt, wenn ihr doch eigentlich nichts mehr mit diesen ganzen ... Dingern, zu tun habt. Wieso wurde Dean dann ...?“, von einem Vampir gebissen wollte ihr einfach nicht über die Zunge kommen. „Ein Freund von Dean hatte Probleme. Wir sind hingefahren und haben uns darum gekümmert.“ „Ich dachte ihr wolltet zu einem Onkel?“ „Da waren wir auch, bis der Anruf kam und glaube mir, Dean war alles andere als begeistert, aber er kann sich nicht einfach verschließen und sagen, geht mich nichts mehr an. Das wäre nicht mehr Dean. Wenn Freunde Probleme haben, wird er immer eingreifen.“ Sie nickte. An und für sich war das ja ein toller Zug an ihm. Wenn sie ihm wirklich näher sein wollte, wenn sie sich wirklich weiter auf ihm einlassen wollte, würde sie lernen müssen, damit umzugehen, oder die Finger von ihm zu lassen. Noch hatte sie sich nicht entschieden. „Wie geht’s ihm?“, wandte sie sich wieder dem Offensichtlichen zu. „Er schläft.“ „Kannst du ihn wecken?“ „Muss das sein?“ „Besser wäre es, wahrscheinlich.“ Sam ging zu Dean und berührte ihn leicht am Arm. „Dean? Dean! Wach auf!“ Dean reagierte nur mit einem Grummeln. „DEAN.“ Sam wurde energischer. „Was....?“ Dean blinzelte. „Hey Dornröschen, dein Prinz ist hier.“ „Küss mich bloß nicht“, grummelte Dean, „will kein Frosch werden!“ Sam und Maddie grinsten breit. „Madeleine ist hier“, erklärte Sam. „Meds?“ Dean blickte sich suchend um. Seine Augen blieben auf sie gerichtet, als er sich auf den Rücken rollte. „Hallo Dean.“ Sie setzte sich neben ihn. Routiniert begann sie ihm einen Zugang zu legen und spritzte mehrere Mittel. Dean fühlte, wie etwas warm seine Ader entlanglief. „Was war das?“ „Antibiotika, Fiebersenker und Schmerzmittel.“ Sie zog eine weitere Spritze auf. „Und was wird das?“, fragte der Patient misstrauisch. „Das Schmerzmittel in deiner Vene wirkt schnell, aber es hält nicht lange an. Ich spritze dir jetzt das gleiche Mittel in den Muskel. Das braucht länger, bis es wirkt, hält dafür aber wesentlich länger an.“ Sie jagte die Spritze in Deans Oberschenkel. Dann drückte sie ihn wieder in die Kissen und strich ihm sanft über die stoppelige Wange. Sie beugte sich über ihn und gab ihm einen sanften Kuss. „Jetzt schlaf dich gesund. Ich bleibe hier!“ Sie packte ihre Ausrüstung wieder in die Tasche. Dean nickte und schloss die Augen. Sam lächelte und als sie ihm eine Packung der Hammertabletten gab, hätte er sie am liebsten geknutscht. „Danke“, sagte er. Sie ging ins Bad und als sie wieder in den Wohnraum kam, setzte sie sich auf die Couch. Sie deutete auf die Flasche. „Wenn du noch einen hättest? Und dann würde ich gerne die ganze Wahrheit hören, okay!“ Sie schaute Sam erwartungsvoll an, als er beladen mit Sandwichs und Tee zur Couch kam. „Du willst das wirklich hören? Alles?“ Er schüttelte den Kopf. Das wollte keiner freiwillig hören. „Ich will. Ich will wissen, worauf ich mich einlasse, oder auch nicht. Ich werde euch nicht einweisen lassen und ich werde es niemandem erzählen, aber ich will es wissen“, sagte sie kurzentschlossen und fragte sich gleichzeitig, ob sie das wirklich wollte. Aber sie musste es wissen. Sie musste die Möglichkeit haben zu entscheiden, ob das Spinnereien waren oder wirklich die Wahrheit sein konnte. Sam atmete durch. „Ich werde dir ein bisschen was aus unserem Leben erzählen, ein paar urbane Legenden erklären. Aber wenn ich dir unser ganzes Leben erzählen soll“, er schüttelte den Kopf. „Das wäre einfach zu viel, nicht nur für dich!“ Sie blickte Sam verwirrt an, doch er machte keine Anstalten das weiter zu erklären. Letztendlich nickte sie. Gähnend rieb sich Maddie die Augen. Inzwischen war es weit nach Mitternacht und sie wusste noch immer nicht, ob sie die Brüder bewundern oder bedauern sollte, das alles überstanden zu haben. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie Sam wirklich glauben wollte. Er hatte ihr von Geistern, Vampiren, Werwölfen und Wendigos erzählt und er hatte Dämonen erwähnt. Das alles klang so logisch. Aber waren nicht alle Menschen mit Wahnvorstellungen davon überzeugt, dass es genau so war, und versuchten sie nicht alle ihre Sicht der Welt genau so darzustellen und weiterzugeben? Trotzdem sprach Sams Art zu berichten für ihn, eben weil er nur berichtete und nicht versuchte sie zu überzeugen oder die Geschichten ausschmückte. Sam berichtete nur. Auch die Wunde an Deans Schulter sprach dafür, dass zumindest ein Teil der Erzählung wahr sein konnte? Wenn die Beiden nicht am Amazonas gewesen waren und Dean von EINEM Piranha angefallen worden war, der zudem auch noch riesig gewesen sein müsste, musste etwas da draußen geben, dass einem Vampir, wie Sam ihn beschrieb, entsprach. Sie gähnte wieder. „Willst du dich hinlegen? Du kannst mein Bett nehmen“, sagte Sam. „Ich habe es gerade frisch bezogen.“ „Und du?“ „Wäre nicht die erste Nacht, die ich auf einer Couch verbringe.“ Sie nickte und stand auf. „Aber warum hat euer Vater euch das angetan. Ich meine, er muss doch auch darunter gelitten haben, seine Söhne so selten zu sehen?“, musste sie noch fragen. „Das wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Es hätte Möglichkeiten gegeben uns unterzubringen und uns trotzdem zu Jägern zu machen und uns zu sehen. Bobby, Pastor Jim oder auch Ellen. Wir hätten ein Zuhause gehabt und er seine Freiheit, aber nein, wir musste mit.“ Er schüttelte nur den Kopf. „Und ihr? Wir habt ihr das empfunden?“ „Ich habe es gehasst. Eigentlich immer und auch den ganzen Rest. Dean war mein Held, als ich Kind war. Als Teenager habe ich ihm das Leben so schwer wie möglich gemacht, immerhin stand er nur auf Johns Seite!“ Sam verzog das Gesicht. „Heute tut es mir leid. Er hat sich zerrissen, um Johns Befehle und meinen Willen irgendwie unter einen Hut zu bringen. Er hat ihn vergöttert, hat versucht seine Befehle buchstabengetreu zu erfüllen und war in Johns Augen nie genug.“ Sein Blick wanderte zu der Tür, hinter der Dean schlief. „In den letzten Jahren gab es so einige Vorfälle, die sein Vertrauen in den Mann erschüttert und letztendlich zerstört haben. Heute erkennt er ihn lediglich noch als Erzeuger an. Aber ich denke, dass solltest du mit ihm selbst besprechen.“ Er schaute ihr in die Augen. „Eine Bitte habe ich“, begann er und schaute ihr in die Augen. Erst als sie nickte, fuhr er fort: „Überlege dir, ob du es mit ihm, mit uns und unserer Vergangenheit aushalten kannst und willst. Dean ist ein Familienmensch, auch wenn er das vielleicht leugnen würde. Wenn du ihm jetzt Avancen machst und ihn dann fallen lässt, ich denke, das würde ihn zurück in unser altes Leben treiben können und das würde er nicht überleben. Bitte, denk drüber nach, ja?“ „Ich ...“ „Du musst nichts sagen.“ Sam räumte ihre Gläser und Flaschen weg. „Im Schrank im Bad müsste sogar eine frische Zahnbürste sein.“ Die Ärztin nickte und ging ins Bad. Sie war müde, ja, aber sie wusste nicht mal, ob sie nach all den Informationen schlafen konnte. Sam holte sich in der Zwischenzeit Kissen und Decke in den Wohnraum und richtete sich auf der Couch ein. Bevor er sich jedoch hinlegte, schaute er noch einmal nach seinem Bruder. Dean schlief ziemlich ruhig. Nach viel zu wenigen Stunden unruhigem hin und her Wälzens im Bett kam Madeleine am Morgen in den Wohnraum. Sam blinzelte ihr entgegen. „Ich wollte dich nicht wecken“, sagte sie leise. „Hast du nicht wirklich.“ Er stand auf und ging zu Dean, der noch schlief, wenn auch viel unruhiger als am Abend. Er holte ihm eine der Hammertabletten und ein Glas Wasser. „Dean, hey“ Sam legte seine Hand auf Deans Arm und wartete. Endlich blinzelte der Ältere. „Hey“, krächzte der und schluckte. „Wie geht’s dir?“, wollte Sam wissen. Dean schnaufte. „Geht.“ „Du hast Fieber“, sagte Sam und Dean nickte. „Kann ich mir die Schulter noch mal anschauen?“, klinkte sich die Medizinerin jetzt in diese Unterhaltung ein. Wieder nickte Dean. Er schob die Decke weg und stemmte sich in die Höhe. Langsam tappte er in den Wohnraum und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Er zitterte und schwitzte und fühlte sich allgemein ziemlich elend. Vielleicht, aber nur vielleicht würde es ihm im Krankenhaus jetzt besser gehen. Aber die wollten ihn ja loswerden und dann hätte er in den nächsten Tagen die Fahrt hierher machen müssen und außerdem konnte er sich hier viel besser erholen! Madeleine half ihm das Shirt auszuziehen und löste dann die Verbände. „Es sieht besser aus, aber ich denke, wir sollten die Wunde noch mal reinigen. Tut mir leid Dean!“ Der Winchester schluckte und versuchte tief durchzuatmen. Er schluckte noch mal. Hoffentlich ging das gut. Er stemmte sich in die Höhe und ging ins Bad. „Dann macht!“, sagte er nur und ließ sich auf dem Rand der Wanne nieder. Seine Hände umklammerten den Wannenrand und er war Sam wirklich dankbar, dass der sich neben ihn stellte und ihn sicherte. Endlich legte die Ärztin die große Spritze in die Schüssel. Sie hatte die Wunde noch einmal mit einer leichten Salzlösung gespült und stumm Deans Willen bewundert. Wie konnte man das so nur aushalten? „Dean?“, fragte Sam leise und beugte sich nach vorn, als der nicht reagierte. Der hatte während der ganzen Aktion kaum einen Ton von sich gegeben. Nur der angespannte Kiefer zeugte von den Schmerzen, die er haben musste. Sam atmete tief durch und schluckte den Klumpen, der seine Kehle zuschnürte. Er nahm einen Waschlappen und begann Deans Oberkörper von den Spuren dieser Folteraktion zu befreien. „Ich kann mich immer noch alleine waschen!“, krächzte Dean leise, als Sam ihm über die Brust fuhr. „Ich weiß“, lächelte Sam und machte einfach weiter. Dean ließ es geschehen. Endlich war die Wunde wieder mit Mull abgedeckt. Dean zitterte immer mehr und es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass Sam gerade etwas gesagt hatte. „Jah?“, fragte er leise und machte Anstalten aufzustehen. „Hast du Hunger?“ „Nein, ich will mich nur hinlegen.“ „Okay“, Sam nickte und führte Dean zu seinem Bett. „Versuchst du noch einen Augenblick wach zu bleiben? Ich möchte, dass du was trinkst, und außerdem habe ich deine Lieblingstabletten. Damit kannst du den Tag verschlafen.“ Dean nickte und Sam stürmte regelrecht los. Schnell kam er wieder und half Dean, das Glas zu leeren. Dann gab er ihm die Tablette und ein zweites Glas. Als auch das geleert war, ließ sich Dean in die Kissen sinken. Erleichterung legte sich auf seine Züge. „Ich stelle dir eine Flasche Wasser ans Bett. Wenn Du wach bist, versuch viel zu trinken, ja?“ Dean nickte. Sein Blick glitt von Sam zu der Frau an seinem Bett. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, dann schloss er die Augen und war Sekunden später eingeschlafen. Jetzt atmete auch Sam durch. Maddie schaute auf die Uhr. „Ich muss los. Ich habe Spätschicht. Danach komme ich noch mal her, okay?“ „Danke!“, sagte Sam und brachte sie zur Tür. Kapitel 117: Love is in the air ------------------------------- 117) Love is in the air Müde ließ sich Sam auf die Couch fallen. Er wusste nicht, ob er jetzt das Richtige getan hatte. Vertraute Madeleine ihm? Vielleicht kam sie ja nie wieder und hatte mit der Spätschicht einfach nur einen eleganten Abgang gesucht? Aber den hätte sie auch in der Nacht haben können? Sie hätte nicht einmal wiederkommen müssen, gestern. Er fuhr sich durch die Haare. Solange sie ihn und Dean nicht anzeigte, sollte ihm fast alles Recht sein. Seine Gedanken wanderten zu Amita. Sollte er ihr auch von ihrem Leben erzählen. Musste er? Wollte er sich das antun? Nein! Entschied er. Er würde ihr nichts erzählen, nicht solange sie nicht fragte, oder anderweitig etwas von ihrer Vergangenheit mitbekam. Jess hatte er auch nichts erzählt und inzwischen war er sich auch klar geworden, dass es sie nicht gerettet hätte, hätte sie von seinem Leben gewusst. Außer natürlich, sie hätte sich von ihm getrennt. Und nein. Es mochte egoistisch sein, aber er wollte Amita nicht verlieren. ‚Okay, genug lamentiert!‘, rief er sich zur Ordnung. Er strich sich die Haare zurück, setzte Kaffee auf und ging duschen. Er zog sein Bett noch einmal ab und brachte alles nach unten, um es zu waschen. Dann fuhr er einkaufen und machte sich im Haushalt nützlich. Am Abend kam Madeleine vorbei, genauso wie an dem folgenden Abend und jedes Mal brachte sie Essen mit. Gemeinsam kontrollierten sie Deans Wunden, die mit jedem vergangenen Tag besser aussahen. Sie brachten Dean dazu, etwas zu essen und gaben ihm eine weitere Tablette. Sam aß mit ihr und sie unterhielten sich über alles Mögliche, bevor sie nach Hause fuhr. Zwei Tage ging das so, dann fühlte sich Dean zumindest so gut, dass er sich weigerte, eine weitere Tablette zu nehmen, um noch einen Tag im Bett zu verbringen. Er zog sich Jeans und Shirt an und einen Pullover darüber und kochte Kaffee. Mit der Kanne, einigen Schokoriegeln und einem Buch richtete er sich auf der Couch ein. Sam setzte sich zu ihm. Er recherchierte im Internet und schrieb seinen Bericht über das Praktikum. Im Fernsehen lief eine Dokumentation. „Ich fahre einkaufen. Mal sehen, ob meine Bücher endlich da sind. Außerdem haben wir kaum noch was Essbares im Haus. Soll ich was mitbringen?“, fragte Sam am frühen Nachmittag und griff nach den Autoschlüsseln. „Chinesisch?“, fragte Dean, der noch keine Lust verspürte zu kochen. „Keine Ahnung“, fügte er hinzu. „Willst du kochen?“ „Nicht unbedingt“, entgegnete Sam. „Also Chinesisch.“ Er nahm seine Jacke und verließ die Wohnung. Dean nickte, angelte nach der Fernbedienung und verzog das Gesicht. Diese Bewegung war noch nichts für seine Schulter! Er schaltete durch die Programme und blieb bei einem Sender hängen, auf dem Menschen Häuser einrichteten und Gärten verschönerten. Es wurden Pools gebaut und Grillplätze angelegt, Zimmer renoviert und Häuser erweitert. Er holte sich Stift und Block und begann sich Notizen zu machen und hin und wieder auch ein Foto. Das Buch lag vergessen auf seinen Knien. Sam öffnete die Wohnungstür. „Ich habe Besuch mitgebracht“, sagte er, während er, mit Tüten beladen, hereinkam. Ihm folgten Madeleine mit den Styroporverpackungen und Amita mit einer weiteren Tüte und Papierrollen. „Hey“, grüßte Dean und seine Augen begannen zu leuchten. „Wer kommt denn noch alles?“ Er stemmte sich in die Höhe und begann, leise ächzend, den Tisch und die Couch frei zu räumen. „Warum?“ „Bei den ganzen Tüten?“ „Keine Angst“, lachte Sam, „in zwei Tüten ist Schulzeug. Bücher, Blöcke.“ „Da bin ich ja beruhigt“, erklärte Dean. Madeleine stellte die Packungen auf den Tisch und ging Besteck und Teller zu holen. Dean holte Bier aus dem Kühlschrank. Sie trafen neben der Theke aufeinander und Dean stahl sich einen Kuss. „Schön dich zu sehen“, sagte er ernst. „Schön dich wieder auf den Beinen zu sehen“, erwiderte sie und küsste ihn noch einmal. Amita lächelte breit und legte die Papierrollen beiseite. „Was ist das?“, wollte Dean wissen. „Gartenpläne“, antwortete sie und versuchte sich ihre Aufregung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, „aber lass uns die nachher besprechen.“ „Okay“, nickte Dean. „Was guckst du da eigentlich“, wollte Sam wissen. Sein Blick war gerade auf den Fernseher gefallen, auf den ein Paar ein Haus in den Bergen suchte. „Da lief vorhin eine Sendung, in der ein Landschaftspool gebaut wurde und davor richtete eine Frau ein Haus ein und legte einen Garten an.“ Dean war versucht mit den Schultern zu zucken, unterließ es jedoch nach dem ersten zaghaften Heben. „Bin hängen geblieben.“ Er grinste entschuldigend. „Ich mache dir keinen Vorwurf“, wehrte Sam sofort ab, „es ist nur untypisch für dich und ich wusste nicht mal, dass es so einen Sender gibt.“ „Ich auch nicht. Bin beim Durchschalten drauf gestoßen.“ „Es scheint auf jeden Fall interessant gewesen zu sein“, stellte Sam fest. „Lass uns nachher drüber reden. Ein paar Ideen gab es.“ Sie setzten sich und begannen zu essen. „Zeigst du uns deine Ideen?“, fragte Dean, nachdem sie gegessen und ihren Wohnraum wieder vorzeigbar hergerichtet hatten. Sofort strahlte Amita, sie nickte und holte die Rolle. Dean grinste Sam breit an. Sie hatten beide gesehen, wie sehr ihr das unter den Nägeln brannte. Sie rollte die Pläne auseinander und Sam, Dean und Madeleine stellte ihre Bierflaschen auf die Ecken. „Ich habe versucht ein paar Bereiche zu schaffen. Eine Nische, erstmal, die nicht von überall einsehbar ist. Einen Grillplatz, klar.“ Sie deutete auf einen Platz neben der großen Linde. „Den Nutzgarten mit drei Hochbeeten, fürs Erste. Ein Gewächshaus und Obstbäume.“ Sie umkreiste einen Bereich rechts vor dem Haus. „Ich würde gerne einige Baumgruppen platzieren. Blühende Sträucher und Blumen, damit es nicht nur nach Haus auf einer grünen Wiese aussieht. Ein paar Bienenvölker wären toll und vielleicht Bäume neben den Weg, dass der mal zu einer Allee wird.“ Dean legte den Kopf schief. So richtig konnte er sich das alles nicht vorstellen, aber es klang gut. Er schaute zu Sam. „Reicht dir die Größe vom Nutzgarten?“ „Zum Anfang? Auf jeden Fall.“ „An was für Bäume oder Sträucher hast du gedacht?“, wollte Dean jetzt wissen. Er kannte Sträucher. Die standen einem ständig im Weg rum, wenn man sich schnell durch einen Wald bewegen musste und Bäume? Damit konnte man Feuer machen. Darauf konnten sich Wendigos bewegen. Im Sommer hatten die Blätter und im Winter nicht. Und an einigen hingen Weihnachten Kugeln. Sonst hatte er sich damit noch nie befasst. Amita holte ein Buch aus ihrer Tasche, dass mit unzähligen gelben Klebezetteln versehen war. Sie legte es auf den Tisch, schlug es auf und deutete auf einen Baum. „Die Linde hier, zum Beispiel. Aber auch“, sie blätterte ein paar Seiten weiter, „Buchen, Ahorn, Eichen oder Amberbäume.“ Dean musterte sie kurz. Er drehte das Buch so, dass Sam bequem mit schauen konnte und begann zu blättern. „Der gefällt mir“, sagte Dean und deutete auf einen dunkelroten Baum.“ Er blätterte weiter. „Und der.“ Wieder blätterte er weiter. „Und die mag ich.“ Amita nickte. „Blutbuche, Linde und Birken. Also die Birken wachsen überall und schnell. Da müsst ihr keine kaufen. Die finden wir bestimmt auch auf eurem Grundstück.“ Sam hatte sich die Bäume auch angeschaut. „Sehen gut aus“, sagte er und schlug das Buch zu. „Können wir das behalten oder müssen wir das heute aussuchen?“ „Nein, macht das in aller Ruhe. Habt ihr schon Ideen für den Pool?“ „Wir wollen den gleichen Poolbauer nehmen, der auch das Schwimmbad im Haus gemacht hat ...“ begann Dean. „Wenn uns der Pool gefällt, heißt das.“ „Ihr habt den noch nicht gesehen?“, Amita schaute sie verwundert an. „Nein. Wir wollen morgen oder übermorgen hin. Mal sehen, wann Karan Zeit hat. Wir müssen mit ihm besprechen, wie es weitergehen soll.“ Amita lächelte. „Ruf ihn einfach an. Für euch lässt der alles stehen und liegen.“ „Sind wir so schlimm?“ „Um Gottes Willen, nein“, lachend hob sie beide Hände. „Ungewohnt vielleicht. Aber nein. Es ist interessant, ein großer Auftrag und ihr zahlt pünktlich!“ Die Brüder wechselten einen Blick. Der Kobold schien sein Wort zu halten. Blieb nur abzuwarten, ob er auch weiterzahlte, ob die Fortschritte am Haus ausreichten. Aber noch hatten sie drei Monate. „Danke“ Dean schenkte ihr ein breites Lächeln und nahm sich sein Bier. Der Plan rollte sich zusammen. Er ließ sich auf das Sofa fallen und versuchte sich vorsichtig zu strecken. Seine Schulter schmerzten wieder stärker. „Lässt du den Plan hier? Dann können Sam und ich in Ruhe überlegen, was wir wollen, ja?“ Er schaute von Amtita zu Sam. Beide nickten. „Und wenn der Garten Sam so gefällt, könntest du damit anfangen, wenn das dieses Jahr noch geht.“ Jetzt suchte er den Blick seines Bruders. „Ich denke, ja. Wenn du hier klarkommst, könnte ich morgen mit Amita schon mal den Platz aussuchen und vielleicht auch anfangen. Ab nächster Woche sitze ich wieder im Vorlesungssaal, da wird nebenbei nicht mehr so viel werden. Und ich hätte noch etwas mehr Zeit mit ihr, jetzt wo wir wegen deines Unfalls früher zurück sind.“ Er wandte sich an seine Freundin und küsste sie sanft. Dean verzog kurz das Gesicht. Sein Unfall? Aber klar, irgendwie war es sein Unfall solange sam Amita nichts von ihrem früheren Leben erzählte. „Tut das. Ich komme klar“, sagte er und schaute zu Madeleine, die die ganze Zeit mehr oder weniger mit offenem Mund zugehört und nicht viel verstanden hatte. Vorsichtig klopfte er auf den Platz neben sich. „Kommst du her?“ Sie ließ sich neben ihm nieder, lehnte sich leicht gegen ihn und musterte die Rolle auf dem Tisch. „Ihr habt ein Haus?“, wollte sie jetzt neugierig wissen. Wohl eher ein Anwesen, wenn sie den Plan da richtig verstanden hatte. „Haben wir. Und ich kann es dir demnächst gerne mal zeigen, wenn du das willst. Wir gehen damit nur nicht hausieren. Muss ja nicht jeder wissen“, sagte er und versuchte ein entschuldigendes Grinsen. „Du wirst immer interessanter“, neckte sie ihn. „Na nett. Jetzt wo ich Haus, Boot und Mühle habe, bin ich interessant.“ „Haus? Ja. Aber Boot und Mühle?“, hakte Sam jetzt nach. „So ein kleines Boot für die Badewanne und eine Kaffeemühle“, grinste der ältere Winchester. „Hast du aber nicht.“ „Kann ich aber schnell besorgen!“ Er schaute zu Madeleine und nahm das Gespräch mit ihr wieder auf. „Also jetzt bin ich interessant?“ „Interessanter“, betonte sie. „Davor warst du heiß, niedlich, unmöglich, mysteriös, komisch, lustig ...“ sie hielt ihm den Mund zu, als er auffahren wollte, „und sehr anziehend, romantisch, liebenswert.“ Sie küsste ihn sanft, um ihm keine Schmerzen zu bereiten. „Bin nicht niedlich!“, grummelte Dean und Sam musste lachen. Wie viele hatten Dean jetzt schon als niedlich bezeichnet. Irgendwas musste dann ja wohl dran sein. Doch er sagte lieber nichts. „Auf einige Adjektive würde ich verzichten“, erklärte Amita und schaute Sam in die Augen, „aber das meiste kann ich auch unterschreiben.“ Die Brüder tauschten einen Blick, einen der Freude, Liebe, Unglauben und Stolz enthielt. Sie hatten es wohl wirklich geschafft! Jetzt hieß es leben und lieben und dafür kämpfen, dass alles zu erhalten und zu behalten. Gemeinsam genossen sie den Abend. Sie unterhielten sich über alles Mögliche. Im Fernsehen lief immer noch dieser Sender, dem sie hin und wieder einen Blick schenkten. Schon bald fielen Dean allerdings immer wieder die Augen zu und er verabschiedete sich in sein Bett. Madeleine kontrollierte noch einmal seine Wunden, dann verabschiedete auch sie sich und auch Amita machte sich auf den Weg, nicht jedoch ohne sich für den nächsten Tag mit Sam zu verabreden. Sie wollten die Einzelheiten des Gartens besprechen. Kapitel 118: Our House ---------------------- 118) Our House Zwei Tage später trafen sich Dean und Madeleine in der kleinen Bäckerei. „Wie geht es dir?“, fragte sie ihn und deutete kurz auf seine Schulter. Der Verband schaute unter dem Shirt hervor. „Es tut noch weh, aber es wird besser. In drei Tagen werde ich auf jeden Fall wieder arbeiten gehen.“ „Bist du dir da sicher?“ „Bin ich!“ Sie verdrehte die Augen. Doch er war erwachsen und musste es selbst wissen. Immerhin hatte er die Behandlungen auch ertragen und sie war sich bis dahin sicher gewesen, dass das niemand so durchstehen konnte. Er hatte sie eines Besseren belehrt und sie fragte sich schon seit Tagen, was ein Mensch erlebt haben musste, um so etwas wegstecken zu können. Seine und Sams Erklärungen zu ihrer Vergangenheit wurden dadurch nur glaubwürdiger. Leider! Sie suchten sich einen Tisch, setzten sich und bestellten Kaffee und Kuchen und Dean begann damit, den Zuckerstreuer hin und her zu schieben, wie immer, wenn ihm etwas auf der Seele brannte und er noch nicht wusste, wie er es sagen sollte. Madeleine wartete ruhig ab. Sie kannte diese Marotte noch nicht, sonst hätte sie ihn wohl eher darauf angesprochen. Endlich stellte er den Zuckerstreuer ab und zog seine Hände näher zu sich. Er lächelte sie verlegen an. „Dass du heute hier bist ... dass wir gleich zum Haus fahren ... Heißt das, dass du bleibst? Heißt das, dass du mich trotz meines Vorlebens nicht sitzen lässt? Heißt das, dass du mir glaubst?“, fragte er endlich. „Glauben? Ich weiß es nicht. Wenn du damit leben kannst, dass ich zweifle ... Die Wunde an deiner Schulter dürfte es so nicht geben. Der Biss passt nicht und es muss etwas im Speichel gewesen sein, dass dein Blut verklumpen ließ. Ich denke, ich müsste es sehen, um wirklich glauben zu können.“ Sie schaute ihm in die Augen. „Aber ich weiß nicht, ob ich es wirklich sehen will.“ „Damit kann ich leben“, nickte Dean. Er schaute ihr in die Augen. „Glaube mir, wenn ich sage, es ist mir lieber, du zweifelst, als dass du weißt. Ich will nicht, dass du jemals etwas davon siehst. Ich will dich nicht in diese Welt ziehen und hoffe deshalb, du zweifelst ein Leben lang!“ Madeleine nickte. Das klang ganz vernünftig und logisch. „Ob das mit uns für immer ist, weiß ich nicht, aber ich mag dich. Sehr sogar und ich würde dich gerne besser kennen lernen und dann sehen wir einfach, wohin uns das führt. Kannst du damit leben?“ „Ich denke schon“, nickte Dean. Er legte den Kopf schief und musterte sie mit einem leichten Grinsen. „War das jetzt eine Liebeserklärung?“ Madeleine überlegte und Ava, die Inhaberin der Bäckerei, verschaffte ihr eine weitere kleine Pause, indem sie Kuchen und Kaffee auf den Tisch stellte. „Irgendwie schon“, beantwortete sie die Frage etwas verspätet. Deans Wangen bekamen einen rosa Schimmer. Er strahlte sie breit an. Eine Stunde später waren sie unterwegs. Madeleine schaute sich interessiert um. Sie fuhren durch ein Waldstück, als Dean plötzlich den Blinker setzte und in einen Weg einbog, den Madeleine trotz der rotweißen Markierung an den Bäumen übersehen hätte. Wo ging es hier nur hin? Hatten die Brüder ein Häuschen im Wald? Die Pläne sahen nicht so aus, aber solche Pläne konnten größer oder kleiner wirken. Die Bäume hörten auf. Dean lenkte den Impala den geschwungenen Weg entlang zum Haus und Madeleine schnappte japsend nach Luft. Dean grinste in sich hinein. „Oh, wow!“, entfuhr es ihr, als Dean den Wagen vor dem Portal abstellte. Er nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und die beiden Becher mit Kaffee von der Rückbank. „Ähm. Jah! Das ist euer HAUS?“, fragte sie und starrte diese halb Ruine, halb Villa, diesen Kasten an. „Das ist unser Haus“, nickte Sam und in seiner Stimme schwang Stolz mit. Er hatte mit Amita an den Hochbeeten gebaut und war, als er den Impala gesehen hatte, zu ihnen gekommen. Lächelnd nahmen Amita und Sam die Kaffeebecher entgegen. „Es ist immer noch ziemlich beängstigend mit den zugenagelten Fenstern und es ist auch noch nicht viel fertig“, Sam grinste Dean an, „eigentlich nichts, aber da mein Bruder bis jetzt eher abgebrochen hat, werden wir in den nächsten Wochen wohl schnell vorankommen und zumindest einige Räume fertig machen können, damit wir umziehen können.“ „Ihr wollt hier einziehen? Das ist kein Haus, das ist eine Ruine!“, fragte Madeleine ungläubig. „Ach komm, rechts und links neben der Haustür gibt es schon Fenster, genau wie hinten links!“, sagte Sam grinsend. „Und die haben sogar Fensterläden, die man wirklich schließen kann.“ „Wow, Fenster und Fensterläden. Wie kommt ihr überhaupt rein?“ „Tiefgarage.“ Sam deutete nach links und ging, gefolgt von Amita voraus. „Da müssen noch neue Tore rein“, erklärte Sam und Dean nickte. Das hatte er auch auf dem imaginären Zettel, allerdings ziemlich weit hinten stehen. Solange sie hier immer noch mit Material und Maschinen rein und raus fuhren, reichten die alten Tore. Im Keller wollte der ältere Winchester natürlich sofort zum Pool, doch Sam deutete auf die Treppe. „Lasst uns oben anfangen“, schlug er vor. Amita grinste. Sie wusste, was ihr Freund bezweckte. Madeleine nickte nichtsahnend. Dean verdrehte die Augen und schnaufte. Ergeben trottete er die Treppe nach oben. „Vorsicht in der Eingangshalle. Karan hat die Schlitze für die Heizung gestemmt. Es liegen nur Holzplatten drüber“, warnte Sam, bevor er die letzte Stufe nahm. Er begann die Runde auf der rechten Seite. „Hier ist bis auf den Abriss noch nicht viel passiert. Deshalb müssen meine Erklärungen reichen. Also: Hier soll die Bibliothek entstehen. Viele Bücher haben wir zwar noch nicht, aber das kann sich ja ändern.“ Er lächelte und dachte an den Schatz, den sie in dem geheimen Keller gefunden hatten, und der jetzt in seinem Schrank ruhte. Er ging in den großen Raum. „Was das mal werden soll, haben wir noch nicht endgültig entschieden.“ Er schaute zu seinem Bruder. „Ich könnte mir eine Bar vorstellen. Fernseher zum Football gucken, Pooltisch, Tischkicker. Sowas in der Art?“, er zuckte mit den Schultern. „Mal sehen, was es letztendlich wird.“ Sam nickte und ging weiter. „Das hier soll ein Fitnessraum werden und hier hinten eine Art Spa.“ „Da habt ihr euch echt viel vorgenommen“, sagte Madeleine. „Und das soll in ein paar Wochen fertig sein?“ „Nein. Die Seite ist nicht so wichtig. Uns reichen Küche und Schlafzimmer und ein Bad natürlich“, erwiderte Dean. „Und wovon bezahlt ihr das? Ich meine Sam studiert und du bist Feuerwehrmann. Wenn ich mich nicht irre, wird das auch nicht so fürstlich bezahlt.“ „Wir haben das Haus geerbt“, sagte Sam „Und es gibt eine Stiftung für dessen Erhalt.“ „Okay“, nickte Madeleine. Diese Information sagte ihr jetzt nicht wirklich viel. Immerhin schien wohl Geld da zu sein. Sam führte sie wieder ins Foyer und dann übernahm Dean. Er ging in das Zimmer hinten rechts. „Das soll das Esszimmer werden. Da hinten geht es in das, was wir erstmal Kaminzimmer nennen.“ Er führte die Frauen in den Raum. „Der Kamin bleibt. Sonst haben wir noch keine richtige Vorstellung, wie wir den einrichten wollen. Aber es gibt Fenster!“ Er grinste, verließ den Raum und ging durch die mittlere Tür des Esszimmers. Hier wird die Küche sein. Die Schränke wollen wir in den nächsten Tagen aussuchen. Danach wissen wir hoffentlich auch, wie der Rest aussehen soll.“ Er ging weiter. „Das hier wird die Frühstücksecke werden und hier ein Wintergarten.“ Dean ließ den Lichtkegel der Taschenlampe durch den Raum wandern. „Mit den Brettern ist das aber nicht wirklich gemütlich?“, stellte Madeleine lachend fest. „Echt nicht? Ich dachte das lassen wir hier so!“ Dean schaute mit großen Augen zu seinem Bruder, der auch sofort nickte. „Mist“, sagte Sam und versuchte ernst zu bleiben. Madeleine stand noch immer staunend in dem großen Raum. „Das ganze hier ist riesig und so trostlos, wie es von außen vermuten lässt.“ Dean nickte und musterte die kahlen Wände. „Wie eine riesige Höhle, in der man sich auch noch verlaufen kann“, sagte Amita, die die Räume so zwar schon kannte, trotzdem aber immer wieder erschüttert war, wie schlimm das alles im Dämmerlicht der zugenagelten Fensteröffnungen wirkte. Gemeinsam gingen sie wieder in die Küche und Dean blieb stehen. Sein Blick wanderte zu dem zugenagelten Fenster und wieder zurück zu den beiden Frauen. Er richtete den Lichtkegel auf den Boden. „Wo wir schon mal hier stehen“, begann er und ließ seinen Blick wieder von Amita zu Madeleine wandern. „Könntet ihr euch vorstellen, so“, er machte eine Geste, die das Haus umschloss, „und mit dieser einen Küche klarzukommen?“ „Wie? Mit einer Küche klarkommen?“, hakte Madeleine nach. Sie hatte sich schon gewundert, dass es ein Esszimmer und eine Bibliothek geben sollte und von Fitness und vielleicht Spa die Rede gewesen war. „Der ursprüngliche Plan ist, dass wir, also Dean und ich, hier in einer Wohngemeinschaft leben möchten. Das Erdgeschoss soll für alle sein und die beiden obere Stockwerke werden in zwei separate Wohnungen geteilt. Könntet ihr euch vorstellen, so zu leben?“, versuchte Sam zu erklären. „Wenn nicht“, klinkte sich Dean ein, „wäre jetzt noch Zeit das Haus komplett in zwei Wohnungen zu teilen. Auch wenn ich es schade finden würde.“ Wieder schaute er zu Madeleine. „Du meinst, ich soll hier immer kochen?“ Dean schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung wie gut du kochen kannst. Dein Frühstück war auf jeden Fall Spitze aber nein. Ich meine, dass wir uns das teilen. Ich koche inzwischen ganz gerne. Sammy lernt es“, fragend schaute er alle an. „Also ich habe nichts dagegen“, begann Amita. „Ich kenne nur das Leben in einer Großfamilie. Bei uns wohnen meine Großmutter und Tante Priya mit im Haushalt und sie kochen alle gerne und arbeiten zusammen. Es geht immer sehr lustig zu, wenn sie in der Küche stehen.“ Madeleine überlegte. Das waren verdammt viele Änderungen, die auf sie zukommen könnten, verdammt viele Überlegungen für einen Tag. Vorerst wären sie vier und sie hätten ja ihre Privatsphäre oben und wenn irgendwann vielleicht mal Kinder kamen und sie wieder arbeiten würde, wäre es bestimmt schön, wenn sie die gut versorgt wüsste. Aber das war Zukunftsmusik, wenn überhaupt. „Und wenn es nicht gut geht?“, musste sie fragen. „Dann bauen wir um!“, erklärten Sam und Dean fast einstimmig. „Ist das so einfach?“ „Naja. Jetzt einfacher als später“, erklärte Dean ruhig. „Wir müssten das Erdgeschoss trennen und drüben auch eine Küche einbauen. Bibliothek, Sport und was auch immer da drüben entstehen soll, müssten in den Keller.“ „Ich muss darüber nachdenken.“ Sie schaute die Brüder entschuldigend an. „Außerdem ist da noch die Frage, ob unsere Essensgewohnheiten zusammenpassen“, überlegte Madeleine. „Du meinst wie in der jüdischen Küche mit der Trennung von Fleisch und Milch?“, fragte Amita. „Ja, oder ob du kein Schwein essen darfst, oder so.“ „In Indien essen wir viel vegetarisch. Allerdings liebt mein Vater Fleisch in jeder Form. Meine Schwester Priya und mein Bruder Rahul kommen in dieser Beziehung eher nach unserer Mutter. Karan, Raja und ich halten es nach unserem Vater. Wir lieben Fleisch, egal von welchem Tier.“ Fragend schaute Dean zu Madeleine. „Könntest du dir so ein Leben vorstellen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich bin in einer normalen amerikanischen Familie aufgewachsen. Mutter, Vater und Bruder. Wir waren oft allein, weil meine Eltern arbeiten waren. Da habe ich mir schon gewünscht, dass jemand da wäre. Aber seitdem habe ich nie wieder darüber nachgedacht. Während meines Studiums habe ich in mehreren Wohngemeinschaften gelebt. Viel würde sich daran dann ja nicht ändern. Trotzdem hänge ich an meiner Selbstständigkeit.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Die wäre ja oben“, warf Amita ein, die diesen Vorschlag von ganzem Herzen begrüßte, wusste sie doch, wie amerikanische Familien lebten. Sie hatte sich schon damit abgefunden, die Lebensweise ihrer Familie irgendwann aufgeben zu müssen und sie war nicht glücklich mit diesem Gedanken. Das hier war für sie fast wie ein Fingerzeig der Götter! „Bis wann muss ich mich denn entscheiden? Ich meine gerade geht mir das etwas zu schnell.“ „Du hast alle Zeit der Welt“, erklärte Dean. „Wir lernen uns gerade erst kennen. Ich will auch gar nicht, dass du dich schon gedrängt fühlst, darüber nachzudenken, bei uns einzuziehen. Wenn wir uns besser kennen und wir uns hier richtig eingerichtet haben, gerne aber bis dahin haben wir noch jede Menge Zeit. Denk einfach mal darüber nach, ob dir das überhaupt zusagen würde und wir machen weiter wie geplant.“ Jetzt schaute er zu Sam, der nickte. „Umbauen können wir auch später.“ Madeleine atmete durch und nickte. Damit konnte sie auf jeden Fall leben! „So, und jetzt will ich endlich in den Keller!“, forderte Dean und verließ die Küche. „Wie wäre es, erstmal nach oben zu gehen?“, fragte Sam und Dean warf ihm einen mordlüsternen Blick zu, bevor er resigniert nickte und zur Treppe stapfte. Oben ging er nach rechts. Natürlich sah es hier genauso trostlos aus, wie unten. Er ging nach vorn und leuchtete den Weg für Madeleine und Amita aus. „Hier sollen Bad, Schlafzimmer und Ankleide hin. Gegenüber“, er ließ den Lichtkegel durch den, mehr oder weniger, offenen Raum wandern, „soll das Wohnzimmer hin und der Raum über dem Wintergarten könnte Büro oder Kinderzimmer werden.“ Er zuckte mit den Schultern. Noch gab es hier nur kahle Wände und Dreck. Kapitel 119: Back to the old house ---------------------------------- 119) Back to the Old House Den Weg für die Frauen ausleuchtend gingen sie zurück ins Foyer. Sam wandte sich zu Treppe und stoppte abrupt, als er sah, dass sein Bruder wieder Richtung Haustür ging. „Ich denke du willst ...“, fragte der Jüngere irritiert. „Ich wollte wenigstens einen Blick in das kleine WC und die Garderobe werfen.“ „Sieht gut aus“, sagte Sam nur und ging in den Keller. Er betrat den Raum und stellte sich so hin, dass er seinen Bruder beobachten konnte, um das Schauspiel genießen zu können, das sich ihm gleich bieten würde. „Edel“, stellte Dean mit einem Blick in den kleinen Raum fest und schaute zu Madeleine, die mit ihm gucken gekommen war. „Toilette, Waschbecken, Leuchte und die Tür rein und fertig ist der erste Raum.“ Er wartete, bis Madeleine ebenfalls einen Blick hinein geworfen hatte und ging zur Garderobe. „Hier kann ich streichen“, murmelte er, dann ging er zu Madeleine und leuchtete ihr die Treppen in den Keller. Schon auf dem Weg durch den Keller schien es immer heller zu werden. Er ging durch die Türöffnung und musste einen halbhohen Felsen umrunden, der die Tür verdeckte. Auf der anderen Seite gab es einen Felsen mit großem Loch, in dem bestimmt eine große Pflanze Platz finden konnte. Das Licht, dass durch die Fenstertüren fiel war nach der relativen Dunkelheit oben eine richtige Wohltat und Dean freute sich darauf, dass irgendwann in allen Räumen zu haben. „Wow“, staunte Madeleine, die gerade auch nur einen Blick für die großen Fenstertüren hatte, die den Blick in den Garten freigab. „Gehen die auf?“, fragte sie. „Das sollten sie“, sagte Sam und versuchte eine zu öffnen. „Faltttüren?“, fragte Dean. „Hatten wir bestellt“, nickte Sam und schob eine Tür etwas auf, „und haben wir bekommen.“ „Gut“, freute sich Dean. „Dann können wir den Sommer hier richtig genießen.“ Er schaute sich weiter um und es war noch besser als es auf dem Bild des Angebotes aussah und das, obwohl noch kein Wasser floss. Da war der Wasserfall mit mehreren Terrassen, deren Platz reichte, um darauf zu sitzen. Zwei waren sogar so groß, dass man im Wasser liegen konnte. Auf der anderen Seite der Terrassen war eine Grotte mit Sitznischen. Dean warf einen Blick zur Decke. Über den Terrassen gab es Wärmestrahler! Das Becken hatte einen geschwungenen Rand und sah ziemlich natürlich aus. Es gab die Poolbar und einen Whirlpool mit Infinity-Kante, über die das Wasser in den Pool zu laufen schien. Ein Flachwasserbereich ergänzten das Ambiente. Neben dem Pool standen Liegen mit Wärmestrahlern darüber. „Hier ziehe ich ein. Ich glaube ich brauche kein Zimmer“, erklärte Dean. Sam nickte lächelnd. „Fehlen wirklich nur noch Pflanzen dann ist die Südseebucht perfekt.“ „Ist das schön!“, wisperte Madeleine überwältigt. „Wir sollten Kenda, den Poolbauer für die Abnahme anrufen“, sagte er atemlos. „Das mache ich gleich noch. Vielleicht kann er morgen schon kommen.“ Sam nickte. Sie konnten sich kaum satt sehen. Sam schloss die Türen. Gemeinsam verließen sie das Haus und gingen zu den Holzgerüsten, die im Gras lagen. „Was wird das?“, wollte Dean wissen. „Die Hochbeete“, erklärte Sam. Erstmal drei und wenn das so klappt wie ich“, er lächelte Amita an, „wie wir uns das denken, kommen im nächsten Jahr drei dazu.“ „Und da kommt das Gewächshaus hin.“ Amita zeigte auf ein Rechteck im Rasen. „Wollt ihr nicht noch einen Schuppen oder so bauen?“, fragte Dean. „Irgendwas wo Werkzeug reinkommt, Rasenmäher und Samen und so?“ „Gute Idee“, nickte Amita. „Dann will ich aber auch eine Werkstatt“, forderte Dean. „Du hast den Schrottplatz!“, sagte Sam nur. „Da ist aber nur Zeug, um an Autos zu schrauben. Ich könnte mir zwar einen Bereich einrichten.“ Er schaute zu Sam. „Aber wenn ich was für´s Haus hier machen will?“ „Du kannst dir deine Werkstatt neben der Garage unten einrichten. Da wo wir jetzt Material und Werkzeug lagern.“ „Gute Idee“, stellte Dean fest. „Danke Brüderchen.“ Sam grinste. „Wollt ihr auch noch Obstbäume pflanzen? Du hattest was davon erzählt“, wandte er sich an Amita. „Und was wird mit den beiden?“ Er deutete auf die beiden traurigen Gestalten weiter vorn. „Kommen die weg?“ „Nein, die bleiben. Verschneiden reicht. Auch wenn sie kaum noch tragen sollten, sie werden wieder toll aussehen“, erklärte Amita und Dean gab sich damit zufrieden. „Kann ich euch helfen?“, wollte er wissen. „Ja, indem du nach Hause fährst, Kenda anrufst und dich ausruhst“, erklärte Sam. „Von mir aus kannst du auch heute Abend kochen, aber jetzt gönnst du deiner Schulter eine Pause!“ Er hatte schon eine Weile beobachtet, wie Dean immer wieder versuchte die Schultern zu lockern. So ganz schmerzlos war er wohl doch noch nicht. Wie auch, nach einer reichlichen Woche. Auch Madeleine nickte. „Gut, dann fahre ich und koche nachher. Wie lange braucht ihr noch?“ „Wenn‘s dunkel wird, hören wir auf“, lachte Amita. Sam riss erschrocken die Augen auf. „Ich rufe an, wenn wir hier losfahren“, sagte er dann. „Okay“ Dean ging zum Impala. Madeleine folgte ihm. „Da habt ihr ja eine Mammutaufgabe vor euch“, sagte sie. „Und ganz ehrlich? So sieht das Haus furchtbar aus. Wie aus einem Horrorfilm.“ Zu ihrer Überraschung nickte Dean. „Glaube mir, als wir das erste Mal herkamen, sah es noch schlimmer aus. Wir haben uns trotzdem verliebt.“ Er startete den Wagen. Kurz drückte er die Hupe als Gruß für Sam und Amita, dann lenkte sein Baby zur Straße. „Woher habt ihr das Haus eigentlich? Von wem habt ihr es geerbt?“, wollte Madeleine mehr über das Anwesen wissen. „Es gehörte der Tante unseres ... Vaters.“ „Wusste er davon?“ „Ich bezweifle es und selbst wenn, die Jagd war ihm wichtiger. Er wäre nie sesshaft geworden.“ „Traurig!“ Dean musterte sie. „Mich macht es wütend. Wie konnte er Sammy so ein Leben zumuten! Er wusste wie sehr sich der Kleine nach Freunden gesehnt hat, wie sehr er es gehasst hat, immer der Neue zu sein.“ „Nur Sammy? Du nicht?“, fragte Madeleine leise, während er auf die Straße einbog. „Ich?“, er musterte sie kurz, schaute wieder auf die Straße und begann leise zu sprechen. „Als Mom starb war ich vier. Ihr Tod hat mich aus dem Leben gerissen. John fing an uns bei fremden Leuten sitzen zu lassen und verschwand. Ich habe mit aller Macht versucht, den letzten Rest meiner Familie zusammen zu halten. Dafür hätte ich alles getan, dafür habe ich auch das Umherziehen für mich akzeptiert. Am Anfang war es schwer und ich weiß, dass ich es auch gehasst habe, immer der Neue zu sein, aber dann wurde Sammy größer und ich hatte ihn. Ich musste mich um ihn kümmern.“ Er zuckte mit den Schultern. Mitfühlend legte sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel. „Hat er denn wenigstens gefunden was er gesucht hat?“ „Nein! Den Dämon habe ich ein Jahr nach seinem Tod erschossen.“ „Man kann Dämonen töten?“ „Naja, nicht so einfach. Es gibt einen Colt, der es kann und ein Messer. Eigentlich kann man sie nur in die Hölle zurückschicken.“ „Und dann? Kommen sie wieder?“ „Keine Ahnung.“ Kamen sie wieder? Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Sie waren weg und gut. „Vielleicht gibt es höhere Dämonen, die immer wieder kommen können?“ Er zuckte mit den Schultern. Es gab höhere Dämonen, die immer mal wieder kamen, das wusste er, aber das musste sie nicht wissen. „Dazu müsste ich Ruby fragen. Ich denke, die weiß es.“ „Ruby? Du hast sie auch erwähnt, als es dir so schlecht ging, nach eurer Rückkehr vor vier Tagen.“ „Ruby ist ein ganz besonderes Wesen“, erklärte er leise. „Ich weiß nicht was Sam dir schon erzählt hat.“ Er schaute sie an. „Eigentlich nur das, was ihr schon im Krankenhaus erzählt habt. Etwas mehr über Vampire, Geister und Werwölfe und dass es Dämonen gibt.“ „Ruby ist ein Dämon. Sie ist irgendwann plötzlich in unserem Leben aufgetaucht und hat uns mehrfach geholfen. Ich hätte sie am Anfang am Liebsten zurückgeschickt, wie jeden Dämon, aber sie war irgendwie immer nützlicher als lästig und irgendwann wurde sie zur Freundin.“ Wenn Madeleine mehr von den Winchester-Brüdern und ihrem Leben gewusst hätte, wäre es ihr wahrscheinlich aufgefallen, aber so nahm sie es einfach hin. Woher sollte sie auch wissen, dass ein Jäger nie mit einem Dämon auch nur in einem Raum war, ohne dass der eine versuchen würde den anderen zu vernichten. „Willst du noch mit zu uns kommen?“ „Nein. Ich muss über einiges nachdenken und das kann ich besser alleine. Ich melde mich“, versprach sie sanft. Er setzte sie an ihrem Wagen ab und fuhr in die Wohnung zurück. Schnell rief er den Poolbauer an und sie verabredeten sich für den nächsten Tag zur Abnahme, dann ließ er sich geschafft auf das Sofa fallen. Sam und Amita waren tatsächlich bis zum Abend damit beschäftigt, die Hochbeete fertig zu machen. Danach überlegten sie noch, wo der Schuppen stehen könnte und diskutierten, wie er aussehen sollte. Sie verstanden sich hervorragend. Am nächsten Tag kam Amita mit einem kleinen Transporter voller kleiner Bäume und Pflanzen zum Haus. Sie parkte neben Sams Kombi und sprang aus dem Fahrerhaus und ging zu ihrem Freund. Sanft küsste sie ihn und nahm dann den Becher Kaffee entgegen. „Wie geht es Dean?“, fragte sie und trank einen Schluck. „Geht so. Langsam wird er quengelig.“ Sam zuckte mit den Schultern. „So gegen 11 kommt er her, dann kommt der Poolbauer zur Abnahme. Morgen wollen wir wegen der Küchenmöbel los.“ „Was genau ist denn passiert? Du hast nur gesagt, dass er einen Unfall hatte und nach Hause wollte.“ Natürlich hatte sie das Pflaster gesehen, das auf seiner Schulter prangte. „Naja“, Sam lächelte verlegen, „wenn man nicht abwarten kann ... Dean hatte einen Wagen auf die Bühne gefahren und wollte sich den Unterboden anschauen. Als er am Auspuff wackelte … der war lockerer und heißer als vermutet. Er hat sich übel verbrannt“ „Oh! Das tut mir leid“, bedauerte sie diesen Unfall aufrichtig. „Nicht mehr zu ändern. Ich hoffe nur, er lernt daraus.“ Er trank den letzten Schluck aus seinem Becher und warf den in den Kombi. Den musste er auch mal wieder aufräumen! „Was machen wir mit dem ganzen Gestrüpp?“, fragte er dann und ließ seinen Blick über die vielen Stämmchen und Zweige gleiten, an denen nur wenige Blätter hingen. „Das „Gestrüpp“ verteilen wir jetzt. Danach pflanzen wir sie ein!“, erklärte sie und stieg wieder in den Transporter. Sam setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie fuhr ein Stück auf die Wiese rechts vor dem Haus, hielt an und drückte Sam zwei Stämmchen in die Hände und erklärte ihm, wo er die hinlegen sollte. Sie selbst verteilte zwei weitere Bäumchen. Nach und nach leerte sich die Ladefläche. In der Nähe des verfallenen Kutscherhäuschen zerrten sie zwei größere Bäume herunter. Den letzten Baum, mit hängenden Ästen und dunkelroten Blättern brachten sie an eine große freie Stelle links vom Haus. Jetzt lagen nur noch sechs struppige Büsche und einige Säcke gleich hinter dem Fahrerhaus. Amita drehte die Runde noch einmal in umgekehrter Richtung und sie warfen die Säcke neben die Bäumchen. Zwei von den Büschen legten sie neben die Obstbäume, die Dean am Vortag moniert hatte und die letzten vier legten sie auf die Wiese neben dem Eingangsportal. Dann nahmen sie Spaten und Schaufel und begannen die Bäumchen einzupflanzen. Bis Dean kam, hatten sie fünf Bäumchen eingepflanzt. „Was pflanzt ihr?“, wollte Dean von Amita wissen und schaute fast schon sehnsüchtig zu den Spaten. Er fühlte sich regelrecht schlecht, andere arbeiten zu lassen und selbst nur zuzugucken. „Äpfel, Birnen, einem Quittenbaum, Kirschen und Pflaumen“, sagte sie und deutete auf die Obstwiese. „Zwei Walnussbäume kommen in die Nähe des verfallenen Kutscherhäuschens und eine rote Hängebuche da auf die Wiese.“ Sie deutete auf das struppige Etwas mitten auf dem Rasen. „Außerdem kommen Ramblerrosen an die Hausecken und die Obstbäume, die du fällen wolltest.“ „Rosen? Hausecken? Brauchen die kein Gestell?“ „Die klettern fast ohne Hilfe. Die Bäume sind ein gutes Gerüst und werden bald wundervoll blühen.“ Dean legte den Kopf schief. So ganz konnte er sich das nicht vorstellen, aber das würde er ja im Sommer zu sehen bekommen. Sein Blick wanderte über die Wiese und blieb an dem Wagen hängen, der den Weg entlangfuhr. Kapitel 120: Another brick in the wall -------------------------------------- 120) Another brick in the wall „Da kommt Kenda“, sagte Dean und ging, gefolgt von Sam, zum Eingangsportal. „Wir können direkt zum Pool gehen“, erklärtete Sam, nachdem sie sich begrüßt hatten. „Ich habe heute Morgen die Türen aufgemacht. Noch ist das Wetter ja herrlich.“ Sie liefen um die Hausecke nach unten. Zuerst ging Paul Kenda zu einem der künstlichen Felsen, die ein großes Loch hatten. „Sie können hier“, er öffnete zwei kleine Laschen unter dem Rand und hob einen ganzen Teil heraus, „ganz bequem Pflanzkübel reinstellen. Dann können sie die Pflanzen jederzeit erneuern, ohne viel Dreck zu machen.“ Er passte den „Felsen“ wieder an und jetzt sah Dean auch den schmalen Spalt, der ihm vorher nicht aufgefallen war. Kenda erklärte ihnen noch die technischen Details der Reinigung des Wasser, der Heizung und der Gegenstromanlage, dann holte er endlich ein flaches Paket aus seiner Tasche. Er packte es aus und nahm das Tablet zur Hand. „Damit können sie alles steuern. Es gibt im Eingangsbereich eine Nische, in der sie das Tablet lassen könne. Sie können sich das Programm aber auch jeder Zeit auf ihre Handys spielen.“ Er öffnete das Programm und schaltete Lautsprecher, Heizlampen und das Licht an. Er zeigte ihnen, wie man alles dimmen konnte und dann, schließlich schaltete er das Wasser an. Langsam liefen die ersten Bächlein über die obersten Plateaus, rannen über die Kanten nach unten und plätscherten zu guter Letzt in den leeren Pool. Die Grotte, auf der anderen Seite der Terrassen verschwand auch hinter einem Wasservorhang. „Wow“, staunte Dean nur und überlegte, ob er sich einfach auszog und die Terrassen ausprobierte, doch nein. Das wäre Verschwendung. Noch war hier eine riesige Baustelle! Aber schön wäre es doch! Sein Blick wanderte zu Sam und er konnte sehen, dass sich sein Bruder mit ähnlichen Gelüsten plagte. „Und der Whirlpool?“ „Es gibt ein Bedienungspaneel am Pool selbst. Sie können ihn aber auch von hieraus steuern.“ Kenda tippte auf das Tablet und der Whirlpool begann sich blubbernd mit Wasser zu füllen. „Es gibt eine Infinity-Kante. Das Wasser läuft aber nicht in den Pool, auch wenn es so aussieht. Es wird separat gereinigt“, erklärte der Poolbauer und schaltete alles wieder ab. „Das ist der blanke Wahnsinn“, freute sich Dean. „Hier werden wir etliche Stunden verbringen“, pflichtete Sam seinem Bruder zu. „Machen Sie das auch im Außenbereich?“, wollte Dean jetzt wissen. „Machen wir“, nickte der Mann. „Auch naturnahe Schwimmteiche?“ „Ja.“ „Gut, wenn Sie noch etwas Zeit haben, zeige ich Ihnen unseren Problemtümpel.“ „Die Zeit habe ich“, erklärte Kenda lächelnd. Hier schien er noch mehr Geld verdienen zu können. Gemeinsam mit Dean lief er zu dem Außenpool, während Sam wieder zu Amita ging und ihr weiter beim Pflanzen half. Als Dean mit Kenda wieder nach vorn kam, nickte der Sam kurz zu, stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Dean ging zu seinem Bruder. „Und?“, wollte Sam wissen. „Er macht uns ein Angebot und mehrere Bilder. Einmal eins von einen ganz normalen Schwimmteich, eins in gehobener Ausstattung und eins mit allem Furz und Feuerstein. Wir suchen uns aus dem Angebot aus, was wir wirklich wollen und er beginnt, sobald es das Wetter im Frühjahr zulässt.“ „Klingt gut. Dann kann ich im Sommer ja am oder auf dem Wasser für die Prüfungen lernen“, überlegte Sam. „Und ich faul daneben liegen“, freute sich Dean. Er schaute auf das frisch ausgehobene Pflanzloch. „Was kann ich helfen?“ „Das Gleiche wie gestern. Nach Hause fahren und deine Schulter schonen. Genieße die Tage. Montag willst du wieder arbeiten gehen, also schone dich jetzt oder ich spreche mit Maddie, damit die dich aus dem Verkehr zieht.“ Dean verzog das Gesicht, verdrehte die Augen und stapfte, die Hände in den Hosentaschen vergraben, zum Impala. Mit durchdrehenden Reifen schoss er vom Platz. „Der ist sauer“, kommentierte Sam Amitas fragenden Blick. „Du musst mit ihm leben“, sagte sie nur schulterzuckend und schüttete Erde in das Loch. Dean fuhr aber nicht direkt nach Hause. Er lenkte den Impala zu seiner Wache, um sich nach seinem neuen Schichtplan zu erkundigen. Hoffentlich wollten die ihn wieder haben, wenn Sam ihn schon vertrieb. „Hey, was ist das denn? Ein Ufo? Supermann?“, begann Josh laut johlend, kaum dass Dean den Aufenthaltsraum betreten hatte. „Nein“, erklärte Dave grinsend. „Es ist jemand, an den ich mich ganz dunkel erinnern kann. Aber wollte der nicht mit einem Berg Muffins zurückkommen?“ „Ich sollte“, erklärte Dean lachend. „Hah, ich wusste, dass da was war!“, strahlte Josh. „Und? Wo ist der Berg?“ „Noch nicht mal gebacken.“ „Nicht?“ „Wollt ihr, dass die trocken werden, bis ich wieder arbeiten komme?“ „Wann kommst du denn wieder?“, wollte Dave sofort wissen. „Genau deshalb bin ich hier, um das zu erfahren!“, erklärte Dean und ging zum Büro des Chief. Er klopfte, trat ein und grüßte. „Guten Tag“ „Win“, freute sich der Chief. „Was machen Sie denn hier?“ „Wollte sehen, ob die Wache noch steht und wie und wann ich wieder arbeiten kommen kann.“ „Ich habe Sie ab Dienstag in der Frühschicht eingeplant. Am Montag will der First Chief Sie sehen. Sie haben einen Termin Montagmittag.“ „Okay“, nickte Dean und fragte sich, was Chief Reed wohl wollte. Seine Versetzung vermutlich. Er freute sich darauf, aber er fand es auch schade. Er mochte die Wache hier und wenn es nach ihm ginge, würde er gerne bleiben. „Dann bis Dienstag“, sagte Dean und verabschiedete sich. Er fuhr einkaufen und danach zurück in ihre Wohnung. Mit einem Buch und Kaffee machte er es sich auf der Couch gemütlich, bis es Zeit war für Sam und sich zu kochen. Geschafft kam Sam an dem Abend nach Hause. Sein müdes „Hey“, ließ Dean alarmiert aufschauen. „Was ist los?“ „Ich bin fertig“, gab Sam sofort zu. „Draußen mit Amita war alles okay, aber jetzt will ich nur noch duschen, etwas essen und ins Bett.“ „Gut, dass ich das Essen fast fertig habe. Du kannst also in Ruhe duschen. Aber schwimm nicht zu weit raus.“ Sam verdrehte nur die Augen und verschwand im Bad. Beim Essen erzählte er davon, dass sie alle Bäume gepflanzt und den Platz für den Schuppen vorbereitet hatten. Sie hatten die Stützen für die Bäumchen aufgestellt. „Wenn ich irgendwann von der Juristerei die Nase voll haben sollte, könnte ich mir vorstellen auch weiter mit Amita zusammenzuarbeiten“, sagte er und unterdrückte ein Gähnen. „Dann brauche ich mir, um deine Zukunft ja keine Sorgen mehr zu machen“, lachte Dean. „Und jetzt geh ins Bett“, forderte er leise, als Sam schon wieder gähnte. „Ein ausgerenkter Kiefer soll nicht wirklich angenehm sein.“ Sam nickte und tappte in sein Zimmer. Dean räumte auf und obwohl er an dem Tag nicht wirklich viel getan hatte, war er doch müde und ging gleich darauf auch ins Bett. Am nächsten Morgen waren die Brüder früh wach. Sie bereiteten sich ein ausgiebiges Samstag-Morgen-Frühstück zu. „Wie geht es deiner Schulter?“, wollte Sam beim Essen wissen. „Wenn ich mich noch länger ausruhen muss, rostet die ein!“ „Dean!“ „Geht soweit. Nächste Woche kann ich auf jeden Fall arbeiten gehen.“ „Du wärst aber auch gegangen, wenn sie noch nicht wieder in Ordnung wäre.“ Dean nickte nur. Natürlich wäre er gegangen. Als sie noch Jäger waren, hatte ja auch keiner auf ihre Gesundheit Rücksicht genommen. „Und das Haus?“, fragte Sam. „Ich wollte mich Montag mit Karan treffen und besprechen, wie wir weiter machen. Im Wintergarten kann ich die Leitungen legen und wenn wir heute eine Küche finden, dann da und in der Frühstücksecke auch. Esszimmer und Kaminzimmer müssen nur noch gestrichen werden, dann können wir Möbel aussuchen.“ Dean schaute fragend zu seinem Bruder. „Ich möchte immer noch so schnell wie möglich umziehen, das würde Zeit und Geld sparen. Reicht uns die untere Hälfte oder ...?“ Sam nahm einen Schluck Kaffee. „Wir sind jahrelang mit weniger klar gekommen. Allerdings haben wir uns die Wohnung hier genommen, um Lernen und Schlafen trennen zu können. Also wäre ein eigenes Schlafzimmer schon schön. Zumindest ein weiteres Zimmer, das wir als Schlafzimmer nutzen könnten.“ Dean nickte. „Was hältst du davon, wenn wir als Nächstes oben die Schlafzimmer machen?“, fragte Sam. „Dann hat dein Glas aber keine richtige Daseinsberechtigung, wenn wir das weiter so entscheiden.“ „Es war dazu gedacht, dich davon abzuhalten nur Räume machen zu wollen, die ich in deinen Augen brauche. Wenn wir uns so absprechen, brauchen wir es nicht wirklich. Stimmt. So ist es mir aber lieber.“ Er lächelte. „Also oben Bad, Schlafzimmer und Ankleide auf beiden Seiten. Mit welcher fangen wir an und wer zieht überhaupt wo ein?“, fragte Dean. Sam holte eine Münze auf der Tasche und legte sie vor Dean. „Kopf links, Zahl rechts. Du wirfst für dich.“ Fragend legte Dean den Kopf schief. Er schob sich eine Gabel voll Rührei in den Mund, nickte, stand auf und warf die Münze. Zahl Sam lachte. „Das passt auch besser zu dir!“ Irritiert musterte Dean den Jüngeren. „Garage und Küche sind rechts.“ Dean verdrehte die Augen. Er schob die Münze zu Sam. „Zahl deine Seite zuerst, Kopf, meine.“ Sam warf. Kopf „Soll ich nicht doch erst deine ...“ „Die Münze hat gesprochen!“, unterbrach Sam ihn sofort. „Okay.“ „Machen wir hier alles fertig und fahren Küchen aussuchen?“, sagte Dean. Sam nickte. Sie räumten ihre Wohnung auf und wollten gerade los, als Sams Handy klingelte. „Nick“, sagte Sam nur und ging dran. „Hey“, grüßte er und schaltete auf Lautsprecher. „Hey, Nick“, meldete sich Dean auch sofort. „Seid ihr schon wieder in der Stadt oder noch unterwegs?“ „Wir sind hier aber fast unterwegs“, sagte Dean, bevor Sam antworten konnte. „Was soll das denn heißen?“, lachte Nick. „Wir wollen uns eine Küche aussuchen.“ „Oh, soweit seid ihr schon?“ „Nicht wirklich, aber ohne Küchenplan weiß ich nicht, wie die Leitungen liegen müssen. Eigentlich ist es immer noch eher Ruine als Haus. Aber du rufst nicht an, um mit uns über eine Küche zu reden.“ „Nein. Ich dachte, wir könnten uns mal wieder treffen.“ „Gerne“, nickte Sam. „Nur wir drei?“, wollte Dean wissen. „Gibt es denn jemanden, den ihr mitbringen wollt?“, hakte Nick sofort nach. „Schon“, sagte Dean ausweichend. „Wie wäre es heute?“ „Heute hat Madeleine Dienst.“ „Morgen Abend?“, fragte Nick. „Ja, morgen ginge“, erwiderte Dean und schaute fragend zu seinem Bruder, der auch nickte. „Wo?“, wollte Sam wissen und Nick nannte ihnen den Namen des Pubs. „Die haben gutes Essen, gutes Bier und Pooltische.“ „Okay, treffen wir uns da“, nickte Sam und legte auf. Kapitel 121: Shop around ------------------------ 121) Shop around Eine halbe Stunde später parkte Dean den Impala vor einem Küchenstudio. Sie stiegen aus und gingen zum Eingang. Dean zog die Tür auf und ließ seinem kleinen Bruder den Vortritt. Eine Weile schlichen sie durch die Gänge mit Landhausküchen, industriellen und modernen und wurden eher verwirrter als schlauer. „Wie soll man da denn etwas finden?“, fragte Sam. „Ich kann dir sagen, dass mir das“, Dean deutete auf eine weiße, hochglänzende Küche, „nicht gefällt und dass das“, jetzt war eine im industriellen Stil, „nicht zum Haus passt.“ „Okay, da stimme ich dir zu“, nickte Sam. „Trotzdem gibt es hier so viel und vieles davon gefällt mir sogar. Irgendwie.“ Jetzt trat ein junger Verkäufer zu ihnen. „Ich bin Archie Merchant. Kann ich ihnen helfen?“ „Das wäre gut. Wir stehen hier ziemlich hilflos vor der großen Auswahl“, nickte Dean. „Sollten sie die Küche nicht besser mit ihrer Frau aussuchen?“, wollte Merchant wissen und musterte die Brüder eingehend. Über Deans Gesicht huschte ein liederliches Grinsen, während er kurz zu seinem Bruder schaute und dann dem hageren Kerlchen ein völlig falsches Lächeln schenkte. Er trat näher an Sam heran und erklärte: „In unserem Haushalt gibt es keine Frau!“ Merchant schluckte kurz. „Oh“, machte er etwas verschämt. „Mein … Partner kocht gerne und jetzt, wo wir zusammenziehen, möchten wir uns den Wunsch einer Profiküche erfüllen“, setzte Sam zuckersüß hinzu und erntete einen kurzen fragenden Blick von Dean, bevor der ihn warm anstrahlte. „Ähm, ja. Naja, wissen sie denn schon was sie möchten? Welche Geräte?“ „Genau da liegt der Hase begraben.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Im Pfeffer, Schatz“, verbesserte Sam ihn sanft. Dean schnaufte, dann lächelte er ihn verliebt an, bevor er mit großen Augen wieder zu dem Verkäufer schaute. „Wie groß ist denn die Küche?“, wollte Archie leicht genervt wissen. Wieso hatte er heute nur Kunden, die von nichts eine Ahnung hatten? Wenn der Typ gern kochte, sollte er doch wissen, was er wollte, oder? „Auch da sind wir noch vollkommen frei. Das Haus hat im Moment nur einen Außengrundriss. Alle Räume sind noch frei planbar. Ich möchte eine große, offene Küche mit Insel und Herd in der Mitte“, erklärte Dean ruhig. „Hm. Da könnte man einiges machen. Schöner wäre es allerdings, wenn Sie die Anschlüsse schon hätten.“ Dean verdrehte die Augen. Der Typ hatte ja so gar keine Fantasie. Verkäufer des Monats würde der wohl nicht werden „Damit können wir noch nicht dienen“, erklärte er und legte seinen Arm um Sam. „Komm Darling, wir klären das mit unserem Bauunternehmer und kommen danach noch mal auf Sie zu“, er schaute wieder zu Archie, „ja?“ „Das wäre perfekt“, nickte der. Dean wandte sich zur Tür und zog Sam einfach mit sich mit. „Was sollte das denn?“, wollte der Jüngere auch sofort wissen, kaum dass sie das Küchenstudio verlassen hatten. „Ich dachte, du hattest den Plan eingepackt?“ „Ja, aber wenn einer zu blöd ist eine Küche frei zu planen, wie soll er das dann in unserer Küche können? Hast du dir den mal angeschaut? So wie der aussah, weiß der mit einer Küche ja wohl gar nichts anzufangen! Eingefallene Wangen und der Streifen Bart auf dem Kinn machte es auch nicht besser! Er spricht uns die Kompetenz ab, ohne Frauen eine Küche zu kaufen, will diese Kompetenz aber haben, um sie zu verkaufen? Nein, zu dem habe ich kein Vertrauen. Lass uns weiterfahren.“ Sam nickte. „Wenn du das möchtest, Darling.“ Er klimperte Dean mit verliebten Augen an. „Du bist so gut zu mir, Honey.“ Dean drückte Sams Schulter, ließ ihn los und ging zum Impala. Er strich mit der Hand über den schwarzen Lack. „Keine Sorge Baby, dich werden ich immer lieben, egal wer sonst noch mein Herz erobert.“ Leise prustend ließ sich Sam auf den Beifahrersitz fallen und lotste Dean zum nächsten Küchenstudio. Wieder strichen sie durch die Gänge und wieder wurden sie dabei nicht viel schlauer. „Die finde ich ganz schön“, erklärte Dean und deutete auf eine Küche aus dunklem Holz. Die Oberschränke hatten im oberen Teil der Türen jeweils zwei Milchglasscheiben nebeneinander, die von innen beleuchtet waren. „Mit einem helleren Boden, Fliesenspiegel und einer hellen Quarzarbeitsplatte sieht die spektakulär aus“, ertönte plötzlich eine Stimme neben ihnen. „Hallo. Ich bin Flint Sanders. Kann ich ihnen helfen?“, begrüßte der Verkäufer die Brüder, nachdem sie sich zu ihm umgedreht hatten. Dean musterte ihn kurz, dann nickte er. „Ich habe hier einen Grundriss von Küche und Frühstücksecke.“ Er zuckte mit den Schultern. „Viel mehr haben wir allerdings noch nicht.“ „Soll die Küche für sie Beide sein?“ Die Brüder wechselten einen Blick und nickten. „Dann sollten wir etwas finden, dass ihnen beiden gefällt.“ Er breitete den Plan aus. „Das ist ja riesig“, stellte er fest. „Wie hoch ist der Raum?“ „Drei Meter fünfzig, etwa“, erwiderte Dean. „Wie sieht es mit den Geräten aus? Haben sie schon welche im Auge?“ „Nein. Daran scheitert es auch noch.“ „Nur für sie beide oder wohnen noch mehr Personen im Haushalt?“ „Derzeit nur wir, aber wir hoffen auf Zuwachs“, entgegnete Sam, wohl wissend, wie zweideutig das klang. Doch Mr. Sanders störte sich nicht an der Aussage. „Wie hoch ist das Budget?“ „Kommt darauf an“, antwortete Dean mit einem Schulterzucken. „Wie teuer ist die Küche?“ Flint Sanders nickte, ohne auf diese Antwort weiter einzugehen. Er faltete den Plan wieder zusammen. „Wenn sie mir folgen würden? Wir haben hinten eine Auswahl an Küchengeräten und Kühlschränken. Da können sie sich eher ein Bild machen.“ Schweigend folgten sie ihm und standen gleich darauf in einem Raum voller Herde, Backöfen und Kühlschränken, in dem weitere Fragen folgten. Gas? Elektro? Und, und, und. So nach und nach kristallisierte sich jedoch ein klares Bild heraus. „Gut“, nickte Sanders. „Nehmen wir die Auswahl mal mit. Wenn sie mir jetzt folgen würden, dann kann ich ihnen ihre Küche in 3D zeigen.“ In seinem Büro bot er ihnen einen Platz vor einem Schreibtisch an. „Möchten sie einen Kaffee?“ „Gerne“, nickten die Brüder. Sanders ging den Plan, den Dean ihm gegeben hatte, einscannen und kam mit Kaffee, Milch und Zucker zurück. Während die Winchesters ihren Kaffee tranken und sich in dem recht kargen Büro umsahen, hantierte der Verkäufer mit der Maus, klickte hier und da und drehte ihnen dann den Bildschirm so, dass sie bequem darauf sehen konnten. „Ich habe die Schränke genommen, vor denen sie vorhin gestanden haben, die hellen Fliesen und die Arbeitsplatte aus Quarz“, erklärte er und begann an der Tür und deutete im Uhrzeigersinn auf die einzelnen Teile. „Ein großer Kühlschrank mit Gefrierfächern unten, ein Vorratsschrank, ein Unterschrank, die Spülmaschine, Spüle, wieder zwei Unterschränke. Hier die große Vorratskammer“, er deutete auf den freien Raum im Durchgang zum Esszimmer. „Hier haben wir zwei Backöfen, Dampfgarer und Mikrowelle und wieder einige Unterschränke. Der Herd ist in der Kücheninsel und hat sechs Kochstellen und eine Wärmeplatte. Dean nickte wieder. „Und die Frühstücksecke?“ „Hier vorn ist noch einmal ein Vorratsschrank. Neben dem Fenster ein Schrank mit kleinem Kühlschrank und einem Kaffeeautomaten. Eine breite Fensterbank, noch ein Schrank und ein runder Tisch. Da die Möbel in der Küche dunkel sind, würde ich die Möbel in der Frühstücksecke eher hell wählen. Außerdem können sie einen fließenden Übergang von den Küchenfliesen zum Parkett in der Frühstücksecke wählen und so die Räume noch mehr verbinden.“ Sanders zeigte ihnen einige Möglichkeiten. „Wow“, staunte Dean nur und überlegte. „So gefällt mir das schon ganz gut. Könnte man das auch im graublau kriegen?“ Wieder klickte Sanders ein paar Mal und schon hatte sich die Farbe geändert. „Hm“, meinte Dean nur. „Was denkst du?“, wollte er von seinem Bruder wissen. Sam zuckte mit den Schultern. „Geht das auch in hellem Holz oder zumindest nicht ganz so dunkel oder in ... smaragdgrün?“ „Smaragdgrün?“ Dean schaute ihn mit großen Augen an. „Naja, ein dunkles grün halt“, versuchte Sam zu erklären. „Von mir aus auch dunkelblau oder … keine Ahnung, einfach in einer Farbe und ich möchte es auch in weiß sehen. Mattweiß. Wenn´s geht und auch mal beides in einer Farbe?“ „Gehen geht alles“, lachte Sanders und spielte mit den Farben. „Auch nicht hässlich“, stellte Dean fest, als die Küche grün erstrahlte. Sam schaute zu seinem Bruder. „Spielen die Farben beim Preis eine große Rolle?“, wollte er dann wissen. Sanders schüttelte den Kopf. „Gut, dann hätten wir gerne, ein Angebot über Küche, Vorratsraum und die Frühstücksecke, so wie sie jetzt sind und die Bilder mit den Farben. Und ich brauche den Plan für die Anschlüsse. Hätten Sie vielleicht ein paar Prospekte der Geräte? Ach ja, geht auch ein zweiter Gefrierschrank im Vorratsraum?“ Flint Sanders stellte ihnen das Gewünschte zusammen und packte alles in eine Mappe. „Wie lange ist die Lieferzeit?“ „Maximal acht Wochen, dann sollten sie alles haben. Wahrscheinlich aber eher.“ „Das wäre dann etwa Anfang Dezember? Das klingt gut! Vielen Dank.“ Sam nahm die Mappe mit dem Angebot und die Kataloge. „Wir besprechen das noch mal und melden uns bei Ihnen.“ Sie reichten Mr. Sanders die Hand und verließen das Studio. Ohne, dass sie miteinander sprechen mussten, stand für sie fest, dass sie ihre Küche hier kaufen würden. So viel Zeit wie er sich für sie genommen hatte. Ganz anders als der davor. Den Samstag ließen die Brüder in aller Ruhe zu Ende gehen. Der Sonntag begann genauso ruhig. Sie frühstückten ausgiebig und fuhren dann zu ihrer inzwischen eher vernachlässigten Runde auf dem Minigolfplatz. Diesen Vormittag wollten sie noch einmal genießen. Nächste Woche musste Dean wieder arbeiten. Sam würde sich mit Mr. Davenport treffen, um ihre Zusammenarbeit für das nächste Semester zu besprechen und das Semester vorzubereiten. Die Minigolfbahn war ein guter Ort zum Reden, überlegte Sam wieder. Außerdem machte es Spaß. Er wollte mal mit Amita reden, dass ein kleiner Minigolfplatz unbedingt auf ihr Grundstück musste. „Wollen wir noch eine Runde spielen?“, fragte Sam, nachdem sie die erste beendet hatten und schwang sich den Schläger über die Schulter. Er hatte gewonnen. „Du musst mir doch meine Revanche gewähren“, erklärte Dean und marschierte zum Startpunkt. Sam lachte. „Ich gewähre sie dir gerne“, erklärte der wohlwollend. Es war wohl nicht Deans Tag. Am fünften Hindernis ging Sam in Führung und verteidigte die auch bis zum Ende. „Vielleicht sollten wir einen Minigolfplatz neben unserem Haus bauen?“ Er grinste breit. „Damit du üben kannst.“ Dean schnaubte. „Lästere du nur. Beim nächsten Mal werde ich dich pulverisieren!“ Sam lachte noch breiter. „Der Wunsch des Unterlegenen!“ Dean ließ den Impalaschlüssel um seinen Finger kreisen. „Wolltest du gleich zurücklaufen?“ Ein fieses Grinsen umspielte seine Lippen. Sam versuchte etwas Angst in seinen Blick zu legen. „Oh großer Dean, du Herr aller Golfplätze. Kann ich dich mit Kaffee und Kuchen in unserer kleinen Lieblingsbäckerei milde stimmen?“ „Aber nur, weil heute Sonntag ist und die Sonne scheint“, erklärte der und schnurrte dabei wie ein großer Kater, der gerade Sahne in seine Milchschüssel bekam. Sie gaben die Schläger zurück und machten sich auf den Weg. Kapitel 122: Ruby ----------------- 122) Ruby Zurück in ihrer Wohnung machten sie sich ein paar Sandwiches und dann war es schon fast Zeit, sich fertig zu machen. Sie hatten Amita und Madeleine gebeten herzukommen. Sie wollten ihnen die Küchen zeigen. Mal sehen, was sie dazu sagten. Sie hatten noch etwas Zeit und Dean holte die Mappe des Küchenstudios hervor. „Vielleicht schaffen wir ja schon eine Vorauswahl, bevor die Frauen kommen?“ Er schaute zu Sam und breitete die verschiedenen Bilder auf dem Tisch aus. Sam rutsche neben ihn. „Und?“ „Die“, er schob das Bild mit den smaragdgrünen Fronten zur Seite, „sieht toll aus, aber ich habe Angst, dass wir die schnell nicht mehr mögen. Genau wie diese“, es folgten alle farbigen. „Außerdem finde ich die zu eintönig.“ Er legte die beiseite, bei denen Küche und Frühstücksecke die gleiche Farbe hatten. „Und weiß ist nicht so mein Fall. Also Holz.“ Er schob die übrigen Varianten nebeneinander. „Was denkst du?“ „Bei den Farben stimme ich dir zu, obwohl ich die grüne immer noch schön finde. Mit einer hellen Frühstücksecke fände ich die toll. Außerdem hätte ich lieber die weiße als die mit dem hellen Holz.“ Dean nickte und zog die beiden mit zu den ausgewählten. Dann nahm er die weiße und die mit dem hellen Holz und legte sie beiseite. „Auf die weiße könnte ich mich einlassen, stehe aber nicht wirklich dahinter. Er zuckte mit den Schultern. „Meine Favoriten sind diese“, er deutete auf die beiden dunkleren Varianten mit einer hellen Frühstücksecke. „Ich würde diese hier nehmen.“ Sam tippte auf die in dem warmen Braunton mit der hellen Frühstücksecke. „Bei der ganz dunklen müsste alles andere sehr hell sein.“ „Okay“, nickte Dean. „Dann war die Entscheidung ja gar nicht so schwer. Nehmen wir die.“ „Lass uns warten, was die Frauen dazu sagen“, lachte Sam. „Immerhin hoffen wir darauf, dass sie mal mit einziehen.“ „Klar, aber ich finde es schon mal gut, dass wir uns einig sind. Vielleicht kann ich die Möbel ja morgen bestellen.“ Sam nickte und Dean schob die Möbel beiseite und nahm sich die Prospekte von den Küchengeräten. Er war noch zu keiner Entscheidung gekommen, als es klingelte und die Frauen vor der Tür standen. Sam öffnete die Tür. „Hey“, begrüßte er sie und gab Amita einen innigen Kuss. Auch Dean erhob sich, zog Madeleine in seine Arme und gab ihr ebenfalls einen langen Kuss. Dann schob er sie ein Stück von sich, um sie ausgiebig mustern zu können. Madeleine trug eine helle Bluse, eine helle Jacke und Jeans. Sie hatte ihre kurzen Haare mit Gel in Form gebracht. Amita trug eine Jeans, eine weiße Bluse und darüber eine schwarze Jacke. Ihre Haare fielen ihr in großen Wellen über die Schultern. „Danke“, lächelte sie. „Ihr seht umwerfend aus. Nehmt ihr uns so überhaupt mit?“ „Ohne dich würde ich nicht fahren!“, erklärte Madeleine und gab Dean noch einen Kuss. Amitas Blick fiel auf die Prospekte. „Was habt ihr denn da?“ „Küchenmöbel. Wir waren gestern los und haben uns beraten lassen.“, begann Dean. „Und jetzt wollten wir wissen, was euch so gefällt“, ergänzte Sam. Amita und Madeleine setzten sich und begannen die einzelnen Bilder jede für sich zu sortieren. Letztendlich blieben die Weiße, die Smaragdgrüne und die Holzküchen übrig. „Die Grüne ist toll“, sagte Amita, „aber wohl in ein paar Jahren wohl nicht mehr so.“ „Welche habt ihr gewählt“, wollte Madeleine von den Brüdern wissen. „Die“, sagte Dean und deutete auf ihre Wahl. „Die haben wir alle mit ausgesucht“, sagte Amita. „Dann werde ich die morgen bestellen. Ich habe ja noch Zeit“, sagte Dean und legte das Blatt ganz nach oben. „Aber jetzt lasst und los.“ Er nahm seine Jacke und schaute zu Madeleine. „Lässt du deinen Wagen hier? Ich kann dich morgen herbringen. Ich will auch zeitig los.“ Madeleine nickte. Dean wollte diese Nacht bei Madeleine verbringen. Gemeinsam fuhren sie vom Parkplatz und trafen auch fast zeitgleich vor dem Pub ein. Madeleine war total auf diese Ruby gespannt. Wie würde ein Dämon aussehen und wieso war der mit einem Menschen zusammen? Nick war doch ein Mensch? Wusste er davon, was diese Ruby war? Dean parkte den Impala neben dem Wagen seines Bruders. Er wollte gerade aussteigen, als Madeleine ihm die Hand auf den Arm legte. Fragend schaute er zu ihr. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Ich meine … diese Ruby. Wie soll ich denn mit ihr umgehen?“ „Wie mit jedem anderen Menschen auch.“ „Sie ist aber kein Mensch!“ Dean atmete durch. „Nick und Ruby sind Freunde. Menschen“, er schnaufte, „Wesen, die wissen was wir getan haben. Mit Nick haben wir mehrfach zusammengearbeitet und Ruby? Sie hat mir nicht nur einmal das Leben gerettet. Ohne sie wäre ich heute nicht hier.“ Er schloss kurz die Augen. „Ich kann dich nicht zwingen, dich mit ihr zu treffen und wenn du willst, fahren wir wieder!“ „Nein, ich ... Dämon klingt so angsteinflößend.“ „Das sollte es auch sein“, nickte Dean ernst. „Ruby ist ein Dämon und sie ist angsteinflößend, denke ich. Für uns war sie das nie. Sie war nervig, aufdringlich, rechthaberisch und ich habe sie nicht nur einmal zur Hölle gewünscht. Selbst als Sam ihr schon vertraute. Ich meine, ich war ein Jäger, sie ist ein Dämon. Das schließt sich schon von Hause aus aus. Aber sie war es, die mir das Leben gerettet hat. Niemand sonst hätte es tun können und sie hätte es nicht gemusst. Sie hatte die Ruhe, mir wieder auf die Beine zu helfen und sie ist da, wenn ich sie wirklich brauche.“ „Was empfindest du für sie?“ „Ich vertraue ihr!“ Dean sah Nick ankommen und seinen Bruder vor dem Impala von einem Fuß auf den anderen treten. Er öffnete die Tür und stieg aus. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Madeleine ihm folgte. Madeleine stellte sich neben Dean und schaute dem Pärchen entgegen, dass auf sie zu steuerte. Intensiv musterte sie die Frau. Sie sah ganz normal aus! Jeans, braune Stiefel mit hohen Absätzen und unter der braunen Lederjacke trug sie ein dunkles Shirt mit Wasserfallkragen. Die blonden Haare hatte sie locker hochgesteckt. Sie trug einen Seitenscheitel und ein paar lange Ponnyfransen hingen ihr ins rechte Auge. Lächelnd kam sie auf die Brüder zu. „Sam, Dean! Schön euch zu sehen.“ „Ruby“, freute sich Sam und reichte ihr die Hand, bevor er Nick in eine Umarmung zog. Dean musterte sie mit schief gelegtem Kopf. Etwas war anders oder lag es am Licht hier? „Dean“, sprach sie ihn an und trat zu ihm. Sie wusste, was ihn beschäftigte, doch sie konnte ihm dafür keine Erklärung geben. Jetzt jedenfalls nicht! „Ruby“, begrüßte er sie etwas heiser und zog sie in eine feste Umarmung. „Kann es sein, dass du ... heller bist?“, fragte er so leise gegen ihre Schulter, dass nur sie es hören konnte. „Ich bin ein Dämon, Dean“, lachte sie und schon ihn von sich. „Sonst wird Nick noch eifersüchtig!“ Der hatte inzwischen Sam begrüßt. „Nick, das ist meine Freundin, Amita. Amita, Nick.“ Die Beiden gaben sich die Hand. „Bist du nicht eifersüchtig? So wie Dean mit Ruby ...“, stichelte Sam gutmütig. „Warum sollte ich. Ich weiß wie er zu ihr und sie zu ihm steht“, erklärte Nick lächelnd. Ruby kam zu ihnen. Dean stellte sich neben Madeleine, legte seinen Arm um sie und zog sie fest an sich. „Maddie? Das sind Ruby und Nick. Ruby, Nick. Das ist Madeleine Fisher, meine Freundin. Hoffe ich“, nuschelte er leise. „Lasst und reingehen“, schlug Nick vor und wandte sich zur Tür. Ruby hakte sich bei ihm ein. Die Brüder tauschten einen verwunderten Blick, denn die Geste sagte ihnen so viel mehr. „Können wir das mit der Sicherung unseres Grundstücks dieses Jahr noch machen?“, wollte Sam nach dem Essen von Ruby wissen, als Amita und Maddie zur Toilette gegangen waren. „Euer Grundstück ist ziemlich groß“, sagte sie. „Am nächsten Sonntag ist wieder Vollmond. Ich muss noch ein paar Pflanzen sammeln, dann können wir in 2 Wochen damit loslegen. Außerdem solltet ihr Wacholder in dem Waldstreifen pflanzen.“ „Wie viel?“, wollte Sam wissen. „Alle 10 bis 15 Meter.“ „Werden wir. Sag mal, der Schutz, den du aufbaust? Kann man den entfernen und wieder aktivieren oder musst du jedes Mal da sein und … keine Ahnung neue Pflanzen nehmen?“ „Nein. Oder ja.“ Ruby lächelte. „Es sind Hexenbeutel, die in einer bestimmten Entfernung zueinander platziert werden. Du kannst jederzeit einen oder zwei wegnehmen und der Schutz wird aufgehoben. Hängst du sie wieder auf, ist der Schutz wieder aktiv.“ „Gut“, nickte Sam. Es war immer gut so etwas zu wissen. „Wie geht es eigentlich Jody und Bobby?“, wollte Nick etwas später am Abend wissen. „Waren jetzt nicht irgendwann die Wahlen?“ „Ja“, nickte Dean. „Sie hat sie verloren. Ihr Deputy hat sie schlecht gemacht, wo immer er konnte.“ „Das ist eine Schande“, erklärte Nick. „Aber so etwas funktioniert immer wieder. Leider.“ „Was will sie jetzt machen?“, wollte Ruby wissen. „Wir, das heißt eher Dean, haben ihnen vorgeschlagen hierher zu kommen“, berichtete Sam. „Sie haben sich noch nicht entschieden. Aber wenn du jemanden suchst ...“ Er schaute Nick in die Augen. „Ich denke darüber nach“, antwortete Nick. „Ein Agent geht demnächst in den Ruhestand und einer will ins Büro nach Indianapolis. Sie soll sich einfach melden, wenn sie Lust hat.“ „Danke!“ Dean strahlte ihm warm an. Wenn sie wirklich herkämen, war das schon mal eine gute Option. Der Abend verging wie im Fluge. Madeleine brauchte etwas, um mit Ruby warm zu werden, doch ihre offene Art konnte sie einfach nicht ablehnen. Und wenn ein Mensch, der wusste wer sie war, sogar ihr Partner sein konnte, konnte sie sie nicht ablehnen. Weit nach Mitternacht trennten sich die sechs und sie waren sich sicher, dass sie diesen Abend wiederholen würden. Dean fuhr mit zu Madeleine und Amita übernachtete bei Sam. Am Montagmorgen fuhr Dean als erstes zu Stan. Kaum hatte er geklingelt, öffnete ein Mann, den er erst auf den zweiten Blick als den Hausbesitzer erkannte. „Hey“, grüßte er und versuchte den Kloß herunterzuwürgen, der sich plötzlich in seinem Hals bildete. „Dean!“, freute sich Stan. „Wie geht es dir?“ „Das sollte ich wohl eher dich fragen.“ „Ich ... Komm rein“, sagte Stan, nahm die Krücke von der Wand und ging in sein Büro. Er holte eine Flasche Whiskey aus der Schublade und zwei Gläser und goss ihnen ein. „Es geht. Ich warte auf das Taxi.“ „Wolltest du nicht erst morgen fliegen?“ „Schon. Aber irgendwie hat es sich letztendlich so ergeben. Ich hatte dir einen Brief geschrieben“, er zeigte auf das Blatt auf dem Schreibtisch. „Den wollte ich gerade fertig machen und dir schicken.“ „Dann ist es ja gut, dass ich hier bin. Ich habe noch was für dich.“ Dean holte eine eingepackte Flasche aus der Jacke. „Ich hoffe, du denkst hin und wieder an mich“ Stan lächelte. „Darauf kannst du dich verlassen!“ Er holte den Schlüssel aus seiner Tasche und reichte ihn dem Winchester. „Ich wünsche dir alles Gute und viel Glück!“ Sie stießen an und leerten ihre Gläser. Bevor die Stille peinlich werden konnte, klingelte es erneut. Stan öffnete. Vor der Tür stand eine Frau, ein paar Jahre älter als Dean. „Hallo!“, grüßte sie. „Dean, meine Tochter Eva“, stellte Stan sie einander vor. „Können wir, Dad?“, fragte sie und nahm den Koffer. Stan wandte sich noch einmal den Winchester zu. Er umarmte ihn herzlich. „Pass auf dich auf!“, sagte Stan. „Du auch“, erwiderte Dean heiser. Er beobachtete, wie der Freund zu seiner Tochter ins Taxi stieg und wegfuhr. Er schnaufte. Wieder ging ein Kapitel in seinem Leben zu Ende, ein kurzes zwar, aber trotzdem. Aber vielleicht konnte er hier ja bald ein neues aufschlagen? Er schloss die Tür und fuhr zum Hauptquartier. Der Termin mit Chief Reed stand noch an. Kapitel 123: Sail Away ---------------------- 123) Sail Away Dean kam nicht dazu zu klopfen, als auch schon die Tür des Sekretariats aufgerissen wurde. „Winchester“, stellte Chief Reed etwas atemlos fest. „Chief“, Dean nickte. „Kommen Sie rein! Tut mir leid, dass ich Sie so zwischen Tür und Angel abfertigen muss. Der Bürgermeister will mit mir sprechen.“ Er drehte sich zu seiner Sekretärin, die ihm schon einen Briefumschlag hinhielt. „Hier sind Ihre Versetzungspapiere. Sie fangen am Zweiten auf der Wache 3 in der 2. Schicht in der Rüstgruppe an. Ich teile Sie als zweiten Mann unter Captain Trudeau ein. Vorerst noch als einfacher Feuerwehrmann. Schauen Sie ihm viel über die Schulter! Von ihm können Sie viel lernen.“ Dean konnte nur nicken. „Jetzt muss ich Sie leider auch schon wieder rausschmeißen. Den Bürgermeister lasse selbst ich nicht warten.“ Der First Chief verzog das Gesicht und trat in den Gang hinaus. „Viel Glück“, wünschte Mrs. Milton. „Danke“, lächelte Dean. „Die Chiefs Ihrer alten und Ihrer neuen Wache sind auch schon informiert.“ „Okay, nochmals Danke!“, verabschiedete sich Dean. In Gedanken versunken ging er zum Parkplatz. Dass dieser Tag kommen würde, hatte er gewusst. Für ihn gab es auf der 17 keinen Platz, zumindest nicht in der Schicht. Es war immer nur die Notlösung gewesen. Allerdings hatte er sich mit dieser Notlösung wohl gefühlt. Jetzt wartete die 3 auf ihn. Die Wache, die auch die Uni mit einschloss. War sie der Endpunkt seiner Reise? Er trat auf den Parkplatz und ging zu seinem Wagen. „Was denkst du, Baby?“, fragte der seine schwarze Schönheit. Sanft ließ er seine Finger über die A-Säule gleiten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch Zeit hatte, bevor Sam von seiner Schicht im Supermarkt nach Hause kam. Er beschloss einkaufen zu fahren. Dann konnte er gleich noch eine Kiste voll Muffins für morgen backen. Als Sam die Wohnungstür öffnete, wehte ihm eine Mischung aus frisch Gebackenem und gebratenem Fisch entgegen. „Hm“, ließ er verlauten. „Die Mischung ist gewöhnungsbedürftig.“ Er schaute auf den gedeckten Tisch. „Setz dich“, sagte Dean. Er mischte den Salat aus grünen Bohnen und Tomaten noch einmal durch und stellte die Schüssel auf den Tisch, bevor er Lachs und Süßkartofflspalten aus dem Ofen nahm. „Daran kann ich mich gewöhnen“, lachte Sam und holte Bier aus dem Kühlschrank. „Wie war dein Tag?“, fragte Dean. „Wie jeder Montag im Supermarkt. Nichts Aufregendes.“ „Und deiner? Wie geht es Stan und wie war der Termin beim Chief?“ „Stan ist jetzt wahrscheinlich schon in seiner neuen Wohnung in Florida und lässt sich die Sonne auf den Bauch brennen“, begann Dean. „Wollte er nicht erst morgen fliegen?“, fragte Sam. „Ja, wollte er. Ich bin eigentlich nur hingefahren, um mich wieder anzumelden und um ihn zu fragen, ob er noch Hilfe braucht. Da erwische ich ihn kurz bevor das Taxi kommt.“ „Das ist ja blöd.“ „Er hatte mir einen Brief geschrieben, aber ich bin schon froh, dass ich mich richtig verabschieden konnte.“ „Jetzt bist du also Schrottplatzbesitzer!“ „Sieht so aus“, nickte Dean. „Und der Termin beim Chief?“, bohrte Sam noch einmal nach. „Morgen in einer Woche bin ich in der Rüstgruppe auf Wache 3.“ „WOW! Dean! Das ist toll! Endlich ein fester Platz! Als Lieutenant?“ „Nein. Als Feuerwehrmann. Ich soll dem Captain über die Schulter schauen und lernen. Einiges habe ich ja bei Cooper schon mitbekommen, aber ich bin echt froh darüber, dass ich noch nicht die volle Verantwortung tragen muss.“ Sam lächelte. „Deshalb der Backmarathon?“ „Naja, fast. Ich hatte versprochen Muffins mitzubringen, wenn ich aus dem Urlaub komme und jetzt hau rein!“ Gemütlich aßen sie und Sam berichtete, dass er mit Mity gesprochen hatte und sie wieder in Bloomington war. Er hatte sich am Freitag mit ihr und Tylor verabredet. Amita würde auch mitkommen. „Wenn du Lust hast, kannst du dich gerne anschließen. Madeleine natürlich auch.“ „Ich denke drüber nach“, antwortete Dean. „Und ich rede mit Madeleine.“ Eigentlich hatte er vor zum Haus zu fahren, aber ein Abend mit Tylor und Mity wäre sicher lustiger. „Wenn, dann aber nicht so lange. Samstag muss ich arbeiten“, sagte er und überlegte laut. „Nächste Woche will ich im Haus loslegen. Küche und Essecke und am Wochenende mit Chris und Mac die Heizung im Wintergarten anbringen. Esszimmer und Kaminzimmer und die Garderobe können auch gestrichen werden. Danach kann ich dann oben anfangen. Soll ich nicht doch deine Seite ...“ „Nein Dean. Die Münzen haben gesprochen! Du beginnst mit deiner Seite!“ Sie räumten ihre kleine Wohnung wieder auf und machten es sich auf der Couch gemütlich. Am nächsten Morgen packte Dean die Kartons mit den Muffins ein und fuhr zur Arbeit. Er betrat die Feuerwache und konnte es noch immer nicht richtig fassen, wie schnell sich plötzlich alles verändert hatte. Vor 7 Monaten wollte er alles hinzuschmeißen. Jetzt hatte er die Versetzung zu seiner endgültigen Wache in der Tasche und würde dort sogar in der Rüstgruppe arbeiten können. Vom Dämonenjäger zum angesehenen Bürger fast in Lichtgeschwindigkeit. Er grinste. Alles fühlte sich richtig an. Das machte die Erniedrigungen als Anwärter zwar nicht wett, aber die Erinnerungen daran waren inzwischen weniger schmerzhaft. Er stellte die Kartons in der Küche ab und ging sich umziehen. Als er wieder in die Küche kam, kreisten seine Kollegen schon um die Kartons. „Die bleiben noch zu!“, erklärte er grinsend und nahm sich einen Becher Kaffee. „Die gibt’s erst, wenn alle da sind!“ Josh und Tom verdrehten die Augen. „Aber wir können doch schon mal schauen. Vielleicht will ja nicht jeder einen!“, erklärte Josh treuherzig. „Du wirst doch wohl noch die halbe Stunde warten können!“ Dean schüttelte den Kopf. Er trank einen Schluck. „Win?“, Chief Bradley stand in der Tür. „Chief“, meldete er sich und nickte ihm grüßend zu. „Ich möchte Sie in meinem Büro sprechen.“ „Komme“, sagte Dean und stellte seinen Becher auf den Tisch. „Schrei, wenn du Hilfe brauchst!“ Josh hielt ihn kurz am Arm fest. „Werde ich“, lachte Dean. „Hauptsache du lässt die Finger von meinem Kaffee und den Muffins!“ „Wenn du noch schreien kannst“, frotzelte Tom. „Der Chief hat auch schon sehnsüchtig auf die Kartons geschaut.“ „Vielleicht sollte ich die dann lieber mitnehmen?“ „Ach komm schon!“, warf Tom ein. Dean blickte ihn noch einmal drohend an, dann ging er zum Chief. Sofort griff John sich Deans Kaffee und kippte eine Handvoll Zimt hinein. Er rührte ordentlich um und stellte den Becher zurück. Breit grinsend nahm er sich selbst einen Kaffee und setzte sich auf einen Stuhl. Dean klopfe an der Tür und trat ein. „Ich habe hier Ihre Versetzungspapiere“, begann Battalion Chief Bradley. „Sie haben also endlich ihre erste feste Stelle.“ Dean nickte. „Der First Chief hat mich gestern informiert.“ „Sie fangen in der Rüstgruppe an. Trudeau ist ein guter Mann. Gerecht.“ Wieder nickte Dean. Was sollte er auch sagen. „Ich wäre gerne hiergeblieben“, gestand er. „Wir verlieren Sie sehr ungern. Aber ich denke, in dieser Schicht werden Sie Ihren Platz finden. Sie werden sich schnell einleben und der 24-Stunden-Dienst wird Ihrem Nebenjob besser bekommen.“ „Sie fangen doch auch bald damit an.“ „Erinnern Sie mich nicht daran. Ich hoffe, die Umstellung geht so problemlos über die Bühne wie angedacht. So und jetzt raus mit Ihnen und bewachen Sie die Kartons!“, lachte Bradley. „Chief“, Dean nickte und verließ das Büro. Bradley schaute ihm hinterher. Er verlor diesen Mann wirklich ungern, auch wenn er von Anfang an gewusst hatte, dass dieser Tag kommen würde. Und wenn er daran zurückdachte, wie sehr er sich gegen ihn gesperrt hatte. Er schüttelte den Kopf. Dean Winchester würde seinen Weg gehen, das stand für ihn fest, wie das Amen in der Kirche. 5 Schichten, einschließlich der heutigen, blieben dem Winchester hier noch und er würde ihn noch einmal in jede Truppe stecken. Heute war er im Rettungswagen eingeteilt, morgen und Donnerstag die Rüstgruppe und Freitag und Samstag auf der Drehleiter. Dean ging wieder in die Küche. Er griff nach seinem Kaffeebecher. Ein intensiver Geruch nach Zimt ließ ihn innehalten. Er schaute zu Josh und Tom und schüttelte den Kopf. Demonstrativ schüttete er den Kaffee weg, spülte seine Tasse aus und nahm sich neuen aus der Kanne. Der Chief kam in die Küche. Sein Blick fiel auf die Kartons. Er nahm sich ebenfalls Kaffee. „Ist das Ihr Ausstand?“, fragte er leise. „Ich könnte Freitag noch mal kochen“, schlug Dean vor. „Klingt gut und wann wird das Geheimnis der Kartons gelüftet?“ „Wenn Sie Josh und Tom von hier wegkriegen, damit der Rest erstmal in Ruhe aussuchen kann?“ Dean grinste kurz. Viel zu gut wussten hier alle, wie verfressen die Beiden waren. Der Chief nickte. Er drehte sich um. „Brolin, Duke. Habt ihr nicht Küchendienst? Der Mülleimer quillt über, Kaffee ist fast leer. Was ist das für eine Schlamperei?“ „Wir wollten nachher einkaufen gehen“, erklärte Tom kleinlaut. Der Chief nickte knapp. „Dann räumt wenigstens den Saustall hier auf!“ Josh sammelte die Sachen ein, die rumlagen und brachte sie in den Umkleideraum und Tom brachte den Müll nach draußen. Dieser kurze Augenblick reichte, damit Dean die Kartons auf der Theke verteilen und öffnen konnte. Sofort waren alle da und bedienten sich. Tom und Josh machten lange Gesichter, als sie wiederkamen. „Das ist gemein!“, schimpften sie. „Jetzt ist bestimmt nichts mehr da!“ „Wenn ihr die Ersten gewesen werd, ja. So hat sich jeder einen genommen“, sagte Gillian. Dean nahm einen Karton und hielt ihn Josh unter die Nase. „Okay“, sagte der, noch immer schmollend, und nahm sich einen Muffin. Tom folgte seinem Beispiel. „Geht doch“, lachte der Chief. Gleich darauf ertönte der Alarm und Dean musste mit dem Rettungswagen los. Die Woche verging viel zu schnell! Am Samstag fuhren Dean und Cooper einkaufen. Ein letztes Mal wollte Dean hier kochen. Er hatte seine Kameraden gefragt, was sie gerne mochten und er hatte mit allem Möglichen Aufwendigem gerechnet, doch nein, sie wollten einen Chicken-Pot Pie oder Shepards-Pie haben. Dean wollte mal schauen, was es gab. „Schon verrückt. Von der 39 konnte ich nicht schnell genug wegkommen und jetzt würde ich gerne bleiben.“ „Das spricht doch für uns“, freute sich Gillian. „Aber wir lassen dich auch ungern gehen. Nicht nur weil du uns so gut bekochst.“ „Das müsst ihr demnächst selbst übernehmen. Zeit genug hattet ihr, um euch was abzuschauen.“ „In der Beziehung sind wir wohl lernresistent.“ Cooper zuckte mit den Schultern. „Dann kann ich euch nicht helfen!“ Am Ende dieser Schicht packte Dean seine Sachen in einem Karton zusammen, als Cooper in den Umkleideraum kam. „Komm mal schnell mit!“, forderte der ihn auf. Irritiert schaute Dean ihm hinterher. Er zuckte die Schultern, legte sein Shirt in den Karton und folgte ihm. Die gesamte Schicht stand da und empfing ihn johlend. „Was...?“, fragte Dean irritiert. Chief Bradley trat vor ihn. „Wir wollen Sie gebührend verabschieden. Immerhin haben Sie uns ein halbes Jahr lang vor einem Cholesterinschock bewahrt.“ Er grinste. „Wir haben gerne mit Ihnen gearbeitet und wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrer neuen Wache.“ Cooper, der zu Beginn der kleinen Rede nach hinten gegangen war, kam jetzt mit einer Axt wieder. Er reichte sie Dean. „Von uns allen. Sie soll immer auf dich aufpassen!“ „Danke“, krächzte Dean. Er nahm die Axt. „Wache 17“ war auf dem Stiel eingebrannt und alle hatte unterschrieben. „Die bekommt einen besonderen Platz“, erklärte er schniefend. „Ihr macht‘s mir noch schwerer!“ „Das war beabsichtigt“, lachte Josh heiser. „Und wir freuen uns natürlich über eine Einladung zu einem Umtrunk, um deinen Ausstand gebührend zu begießen!“ „Erstmal muss ich meinen Dienstplan haben. Dann können wir zumindest darüber nachdenken“, wehrte Dean ab. „Jetzt lasst ihn in Ruhe packen, sonst ist er noch froh hier rauszukommen und will nie wieder was mit uns zu tun haben“, warf der Chief ein. „Außerdem treten die Nächsten schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen!“ Langsam trollten sich Deans, jetzt wohl, ehemaligen Kollegen, nicht jedoch, ohne ihm persönlich noch einmal alles Gute zu wünschen. Zum Schluss stand nur noch Cooper im Raum. „Ich helfe dir“, sagte der und ging mit Dean in den Umkleideraum. Gemeinsam trugen sie Uniformen, Axt und das bisschen, was Dean an privatem Kram hier hatte zum Impala. „Bleibt es bei morgen?“, wollte Cooper wissen. „Ich bin morgen im Haus“, erklärte Dean und nickte. „Aber willst du deinen freien Tag nicht lieber mit der Familie verbringen?“ „Denen gehe ich noch lange genug auf den Geist“, sagte Cooper. „Also wann?“ „Ab acht, denke ich.“ Dean stieg ein und startete den Wagen. Cooper klopfte kurz auf das Dach, dann rollte der Impala vom Platz. Kapitel 124: Freunde -------------------- 124) Freunde Lediglich die Axt nahm Dean mit in ihre Wohnung. Der Rest konnte im Kofferraum bleiben, den würde er am Dienstag wieder brauchen. „Was schleppst du denn da an?“, fragte Sam. „Hast du dir Arbeit mit nach Hause gebracht?“ „Die habe ich als Abschiedsgeschenk bekommen“, erklärte der noch immer heiser. „Du wechselst nicht gerne, kann das sein?“ „Wenn ich könnte, würde ich bleiben. Aber das war immer nur als Notlösung gedacht und ich freue mich auf meine erste richtige Wache. Trotzdem war so ein Abschied schon blöd und irgendwie weiß ich jetzt auch wieder, warum ich mir nie viel Mühe gegeben habe, Freunde zu finden, als wir noch ständig umgezogen sind, als Kinder.“ Sam nickte. Auch wenn Dean immer den harten Hund markiert hatte, so wusste er es inzwischen besser und diese Aussage bestätigte seine Annahmen. Dean hatte es immer vermieden, jemanden zu sehr an sich heranzulassen aus Angst, dass der wieder verschwand. Dean hatte Bindungsangst und er würde auf ihn achtgeben müssen, sollte das mit Madeleine irgendwann auseinander gehen. Er deutete auf die Axt. „Wo soll die hin?“ „Erstmal stelle ich die in mein Zimmer. Im Haus findet sich dann schon ein Platz, denke ich.“ Gemeinsam brachen sie am Abend zu dem Treffen mit Mity und Tylor auf. Madeleine musste für eine Kollegin einspringen und Amita passte auf die Kinder ihrer Schwester auf, weil deren Babysitter sie versetzt hatte. Aber morgen würden sie zusammen ausgehen. Karan wollte sich bei ihnen für diesen Auftrag bedanken und hatte Karten für das Varieté gekauft. Schnell stellte sich das alte Vertrauen wieder ein, dass die Vier vor den Semesterferien hatten. Sie schwatzen, alberten herum, tranken Bier und spielten einigen Runden Pool, bevor sich Dean kurz nach Mitternacht von der Runde verabschiedete. Sonntagmorgen schaffte er es gerade, das Werkzeug rauszuholen und einen kurzen Rundgang zu machen, bevor Chris und Mac eintrafen. Gleich darauf kam auch Cooper. Dean spendierte ihnen einen Kaffee, dann legten sie los. Es dauerte fast den ganzen Tag, die Platten im Wintergarten anzubringen. „Lass uns für heute Schluss machen“, schlug Dean vor. „Es macht nicht wirklich Sinn heute noch oben anzufangen.“ Die drei anderen nickten. Sie räumten zusammen und Dean lud sie noch auf Kaffee und Kuchen in der kleinen Bäckerei ein. „Wann geht’s weiter?“, fragte Cooper und pustete in seinen Kaffee. Dean starrte ihn an und schüttelte den Kopf. „Was?“, fragte der irritiert „Dass ihr euch regelrecht darum drängelt, in einem Haus zu arbeiten, von dem ihr nichts habt“, sprach Dean seinen Gedanken aus und schüttelte noch einmal mit dem Kopf. „Du hattest wirklich nie Freunde, oder?“, fragte Chris leise. „Ich war vier als Mom starb. Danach gab es für uns keine heile Welt mehr. Wir sind von Ort zu Ort gezogen. Wie sollten wir da Freunde finden?“ Deans zuckte mit den Schultern und seine Stimme klang so teilnahmslos, dass es nicht nur Chris einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Freunde sind füreinander da und fragen nicht, was ihnen was bringt. Und was wir davon haben? Freundschaft! Irgendwann brauchen wir vielleicht eine starke Hand, eine Schulter zum Festhalten oder einfach jemanden zum Reden oder auf ein Bier und dann bist du für uns da. Hier wird nichts aufgerechnet.“ Dean starrte in seinen Kaffee und nickte. Das war noch immer neu für ihn, neu und unfassbar. Freundschaften, solche Freundschaften kannte er nur aus dem Fernsehen, auch wenn die in den letzten Monaten für ihn greifbar zu sein schienen. Er musste noch lernen, dass es die wirklich in seinem Leben gab, dass Menschen bereit waren zu geben, ohne eine direkte Gegenleistung zu erhalten. Cooper legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich hoffe, du lernst bei deinem Umbau genug. Irgendwann werden auch wir Häuser haben, die wir umbauen wollen.“ Ein Lächeln legte sich auf Deans Gesicht als er den Kopf hob und jeden der drei anschaute. „Jederzeit!“, sagte er. Sie tranken aus, Dean zahlte und sie machten sich dann auf den Heimweg. Dean kam in ihrer Wohnung an, als Sam sein Handy wegsteckte. „Bin da.“ „Ich hatte gerade versucht dich zu erreichen“, begrüßte Sam ihn. „Ja. Ich dachte mir nur, es ist Quatsch dran zu gehen, wenn ich schon auf dem Parkplatz stehe.“ „Okay“, nickte Sam und ging in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Dean duschte schnell und war fast zur gleichen Zeit fertig, wie sein Bruder. „Ich hoffe, Amita braucht noch länger im Bad, als du“, lachte er und klopfte Sam auf die Schulter. „Und Maddie ist schneller fertig aus du?“, stichelte Sam zurück. „Kommt drauf an, was sie mit ihren Haaren macht.“ Gemeinsam verließen sie ihre Wohnung und fuhren ihre Freundinnen abholen. Gemeinsam betraten die vier die Empfangshalle des Varietés. Suchend schauten sie sich um. Sam entdeckte Karan. Er zeigte Dean die Richtung und gemeinsam gingen sie zu ihm. „Hallo“, begrüßten sich die Männer mit Handschlag. „Darf ich euch meine Frau Emily vorstellen?“, begann Karan. „Emily, das sind Sam und Dean Winchester.“ „Dr. Madeleine Fisher“, stellte Dean seine Freundin vor. „Wie kommt es, dass Sie uns hierher einladen? Machen Sie das mit allen Kunden?“, wollte Madeleine sofort wissen. „Sicher nicht“, lachte Karan. „Dieser Auftrag ist etwas ganz Besonderes und ich wollte mich bedanken, dass wir dabei mitmachen dürfen. Außerdem denke ich, dass Dean und Sam inzwischen schon fast zu guten Freunden geworden sind.“ Sie unterhielten noch eine Weile, bis es Zeit war, zu ihrem Tisch zu gehen. Dean schaute etwas verdattert auf den gedeckten Tisch. ‚Gab es hier Essen?‘ Ihm sollte es recht sein. Artisten, Zauberkünstler und Jongleure traten teilweise mitten zwischen den Tischen auf und die Häppchen, die Dean anfänglich sehr skeptisch beäugt hatte, waren so ausreichend, dass sogar er satt wurde. Sie amüsierten sich prächtig und der Abend verging viel zu schnell. In der Nacht zum Dienstag drehte sich Dean immer wieder unruhig von einer Seite auf die andere und es war egal, dass er sich einen dummen Trottel schimpfte, dass er sich sagte, dass es nur ein weiterer erster Tag in seinem Leben war. Er kam nicht zur Ruhe und als er dann doch irgendwann einschlief, träumte er wirres zusammenhangloses Zeug und war froh, als sein Wecker klingelte. Er stand auf und schlurfte ins Bad. Sam war ebenfalls aufgestanden, kochte Kaffee und schnibbelte Obst klein, dass er auf zwei Schalen Müsli verteilte, die er auf den Tisch stellte. Er trug Kaffee zum Tisch und setzte sich. Gleich darauf kam Dean ins Zimmer und ließ sich auf seinen Platz fallen. Seine Hände schlossen sich um die Tasse. Er inhalierte das Aroma. „Du solltest was essen!“, bat Sam ruhig und schob ihm die Schüssel näher. „Keinen Hunger.“ „Ich weiß. Trotzdem!“, Sam steckte den Löffel in das Müsli und kippte Milch darüber. Dean schnaufte, nahm aber den Löffel und begann langsam zu essen. „Aber frag mich bitte nicht, was ich da gegessen habe“, sagte er als er aufstand. „Es schmeckte wie Pappe.“ „Gut, dass ich weiß, warum, sonst wäre ich glatt beleidigt gewesen.“ „Danke, Sammy“, sagte Dean leise und drückte seine Schulter. Dann ging er. Bei der Wache angekommen, suchte er sich einen Parkplatz für sein Baby, nahm die Einsatzkleidung und ging hinein. Es war ein einfacher, unscheinbarer, einstöckiger Bau, der jedoch von innen frisch renoviert worden war. Es roch noch nach Farbe. In der Halle standen schon ein paar Feuerwehrleute. Die hatte es wohl noch eher als ihn hierhergetrieben. Auch Chief Reed war da und stand mit einer Gruppe zusammen. Dean nickte ihm grüßend zu, als sein Blick ihn kurz streifte. Ein Captain, seinen Streifen nach, blickte ihm entgegen. „Bringen Sie Ihre Sachen in den Umkleidebereich und kommen dann wieder her.“ Dean nickte und ging in die Richtung, die der Captain ihm gewiesen hatte. „Hey“, grüßte er den Mann, der ebenfalls gerade seine Sachen wegräumte und hängte seine Sachen an einen Spint. Er öffnete die Tür daneben und wollte die gerade einräumen, als der Mann nach seiner Jacke griff. „Win?“, fragte der und deutete auf den Schriftzug am unteren Teil des Rückens. „Ganz schön anmaßend!“ „Hab ich nicht draufgeschrieben“, erklärte der Winchester schulterzuckend. Er zog sich um, schrieb seinen Namen auf das Schild an der Tür und ging wieder in die Halle. „Kann ja jeder sagen“, hörte er den Mann hinter sich maulen. Na, das konnte ja heiter werden. Nach und nach trudelten die Anderen ein. Alle wurden in den Umkleidebereich geschickt und kamen danach wieder. Einige gesellten sich zu jemandem, der schon wartete und unterhielt sich mit ihm, andere blieben, gleich Dean, eher alleine stehen und beobachteten die Neuankömmlinge. Bis jetzt hatte er noch keinen von der 39 gesehen und er hoffte, dass das so bleiben würde. Pünktlich 7 Uhr zerriss ein Pfiff das unterschwellige Gemurmel. Sofort kehrte Stille ein. ‚Als Chef muss man hier wohl pfeifen können‘, überlegte Dean. Da standen seine Chancen ja gar nicht so schlecht, denn das konnte er. Damit hatte er Klein-Sammy mal fast in einen Wutanfall getrieben, als das tagelang immer wieder geübt hatte. „Guten Morgen“, grüßte Chief Reed. „Ab heute sind sie die zweite Schicht der Wache 3. Sie sind für den nördlichen Teil unserer Stadt zuständig und für das Universitätsgelände. Diese Schicht wurde neu zusammengestellt. Ich hoffe, sie kommen gut miteinander aus. Battalion Chief Foster ist ihr Vorgesetzter.“ Chief Reed wandte sich an den Mann neben sich. “Chief!“ Er trat zurück. Battalion Chief Foster trat an seine Stelle. „Guten Morgen. Sie tragen zwar alle Namensschilder, aber ich denke, wir beginnen mit einer kurzen Vorstellung.“ Dean verdrehte die Augen. Was sollte das denn? Es wurde jedoch nicht so schlimm, wie Dean es sich vorgestellt hatte. Battalion Chief Foster bat seine Männer lediglich sich zu ihrem Lieutenant, wenn es um die Drehleiter ging, oder Captain, für die Rüstgruppe, zu stellen, sobald er sie aufrief. Er begann mit der Drehleiter. Lt. Duane Murray bekam Evan Vargas, James Serano, Jared Harper, José Sanders und Max Henderson an die Seite gestellt. Die Rüstgruppe bestand aus Captain Trudeau, Dean, Robert Urban, Patrick Dexter und Keanu Park. Ergänzt wurden sie von Stephanie Olson und Fleur Devine, die für den Rettungswagen zuständig waren. „Mr. Vargas, Sie sind die rechte Hand von Lt. Murray, Mr. Winchester, Sie bei Captain Trudeau.“ Evan Vargas und Dean nickten kurz. „Gut. Das war‘s fürs Erste. Kochen und Putzen wird jeder mal, es sei denn jemand drängelt sich vor.“ Der Chief schaute in die Runde, doch keiner seiner Untergebenen schien den unbändigen Drang nach diesen Beschäftigungen zu verspüren. Dean wollte sich auch nicht vordrängeln. Er musterte den Typen, mit dem er im Umkleideraum zu tun hatte. Jared Harper. Der sich jedoch nicht weiter um ihn zu kümmern schien. Gut. Er wollte hier keinen Ärger. Der Battalion Chief schaute auf seine Liste. „Gut, dann Mr. Harper, wenn ich sie bitten darf Kaffee zu kochen?“ Der nickte und ging in den Küchenraum. „Mr. Trudeau, Mr. Murray, in einer halben Stunde in meinem Büro.“ Die beiden nickten. „Dann wünsche ich uns allen viel Erfolg und wenige Einsätze.“ Alle lachten leise. „Machen sie sich mit ihrer Wache bekannt“, beendete er diese kurze Einführung. Kapitel 125: Walking in mey shoes --------------------------------- 125) Walking in my shoes Auch Dean schaute sich um. Die Umkleide- und Duschräume hatte er ja schon gesehen. Er warf einen Blick in die Schlauchwäsche und den Ruheraum. Zurück im Aufenthaltsbereich wartete er ab, was die Männer so trieben und wie sie sich an den Tischen verteilen würden. Auf der 39 gab es keine Rüstgruppe und auf der 17 saßen die mit der Drehleiter zusammen. Chris hatte jedoch erzählt, dass die auf seiner Wache einen extra Tisch hatten. Er konnte sich ja erstmal einen Kaffee holen, dann sollten sich wohl alle sortiert haben. Dean ging in die Küche und traf auf einen ratlos dastehenden Harper. "Wir haben keinen Kaffee", erklärte der auf Deans fragenden Blick hin. "Dann sollten wir welchen holen!", beschloss Dean. "Wie war das auf deiner alten Wache? Wir hatten eine Kaffeekasse." "Wir auch." "Na dann treiben wir mal Geld ein!", entschied Dean, nahm eine Tasse und ging in den Aufenthaltsraum. Er schob sich zwei Finger in den Mund und pfiff. Sofort schauten alle zu ihm. Er musste grinsen. "Wer Kaffee will, wirft hier ein paar Scheine rein." Er hielt die Tasse hoch. "Gleich ein paar Scheine?", fragte Serano misstrauisch. "Du kannst auch gerne die erste Packung holen oder jede Tasse einzeln bezahlen", erklärte Harper ruhig und stellte sich neben Dean. "Ist ja schon gut!", grummelte Serano und holte 10 Dollar aus der Tasche, die er in die Tasse stopfte. Die Anderen folgten seinem Beispiel. "Sag mal", begann Patrick Perkins als er an der Reihe war, "bist du der Winchester, der so gut kochen kann?" "So gut?", stellte Dean sich dumm. "Romero ist mein Schwager und der schwärmt regelrecht von deinem Futter." 'Na toll', überlegte Dean. Jetzt war er wohl auf ewig Koch. "Und das heißt, dass ich jetzt hier jeden Tag kochen soll? Das kannst du vergessen. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich Koch gelernt." Herausfordernd machte Dean sich gerade. "Wenn du heute kochst?", fragte Stephanie, "und wir machen einen Plan, dass jeder mal dran ist?" Dean verdrehte die Augen, schnaufte und nickte ergeben. "Geld sollte genug da sein." Er schaute in die Tasse. "Wenn sonst nichts ist, fahren wir mal einkaufen." Er schaute auffordernd zu Jared. "Wieso ich?" "Weil du neben mir stehst?" "Solltest du nicht mit einem von der Rüstgruppe ...?", unsicher schaute Jared den Winchester an. Dean verdrehte die Augen. "Auf der Wache, von der ich komme, gab es keine Trennung zwischen Drehleiter, Rüstgruppe und Rettungswagen." "Bei uns schon." Dean schaute sich im Aufenthaltsraum um. Es gab eine gemütliche Ecke mit Sofas, Sessel und Fernseher und 5 Vierertische, die man auch zusammenstellen konnte. "Und wie wollen wir das hier handhaben?", fragte er in die Runde. "Wir arbeiten in jeder Schicht zusammen." "Ich denke, die Trennung kommt von selbst. Die müssen wir nicht noch fördern", erklärte Fleur. "Und wenn du nicht mitfahren willst, Harper, ich fahre wohl mit dem Winchester mit", bot sie sich an. So konnte sie ja vielleicht etwas mehr über den Süßen herausbekommen. Sie hatte ihn noch nie gesehen, aber das hieß ja nichts. Diese Schicht war aus Wachen der ganzen Stadt zusammengewürfelt worden. "Ich fahre mit", erklärte Harper jetzt, um diese Diskussion nicht noch weiter ausarten zu lassen. "Na also", grummelte Dean. Er stopfte sich das Geld in die Tasche und ging nach draußen. Jared folgte ihm. Im Gang, außerhalb des Sichtbereiches, standen First Chief Reed und Batallion Chief Foster. "Der nimmt das Ruder ganz schön schnell in die Hand", begann Foster. "Hoffentlich muss ich den nicht einbremsen. Er ist immer noch einfacher Feuerwehrmann." "Es zeigt, dass er führen kann. Aber keine Angst. Ich habe mit Bradley gesprochen. Er übernimmt die Führung, wenn es sein muss, fordert sie aber nicht. Sie bekommen mit ihm einen guten Mann. Bradley gibt ihn ungern ab." "Das spricht für ihn", erwiderte Foster. "Dann gehen wir mal zu unserer ersten Besprechung." Er hielt dem Chief die Tür auf. Sie hatten sich gerade gesetzt, als auch Trudeau und Murray zu ihnen stießen. Als die Vier ihre Besprechung beendet hatten, dampfte Kaffee in der Kanne und Dean stand neben der Spüle und schnibbelte etwas, das wie Kürbis aussah. Fleur und Kelly halfen ihm. Batalion Chief Foster nickte anerkennend und Chief Reed nickte lächelnd. Das Essen schmeckte, wie es roch. Lecker. Selbst Chief Reed holte sich einen zweiten Teller. "Was ist das?", wollte Foster wissen. "Ein Auflauf aus Hähnchen, Tomaten und Kürbis mit Käse überbacken", antwortete Dean. "Lecker und gesund? Respekt", nickte Foster. Dean erwiderte das Lächeln und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. Daran war doch nun wirklich nichts Besonderes! Dieser erste Tag verlief ruhig, so dass die Männer und Frauen Zeit hatten, sich zu beschnuppern. Am folgenden Tag fuhr Dean zur Werkstatt. Er hatte einen Kunden, dem er schnell helfen konnte. Danach räumte er auf und um und begann, sich einen Überblick über die Wracks zu verschaffen. Irgendwann wollte er bestimmt den einer oder anderen Wagen aufbauen. Wie schön wäre es doch, wenn Bobby hier wäre. Leider hatten weder der noch Jody sich bislang zu seinem Vorschlag ausgelassen. Aber er wusste auch, dass solche Überlegungen Zeit brauchten. Keiner zog einfach so gerne mal um, wenn er nicht Winchester hieß. Und selbst sie würden jetzt nicht mehr einfach alles stehen und liegen lassen. Selbst wenn Jody und Bobby einen Umzug in Betracht zogen, musste ein Käufer für das Haus gefunden werden. Sie mussten Bobbys Bibliothek wegbringen, die Teile für den Impala hätte er auch gerne und, und, und. Er seufzte und würde sich weiter in Geduld üben müssen. Den Donnerstag verbrachte Dean im Haus. Er hatte sich die Pläne für die Küche vorgenommen. Er wollte die Leitungen verlegen und anzeichnen, wo Kühlschrank, Spüle und die eingebaute Kaffeemaschine in der Frühstücksecke hin sollten. Dann konnte der Klempner die Rohre verlegen. Im Wintergarten mussten sie sich noch überlegen, wo sie Leuchten brauchten und wie der Raum mal aussehen sollte. Fenster und Fensterläden sollten auch kein Problem sein. Er ging weiter. Das Esszimmer sah gut aus, da konnte er streichen. Sie hatten sich für ein ganz helles Apricot entschieden. Das sollte den Raum freundlich wirken lassen, sagte der Verkäufer. Im Kaminzimmer wollten sie tapezieren. Zwei Wände sollten dunkelrot werden, die anderen beiden eine helle Steinoptik erhalten. Der Kamin sollte mit weißen Quarzplatten verkleidet werden und daneben ein hohes Holzablagefach bekommen. Die Böden sollten wie in der Frühstücksecke aus Wallnussholz sein. Danach konnte er sich ihren Schlafzimmern widmen. Er wollte immer noch so schnell wie möglich hier einziehen. Inzwischen wusste er aber auch den Komfort ihrer Wohnung zu schätzen. Aber wenn sie zwischen Weihnachten und Silvester umzogen, sollten auch die fertig sein. Das wollte er heute Abend gleich mit Sam besprechen. Gerade als er in die Garderobe schaute, kam Karan ins Haus. Schnell hatten sie alles besprochen und Dean konnte mit den Verlegen der Leitungen beginnen. Gut gelaunt fuhr Dean am Abend zu ihrer Wohnung. "Hey", grüßte er, während er die Tür ihrer Wohnung schloss. "Was riecht hier so gut?" "Ich wollte auch mal kochen", sagte Sam. "Kannst dich gleich hinsetzen." "Was gibt's?" "Mac`n Cheese" "Dann her damit", freute sich Dean und ließ sich auf seinen Platz fallen. "Ich habe überlegt, ob wir zwischen Weihnachten und Silvester umziehen. Dann sollten unsere Schlafzimmer fertig sein", begann er nach einer Weile. "Du wolltest doch so schnell wie möglich ins Haus?" "Wollte ich", nickte Dean. "Will ich auch immer noch, aber ich bin heute durch das Haus gelaufen und habe versucht mir vorzustellen, wie wir in dem Rohbau leben und ... Die zugenagelten Fenster und Türen, durch die es zieht", er zuckte mit den Schultern. "Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Entweder werde ich alt oder der Komfort hier hat mich weich gemacht." Sam lächelte warm. "Du bist weder ein Weichei geworden, noch bist du alt. Ich wäre mit dir umgezogen, aber ich freue mich, dass wir noch hierbleiben. Ich meine Silvester ist ja auch nicht mehr so lange hin. Aber bist du bis dahin denn so weit?" „Das sind noch 8 Wochen. Die Leitungen in der Küche habe ich verlegt. Karan wird den Klempner in dieser Woche noch schicken. Samstag könnten wir Fliesen aussuchen und den Boden für die Küche und die Frühstücksecke. Wenn wir Samstag außerdem noch eine Runde durch die Einrichtungshäuser drehen und uns entscheiden, wie wir den Wintergarten und unsere Schlafzimmer einrichten wollen, dann könnte ich da in der nächsten Woche Leitungen legen und wenn da oben der Putz trocknet, Esszimmer und Kaminzimmer fertig machen. Karan baut in dieser Woche unten die Fenster ein." "Jetzt geht es aber Schlag auf Schlag", staunte Sam. "Naja, es ist immer noch kaum etwas fertig!" Das stellte auch O´Flannagáin fest, der sich gerade wieder, trotz Deans Warnung, zum Anwesen zappte. Das einzige Zugeständnis an den Winchester war die Tatsache, dass er erstmal im Kutscherhaus landete und nachschaute, ob er irgendwelche Fahrzeuge vor dem Haus stehen sah. Wenn nicht, wie jetzt, sprang er in die Eingangshalle. Er schaute sich um. Viel war nicht passiert und er fragte sich ernstlich, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, diesen Winchesters das Anwesen zu überlassen und ihnen auch noch 4 Wochen mehr Zeit zu geben. Immerhin in der alten Küche waren Kabel an den Wänden und Striche angemalt. Rosa Wandkust! Wozu sollte das denn gut sein? Im Ballsaal waren die komischen Platten an der Decke, die er schon im Esszimmer gesehen hatte. Schläuche klebten an diesen Platten. "Pah!", machte er. Bislang hatten die noch nichts gemacht, was ihn davon überzeugte, dass sie das Haus in Mrs. Elisabeths Sinne erhielten! Da konnte der Innenpool auch nichts rausreißen! Mit einem leisen Plopp verschwand er wieder. Den Abend ließen die Brüder mit einem Bier vor dem Fernseher ausklingen. Sie schauten ein Spiel, denn am nächsten Tag musste Dean wieder arbeiten. Der zweite 24-Stunden-Dienst in seiner neuen Wache und es gefiel ihm. Mit diesem Rhythmus bekam er überall mehr fertig. Der Umbau würde schneller gehen, wenn er einen Tag am Stück da werkeln konnte und auch auf dem Schrottplatz würde er mehr schaffen können. Für den nächsten Tag hatte er sich vorgenommen, die alten Schätze auf dem Platz genauer unter die Lupe zu nehmen. Es war ein regnerischer, kalter Herbsttag und die Menschen scheinbar alle gereizt und unaufmerksam. Gleich nach Schichtbeginn mussten sie zu einem Verkehrsunfall ausrücken. Die Wagen hatten sich so sehr verkeilt, dass sie die Verletzten herausschneiden mussten. Danach mussten sie eine Frau aus ihrem Keller befreien. Der Nachbar hatte einen Keil unter die Tür geschoben, weil ihre Kinder zu laut waren. Diese Logik erschloss sich Dean nicht und er verbuchte es unter dem großen Punkt: Menschen! Nachmittags mussten sie wieder los. Dieses Mal war ein Pferd in einen Graben gestürzt. Auf dem Weg zur Koppel fiel ihnen eine aufgeregte Frau auf. Dexter, ihr Fahrer hielt neben ihr an. "Sie müssen noch einen halben Kilometer geradeaus, dann sehen sie rechts eine kleine Baumgruppe. Dahinter ist der Graben", informierte sie die Frau. Dexter nickte und gab wieder Gas. Vorsichtig lenkte er den Wagen über die Koppel so weit wie möglich an das verängstigte Tier heran. Dean und die andere sprangen aus dem Wagen. Das Tier starrte sie mit großen Augen an. Es warf den Kopf in den Nacken, wieherte und versuchte sich irgendwie zu befreien. Eine weitere Frau stand bei dem Tier und versuchte es wenigstens ein bisschen zu beruhigen. Es verschlimmerte das Ganze eher, weil ihre Angst und Aufregung sich auf das Tier übertrugen. "Kennt sich einer mit Pferden aus?", fragte Trudeau in die Runde. Dean nickte nur und da sich kein anderer meldete, begann er sich aus Jacke und Pullover zu schälen und die Wathosen überzuziehen. Er ging zum Rand des Grabens und hockte sich neben den Kopf des Tieres. "Hey", grüßte er das Tier und wandte sich an die aufgeregte Frau "Wie heißt es?" "Sie heißt Toffee." Die Stute drehte beim Klang ihres Namens den Kopf zu der Frau und als Dean ihn aussprach, schaute sie zu ihm. Er hielt ihr die Hand hin. Langsam setzte er sich auf den Rand und begann ihren Hals zu streicheln. "Ist dir nicht kalt hier drin?", fragte er, nur damit sie sich auf ihn und seine Stimme konzentrierte. Er rutschte in den Graben und erschauerte. Es war verdammt das war mehr als kalt! Sanft kraulte er sie am Ansatz der Mähne und streichelte sie über Hals und Rücken, bis hinunter an den Beinen und murmelte unsinnige, beruhigend Worte. Ein weiteres Auto rumpelte über die Koppel und zog die Aufmerksamkeit des Pferdes auf sich. "Hey", sagte Dean ruhig und zog ihren Kopf wieder zu sich, um sie weiter zu kraulen, dieses Mal zwischen den Ohren. Der Tierarzt, der mit diesem Auto gekommen war, zog Beruhigungsmittel in einer Spritze auf und verabreichte es ihr. Wieder brauchte es Deans gutes Zureden. Doch als das Mittel wirkte, ging alles ziemlich schnell. Die Feuerwehrmänner legten die Gurte aus und Dean zog die unter dem Tier durch. Auf sein Signal hin, bewegte sich der Kran und gleich darauf schwebte das Tier aus dem Graben und wurde auf einem sicheren Platz wieder auf die Füße gestellt. Der Tierarzt untersuchte sie akribisch und spritzte ein Gegenmittel. Dean atmete durch. Er lehnte sich gegen den Rand des Grabens. Keanu kam zu ihm und hielt ihm die Hand hin. Dankbar griff Dean zu und ließ sich aus dem Wasser ziehen. Ein paar Minuten stand er einfach nur da. Er fror jämmerlich. Steifbeinig stakste er zum Wagen und schälte sich aus der Wathose. Er zog seine Feuerwehrhose wieder an und lief ein paar Schritte. Langsam und kribbelnd kehrte das Gefühl in seine Beine zurück, als sie begannen sich wärmer anzufühlen. Er zog sich seinen Pullover und die Jacke an und ging noch einmal zu dem Pferd. "Danke, viele Dank. Sie sind mein Held", bedankte sich die Besitzerin der Stute überschwänglich bei ihm. "Gern geschehen", nickte Dean kurz. Er strich dem Tier noch einmal über den Hals, dann folgte er der Aufforderung von Captain Trudeau und kletterte in den Wagen. "Gute Arbeit", lobte der Captain. "Danke", nickte Dean. Der Rest des Tages verlief ruhig und Dean saß bei Trudeau im Büro und verfasste Einsatzberichte. "Da ist mir ein Einsatz aber 100 mal lieber", schimpfte er, als er mit seinem vierten Kaffee wieder ins Büro kam. Trudeau grinste nur wissend. Kapitel 126: Alkohol -------------------- 126) Alkohol Sonntag morgen, 9 Uhr. Deans Handy klingelte. Er streckte sich, rieb sich die Augen und stand auf. Träge schlurfte er ins Bad und war Sam mehr als dankbar, als der ihm eine Kaffeetasse in die Hand drückte. „Warum stellst du dir den Wecker?“, fragte Sam verwundert. „Weil ich Zeit mit dir verbringen will und weil wir heute einkaufen und Möbel aussuchen fahren wollten.“ Sam nickte. „Wollen wir hier frühstücken oder fahren wir mal wieder zu Ava?“ „Lass uns Ava besuchen. Da waren wir lange nicht mehr.“ Nach dem reichhaltigen Frühstück und einem kurzen Plausch mit der Besitzerin der kleinen Bäckerei machten sie sich auf den Weg zu ihrer Shopping-Tour. Sie schlenderten durch einige Möbelhäuser und holten sich Anregungen für das Ess- und das Kaminzimmer. Jede neue Idee wurde besprochen und entweder verworfen oder fotografiert, um später noch einmal in aller Ruhe diskutiert werden zu können. Gegen Mittag fuhren sie ins Einkaufzentrum. Sie brauchten Lebensmittel. Außerdem gab es da auch ein Möbelhaus. „Gehen wir erst was essen oder schaffen wir noch eine Schlaf- und Esszimmer-Besichtungstour?“, wollte Sam wissen. „Lass uns erst die Möbel abhaken. Ich befürchte, dass ich mich sonst mit vollem Magen in eines der Betten fallen lasse.“ „So müde?“, wollte Sam irritiert wissen, Hatte er etwas übersehen? „Nein. Nur keine Lust mehr auf diese Lauferei. Ich meine, ich weiß ja wofür. Spaß macht es trotzdem nicht.“ „Ist ja die letzte für heute. Danach essen, einkaufen und dann kannst du auf die Couch. Oder müssen wir im Haus was machen? Müssen wir was besprechen?“ „Besprechen können wir auch in der Wohnung. Zum Machen ist es fast schon zu spät. Bis wir da sind und alles rausgeräumt haben, können wir schon wieder zusammenpacken.“ „Okay“, nickte Sam. „Dann suchen wir noch ein paar Ideen.“ Dean nickte. Auf dem Rückweg kamen sie an der Küchenabteilung vorbei, die auf einem großen Tisch, gleich am Eingang, ein hochwertiges Topfset ausgestellt hatte. Daneben stand die Kitchenaid, auf die Dean ein Auge geworfen hatte. Nur das Beste für Thanksgiving stand auf einem Schild, das auf den Tisch hinwies. Dean stoppte abrupt. Auch Sam blieb stehen. „Was denkst du?“, wollte Dean wissen und deutete auf den Preis. „Wenn das wirklich so viel billiger ist ...“ Er zückte sein Handy und begann im Internet zu recherchieren, während Dean sich weiter umschaute und ein schlichtes, weißes Service entdeckte. „Die sind wirklich günstig“, erklärte Sam ruhig und trat neben seinen Bruder. Sein Blick fiel auf das Service. „Gefällt mir“, sagte er nur. „Mir auch.“ Dean blickte seinem Bruder in die Augen. „Dann hole ich mal einen Wagen.“ Sam nickte. Bis Dean zurück kam, schaute er sich weiter um und fand noch Besteck. „Was sagst du dazu?“, fragte er, nachdem sie das Topfset und das Geschirr in den Wagen gepackt hatten. Wortlos nahm Dean ein Set vom Stapel und legte es zu ihrem Einkauf. „Bleibt nur die Frage, welche Kitchenaid wir nehmen,“ sagte Dean. Er schwankte zwischen Schwarz, Frosted Pearl, Nebelblau und Pistazie. Sam gefielen auch die grauen Farbtöne. Letztendlich entschieden sich für Nebelblau. An der Kasse ließ sich Sam eine Rechnung ausstellen. Immerhin hatte der Kobold gesagt, er würde alles zahlen. „Das ist ja teurer als die komplette Küche“, stöhnte Dean. Sam nickte nur. „Und da haben wir noch nicht mal angefangen einzukaufen, was wir noch alles brauchen.“ Dean verdrehte die Augen und nickte. Ja, da fehlte noch jede Menge mehr. „Aber nicht heute“, sagte er nur. „Lass uns das hier zum Wagen bringen und dann den Rest kaufen.“ „Den Rest?“ Hatte Sam hier noch mehr entdeckt? „Lebensmittel. In unseren Kühlschrank haben die Mäuse schon rotgeweinte Augen! Außerdem könnten wir auch neue Kleidung brauchen.“ „Mäuse? Kühlschrank?“ „Ja, außer Ketchup und Milch ist nicht mehr viel drin.“ „Aber erst will ich was essen!“, bestimmte Dean. „Machen wir“, nickte Sam. Sie schoben ihren überladenen Wagen zum Impala. „Es macht schon mehr Spaß einkaufen zu fahren, wenn man das Geld dafür wirklich hat“, stellte Sam fest. „Naja, wirklich haben ist hier auch ein dehnbarer Begriff. Noch haben wir diesen Kobold, der die Finger auf dem Konto hat.“ „Trotzdem hat er bisher alles bezahlt.“ „Na, zum Glück“, sagte Dean und stellte einen Beutel hinter dem Kofferraum ab, um besser an den Schlüssel zu kommen. „Ich hoffe, das bleibt auch so. Noch hat sich im Haus nicht wirklich was getan!“ „Ich denke, jetzt wird es schnell besser werden“, sagte Sam und wuchtete den Karton mit der Kitchenaid vom Einkaufswagen und in den Kofferraum. Dean stellte seine Beutel dazu. „Immerhin haben wir vorn schon zwei Fenster mit Fensterläden und hinten fünf.“ Dean grinste. „Wenn du es so siehst. Es ist mehr als wir je besessen haben. Außerdem hast du den Garten vergessen. Drei Hochbeete, die Fundamente des Gewächshauses und wie viele Obstbäume?“ „12“, lachte Sam. „Wir machen uns.“ Er schaute auf den vollen Kofferraum. „Wenn wir gleich noch Lebensmittel holen wollen, müssen wir die vorne reinpacken.“ Dean nickte. „Lass uns essen gehen, dann bringen wir das hier besser gleich zum Haus?“ Er schaute zu Sam. Der nickte. „Wo willst du die hin räumen?“ „Ich dachte, wir verstecken es in unserer Höhle“, sagte Dean und schloss den Kofferraum. „Gute Idee“, stimmte ihm Sam zu. Sie stiegen ein, schlossen die Türen des Impalas wie immer synchron und dann lenkte Dean den Wagen vom Parkplatz. Zwei Stunden später waren sie wieder am Einkaufcenter. „Eigentlich brauchen wir auch neue Kleidung“, sagte Sam eher nebenbei. „Jah“, seufzte Dean und nickte. Er hatte zwar das Glück keine Arbeitskleidung zu brauchen, trotzdem füllten seine Sachen nicht mal die Hälfte des Schrankes und der war höchstens einen Meter breit, und dass trotz seiner Amnesie und dem daraus resultierenden halben Jahr, das er als ahnungsloser Zivilist verbracht hatte. Aber selbst da mochte er das Einkaufen nicht wirklich. Außerdem wollte er noch mindestens eine Hose und ein paar Shirts aussortieren, die er in der Werkstatt auftragen konnte. Also ja. Sie mussten einkaufen. „Jah? Einfach nur Jah?“ Sam musterte ihn überrascht. Er hatte mit der üblichen Gegenwehr gerechnet. Das Dean jetzt einfach nur „jah“ sagte, brachte seine Weltanschauung ins Wanken. „Wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?“ „Ich mag es immer noch nicht!“, erklärte Dean, „Aber ich sehe auch ein, dass ein paar Klamotten mehr nicht schaden können, jetzt wo wir sesshaft sind, ist es wohl auch nicht mehr so wichtig, dass alles schnell zusammen zu packen ist und in eine Tasche und den Kofferraum passt.“ Lachend schüttelte Sam den Kopf. „So viel Einsicht auf einmal? Was ist mit dir? Kann es sein, dass du dich vor Maddie schämst, immer in den gleichen Klamotten aufzutauchen?“ „Nicht direkt schämen. Aber ... ach keine Ahnung. Lass uns einfach einkaufen gehen!“ Sie betraten den großen Komplex erneut. „Wohin zuerst?“, wollte Sam wissen. „Ist das nicht egal? Wir brauchen fast alles!“ „Dann fangen wir da drüben an“, sagte Sam und zeigte auf das Jeansgeschäft. Mit drei Paar Jeans, zwei Hemden und ein paar T-Shirts bepackt verließ Dean den Laden wieder. Sams Beutel waren ähnlich voll. Der hatte lediglich eine Jeans weniger. In dem Geschäft, zwei Türen weiter, kauften sie sich noch ein paar Hemden und jeder eine Handvoll T-Shirts. „Brauchen wir noch was?“ fragte Dean „Also ich brauche noch Schuhe und 'ne Jacke“, erwiderte Sam. „Und du?“ „Nicht wirklich, aber ich lasse mich überzeugen.“ Sam grinste nur. Wie schon in den anderen beiden Geschäften, konnte Dean nicht wirklich über seinen Schatten springen. Er kaufte sich zwar ein Paar Schuhe, aber es waren wieder Boots, während Sam zusätzlich zu den, auch bei ihm üblichen Boots, noch ein Paar Halbschuhe mitnahm. Auch bei den Jacken blieb Dean seinem Stil treu, dieses Mal in schwarz mit Kapuze mit Fellimitat. Sam kaufte einen dunkelbraunen Parker. Sie brachten ihre Einkäufe zum Wagen und gingen ein letztes Mal in das Einkaufszentrum. Dieses Mal waren sie schnell wieder da, es kostete viel weniger und die Lebensmittel beanspruchten auch den wenigsten Platz im Kofferraum. „Sagt uns das jetzt was?“, fragte Dean leise. Sam schnaufte nur. 'Gute Frage', dachte er nur. Geschafft ließen sie sich nach diesem Marathon auf ihre Couch fallen. “Das muss ich nicht öfter haben“, erklärte Dean und wusste doch genau, dass solche Einkaufsbummel, zumindest die in den Möbelhäusern noch eine ganze Weile zu ihrem Alltag gehören würden. Die Kaffeemaschine fauchte die letzten Tropfen in die Kanne und er erhob sich leise stöhnend und holte die Kanne zum Tisch. Er goss den Kaffee in ihre Tassen und ließ sich wieder auf die Couch fallen. In der folgenden Woche hatte Dean den Eindruck, nur im Haus wirklich gefordert zu werden. Bei der Feuerwehr hatte er ein paar kleinere Einsätze und auf dem Schrottplatz die Zeit, die Wracks zu katalogisieren. Leider kam so natürlich kein zusätzliches Geld in die Kasse. Im Haus schaffte er dafür umso mehr. Er verlegte die letzten Leitungen im Wintergarten, strich das Esszimmer und schaffte es, mit Chris´ Hilfe, das Kaminzimmer zu tapezieren. Die Stuckdecke hatte Karan schon weiß spritzen lassen, genau wie die im Esszimmer. Jetzt konnten Karans Möbelbauer sich hier auslassen. Das Ergebnis konnte Dean hoffentlich spätestens am Dienstag begutachten, denn an diesem Freitag gab er seinen Ausstand für die 17 und Samstag wollte er in der Werkstatt arbeiten. Hoffentlich kam ein Kunde. Freitagabend fuhr Sam seinen Bruder zum Pub und verbrachte den Abend mit Amita, bevor er zurück zu ihrer Wohnung fuhr und sich auf der Couch ausstreckte. Er wollte Amita nicht mitten in der Nacht aufschrecken, nur weil Dean endlich genug gefeiert hatte. Obwohl er wach bleiben wollte, schlief er doch ein. Irgendwann schreckte er hoch. Hatte er Deans Anruf überhört? Sein Blick glitt zum Fenster. Es war noch immer dunkel. Er nahm sein Handy vom Tisch. Es war kurz vor 2 und Dean hatte noch nicht angerufen! Hoffentlich war nichts passiert! Er wollte doch heute zum Schrottplatz! Ein paar Bier mit den alten Kollegen, hatte er gesagt. Sam stand auf, nahm sich den Schlüssel und machte sich auf den Weg zum Pub. Schon von draußen hörte er, dass es da drin noch hoch her ging. Die Gruppe Männer bei den Pooltischen war nicht zu übersehen. Sein Bruder warf ihm einen kurzen Blick zu. Die Augen waren glasig und die Wangen rot. Er hatte eindeutig zu viel getrunken. Aber dieses Mal umgab ihn ein glückliches Strahlen. Das war kein Rausch, um wenigstens für eine Nacht ihr Leben und die damit verbundene Last auf den Schultern, vergessen zu können. Sam wollte sich gerade ein Glas Wasser holen, als Gillian ihn sah. Er löste sich aus der Gruppe und stolperte auf ihn zu. Ja, auch Gillian war reichlich abgefüllt. „Du ssssssolltest Dean da raussssholen. Josh und Tom haben beschlossen sämtliche, Hicks, von Deans Geheimissen su knacken bevor er get. Und sie meinen, dass Alohol der richige, erfffolgvvverschprechene Weck isch.“ Dean angelte derweil das dritte Mal nach dem Glas Tequila auf dem Pooltischrand. Er leerte es mit einem Zug und griff die letzten zwei vollen Gläser, mit denen er zu Sam schwankte. „Hier kleiner Bruder, trink einen mit mir.“ Er knallte Sam das Glas vor die Brust. „Lass mal lieber“, wehrte der ab. „Ich bin mit deinem Baby hier und du willst doch keinen Kratzer, oder?“ „Hm, schümt.“ Dean trank die Reste, die den Weg und die Attacke gegen Sams Brust überstanden hatten, aus den beiden Gläsern. Dann stellte er sie mit viel Mühe auf der Theke ab. „Gehsdu besssssahlen?“ er zerrte seine Brieftasche aus der Hose und hielt sie Sam hin. Sam nahm sie und klemmte seinen Bruder zwischen die Theke und einen Barhocker. Sicher war sicher! „Bleib!“ „Ssssuu Befehl!“ Dean versuchte ein Nicken, während Sam die Barkeeper heranwinkte. „Rechnen Sie noch eine Runde für jeden drauf“, bat er den Mann und legte noch ein ordentliches Trinkgeld drauf. „Jeder noch eine Runde, danach geht’s auf eure Kosten“, erklärte er laut, dann trat er wieder zu seinem Bruder. „Komm, wir verschwinden.“ Sam zog Deans Arm um seine Schulter und umfasste seine Hüfte. Vorsichtig manövrierte er ihn um die Tische zur Tür. Nach ein paar Schritten blieb Dean abrupt stehen und kicherte. „Die wollten unsere Vergangenheit knacken Shammy. Als ob die einer wissen wollte!“ Dean wurde wieder ernst. Nur um sofort wieder zu grinsen. „Habs gemerkt!“ „Dann komm, du Genie“, lachte Sam. Dean richtete sich auf. „Das Schenie in unsrer Familie bisssssu. Ich bin nur der wertlose Freak!“ „Dann komm du Freak, ich bring dich in deinen Käfig.“ Sams Herz krampfte sich zusammen. Sah Dean sich immer noch so? Als Freak? Oder wertlos? Oder gar dumm? Nichts davon war er! Absolut nichts! Woher kam das nur immer wieder? Zerrte der Alkohol längst vergessen geglaubte Muster wieder hervor? „Sag nie wieder, dass du wertlos bist. Ohne dich würden viele nicht mehr leben und für mich bist du noch immer das Wertvollste auf dieser Welt. Hörst du? Du musst diesen Platz teilen, aber du wirst ihn immer haben! Okay?“, erklärte Sam ernst. Cooper zog ebenfalls die Augenbrauen zusammen. Hatte Dean gerade wertloser Freak gesagt und sich gemeint? Wahrscheinlich hatte er sich nur verhört, so blau wie er selbst auch war! Kapitel 127: Happy Hour ----------------------- 127) Happy Hour Sam schleppte seinen Bruder ins Auto und kurze Zeit später mit viel Mühe in ihre Wohnung. Er lehnte ihn an die Wand um die Tür zu schließen. Dean begann zu würgen. „Ich glaub der Letzte war schlecht!“, erklärte er ziemlich nüchtern und stolperte, eine Hand gegen seinen Magen, die andere vor den Mund gepresst, Richtung Bad. Sam seufzte. Er wartete, bis Dean sich beruhigt zu haben schien und ging ins Bad. Der säuerliche Geruch von Erbrochenem, vermischt mit Alkohol, stieg ihm in die Nase. Sofort hielt er die Luft an. „Uhm!“ Er drückte den Spülknopf. Erst danach beugte er sich zu Dean, der keuchend mehr neben der Schüssel lag, als hockte. „Na komm, ich bring dich ins Bett“, sagte er leise und half ihm hoch. Leise stöhnend stand Dean. Schwankend machte er einen Schritt und stolperte über seine eigenen Füße. Sofort griff Sam zu und schob ihn zum Waschbecken, damit er sich wenigstens den Mund ausspülte. Zu mehr war Dean nicht in der Lage. Also bugsierte er ihn sanft in sein Zimmer. Er setzte ihn auf das Bett und brachte ihn vorsichtig in die Waagerechte. Auf keinen Fall wollte er Deans Gleichgewichtssinn zu sehr durcheinander bringen und seinen Magen damit noch mehr reizen. Er nahm Deans Hand und legte sie auf den Nachttisch, dann deckte er ihn zu. Eine Weile schaute er seinem Bruder beim Schlafen zu. Dean sah fertig aus, klar, aber irgendwie auch glücklich. Er hatte mit Freunden gefeiert, mit Menschen, mit denen er sich wohl fühlte. Mit Menschen, mit denen er Erinnerungen teilte, die er jederzeit wiederaufleben lassen konnte, die nichts mit der Parallelwelt ihres früheren Leben zu tun hatten. Ja, sie waren wirklich angekommen! Er holte einen Eimer aus dem Bad. Sicher war sicher. Die Mischung aus Alkohol, Schweiß und Magensäure, in Deans Zimmer, verschlug ihm den Atem. Hastig öffnete er die Balkontür. Ob Dean morgen arbeiten würde? Er wollte zum Schrottplatz, aber Sam bezweifelte, ob es was werden würde. „Schlaf gut, Dean“, sagte er und ging in sein Zimmer. Zufrieden ließ er sich ins Bett fallen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen als Sam von einem Geräusch geweckt wurde. Er lauschte kurz und schlief wieder ein, bevor er regelrecht aus dem Schlaf schreckte. Da war doch ein Geräusch? Er stand auf. Sein erster Weg führte ihn in Deans Zimmer, doch der lag nicht in seinem Bett! Er ging ins Bad. Dort fand er ihn, zusammengekrümmt neben der Toilette. „Hey“ Er legte seine Hand auf Dean Schulter und fühlte das Zittern. Sofort fasste er fester zu und rüttelte ihn wach. „Dean! Komm schon! Du frierst ja.“ Aus rot geränderten Augen blinzelte der zu ihm auf, während er versuchte sich aufzurichten. Sam zog ihn hoch und setzte ihn auf den Toilettendeckel. „Was habt ihr nur in euch reingeschüttet?“, schimpfte er leise und begann Dean aus seinen Sachen zu schälen. Er bekam keine Antwort. „Du gehst jetzt heiß duschen und ich koche dir einen Tee.“ Angewidert verzog Dean das Gesicht. „Lieber heißes Bier?“ Sofort begann Dean hart zu schlucken, weil sich die brennende Magensäure schon wieder einen Weg durch seine Speiseröhre nach oben bahnen wollte. „Also doch Tee“, nickte Sam, drehte das Wasser an und schob Dean in die Dusche. Er schloss die Tür und ging in die Küche, wo er Tee kochte und Hühnerbrühe aufwärmte, die er im Vorratsschrank gefunden hatte. Er legte einen Bagel auf den Teller, dann ging er zurück ins Bad. Dean stand noch immer unter dem Wasserstrahl. Wenigstens sah er nun nicht mehr so blass aus, aber das war wohl eher ein Zeichen von heißem Wasser, als das es ihm schon besser ging. Er holte ein Handtuch, zog Dean aus der Dusche und drückte es ihm ihn die Hand, während er das Wasser abdrehte. Mit dem Handtuch in den Händen stand er da und machte keine Anstalten, sich bewegen zu wollen, also begann Sam vorsichtig seinen Bruder abzutrocknen. Endlich griff Dean nach dem Handtuch und machte weiter. Sam lächelte. Er holte frische Kleidung und einen dicken Pullover. Hoffentlich war der Kater morgen wieder weg, Dean musste arbeiten! Fragend schaute der auf den Pullover, wagte aber keinen Widerspruch und zog ihn über. Danach folgte er Sam in die Küche und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sam stellte ihm die Brühe vor die Nase und eine Tasse Tee daneben. „Versuch ein bisschen was zu essen, ja?“, bat er und Dean nickte. „Wolltest du nicht heute zum Schrottplatz?“, fragte Sam, als Dean den ersten Löffel in den Mund schob. Der schluckte und nickte. Sollte wohl nicht sein! Er zuckte mit den Schultern. Sam lächelte. „Du bleibst heute besser im Bett“, erklärte er leise. Wieder zuckte Dean mit den Schultern, bevor er ein kurzes Nicken zustande brachte. Er trank einen Schluck Tee. „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so besoffen gewesen bin.“ „Das würde mich auch interessieren, zumal ich weiß, dass du eine Menge vertragen kannst. Was habt ihr getrunken?“ „Keine Ahnung. Viel und durcheinander.“ „Das glaube ich sofort!“ „Hm“, brummelte Dean, der schon eine Weile überlegte, ob er den vierten Löffel Brühe wirklich essen sollte. Die ersten drei hatte sein Magen angenommen, beim vierten war er sich nicht mehr so sicher. Er ließ ihn zurück in die Schale gleiten und trank stattdessen einen Schluck Tee. Er stellte die Tasse ab, schnaufte und stand auf. Kurz schaute er zu Sam, dann schlurfte er in sein Zimmer. Nachdem er den Kampf mit dem Pullover beendet hatte, ohne sich den Kopf oder andere wichtige Teile abzureißen und ohne nennenswerte Verluste auf Seiten des Pullovers, kroch er ins Bett, drehte sich auf die Seite und ließ sich dankbar in Morpheus Arme fallen. Grinsend schob Sam die Decke etwas höher über Deans Schultern und verließ das Zimmer wieder. Er nahm sich ein Buch, setzte sich vor den Fernseher und begann zu lesen. Dean verschlief den Rest des Tages. Erst als es draußen schon wieder dunkel wurde, stand er kurz auf, um etwas zu essen und verzog sich dann wieder in sein Bett. Am nächsten Morgen ging es ihn ganz gut. Diesen Arbeitstag würde er überstehen. Sam verbrachte den Sonntagnachmittag bei Amitas Familie. Sie hatten ihn zum Diner eingeladen, um ihn näher kennenzulernen. Montagmorgen kam Dean extra zu ihrer Wohnung, um mit Sam zu frühstücken. Er buk Pfannkuchen und deckte den Tisch. Sam kam aus dem Bad und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Sofort schaute Dean ihn erwartungsvoll an, doch Sam ignorierte den Blick. Dean schnaufte. „Wie war´s gestern? Gefressen haben sie dich immerhin nicht. Bleibt die Frage, ob du Amita wiedersehen willst oder darfst?“ Grinsend schaute er zu Sam. „Gib doch einfach zu, dass du neugierig bist.“ „Wäre ich sonst hier? Immerhin habe ich weder eine Familie, der ich eine Frau vorstellen kann, noch gibt es eine Familie, der ich mich vorstellen muss.“ Sam schnaufte, dann nickte er. Madeleine hatte nur einen Bruder und der lebte in Boston. „Es war okay. Sie sind nett. Schon sehr indisch ausgerichtet. Wie Amita ja schon erzählt hatte, leben eine Tante und die Großmutter mit im Haushalt der Familie“, berichtete er und lächelte. „Ich denke, mit denen werden wir klarkommen.“ „Gut“, freute sich Dean. Sammy hatte eine weitere Hürde zu einem glücklichen Familienleben genommen. Er war stolz auf seinen kleinen Bruder! Sie frühstückten gemeinsam, dann fuhr Sam zur Uni und Dean auf den Schrottplatz. Die Woche verging wie im Flug. Für den Sonntag versprach der Wetterbericht einen angenehmen Herbsttag. „Dann können wir unseren Ausflug starten“, freute sich Sam. Sie hatten beschlossen gemeinsam mit Amita und Madeleine zum Wandern zum McCormick`s Creek zu fahren und selbst Dean freute sich auf diesen Tag. Madeleine und Amita wollten sich um den Picknickkorb kümmern, also brauchten die Brüder nur einen Rucksack mit Kaffee, Wasser und Wegzehrung packen. Grinsend beobachtete Sam, wie sich Dean eine Tüte M&M in die Innentasche seiner Jacke schob und er war froh, dass seine Besessenheit in Las Vegas kein Trauma hinterlassen hatte. Sie brachten alles zum Impala und machten sich auf den Weg Madeleine und Amita abzuholen. Beim Park angekommen, parkte Dean den Impala an einem der Picknick-Plätze. So brauchten sie den Korb nicht weit zu tragen, wenn sie hungrig von ihrer Wanderung zurückkamen. Die ausgeschilderten Wanderwege im McCormick's Creek State Park waren nicht wirklich lang, kreuzten sich aber an einigen Stellen, so dass die vier alle Sehenswürdigkeiten in einer Tour sehen konnten. Sam schulterte den Rucksack. Sie unterhielten sich, lachten und alberten herum und liefen so, fast unbemerkt über den hügeligen Weg. Sie schauten in steile Schluchten und bewunderten die Wasserfälle. Sie warfen einen Blick in die Höhle und bestaunten die Reste des alten Steinbruchs. Sam und Amita gingen voraus. Als sie um eine Steinwand bogen, fasste Dean Maddie am Handgelenk und zog sie mit sich in den Schatten dieser Wand. Sofort zog er sie fest an sich und begann sie sanft, dann immer fordernder zu küssen, bis sie, nach Luft schnappend, abbrechen musste. Zärtlich strich sie ihm über die Wange, gab ihm noch einen sanften Kuss und zog ihn dann wieder auf den Weg. Hand in Hand bogen sie um den Felsen. Sam und Amita standen neben einem Baum und küssten sich innig. „Na endlich“, kommentierte Dean die Szene. Seine Finger schlossen sich etwas fester um Maddies, während sie langsam weitergingen. Geschafft kamen die Brüder am Abend zurück in ihre Wohnung. Es war der tolle Tag geworden, den sie sich gewünscht hatten. Amita und Madeleine verstanden sich super und inzwischen hatte sich auch Madeleine mit der Idee einer Wohngemeinschaft angefreundet und wollte sie zumindest ausprobieren. „Sowas sollten wir öfter machen“, überlegte Sam, während er seinen Rucksack ausräumte und sich dann mit einem Bier neben Dean auf die Couch fallen ließ. „Naja“, meinte Dean. „Einmal im Jahr reicht mir vollkommen. Ich würde lieber mal einen Ausflug auf Pferden machen.“ Inzwischen hatte er nämlich herausgefunden, dass Maddie reiten konnte. „Ich glaube, dann sind Amita und ich aber raus“, wehrte Sam ab. „Schade!“, fand Dean. „So eine schlechte Figur hast du auf dem Pferd gar nicht gemacht“, meinte er und hing seinen Erinnerungen an die Zeit in El Paso nach. Energisch schob er die beiseite und richtete seine Gedanken auf das Hier und Jetzt. Wieder vergingen fast 2 Wochen, in denen Dean in seiner Seite des Hauses gearbeitet hatte. Esszimmer und Kaminzimmer waren fertig gestrichen und tapeziert. In dieser Woche wollten Karans Männer den Kamin einbauen. Die Wände im Wintergarten und in seinem Schlafzimmer, Bad und Ankleide sollten verputzt werden. Danach würden die Fenster eingebaut werden. Die Fliesen sollten an die Wände und dann gefliest werden und danach konnte er sich an die Gestaltung der Wände machen. Heute wollte er endlich mit Sams Schlafzimmer beginnen. Schnell warf er noch einen Blick in sein neues Reich. Die Fenster hatte er in der Eingangshalle stehen sehen. Er lächelte zufrieden. Endlich ging es sichtbar voran. Aber das musste es auch. Immerhin wollten sie in knapp 7 Wochen umziehen und Möbel mussten sie auch noch kaufen. Zufrieden mit sich und der Welt ging er in Sams Wohnung. Morgen würde er in der Werkstatt arbeiten. Zwei Kunden hatten sich für eine Inspektion angemeldet. Auch da schien es langsam vorwärts zu gehen. Seine Gedanken wanderten ganz automatisch ein Jahr zurück und ein eisiger Schauer rann über seinen Rücken. Wie sehr hatten Grady und Konsorten ihn gemobbt. Wie sehr hatte er darunter gelitten. Ohne Sam und sein Studium hätte er alles hingeschmissen. Schnell wandte er seine Gedanken Sams Zimmer und der Arbeit zu, die hier zu tun war. An Grady und die Zeit damals wollte er sich nicht erinnern. Nie wieder! Kapitel 128: Cats in the Cardle ------------------------------- 128) Cats in the cradle Draußen war es ungemütlich. Sam hatte es sich auf der Couch bequem gemacht und blätterte in einem Möbelprospekt. Der Umzug kam näher und ihnen fehlte noch so gut wie alles für ihre Zimmer. Immerhin die Küche war bestellt und sollte spätestens Anfang Dezember geliefert werden. Er stand auf und holte sich einen Milchkaffee, als er die Feuerwehrsirenen näherkommen hörte. Blaulicht zuckte über die Decke und dann wurde der Sirenenton wieder leiser. Dean hatte Dienst, überlegte er. Ob er auch dabei war? Wieder jagte ein Feuerwehrwagen an ihrem Haus vorbei. Sam ging zum Fenster und schaute hinaus, doch außer den zuckenden blauen Lichtern, die die kahlen Äste der Bäume schaurig beleuchteten, konnte er nichts erkennen. Er ging zurück zu seinen Möbelkatalogen. Seine Gedanken blieben allerdings bei seinem Bruder und wie gut sie sich in diesem Leben eingelebt hatten. Gerade Dean hatte am Anfang ja seine Schwierigkeiten. Nein! Die hatte er nicht mit dem Leben, die hatte er mit der Schicht von Grady und der war Geschichte! Dean hatte nie wieder ein Wort über diesen Menschen verloren und er selbst wusste nur, dass der achtkantig gefeuert worden war. Miller und die anderen beiden, die Dean schikaniert hatten, waren freiwillig gegangen. Er schob die Gedanken beiseite. An solche Menschen sollte er keine Minute verschwenden. Die Männer der Wache 2 brauchten nicht lange, um den Brand zu löschen. Schon bald räumten sie ihre Geräte wieder weg. „Der Held rettet die Jungfrau“, grinste Jared und packte den Schlauch in das Fach. „Held vielleicht“, sagte Dean, der ebenfalls einen Schlauch in der Hand hatte, „Jungfrau bezweifle ich. Möchtegernhexe trifft es eher.“ „Nur, weil sie schwarze Haare hat und schwarze Kleidung trägt?“ Robert Urban musterte Dean skeptisch. „Eher wegen des verwischten Pentagramms und der fünf schwarzen Kerzen, von denen eine viel zu dicht unter dem Vorhang stand und so wohl den Brand verursacht hat.“ „Du befasst dich mit Hexerei?“, hakte Captain Trudeau nach. „Wenn du deine Kindheit in unzähligen Motels verbringst, von denen die wenigsten auch nur die kleinste Möglichkeit haben, ein Kind zu beschäftigen, hast du irgendwann alles gesehen, was im Fernsehen läuft, auch solche Mädchenserien.“ „In unzähligen Motels?“ Trudeau schaute ihn irritiert an. „Unser Erzeuger zog von einem schlecht bezahlten Job zum nächsten, von einem miesen Motel zum nächsten und wir mussten mit“, erklärte Dean lapidar. Grob betrachtet war das sein Leben als Kind. Die Feinheiten würde er niemandem erzählen. „Das klingt nach keiner schönen Kindheit.“ Dean zuckte mit den Schultern. „Als Kind habe ich es gehasst, als Teenager war es ganz cool. Irgendwann gewöhnt man sich dran, dass es so ist.“ Es war diese Ruhe in der Stimme seiner rechten Hand, die Trudeau wirklich entsetzte. „Hey! Fertig werden“, rief Lt. Murray und schlug mit der Hand gegen seine Tür. Dean schloss das Rollgitter und lief zum Wagen der Rüstgruppe. Trudeau schaute ihm kurz hinterher, dann wandte er sich der Straße zu. Wieder ein Puzzleteilchen, um einen Menschen zu verstehen. Viel wussten sie ja noch nicht voneinander, waren sie doch eine der zwei oder drei Schichten der Feuerwehr Bloomington, die komplett neu zusammengestellt worden waren. Dafür verstanden sie sich allerdings schon richtig gut. Er hatte mit mehr Problemen gerechnet. Aber vielleicht kamen die ja noch? Zurück in der Wache kochte Dean frischen Kaffee. Den alten Filter schaffte er, zusammen mit einigen anderen Abfällen zum Container. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und er wollte so schnell wie möglich zurück in die Wache, als er ein Geräusch hörte. Es klang wie ein Wimmern. Er holte seine Taschenlampe hervor und ging langsam um den Container. Hatte er sich geirrt? Fast hatte er seine Runde beendet, als er einen Karton fand. Irgendwie wackelte der. Dean ging in Deckung. Zu oft enthielten die harmlos aussehenden Dinge die schlimmsten Überraschungen. Der Karton wimmerte wieder. Er zog ihn zu sich und öffnete ihn vorsichtig. Immer bereit den größtmöglichen Abstand zwischen sich und das Ding zu bringen. Er schielte hinein und kniete sich, über seinen Anflug von Paranoia lachend, daneben. Kleine Kätzchen lagen nebeneinander. Er hielt die Hand hinein und streichelte sie. Flauschig weich hatte er erwartet. Nass und zitternd war das, was er fühlte. Schnell klappte er den Deckel wieder zu und hob den Karton auf. Hoffentlich hielt der noch bis in die Wache! Er drückte ihn an sich und lief so schnell er konnte zurück in die trockene Wärme. „Holt mal Handtücher, Jacke, Pullover! Ich habe hier neue Anwärter!“, rief er und stellte den Karton auf dem Tisch ab. „Was bringst du denn hier an? Ratten?“, fragte Jared und musterte das, was Dean aus den zerfallenden Karton schälte. „Ich hasse Ratten“, erklärte Dean voller Inbrunst. Er nahm Jared ein Handtuch aus der Hand, hob ein Kätzchen aus den Resten des Kartons und begann es vorsichtig trocken zu reiben. „So süß könnte keine Ratte aussehen!“ „Du würdest dich wundern, wie niedlich Ratten sein können“, erklärte Fleur und nahm auch ein Kätzchen. Patric und Max taten es ihnen gleich. Robert nahm sich das fünfte zitternde Wesen. „Vier Wochen, höchstens fünf“, sagte er nach einem ausgiebigen Blick. „Die hat ein Tierfreund ausgesetzt.“ Er drückte Jared das Kleine in die Hand und holte sein Handy hervor und ging etwas zur Seite. Inzwischen setzte Dean das erste Kätzchen in ein Nest aus Pullovern und Handtüchern. Er nahm sich das nächste. Nach und nach wurden alle acht Kätzchen aus dem Karton geholt, trockengerubbelt und in relative Wärme der Pullover gelegt. „Und jetzt?“, fragte Fleur. „So kriegen wir sie auf Dauer nicht warm und Hunger haben sie bestimmt auch.“ Gerade in dem Moment kam Robert wieder. „Ich habe mit dem Tierheim telefoniert. Die Polizei hat gestern die Farm eines Tiersammlers ausgehoben. 77 Katzen und 25 Hunde, Vögel, Schlangen und 3 Ponys, Ziegen und 2 Esel. Alle wurden in erbärmlichem Zustand ins Tierheim gebracht. Die Tiere sind Beweisstücke und müssen vorerst zusammenbleiben. Die haben Räude und was weiß ich noch. Das Tierheim hat mir abgeraten, die Kätzchen zu bringen. Das andere Tierheim und die Katzenhilfen sind allerdings auch voll, weil die ihre Tiere abgeben mussten, um dieses Sammelsurium aufnehmen zu können. Ich habe auch mit meiner Schwägerin gesprochen. Die züchtet Katzen, will unsere allerdings auch nicht aufnehmen, da sie selbst Kätzchen hat und Krankheiten fürchtet. Aber sie bringt uns Futter, Milch und eine Wärmelampe mit, damit wir sie hier erstmal über die Zeit kriegen.“ „Solange wir Schicht haben ja, aber was ist in den nächsten zwei Tagen?“, wollte Stephanie jetzt wissen. „Zur Not wechseln wir uns ab. Jeder kommt mal her und kümmert sich. Ist ja nur für ein paar Tage“, erklärte Fleur bestimmt. Auffordernd schaute sie sich um. „Ich rede mit der C-Schicht“, bot Trudeau an und zückte sein Handy. Noch während er telefonierte, kam Roberts Schwägerin mit einem großen Korb auf die Wache. Sie zeigte den Männern, wie sie den Kleinen am besten die Flasche geben konnten, wie sie sie immer wieder auf´s Katzenklo setzten und wie sie ihnen schon immer mal kleinere Happen festes Futter anbieten konnten. Danach bauten sie im Aufenthaltsraum eine ruhige Ecke für die Kleinen und befestigten den Wärmestrahler. „Warum setzt jemand solche Kätzchen aus?“, wollte Stephanie wissen, während sie eines fütterte. „Ich vermute mal, dass die keine reinrassigen Tiere sind. Die Farbe der eher weißen deutet auf Birma oder Ragdoll hin aber fast alle haben Streifen und einige Pinsel an den Ohren. Da ist Waldkatze mit drin und sowas bringt nicht so viel Geld.“ „Trotzdem verstehe ich es nicht!“, sagte Stephanie und kraulte das Kleine. „Musst du auch nicht“, erwiderte Fleur. „Sie haben überlebt. Das zählt.“ Captain Trudeau stand schon eine Weile da und schaute auf die Kätzchen, die sich satt und zufrieden aneinander kuschelten und schliefen. „Wir sollen der C-Schicht erklären, was wir gemacht haben, sie werden versuchen sich um die Kleinen zu kümmern, sonst rufen sie uns an.“ „Okay“, freute sich Stephanie. In den folgenden Wochen entwickelten sich die Kleinen ganz gut. Nur ein Kätzchen war zu geschwächt. Es hatte den ersten Tag nicht überlebt. Am folgenden Nachmittag saßen die Brüder, wieder einmal, in ihrer Lieblingsbäckerei. Sie wollten gleich noch Einkaufen fahren. Dean erzählte von den Kätzchen. „Wie kann man die aussetzen? Was sind das für Menschen?“, schimpfte er. „Vielleicht, weil sie mit denen nicht genug Geld verdienen oder weil sie ihren Ruf als Züchter beschädigt sehen, wenn sie Mischlinge haben?“ „Dann sollen sie sie unter einem anderen Namen weggeben oder gleich nach der Geburt töten. Aussetzen ist ...“ Dean schüttelte den Kopf. „Was wird jetzt mit denen?“ „Erstmal bleiben sie in der Wache und dann sehen wir weiter.“ Er schaute sich um und rieb sich den Nacken. „Vielleicht können wir ja eine oder zwei nehmen?“ Er schaute fragend zu Sam. Sam zuckte mit den Schultern. „Im Haus wäre genug Platz.“ Er schnaufte. „Eigentlich hatte ich auf einen Hund gehofft.“ „Du wünscht dir Bones“, stellte Dean ruhig fest. „Ja, irgendwie schon“, nickte Sam. „Sollst du haben. Allerdings würde ich damit warten, bis du mit dem Studium fertig bist. Jetzt wäre er zu lange allein. Katzen ist das egal, die schlafen 20 Stunden. Ein Welpe will erzogen werden“, Dean zuckte die Schultern. „Ich kann ihn vielleicht mit zur Wache nehmen und später auch zur Werkstatt, aber es soll ja dein Hund sein, oder? Wenn dir das allerdings egal wäre, kannst du zum Geburtstag gerne einen kriegen.“ Da brauchte Sam nicht lange zu überlegen. Er wollte gerne einen Hund. Aber ER wollte ihn und er wollte ihn nicht an Dean abschieben. Da konnte er das eine Jahr auch noch warten. „Wenn ich mein Studium beendet und eine Stelle habe, dann will ich den Hund“, erklärte Sam ruhig, aber bestimmt. Dean nickte nur. So hatte er sich das gedacht und so sollte es sein. Er bedeutete der Bedienung, dass sie zahlen wollten. Auf dem Weg zum Impala begann Sam Handy zu klingeln. Er schaute auf das Display. „Bobby“, sagte er, nahm das Gespräch an und stieg ein. Bobby und Jody hatten sich angewöhnt, die Brüder immer abwechselnd anzurufen. „Bobby!“, begrüßte Sam den Freund. Er hatte das Gespräch auf laut gestellt. „Hey, Bobby“, tönte jetzt auch Dean. Er war ebenfalls eingestiegen und schloss die Tür. „Wie geht’s euch?“ „Hallo Jungs“, kam Jodys Stimme aus dem kleinen Gerät. „Ganz gut, denke ich.“ „Jody“, freuten sich die Brüder fast einstimmig. „Wir haben uns endlich entschieden, wie wir zu deinem, eurem Vorschlag stehen“, begann sie etwas umständlich. „Das heißt, ich habe mich entschieden. Für Bobby stand es, glaube ich, schon länger fest.“ Sam verdrehte die Augen und Dean grinste kurz. „Und?“, fragte der dann, damit der Klumpen in seinem Magen nicht noch größer werden konnte. „Wir ziehen zu euch.“ „Jah!“, jubelte Dean. „Das ist so toll! Ich freue mich! Ihr hier! Endlich ist die Familie vereint!“, freute sich Sam. „Ihr seht uns als Familie?“, musste Jody einfach nachhaken, obwohl die Jungs das schon öfter gesagt hatten. Sam schnaubte. „Natürlich“, erklärten die Brüder einstimmig. „Gut“, brummelte Bobby gutmütig. „Dann habt ihr uns demnächst am Hals.“ „Na hoffentlich bald!“, lachte Dean. „Ich habe über Thanksgiving frei und wir dachten, wir kommen zu euch? Wenn´s euch recht ist. Dann könnten wir schon ein paar Sachen mitbringen“, erklärte sie. „Gerne“, erklärten die Beiden. „Ihr könnt bei uns schlafen. Wenn ich zu Sam ziehe, dann ist mein Zimmer frei.“ „Wir suchen uns ein Motel. Wäre ja noch schöner, wenn wir dich schon wieder vertreiben.“ „Wieso schon wieder?“, fragte Dean. „Als du mich von Bellows befreit hast, hast du vor dem Bett geschlafen!“, noch immer schwang der Unglaube und ein leichter Vorwurf in ihrer Stimme mit. „Hab schon schlimmer geschlafen“, erklärte Dean ruhig und schaute fragend zu Sam. Den Umstand hatte er schon lange vergessen. Sam nickte nur. „Egal. Ich freue mich jedenfalls, dass ihr kommt und noch mehr, dass ihr bald für immer hier seid!“ „Ich mich auch!“, pflichtete Sam ihm bei. Sie unterhielten sich noch kurz über Alltägliches, bevor sie auflegten und die Brüder zum Einkaufen fuhren. O´Flannagáin erschien im Schatten der Linde vor dem Haus. Misstrauisch schaute er sich um, denn er wollte den kleinem Winchester nicht wieder vor die Füße laufen. Seitdem der ihn mit den Nägeln erwischt hatte, zappte er sich nicht mehr ins Haus. Von seinen Kontrollgängen ließ er sich dadurch aber nicht abhalten. Er wollte wissen, was mit dem Haus passierte, das Mrs. Elisabeth ihm anvertraut hatte und weshalb er denen die Rechnungen bezahlte. Inzwischen war er sich sogar sicher, dass diese Beiden eine Vorstellung für das Anwesen hatten und sogar wussten was sie taten. Stumm leistete er ihnen ein kleines bisschen Abbitte. Trotzdem würden sie noch viel machen müssen, bis er sein Misstrauen gegen die beiden Lulatsche komplett ablegen würde. Langsam ging er um das Haus. Auf der rechten Seite hatte es im Obergeschoss neue Fenster bekommen, stellte anerkennend fest. Sonst hatte sich seit seinem letzten Besuch nichts verändert. Aber gut. Es ging voran. Schnell verschwand er wieder. Kapitel 129: pads, paws and claws --------------------------------- 129) pads, paws and claws Der November begann, wie der Oktober endete: Nass, kalt und ziemlich stürmisch. Halloween verbrachten die Brüder in trauter Zweisamkeit mit Eierlikörpunsch, Chips, Dips und Pizza vor dem Fernseher. Sam hatte Amitas Einladung, diese Nacht mit ihr und ihren Neffen und Nichten zu verbringen, abgelehnt. Er hatte ihr von Jess erzählt. Dass ihn dieser Tag immer noch sehr an die letzte Party mit ihr erinnerte und von Jess´ Tod kurz danach bei einem Brand. Mitfühlend hatte Amita ihre Hand auf seinen Arm gelegt und genickt. Dean hatte Chris und Mac abgewimmelt, die ihn zu ihrer Party einladen wollten und Maddie musste arbeiten. Am 1. November musste er arbeiten und danach war er in der Werkstatt. So langsam schien es sich wirklich herum zu sprechen, dass er alle drei Tage hier arbeitete und gute Arbeit leistete. An diesem Tag kamen vier Kunden. Den Tag darauf war er wieder im Haus und arbeitete auf seiner Seite. Er schätzte, dass er höchstens noch 4 Tage brauchen würden, um den begehbaren Kleiderschrank, Bad und Schlafzimmer soweit vorzubereiten, damit erst der Klempner ins Bad konnte und dann die Putzer kommen und die Fenster eingebaut wurden. In der Zeit konnte er endlich bei Sam loslegen. Irgendwie fühlte es sich immer noch komisch an, zuerst etwas für sich zu machen und danach erst für Sammy. Dass er den Fitnessbereich noch vor Thanksgiving in Angriff nehmen könnte, war eher unwahrscheinlich, auch wenn er es gerne schaffen würde, denn Bobby hatte angekündigt, dass er die Fitnessgeräte mitbringen wollte. Außerdem einen Teil der Ersatzteile für sein Baby. Und noch einiges mehr. Mal sehen, was sie wirklich einpackten. Wenn er darüber nachdachte, konnte Dean es nicht fassen, wie sich alles in diesem Jahr entwickelt hatte. Er hatte Freunde, die ihm im Haus halfen. Jody und Bobby würde bald hierherziehen und auch auf der Wache fühlte er sich wohl. Derzeit war es sogar ziemlich ruhig. Sie hatten zwar einige Einsätze, wurden letztendlich jedoch mehr von den kleinen Katzen auf Trab gehalten, als von ihrem Beruf. Eine Mitarbeiterin des Tierheimes war da gewesen und hatte ihnen eine gute Pflege der Kleinen attestiert. Der Tierarzt hatte ihnen die erste Spritze gegeben und wollte für die zweite Impfung wiederkommen. Alles in allem lief es gerade richtig gut. Er stellte die Leiter ein Stück weiter und befestigte das Kabel im Mauerschlitz. Sam bog in den Weg zu ihrem Haus ein. Die letzte Vorlesung für heute war ausgefallen und er wollte sich sein Zimmer, oder vielleicht eher das seines Bruders, noch mal anschauen. Obwohl in beiden, laut Dean, noch sehr viel Fantasie nötig war, um überhaupt mehr als kahle Wände zu sehen. Aber sie wollten nachher nach Einrichtungsideen suchen und da wollte er wenigstens das Raumgefühl haben, um sich vielleicht leichter entscheiden zu können. Sein Blick fiel auf das Haus. Trotz der vernagelten Fenster, denn außer rechts unten gab es davon noch genug, sah es viel freundlicher aus. Er war gespannt, ob die Rosen an den Hausecken anwuchsen und wie das aussehen würde und er freute sich auf den Garten. Ob die Obstbäume im nächsten Jahr wohl schon trugen? Seinen Wagen stellte er vor dem Eingang ab. Vielleicht sollte er den Zettel für die Eingangshalle an die Kühlschranktür pinnen, denn das Glas hatte ausgedient. Eine schöne Tür fehlte noch. „Dean?“, rief er, kaum, dass er das Haus betreten hatte. „Oben!“ Aus der Küche kamen Geräusche. Sam schaute kurz durch die Tür. „Hallo“, grüßte er den Mann, der am Fliesenspiegel arbeitete, dann stieg er die Treppen hinauf. Seine Wohnung hatte, genau wie Deans, und jeder andere Raum in dem Haus, noch keine Tür. „Dean?“ „Bei mir.“ Sam folgte dem Ruf in Richtung Schlafzimmer. Er ging durch die Türöffnung und erstarrte. „Seit wann gibt es hier eine ... wird das eine Wand? Wird die noch höher?“ Dean stieg von der Leiter und kam aus dem Bad. „Das Schlafzimmer ist groß genug und ich wollte das Bett weder hier hinten an die Wand stellen, noch vor das Fenster. Die Wand bleibt so, knapp eineinhalb Meter hoch und soll das Betthaupt ersetzen, mit schwebenden Nachttischen. Ich will die mit Scheunenholz verkleiden, passend zu den Türen zum Bad und der Ankleide, das sollen Schiebetüren in Scheunentoroptik werden. Am Fenster will ich eine breite Fensterbank, wie wir´s im Kaminzimmer haben“, erklärte Dean seine Ideen. „Was die Farben anbelangt, habe ich allerdings noch keine Ahnung, aber eher dunkel. Blau oder grau?“ „Das klingt gut. Wärst du böse, wenn ich mich auch dafür entscheiden würde?“ „Nein, warum sollte ich?“, fragte Dean irritiert und zuckte mit den Schultern. „Was machst du eigentlich jetzt schon hier?“, wollte er dann wissen. „Die letzte Vorlesung ist ausgefallen, deshalb komme ich her. Kann ich was helfen?“ „Nein, ich bin fast fertig. Nur noch ein Stück, vielleicht `ne halbe Stunde.“ Dann gehe ich mal rüber und schaue mir mein Zimmer noch mal an.“ „Nimm ´ne Taschenlampe mit oder guck dich hier um. Bei dir ist noch weniger passiert als hier“, nickte Dean. Er ging wieder ins Bad, zog die Leiter ein Stück weiter und stieg nach oben. Sam ging in seinen Wohnbereich und betrat sein Schlafzimmer. Kurz ließ er den Lichtkegel über die Wände gleiten und musste sich des Gefühls erwehren, um Jahre in der Zeit zurückversetzt zu sein. Wie oft waren sie in dunkle, halb verfallene Häuser gegangen, um Geister zu jagen. Schnell schüttelte er diese Gedanken ab und ging zurück zu Dean. Hier schien es wärmer zu sein, auch wenn das eigentlich unmöglich war. Aber allein, die Kabel und die Schläuche für die Deckenheizung, die hier rumlagen, und damit die Gewissheit, dass es voranging, ließ es schon viel freundlicher aussehen. Wie musste das erst mit Fenstern wirken und wie, wenn es fertig eingerichtet war? Er freute sich schon darauf, wenn im nächsten Jahr das ganz Haus fertig sein würde und er versuchte sich vorzustellen, wie es wohl war, hier jeden Tag aufzuwachen und jeden Abend hierher zurück zu kommen. Ein Lächeln schlich sich in sein Gesicht. „Warst du schon unten?“, riss Deans Frage ihn aus seinen Träumen. „Nein.“ „Da hat sich viel verändert, seid du das letzte Mal hier warst.“ „Dann gehe ich mal runter“, sagte Sam. Er schaute sich noch einmal um und ließ Dean dann weiterarbeiten. Er begann seine Runde durch das Erdgeschoss. Das Esszimmer war fertig. Da fehlten nur noch die Möbel. Auch das Kaminzimmer war soweit und der Kamin sah toll aus. Auf einem rechteckigen Natursteinsockel ruhte eine größere rechteckige Platte aus den gleichen Material, nur etwas heller. Die gläserne Brennkammer stand darauf. Hinter der Brennkammer war der Schornstein ebenfalls mit Naturstein verkleidet und es gab ein fast raumhohes Holzlager, das auch mit Naturstein eingefasst war. Jedes Teil des Kamins hatte eine leicht andere Farbe von fast weiß bis mittelgrau. Fehlte nur noch das Holz, das an der Wand angebracht werden sollte. Sam ging zurück in die Eingangshalle. Er schaute kurz in die Garderobe und in das Gäste-WC. Diese beiden kleinen Räume waren wirklich fertig. Hier gab es Fenster und Lampen. Ein WC und ein Waschbecken, sogar ein kleiner Spiegel hing an der Wand. Nur die Baustellentüren trübten den tollen Eindruck. Er ging in die Küche. Die Wände waren gestrichen und der Fliesenspiegel war fast fertig. „Das sieht so schon super aus!“, freute er sich und beobachtete den Mann kurz dabei, wie er die nächste Platte an die Wand brachte. „Der Fußboden wird diese Woche auch fertig“, sagte der Mann, Jonathan, wie Sam jetzt erkannte. „In der Küche oder komplett?“ „Ich denke, wir bekommen alles soweit fertig.“ „Oh man, ich freue mich schon drauf, alles fertig zu sehen“, erklärte Sam und ging weiter. In der Frühstücksecke war der Fliesenspiegel fertig. Der Wintergarten sah dagegen noch eher wie ein Rohbau aus, immerhin war er fertig verputzt und auch hier waren die Fenstertüren schon eingebaut. Alleine das machte den Raum schon viel ansprechender. Als er wieder in den Eingangsbereich kam, kam Dean gerade die Treppe herunter. „Kann ich dir was helfen?“, wollte Sam wissen. „Oben liegen noch Kabel. Wenn du die mit runterbringen könntest?“ Sofort lief Sam die Treppe nach oben. Er legte das Kabel in den Materialraum und schaute zu Dean. „Fahren wir mit einem Auto oder soll ich dir folgen?“ „Fahren wir mit einem und holen deinen nachher ab.“ Sam nickte und ließ sich auf den Beifahrersitz des Impalas fallen. „Es wird immer wohnlicher“, sagte er, als Dean neben ihm saß. „Ja. So langsam kann man es als werden wollendes Wohnhaus bezeichnen. Die Ruine ist fast verschwunden“, nickte der Ältere und lenkte den Wagen auf die Straße. Auf dem Weg zum Möbelhaus fuhr Dean an seiner Wache vorbei. „Was wollen wir denn hier?“, fragte Sam, als Dean den Wagen auf den Parkplatz lenkte. „Naja“, begann Dean, „ich habe dich mal wegen der Katzen gefragt, aber außer, dass du einen Hund bekommst, wenn du dein Studium fertig hast, sind wir zu keinem Ergebnis gekommen. Deshalb wollte ich dir die Kleinen mal zeigen.“ „Du willst, dass ich sie so niedlich finde, dass ich alle sofort adoptieren will“, überlegte Sam grinsend. „Alle nicht, aber eins oder besser zwei. Wir haben so viel Platz im Haus und drumrum. Wenn sie keiner will, sollen sie zur Adoption freigegeben werden.“ „Das willst du nicht?“ „Keine Ahnung“, sagte Dean ruhig und schüttelte unbewusst den Kopf. Er stieg aus und ging zur Wache. Sam folgte ihm. „Win! Was machst du denn hier? Und wen bringst du mit?“ „Hallo Skipp“, grüßte Dean den Kollegen aus der 1. Schicht und nickte den anderen zu, die im Aufenthaltsraum saßen. „Das ist mein Bruder, Sam. Wir wollten mal nach den Kleinen schauen.“ Skipp und die Anderen nickten. „Weißt ja, wo sie sind.“ Dean führte Sam zu der Kiste. „Warum sind die drin?“, wollte er wissen. „Die haben den ganzen Vormittag Unsinn gemacht. Wir brauchten mal Ruhe“, erklärte einer der Anderen. Dean grinste. Er hockte sich vor die Kiste und begann die erwachsene Katze zu kraulen. „Hey“, sagte er leise. „Ist das die, die deine alte Wache gerettet hat?“, fragte Sam und hockte sich ebenfalls hin. Er hielt eine Hand in die Kiste, so dass Mutter und Babys schnuppern konnten. Obwohl Babys auch schon nicht mehr wahr war. Der bunte Haufen kletterte wild durcheinander. „Ja, sie haben sie aus einem Abwasserrohr gezogen. Drei ihrer Kleinen waren schon tot.“ Er kraulte die Katze unterm Kinn, was sie mit noch lauterem Schnurren begrüßte. „Sie heißt Mischa und soll hier bleiben.“ Dean ließ von ihr ab und hob ein graubraun getigertes Kätzchen hoch. „Das und der Kleine da“, er deutete auf ein schwarz-weiß geflecktes, „sind ihre eigenen. Der Rest kommt aus dem Karton.“ Er setzte das Kleine wieder zurück. „Müssten die nicht irgendwie gleich aussehen?“ Sam schaute auf den bunten Haufen. „Eine Katze kann durchaus Kätzchen von mehreren Katern in einem Wurf zur Welt bringen, hab ich gelesen“, sagte Dean. „Und auf welches hast Du ein Auge geworfen?“ „Eins von denen.“ Dean deutete auf die hellen Kätzchen, die halb unter ihren Geschwistern vergraben zu schlafen schienen. „Ich will sie jetzt nicht wecken. Und“, er griff in den Haufen und hob einen hellgrauen Tiger mir weißen Pfötchen und einem weißen Lätzchen hoch. Das Kätzchen hatte weiß umrandete Augen und ein weißes Mäulchen. Er hielt es Sam hin. „Wie alt sind sie?“, wollte Sam wissen und begann das kleine Kerlchen zu kraulen. „Ungefähr 8 Wochen.“ „Und wie lange bleiben die noch hier?“ „4 Wochen.“ „Dann sind wir aber noch in der Wohnung.“ Dean nickte. Zwei der drei Hellen arbeiteten sich gerade unter ihren Geschwistern hervor und er holte eins heraus. „Das hier“, sagte er und drehte das Kleine zu Sam. Es hatte auch weiße Pfötchen. Die Vorderbeine waren hellgrau getigert, genau wie das Gesicht. Schwanz und Ohren waren dunkelbraun. „In der Wohnung könnten sie sich schon mal an uns gewöhnen“, sagte Dean und setzte das Kleine zurück. Auch Sam setzte das Kätzchen wieder zu seinen Geschwistern und erhob sich. „Ihr nehmt sie?“, fragte Skipp. Dean schaute zu Sam, der nur die Augen ergeben verdrehte und nickte. Wer konnte so kleine Wusels ablehnen? Er schaute noch einmal zu der Kiste. Es war ein schönes Gefühl dieses weiche, schnurrende Wesen an seiner Brust zu fühlen. „Wir nehmen sie“, sagte er jetzt und nickte. „Das war schon ein bisschen gemein“, stellte Sam fest, als sie wieder m Impala saßen. „Diesen Fellknäulen kann doch keiner widerstehen.“ Dean klimperte unschuldig mit den Augen. „Hättest du dich eher entschieden, wären wir heute nicht hergekommen.“ „Auch wieder wahr.“ Kapitel 130: Ich liebe DIch --------------------------- 130) Ich liebe dich Dean parkte den Impala vor einem Möbelhaus. Sie streiften durch die Abteilungen für Schlafzimmer und Bad, machten Fotos, nahmen Prospekte mit und fuhren zum Nächsten. Ein Möbelhaus hatte sogar ein Einrichtungsprogramm, mit dem sie eine Zeit lang spielten. Fußlahm, aber mit einigen neuen Ideen, kamen sie am Abend in ihre Wohnung zurück. Sie packten ihr Essen aus, denn weder Dean noch Sam verspürten den Drang kochen zu wollen. Nach dem Essen gingen sie in aller Ruhe die Fotos durch und löschten, was dann doch nicht ihrem Geschmack entsprach. Als Sam Dean seinen Favoriten zeigte, musste der lachen. Er drehte sein Handy zu Sam und jetzt konnte der Deans Heiterkeitsausbruch verstehen. Ihre Zimmer waren fast identisch, nur farblich das Gegenteil des jeweils anderen. Sam hatte sich für sandfarbene Wände entschieden. Die Wand hinter dem Bett sollte mit dunklem Walnussholz verkleidet werden. Das gleiche Holz wie er auf dem Fußboden und die Türen zum Bad und dem Ankleidezimmer haben wollte. Die Möbel sollten dann einem hellen Ton haben. Dean hatte sich für ein dunkles Blau an den Wänden entschieden. Fußboden und die Schiebetüren wollte er in hellgrau gebeiztem Holz haben, genau wie die halbhohe Wand hinter seinem Bett, einen hellen Teppich, Bett, Couch und Beistelltisch aus Walnussholz. Er wollte Scheunentore als Türen zu Bad und Ankleide und Sam wollte, wie er schon angekündigt hatte, diese Idee übernehmen. Auch im Bad waren ihre Geschmäcker ziemlich ähnlich und die Ankleide sollte einfach nur hell gestrichen werden und graue Schränke haben. „Das ging schneller als gedacht“, sagte Dean und legte sein Handy weg. Jetzt wollte er das Ganze noch Madeleine zeigen, immerhin hoffte er, dass sie bei ihm einzog. Sam hegte ähnliche Gedanken mit Amita. Am nächsten Tag rief Trudeau Dean in sein Büro. „Du bist doch Lieutenant“, begann er. Dean nickte. „Proforma, ja. Aber ich habe keine praktischen Erfahrungen damit.“ „Dann sollten wir das so langsam mal ändern. Irgendwann will ich auch in den Ruhestand gehen. Beim Papierkram hilfst du mir ja schon.“ „Du willst ...?“, fragte Dean irritiert. „Ich muss noch zwei Jahre, um in Pension gehen zu können.“ „Okay?“, sagte Dean. Sollte das dann heißen, dass er in zwei Jahren Lieutenant werden würde? Dann blieb ihm immerhin hoch einige Zeit zum lernen. „Ich denke, du wirst in der nächsten Zeit deine ersten eigenen Einsätze leiten“, sagte der Captain. „Wir lassen es ruhig beginnen.“ Wieder nickte Dean. So war es ihm auf jeden Fall lieber, als wenn er nochmal ins kalte Wasser geworfen würde. Er freute sich jetzt schon darauf, zur Abwechslung mal gezeigt zu bekommen, wie es richtiggemacht wurde, und es nicht durch seine Fehler lernen zu müssen. „Das ist gut“, sagte er und trank seinen Kaffee aus. Auf seinen ersten Einsatz musste er dann doch nicht so lange warten, wie gedacht. Schon in der folgenden Schicht musste die Rüstgruppe eine Katze von einem Baum retten. Gerade als sich Dean das Geschirr anlegen wollte, hielt Trudeau ihn auf. „Den Einsatz zu leiten heißt nicht, ihn selbst zu machen. Du solltest deine Männer führen!“ Der Captain grinste und noch mehr, als er Deans betrübten Blick sah. „Du wärst gerne selbst da hoch?“ „Ja, naja. Ich ...“ Er zuckte mit den Schultern und gab das Sicherungsgeschirr an Tyler weiter. „Du und Park, ihr geht hoch. Ich behalte das Tier im Auge. Cap, du kümmerst dich um die Besitzerin und Robert, du steuerst die Leiter!“, bestimmte Dean dann und Trudeau lächelte. Eine halbe Stunde später fuhren sie zurück zur Wache. „Gut gemacht“, lobte der Captain Dean. „Ähm. Danke“, entgegnete der eher verdattert und Trudeau setzte einen neuen Punkt auf seine Liste über den Winchester. 'Kann nicht gut mit Lob umgehen.' Auf der Wache wurde der Captain schon von Battalion Chief Johnson erwartet. „Und?“, fragte der, kaum dass Trudeaus die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Lief gut, nachdem ich ihm erklärt habe, dass einen Einsatz leiten nicht heißt ihn selbst zu machen. Ich denke, er ist eher der Typ, der versucht alle zu retten, egal was mit ihm ist.“ Er trank einen Schluck Kaffee. „Das sagte Chief Bradley auch schon.“ „Er hat alles gut im Blick und gibt präzise Kommandos. Außerdem hat er eine gute Beobachtungsgabe“, fuhr Trudeau fort. „Wie kommen Sie darauf?“ „Bei dem Einsatz im Studentenwohnheim. Er meinte, dass da Möchtegernhexen eine Seance abgehalten hätten. Die Männer waren anderer Meinung. Nur weil die Mädchen schwarze Haare hatten und schwarz gekleidet waren, müssten sie keine Hexen sein. Ich konnte ihnen nur zustimmen. Dean entgegnete, dass er seine Äußerung eher an dem verwischten Pentagramm und den schwarzen Kerzen festmachen würde. Ich habe nicht darauf geachtet, ob das wirklich da war, also habe ich die Brandermittler gefragt. Dean hatte Recht mit dem Pentagramm und den Kerzen. Keinem Anderen sind die aufgefallen.“ „Mich würde ja eher interessieren, woher er sowas weiß.“ „Auch das habe ich ihn gefragt. Seine Antwort war, dass man, wenn man als Kind von einem schlechten Motel zum anderen gezogen wäre, so ziemlich alles im Fernsehen gesehen hätte.“ „Noch einer mit schlechter Kindheit. Irgendwie sind die helfenden Berufe ein Sammelbecken für solche Leute.“ „Sind ja auch nicht die Schlechtesten, die aus dem Milieu kommen und diesen Weg gehen.“ „Nein. Es sind eher die besseren“, nickte der Chief und entließ seinen Captain wieder. Sie mussten in dieser Nacht noch zu zwei Unfällen ausrücken. Diese Einsätze leitetet Trudeau, was Dean sehr begrüßte. Er fand es besser arbeiten zu können, als auf drei Leute zu achten, obwohl Trudeau ja auch normal mitmachte und er es gewohnt war, auf Sam zu achten. Aber das war einer und der wusste, was er tat. Davon ging er bei seinen Kollegen zwar auch aus, trotzdem musste er als Lieutenant ihre Arbeiten koordinieren. Na, auch das würde er lernen. Er hatte ja noch mindestens 2 Jahre Zeit. Nach der Schicht fuhr er sofort ins Haus und machte im Bad weiter. Er schaffte es sogar noch die Holzlatten an einer Wand in der Ankleide zu befestigen, bevor er sich auf den Weg machen musste, wenn er mit Maddie noch einen Kaffee trinken wollte. In dieser und in der nächsten Woche war das die einzige Möglichkeit für sie, sich zu sehen. Er parkte den Impala vor der Bäckerei und betrat den Raum. Sofort stand Maddie auf und ging ihm entgegen. „Du siehst müde aus“, stellte sie besorgt fest. „Geht schon. Ich habe bis Weihnachten noch Einiges zu tun“, erwiderte er und zog sie in eine feste Umarmung, bevor er ihr einen Kuss gab und sie dann losließ. Sie setzten sich. Er bestellte sich einen Kaffee und einen Muffin. „Wie war dein Tag?“, wollte sie von ihm wissen. „Ich komme voran. Langsam, aber es wird.“ „Ich verstehe ja immer noch nicht, warum du das nicht die Firma machen lässt.“ „Das Ding ist uns in den Schoß gefallen. Es fühlt sich einfach falsch an, jetzt auch noch in ein gemachtes Nest zu ziehen. Wir haben nie so viel Glück, ohne nicht irgendwann einen zu hohen Preis dafür zahlen zu müssen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht kann ich die Schulden ja so minimieren.“ „Dean du ...“, begann sie leise. „du weißt schon, dass das Blödsinn ist, oder?“ „Ist es das?“ Er schaute ihr in die Augen. „Ich habe Sammy bekommen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mir so sehr einen Bruder gewünscht und ihn bekommen. Ein halbes Jahr nach seiner Geburt starb Mom.“ Er schluckte hart. „Jahre später verschwand John und ich wollte ihn nicht alleine suchen, ich wollte Sammy wieder in meinem Leben haben, also habe ich ihn geholt. Kurz nachdem ich ihn in sein Wohnheim zurückgebracht habe, starb Jess.“ Er atmete durch. „Ist das wirklich Blödsinn?“ Madeleine nahm seine Hände in ihre. Sie wusste nicht was sie sagen, wie sie diese Argumente entkräften konnte, also sagte sie nichts. Sanft strich sie mit ihren Daumen über seine Handrücken. Dean schluckte. Er verdrängte diese Gedanken und grinste schief, bevor er ihr eine Hand entwand und sein Handy hervorholte. „Wir waren in ein paar Möbelhäusern“, begann er, tippte ein paar Mal über den kleinen Bildschirm und drehte es dann zu ihr. „Ich würde das Schlafzimmer gerne so“, er wischte ein Bild weiter, „und das Bad so einrichten. Was sagst du?“ „Es ist deine Wohnung“, antwortete sie ruhig. „Ja. Aber ich brauche eine weibliche Meinung.“ „Mir gefällt es. Es ist zwar ziemlich dunkel, aber mit den hellen Möbeln ergibt es ein rundes Bild und das Bad? Wahnsinn. Alleine schon der Platz ist irre.“ Sie lachte. „Da passen jede Menge Pflanzen hin.“ Jetzt lächelte Dean. Zu gut hatte er ihre Wohnung vor Augen. „Sag mal, bist du gegen Katzen allergisch? Oder gegen andere Tiere?“ „Nein“, entgegnete sie verblüfft. „Warum?“ „Ich hatte ja erzählt, dass ein netter Mensch Kätzchen vor der Wache ausgesetzt hat, die wir jetzt aufpäppeln und ich würde gerne Zweien davon ein Zuhause geben.“ „Platz genug habt ihr ja.“ „Eben“, nickte Dean. „Nein. Ich habe keine Allergie“, sagte sie noch einmal und freute sich still, dass er sie fragte. „Ziehen die dann sofort mit ins Haus ein?“ „Ich wollte sie erst zu uns in die Wohnung holen. Dann können sie sich an uns gewöhnen, bevor sie sich an das Haus gewöhnen müssen. Außerdem sollen alle zur gleichen Zeit ausziehen. Sie haben für genug Wirbel gesorgt. Nur die Mutter bleibt. Aber die wird sterilisiert.“ „Das ist gut“, nickte Madeleine. Sie trank ihren Kaffee aus. „Ich muss langsam los“, sagte sie. Er seufzte. „Ich hoffe, wenn wir im Haus sind, wird es besser.“ Er trank ebenfalls aus und stand auf. Er machte einen Schritt auf Maddie zu, zog sie in seine Arme und gab ihr einen Kuss. „Du bist die Allerbeste“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich liebe dich!“ „Ich dich auch“, erwiderte Madeleine und war froh, die Röte, die ihr in die Wangen gestiegen war, in seiner Halsbeuge verstecken zu können. Dean inhalierte ihren Duft. Am Liebsten würde er sie jetzt packen, sie in Grund und Boden knutschen und dann mit ihr in ein Motel fahren und die nächsten Tage nicht mehr rauskommen. Doch er gab ihr nur einen Kuss, bevor er sich von ihr löste. „Übermorgen wieder hier oder hat sich dein Dienstplan geändert?“ „Nein. Bis Januar habe ich diese blöden 12-Stunden-Schichten.“ „Jetzt wo ich die nicht mehr habe, weiß ich erst, wie blöd die sind“, nickte Dean mit einem Lächeln. Er zog sein Portemonnaie und ging bezahlen. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung überlegte er, warum er ihr gerade jetzt gesagt hatte, dass er sie liebte und er versuchte zu ergründen, ob sich jetzt etwas geändert hatte. Doch er fühlte sich wie immer, nur irgendwie zufriedener. „Amita! Schön dich zu sehen“, begrüßte Dean die junge Frau und schloss die Wohnungstür. „Mity, Tylor“ Er nickte beiden zu. „Hab euch ja lange nicht mehr gesehen.“ „Du bist ja auch ständig unterwegs“, gab Mity zurück. „Ist noch viel zu tun“, erwiderte Dean. „Hast du schon gegessen?“, klinkte sich nun Sam in das Gespräch. „Ich wollte gerade marokanisch bestellen.“ Er wedelte mit dem Telefon. „Klingt gut“, nickte Dean. „Ich bin dabei.“ Dann wandte er sich an Amtia. „Sag mal, bis du gegen Tiere allergisch?“ „Allergisch nicht, aber ich hasse Schlangen!“ Amita schüttelte es regelrecht bei dem Gedanken. „Und ihr?“, wollte Dean jetzt von den Freunden wissen. Wenn sie schon mal da waren, konnte er auch fragen. „Willst du uns ein Tier zu Weihnachten schenken?“, fragte Tylor skeptisch. „Habt ihr irgendwas gerettet?“ „Kleine Katzen, vor drei Wochen und ich wollte zwei bei uns aufnehmen“, antwortete Dean. „Apropos Katzen“, begann Sam, der gerade aufgelegt hatte. Er öffnete die Galerie auf seinem Handy und zeigte Dean ein Bild. „Das wäre doch eine Idee für der Wintergarten oder?“ „Ich habe keine Probleme mit Allergien“, verneinte Tylor. „Und ich bin nur auf Spinnen allergisch“, lachte Mity. „Gut“, freute sich Dean. Er wollte Sams Freunde ja nicht vertreiben. Erst jetzt schaute er auf das Foto, dass Sam ihm hinhielt. „Eine Katzenwand“, stellte er verblüfft fest. „Sieht gut aus.“ Er zoomte etwas in das Bild hinein. Da gab es eine Hängebrücke, Kästen und Liegeplätze, Leitern und Treppen. „Das könnten wir selbst bauen.“ Er schaute seinen Bruder an. „Gute Idee, Sammy.“ „Wann willst du das denn auch noch machen?“, fragte der Jüngere. „Zumindest einen Teil davon“, räumte Dean ein. „Ich dachte, wenn wir die Wandverkleidung anbringen. Die Trittdinger mit dem Kratzzeug drumrum müssten wir bestellen, aber die Liegebretter und ...“ „Wenn du mir das Foto schickst. Rohan arbeitet mit Holz und bastelt gerne und das wäre noch eine Idee, die er später auch in seinem Laden verkaufen könnte“, warf Amita ein. „Okay?“, antwortete Dean skeptisch. „Lass mich mal machen“, sagte sie selbstsicher. Dean nickte und Sam leitete das Bild an sie weiter. Kapitel 131: understanding in a car crush ----------------------------------------- 131) understanding in a car crush In den nächsten Wochen wurde es nicht besser. Die Brüder lebten eher nebeneinander her, als miteinander in einer Wohnung. Eine umfangreiche Projektarbeit beanspruchte Sams ganze Aufmerksamkeit. Außerdem ging er ja auch noch im Supermarkt arbeiten und traf sich unregelmäßig mit Amita. Dean kreiste zwischen Haus, Schrottplatz, Feuerwehr. Er kam nur zum Schlafen in ihre Wohnung und selbst Madeleine, die ihn vielleicht aus diesem selbstzerstörerischen Kreislauf hätte holen können, hatte mit ihren 12-Stunden-Schichten zu tun, so dass sie sich nur alle 2 Wochen länger sehen konnten. Aber auch diese Zeit würde vergehen. Immerhin kam Dean im Haus ganz gut voran. Sam hatte die Wohnung zum 31. Dezember gekündigt. Dean holte sich einen Kaffee und ging zu der Kiste mit den Kätzchen. Die Kleinen waren in den letzten Tagen um einiges gewachsen und inzwischen auch viel aktiver. So langsam bildete sich jetzt auch bei jedem ein eigener Charakter heraus. Rosa schien eher schüchtern zu sein. Wuschel, wie Dean den kleinen Kater, den er mitnehmen wollte, momentan noch nannte, war ein Draufgänger. Überall musste er hochklettern und alles musste er untersuchen. Ivar liebte es Pflanzen auszugraben und an allem herum zu kauen und Missy war total verschmust. "Schon komisch. Jeder, der eine Kleine mitnimmt, scheint die mit dem passenden Charakter zu bekommen", stellte Fleur fest. Sie hatte Enya auf dem Schoß und spielte mit ihr. "Stimmt", lachte Dean. "Die Kleine ist so stachelig wie du." "Was heißt das denn?", fragte sie entrüstet. "Nur, dass du auch schnell die Krallen ausfährst." Fleur wurde von einem eingehenden Alarm einer Antwort enthoben. Sie setzte die Katze zurück in den Karton und lief zum Rettungswagen. Dean folgte ihr eine Sekunde später. Auf dem Weg zum Einsatzort drehte sich Captain Trudeau zu seinen Männern um. "Unfall mit zwei Sattelzügen. Die halbe Ladung soll auf der Straße liegen." "Na dann räumen wir mal auf", sagte Andrew. "Kann ja nicht lange dauern." "Beschrei es nicht", warnte Robert, der es zwar immer verneinte, aber trotzdem extrem abergläubisch war. Schon von Weitem sahen sie das Knäul aus den beiden Sattelschleppern. Ein blauer Autotransporter hatte einen mit Metallstangen beladenen weißen Schwertransporter seitlich zwischen Fahrerhaus und Auflieger gerammt und ihn ein ganzes Stück über die Straße geschoben. Dabei wickelte sich der Schwertransporter regelrecht um das Fahrerhaus des Blauen. Der Auflieger war umgekippt und hatte seine Ladung über die Straße verteilt. Das Führerhaus stand auf einem Rad und wurde wohl nur von dem Autotransporter gehalten. "Nicht schon wieder", schimpfte Dean. Nur zu gut stand ihm noch der Unfall vor Augen, bei dem Romero verletzt worden war. Die Drehleiter hielt neben ihnen. Dean sprang aus dem Einsatzfahrzeug, lief zu dem blauen Führerhaus und kletterte auf die Stoßstange. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass der Fahrer auf dem Beifahrersitz lag. Er blutete aus mehreren Wunden und schien bewusstlos zu sein. Seine Beine konnte er nicht sehen. Er sprang wieder auf die Straße und lief zu seinen Kollegen. "Vermutlich eingeklemmt. Wir müssen das Knäul auflösen, sonst kriegen wir keinen raus." Sein Blick wanderte zu dem Autotransporter. 'Fehlte da nicht einer?', wunderte er sich. Irgendwie sah es komisch aus. Chief Johnson parkte seinen Wagen am Straßenrand. Ein kurzer Rundblick, dann griff er nach seinem Mikro. "Die Drehleiter sichert den weißen. Urban, Sie versuchen den weißen rauszuziehen!" Sofort begann die hektische Betriebsamkeit. Urban lenkte das Rüstgruppenfahrzeug hinter den Autotransporter. Gut, dass der Unfall an einer Einmündung passiert war, so blieb ihnen genügend Platz. Sie ketteten den Auflieger an den Haken und dann gab Urban vorsichtig Gas. Bei den ersten beiden Versuchen passierte nichts. Dann lösten sich die beiden Transporter kreischend und knarrend voneinander. Das weiße Führerhaus kippte auf die Räder. Es schwankte noch kurz, dann stand es still. Sofort stürmten die Männer zu den Fahrerhäusern und versuchten die Türen zu öffnen. Sie scheiterten. Der Autotransporter war komplett verzogen. Bei dem Schwerlasttransporter sah das Führerhaus nicht ganz so schlimm aus. "Rob, Win, ihr kümmert euch um den Schwerlasttransporter. Park, Tylor, ihr helft mir mit dem blauen", teilte Captain Trudeau seine Leute ein. "Vargas, Harper, ihr unterstützt, der Rest hilft mir das Metall von der Straße zu bekommen", forderte Muray seine Männer auf. Dean sprang zur Fahrertür hoch und schaute durch das zerplatzte Fenster. "Sir?", fragte er. Stöhnend drehte der Mann seinen Kopf zu der Stimme. Er sah den Feuerwehrmann und versuchte sich aus seiner Lage zu befreien. "Ganz ruhig, Sir. Bleiben Sie wo Sie sind. Wir holen Sie raus!", forderte Dean. Er zog sich seine Jacke aus und schob sie durch das Fenster. "Können Sie sich die über Gesicht und Körper legen? Wir versuchen die Tür zu öffnen. Kann sein, dass das Fenster platzt", erklärte Dean. Der Mann nickte und versuchte sich so gut es ging, mit der Jacke zuzudecken. Rob kletterte aus seinem Fahrerhaus, holte Brechstange und Spreizer aus den Fächern und lief zu Dean. Er warf ihm die Brechstange zu und postierte sich an der Beifahrerseite. Rob setzte das Gerät an und rutschte ab. Dean schob Robert zur Seite und schaffte ihm mit zwei schnellen Aktionen eine bessere Angriffsfläche. Er trat zurück und als er sah, dass der Spreizer griff, holte er einen Kragen, das Brett und winkte den Sanitätern. Die Tür sprang auf. Sofort kletterte Kelly in das Fahrerhaus und untersuchte den Mann. „ Pneumothorax, Schnittwunden und etliche Prellungen, stellte sie fest. "Es wird alles gut", beruhigte sie ihn. Dean half ihr, den Kragen anzulegen, dann hoben sie ihn vorsichtig auf das Spineboard und brachten ihn zum Rettungswagen. Der Mann schaute zu Dean. "Flieger", murmelte er, bevor sie die Trage in den Rettungswagen schoben und die Tür schlossen. Dean schüttelte den Kopf, während er mit Robert dem davonrasenden Wagen hinterher schaute. Hatte er den Mann richtig verstanden? Hatte der ihn wirklich auf etwas hinweisen wollen? Hier war weit und breit nichts von einem Flieger zu sehen! Wie auch! Wieder schüttelte er den Kopf. Sie gingen zu dem zweiten Unfallwagen. "Braucht ihr Hilfe?", wollte Robert wissen. "Nein. Ihr könnt beim Aufräumen helfen", erwiderte Trudeau. "Alles klar", nickte Dean und ging zu Harper, der gerade eine dicke Eisenstange zum Straßenrand zu rollen. Wieder streifte sein Blick den Autotransporter und wieder kam ihm die Anordnung der Fahrzeuge komisch vor. 'Und wenn sich bei dem Unfall der vorderste Wagen gelöst hatte? Er schaute zu dem Gebüsch auf dem Grünstreifen. Es sah unversehrt aus. Harper sah seinen Blick. "Du meinst, da fehlt ein Wagen?" "Ich habe keine Ahnung. Es sieht nur so komisch aus und ..." "Dann gehen wir ihn suchen", entschied Jared und lief auf das Gebüsch zu. "Lieutenant? Wir suchen den fehlenden Wagen", informierte er über Sprechfunk. Dean folgte ihm. "Ach du heiliger Strohsack!", schimpfte er und blieb stehen. Dean prallte fast gegen ihn. "Verdammt", knirschte er. "Chief! Die Tankstelle!", brüllte er über Funk, "Der fehlende Wagen ist auf dem Dach gelandet", informierte er noch und rannte los. Harper folgte ihm auf dem Fuß. Die Tankstelle lag etwas tiefer als die Straße auf der der Unfall passiert war und wurde von dem Gebüsch komplett verdeckt. Der fehlende Wagen, nagelneu und noch mit Plane, war auf dem Dach, genau auf einem dicken Betonträger über den Tanksäulen gelandet. Chief Johnson folgte dem Ruf seiner Männer. Er lief bis zu dem Gebüsch. "Murray!" forderte er, "lassen Sie alles stehen und liegen und fahren mit ihren Männern zu der Tankstelle." "Okay", ertönte die Antwort über Funk und dann scheuchte der Vargas auch schon zum Truck. Dean und Jared waren inzwischen auf dem Platz vor der Tankstelle angekommen, auf dem auch mehrere Menschen standen. Eine ältere Frau verließ gerade ihren Wagen und rannte, gefolgt von einer jungen Frau ebenfalls auf den Vorplatz. "Sind alle raus?", fragte Dean. "Ja, wir sind die Letzten", nickte die junge Frau etwas außer Atem. Sie schaute zum Dach hoch und griff sich an die Brust. "Oh mein Gott", stöhnte sie und wurde bleich. "Alles okay, Ma'am?", fragte Jared. "Kommen Sie, setzen sie sich." Er zog die Frau langsam zum Grünstreifen und brachte sie mit sanfter Gewalt dazu, sich zu setzen. Chief Johnson kam über den Grünstreifen zu seinen Männern. Besorgt schaute er auf den Audi, wie man am Symbol auf der Motorhaube sehen konnte. "Ich muss zur Arbeit", erklärte ein Mann und ging schnurstracks zu seinem Wagen, der noch an einer Tanksäule stand. Sofort vertrat Chief Johnson ihm den Weg. "Sie warten wie alle anderen bis wir das Ding von Dach haben! Der Kran ist unterwegs." Er hatte mit der Zentrale gesprochen und den Kranwagen, der den Schwerlasttransporter aufrichten sollte, erstmal zur Tankstelle bestellt. "Das Ding liegt doch sicher! Ich brauche keine Minute, um meinen Wagen wegzufahren." "Und bezahlen brauchen Sie heute nicht, oder?", hakte der Chief nach, denn er sah nur zwei Wagen, die den Tankschlauch noch stecken hatten. "Ich ...", stammelte der Mann, wurde aber einer weiteren Antwort enthoben, denn das Dach des Audi gab unter dem Gewicht des Wagens nach. Knirschend brachen die Scheiben. Der Wagen schaukelte leicht und durch das Dach ging ein Knarren. Der Mann, der eben noch dringend zu seinem Fahrzeug wollte, sprang mit einem erschrockenen Schrei zurück und die Menschen auf dem Vorplatz duckten sich. Nur Chief Johnson, Jared und Dean schauten zum dem Fahrzeug hoch. Aus den Augenwinkeln heraus sahen sie, dass die Drehleiter eintraf. "Ich glaube nicht, dass das noch lange hält", überlegte Jared. "Wahrscheinlich nicht", nickte Johnson. Lieutenant Murray sprang aus dem Wagen und kam zu Chief. "Wir sollten das Ding runterholen", meinte er. Johnson nickte. "Seile um die Aufhängung der Vorderräder. Damit versuchen wir das Teil so zu sichern, dass der nicht auf eine der Tanksäulen fällt. Ketten an die Hinterräder und dann ziehen wir das Ding mit der Drehleiter vom Dach." "Vargas! Fahr noch ein Stück ran, dann gehen wir über die Leiter hoch." Sie holten Seile und Ketten aus den Fächern und kletterten, als die Leiter ausgefahren war hinauf. Nach einer gefühlten Ewigkeit war endlich alles soweit. Die Ketten waren befestigt und die Seile gespannt. "Vargas, los!", kommandierte der Chief und der setzte langsam zurück. Der Audi knarzte und knirschte. Es dauerte ewig, bis der sich endlich nach vorn neigte, zu rutschen begann und der Motor schwer genug war, damit der nach vorn kippte. Dann ging alles ganz schnell. Der Audi rutschte vom Dach der Tankstelle und knallte auf den Kühlergrill. Einen Augenblick stand er senkrecht, dann reichte der Zug der Männer an den Seilen, damit er von den Tanksäulen weg und auf die Räder fiel. "Gut", nickte der Chief lächelnd. "Packen wir zusammen." In dem Moment schnarrte der Funk. "Drehleiter 6, Rüstgruppe 12: Flugzeugabsturz im Trailerpark ..." "Flugzeugabsturz?", fragte Jared irritiert. "Der Fahrer von dem Schwerlasttransporter sprach von einem Flieger", überlegte Dean kurz und schaute in Richtung des Trailerparks, der gleich hinter der Tankstelle begann. Eine leichte Rauchsäule kräuselte sich zum Himmel. "Sie haben es gehört. Fahren wir hin", befahl der Chief und die Männer liefen zu ihren Fahrzeugen und kletterten auf ihre Plätze. Captain Trudeau stellte sich nur auf das Trittbrett des Einsatzwagens. Robert lenkte den Einsatzwagen zurück auf die Straße, um den halben Wohnwagenpark herum zur Einfahrt. Langsam fuhr er durch die Wohnwagen auf die Rauchsäule zu. Die Männer starrten links und rechts aus den Fenstern und suchten das Flugzeug, das abgestürzt sein sollte. "Hier ist kein ...", begann Andrew. "Doch, da!", unterbrach Pat ihn und deutete auf einen Flügel, der über einem der Wohnwagen in die Luft ragte. Trudeau sprang vom Trittbrett und lief zwischen den Wagen hindurch, während Robert sich einen Weg drum herum suchte. Kapitel 132: nicht fliegen -------------------------- 132) Nicht fliegen Geschockt starrten die Männer, nachdem sie aus dem Einsatzwagen geklettert waren, auf dem Schrotthaufen, der nur noch anhand des in die Luft ragenden Flügels und des Fahrwerks als Flugzeug erkennbar war. Eine Schneise der Verwüstung führte aus Richtung Tankstelle bis zu dem Wohnwagen, in dem das Flugzeug jetzt steckte. Die Maschine musste sich überschlagen haben. Die Kanzel ragte aus der Wohnwagenwand. Ihre Scheiben waren geborsten. Ein Flügel und der Rotor fehlten. Kerosin tropfte aus dem Flügel auf den Boden. „Urban, Tylor! Kümmert euch um das Kerosin!“, forderte der Captain. „Winchester, Park, ihr holt die Piloten aus dem Wrack!“ Dean nickte. Er schaute zu Andrew und holte sich eine Leiter, die er an den Wohnwagen lehnte. Er machte eine einladende Geste und Andrew kletterte hinauf, während Dean die Leiter sicherte. „Dem ist nicht mehr zu helfen“, meldete Andrew von oben. Er holte seinen Gurtschneider heraus und durchtrennte die Sicherheitsgurte, während Dean ebenfalls ein paar Sprossen auf der Leiter hinaufstieg und den toten Körper so sicherte. Sie ließen ihn langsam zu Boden gleiten, als sich plötzlich der Copilot regte. Immer heftiger rutschte er in seinen Gurten hin und her. „Sir. Nicht! Bitte Sir“, versuchte Dean die Aufmerksamkeit des Mannes zu erlangen. Doch der schien ihn nicht zu hören. Sie legten den Piloten ab, stellten die Leiter um und Dean stieg zu dem Mann hoch. „Sir?“, begann er noch einmal und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Bleiben Sie ruhig, bitte. Wir holen sie hier raus!“, erklärte er ruhig. Der Mann blutete aus unzähligen Schnitten im Gesicht und an den Händen. Endlich fokussierten sich die Augen des Mannes und blieben an Dean hängen. „Wie heißen Sie?“, fragte der Winchester. „Paul Laundry“ „Hallo Mr. Laundry, ich bin Dean. Wie geht es Ihnen. Haben Sie Schmerzen?“, fragte Dean jetzt und tastete den Copiloten so gut er konnte ab. „Soweit, nein, ich ... mein Kopf hackt.“ Dean nickte kurz. „Können Sie Ihre Füße fühlen? Können Sie die bewegen? Sind Sie irgendwo eingeklemmt?“ Er legte seine Finger an den Hals des Mannes und fühlte seinen Puls. Hart und viel zu schnell, aber das war für diese Situation wohl normal. „Nein, die scheinen frei zu sein“, erklärte der Copilot und zerrte schon wieder an den Gurten. Dean legte seine Hand auf die des Mannes. „Ich möchte Sie losschneiden. Können Sie sich irgendwo abstützen?“ So würde Laundry vielleicht endlich aufhören seine Arbeit zu behindern! Der nickte und stützte seine Hände gegen das Cockpit. 'Hoffentlich ging das gut', schickte Dean ein Stoßgebet gen Himmel und rutschte auf der Leiter etwas zur Seite, damit Park, der eine zweite Leiter geholt hatte, mehr Platz bekam, den Mann abzufangen, wenn er gleich die Gurte durchschnitt. Er wartete noch, bis Andrew nickte, dann durchtrennte er die Gurte. Der Copilot rutschte aus seinem Sitz und wurde von den Feuerwehrmännern aufgefangen. Sie zogen ihn vorsichtig aus der zerstörten Kanzel und legten ihn auf die Trage. Sofort übernahmen Fleur und Stephanie den Mann, versorgten seine Verletzungen und brachten ihn danach ins Krankenhaus. „Wo sollen wir helfen, Cap?“, fragte Dean über Funk. „Wir sind hier fast fertig! Sucht den Propeller!“ „Okay“, gab Dean zurück und schaute zu Andrew. „Dann mal los!“ Im Laufschritt trabten sie an den Wohnwagen vorbei, immer der Schneise folgend, die das Flugzeug bei seinem Absturz gerissen hatte. Über Funk hörten sie mit, dass die Drehleiter auch endlich eintraf und sich sogleich an der Suche beteiligte, indem sie die zweite Querstraße abliefen. Gleich darauf sah Andrew einen Propellerflügel in einer Wohnwagenwand stecken. „Hey“, sage er, schlug Dean gegen den Arm und deutete auf die Stelle. Der Winchester nickte. „Dann schauen wir mal, ob einer zuhause ist.“ Andrew stieg die Stufen zum Eingang hoch und hämmerte gegen die Tür. „Feuerwehr! Öffnen Sie“, rief er und klopfte noch einmal. Im Inneren regte sich nichts. „Feuerwehr! Wir kommen rein!“, rief er noch einmal, dann rammte er die Brechstange zwischen Tür und Türrahmen und stemmte die Tür auf. „Feuerwehr! Jemand hier?“ Er lief einmal durch den Wagen und zurück und schaute dabei in jede Ecke und hinter jede Tür. „Keiner da“, erklärte er, als er wieder ins Freie trat. „Dann weiter“, nickte Dean und wandte sich ab. Park sprang von der Treppe und folgte dem Kollegen. Sie waren gerade einen Wohnwagen weiter, als Jared von der Drehleiter meldete, dass sie den Rest des Propellers gefunden hatten. Dean und Andrew sprinteten zwischen den Wohnwagen durch und zu ihren Kollegen. Das Teil war durch ein Fenster eines Wohnwagens geflogen. Überall lag Glas herum. „Feuerwehr Bloomington! Ist jemand hier?“, fragte Murray und hebelte die Tür auf. Vargas stürmte in den Wagen. Ein Mädchen hockte vor einem Bett. „Mein Bruder“, wisperte sie mit tränenerstickter Stimme. Er machte die wenigen Schritte auf sie zu und ließ den Strahl seiner Taschenlampe über das Bett gleiten. Ein kleiner Junge lag darin. Der Propeller lag halb über ihm und klemmte ihn ein. Sein Bein blutete.  „Zwei Kinder, eins eingeklemmt“, meldete Vargas über Funk. Lt. Murray betrat den Wagen und hielt dem Mädchen die Hand hin. „Komm“, sagte er nur. „Ich will ihn nicht alleine lassen“, weinte sie. „Wir können ihm nicht helfen, wenn du hierbleibst. Wir brauchen den Platz zum Arbeiten.“ Schniefend nickte sie, ließ die Hand ihres Bruders los und schob sich an Vargas vorbei. Murray hob sie hoch und brachte sie zu den neu eingetroffenen Sanitätern. Die Kleine hatte etliche Schnittwunden von dem zersplitterten Fenster. Die Drehleiter und das Rüstgruppenfahrzeug hielten hintereinander gleich neben dem Wohnwagen. Im Wohnwagen machten sich Murray und Vargas daran, den Propeller von dem Jungen zu heben. Doch das Ding steckte so fest in der Wand, dass es sich kaum einen Zentimeter bewegen ließ. „Wir brauchen den Trennschleifer!“, forderte Murray über Funk. Cpt. Trudeau holte das Gerät aus seinem Fach. „Achtung“, rief er und setzte es unterhalb des Fensters an und schnitt den Flügel so eng wie möglich aus. Vargas versuchte den Junge mit der Decke zu schützen. Kreischend fraß sich der Trennschleifer durch das Blech. Andrew hatte sich ein Brecheisen geholt und wartete bis Trudeau soweit wäre, dass er das Blech beiseite biegen konnte. Dean schaute in den Himmel. Ihm ging die Rauchsäule nicht aus dem Sinn. Außerdem fehlte noch ein Flügel. Er schaute sich um. Der Trailerpark war wie ein Oval angelegt, mit einer Straße, die das Ganze der Länge nach teilte. Sie waren rechtsherum gefahren und die Drehleiter hatte den Mittelweg genommen. Sein Blick ging zu Chief Johnson, der ihn aufmerksam musterte. „Ich suche den zweiten Flügel“, informierte er den Chief und machte eine Armbewegung, die die Straße einschloss und Richtung Tankstelle führte. „Nehmen Sie noch jemanden mit!“, nickte der nur und beobachtete wie Dean Jared gegen den Arm schlug, ihm etwas sagte und dann gemeinsam mit ihm zwischen den Wohnwagen verschwand. Er freute sich, dass es in seiner Schicht bis jetzt nicht zu der Trennung Drehleiter, Rüstgruppe gekommen war, die es in den meisten Wachen gab und er hoffte, dass das auch nie passieren würde. Es war erfrischend und wesentlich unkomplizierter so zu arbeiten. Vielleicht lag es auch daran, dass sie alle neu angefangen hatten oder an den Beiden, die da gerade davon marschierten, die aus welchem Grund auch immer seit dem ersten Tag zusammenarbeiteten? Letztendlich war es ihm egal. Er war nur froh, dass es so war. Nacheinander traten Jared und Dean auf die Straße und schauten sich um. „Das Flugzeug kam von da“, Dean deutete nach vorn, „und ist da eingeschlagen.“ Er deutete hinter sich. „Also sollten wir da suchen“, nickte Jared und zeigt in Richtung Tankstelle. Dean nickte. Neben ihnen war eine freie Fläche mit ein paar Sträuchern, einem Löschteich und zwei Gastanks. Der Wohnwagen daneben war in Ordnung doch den Nächsten würde wohl nur noch der Schrotthändler wollen „Oh verdammt“, schimpfte Jared und starrte das Desaster an. Hier war die Maschine eingeschlagen. Ein Flügel war abgebrochen. Das Flugzeug war wohl vom Boden abgeprallt, hatte sich überschlagen, den Propeller verloren und war da hinten liegen geblieben. Die Maschine hatte eine Stromleitung zerrissen, die funkensprühend über dem Dach hin und her zuckte. Noch wurde sie von einem kurzen Lüftungsrohr gehalten, doch so wie sie sich wand, konnte sie jeder Zeit weiter zu Boden rutschen und das Kerosin entzünden, das aus dem Flügel gelaufen war. „Wir brauchen hier dringend Hilfe“, gab Dean über Funk durch. „Richtung Tankstelle 10 Uhr und der Strom muss abgestellt werden. Sofort!“ Dean versuchte etwas von dem Jägerzaun, der als Verkleidung des Wohnwagenuntergestells diente, herauszubrechen, um sich eine provisorische Halterung für das Kabel zu basteln. Jared probierte auf den Wagen zu klettern und das Kabel so zu bändigen. Über Funk hörten sie wie Chief Johnson Befehle gab und sie hörten, wie der Motor eines Fahrzeugs ansprang. Es war vergebliche Liebesmüh. Das Kabel sprang weiter hin und her. Immer wieder flogen Funken. Einer von ihnen hatte schon vor einer Weile richtig Glück gehabt. Er war auf das termitenzerfressene Holz gefallen. Genau an der Stelle, an der ein leichter Zug herrschte, der ihn mit genügend Sauerstoff versorgte und der nicht so stark war, ihn im Keim zu ersticken. So fraß er sich unbemerkt und unaufhörlich durch das Holz und das trockene Zeug unter dem Wagen, bis zu einer Stelle, wo er in die Verkleidung kriechen konnte. Zum Feuer geworden schlug er plötzlich fauchend und prasselnd unter dem Wagen hervor und fraß sich durch den Sperrmüll, der hinter dem Wagen lag und ihm den Weg zu den Gastanks wies. Wieder parkten die Drehleiter und das Rüstgruppenfahrzeug hintereinander. Dean gab seine vergeblichen Bemühungen auf. Alles was er in die Hand nahm zerbröckelte in kleinere Stücke. Egal wie gut es als Zaun aussah. Das Holz wurde nur noch von der Farbe zusammengehalten. „Wir müssen da rein, ohne dem Feuer viel Sauerstoff zu geben! Ist jemand drin?“, wollte Serano wissen. „Wir haben keinen gesehen“, entgegnete Harper und gab seinen ebenfalls Versuch auf. „Gut!“, nickte Serrano. „Trotzdem.“ Er holte sich einen Trennschleifer und begann ein Loch in die Verkleidung zu flexen. Deans empfindlichen Ohren nahmen die ganze Zeit ein leises Pfeifen wahr, das immer lauter, immer drängender wurde. „Die Tanks kühlen“, befahl Johnson, der inzwischen auch angekommen war. Sie hatten den Propeller anheben und den Jungen bergen können. Den Rest erledigten die Sanitäter. José Sanders bog das Blech beiseite, das Serrano aufgeflext hatte. Henderson rammte den Schlauch hinein und öffnete den Hahn. Dean und Jared brachten die Tauchpumpe zum Teich, schlossen Schläuche an und warfen die Pumpe ins Wasser. Sie rollten die Schläuche aus und versuchten von so weit wie möglich entfernt die Tanks zu kühlen. Doch wirklich Erfolg schienen sie damit nicht zu haben. Immer mehr Gas entwich durch das kaputte Ventil. Dean schaute zu Jared. „Das wird nichts“, sagte er laut. Er überließ Tyler, der hinter ihm stand, den Schlauch, holte die zweite Tauchpumpe, schloss mit Harper zusammen zwei weitere Schläuche an. Als die im Wasser lag, kletterte er auf einen Tank und begann den von oben zu kühlen. Neben ihm kletterte Harper auf den zweiten Tank. Von ihren Plätzen schauten Jared und Dean zu, wie ihre Kameraden versuchten, das Feuer von allen Seiten einzudämmen und es letztendlich auch ganz zu ersticken. Kapitel 133: A different point of view -------------------------------------- 133) a different point of view Nach und nach wurden die Brände kleiner und weniger. Waren sie schnell genug? Reichte was sie taten, damit das Gas die kritische Temperatur in den Tanks nicht erreichte? Wohl nicht! Das Zischen wurde noch drängender. Dean schaute auf die Ventile und war sich nicht mehr sicher, dass er einen guten Platz gewählt hatte.. Lange würde sie hier eh nicht mehr stehen können. Das Wasser im Teich hatte inzwischen ganz schön abgenommen und um sie herum bildete sich ein richtiger See aus Löschwasser. „Win! Harper! Runter da!“, drängte Chief Johnson. „Sofort!“ Dean ließ den Schlauch fallen und schaute sich um. Er sah, wie das Ventil weggeschleudert wurde und sprang. In dem Löschteich konnte höchstens noch ein Meter Wasser sein, doch das war besser als nichts. Er schlug auf der Wasserfläche auf und rollte sich sofort zusammen. Hart prallte er mit dem Rücken auf den Boden, so dass es ihm die Luft aus der Lunge trieb. Doch sonst blieb er unverletzt. Er spürte den Aufschlag neben sich und wollte gerade auftauchen, als eine Feuerwand über ihn hinweg rollte, der dem Knall der Explosion folgte. Er wartete, bis der Feuerschein verschwand und wollte aufstehen, als eine zweite Explosion über ihn hinwegfegte. Seine Ohren dröhnten und er musste all seine Willenskraft aufbringen, nicht zu atmen. Auch dieser Feuerschein verschwand und endlich traute er sich aufzustehen. Das Wasser war so niedrig, dass es ihm noch bis zu den Rippenbögen reichte. Keuchend versuchte er Halt zu finden und schaute sich um. Die Feuerwehrmänner der Wache 3 rappelten sich auf. „Win! Harp!“, brüllten sie und rannten zu dem Löschteich. „Jared!“, rief Dean und schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang so gar nicht nach ihm. Seine Ohren klingelten immer noch. Noch einmal schüttelte er den Kopf, dass die Tropfen nur so spritzten und stapfte rudernd auf den Kollegen zu. „Jaded, hey“, rief er, legte ihm die Hand auf die Schulter und drehte ihn auf den Rücken. „Verdammt! Harp!“, schimpfte er und gab ihm eine Ohrfeige. Hustend und strampelnd kam der wieder zu Bewusstsein. „Kannst du stehen?“, brüllte Dean ihn an. Harper versuchte sich aufzurichten, schrie und sackte wieder in sich zusammen. Sofort packte Dean ihn am Kragen und hielt ihn über der Wasseroberfläche, während er ihn mit den Augen abtastete. Er keuchte, als er das Blut sah, dass in einem dünnen Strom aus einem Hosenbein quoll. „Halt still“, brüllte er und zerrte den Kameraden an den Rand des Teiches. Gerade als er um Hilfe rufen wollte, tauchten Trudeau und Johnson auf und starrten die beiden Männer im Wasser an. „Wir brauchen Haken, eine Leine“, brüllte Trudeau. „Alles okay, bei euch?“, fragte Johnson nicht weniger laut. „Ich ja“, rief Dean zurück. „Er ...?“ Dean zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Seile fielen über den Rand und rutschten die schwarze Folie hinunter. Sofort griff der Winchester zu und schlang ein Seil und Harpers Brust. Er schob ihn zum Rand und beobachtete mit Argusaugen, wie der nach oben gezogen wurde. Erst als Harpers Füße über den Rand verschwunden war, schlang er sich das zweite Seil um die Brust und ließ sich nach oben ziehen. Er sah, wie sie Harpers Hose aufschnitten, der offene Bruch seines Beines so gut es ging verbanden und das Bein geschient wurde. Er löste das Seil von seiner Brust. Stephanie kam auf ihn zu und sagte etwas. Er schüttelte nur den Kopf. „Ich versteh dich nicht!“, brüllte er. Sie legte ihm ihre Hände an die Wangen. „Die Explosion“, formte sie jede Silbe fast schon übertrieben mit den Lippen und überprüfte seine Ohren. „Lass das nachher noch mal kontrollieren“, erklärte sie und wartete, bis er nickte. „Tut dir sonst noch was weh? Bist du verletzt?“ Er schüttelte den Kopf. „Nur die Ohren“, versuchte er wesentlich leiser zu sagen, auch wenn er jetzt nicht mehr verstand, was er sagte. Steph nickte, legte ihm die Hand auf den Arm. „Gut.“ Sie lächelte und lief zum Krankenwagen um Harper endlich ins Krankenhaus zu bringen. Nach ihrer Rückkehr zur Wache drängte Stephanie darauf, Dean gründlich zu untersuchen. Der Anblick seines Rückens verschlug ihr die Sprache, doch mehr als eine großflächige Prellung stellte sie nicht fest und da Dean weder schwindlig war, noch etwas Anderes auf Kreislaufprobleme hindeutete, ließ sie ihn zähneknirschend in Ruhe, auch wenn sie immer wieder nach ihm sah. Der Rest der Schicht verlief zum Glück ruhig. Das Klingeln in Deans Ohren ließ nach, genau wie bei seinen Kameraden und so konnten sie sich schon am Abend wieder fast normal miteinander unterhalten und bis zu ihrem Schichtende am nächsten Morgen, war alles wieder normal. Dean hatte mit Sam gefrühstückt und ihm von dem komischen, sich immer weiter ausdehnenden Einsatz erzählt. Jetzt war Sam zur Uni unterwegs und er war dabei, sich seine Arbeitssachen anzuziehen, denn er wollte zum Haus fahren, als Sam noch einmal in die Wohnung kam. „Hab mein Buch vergessen“, sagte der, packte es ein und wollte wieder los, als ihn etwas stutzen ließ. Er drehte sich noch einmal um und erstarrte. „Dean!“, platzte er hervor. „Dein Rücken sieht furchtbar aus! Was ist passiert?“ „Hab doch gesagt, dass ich mit dem Rücken aufgekommen bin.“ „Ja, aber ich dachte ... Verdammt. Das ist heftig! Hast du das behandeln lassen?“ „Stephanie meinte, dass es okay ist. Ich soll aufpassen, aber sonst?“, er zuckte mit den Schultern. „Du solltest dich einen Tag ausruhen“, erklärte Sam besorgt und holte die heparinhaltige Salbe aus ihrem Medizinvorrat, um Deans malträtierten Rücken großzügig damit einzureiben. „Ich will nur bei mir streichen und bei dir die Platten verspachteln.“ „Mir wäre es lieber, du würdest heute hier bleiben“, entgegnete Sam. „Ich muss fertig werden!“ „Bitte, Dean“, beschwor ihn sein Bruder, und Dean verdrehte die Augen. „Okay!“, stöhnte er leise. „Ich versuche es.“ „Ich helfe dir Sonntag auch“, versprach der Jüngere. „Ist ja schon gut, Sammy. Ein fauler Tag tut mir vielleicht ja auch mal ganz gut“, nickte Dean und wurde mit einem warmen Lächeln entlohnt. Sam legte seine Hand auf Deans Schulter. „Fertig“, sagte er und ging sich die Hände waschen. Dean zog sich sein Shirt wieder an, kochte sich einen Kaffee und ließ sich dann auf die Couch fallen. Er schaute fern, doch das Programm konnte ihn nicht fesseln. Er holte sich ein Buch, aber auch das konnte ihn nicht fesseln. Er könnte schlafen. Doch irgendwie brannte ihm das Haus unter den Nägeln. Nächste Woche war Thanksgiving. Bobby und Jody kamen und er wollte ihnen so viel wie möglich fertig zeigen. Außerdem fühlte er sich unwohl bei dem Gedanken, dass sein Zimmer fertig war und Sams noch nicht mal im Rohbau, auch wenn sie sich so geeinigt hatten und die Möbel für ihre Zimmer letztendlich am selben Tag kommen würden. Dean warf das Buch auf den Tisch, kramte einen Klebezettel aus der Küchenschublade und klebte den an den Kühlschrank. „Sorry“, schrieb er darauf, zog sich um und fuhr zum Haus. „Dean“, rief Sam und schloss die Bautür hinter sich. „Bei mir“, antwortete der und Sam ging nach oben. Er stellte die Tüten auf eine Fensterbank und schaute sich um. „Ich dachte, du wärst weiter“, sagte er dann. „Tut mir leid. Ich weiß ich habe versprochen nicht zum Haus zu fahren, aber ich habe mich da ...“, Dean brach ab, als er Sam leise lachen hörte. „Was? Du ... nein“, beantwortete er dann Sams Feststellung. „Ich habe bei dir die Wände verspachtelt. Dann können wir Samstag da streichen und vielleicht noch den Wintergarten in Angriff nehmen. Das Holz schlägt bald Wurzeln.“ „Das wurde vorige Woche geliefert“, lachte Sam. „Naja, ich ...“ „Dean! Es reicht!“, begann Sam ernst. „Du musst hier niemandem etwas beweisen. Du musst dich nicht zerreißen. Du darfst auch leben!“ Dean starrte ihn an und zuckte mit den Schultern. „Im Moment ist das hier mein Leben. Das, die Feuerwehr und der Schrottplatz. Hier treffe ich Freunde. Maddie hat 12-Stunden-Schichten und macht noch Überstunden. Du hast dein Studium und diese blöde Projektarbeit und Amita.“ „Ich muss die in drei Wochen abgeben und ich will die Zeit mit Bobby und Jody genießen.“ „Ich mache dir doch keinen Vorwurf. Ich sage nur, dass du deine Arbeit hast und ich mich hier austobe.“ Sam schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Ich war mir fast sicher, dass du nicht zuhause bleibst.“ Er seufzte und deutete auf die Tüte. „Ich habe Tacos mitgebracht und ich habe Zeit. Ich könnte dir helfen.“ Sofort strahlte Dean seinen Bruder an. „Bist eben doch der Beste!“ Er legte die Farbrolle beiseite und machte sich über die Tüte her. Er verteilte das Essen und ließ sich auf den Boden sinken. „Ich wollte wirklich zuhause bleiben, aber im Fernsehen lief nichts, das Buch war langweilig und so richtig müde war ich auch nicht, also bin ich doch hergekommen.“ Entschuldigend schaute er zu Sam. „Du hattest schon immer Hummeln im Hintern. Hoffen wir mal, dass du was findest, wenn hier mal alles fertig ist.“ „Der Schrottplatz?“ Sam nickte. „Der Schrottplatz.“ Sie aßen auf, räumte alles in die Tüte zurück und strichen die Ankleide fertig, bevor sie nach Hause fuhren und den Abend in aller Ruhe ausklingen ließen. Deans Handy klingelte. Er stellte seine Kaffeetasse ab und ging dran. „Hey, Bobby“, grüßte er. „Wie sieht´s aus?“ „Gut soweit“, lachte Dean, „und bei euch?“ „Wir haben gepackt und wollen gleich los. Wir bringen die Bücher mit, einige Teile aus meinem Impala-Vorrat und ein paar andere Sachen, die ich da einlagern will.“ „Jetzt macht ihr aber Nägel mit Köpfen.“ „Irgendwann müssen wir ja anfangen. Außerdem sind da einige Sachen dabei, die ich aus drei von Johns Lagerräumen geholt habe und die ich nicht so vernichten will.“ „Okay“, machte Dean. Er war dem alten Freund wirklich dankbar, dass der sich darum kümmerte, aber bei allem, was er an Unangenehmen aus Johns Hinterlassenschaften schon gefunden hatte, hegte er allein aus diesem Grund kein gesteigertes Interesse daran, zu erfahren, was das war. „Es ist nichts Schlimmes. Kein weiteres Kind, keine Befehle oder Nachrichten.“ „Okay“, sagte Dean nur. „Wann kommt ihr an?“, fragte er dann und jetzt kehrte auch die Freunde in seine Stimme zurück. „Ich denke morgen gegen Mittag.“ „Soll ich was zu essen kochen? Was hättet ihr gerne?“ „Du musst nicht ...“ „Das ist kein müssen!“ „Ist Sam denn auch zuhause?“ „Nein, der muss morgen noch zur Uni. Er sollte gegen drei, halb vier da sein.“ „Dann lass uns zusammen essen, wenn er da ist“, überlegte Bobby. „Okay. Kommt ihr über die 69?“ „Ja, wollten wir.“ „Dann könntet ihr am Schrottplatz halten. Wir laden die Teile für Baby gleich aus und ich zeige euch das Haus und die Werkstatt. Bis dahin sollte ich mit meinem Kunden fertig sein.“ „Du wolltest kochen, obwohl du einen Kunden hast?“ Dean grinste breit. „Für euch tue ich fast alles.“ „Na dann, bis morgen“, verabschiedete sich Bobby. „Passt auf euch auf!“, antwortete Dean und legte auf. Fleur musterte ihn mit schief gelegtem Kopf. „Du sagst zu deinem Vater Bobby?“ „Ich sage zu meinem Onkel Bobby. Er kommt mit seiner Lebensgefährtin über Thanksgiving her.“ „Das ist schön. Feiert ihr groß mit der ganzen Familie? Bei uns ist dann immer richtig was los. Dieses Jahr fallen 14 Leute bei meinen Eltern ein.“ „Ihr feiert immer bei deinen Eltern?“ „Nein, wir wechseln reihum. Dieses Jahr sind wir da. Nächstes Jahr ist es bei Tante Cloe.“ „Keine Ahnung wie sich das demnächst bei uns entwickelt“, sagte Dean nur und nahm seinen Kaffeebecher. Ein untrügliches Zeichen, dass er nichts mehr sagen würde. Das hatten sie auf der Wache auch schon erkannt. „Win?“, rief Trudeau und Dean schaute auf. „Kommst du in mein Büro?“ Dean nickte, holte sich noch einen Kaffee und ging zum Captain. „Was gibt’s?“ „Wir müssen uns um ein paar Schulungen kümmern.“ „Oh, hurra!“ Trudeau grinste und dann machten sie sich gemeinsam an den Papierkram. Am nächsten Morgen telefonierte Dean kurz mit Sam, um nochmal Bescheid zu geben, dass er sofort in die Werkstatt fuhr und ihn zu bitten, den Lachs aus dem Gefrierfach in den Kühlschrank zu legen. Dann wünschte er ihm viel Spaß und trug ihm auf Mity und Tylor zu grüßen. Gegen Mittag rumpelte ein Pickup auf den Hof vor der Werkstatt. Dean stand gerade mit einem Kunden vor der Halle. Er schaute zu dem Wagen und hoffte, dass das nicht noch ein Kunde war, denn immerhin … Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er hob grüßend die Hand, bevor er die Motorhaube schloss. „Damit kommen Sie auf jeden Fall über die Feiertage. Danach sollte ich mir das aber noch mal genauer anschauen“, sagte er und ging mit dem Mann ins Büro. Bobby stieg aus und ließ die Tür für Marley offen, was die Hündin auch sofort nutzte. Sie sprang heraus und lief zum nächsten Strauch. Auch Jody rutschte von ihrem Sitz, atmete tief durch und streckte sich. „Geht´s?“, fragte Bobby besorgt. „Ja, alles gut“, lächelte sie ihn warm an. Auch sie schaute sich um. „Hier sollen wir wohnen?“, fragte sie skeptisch. Das Haus sah schlimmer aus, als Bobbys vor dem Umbau. „So schlimm finde ich es nicht“, entgegnete er und überlegte, was er sich zuerst anschauen sollte. Es kribbelte ihm regelrecht in den Fingern, in die Werkstatt zu gehen. Der Kunde kam aus dem Haus und Dean folgte. „Vielen Dank nochmal. Sie sind meine Rettung.“ „Gern geschehen“, entgegnete Dean lachend. „Schöne Feiertage.“ „Ihnen auch!“ Der Mann stieg ein und fuhr mit einem kurzen Hupen von Hof. Dean wischte sich die Hände an einem Lappen sauber und wollte Bobby und Jody begrüßen. Er kam nicht dazu. Kaum hatte sie ihn entdeckt, schoss Marley auf ihn zu, sprang an ihm hoch und ließ sich ausgiebig knuddeln. „Hallo meine Schöne“, sagte Dean während er ihr das Fell zerzauste und sie hinter den Ohren kraulte. Sie verdrehte den Kopf und noch mehr von diesen Liebkosungen zu erhaschen. Ihre Rute wedelte wild hin und her. Endlich hatte sie sich etwas beruhigt und er konnte zu Bobby und Jody gehen. „Ich würde euch jetzt gerne in den Arm nehmen, aber ...“, er schaute auf seine ölverschmierte Kleidung. „Besser nicht.“ Er musterte Jody. Sie sah ... anders aus. Strahlender, irgendwie runder? Konnte es ihr so viel bessergehen, jetzt wo sie sicher war, wie ihr Leben weitergehen sollte? „Ich warte noch auf einen Kunden“, begann er mit einem bedauernden Blick. „Soll ich euch bis dahin das Haus zeigen oder wollt ihr eine Runde über den Platz drehen?“, fragte er und machte eine Handbewegung, die die gesammelten Wracks mit einschloss. „Wir könnten ins Haus gehen“, überlegte Bobby. „Hast du einen Kaffee für uns?“ „Gerne“, antwortete er und ging voran. Kapitel 134: Made a House ------------------------- 143) Made a House Gerade als Bobby und Jody ihren ersten Schluck trinken wollten, fuhr ein Ford auf den Platz. Dean trank einen Schluck und stellte die Tasse weg. „Das sollte der letzte sein, hoffe ich“, erklärte er. „Die Marke stimmt schon mal. Ihr könnt euch ja im Haus umsehen“, bot er an und ging nach draußen. „Wann willst du es ihnen sagen?“, fragte Bobby mit einem Blick zu seiner Frau. „So wie Dean dich gemustert hat, ahnt er etwas.“ „Morgen, beim Essen, vielleicht.“ „Gut. Wollen wir einen Rundgang machen?“ „Klar. Ich will wissen, wo ich wohnen soll“, entgegnete sie und stellte ihre Tasse weg. Gemeinsam erkundeten sie das Haus und, da Dean noch nicht fertig war, auch den Schrottplatz. Marley hatte eine Weile neben Dean gesessen. Da der sich jedoch durch ihre Anwesenheit nicht zu weiteren Streicheleinheiten überreden ließ, lief sie ihrer Familie hinterher. Das war viel interessanter! Überall gab es etwas zu erschnuppern. „Wenn wir das ganze hier aufräumen, könnten wir einen Garten anlegen“, überlegte Bobby und schaute zu seiner Frau. Das Grundstück ist größer als mein altes.“ „Wir brauchen auch mehr Platz“, lachte sie und küsste ihn sanft. Hand in Hand schlenderten sie zur Werkstatt zurück. Sie sahen, wie der Ford vom Platz fuhr und Dean aus dem Büro kam. „Und?“, wollte der Winchester jetzt wissen und machte eine Armbewegung, die Haus und Schrottplatz einschlossen. „Das Gelände ist groß und müsste mal aufgeräumt werden und das Haus ...“, begann Bobby. „Ist eine Katastrophe“, beendete Jody den Satz. Lachend nickte Dean. „Stan hat seit Jahren kaum was daran gemacht. Es kann erhalten werden, sagt unser Bauunternehmer. Abreißen wäre seiner Meinung nach allerdings günstiger und sicherer. Den Rohbau kann ich mit dem Rest des Gewinns finanzieren ...“ „Du wirst gar nichts finanzieren! Du hast den Schrottplatz bezahlt“, fiel Bobby ihm ins Wort. „Wir haben entschieden herzuziehen und brauchen ein Haus, also werden wir das bezahlen!“ „Aber ...“, versuchte Dean einen Einwurf. „Kein Aber“, unterbrach ihn jetzt Jody. „Wir haben das Geld, das Bobby für seinen Schrottplatz bekommt und wir haben das Geld, das ich von der Versicherung für mein Haus bekommen habe. Du sagtest ja schon, dass das Haus in einem schlechten Zustand wäre und ich freue mich auf einen Neubau, ganz nach unseren Ideen.“ Sie lächelte Bobby an, der seinen Arm um sie legte und sie an sich zog. „Okay“, gab sich Dean kleinlaut geschlagen. Immerhin war es sein Schrottplatz und er hatte die Beiden hierher gelockt, da konnten sie doch wohl ein bewohnbares Haus erwarten, oder? „Du hast den Schrottplatz gekauft und mir eine Partnerschaft angeboten“, erklärte Bobby ruhig, der Deans Dilemma in seinem Gesicht ablesen konnte. „Es wäre aber keine Partnerschaft, wenn du alles bezahlst, dann wäre ich ein Angestellter und das will ich nicht. Egal wie gut du mich entlohnen willst. Wir wollen hier den Rest unseres Lebens verbringen.“ Dean nickte. „Im Prinzip ist mir das auch lieber.“ Er lächelte schief. „Wir haben ein riesiges Grundstück, selbst wenn Sam und ich mal nicht mehr in einem Haus wohnen wollen würden.“ Er wischte sich die Hände an der Hose ab. „Aber genug geredet. Dafür ist nachher mehr Zeit. Dann ist Sam da und es ist gemütlicher. Du hast Impalateile mit? Lass uns die in den Schuppen räumen.“ Es dauerte keine Stunde, bis alles ausgeräumt war und sich Dean von den Beiden verabschiedete. Er wollte das Essen vorbereiten und Bobby und Jody wollten ins Motel einchecken, ihre Sachen auspacken und würden dann zu den Brüdern kommen. Zwei Stunden später deckte Sam den Tisch, während Dean nach dem Kartoffelgratin schaute. Es klingelte. Wie von der Tarantel gestochen stürmte Sam zur Tür und öffnete. Er ließ Jody und Bobby kaum Zeit einzutreten, bevor er sie auch schon in eine feste Umarmung zog. „Ist das schön, dass ihr hier seid.“ Marley blieb in der Tür sitzen und schaute von einem zum anderen. Ihr Schwanz klopfte rhythmisch auf den Boden. Jody schloss ihre Arme und ihren Lulatsch. „Ich freue mich auch, dich zu sehen.“ Dean trug das Bier zum Tisch und lächelte warm. „Komm her, Mädchen“, forderte er Marley auf und die schoss sofort zu ihm und ließ sich knuddeln. Sam löste sich von Jody und umarmte Bobby genauso herzlich und Jody kam zu Dean, der sie jetzt auch endlich in seine Arme schließen konnte. „Was gibt es Gutes?“, wollte sie wissen, während sie sich von ihm löste und schielte zum Ofen. „Lachs mit Spinat in Blätterteig, Kartoffelgratin, Kürbissuppe, einen Salat aus Bohnen und Tomaten und als Nachtisch Mouse au Chocolat.“ „Das ist ja ein richtiges Menü. Das hättest du morgen auffahren können“, staunte sie und strich ihm über den Arm. Sam knuddelte inzwischen Marley. Dean schaute zerknirscht. „Morgen wird eher unkonventionell. Du siehst ja unseren Backofen und der Kühlschrank ist auch nicht viel größer, also haben Sam und ich beschlossen, dass es morgen Schinkenbraten gibt und den Truthahn zu Weihnachten.“ „Aber das ist doch in Ordnung Dean. Es würde ja fast an Verschwendung grenzen für vier Personen einen Truthahn zu machen, der für zwölf Leute reichen würde. Das musst du auch Weihnachten nicht machen.“ „Da kommen mehr zum Reste vernichten. Wir wollten euch gerne unsere Freunde vorstellen. Ich habe zwar am 26. Dezember Dienst, aber, wenn es euch Recht ist, wollten wir am 27 eine Wilkommen-Kennenlern-Jahresvorabschluss-Feier machen.“ Sam trat neben seinen Bruder und nickte. „Das klingt gut“, nickte Bobby. „Ich freue mich drauf, eure Freunde kennen zu lernen.“ Die Brüder lächelten. Das fühlte sich immer mehr wie eine richtige Familie an. „Lasst uns essen“, bat Dean und brachte die Kürbissuppe zum Tisch. Sam füllte derweil eine Schüssel mit Wasser für Marley und eine zweite mit Trockenfutter. Satt und zufrieden ließen sich die Vier nachdem der Wohnraum wieder aufgeräumt war, auf die Couch fallen. „Wann können wir zum Haus?“, begann Bobby das Gespräch. „Die Bücher brennen mir dann doch unter den Nägeln. Die würde ich gerne sicher aufbewahrt wissen.“ „Wir können gleich noch fahren, wenn du sie loswerden willst“, schlug Dean vor. „Allerdings ist es inzwischen dunkel draußen. Vom Haus ist so nicht viel zu sehen“, gab Sam zu bedenken. „Dann aber gleich morgen früh“, entschied der alte Jäger. Dean nickte. „Wir frühstücken hier. Enya hat leider zu. Das müsst ihr übermorgen unbedingt nachholen“, wandte er sich an seinen Bruder. Sam nickte. „Danach fahren wir zum Haus. Wollt ihr euch noch mit Karan wegen des Hauses treffen?“, fragte er jetzt und schaute zu Bobby. „Wenn der Zeit hat.“ „Ich rufe ihn gleich an“, entschied Sam und zückte sein Handy. „Will der nicht mit seiner Familie feiern?“ „Die wohnen alle in Bloomington und Umgebung und er hat ein Gespräch angeboten, als er hörte, dass ihr kommt.“ „Okay, gut. Dann machen wir das Freitag.“ Sie genossen den ruhigen Abend, frühstückten am Morgen gemeinsam und fuhren dann zum Haus. „Zu gerne würde ich jetzt ihre Gesichter sehen“, sagte Sam, als Dean den Impala den Weg zum Haus lenkte. „Du hättest ja mit ihnen mitfahren können. Einen Platz hätten sie noch gehabt“, erwiderte Dean und schaute kurz zu seinem Bruder. „Aber du hast Recht. Ich auch.“ „Passt der Transporter in die Tiefgarage?“, wollte Sam gleich darauf wissen. „Ich glaube nicht.“ Dean hielt ein Stück hinter dem Eingangsportal. „Das Zeug werden wir wohl so in den Keller tragen müssen.“ „Na dann.“ Sam stieg aus und ging zum Portal. Sein Bruder folgte ihm gleich darauf. Nebeneinander warteten sie am Fuß der Treppe, bis Bobby dem Transporter geparkt und er und Jody ausgestiegen waren. Marley sauste schon wieder um sie herum. „Ganz Besitzer eines stolzen Anwesens“, lachte Jody. „Leider können wir nicht mit Personal aufwarten. Das hat heute seinen freien Tag“, lachte Sam. „Man kann nicht alles haben“, sagte Jody und warf noch einmal einen Blick auf das Anwesen, bevor sie die Fassade musterte. „Das ist so viel größer, als es auf den Bildern aussieht“, staunte sie fast ehrfürchtig, „und fast noch gruseliger.“ Sie deutete auf die vernagelten Fenster auf der linken Seite des Erdgeschosses. „Dabei ist es jetzt schon richtig freundlich. Als wir zum ersten Mal hier waren, war es wie in einem Stephen-King-Film. Toter Efeu, zerschlagene Fenster.“ Sam schüttelte es noch nachträglich bei dem Gedanken. „Jetzt haben wir uns erstmal darauf konzentriert, dass wir hier im nächsten Monat einziehen können.“ Dean rieb die Hände aneinander. Es war empfindlich kalt geworden und so wie der Himmel aussah, würde es vielleicht schon bald schneien. „Lasst uns reingehen“, schlug er also vor. „Wollen wir erst ausladen oder wollt ihr erst das Haus sehen?“ „Das Grundstück ist sicher?“, fragte Bobby. „Ja, Sam hat es mit Ruby so abgesichert, wie deinen Schrottplatz.“ „Dann lasst uns erst das Haus ansehen.“ Dean nickte und ging die Stufen nach oben. Er schloss das Vorhängeschloss auf und schob die Bautür auf. „Da kommt aber noch was Neues, oder?“, wollte Jody wissen. „Auf jeden Fall. Aber erst, wenn wir in Haus soweit sind, dass wir hier unten den Eingangsbereich renovieren. Vorher habe ich Angst, dass wir die Tür beschädigen“, erklärte Dean. Sam schaltete seine Taschenlampe ein und übernahm die Führung. Zuerst ging er hinauf ins Dachgeschoss. „Hier, keine Ahnung. Wenn wir mal Kinder oder Gäste haben, sollen die hier ihr Reich bekommen. Dean und Karan haben hier nur die tragenden Wände aufgebaut und die Anschlüsse vorbereitet.“ Er ließ den Lichtkegel über die kahlen Wände gleiten. Schnell ging er wieder zur Treppe und stieg auf seiner Seite in das Obergeschoss hinab. Nacheinander leuchtete er in die düsteren, kahlen Räume. „Das wird mein Wohnbereich. Wohnzimmer, zwei Kinderzimmer, Bad, Gästezimmer oder Büro, vielleicht, eine kleine Theke mit Kaffeemaschine und Kühlschrank hier im Flur und hier entsteht meine Suite. Ankleide, Schlafzimmer und ein großes Bad.“ Er ließ den Lichtkegel über die Wände gleiten. „Wir sind noch nicht soweit, aber bis Weihnachten wird es fertig sein“, ergänzte Dean. Es war ihm peinlich, dass sein Bereich fast fertig war und bin Sam nur die Ankleide. Immerhin Fenster hatten alle Zimmer von Sams Suite. Der führte Bobby und Jody inzwischen auf Deans Seite. „Hier sind wir ein ganzes Stück weiter. Die Wandverkleidung im Schlafzimmer fehlt noch, genau wie die Türen.“ Bobby musterte Dean kurz und der zuckte mit den Schultern und deutete mit einer Kopfbewegung auf seinen Bruder. ‚Der wollte das so‘, erklärte er stumm. Sam ging ins Erdgeschoss. „Hier soll eine Bibliothek hin, dahinter ein Fernsehzimmer. Die Türen zum großen Raum werden noch zugemauert.“ Er ging in den großen Raum mit der ovalen Fensterfront. „Das soll eine Art Saloon werden. Mit Bar, Pooltisch, großem Fernseher zum Football schauen. Mal sehen, was uns sonst noch einfällt.“ Er durchquerte den Raum. „Hier sollen die Sportgeräte rein und ein kleiner Wellnessbereich entstehen. Und das“, er trat durch eine weitere Tür wieder ins Foyer und deutete auf die Tür gleich neben dem Eingang, „ist der erste Raum, der fast fertig ist. Es fehlen nur noch die Möbel.“ Er öffnete die Tür zur Garderobe. „Sogar Licht habt ihr schon“, bemerkte Jody mit einem Lächeln. „Naja, ich ...“, begann Dean und starrte auf seine Schuhe. Sofort war sie an seiner Seite, legte ihre Hand unter sein Kinn und hob es sanft hoch. „Wenn ich die ersten Fotos von diesem Haus richtig deute, habt ihr hier eine Monsteraufgabe zu bewältigen und schon so viel geschafft. Ich bin mir sicher, dass es Weihnachten ganz anders aussieht!“ Sie nickte bekräftigend. „Naja, ich wollte einfach schon weiter sein.“ „Setz dich nicht so unter Druck. Es wird alles fertig und es ist ja nicht so, dass Menschenleben auf dem Spiel stehen. Ihr macht eher zu viel als zu wenig. Also ist alles genau so richtig, wie ihr es macht. Nur denkt hin und wieder auch mal nur an euch und lasst Haus Haus und Arbeit Arbeit sein“, erklärte Bobby ruhig. „Das werden wir bestimmt“, sagte Sam und ein wissendes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Also“, nahm er gleich darauf seine Tour wieder auf und betrat die rechte Seite des Hauses. „Hier sieht es schon ganz anders aus, auch wenn noch Nichts wirklich fertig ist.“ Er öffnete die Tür gegenüber der Garderobe. „Unser kleines WC. Toilette und Waschtisch kommen nächste Woche.“ Sam ging weiter. „Unsere Küche.“ „Ist die riesig“, entfuhr es Jody. Ihr Blick glitt über die gefliesten und gestrichenen Wände, bevor er auf den Boden fiel und am Übergang von Fliesen und Parkett hängen blieb. „Ist das schön!“, sagte sie und schaute zu Bobby. „Das will ich auch!“ „Sieht wirklich gut aus“, lachte der Jäger. „Kommt mit auf unsere Liste.“ „Hier geht’s in die Frühstücksecke und dann weiter in den Wintergarten. Die Bretter müssen noch an die Wand, aber das soll in den nächsten Tagen passieren.“ „Und wozu sind die gut?“, fragte Bobby und deutete auf die Baumstämme, die vom Boden bis zur Decke reichten. „Als Kletterhilfe für Pflanzen und zum Aufhängen der Hängematten“, erklärte Dean. Er deutete auf die Steinwand und das Becken darunter. „Darüber soll Wasser in das Becken fließen. Wir wollen zwei Kätzchen adoptieren. Die sollen hier eine Kletterwand bekommen und Maddie liebt Pflanzen. Sie hat einen richtigen Dschungel in ihrer Wohnung. Sie und Amita werden sich um das Grünzeug kümmern.“ „Diese Hälfte sieht so ganz anders aus. Selbst an diesem trüben Tag ist es hell und freundlich.“ Jody schaute aus den Fenstern. Die ersten Flocken trudelten langsam zu Boden. „Durch diese Tür geht es ins Esszimmer und dahinter ist ein Kaminzimmer.“ Sam führte sie weiter. „Die Bänke unter den Fenstern finde ich toll. Da kann man sitzen, lesen, rausschauen“, sagte Jody und hängte sich bei ihrem Mann ein. Bobby lächelte. Sein Blick glitt über die Bänke nach draußen. Die Flocken fielen dichter. „Wir sollten die Bücher auspacken“, sagte er und die Brüder nickten. „Wir sind eh durch“, sagte Sam und lief zum Transporter. Kapitel 135: Cooking up something god ------------------------------------- 135) Cooking up something god Jeder nahm sich einen Packen Bücher und folgten Sam, der als erster nach unten in den Keller ging. Schnell leerte sich der Transporter. Dean legte seinen letzten Stapel auf den Boden. Sie hatten alle Bücher und die drei Kisten mit Dingen, die Bobby aus Johns Lagerräumen geholt und nicht einfach so zerstören wollte geholt. Jetzt wartete er, bis Bobby neben ihm stand und drückte in einem bestimmten Rhythmus auf eine Fliese an der Wand. Es klickte und die Wand links von ihnen sprang ganz leicht auf. Sam zog sie ganz auf und ging in den Weinkeller. Er hob die eine Flasche an, öffnete das Regal und trug den ersten Karton in den Raum. Darum würden sie sich irgendwann einmal kümmern, um die Bücher wie um das Zeug aus John Lagerräumen. „E, W, N?“, fragte Bobby. „Ja. Das ist noch etwas weiter von uns entfernt, sollte mal jemand irgendwie diese Fliese finden. Elisabeth Winchester Newton“, erklärte Sam. Schnell war alles weggeräumt. Dean schob die Türen wieder zu und deutete auf die Wand unter dem Wintergarten. „Dahinter ist die Tiefgarage und hier ...“, er öffnete eine ganz normale Kellertür und bedeutete den beiden hindurch zu gehen. Sie machten nur ein paar Schritte und blieben wie angewurzelt stehen. „Wow! Das ist ... WOW!“, entfuhr es Jody. Bobby starrte nur sprachlos auf das Schwimmbad. „Wenn das ohne Wasser und so kahl so toll aussieht. Wie soll das erst wirken, wenn es eingerichtet ist?“, fragte er, nachdem er sich etwas erholt hatte. „Wahnsinn, oder?“, fragte Sam mit leuchtenden Augen. „Dean wollte hier einziehen, als wir das zu ersten Mal gesehen haben.“ „Würde ich auch jetzt noch“, lachte der ältere der Brüder. „Ich auch“, stieß Jody atemlos hervor. „Den gleichen Poolbauer haben wir auch mit dem Pool draußen beauftragt“, sagte Sam. „So und jetzt reißt euch mal los. Ich muss noch kochen und habe jetzt schon Hunger!“, forderte Dean lachend. „Dann mal los. Nicht, dass du uns anfällst“, sagte Jody. Sie warf noch einen Blick auf den Pool. „Das nächste Mal bringe ich meinen Badeanzug mit!“ Gemeinsam verließen sie das Haus. „Wir bringen den Transporter zu unserem Motel und kommen dann zu euch. Ein Spaziergang wird uns guttun“, sagte Bobby als sie zu ihren Wagen gingen. „Wir können euch folgen und euch dann mitnehmen“, bot Dean an. „Es sind nur ein paar Straßen“, wiegelte Jody ab. „Okay“, nickte Dean. „Wir fangen schon mal mit dem Essen an.“ Einträchtig standen die Brüder nebeneinander in der Küche und schnibbelten Gemüse und Salat. Der Backofen lief auf Hochtouren, um den Schinkenbraten fertig zu garen und als Bobby und Jody in der kleinen Wohnung eintrafen, reihte sie sich problemlos mit ein. Bobby machte es sich auf dem Sofa gemütlich, kraulte Marley, die sich neben ihn legte und genoss es, seiner Familie beim Kochen zuzusehen. Das Essen war gut und viel zu viel. Es gab Braten mit Cranberrysoße, gebratenen Rosenkohl, Süßkartoffelpüree, einen Auflauf mit grünen Bohnen und Maisbrot, eine Kürbissuppe als Vorspeise und einen Pekanuss-Kuchen als Nachtisch. „Ihr wisst gar nicht, wie froh ich bin, dass wir nachher zu unserem Motel laufen können“, lachte Jody. „Du kannst gerne einen Whiskey bekommen“, bot Dean an. Sie hatte sein Angebot nach dem Essen ausgeschlagen. „Nein. Lass mal“, winkte sie ab. „Ich habe mir vorgenommen etwas weniger zu trinken. Das hatte um die Wahl ja schon exzessive Züge angenommen.“ Sie trank einen Schluck Wasser. Dean musterte sie mit einem fragenden Lächeln und sie war sich fast sicher, dass er wusste, was mit ihr war, sie wollte aber doch noch bis Weihnachten warten, solange er sie nicht direkt fragte und das tat er nicht. Auch Sam schüttelte irritiert den Kopf. Jody war doch noch nie ein Kostverächter! Aber gut, das musste jeder selbst wissen. Nach Mitternacht machten sich die Drei auf den Weg. Sie verabredeten, dass Sam sie am nächsten Morgen abholen würde, mit ihnen zu Enya frühstücken fahren und sich dann mit Karan auf dem Grundstück treffen wollte. „Ihr könnt auch mein Bett nehmen“, bot Dean an, als sie sich ihre Jacken anzogen. „Und wo willst du schlafen?“ „Die Couch ist ganz bequem.“ „Du musst morgen arbeiten!“ Jody schüttelte den Kopf. „Da werden wir dich nicht aus deinem Bett vertreiben!“ „Es war nur ein Angebot!“ „Dass wir zu würdigen wissen. Aber du wirst staunen: Wir lieben Schnee. Wir sind gerne draußen, wenn es so richtig schneit.“ „Na dann“, lachte Dean. „Hauptsache ihr geht in keiner Schneewehe verloren!“ „Dann rufen wir die Feuerwehr und du kannst uns retten!“, lachte Bobby. „Ich habe erst ab 7 Dienst.“ „So lange wollten wir nicht warten“, überlegte Bobby und schaute zu seiner Frau. „Dann müssen wir wohl zusehen, nicht eingeschneit zu werden.“ „Sollen wir euch begleiten?“, fragte Sam. „Oder bringen?“ „Jetzt reicht es aber“, schimpfte Jody lachend. „Vielen Dank für den schönen Abend und das gute Essen. Dir“, sie schaute zu Dean, „wünsche ich einen schönen Arbeitstag und wir“, ihr Blick wanderte zu Sam, „sehen uns morgen. Schlaft gut, Jungs.“ Sie umarmte beide und wandte sich dann zur Treppe. Auch Bobby zog seine Jungs in eine feste Umarmung, bevor er seiner Frau folgte. „Ich gehe ins Bett“, sagte Dean. Er räumte die leeren Flaschen weg und ging ins Bad. „Wünsche euch einen schönen Tag, morgen“, sagte er, als er wieder in den Wohnraum kam. „Und schlaf gut, Sammy.“ „Du auch, Dean.“ Am nächsten Morgen holte Sam Bobby und Jody ab und fuhr mit ihnen zu Enya frühstücken. Danach machten sie sich auf den Weg zum Schrottplatz. Sie hatten noch Zeit, bis Karan kommen würde, also stöberten sie ein wenig auf dem Gelände und in der Werkstatt herum. Karan kam eine knappe Stunde nach ihnen. Sam ging ihm entgegen und begrüßte ihn herzlich. „Karan, darf ich dir unseren Ziehvater und seine Frau vorstellen?“, begann Sam. „Bobby, Jody, das ist unser Bauunternehmer und Freund Karan Branson.“ „Sie haben sich schon umgesehen?“, fragte Karan nach der Begrüßung. „Lasst uns erstmal reingehen“, bat Sam. „Es ist verdammt kalt um hier rumzustehen.“ Er klapperte mit den Schlüsseln, die Dean ihm am Morgen noch auf die Theke gelegt hatte. „Das Haus ist abbruchreif“, fuhr Karan fort, als sie im Büro standen. „zumindest wäre es sinnvoller und günstiger wenn es abgerissen werden würde.“ Bobby nickte. „Das hat Dean schon erwähnt und wir sind dafür.“ Er schaute zu Jody, die auch nickte. Marley schnüffelte im Büro herum. „Das Grundstück ist ziemlich groß“, sagte Jody. „Gibt es eine Möglichkeit, das Haus vielleicht nicht hier an der Straße, sondern hinten zu bauen?“ „Bauen können wir überall.“ „Dann rede ich mit Dean, dass die Wracks da weg kommen“, überlegte Bobby. „Müssen wir schon festlegen, wie das Haus aussehen soll?“, wollte Jody jetzt wissen, „Oder haben wir Zeit, uns das zu überlegen?“ „Wann wollen Sie beginnen? Jetzt im Winter doch nicht, oder?“ „Auf keinen Fall. Wie lange soll der Bau denn dauern?“, fragte Bobby. „Drei, viel Monate, je nachdem“, überlegte Karan. „Ich habe einige Standardentwürfe auf dem Laptop. Die könnte ich Ihnen zeigen. Moment, ich hole den einmal.“ „Und was denkt ihr? Wollt ihr es mit ihm versuchen?“, fragte Sam, als Karan den Raum verlassen hatte. „Ich denke ja. Ich will mir trotzdem noch ein oder zwei Angebote einholen“, antwortete Bobby und schaute wieder zu Jody. „Aber ihr vertraut ihm und wenn er keine utopischen Preise will“, nickte sie. Karan kam zurück und zeigte ihnen einige der Entwürfe. Sie einigten sich darauf, dass sie das bis spätestens Februar entscheiden wollten und verabschiedeten sich. Am nächsten Morgen trafen sich die Vier wieder in Enyas Bäckerei zum Frühstück. Der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage einen Schneesturm angekündigt und da Jody im Dezember noch arbeiten musste, wollten sie lieber jetzt fahren. „Blödes Wetter“, grummelte Dean, als er sich zu ihnen setzte. „Nicht zu ändern“, bedauerte Jody. „Aber spätestens im Sommer sind wir für immer hier.“ Dean nickte. Er hätte gerne mehr Zeit mit den Beiden verbracht, aber das war wohl in diesem Jahr nicht für ihn vorgesehen. „Was habt ihr gestern noch gemacht?“, wollte er wissen. „Wir haben mit Karan gesprochen und dann waren wir in der Stadt und haben uns ein paar Sehenswürdigkeiten angeschaut. Was man so machen konnte, bei dem Wetter“, erzählte Sam. „Wie war deine Schicht?“, fragte Bobby. „Ziemlich ruhig. Zwei Unfälle und ein Brand in einem Schuppen. Die Einsätze habe ich geleitet. Captain Trudeau will mich ja immer mehr mit einbinden und gestern war mein Tag.“ „Das ist toll, Dean.“ Bobby und Jody strahlten ihn an. Der Junge ging seinen Weg und war wohl nun endlich wirklich angekommen. Sie aßen gemeinsam und dann machten sich Bobby, Jody und Marley auf den Weg zurück nach Sioux Falls, mit dem Versprechen spätestens zu Weihnachten wieder zu kommen. Bobby wollte vorher noch eine Ladung Möbel und die Sportgeräte aus Sams kleinem Sportraum bringen. Vielleicht passten ja auch die Gästebetten mit auf den Wagen, dann müssten sich die Brüder keine neuen kaufen. Doch das Ansinnen lehnten sie kategorisch ab. Bobby hatte die bezahlt und der sollte sie auch behalten. Allerhöchstens als Leihgabe für Gäste wollten sie die annehmen. „Was machen wir jetzt?“, fragte Dean, als sie im Impala saßen. Sam hatte seinen Wagen vor ihrem Haus gelassen und war mit Bobby zur Bäckerei gefahren. „Keine Ahnung. Schlafen?“ „Ich konnte in der Nacht schlafen und würde gerne zum Haus fahren. Die Werkstatt ist bis Dienstag geschlossen. Ich hatte ja gehofft, dass die Beiden bis Sonntag bleiben.“ „Wäre schön gewesen“, nickte Sam. „Jetzt hoffen wir eben auf Weihnachten und darauf, dass sie spätestens im Juni herkommen.“ Dean nickte. „Müssen wir wohl. Also zum Haus?“ „Ja, machen wir das“, nickte Sam und Dean lenkte den Wagen auf die Straße. Sie brachten die Wandverkleidung in Deans Schlafzimmer an und begannen danach mit dem Wintergarten. „Lass uns Feierabend machen“, schlug Dean vor. Draußen war es inzwischen so dunkel geworden, dass sie selbst mit den Scheinwerfern nicht mehr viel sahen. „Sieht soweit aber gut aus“, sagte Sam mit einem Rundblick. „Machst du morgen weiter?“ „Denke schon. Geht alleine zwar langsamer, aber es geht auch. Hat Amita schon was von ihrem Bruder gehört, wegen der Katzenwand?“ „Keine Ahnung. Ich werde sie nächste Woche mal fragen.“ „Gut“, freute sich Dean und gähnte. Sie packten zusammen und fuhren in ihre Wohnung. Wieder einmal erschien O´Flannagain im Waldstreifen, der die Villa umgab. Er hatte beim letzten Mal herausgefunden, dass er, wenn er die magische Barriere als Mensch durchschritt, auf das Grundstück kam. Diese Brüder waren doch etwas cleverer, als er gedacht hatte. Sie hatten das Grundstück gegen unerwünschte Besucher geschützt. Aber er war ja nicht blöd. Dass der Zauber es ihm allerdings auch unmöglich machte sich zum Haus zu teleportieren und er als Mensch zum Haus laufen musste, wurmte ihn gewaltig. Es war früher Morgen, gerade hell genug, um etwas zu sehen und er hoffte, dass noch keiner im Haus wäre. Er hatte richtig gehofft. In aller Ruhe ging er durch die Räume. Hier hatte sich einiges getan. Seine Drohung zeigte also Wirkung! Er rieb sich die Hände. Auch draußen hatten sie viel gemacht. Bäume gepflanzt und einen winzigen Garten angelegt. Davon hatte Mrs. Elisabeth auch immer gesprochen, es jedoch nie in die Tat umgesetzt. Gut! Er würde die Rechnungen weiter bezahlen und Haus und Grundstück im Auge behalten. So langsam traute er den beide zu, im Sinne von Mrs. Elisabeth zu handeln. Schnell lief er zum Rand der Barriere und verschwand, nicht, dass jetzt einer der Beiden auftauchte. Für den Wintergarten brauchte Dean noch zwei Tage, dann war auch der soweit fertig. Kapitel 136: Our House ---------------------- 136) our House Anfang Dezember wurde es im winchesterschen Haushalt richtig hektisch. Dean stand über ihrem Kalender gebeugt, als Sam die Wohnung betrat. Sein Handy lag neben ihm auf dem Tisch. „Hey“, grüßte Sam und schloss die Tür. „Hey“ „Was machst du?“ „Ich hatte gerade den Küchenbauer dran. Er will morgen liefern. Ich habe Dienst, aber du kannst?“, fragend schaute er zu Sam. Sie hatten sich angewöhnt wirklich jeden, noch so unwichtigen, Termin in den Kalender einzutragen. Gerade jetzt, wenn die Möbel kommen sollten, wollten sie nicht erst lange Rückfragen halten müssen. „Ja, ich habe Uni-freie Zeit. Wann will er da sein?“ „So gegen neun. Ich habe ihm gesagt, dass er anrufen soll, wenn er die Einfahrt nicht findet, damit du ihn einweisen kannst.“ „Gut. Bringt er alles auf einmal?“ „Das hoffe ich.“ Dean richtete sich auf, steckte sein Handy ein und hängte den Kalender wieder auf. „In drei Tagen kommen die Möbel für Ess- und Kaminzimmer. Da bin ich dann da und ich wollte die Katzen übermorgen mitbringen.“ Er deutete auf den Karton. „Wir müssen die Wohnung nur noch katzensicher machen. Ich hoffe ich habe alles. Ein paar Decken für die Couch, Kratzbretter und Spielzeug. Das Klo steht im Bad und die Futterschüssel da.“ Er deutete auf den Küchenschrank. „Du hast schon richtig vorgesorgt“, lachte Sam. „Sie sollen sich ja auch wohlfühlen. Sag mal, wann kommt die Katzenwand. Hast du mal was von Amitas Bruder gehört?“ „Sie hat vorhin angerufen. Ihr Bruder will auch morgen kommen und liefern. Beim Montieren will er auch helfen, wenn wir schon wissen wohin.“ Ein Lächeln huschte über Deans Gesicht. „So langsam wird es ernst.“ „Ich freue mich drauf“, nickte Sam. „Endlich das Ergebnis sehen, quasi die Früchte deiner Arbeit ernten und endlich und für immer ein eigenes, funkelnagelneues Bett!“ „Das liegt dir so richtig am Herzen“, stellte Dean lächelnd fest. „Ja. Bleibt es eigentlich dabei, dass Madeleine übermorgen mit Amita einen Einkaufsbummel durch sämtliche Blumenmärkte macht?“ „Sie sprachen davon“, nickte Dean. So richtig wohl war ihm damit noch nicht. „Hoffentlich kommen die dann auch täglich zum Gießen“, grummelte er. „Sei doch froh. Das ist dann ein Grund die Frauen immer da zu haben.“ „Stimmt“ Ein Lächeln erhellt Deans Gesicht. „Dann sollten wir uns nur dumm stellen, wenn sie uns zeigen wollen, was wie gepflegt werden muss.“ Sam nickte. „Dann sollte ich morgen auf jeden Fall die Heizungen im Wintergarten und im Schwimmbad hochdrehen.“ „Das können wir gleich noch tun, ich wollte noch mal hin und schauen, ob alles in Ordnung ist.“ „Okay“ Sie kontrollierten noch einmal alle Räume und natürlich war alles in Ordnung. „In welchem Zimmer willst du denn weitermachen, wenn wir hier eingezogen sind?“, fragte Sam. „Wo soll ich denn weitermachen?“, Dean schaute zu seinem Bruder. „Gibt es ein bestimmtes Zimmer, das dir so richtig am Herzen liegt?“ „Die Räume unter mir. Wenn wir Weihnachten feiern wollen, wäre es vielleicht gut, wenn Bobby und Jody einen Platz zum Schlafen hätten. Wenn Bobby ein Bett mitbringt, könnten sie im Fernsehzimmer schlafen, wenn wir das da reinstellen.“ „Ich bezweifle, dass wir es fertigbekommen.“ „Aber vielleicht ja ein Fenster, eine Tür und die Platten an den Wänden? Dann müssten sie nicht erst ins Motel fahren. Der Weg wäre dann so viel weiter aus von unserer Wohnung.“ Dean nickte, schaute sich noch einmal um und dann verließen sie das Haus und fuhren in ihre Wohnung. Am nächsten Morgen stand Sam mit seinem Bruder auf. Er machte ihnen ein Frühstück, während Dean sich fertigmachte. „Danke“, sagte Dean mit einem Lächeln. Er ließ sich auf seinen Platz fallen. „Das hättest du aber nicht machen müssen.“ „Hätte ich nicht, nein,, aber so habe ich nachher genügend Zeit mich in Ruhe fertig zu machen und ich habe etwas Zeit mit dir.“ Dean lächelte und schaufelte sein Rührei mit Speck und Toast in sich hinein. „Fährst du morgen sofort zum Haus?“ „Ich bringe die Katzen her. Da will ich erstmal hierbleiben. Bis jetzt habe ich noch keinen Kunden in der Werkstatt. Mal sehen, was noch kommt.“ „Okay“, nickte Sam. „Dann mal einen ruhigen Tag.“ Dean trank seinen Kaffee aus und machte sich auf den Weg. Es wurde ein normaler Arbeitstag. Zwei Unfälle, eine Kneipenschlägerei und eine Messerstecherei. Die beiden Unfalleinsätze leitete Dean. Er sollte so viel Praxis wie möglich bekommen, bis Trudeau im Sommer zur Brandermittlung wechseln würde. Der derzeitige Leiter wollte im September in den Ruhestand gehen. Sein Stellvertreter würde dann die Brandermittlung leiten und Captain Trudeau, der sich schon vor längerem da beworben hatte, hatte die Stelle angeboten bekommen und natürlich zugesagt. Das hieß für Dean jetzt, dass er wohl doch schneller befördert werden würde. Die Schlägerei und die Messerstecherei waren nichts für die Rüstgruppe. Da mussten nur die Sanitäterinnen los. Während der größte Teil der Truppe schlief, schwangen Dean und Robert den Kochlöffel. Kurz nach Schichtende packte der Winchester die Kätzchen in eine Transportbox und brachte sie in ihre Wohnung. Er stellte die Box vorsichtig auf den Boden. „Sind sie das?“, fragte Sam. „Ja. Du könntest der Box einen Platz suchen, an dem sie bis zum Umzug stehen kann und dann aufmachen. Ich muss noch was holen“, sagte der Ältere und verschwand. Sam stellte die Box neben die Couch, öffnete die Tür und wartete gespannt, ob sich eines ihrer neuen Mitbewohner zeigen würde. Doch noch passierte nichts. Dean kam mit zwei Decken und Spielzeug wieder. Er legte das Spielzeug vor die Box und breitete die Decken auf der Couch aus, füllte zwei Näpfe mit Futter und einen mit Wasser und stand, als alles erledigt war unschlüssig im Raum und gähnte. „Was ist?“, fragte Sam. „Ich würde gerne ins Haus und mir die Küche anschauen, aber die Kleinen sollten auch nicht alleine bleiben.“ „Ich muss gleich zur Uni. Hab einen Termin mit Prof. Davenport“, wehrte Sam ab. „Lass uns doch heute Nachmittag fahren.“ „Bleibt mir wohl nichts Anderes übrig“, nickte Dean und ließ sich auf die Couch fallen. „Sagst du mir wenigstens, wie die Küche aussieht?“ Sam grinste. „Lass dich überraschen! Wie heißen die zwei eigentlich? Haben sie schon Namen?“, lenkte er vom Thema ab. „Nicht direkt. Wenn Du also Ideen hast?“ „Ich überlege mir was“, versprach Sam und stand auf. Er nahm seinen Rucksack und ging zur Tür. „Bist du heute wirklich da, wenn ich wiederkomme?“ „Ich versuche es“, versprach Dean. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, schaltete den Fernseher ein und machte es sich auf der Couch gemütlich. Schnell kippte er zur Seite. Die letzten Wochen forderten ihren Tribut und Dean war schneller eingeschlafen, als er gedacht hätte. Irgendwann wurde er von einem lauten Schnurren und einem rhythmischen Pochen auf seiner Hüfte wieder geweckt. Er blinzelte. Das graue Pinselohr lag neben seiner Brust und schnurrte und der cremefarbene Wuschel mit dem Tigergesicht versuchte sich seine Hüfte etwas weicher zu treten. Vorsichtig hob er ihn hoch, zog sich die Decke über den Körper und setzte den Kleinen neben seine Schwester. Er schaltete den Fernseher aus und schloss die Augen. Von wohligem Schnurren begleitet schlief er wieder ein. Spitze Krallen in seiner Schulter weckten ihn wieder. Er half der Kleinen auf die Lehne, streckte sich und schaute auf die Uhr. Wenn er jetzt aufstand, konnte er Sam mit einem leckeren Mittagessen empfangen. Gesagt, getan. Er schlug die Decke zurück, stand auf und schaute sich nach den Mitbewohnern um. Beide saßen unter dem Tisch und musterten ihn mit großen Augen. „Na ihr zwei? Wie seid ihr denn so schnell da hin gekommen?“, grüßte er sie. Ein Blick in den Futternapf zeigte, dass sie den schon entdeckt hatten. Gut. Er hockte sich vor den Tisch, lockte sie zu sich und brachte sie ins Bad zur Toilette. Vielleicht merkten sie es sich ja gleich. In der Wache hatte das schon richtig gut geklappt. Dann fuhr er einkaufen. Als Sam von der Uni kam, empfing ihn ein gedeckter Tisch und der verlockende Geruch nach Essen. „Was gibt es?“, wollte er wissen. „Ramen, Salat, Toast und Blondies.“ „Klingt gut“, entgegnete Sam, zog seine Jacke aus und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Wie ging es mit den Kleinen?“, fragte er beim Essen. „Wenn es so bleibt, sind sie vollkommen unkompliziert. Mal sehen, wie sich das mit dem Klo entwickelt.“ „Haben sie ...?“ „Nein. Ich habe es ihnen vorhin gezeigt. Mal sehen, ob sie verstanden haben, was ich von ihnen wollte. Auf der Wache hat es geklappt.“ „Davor habe ich etwas Angst“, gestand Sam. „Eine vollgepinkelte Wohnung möchte ich nicht renovieren müssen.“ „Warten wir es ab“, bat Dean. „Hast du denn Namen gefunden?“ „Hast du keine?“ „Nicht wirklich. Felix und Meow oder Flocke oder Spike wollte ich sie nicht nennen. Kitty finde ich auch doof und Zwerg muss auch nicht sein.“ „Wie wäre es mit Brownie und Bisquit?“ „Oder?“ „Whiskey und Baileys“ „Also Kuchen oder Alkohol?“ „Genau“ „Dann nehmen wir den Alkohol. Sie heißt Baileys und er ist der harte Kerl.“ Dean grinste. Er schob sich den letzten Bissen in den Mund. „Scho un schätzt will isch die Küsche sehn!“, nuschelte er und stand auf, um sein Geschirr in die Spüle zu stellen. „Abwaschen können wir später“, entschied er und ging, noch immer kauend, zur Tür. Sam folgte ihm lachend. Vor dem Eingangsportal stand ein Van. Gerade als Dean hinter dem parkte, wurde die Eingangstür aufgezogen und Madeleine und Amita kamen heraus. „Was macht ihr denn hier?“, fragten die Vier wie aus einem Munde. Lachend stürmten die Frauen die Treppe herunter und warfen sich ihren Männern in die Arme. Dean fing Maddie auf, wirbelte sie herum und küsste sie, als hätte er sie seit Monaten nicht mehr gesehen. Sam war ein kleines Bisschen zurückhaltender. Er wirbelte Amita nicht herum, aber er hatte sie ja auch erst gestern gesehen. „Verrätst du mir jetzt, was ihr hier macht?“, wollte Dean wissen, nachdem er Maddie abgesetzt und sich so weit von ihr gelöst hatte, dass er sie fragen konnte. Bevor sie antwortete, stahl er sich schnell noch einen Kuss. „Wir hatten beide Zeit und haben schon ein paar Pflanzen gekauft. Die haben wir hergebracht und wollen sie gleich noch unten einpflanzen. Morgen kümmern wir uns dann um den Wintergarten.“ „Wow! Ihr macht da ja einen richtigen Großeinsatz draus“, staunte der Winchester. „Ist ja auch ein großes Haus!“, lachte Amita. „Übrigens Wintergarten. Hat dein Bruder was für die Katzenwand hinbekommen?“, fragte Dean jetzt Amita. „Hat er“, nickte sie. „Und wenn es so aussieht, wie er mir das erklärt hat, wird es spitze. Er kommt morgen.“ „Gut, dass ich meine Telefonnummer an der Werkstatt hängen habe, falls doch ein Kunde was von mir will“, sagte Dean und wollte gleich noch wissen: „Können wir was mithelfen?“ „Ja, die Pflanzen reinbringen.“ Maddie deutete auf den Van. Die Brüder schauten in den Van. Er war halb leer. Amita kletterte hinein und schob Pflanzen, Säcke mit Erde und größere Pflanztöpfe nach vorn. „Alles zum Schwimmbad“, erklärte Madeleine und ging mit drei Pflanzen im Arm voran. Unten angekommen, wusste Dean auch, warum die Pflanzen im Van so weit vorn standen und das, obwohl der Van halbleer gewesen war. Hier unten stand der Rest. Jede Menge Grün. Wie wollten sie die denn alle hier unterbringen? Sie liefen noch dreimal, dann war alles im Keller und die Brüder wurden nach draußen komplimentiert. Kapitel 137: Move on -------------------- 137) Move on Dean war es nur Recht, konnte er doch endlich in die Küche. Er stürmte die Treppe regelrecht nach oben. Kurz bevor er die Küche betreten konnte, hörte er von draußen ein Geräusch. Er schnaufte frustriert und ging zur Tür. Ein Möbelwagen der Küchenfirma rangierte zwischen dem Van und dem Impala rückwärts an die Treppe. Dean lief nach draußen und setzte den Impala um. Sam war ihm gefolgt und fuhr den Van zur Seite. Er stieg gerade aus, als Dean auch schon neben ihm stand. „Ich denke die Küche ist fertig?“ „Ist sie, naja, fast“, begann Sam. „Die ganzen Geräte haben sie gestern noch nicht geliefert. Eigentlich sollten die heute früh kommen. Ich hatte ihnen extra einen Schlüssel gegeben.“ Sam zuckte mit den Schultern. Der Fahrer des Möbelwagens kam zu Sam und reichte ihm den Schlüssel. „Wir hatten heute Morgen einen Notfall, deswegen kommen wir erst jetzt. Es ...“ „Kein Problem. Hier ist nur einer ungeduldig, das Gesamtwerk sehen zu können“, wiegelte Sam lachend ab. Er steckte den Schlüssel ein. „Können wir trotzdem rein, oder stehen wir ihnen im Weg rum?“, fragte Dean und in seiner Stimme klang ein wenig Ungeduld mit. „Können sie. Wir beginnen mit der Abzugshaube, dann kommt die Spüle, Herde, Kühlschrank und zum Schluss die Einbaukaffeemaschine.“ „Okay“, nickte Dean, „dann warten wir noch.“ Er wartete, bis die Männer die Abzugshaube ins Haus getragen hatten und zog Sam ein wenig frustriert in die Bibliothek. „Dann können wir auch über die Planung hier und über den Saloon reden.“ „Es tut mir leid Dean“, versuchte Sam zu trösten. „Aber sieh es mal so, du siehst sie gleich in ihrer ganzen Schönheit.“ „Toll. Das hilft mir jetzt auch nicht wirklich weiter“, maulte der. „Ich habe mich echt darauf gefreut, endlich zu sehen, warum ich mir hier die letzten Monate um die Ohren geschlagen habe.“ Frustriert fuhr er sich durch die Haare. Dann schob er die Gedanken an die Küche beiseite. „Also wie hast du dir das hier vorgestellt? Die Tür zu dem großen Raum soll weg?“ „Ja und zum Fernsehzimmer eine Schiebetür?“ „Das könnte dann aber laut werden, wenn einer da fernsieht und einer hier lernen will.“ „Meinst du, dass das passiert? Aber nehmen wir mal an, dass ... dann so eine Tür wie in den Filmen die alten Chefzimmer hatten.“ „Mit braunem Leder bespannt?“ „Naja nicht unbedingt braunes Leder, aber ja. Sowas in der Art.“ „Gut“, nickte Dean, „und weiter? Willst du Regale bis zur Decke, so mit Leiter?“ „Klingt gut. Aber keine, die so ... naja. Ich hätte gerne unterschiedlich große Fächer. Nichts was so 0815 aussieht.“ „Hast du sowas schon mal gesehen, oder kannst du es aufzeichnen?“ „Ich denke schon.“ „Dann kriegst du deine Regale und ich hätte gerne Fensterbänke wie im Esszimmer.“ „Ja, die finde ich auch toll und einen Schreibtisch mit Anschlüssen für einen Laptop.“ „Auch den, Sammy“, lachte Dean und ging in den großen Raum. „Hier würde ich wirklich gerne eine Art Saloon einrichten. Fernseher an der Wand. Regale für Flaschen. Eine Theke mit Barhockern.“ Er drehte sich zur Mitte des Raumes. „Hier einen Billardtisch und vielleicht eine Dartscheibe. Dunkles Holz.“ „Damit füllst du den halben Raum“, meinte Sam. „Und der Rest?“ „Eine Art Lounge? Große Couch, Sessel, einen Tisch, Grünzeug?“ „Wie wäre es mit einem Aquarium?“, fragte Sam. „Ein großes Becken mit vielen Fischen.“ „Hast du Ahnung davon?“ „So viel wie du, aber das lässt sich bestimmt lernen.“ Dean schaute auf die Wand und nickte. „Könnte ich mir vorstellen“, sagte er und ging in den nächsten Raum. „Sollen wir die Tür hier auch zumauern?“ „Wäre besser, denke ich“, überlegte Sam. Er deutete in den Raum hinein. „Da hinten stelle ich mir einen Ruhebereich vor. Massageliege? Oder wir bauen da den Sportraum rein? Hier eine Dusche und vorne ein Spielzimmer für die Kinder, die mal kommen sollen.“ „Keinen Ruheraum?“, hakte Dean nach. „Das können wir auch unten. Da sind schon Wärmestrahler und der Whirpool.“ „Stimmt“, nickte Dean. „Hoffentlich wissen wir das nachher noch alles.“ „Das klappt schon“, stimmte Sam zuversichtlich zu. „Dann sollten wir mit dem Sportraum anfangen, wenn Bobby die Geräte zu Weihnachten mitbringt. Die haben ja bei der letzten Fahrt nicht mit in den Wagen gepasst.“ Das sind noch zwei Wochen. Schaffen wir das?“ „Nein, aber wir können sie erstmal hier in die Ecke stellen. Danach Fernsehraum und Bibliothek, Bad, Saloon und den Spielplatz?“ Fragend schaute Dean zu seinem Bruder. „Oder wir lagern die Geräte erstmal hier und machen Fernsehraum und Bibliothek fertig?“, überlegte Sam. „Oder das. Sport haben wir mit dem Umbau wirklich genug. Jetzt lass uns aber mal schauen, wie weit die Küche ist“, drängte Dean und ging zur Tür. Gerade trugenen die Männer den Herd in die Küche. Die Brüder warteten, bis sie das Rumpeln hörten, das ihnen anzeigte, dass der an seinen Platz geschoben wurde und gingen dann in den Raum. Endlich konnte Dean den Raum bewundern und er war sprachlos. Lachend klopfte Sam ihm auf den Rücken. „Wow“, stieß Dean hervor. Er trat zur Seite, damit die beiden Männer an ihnen vorbei nach draußen gehen konnten. „Ich habe mir das schon großartig vorgestellt, aber so toll“, er schüttelte den Kopf. „Da habe ich ja fast Angst überhaupt zu kochen, wenn ich die dabei einsaue.“ „Du darfst sie dann auch wieder putzen“, frotzelte Sam. „Dass darfst du. Ich koche, du putzt.“ Die Männer kamen mit zwei Backöfen und der Kaffeemaschine wieder. Dean lief an der Küchenzeile entlang. Seine Finger glitten über die Fronten. „Eine Küche. Eine richtige eigene Küche“, murmelte Dean leise. „Nicht wie bei Mom, aber ...“ Sam beobachtete seinen Bruder mit einem breiten Lächeln. „Wir räumen aber erst ein, wenn wir umgezogen sind, oder?“ „Ja.“ Dean riss sich von dem Anblick los. „Sie ist toll!“ „Und jetzt gibt es sogar echten, frischen Kaffee“, sagte einer der Monteure. „Wir sind dann fertig!“ „Vielen Dank“, nickte Sam und drückte beiden ein gutes Trinkgeld in die Hände. Die Winchester begleiteten die Männer zur Tür und gingen dann in den Keller. Vielleicht wurde ihre Hilfe da ja noch gebraucht. Die beiden Frauen schoben gerade zwei große Kübel an ihre Plätze in den Steinen und schlossen sie an das Bewässerungssystem an, als die Brüder unten ankamen. Sie schauten sich um. Es sah alles noch ein wenig gewollt aus, aber wenn die Pflanzen erst richtig gewachsen waren, hätten sie hier einen Pool im Dschungel. „Wenn die anderen Zimmer nur halb so schön werden, wie die Küche und der Pool, werden wir hier das Paradies haben und nie wieder weg wollen“, stellte Sam fest und gab Amita einen Kuss. „Solange wir noch arbeiten gehen“, überlegte Dean. „Irgendwie müssen wir ja was zu essen auf den Tisch kriegen.“ Er zog Maddie zu sich und umarmte sie fest. „Ich habe dreckige Hände“, lachte sie, während sie versuchte, ihn ebenfalls zu umarmen, ohne ihn jedoch mit Erde zu beschmieren. „Sehe ich so aus, als ob mich das stört?“ „Nein“, lachte sie und umarmte ihn jetzt richtig. Ihre Lippen trafen sich zu einem stürmischen Kuss. „Und jetzt lass mich fertig werden“, sagte Madeleine mit einem leichten Bedauern in der Stimme. Sie sahen sich einfach zu wenig und bis Januar, wenn ihre 12-Stunden-Schichten endlich vorbei waren, war es noch so lange hin! Auch Dean löste sich nur ungern von ihr. „Wann stellt ihr das Wasser an?“, fragte Amita Sam. Der schaute zu seinem Bruder. „Wenn wir eingezogen sind, in etwas zwei Wochen?“ Dean nickte. „Ja. Unsere erste Amtshandlung.“ Er grinste. „Blödmann“, grummelte Amita und machte sich daran, die letzten Pflanzen umzutopfen. Diese zwei Wochen vergingen rasend schnell. Jeden Tag gab es etwas Neues. Schon der folgende Tag brachte einen neuen Wintergarten. Rajan lieferte die Teile für die Katzenwand und brachte sie mit den Brüdern an. Madeleine und Amita schleppten einen neuen Van voller Pflanzen ins Haus und verteilten sie entweder in ihren Töpfen oder pflanzten sie in die vorbereiteten Kübel. Sie hängten die Hängematten auf, verteilten Couch und Sessel und ließen sich am Ende des Tages in diese fallen. Dean stand noch einmal auf und holte Bier aus dem Kühlschrank, den er heute Morgen angeschaltet hatte. Er reichte jedem eine Flasche und schaute sich um. „Es sieht toll aus“, sagte er. „Danke euch!“ „Jetzt noch zwei Katzenklos und die Futterschüsseln und dann ist auch hier alles fertig.“ In den folgenden Tagen kamen die Möbel für die restlichen Zimmer und schneller als gedacht war der Umzugstag da. Dean nahm die letzten Eier aus dem Kühlschrank. Er ließ die Tür offen. Ausgeräumt und abgetaut hatten sie den schon gestern. Den beiden Kätzchen schüttete er nur etwas Trockenfutter in die Schüssel. „Ihr bekommt nachher war Richtiges“, versprach er ihnen und kraulte sie kurz. Dann begann er ihnen Speck und Rührei zu braten. Sam kam aus dem Bad. Er packte seine Sachen in eine Tasche und deckte den Tisch. Beim Frühstück herrschte eine komische Stimmung. Selbst die Kätzchen saßen aneinander gedrängt da. Ihre Schwänze zuckten unruhig. „Ich bin froh, dass wir endlich umziehen“, sagte Dean. „Ich auch“, pflichtete Sam ihm zu. „Der Weg zur Uni ist zwar länger, aber das Leben wird ruhiger werden. Hoffe ich.“ „Das bezweifle ich irgendwie. Immerhin haben wir noch jede Menge Arbeit im Haus vor uns.“ „Ja, aber wir müssen nicht mehr fahren. Ich denke, so wird alles schneller gehen und wir werden trotzdem Zeit haben, uns zu erholen. Wenn ich nur an unseren Pool denke.“ Sam verdrehte die Augen. „Ich glaube das wirst du zuschließen müssen, sonst richte ich mich da ein.“ „Kannst du nicht“, erklärte Dean ernst. „Wieso?“ „Weil ich da schon wohne.“ Sam zuckte nur mit den Schultern. „Wir haben uns bis vor einem Jahr ein Zimmer geteilt und als Kinder oft genug in einem Bett geschlafen. Ich sehe keinen Grund, dass wir nicht auch den Pool zusammen bewohnen könnten.“ „Ja dann. Warum haben wir das Haus drüber umgebaut?“ Sam grinste. „Das ewige Rätsel des Lebens. Warum tut man was ...“ Dean stellte seine Kaffeetasse ab. „Ich kann dir immerhin sagen, dass, wenn wir uns nicht beeilen, wir unsere Vermieterin gleich mit Kaffee empfangen müssen.“ Er stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Sie hatten alles zusammengepackt und die Kätzchen in ihre Box gesperrt, als es klingelte. Die Wohnungsübergabe dauerte nicht lange, dann trugen sie ihre Sachen zu ihren Wagen, verabschiedeten sich von Mrs. Lin und machten sich auf den Weg zu ihrem neuen, hoffentlich endgültigen Zuhause. Es schneite leicht und Dean war froh, dass sich Karan erboten hatte, ihre Zufahrt zum Haus zu räumen, bis ihr eigener kleiner Allzwecktraktor geliefert werden würde. Er fuhr seinen Wagen in die Garage und parkte neben Sam. „Willkommen zuhause, Baby“, sagte er und strich kurz über das Lenkrad, bevor er ausstieg. „Wir machen es dir hier auch noch schön. Versprochen.“ Sam stand lachend neben seinem Wagen. „Was?“, grummelte Dean. „Sie hat uns überall hingebracht und sie verdient ein schönes Plätzchen!“ „Daran würde ich auch nie zweifeln. Trotzdem finde ich es immer wieder süß, wie du mit ihr redest.“ „Ich bin nicht süß!“, grummelte Dean. Er holte seine Sachen und die Box mit den Kätzchen aus dem Wagen und stellte alles neben der Treppe ab. „Kommst du mit?“, fragte er Sam, der ihn nur irritiert musterte, letztendlich mit den Schultern zuckte und ihm folgte. Schnurstracks lief Dean zum Wartungsraum des Pools und schaltete das Wasser an. Jetzt verstand Sam. Deans erste Amtshandlung, nachdem sie umgezogen waren. Er musste schon wieder lächeln. Dean ging zum Pool. Er wollte wenigstens sehen, wie das erste Wasser ins Becken lief. Sam folgte ihm. Erst als die ersten kleinen Rinnsale über die Steine liefen und ins Becken tropften gingen sie zur Treppe und trugen die Kätzchen, ihre Reisetaschen und ihre wenigen Vorräte nach oben. Die Pumpen würden sich selbst ausschalten, wenn der eingestellte Wasserstand erreicht war. Im Wintergarten öffnete Dean die Box neben einem der Katzenklos. Er füllte die Futterschüssel und stand auf. „Zuerst einen Kaffee?“ „Wir haben keine Tassen hier oben.“ Dean verdrehte die Augen. „Gut. Du holst den ersten Schwung hoch und fütterst die Kaffeemaschine. Ich mache die Wäsche und bringe das nächste mit.“ Am Abend fielen sie geschafft in die Sessel im Wintergarten. Die Küche war fertig eingeräumt und sah jetzt bewohnt aus. Ihre Betten waren bezogen und die meiste Kleidung hing in den Schränken in ihren Ankleidezimmern und fühlte sich da ziemlich verloren. Sam stellte seinen Laptop auf den kleinen Tisch. Mit den Kätzchen auf dem Schoß schauten sie sich noch einen Film an. Die Kleinen waren den ganzen Tag über durch den Wintergarten gewuselt. Sie hatten einen Teil der Kletterwand erkundet und waren jetzt rechtschaffend müde, immerhin war der ganze Wintergarten größer, als die Wohnung, in der sie die letzten zwei Wochen verbracht hatten. Kapitel 138: Der Weihnachtsmorgen kommt leise --------------------------------------------- 138) Der Weihnachtsmorgen kommt leise Am nächsten Tag besorgten die Brüder einen Baum und kauften für die Feiertage ein. Danach brachten sie die letzten Gipskartonplatten im Fernsehzimmer an. Das machte den Raum zwar nicht wirklich schöner, aber Bobby und Jody sollten darin ja auch nur schlafen. Sie würden ein Bett mitbringen und Bäder hatten sie inzwischen ja genug. Am nächsten Morgen musste Dean zum Dienst. Er bedauerte schon, dass er die Beiden nicht in Empfang nehmen konnte, doch beim letzten Besuch war er der erste, der sie begrüßte. Jetzt gönnte er Sam dieses Privileg von Herzen, auch wenn er natürlich gerne mit eigenen Augen gesehen hätte, wie ihnen das bisher Geschaffte gefiel. Kurz nach zwei fuhr der Van endlich auf den Platz vor dem Haus. Sam setzte Baileys ab und lief nach draußen. Marley drängelte sich an Bobby vorbei und stürmte zu Sam. Sie schnupperte verwirrt an ihm herum, ließ sich kraulen und stürmte zum nächsten Baum. Jody schaute ihr lächelnd hinterher. Marley konnte zuhause gehen und kommen wann sie wollte. Jetzt so lange sitzen zu müssen, war auch für sie anstrengend. „Endlich“, begrüßte Sam die beiden und konnte nicht umhin, Jody länger zu mustern. „Du siehst toll aus“, sagte er während er sie umarmte. „Die Schwangerschaft steht dir.“ „Ihr wusstet es?“ „Wir hatten so eine Vermutung. Du hast keinen Alkohol getrunken. Bobby schien noch aufmerksamer als sonst schon und ihr beide habt irgendwie gestrahlt. Wann soll es soweit sein?“ „Mitte Mai“, sagte Jody. „Das ist so toll“, freute sich Sam. „Dean wird platzen vor Freude.“ „Warum habt ihr nichts gesagt?“, wollte Bobby jetzt wissen. „Ihr habt ja auch nichts gesagt.“ „Auch wieder wahr“, stimmte Jody ihm zu. Sie streckte sich und schaute zum Haus hoch. Viel hatte sich äußerlich nicht verändert. „Lasst uns reingehen, es ist unangenehm hier draußen“, bat Sam nachdem er sich von Bobby gelöst hatte. „Kennt Marley Katzen?“, fiel es ihm jetzt erst ein. Was wenn nicht? „Keine Angst. Sie kennt Katzen und sie weiß mit ihnen umzugehen.“ „Gut. Unsere Zwei sind im Wintergarten und noch klein genug, um sich an einen Hund zu gewöhnen, denke ich“, überlegte Sam. „Wollt ihr einen Kaffee, was essen?“ „Ein Kaffee ist auf jeden Fall eine gute Idee“, nickte Bobby. „Essen können wir nachher noch.“ Er schaute zu seiner Frau. Sie riefen Marley und folgten Sam ins Haus und in die Küche und waren genauso sprachlos wie Dean. Ein breites, wissendes Lächeln zierte Sams Gesicht. „Ist die schön“, wisperte Jody ehrfurchtsvoll und strich vorsichtig über die Arbeitsplatte. „Marmor?“ „Quarz“, entgegnete Sam, „günstiger und viel weniger empfindlich, hat man uns gesagt und zumindest das günstiger stimmt schon mal.“ Er ging zur Kaffeemaschine stellte eine Tasse darunter und drückte auf den Knopf. Als Beide ihre Tasse hatten, führte er sie durch die fertigen Räume, während Marley den Wintergarten untersuchte und die neuen Mitbewohner kennenlernte. Zum Schluss ließen sie sich im Wintergarten nieder. Marley saß neben dem kleinen Tisch und die Kätzchen musterten sie von der sicheren Höhe ihrer Kletterwand. „Ihr habt euch also schon kennengelernt“, bemerkte Sam und streichelte Marley über den Kopf. „Sei nett zu ihnen. Die haben spitze Krallen.“ „Wenn ihr den Rest des Hauses auch so hinbekommt ...“ Jody schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich ziehe hier ein.“ „Warte mal, bis ich euch den Pool gezeigt habe“, lachte Sam. „Wir machen es uns mindestens genauso schön“, versprach Bobby und gab ihr einen sanften Kuss. Als habe er verstanden was Sam sagte, sprang Whiskey von seinem Aussichtspunkt auf Jodys Schoß und bettelte schnurrend um Streicheleinheiten. Marley beobachtete das Ganze mit schiefgelegtem Kopf. So richtig wusste sie diese igeligen Wesen doch noch nicht einzuschätzen. „Wir könnten uns mal um unser Gepäck und das Bett kümmern“, schlug Bobby vor. „Ihr könnt auch in meinem oder Deans Zimmer schlafen“, versuchte Sam noch einmal einen Einwand. „Nein. Es sind eure Betten und wir halten es da schon aus! Es gibt ein richtiges Fenster und dass es nur Rigipswände sind, stört nicht. Es reicht schon, dass wir bei dem Wetter nicht mehr raus müssen!“, widersprach Jody. „Dann lass uns alles reinholen und aufbauen. Das Wetter wird sicher nicht besser. Und du kannst den Van in die Garage stellen. Der sollte reinpassen“ Jody setzte ihre Tasse ab und wollte das Kätzchen auf den Boden setzen. „Bleib noch. Lass die Männer arbeiten. Aber wenn du unbedingt was tun willst. Der Kühlschrank ist voll, der Vorratsschrank auch. Du könntest uns einen Imbiss zaubern?“ „Okay“, nickte sie und kraulte den Kleinen weiter. Als die beiden Männer die Sportgeräte ins Haus getragen und das Bett aufgebaut hatten, ging sie zu ihnen. „Sieht gut aus“, stellte sie fest, „aber jetzt kommt essen. So langsam habe ich Hunger.“ „Ohoh“, machte Bobby. „Jetzt sollten wir zusehen, dass wir zum Essen kommen. Sie kann Mengen verdrücken, das stellt selbst Dean in den Schatten.“ Sam machte ein entsetztes Gesicht. „Wirklich?“ „Schlimmer!“, nickte Bobby. Jodys Knuff in den Oberarm nahm er gelassen hin. Nach dem Essen bewunderten sie noch den Pool und Jody beschloss am nächsten Morgen eine Runde zu schwimmen. Der Abend klang ganz gemütlich vor dem Fernseher aus, den die Brüder erstmal provisorisch im Wintergarten aufgestellt hatten. Marley lag vor Bobbys Füßen. Baileys kämpfte mit ihrem Schwanz und Whiskey schlief auf Jodys Schoß. Leise pfeifend kam Dean die Treppe aus der Tiefgarage hoch und ging in die Küche. Er wollte in aller Ruhe einen Kaffee trinken und danach das Frühstück vorbereitet. Mal sehen, ob er die anderen dann damit wecken konnte. Aus der Küche kamen leise Geräusche. Er schob die Tür auf und ... „Guten Morgen“, grüßte er strahlend. „Was macht ihr denn schon alle hier?“ „Wir wollten dir einen guten Morgen wünschen und dich mit Frühstück überraschen“, entgegnete Jody. „Außerdem waren wir gestern von der Fahrt müde und sind zeitig ins Bett gegangen, um heute so schnell wie nur möglich diese Traumoase von Pool genießen zu können.“ Dean lächelte. „Die Frauen haben den Raum erst in die Oase verwandelt, die es jetzt ist.“ „Ich hoffe, wir lernen sie noch kennen“, warf Bobby ein. Er erhob sich ging um die Theke herum und zog Dean in eine feste Umarmung. „Schön dich auch endlich begrüßen zu können.“ Nur zu gerne erwiderte Daan diese Umarmung. „Willkommen in unserem Zuhause“ Er genoss diese Umarmung, bis Jody an Bobbys Ärmel zupfte und der den Jungen frei gab. „Die Schwangerschaft steht dir“, grinste Dean und blickte zu seinem Bruder. „Wir hatten Recht! Jetzt kannst du deine großer Bruder Ambitionen an dem Kleinen ausleben, wann immer du willst.“ „Ihr Beide“, entgegnete Jody. „Ihr Beide werdet große Brüder!“, stimmte Bobby ihr zu. Dean strahlte über das ganze Gesicht während er sie in eine feste zugleich aber auch sanfte Umarmung zog. Sam stürmte um die Theke herum und zog die Pfanne vom Herd, denn der Speck gab verdächtige Rauchzeichen. „Ich sollte mich besser um das Essen kümmern“, stellte Jody fest und löste sich von dem älteren Winchester. Er gab sie frei und half Sam das Wenige auf den Tisch zu legen, was noch fehlte. „Habt ihr an die Weihnachtsdeko gedacht?“, fragte er Jody. „Der Baum müsste noch geschmückt werden.“ „Das haben wir gestern schon gemacht“, erklärte sie zwischen zwei Bissen. „Nur hier müssten wir noch ein bisschen für weihnachtliche Stimmung sorgen. Etwas Tannengrün wäre schön.“ „Das kann ich nachher holen“, nickte Dean und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Anstrengende Nacht?“, wollte Bobby wissen. „Nicht wirklich. Zwei Unfälle, ein brennender Backofen und der erste Weihnachtsstreit des Jahres. Wir sind nur nicht wirklich zur Ruhe gekommen.“ „Dann leg dich erstmal ein paar Stunden hin. Du verpasst hier nichts“, bestimmte Sam. „Ich wollte eigentlich Jody beim Truthahn helfen.““ „Wenn du nicht den ganzen Tag schläfst, ist das kein Problem.“ „Gut“, nickte Dean. Er trank seinen Kaffee aus, brachte das Geschirr in die Küche und verschwand nach oben. Es war mal wieder sein Tag gewesen und die Einsatzleitungen waren doch anstrengender gewesen, als er vermutet hatte. Der Tag war ein Musterbeispiel für Ruhe und Frieden. Bobby, Jody und Sam genossen das Schwimmbad und die Ruhezone in vollen Zügen. Dean kam am frühen Nachmittag mit Sandwiches und Kaffee nach unten. Danach kümmerten sie sich um den Truthahn und gingen wieder nach unten, als der im Röhr vor sich hin brutzelte. In der Nacht schlich Dean noch einmal zum Baum im Esszimmer und verteilte Geschenke darunter. Als hätte jemand einen Wecker gestellt, waren am Weihnachtsmorgen alle zur gleichen Zeit wach und trafen sich in der Küche. Grinsend verteilte Sam Kaffee, dann gingen sie ins Esszimmer. Jody steuerte sofort auf den Schaukelstuhl zu und ließ sich hineinfallen. “„Du sitz richtig“, lachte Dean. “„Der ist für dich und den Zwerg zum Stillen.““„Ich danke euch“, sagte sie und bewegte sich ein bisschen vor und zurück. “„ich verstehe ja immer noch nicht so genau, woher ihr das wusstet, aber ich freue mich, das ... Allerdings wisst ihr nicht alles.“ Sie machte eine Pause und streckte ihre Hand nach Bobby aus, der sofort zu ihr ging. “„Es werden zwei.“ “„Zwei?“, echote Dean irritiert. “„Zwillinge?“, platzte es aus Sam heraus. “„Zwillinge“, lachte Jody. Dean schlug ihrem Ziehvater kameradschaftlich auf die Schulter. “„Entweder ganz oder gar nicht!“ Er schüttelte den Kopf und blickte zu Sam. “„Dann müssen wir noch mal los.“ Sam zuckte lachend mit den Schultern. Bobby holte einen Briefumschlag hervor und reichte ihn seiner Frau. Sie öffnete ihn und schaute verdutzt auf ein Foto mit einem Haufen Holzteile darauf. “„Was soll das denn?“ “„Das sollen zwei Babybettchen werden. Die wollte ich aber erst hier aufbauen.““„Danke“, sagte Jody und gab ihm einen Kuss. “„Deshalb warst du ständig in der Werkstatt?““„Deshalb“, nickte er mit einem warmen Lächeln. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass er doch noch Vater wurde. Hoffentlich bekam er das mit der Erziehung wenigstens halb so gut hin, wie Mary es wohl bei Dean und damit auch bei Sam hinbekommen hatte. “„Wieso müsst ihr noch mal los?“, griff er jetzt Deans kryptischen Satz auf. Die Brüder grinsten sich an, holten einige Päckchen unter dem Baum hervor und legten sie Jody in den Schoß. Sie packte die aus und hervor kamen ein paar Strampler, Schühchen, Lätzchen und je ein Gutschein der Brüder fürs Babysitten. “„Wir haben immer nur einen Strampler“, erklärte Sam jetzt. “„Vielleicht will ich die ja gar nicht gleich anziehen?“, begann Jody. „Außerdem wissen wir nicht was es wird. Es können auch Junge und Mädchen sein.“ “„Okay, dann warten wir. Es gibt ja auch noch Ostern und den Geburtstag der Beiden.“ Er schaute zu Dean. “„Zwillinge!“ Das eine Wort drückte den ganzen Unglauben aus, der er noch immer empfand. Dean zuckte nur mit den Schultern. “„Für jeden von uns eins“, freute er sich. Sam schnaubte lachend. “„Ich nehme den Jungen.“ “„Mach nur. Ich hatte dich und wollte nach dir eine kleine Schwester.“Die werdenden Eltern schauten sich nur an. Ihre Jungs! Sie waren wirklich eine Familie und sie würden hier glücklich werden. Der Umzug war der richtige Schritt gewesen. In jeder Beziehung. Sam überreichte Dean einen Umschlag und bekam von seinem Bruder einen zurück. Dean öffnete seinen Umschlag. Über sein Gesicht legte sich ein Lächeln. „Hoffentlich habe ich mal Zeit dazu“, sagte er und zeigte Bobby und Jody den Reitgutschein. „Bestimmt“, nickte Sam und öffnete seinen. „Woher?“, fragte er und schaute zwischen Dean und dem Stück hin und her. Im Umschlag war eine Rechnung über einen ... über den Schreibtisch, in den er sich im Antikmarkt regelrecht verliebt hatte. “„Du hast von dem Besuch und dem Schreibtisch erzählt und als ich mir den letztens angeschaut habe, meinte der Verkäufer, dass schon mehrfach jemand dagewesen wäre, der sich für diesen Tisch interessierte. Wir haben schnell rausbekommen, dass er dich meinte. Also habe ich den Tisch gekauft. Er behält ihn, bis wir ihn holen kommen. Ich denke, wir stellen den in die Bibliothek, bis er seinen richtigen Platz bekommt.“ „Danke“, sagte Sam gerührt und umarmte seinen Bruder. Diesen Schreibtisch würde er gerne in einer eigenen Kanzlei haben, aber die war im Moment so weit entfernt, wie eine Reise zum Mond. „Ich denke, wir sollten uns fertigmachen und erstmal frühstücken“, schlug Bobby jetzt vor. Die drei anderen nickten und verschwanden in ihren Zimmern. Kapitel 139: White Christmas ---------------------------- 139) White Christmas Das Frühstück fiel recht spartanisch aus, immerhin hatten sie gestern gut gegessen und später sollte es den Truthahn geben. Selbst Dean stellte seine Schale nach einer Portion Müsli zur Seite. Sofort musterte Sam ihn irritiert, doch dann zuckte er mit den Schultern. Sie würden nachher noch richtig zuschlagen können und so wie es aussah begann Dean das Trauma seines Lebens wohl endlich zu überwinden und vielleicht konnte er sich auch irgendwann wieder soweit auf John einlassen, dass er ihn nicht mehr ganz verleugnete. Obwohl auch das egal war. Er selbst hatte John aus seinem Leben gestrichen. Auch wenn er ihn noch als Vater ansah, so war der doch niemand, den er achtete. Als Jäger ja, als Vater konnte er das inzwischen nicht mehr. Energisch schob er den Gedanken beiseite. Das war nun wirklich nichts worüber er sich an einem Weihnachtstag Gedanken machen sollte. Schon gar nicht an diesem Weihnachtstag. „Was machen wir heute? Genießen wir wieder den Wellnessbereich oder …?“, begann Bobby. „Also von mir aus gerne. Ich kann mich morgen wieder ausarbeiten.“ Dean trank seinen Kaffee aus und erhob sich. „Was heißt das denn?“, wollte Sam irritiert wissen. „Nur, dass ich morgen mit Sicherheit wieder genug zu tun bekommen werde.“ „Ich würde mich trotzdem heute etwas bewegen wollen“, erklärte Jody. „Am Pool können wir nach dem Essen wieder rumliegen.“ „Und wo willst du hin?“, wollte Sam wissen. „Irgendwo durch die Stadt? Wir haben auch Parks zu bieten.“ „In der Stadt waren wir im November. Sie ist schön und wir werden bestimmt noch öfter Neues entdecken gehen, aber das muss nicht heute sein. Mir würde eine Runde um das Grundstück ausreichen.“ „Gut, dann räumen wir hier auf, ziehen uns um und drehen eine Runde“, nickte Sam und folgte seinem Bruder, der schon begonnen hatte, die Spülmaschine zu füttern. Zu viert waren sie schnell fertig und gingen sich umziehen. Dick vermummt liefen sie gleich darauf die Straße entlang zu dem kleinen, verfallenen Häuschen. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen und Marley tobte durch das glitzernde Weiß. „Heute Abend muss ich noch mal räumen“, sagte Dean mehr zu sich und war froh, dass der kleine Allzweck-Rasentraktor vor ein paar Tagen geliefert worden war. Immer Karan herzubitten war nervig, auch wenn der es gerne gemacht hätte. „Das kann ich auch machen“, erbot sich Bobby. „Du willst ja nur Trecker fahren. Gib es zu!“, lachte Dean. „Und wenn? So ein komfortables Spielzeug habe ich nicht.“ „Dann werden wir uns wohl für die Werkstatt eins kaufen müssen“, überlegte der Winchester. „Aber gerne, wenn du wirklich willst. Ich werde wohl noch den ganzen Winter das Vergnügen haben.“ Gab es hier immer so viel Schnee oder war das der Klimawandel? Dean grinste. Das würde er besser nicht laut sagen. „Ich kann das auch machen?“, warf Sam ein. „Von mir aus gerne“, nickte Dean. „Zumindest wenn du raus muss, bevor ich da bin, wirst du wohl Trecker fahren müssen.“ „Habt ihr euch schon was für diese Ruine hier überlegt?“, wollte Jody wissen und deutete auf das kleine Kutscherhaus. „Ein Gästehaus vielleicht?“, überlegte Dean. „Erstmal haben wir mit unserem genug zu tun und wenn Dean danach wirklich Langeweile haben sollte, können wir uns ja überlegen, was wir damit tun wollen“, warf Sam ein. „Wenn es bis dahin nicht eingefallen ist“, lachte Dean. „Dann bitten wir Karan es wegzuräumen oder lassen es als dekorative Ruine stehen.“ „Na das lieber nicht“, wehrte Dean ab. „Nicht das die Zwillinge sich verletzen.“ „Du meinst, die stromern hier herum?“, fragte Jody. „Das hoffe ich doch.!“, erklärte Dean. „Als Onkel kann ich denen jeden Blödsinn zeigen. Da muss ich nicht mehr auf die Erziehung achten.“ Der Winchester grinste breit. „Das sehen wir dann“, warf Bobby nur ein. So wie er Dean kannte, würde der ihnen nichts zeigen, was ihnen wirklich gefährlich werden würde, also sollte er ruhig. Er hatte es mehr als verdient unbeschwerte Jahre zu verleben. Beide Jungs hatten das. An der kleinen Ruine bogen sie zum Waldstreifen ab und folgten dem an der Grundstückgrenze entlang bis zu der Lücke am hinteren Ende des Grundstücks. Von da aus gingen sie zur Straße und folgten der bis zur Einfahrt ihres Grundstücks und dann zurück zum Haus. Kaum waren sie wieder in das Grundstück eingebogen, ließ sich Jody immer weiter zurückfallen. Besorgt musterte Bobby seine Frau. Hatten sie ihr zu viel zugemutet? Er wollte ihre Hand nehmen, doch sie lehnte ab. Fragend musterte er sie. „Alles gut“, erwiderte sie, bückte sich und nahm eine Handvoll Schnee, die sie zu einem Ball formte. Mit einem Koboldgrinsen warf sie den Dean an den Kopf. Die Brüder überlegten gerade, was sie für die kleine Feier in zwei Tagen noch brauchten, und was Dean vielleicht noch mitbringen konnte, wenn er von der Arbeit kam, als den Älteren das kalte Geschoss am Kopf traf und Stückchen davon langsam in seinen Kragen rutschte. „Was?“, fragte er etwas ungehalten und drehte sich um. Jody stand kichernd halb hinter Bobbys Rücken und war dabei, den nächsten Ball zu formen. „Na warte“, grummelte Dean und bückte sich. Er schob ein Bisschen Schnee zusammen, drückte ihn fest und warf ihn auf Jody. Natürlich traf er Bobby, während ihr zweiter Ball auf Sams Brust zerplatzte. Jetzt waren alle vier dabei, Schneebälle zu formen. Schon bald hatten die Männer überall weiße Abdrücke. Nur Jody war hinter Bobbys Rücken ziemlich sicher. Bis sie eine Handvoll Schnee aufnahm und ihrem Mann ins Gesicht warf. „So haben wir nicht gewettet“, grummelte der und hob seinerseits ein Bisschen Schnee auf, um sie damit einzuseifen. Quietschend rannte sie davon. Sie kam in dem tiefen Schnee nicht wirklich gut voran und stolperte ein paar Schritte weiter. Bobby stapfte hinter ihr her und erreichte sie, als sie ihren Sturz auf einem Knie abfing. „Na warte“, grummelte er und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie fuhr herum und warf ihm noch eine Ladung Schnee ins Gesicht. Prustend und schnaubend schubste er sie komplett in den Schnee und begann sie mit dem weißen Zeug einzuseifen, „Hilfe“, quiekte sie und versuchte sich strampelnd zu befreien. Marley sprang zwischen ihren Herrchen hin und her und wusste nicht so recht, was sie machen sollte. So hatten die sich noch nie benommen! Sam und Dean schauten sich kurz an und stürmten zu Jody, um sie zu retten. Sie schoben Bobby von ihr herunter in den Schnee und versuchten ihn einzuseifen. Bobby wehrte sich mit Händen und Füßen. Unbeachtet von den Brüdern rappelte sich Jody auf. Sie schüttelte sich und versuchte wenigstens etwas von dem kalten Zeug aus ihrem Kragen zu bekommen. Sie schaute zu den Männern. Erneut griff sie in den Schnee, umkreiste die Männer und rieb dann Dean das kalte Zeug ins Gesicht. „Ey“, schimpfte der, schüttelte sich und kam auf die Beine. Er ergriff sie und warf sie in den Schnee, um ihr nun seinerseits Schnee in die Jacke zu stopfen. Sam kam auf die Beine, rannte zu seinem Bruder und warf sich auf ihn. Gemeinsam fielen sie auf den Boden. Sofort schaufelte Sam seinem Bruder den Schnee ins Gesicht und in die Jacke. Dean wand sich wie ein Aal unter ihm und schaffte es nach einer Weile, sich so weit zu befreien, dass er ihn von sich und in den Schnee befördern konnte. Jetzt war es an ihm Sam einzuseifen. Bobby und Jody standen keuchend nebeneinander und schauten dem ausgelassen Treiben zu. Endlich hatten die beiden Brüder auch genug und Dean ließ von Sam ab. Eisige Schauer rannen über seinen Rücken. Er stand auf und hielt Sam die Hand hin. Sam griff zu und ließ sich auf die Beine ziehen. Auch er wünschte sich jetzt nur noch eine heiße Dusche. Einträchtig stapften sie nebeneinander her zum Haus, bis Sam sich an einer unberührten Stelle in den Schnee fallen ließ und einen Schneeengel machte. Natürlich mussten Dean und Jody seinem Beispiel folgen. Wieder sprang Marley bellend und schwanzwedelnd zwischen ihnen herum. Sam stand auf und betrachtete kurz sein Werk, dann zog er Dean und Jody auf die Füße. Schnell liefen sie zum Haus und waren froh in der relativen Wärme der Eingangshalle zu stehen und sich die nassen Klamotten vom Körper zu pellen. Selbst Marley, die Schnee liebte, war froh wieder im Warmen zu sein und verzog sich vor den Kamin, kaum dass Jody ihre Pfoten abgewischt hatte, um sich im aller Ruhe zu putzen. Dean schickte Bobby und Jody zu sich ins Bad. Er holte sich nur schnell trockene Kleidung und ging dann bei Sam duschen, als der fertig war. Als er nach unten kam, wurde er von seinem Bruder mit einer Tasse heißer Schokolade empfangen. „So gefällt mir das“, erklärte er leise und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Müssen wir jetzt wirklich noch das Essen fertigmachen?“, wollte er leise wissen und gähnte verhaltend. „Sollten wir“, nickte Jody. Sie pustete in ihren Kakao und trank einen weiteren Schluck. Sie stellte die Tasse weg und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Energisch stemmte sie sich in die Höhe. „Los jetzt!“, schimpfte sie lachend. „Das ist ja wohl keine Art an Weihnachten. Da muss man fröhlich sein und sich überfressen!“ Sam schüttelte nur den Kopf, Bobby grinste und Dean folgte ihrem Beispiel. Überfressen klang schon eher nach etwas, das er tun wollte. Jody überprüfte den Truthahn im Backrohr, dann begannen sie gemeinsam die Beilagen zuzubereiten. Sam schnibbelte Gemüse und Dean machte Karamell- und Whiskey-Brownies. Zwei Stunden später waren sie soweit fertig. Bobby deckte den Tisch und Deans Magen knurrte voller Erwartung. Dean verdrehte die Augen. Das würde er dem wohl nicht mehr abgewöhnen können, dabei gab es schon lange keine Hungerperioden mehr. Egal. Er freute sich auf das Essen und es war so lecker wie es roch. Nach dem reichhaltigen Mahl konnten sich die Vier gerade noch so aufraffen, Esszimmer und Küche wieder aufzuräumen, bevor sie in den Keller zum Pool gingen und unter den Wärmelampen und auf den Terrassen am Wasserfall zu dösen. Selbst zum Abendessen hatte keiner mehr Appetit. Nur Bobby raffte sich noch einmal auf und ging die Einfahrt räumen. Am nächsten Morgen stand Dean allein beim Frühstück in der Küche. Die Anderen schliefen noch und er gönnte es ihnen von Herzen. Er räumte seine Tasse weg, ging in die Garderobe und zog sich die Jacke an. Gerade als er die Treppe zum Keller hinuntergehen wollte, kam Jody aus ihrem improvisierten Schlafzimmer. „Viel Spaß“, wünschte sie ihrem Großen. „Danke und bis morgen. Genießt den Tag.“ Er winkte kurz und ging in die Garage. Voller Vorfreude fuhr er zur Wache. Es wurde ein normaler Arbeitstag. Drei Unfälle und zwei Brände. Sam, Jody und Bobby machten am Vormittag einen kurzen Spaziergang und fuhren nachmittags zum Schrottplatz. Dean hatte schon angefangen, Platz für das neue Haus zu schaffen. Lange nicht genug, aber der Anfang war zu sehen. Außerdem hatte er ja auch im Haus noch genug zu tun gehabt. „Wie schafft der das alles nur?“, überlegte Jody. „Er hatte nicht so viele Kunden, da hat er immer mal wieder ein bisschen aufgeräumt. Hat er mir zumindest gesagt“, erklärte Sam. „So wie es aussieht hat er ein paar Wracks aussortiert. Vielleicht will er die ja aufbauen“, mutmaßte Bobby. „Zutrauen würde ich es ihm. Er wollte in dieser Richtung gerne mehr machen“, sagte Sam. „Marley“, rief Jody die Hündin, die gerade schwanzwedelnd und mit der Nase im Schnee im Wald verschwand. „Marley, komm zurück!“ Kopfschüttelnd folgte sie ihr. Die Männer sahen sich nur an und liefen hinterher. Marley drehte eine Runde unter den Bäumen und kam dann wieder zu ihrem Frauchen zurück. Die interessante Spur war verschwunden. „Was ist das denn?“, fragte Bobby und stapfte durch den Schnee auf etwas zu, das an einem Baum lehnte. „Was machen denn Motorräder hier?“, wollte Sam wissen. „Langsam vor sich hin rosten?“ Bobby grinste. „Langsam und dekorativ vor sich hin rosten.“ Jody deutete auf den Efeu, der die Teile halb überwuchert hatte. „Na dann lassen wir sie das weiter tun“, nickte Bobby und ging zur Werkstatt zurück. „Wenn wir auch auf der anderen Seite Bäume pflanzen und nur eine Durchfahrt lassen, haben wir eine richtige Abtrennung zu unserem Grundstück“, sagte Bobby und deutete auf die Bäume und Sträucher, die den Bereich mit den Wracks von dem Bereich trennten, den Dean begonnen hatte frei zu räumen. „Das wäre toll“, nickte Jody. Sie schaute in den Himmel, den ersten Schneeflocken entgegen, die langsam zu ihren tausenden Geschwistern fielen. „Lasst uns zurückfahren“, bat Sam und ging zu seinem Wagen. Der Abend klang im Wintergarten vor dem Fernseher aus. Sam und Jody hatten jeder ein Kätzchen auf dem Schoß und Marley lag zu Bobbys Füßen. Kapitel 140: We wish you a Merr ------------------------------- 140) We wish you a Merry Christmas Sam fuhr gerade mit dem Schneeschieber zum Haus zurück, als Dean auf ihr Grundstück einbog. Sofort schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Sammy war doch der beste Bruder! Er lenkte den Impala in die Garage und trug die Einkäufe in die Küche. Sam war auch schon im Haus und während er die Einkäufe wegräumte, holte Sam zwei Tassen aus dem Schrank. Mit einem dankbaren Nicken nahm er die Tasse mit dampfendem Kakao von Sam entgegen. „Du hättest nicht aufstehen müssen.“ „Hätte ich nicht, aber ich wollte es.“ Außerdem wollten er, Bobby und Jody mit Marley wieder einen längere Spaziergang machen und wenigstens einen Teil des Weges nicht durch Schnee stapfen zu müssen hatte auch etwas für sich. „Du bist eben doch der beste Bruder, den ich habe!“, sagte Dean mit einem Lächeln. „Na das hoffe ich doch“, lachte Sam. Dean gähnte. „Anstrengender Dienst?“ „Eigentlich normal. Wir sind nur mal wieder nicht zum Schlafen gekommen.“ „Dann leg dich hin. Hier gibt es nicht viel für dich zu tun.“ Dean nickte. Er trank seinen Kakao aus und ging nach oben, während Sam das Frühstück für Bobby, Jody und sich machte. Natürlich bekamen auch Marley, Bailey und Whisky ihr Futter. Danach machten die Vier ihren Spaziergang. Jody und Sam deckten gerade den Tisch, als Dean wieder nach unten kam. „Habe ich so lange geschlafen?“, fragte er und schaute zur Uhr. „Du hast noch Zeit. Wir wollten nur schon mal alles vorbereiten“, erklärte Jody. „Hast du Hunger?“ „Ich nehme mir eine Schale Müsli. Damit sollte ich bis zum Essen aushalten.“ „Wir waren gestern bei der Werkstatt“, erzählte Jody während sie die Reste des Truthahns wieder ins Rohr schob. „Du hast ja schon einiges weggeräumt.“ Bobby kam mit einer Tasse Kaffee in die Küche. „Ja, ich wollte schon mal anfangen und mir einen Überblick über das verschaffen, was da rumsteht, was sich lohnen könnte, wieder einen Wagen draus zu machen.“ „Das hat Bobby auch vermutet. Und gibt es was?“ „Der eine oder andere Wagen könnte was werden“, nickte Dean. „Habt ihr euch denn schon für einen Bauunternehmer entschieden?“ „Wir warten noch auf zwei Angebote, aber ich denke, dass es wohl Karan werden wird. Er hat vernünftige Preise und ihr kennt ihn und arbeitet mit ihm.“ „Er wird sich freuen“, nickte Sam. Eine Stunde später gingen die Brüder nach oben, um sich umzuziehen. Auch Bobby und Jody warfen sich in Schale. Dean wählte eine schwarze Jeans, ein olivgrünes Shirt und ein beigefarbenes Hemd. Sam trug eine blaue Jeans, ein helles Hemd und eine Anzugjacke. Bobby hatte sich für seinen FBI-Anzug entschieden und Jody trug eine weite Marlenehose und darüber eine weich fallende Bluse. Sie kamen gerade wieder in der Eingangshalle zusammen, als ein Wagen vor dem Haus vorfuhr und gleich drauf läutete die improvisierte Glocke. Sam lief los und kam schliddernd vor der Bautür zum Stehen. Er öffnete und sofort schlich sich ein Strahlen auf sein Gesicht. Amita trug eine helle Stoffhose und darüber ein Kleid, das an einen Sari erinnerte. „Kommt rein“, bat Sam und gab seiner Freundin einen Kuss. Dean stand breit lächelnd neben seinem Bruder und strahlte Maddie an. Sie trug einen camel-farbenen langen Rock, passende Stiefel und eine graue Bluse. Er zog sie in seine Arme und gab ihr einen stürmischen Kuss. Erst dann traten die Brüder mit ihren Freundinnen im Arm zu Bobby und Jody. „Amita, Maddie? Das ist unsere Familie. Robert Singer und Jody Mills. Bobby, Jody? Das ist Dr. Madeleine Fisher“, begann Dean die Vorstellung. „Und das ist Amita Branson.“ „Wir freuen uns, sie kennenzulernen“, begann Jody und warf ihrem Mann einen liebevollen Blick zu. Sie gab den Frauen nacheinander die Hand. „Ganz meinerseits“, nickte Bobby und gab ihnen ebenfalls die Hand. „Sie sind mit Karan Branson verwandt?“, fragte er Amita. „Ja. Karan ist mein Bruder. Er leitet die Baufirma. Ich arbeite mit ihm, bin aber für die Landschaftsgestaltung zuständig.“ „Na da haben Sie hier ja genug zu tun“, lachte Bobby. „Auf jeden Fall!“ „Sie sind Notärztin, sagte Dean?“, begann Jody ein Gespräch mit Madeleine. „Ja. So haben wir uns kennengelernt“, nickte sie. „Sie hat mich gezwungen zu fliegen“, schnaubte Dean. „Bislang waren zumindest Hubschrauberflüge immer zu deinem Besten“, sagte Bobby und schlug ihm auf die Schulter. „Fliegen bleibt fliegen!“, grummelte Dean. Er hasste es und das würde sich nie ändern! „Wir warten noch auf Ruby und Nick“, sagte Jody. „Wie wäre es mit einem Glas Wein?“ „Gerne“, nickte Madeleine. „Amita? Trinken Sie Alkohol?“ „Ich nehme auch ein Glas. Bitte“, antwortete sie. Bobby folgte seiner Frau ins Esszimmer und kam gleich darauf mit zwei Gläsern wieder, von denen er eins an Amita weiterreichte. Jody folgte ihm und gab ihr zweites Glas an Maddie weiter. „Ich bin Bobby“, sagte der alte Jäger, hob sein Glas und nickte den beiden Frauen zu. „Und ich Jody“, sagte die. „Das „SIE“ macht uns so alt.“ „Okay“, erwiderten die Frauen lächelnd. Sie hatten gerade einen Schluck getrunken, als er erneut klingelte und jetzt auch Nick und Ruby zu der Runde stießen. „Na euch geht’s ja gut“, kommentierte der Agent. „Wenn ihr so trödelt!“, grinste Dean. Schnell schälten sich die Beiden aus ihren Jacken und Dean stockte der Atem. „Was ist das denn?“, wollte er wissen und deutete auf Nicks Oberkörper. „Der wohl hässlichste Weihnachtspullover des Jahres! Ist `ne Weihnachtstradition. Ich kaufe mir jedes Jahr einen neuen hässlichen.“ „Das will ich auch!“, strahlte Dean und auch Sam lachte. So hatte er auf jeden Fall immer eine Idee für ein Weihnachtsgeschenk. „Ich mache auch mit!“, lachte er dann, als die Rentiernase auf Nicks Pullover nun auch noch zu blinken begann. „War ja klar, dass das was für dich ist“, lachte Jody und schaute gleich darauf zu Bobby. „Wage es ja nicht, mich auch in so ein Ding stecken zu wollen“, grummelte der lachend. „Bevor das ausartet … lasst uns essen gehen“, bat Sam und deutete auf die Tür zum Esszimmer. Er selbst folgte Jody in die Küche. Und half ihr Schüsseln und Teller ins Esszimmer zu bringen. Nach dem Essen verteilten die Brüder noch ein paar Geschenke. Für Amita hatte Dean ein historisches Buch über Pflanzen und Maddie gab er ein kleines Päckchen. Verwundert öffnete sie es und lachte, als sie das Stethoskop saß, auf dem überall Marienkäfer waren. „Das erste Teil für deine Kinderarztpraxis“, erklärte Dean und bekam einen langen Kuss. Sam schenkte Amita ein Buch über europäische Landschaftsparks und Gärten. Den Rest des Abends verbrachten sie im Wintergarten und unterhielten sich über alles mögliche. Nick bot Jody noch einmal an, dass sie sich bei ihm bewerben sollte, sollte sie hier Arbeit suchen. „Ich denke darüber nach“, nickte sie. „Danke Dir! Als ich die Wahl verloren habe, war alles nur schwarz, doch die Idee der Jungs hierher zu ziehen, dein Angebot und wie sich hier alles fügt. Inzwischen freue ich mich schon fast, die Wahl verloren zu haben.“ Warm lächelte sie Bobby und ihre Jungs an. Manchmal waren selbst solche dunklen Stunden der Beginn zu einem helleren Leben. Harmonisch klang der Abend aus. „Wie kommt´s eigentlich, dass ihr heute hier seid und nicht bei deinen Eltern?“, fragte Sam Nick, als er ihn und Ruby zur Tür brachte. „Ich verbringe die Feiertage lieber im Kreis guter Freunde als in Kreis einer zänkischen Familie, wo der Eine dem Anderen die Butter auf dem Brot neidet. Meine Eltern fahren immer noch dahin, genau wie Onkel und Tanten und sie schimpfen jedes Jahr, dass es das letzte Mal war und sie nie wieder fahren und wenn es soweit ist, fahren sie dann doch wieder. Die Jugend hat sich nach und nach ausgeklinkt.“ „Du bist hier immer willkommen“, sagte Dean und Sam nickte. Amita und Maddie verabschiedete sich ebenfalls. „Wegen uns müsst ihr nicht flüchten“, erklärte Bobby schmunzelnd. „Tun wir nicht“, entgegnete Madeleine. „Ich muss morgen wieder Arbeiten. Es war schön euch kennengelernt zu haben“, sagte sie und reichte Bobby und Jody die Hand. Dean half ihr in den Mantel und begleitete sie zum Wagen, wo er sich mit einem langen Kuss von ihr verabschiedete. Auch Amita bedankte sich für den schönen Abend bei Bobby und Jody, schlüpfte in ihren Mantel und folgte Sam nach draußen. Auch sie verabschiedete sich von ihm mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss. Bobby legte seinen Arm um seine Frau und schaute der Jugend mit einem freudigen Strahlen zu. Das hatten sich die Beiden so sehr verdient. „Hoffen wir mal, dass das für uns alle zu so einem glücklichen Neuanfang hier wird.“ Jody nickte und küsste ihn sanft. „Lass uns aufräumen und ins Bett gehen.“ Sie zog ihn mit sich ins Haus. Ein wenig bedauernd kamen Sam und Dean etwas später ins Haus. Es wäre schön gewesen, wenn Maddie und Amita bei ihnen geblieben wären, doch sie konnten sie auch verstehen. Es war doch irgendwie so, als ob sie zum ersten Mal beim Freund übernachten würden und dessen Eltern wären da. Sie halfen Bobby und Jody noch beim Aufräumen und fielen dann glücklich und zufrieden in ihren Betten. So konnte das Leben weitergehen! Am folgenden Tag fuhren Dean und Bobby zur Werkstatt. Sie wollten den hinteren Bereich weiter aufräumen und sich bei jedem Wagen zumindest schon mal einen kleinen Überblick machen, ob der zum Aufbauen, zum Ausschlachten oder für die Schrottpresse geeignet war. Sie kamen nicht weit, da sie das Schild „Werkstatt geöffnet“ aufgehängt hatten. Wenn sie schon hier waren, konnten sie auch etwas tun, sollte jemand ihre Hilfe brauchen. Schon nach einer Stunde riss sie ein lautes Hupen aus ihrer Arbeit. Sie gingen nach vorn. „Hier stand, dass die Werkstatt geöffnet sei?“, begann der junge Mann unsicher. „Ist sie. Wie können wir Ihnen helfen?“ „Ich vermute, dass mit der Lenkung und den Bremsen was nicht in Ordnung ist. Der bricht immer wieder aus und ...“ „Wir schauen uns das an. Fahren Sie ihn bitte in die Werkstatt?“, bat Dean und öffnete das Tor. Bis es dunkel wurde hatten sie zumindest die größten Probleme beseitigt und Dean einen Auftrag, den Wagen komplett zu reparieren, wenn er dir Ersatzteile da hatte. „War doch ein erfolgreicher Tag, auch wenn wir nicht das gemacht haben, was wir eigentlich tun wollten.“ „So ist das doch immer, oder?“, lachte Dean. Sie gingen sich waschen und umziehen und fuhren zurück zum Haus. Dean gab Sam die kurze Liste mit den Nummern, die der in eine Datenbank einpflegen wollte. „Sind ja nicht viele“, stellte der nach einem kurzen Blick fest. War so viel Schrott dabei?“ „Nein, uns hat ein Kunde gestört“, lachte Bobby. Wir haben den halben Tag an dem Wagen gebastelt und ich frage mich immer noch, wie der überhaupt bis in die Werkstatt gekommen ist.“ „Manche haben mehr Glück als Verstand“, überlegte Dean. „Na dazu äußere ich mich dann lieber nicht.“ Bobby grinste. Kapitel 141: Happy new year --------------------------- 141) Happy new Year Am nächsten Tag hatte Dean wieder Dienst und Sam, Jody und Bobby besuchten eine Ausstellung. Den vorletzten Tag des Jahres verbrachten Dean und Bobby wieder in der Werkstatt und an diesem Tag konnte sie sich komplett den Wracks widmen. Sam und Jody bummelten eine Weile durch die Geschäfte und verbrachten den Rest des Tages am Pool. Die Silvesterfeier verlief ganz ruhig. Madeleine musste arbeiten und Amita wollte den Tag mit ihrer Familie verbringen. Außerdem musste Dean am Ersten Januar arbeiten und sie hatten Haustiere, die sie nicht unbedingt mit viel Böllerei verschrecken wollten. Trotzdem kramte Dean kurz vor zwölf ein paar Raketen aus einem Fach in ihrer Garderobe. „Wer kommt mit böse Geister vertreiben?“, fragte er und hielt die Böller hoch. „Ich dachte du wolltest nichts machen?“, fragte Sam irritiert. „Ein paar Raketen müssen sein! Wir müssen das Haus doch einweihen! Also kommst du?“, auffordernd schaute er zu Sam, der auch sofort aufstand und sich seine Jacke holte. Auch Jody und Bobby kamen mit nach draußen, wo Dean schon die Raketen in den Schnee gesteckt hatte. Er reichte Sam das Feuerzeug. „Na los. Die Erste gehört dir!“ Sam nahm das Feuerzeug und zündete eine Rakete. Seite an Seite standen die Brüder und schauten in den Himmel, wo das Teil in einem Ball aus Sternen explodierte. Abwechselnd zündeten sie die anderen fünf Raketen und bewunderten die Farben. Jody und Bobby standen auf der Veranda und schauten ihren Jungs zu. Er legte einen Arm um sie, zog sie noch ein Stückchen enger an sich heran und gab ihr einen Kuss. „Auf ein gesundes, neues, turbulentes, glückliches Jahr“, sagte er und gab ihr noch einen Kuss. Dean beobachtete die Beiden und stieß Sam mit dem Ellenbogen an. Lächelnd deutete er auf ihre Zieheltern. „Ein gutes neues Jahr, Sammy. Auf dass unser Leben so weiter geht, wie es hier in diesem Haus begonnen hat!“ „Das wünsche ich uns allen!“, nickte Sam. Gemeinsam gingen sie zu Bobby und Jody und zogen sie in eine feste Umarmung. „Alles Gute euch vier und das ihr gut hier ankommt!“, wünschte Dean. „Dem kann ich mich nur anschließen“, sagte Sam. „Und jetzt lasst uns wieder rein gehen, hier ist es kalt!“ „Du wirst weich“, grinste Dean. „Scheinbar gewöhnen wir uns zusehend an das sesshafte Leben.“ „Und? Ist das schlimm?“, wollte Dean leise wissen. Sam schüttelte mit einem grimmigen Lächeln den Kopf. „Das haben wir uns sowas von verdient!“ „Gut“, nickte Dean und ging ist Haus, wo sie auf das neue Jahr anstießen und diesen Abend mit einem Glas guten Whiskeys ausklingen ließen. Am nächsten Tag hatte Dean Dienst. Doch der war erstaunlicherweise richtig ruhig. Die Unfälle der Nacht hatten ihre Kollegen versorgt und so dösten sie, spielten mit der Katze und ließen sich von Deans und Fleurs Kochkünsten verwöhnen. Ausgeruht kam Dean am 2. Januar wieder nach Hause. Bobby wollte noch einmal zur Werkstatt. Natürlich stimmte Dean voller Begeisterung zu. Sie frühstückten gemeinsam mit Sam und Jody und fuhren dann los. Jody und Sam bummelten erneut durch die Stadt und kauften einiges ein. Den Nachmittag vertrieben sie sich am Pool. Diesen Abend ließen die Vier ganz gemütlich vor den Fernseher im Wintergarten ausklingen. Irgendwie wollte keiner wirklich ins Bett, denn am nächsten Morgen würden Bobby und Jody zurück nach Sioux Falls fahren. Irgendwann erhob sich Bobby. „Ich denke, wir müssen“, sagte er und brachte sein Glas in die Küche. Dean folgte ihm mit den restlichen Gläsern. Mit hängendem Kopf stand er neben der Spülmaschine. „Es ist doch nicht für immer“, erklärte Jody und nahm ihn in den Arm. „Spätestens im Juni sind wir für immer da.“ „Es fühlt sich trotzdem wie eine Ewigkeit an!“, grummelte Dean. „Die Zeit vergeht schneller als du denken kannst. Außerdem werde ich mindestens einmal im Monat herkommen und Sachen bringen. Ein paar Ersatzteile für dein Baby habe ich auch noch. Ich wollte auch einige Wagen bringen, von denen ich denke, dass wir sie aufbauen können und wir werden schon einige Zimmer komplett ausräumen und die Möbel herbringen“, zählte er auf. Dean nickte. „Dann werde ich mal Stans Haus ausräumen. Das kannst du als Lager nutzen.“ „Könntest du nicht besser die Lagerhalle ausräumen, die rechts von Haus ist?“ „Ich glaube, dann wäre es sinnvoller Karan nach einem Container zu fragen. Die Halle ist voller Öl. Das sollte besser nicht in die Möbel ziehen. Das heißt, wenn du mit Karan bauen willst.“ „Wir wissen es noch nicht genau, aber ich denke schon. Ich warte noch auf zwei Angebote.“ „Hast ja auch noch Zeit.“ „Wir wollen uns trotzdem so schnell wie möglich entscheiden“, warf Jody ein. „Es ist noch so viel auf der Liste, da wäre das schon mal ein großer Schritt vorwärts.“ Dean und Sam nickten. Das Gefühl kannten sie nur zu gut. „Okay“, sagte Dean und holte tief Luft. „Lasst uns schlafen gehen.“ Natürlich wusste er das alles, trotzdem wollte er einfach nicht, dass sich seine Familie schon wieder trennte und da war es egal wie oft er sich sagte, dass es höchstens ein halbes Jahr dauern würde, bis sie alle wieder zusammen wären und das sie schon so oft viel länger getrennt gewesen waren. Er wollte es nicht. Jetzt nicht mehr. Der nächste Morgen kam. Die Vier frühstückten gemeinsam und dann standen Bobby und Jody auf. Sam und Dean zogen ihre Zieheltern in eine feste Umarmung. „Passt auf euch auf, fahrt vorsichtig und meldet euch, wenn ihr angekommen seid“, bat Dean. „Ja, Papa“, lachte Jody. Dean machte sich erschrocken gerade. „Was?“, fragte er irritiert. „Du hast wirklich gerade wie ein Vater geklungen, dessen Kinder den ersten größeren Ausflug machen. Dean zuckte mit den Schultern. „Jetzt wo ich endlich eine richtige Familie habe, möchte ich sie auch in meiner Nähe und sicher wissen.“ Jody legte ihm die Hand an die Wange. „Ich finde es gut. Bleib wie du bist.“ Sie ging zu Sam und zog ihn in eine weitere feste Umarmung. „Halte die Ohren steif und passe auf ihn auf.“ „Mache ich und du auf den alten Brummbären!“ Bobby umarmte Dean. „Ich weiß du willst hier so schnell wie möglich fertig werden, aber gönne dir bitte auch Pausen!“ „Ich werde es versuchen“, nickte Dean. „Dafür wird Sammy schon sorgen.“ „Wofür werde ich sorgen?“ „Dass ich Pausen mache.“ „Ich werde es auf jeden Fall versuchen!“ „So und jetzt los mit euch, sonst stehen wir morgen noch hier!“, scheuchte er die beiden lachend zu ihrem Wagen. „Ich will dass ihr bald wiederkommt, aber dafür müsst ihr erstmal fahren!“ „Na dann!“, grinste Bobby, ging zur Fahrertür, stieg ein und fuhr los, kaum dass Jody ihre Tür geschlossen hatte. Die Brüder winkten ihnen hinterher, bis sie im Waldstreifen verschwunden waren. „Was machen wir jetzt?“, wollte Dean beim Reingehen wissen. „Willst du den Tag genießen oder hast du genug vom Faulenzen, dann könnten wir im Fernsehzimmer was machen.“ „Lass uns was tun, dann muss ich wenigstens nicht darüber nachdenken, dass bis Juni noch so viel passieren kann.“ „Alte Unke“, lachte Sam und verschwieg, dass es ihm genauso ging. Sie lebten hier inzwischen so ruhig, dass er ihr altes Leben nur zu gerne verdrängte. Bis zum Abend hatten sie sämtliche Schlitze im Fernsehzimmer und in der Bücherei verspachtelt. „Morgen rufe ich Karan an, damit er das Material für den Saloon liefert. Damit können wir auf jeden Fall schon abfangen Ich hatte mir überlegt, dass ich meinen Geburtstag da feiern könnte. Was denkst du?“ „Meinst du, dass wir den bis dahin schaffen?“ „Fertig? Nein. Aber wenn wir die Decke fertig kriegen und vielleicht einen Teil der Wände. Mit ein paar Pflanzen und etwas Deko? Wir könnten den Tisch reinstellen und müssen uns keine Gedanken machen, falls doch was passiert.“ „Klingt, als hättest du schon einen Plan.“ „Wir könnten vielleicht in einen Escape Room gehen. Das wollte ich mit euch machen, seit Chris und ich bei unserem Lehrgang in einem waren. Also erst dahin und dann könnten wir den Abend hier ausklingen lassen.“ „Okay“, nickte Sam. „Wen willst du einladen?“ „Die Truppe. Chris, Cooper, Mity, Taylor, Mac, Nick, Ruby, Amita, Maddie.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Sind das viele!“ „Wir haben uns hier gut eingelebt“, stellte Sam leise lachend fest, legte seine Hand auf Deans Schulter und drückte sanft zu. Auch auf Deans Gesicht erschien ein warmes Lächeln. Wie die Brüder schon vermutet hatten, ging die Arbeit im Haus besser voran, seit sie hier eingezogen waren. Egal wie viel Zeit sie hatten, sie mussten sich nur umziehen und konnten schon loslegen, Schnell waren Bibliothek und Fernsehzimmer gestrichen und die Verkleidungen an den Wänden angebracht. Die Wohnlandschaft für das Fernsehzimmer war bestellt und Amitas Bruder Rohan hatte sich angeboten die Bücherregale nach Sams Vorstellungen zu bauen. „Danach holen wir auch deinen Schreibtisch“, versprach Dean seinem Bruder. „Sobald die Regale stehen“, nickte der. *** In Sioux Falls holte sich Bobby alle zwei bis drei Tage eines der Wracks in die Werkstatt und baute alles aus, was er für nutzenswert hielt. All die Ersatzteile lagerte er in einem Schuppen. Jody packte währenddessen die ersten Umzugskartons. Sommerkleidung, Bücher und alles was sie an Deko-Krims-Krams hatte. Das wollte sie hier eh nicht mehr aufstellen. Bis zu ihrem Weihnachtsurlaub war sie sich zwar sicher gewesen, dass der Umzug richtig war, doch es fühlte sich immer noch eher wie umziehen müssen an. Nach diesem Urlaub wollte sie hier so schnell wie möglich weg und es war ihr fast egal, ob sie in einem Motel oder in Stans altem, langsam verfallenden Haus darauf warten würde, dass ihr Haus fertig werden würde. Sie wollte hier nur noch weg. Gerade als wie einen weiteren Karton schloss, hörte sie einen Wagen auf den Hof fahren. Sie schaute aus dem Fenster. Da kam einer der Gründe, warum sie hier so schnell wie möglich verschwinden wollte. Ihr Nachfolger. Na super. Was wollte der denn schon wieder hier? Bobby hatte den Wagen ebenfalls gehört. Er kam aus der Werkstatt und verkniff es sich die Augen zu verdrehen. „Sheriff“, grüßte er. „Wollen Sie einen Kaffee?“ „ICH“, betonte der Mann, „will wissen, was Sie hier tun, Singer!“ „Ersatzteile ausbauen?“ „Und das tun Sie weil?“ „Ich gerade Zeit dafür habe.“ „Was passiert mit dem Altöl?“ „Wird entsorgt. Wollen Sie die Belege sehen? Ich habe sie noch nicht wieder weggeräumt!“, konnte sich Bobby die Antwort nicht verkneifen. Das Thema hatten sie letzte Woche schon gehabt. Er würde wohl mal mit Chief Morris reden müssen. Vielleicht konnte der ja ein bisschen Granulat verstreuen, sobald der Schnee getaut war. Auf dem Thema würde der neue Sheriff wohl noch eine Weile rumreiten. So wie man hörte, hatte der bei dem Schneechaos nach Weihnachten wohl nicht gerade geglänzt und das schien er jetzt durch sinnlosen Aktionismus wettmachen zu wollen. „Wo ist Mrs, Mills?“ „Im Haus.“ Gerade als der Sheriff klingeln wollte, kam Jody heraus und hielt ihrem Nachfolger eine Tasse Kaffee hin. Die Zweite brachte sie Bobby. Marley lief hinter ihr her, so als müsste sie sie beschützen und setzte sich neben sie, als sie stehen blieb. Aufmerksam beobachtete er des Sheriff. „Was machen Sie mit der vielen Freizeit, Jody? Sie können gerne für mich arbeiten, wenn sie sich langweilen“, erklärte der gönnerhaft. „Mrs. Mills, für Sie und nein, Danke. Ich genieße meine freie Zeit hier.“ „Ja dann. Jody!“ Er trank seine Tasse aus und reichte sie ihr. „Wir sehen uns!“, sagte er, nickte knapp und ging zu seinem Wagen zurück. Verdammter Idiot“, knurrte sie, kaum, dass der Wagen verschwunden war. „Der will uns nur mürbe machen.“ „Das klappt leider. Ich habe sämtliche Kartons oben in das geheime Zimmer gebracht!“ „Du sollst doch nicht so schwer schleppen!“ „Ich will einfach nicht, dass der mit seinen widerlichen Griffeln in meinen Sachen herumwühlt.“ „In drei Tagen hole ich den Wagen und dann hilft Rave mir dabei, die Möbel aus den Zimmern der Jungs zu verladen. Die Paletten mit den Ersatzteilen und die Kartons kommen auch mit. Ich habe noch ein paar Sachen, die der Sheriff besser auch nicht in die Finger bekommt. Bis dahin halten wir durch und dann ist es egal. Soll er schnüffeln.“ „Ich war mir trotz meiner Entscheidung noch immer unsicher, ob der Umzug richtig ist“, gestand sie. „Aber als wir bei den Jungs waren, fühlte sich das so richtig und gut an und ich wollte umziehen. Jetzt? Hier? Ich kann es kaum erwarten hier weg zu kommen und das liegt vor Allem an diesem Sheriff!“ „Wir werden auch das zusammen schaffen!“ Jody nickte und stahl sich einen Kuss. „Hast du schon mit Karan telefoniert?“ Gestern war das letzte Angebot gekommen. Es war zwar um einiges günstiger aber nicht so viel, dass sie sich genötigt fühlten, es annehmen zu müssen. Außerdem hatte er einige ihrer Wünsche nicht berücksichtigt. „Ja, sofort heute Morgen. Er schickt uns eine Auftragsbestätigung und die vorläufigen Pläne. Sollten wir noch Änderungswünsche haben, kann er die jederzeit einbauen. Er stellt in den nächsten Tagen auch einen Container für unsere Sachen hin.“ „Gut, dann packe ich mal weiter Kartons. Alles was weg ist, kann dieser aufgeblasene Idiot nicht mehr begrabschen!“ Bobby lächelte. Er gab ihr noch einen Kuss und drückte ihr dann die Tasse in die Hand. Ja, sie würden umziehen und es fühlte sich richtig an. Es war ein weiterer Schritt in die Zukunft. Sioux Falls war Vergangenheit und die wollte er endlich hinter sich lassen. Kapitel 142: the great escape ----------------------------- 142) The great escape Dank der tatkräftigen Unterstützung von Cooper, Chris und Mac wurden die Decke im Saloon bis zu Deans Geburtstagsfeier fertig und sogar ein Teil der Wände war schon mit Gipskarton verkleidet. Donnerstagabend schafften die Brüder den Tisch aus dem Esszimmer in den zukünftigen Saloon. In den Ecken standen Baustrahler und beleuchteten den riesigen Raum. „Vielleicht hätten wir Karan doch bitten sollen die Fenster einzubauen und nicht nur diese Bautür“, überlegte Sam. „So könnten wir wohl eher eine Halloween-Party feiern als deinen Geburtstag.“ „Immerhin haben wie die Deckenheizung und müssen nicht noch auf Heizstrahler zurückgreifen. Dieses Jahr wird es gehen und für´s nächste haben wir hier dann eine richtige Bar.“ „Was willst du anbieten?“ „Ich wollte Spareribs, Steaks und Burger grillen. Dips und Chips, ein paar Salate und vielleicht Mac´n Cheese oder einen Auflauf. Die kann ich heute noch fertigmachen.“ „Was hältst du von Pizza? Die könnten wir backen und in handlichen Stücken anbieten. Fände ich besser als Mac´n Chesse“, fragte Sam. „Salate kann ich machen“, bot er sich gleich noch an. „Und dekorieren kann ich auch morgen. Dann kannst du Samstag ausschlafen, wenn du vom Dienst kommst.“ „Danke“, freute sich Dean. Nach Dienstschluss, Samstagmorgen, fuhr Dean noch schnell einkaufen und besorgte, was Sams und Maddies Meinung nach noch fehlte. Viel war es nicht, was den Beiden nach beim Schmücken und Vorbereiten am gestrigen Tag noch eingefallen war. Er kam gerade die Treppe nach oben, als ihm Sam über den Weg lief. „Was ist los?“, wollte Dean sofort wissen. Sein Bruder sah mehr als niedergeschlagen aus. „Amitas Großmutter ist gestorben.“ „Oh, mein Gott. Das tut mir leid. Willst du hin?“ „Nein. Das heißt ja schon aber sie sagt, dass es die Familie betrifft und das auch nur die Familie kommt.“ „Tut mir leid, Sammy!“ „Nicht zu ändern. Nur schade, dass ich ihr nicht beistehen kann. Sie hat ihre Großmutter geliebt. Dass sie heute Abend nicht da sein wird, finde ich natürlich auch schade.“ „Du wirst für sie da sein, wenn sie dich braucht“, sagte Dean nickend. Er stellte den Einkauf weg und legte Sammy die Hand auf die Schulter. Mitfühlend drückte er zu. Er wartete, bis Sam nickte. „Und was ist mit dem Chaos in der Eingangshalle?“ „Sie haben gestern die Wohnlandschaft für den Fernsehraum geliefert und leider auch die Sessel für den Saloon.“ „Das sollte doch alles erst übernächste Woche kommen“, stellte Dean leise fest. „Sollte es. Keine Ahnung, wer da was verwechselt hat. Jedenfalls wollte ich sie nicht wieder wegschicken. Die Fahrer können ja auch nichts dafür. Also haben wir die Wohnlandschaft im Fernsehraum aufgebaut. Sieht wirklich gut aus. Dann fehlt jetzt nur noch der Fernseher und die Sessel hier? Ich dachte wir lassen die erstmal stehen. Das Material können wir weiter durch den Fitnessraum schaffen.“ Dean nickte. „Lassen wir die Folien drauf und schieben sie unter die Treppe. Da sollten sie halbwegs sicher sein.“ Sam nickte. „Das mache ich gleich noch. Du solltest ins Bett gehen, du siehst müde aus.“ „War mal wieder viel los. Jede Menge Brände“, sagte Dean und ging nach oben. Ein paar Stunden später kam Dean in die Küche. Er stutzte kurz, als er Maddie an der Küchentheke stehen sah. Sofort ging er zu ihr und gab ihr einen langen Kuss. „Was machst du denn schon hier? Ich dachte du hättest noch Dienst.“ „Ich wollte dich überraschen. Außerdem habe ich morgen frei und ab Montag auch endlich wieder einen normalen Arbeitsplan“. Sie strahlte ihn an. „Das klingt ja wunderbar! Schläfst du dann heute Nacht hier?“, wollte Dean natürlich sofort wissen. „So war es geplant“, sagte sie und deutete auf die Tasche, die in der Fensternische lag. „Die kannst du gleich hochbringen. Komm mit!“, sagte Dean, nahm die Tasche und ging nach oben. Maddie folgte ihm etwas langsamer. Sie betrat den Wohnbereich. Rohe Steinwände und eine einsame Glühlampe an der Decke, die das ganze weder einladender machte, noch diesen Flur wirklich erhellte. Hier sah es noch so, ja schon fast gruselig aus. Wie war das denn dann in seinem Schlafzimmer? Immerhin konnte sie sich aus Sams Erzählungen zusammenreimen, dass die Brüder nie viel hatten und in furchtbaren Hotelzimmern zuhause gewesen waren. Immerhin war es unten schon sehr wohnlich. Hatten sie hier oben auch schon etwas geschaffen? Fenster gab es, das hatte sie von außen gesehen. Dean ignorierte den höhlenartigen Charakter seines Flures. Auch der würde irgendwann besser aussehen. Er öffnete die Tür zu seinem Schlafbereich und ließ Maddie den Vortritt. Sie schaute sich um. Hier war noch ein Flur. Allerdings war der in einem dunklen Blau gestrichen. Einbaustrahler und ein paar Wandleuchten erhellten den eher schmucklosen Raum. Es gab drei Türen. Fragend schaute sie zu Dean. „Such dir eine Tür aus“, sagte der und so ging sie nach rechts. Sie öffnete die Tür und war für einen Augenblick sprachlos. Sie stand in einem Bad, dass wohl eher ein Wellnesstempel war. Vor dem Fenster stand eine große freistehende Wanne mit Massagedüsen. Dahinter plätscherte Wasser leise an der Wand herunter und verschwand im Boden, Es gab eine große Regendusche, zwei Waschbecken, etwas Stauraum und natürlich eine Toilette. An zwei Wänden waren weiße Steinriegel, die beiden anderen Wände mit großen grauen Fließen verkleidet. Der Boden war ebenfalls mit diesen grauen Fliesen gefliest. Es gab einen großen Handtuchheizkörper. Ein Hocker stand in der Ecke. Nur Pflanzen fehlten noch. „Ist das schön“, wisperte sie leise und kam wieder in den Flur. Sie schaute Dean an. Der nickte nur. Also ging sie geradeaus und öffnete die Tür. Eine riesige Ankleide empfing sie. An allen Wänden standen Schränke, in der Mitte eine Bank und es gab eine Fensternische in der man sitzen konnte und natürlich einen großen Spiegel. „Wie viele Schränke hast du belegt?“, musste sie ihn einfach fragen. Er öffnete eine Schranktür. Maddie lachte. „Meinst du, die bekommst du jemals voll?“ „Mit deiner Hilfe?“ Sie ging zu ihm und gab ihm einen sanften Kuss, aus dem sehr schnell eine wilde Knutscherei wurde. „Jetzt will ich aber das Schlafzimmer sehen!“ Sie öffnete die letzte Tür. Auch der Raum war dunkelblau gestrichen und der Boden wie im Flur aus dunklem Holz. In der Mitte des Raumes stand eine halbhohe Wand. Sie ging drum herum und stand vor einem riesigen Bett aus hellem Holz. Die gepolsterte Fensternische lud zum Verweilen ein. Daneben standen zwei Sessel. „Hier fehlen eindeutig Bilder“, entschied Maddie. „Ich hab doch welche.“ Er deutete auf die Wand zur Ankleide. „Und für den Rest bist du zuständig!“ „Okay“, nickte sie lachend und ging zu den Bildern. Es waren Fotos in unterschiedlicher Größe, die einfachen Rahmen aus hellem Holz hatten. Wie schon in der kleinen Wohnung waren es Bilder von Deans Mom mit Dean und Sam und wieder war nirgends der Vater zu sehen. „Hast du keine Bilder deines Vaters?“ So ganz wollte sie einfach nicht glauben, dass die Brüder den aus ihrem Leben gestrichen hatten. „Der hat mein Leben schon genug versaut. Der bekommt bestimmt keinen Platz an irgendeiner Wand hier im Haus. Ich hab noch Bilder von Bobby und Jody. Die müssen nur noch gerahmt werden, dann hänge ich sie hier mit auf. Aber ich habe irgendwo ein Bild von ihm, falls du es sehen willst.“ Maddie lächelte. „Nicht jetzt.“ Sie trat zu ihm und verwickelte ihn schnell wieder in eine leidenschaftliche Knutscherei. Atemlos und ein bisschen traurig brach er ab. „Wir sollten runtergehen. Ich will Sammy nicht komplett mit den Vorbereitungen meiner Party alleine lassen. Er hat schon so viel gemacht.“ Sie nickte bedauernd. Dann verschoben sie das eben auf heute Nacht und auf die vielen folgenden. Lächelnd gestand sie sich ein, dass sie sich in diesen Mann verliebt hatte, egal was er für eine Vergangenheit haben mochte. „Was?“, fragte Dean, als er ihr Lächeln sah. „Ich liebe dich!“, entgegnete sie, gab ihm einen Kuss und schlüpfte an ihm vorbei, um wieder nach unten zu gehen. Jetzt breitete sich auch auf Deans Gesicht ein Lächeln aus. Er folgte ihr nach unten und ging in ihren zukünftigen Saloon. Maddie und Sam hatten den Raum schon am Vortag dekoriert und jede Menge unterschiedlicher Kerzen verteilt. Irgendwie sah es gruselig aus. Es gab eine Art Tanzfläche, falls jemand dazu Lust hatte. Deans Anlage stand auf einem Tischchen. Jede Menge CDs lagen daneben. Dean huschte durch die Bautür auf die Terrasse. Der Grill stand gleich neben der Tür. Da konnte er also in aller Ruhe brutzeln. Als er wieder reinkam, stellte Sam geraden eine weitere Schüssel auf das riesige Büfett, auf dem schon etwas Fingerfood, Cupcakes und Muffins aufgebaut waren. Die Salate und Aufläufe würden sie erst holen, wenn sie aus dem Escape-Room wiederkamen. Dann sollten auch die Minipizzen, die noch im Kühlschrank warteten, in den Backofen. Cooper hatte sich angeboten, Cocktails zu mixen und Mac wollte sich um die Musik kümmern. Er würde auch noch CDs mitbringen. Gemeinsam bereiteten sie die großen Pizzen vor und dann gingen die Brüder sich umziehen. „Wow“, entfuhr es Maddie, als die beiden wieder nach unten kamen. Dean trug eine schwarzes T-Shirt, ein weinrotes Hemd und blaue Jeans, die an einigen Stellen leicht eingerissen waren, Sam trug blaue Jeans, ein helles T-Shirt und ein Jeanshemd. „Können wir?“, fragte Dean. „Wir können!“, antwortete Maddie und hakte sich bei Sam und Dean ein. Sie hatte mit Sam gesprochen und wusste, dass Amita heute nicht kommen würde, also musste sie sich wohl auch ein bisschen und ihn kümmern, damit er nicht nur traurig in der Ecke hockte. Sie gingen in den Keller und stiegen in den Impala. An den Escape-Rooms wurden sie schon erwartet. Maddie und Sam hielten sich etwas abseits und beobachteten, wie Tylor, Mity, Cooper und Mac Dean umlagerten und ihm gratulierten. Leise stellte Sam ihr die Freunde vor, die sie noch nicht kannte. Endlich legte sich der Trubel etwas und Dean schaute sich nach seiner Freundin um. Er hielt ihr die Hand entgegen und zog sie an seine Seite, kaum, dass sie ihre Hand in seine gelegt hatte. „Das ist Dr. Madeleine Fisher, meine Freundin“, stellte er Maddie vor. Bevor die anderen ihm noch einmal gratulierend auf die Schulter klopfen konnten, fuhr noch ein Wagen auf den Parkplatz und parkte neben dem Impala. Chris stieg aus, ging um seinen Wagen herum und öffnete, ganz Gentleman, die Beifahrertür. Die junge Frau im Arm, kamen sie zu der Gesellschaft. Chris nahm Deans Hand und schüttelte sie lachend: „Herzlichen Glückwunsch, alter Sack!“ „Das sagt der Richtige!“, entgegnete Dean. „Ich bin drei Jahre jünger als du!“ „Dafür habe ich dir drei Jahre mehr Lebenserfahrung voraus.“ „Auch wieder wahr“, entgegnete Chris. „Stellst du uns deine Begleitung vor?“, wollte Dean jetzt wissen und musterte die junge Frau. "Das ist Anny Wilson", stellte der sie vor. "Meine Freundin. Sie ist Grundschullehrerin." "Da kannst du ja noch was von ihr lernen“, lachte der Winchester und nahm Chris´ Knuff gegen seinen Oberarm mit einem Koboldgrinsen hin. Er hielt Anny die Hand hin und musterte sie. Sie war zierlich, blond und einen Kopf kleiner als Chris. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, aber das konnte ja wohl kaum sein! „Hallo, ich bin Dean. Das ist Madeleine Fisher und der lange Lulatsch ist mein Bruder Sam." "Freut mich", sagte sie, während sie allen nacheinander die Hand schüttelte. „Fehlen eigentlich nur noch zwei, oder?“, fragte Sam. Chris unterhielt sich inzwischen mit Cooper und der schwärmte von den 24-Stunden-Schichten. „Bin ja gespannt, wann wir drankommen und auf welcher Wache ich dann eingeteilt werde“, sagte Chris. Seine Wache würde geschlossen werden, sobald die letzte umgebaut worden war. „Viele Möglichkeiten bleiben nicht mehr“, überlegte Dean. Ein weiterer Wagen kam auf den Parkplatz gefahren und Nick stieg aus. „Hey Alter. Alles Gute zum Geburtstag“, wünschte Nick und schüttelte Deans Hand kurz bevor er ihn in eine feste Umarmung zog. Unser Geschenk kommt mit Ruby, hoffe ich.“ „Wo ist sie?“, wollte Dean wissen. „Sie hatte noch was zu erledigen. Aber frag mich nicht was.“ „Okay,“ nickte Dean. „Dann wären wir neun. Wollen wir alle zusammen einen Raum machen oder in zwei Gruppen?“ „Wo ist Amita?“, wollte Tylor wissen. „Trauerfall in der Familie“, sagte Sam. „Das tut mir leid“, entgegnete Mity ernst. „Ja. Danke.“ „Was gibt es denn alles?“, fragte Tylor. „El Dorado ist ein Dschungelabenteuer. Schatz und Ausgang finden. Dann haben sie hier sowas ähnliches, wie wir bei dem Lehrgang in Jackson gemacht haben“, er schaute zu Chris. „Aus einem Haus entkommen, in dem eine Bombe liegt. Es gibt eine Ausgrabungsstätte, an der ein wichtiges Artefakt zu finden sein soll.“ „Ich bin für das Dschungelabenteuer“, sagte Nick. „Ich auch“, stimmte Mity ihm zu. „Chris, Mac, Amy?“ „Mit dir gehen ich überall hin“, grinste Chris den Freund breit an. „Du weißt aber schon, dass du eine heiße Frau im Arm hältst?“ „Natürlich“, lachte Chris und gab ihr einen Kuss. Letztendlich entschieden sie sich zusammen den Schatz in El Dorado zu suchen. Nick hielt ich eher raus. Er genoss es, die Brüder kombinieren zu sehen. Chris musterte ihn kurz und kam zu ihm. „Keine Lust?“, wollte er leise wissen. „Hast du die Zwei mal richtig zusammenarbeiten sehen?“, fragte er und deutete auf die Brüder. „Nein.“ „Dann schau ihnen mal zu. Das ist so faszinierend wie sie sich verstehen. Ich wünschte mit meinen Partnern hätte das nur halb so gut geklappt.“ „Partner?“ „Ich bin Ermittler.“ „Soweit ich das weiß, arbeiten sie schon fast ihr ganzes Leben so zusammen“, überlegte Chris. „Und sie lieben sich, wie nur wenige Geschwister.“ Chris nickte. Er blieb noch eine Weile bei Nick, dann griff er wieder aktiv in die Lösung des Rätsels mit ein. Nick beobachtete die Winchesters noch eine Weile länger, danach wollte er aber auch seinen Teil zur Lösung beitragen. Für das Spiel waren zwei Stunden angesetzt und dank der Unterstützung aller, schafften sie es in reichlich einer Stunde und 45 Minuten. Kapitel 143: Get the Party started ---------------------------------- 143) Get the Party started Danach fuhren sie zum Haus und die Brüder zeigten denen ihrer Freunde, die es noch nicht wussten, was sie im Erdgeschoss schon geschafft hatten. Dann gingen sie in den Saloon. „Ist das nicht eher was für Halloween?“, fragte Tylor. „Das hat Sam auch schon festgestellt“, lachte Dean und schaute sich um. Schön war es hier wirklich noch nicht. Wo die Bar mal hinkommen sollte, ragten Rohre aus dem Boden überall hingen Kabel aus den Wänden. „Was wollt ihr hier machen?“, fragte Nick. „Da soll eine Bar hin, mit Fernseher dahinter. Barhocker. So wie in einem alten Saloon. Ein paar Tische. Dann Tischkicker, Dartscheibe, Billardtisch. Links soll ein großes Aquarium entstehen und da sollen die Sessel und das kleine Sofa hin, das jetzt im Eingang steht.“ „Wie weit seid ihr oben?“ „Schlafzimmer und Bäder sind fertig. Jetzt machen wir erstmal hier unten und dann geht es oben weiter.“ „Also noch genug zu tun in diesem Jahr“, überlegte Mac. „Ich finde schon noch was, wenn wir hier mal fertig sein sollten“, lachte Dean. „Na davon gehe ich aus“, warf Cooper ein. „Du kannst nicht wirklich stillsitzen.“ „So und jetzt setzt euch, ich muss den Grill anwerfen.“ Dean verschwand nach draußen, wo es langsam dunkel wurde.     Jody trat vor die Haustür. „Wie lange wollt ihr noch machen?“, fragte sie Bobby und Rave, die gerade eine Gitterbox auf der Ladefläche sicherten. „Wir sind fast fertig“, antwortete Bobby. „Noch zwei Paletten mit Ersatzteilen und die vier Kisten, die im Flur stehen.“ „Gut, dann bringe ich euch jetzt keinen Kaffee mehr raus, sondern werfe die Steaks in die Pfanne.“ Sie lächelte den Männern zu und verschwand wieder im Haus. Für die nächsten Tage war kein neuer Niederschlag angesagt und die Straßen inzwischen frei, sodass Bobby entschieden hatte den kleinen LKW zu leihen und die Fahrt nach Bloomington zu unternehmen. Sie hatten alle brisanten Unterlagen und Bücher als Erstes in den Laderaum gebracht und dann, mit Raves Hilfe, die Möbel aus den Gästezimmern eingeladen. Den Abschluss bildeten dreckige, aber vollkommen harmlose Ersatzteile. Sollte der Sheriff doch noch hier auftauchen, würde der wohl nicht weiter suchen, aus Angst sich seine schicke Uniform zu versauen. Das letzte Mal, als er eine dieser Paletten auseinandergenommen hatte, hatte er sich ein paar ziemlich hartnäckige Schmierölflecken eingefangen und nichts gefunden. Darüber freuten sich Bobby und Jody heute noch. Morgen in aller Frühe wollte er los.     Dean brachte die letzten Steaks ins Haus. Er rieb sich die Hände. Es war verdammt kalt geworden, trotz des warmen Grills. Sie aßen und tranken, erzählten sich Geschichten und Dean konnte es kaum fassen, dass es sein Geburtstag war, der hier gefeiert wurde. Sam warf seinem Bruder immer mal wieder einen Blick zu und freute sich mit ihm. Sie waren endlich angekommen! Plötzlich ertönte die Glocke. Sam schaute zu Dean und erhob sich. Das war wohl endlich Ruby! Schade, dass sie so spät kam. Sie hatte einiges verpasst. Er öffnete die Haustür. „Jo?“ fragte er entgeistert. „Ist Dean da? Ich brauche seine Hilfe!“ sagte Jo und drängelte ins Haus. „Auch schön dich zu sehen“, knurrte Sam und schloss die Tür hinter ihr. „Ich kann es nicht glauben“, staunte Jo während sie sich umschaute und einen Blick in die Küche erhaschte. „Habt ihr euch eine reiche Matrone gesucht? Steht Dean jetzt auf alte, reiche Weiber oder wie kommt ihr an den Kasten? Das kann unmöglich wirklich eure Bude sein? Ihr seid nicht wirklich sesshaft geworden. Das würde Dean nie wollen!“ „Er wollte.“ „Wenn du es sagst.“ Jo musterte Sam abschätzig. „Wo ist er überhaupt. Ich brauche dringend seine Hilfe!“ „Er wollte! Und könntet ihr aufhören euch zu streiten?“ Dean stand im Durchgang zum Saloon. „Wo kommst du überhaupt her?“ „Dean!“ Jo stürzte zu ihm und fiel ihm um den Hals. Irritiert erwiderte er die Umarmung. „Was willst du denn nun hier?“ fragte er als er sich aus der Umarmung löste. Er sah sie forschend an. „Ich habe zwei nette dunkeläugige Jungs am Arsch, die ich einfach nicht loswerde.“ Sam schnappte nach Luft. „Du jagst? Weiß Ellen davon?“, hakte Dean sofort nach. „Mom würde mich erschlagen!“ „Du solltest sie anrufen.“ Deans Blick wanderte zu Sam. „Sie wird mir den Arsch aufreißen, wenn sie erfährt das ich involviert bin“, fluchte er leise. „Könntest du bitte aufhören dich wie mein Vater aufzuführen? Kommandiere Sam rum wenn dir das Spaß macht“, fauchte sie. Sam und Dean schauten sich kurz an und Dean grinste. „Keine Angst, wenn er es braucht tue ich auch das. Aber ich hab einfach keinen Bock auf Ärger Marke Philadelphia“, erwiderte Dean, obwohl er sich sicher war, dass Ellen ihm nicht mehr so feindselig gegenüber stand wie damals. Inzwischen wusste sie, dass die Söhne von John Winchester nicht wie ihr Vater waren. Sie waren Freunde! Trotzdem wäre sie sauer und das, obwohl er nun wirklich nichts dafür konnte und sie das wohl auch wissen würde. "Ich habe überhaupt keinen Bock auf jeglichen Ärger und jegliche Betätigung in dieser Richtung. Wir sind raus!" Jo ignorierte ihn. Sie sah sich noch einmal um. „Hübsch habt ihr´s hier. Sag bloß du willst ein normales Leben führen wie richtige Menschen? Haus, Familie, Kinder? Der weiße Gartenzaun?“ Jo klang spöttisch. "Der große Dean Winchester will sesshaft werden? Du?" „Der weiße Gartenzaun fällt hier aus. Zu teuer. Aber ja. Stell dir vor, das ist genau das, was ich will. Vielleicht werde ich alt“, meinte Dean lakonisch. „Kannst du damit noch warten? Ich brauche wirklich Hilfe. Sie sind hier. Sie sind hinter mir her! Ich habe sie versehentlich aufgescheucht und … wer konnte denn ahnen, dass die mit einem Sukubus rumlungerten.“ „Du hast Dämonen hierhergeführt? Du hast ...? Würdest du die auch zu Bobby führen oder zum Roadhouse?“, fuhr Dean sie wütend an. Er hätte ihr geholfen. Natürlich hätte er! Vielleicht nicht gerade jetzt und heute, aber er hätte ihr geholfen sie zu vernichten. Vielleicht hätte Ruby ihm ja den Dolch geliehen, oder Bobby hätte den Colt mitbringen können, wenn er das nächste Mal kam, aber hier und jetzt? An dem Ort, an dem er mit Sam in Ruhe und Frieden leben wollte? „Der Sukubus hat zwei Jäger getötet! Freunde von mir. Ich musste etwas tun.“ „Das verstehe ich sogar und ich hätte dir, wir hätten dir auch geholfen, aber doch nicht hier, verdammt! Du willst Freunde rächen und bringst Dämonen zu meinem Haus? Du bringst MEINE Freunde in Gefahr? Du hättest zu Bobby fahren sollen. Er hat den Colt.“ Dean atmete durch. „Verdammt Jo! Wir sind seit zweieinhalb Jahren raus. Wir sind aus der Übung!“, fuhr Sam sie an. "Und wir hatten wirklich gehofft, so langsam von deren Radar zu verschwinden!" "Als ob ihr das könntet!", schnaubte Jo wütend und fing sich einen wütenden Blick der Brüder ein. Inzwischen waren alle in das Foyer gekommen und lauschten dem Gespräch und die Wenigsten verstanden, worum es wirklich ging. „Dean, ich.....“ Jo war verzweifelt. „Gib mir fünf Minuten.“ „Dean, bitte....“ „Fünf! Minuten!“, forderte er und ging in den Keller. „Wie konntest du? Weißt du wie viel es vor Allem Dean gekostet hat bis hierher zu kommen?“, fauchte Sam sie an. „Weißt du wie viele Jäger ihren Job überleben? Wir sind die letzten Jahre unter deren Radar geblieben und jetzt bringst du zwei davon her? Wir können sie nicht töten, Jo. Hast du dir mal überlegt, was das bedeutet? Sie gehen zurück und erzählen jedem, wo wir zu finden sind! Verdammt Jo! Wir sind zu vielen von denen auf die Füße getreten, als dass sie uns einfach so in Ruhe lassen würden, sobald sie uns wieder auf dem Schirm haben!“ Jo kam nicht dazu eine Antwort zu geben., abgesehen davon, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie hatte die Adresse der Brüder aufgeschnappt, als Ellen mit Bobby telefonierte. Sie dachte nicht darüber nach, dass die Brüder wirklich aussteigen wollten. Sie waren in der Nähe, als sie merkte, dass sie sich nicht nur den Sukubus stellen musste, sondern auch noch zwei echten Dämonen und sie war sich sicher, dass Dean helfen würde. Also hatte sie die Adresse gesucht. Was sie fand konnte nicht real sein! Wie sollten die zwei an so eine Villa gekommen sein, egal ob sie noch wie eine halbe Ruine aussah. Die konnte ihnen nicht gehören!    „Was ist hier eigentlich los? Wovon redet ihr?“ fragte Tylor. Doch auch er erhielt keine Antwort. Dean kam wieder nach oben. Er hatte drei Schrotflinten und Patronen mitgebracht. Eine reichte er Sam, dann huschte sein Blick zu den Freunden, mit denen er gerade noch fröhlich gefeiert hatte und die er jetzt verlieren würde. Er war es so leid. Frustriert rieb er sich über das Gesicht. „Hast du einen Plan?“ fragte Jo. „Ich arbeite dran.“ Seine Augen huschten hektisch hin und her. Immer wieder schüttelte er den Kopf. „Dean!“ Jo wurde drängender. „Ich arbeite dran!“ Die Freunde standen ratlos nebeneinander. „Okay, sie kommen nicht rein, wir nicht raus.“ Er schien zu einem Ergebnis gekommen zu sein. „Sie müssen hier raus.“ meinte Jo und zeigte Maddie, Chris und die anderen. „Und wie? Ohne sie denen sofort zum Fraß zuzuwerfen? Willst du knobeln, wen sie sich aussuchen oder sollen wir sie nacheinander schicken?" Sam schüttelte den Kopf. "Sie würden sie quälen und töten nur damit wir rauskommen.“ Dean nickte. „Okay, Sam wir brauchen mehr Steinsalz.“ Sam lief los. „Ich kann helfen, Dean. Ich kann damit umgehen, das weißt du“, sagte Nick jetzt und kam zu Dean. Wieder nickte der Winchester. Er reichte dem Freund eine Schrotflinte und mehrere Patronen. „Ihr geht in den Raum zurück. Von da aus könnt ihr über die Terrasse nach unten klettern und von hier verschwinden. Pass bitte auf sie auf, ja. Und wenn du Ruby kontaktieren könntest? Der Dolch wäre jetzt wirklich hilfreich!“ Nick nickte. „Ich versuche sie anzurufen. Aber ich kann dir auch hier helfen.“ „Du hilfst mir mehr, wenn alle in Sicherheit sind!“ Widerwillig nickte Nick und holte das Handy aus der Tasche. „Jo, in der Küche unter der Spüle steht ein Eimer mach den voll und sprich den Segen!“ Dean schloss die Türen zu allen Räumen. Der jüngere Winchester kam wieder. Er stellte den Sack vor die Tür, nahm seine Waffe von Dean entgegen und kontrollierte die, wie Dean jetzt auch. Nick legte gerade auf. Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Keine Ahnung wo sie ist“, sagte er und überprüfte nun auch seine Waffe.  Von der fröhlichen Stimmung, die vor wenigen Minuten noch geherrscht hatte, war nichts mehr zu spüren, Jetzt herrschte hier verbissene Anspannung. Maddie ahnte zumindest ansatzweise was hier gerade lief, genau wie Chris. Auch wenn sie nicht wussten, womit sie es zu tun bekamen. Mac, Cooper und Tylor starrten entsetzt auf das, was sich ihren Augen bot. Mit welcher Selbstverständlichkeit die drei die Waffen handhabten. Aber sie spürten auch sie Anspannung, deshalb hielten sie sich noch mit ihren Fragen zurück. Dean schaute zu seinem Bruder. „Geh und unterbrich den Schutzwall. Ich denke sie werden sich die Chance nicht entgehen lassen. Sie können nur zur Vordertür rein. Wenn du sie siehst, erneuere den Schutzwall und komm zurück.“ „Dean, ich…“ „Tue es Sam, bitte! Ich weiß von keiner Hütte in der Nähe, keiner Stelle zu der wir sie locken könnten und ich will niemanden sonst in Gefahr bringen. Hier drin haben wir sie wenigstens sicher.“ Sein Blick glitt zur Decke, an der er die Dämonenfalle wusste. Sam warf seinem Bruder einen besorgten Blick zu, bevor er nickte. „Chris könntest du die Türschwelle raus brechen?“ Dean reichte ihm das Brecheisen. Chris blickte seinen Freund fragend an, dann nickte er und machte sich an die Arbeit. Jo kam mit dem Eimer wieder. „Machst du noch zwei Eimer voll? Dann bleibst du in der Küche! Wenn sie drin sind, sichere die Tür und verschwinde wieder, bis ich dich rufe. Dann, aber erst dann kommst du helfen.“ Er zertrat die Steinsalzlinie unter der Schwelle. Jo holte tief Luft. So langsam fraß das schlechte Gewissen an ihr. Sie hätte wirklich vorher anrufen sollen. „Dean, ich kann dir helfen.“ „Ich will keinen Ärger mit Ellen und ich hatte schon mit dem einen oder anderen Dämon zu tun. Du?“ Sie schüttelte den Kopf. "Nur den Sukkubus. Als die damals das Roadhouse abgebrannt hatten waren Mom und ich einkaufen ..." „Mir sind Rachegeister lieber. Ausbuddeln, Salz auf die Knochen, anzünden, fertig.“ „Es sind nur leider keine Geister. Mit Caspar wäre ich auch alleine fertig geworden.“ „Tja, so zerplatzen Träume! Und jetzt geh in die Küche.“ Das klang nach einem Befehl. Jo starrte ihn an und wollte etwas erwidern. Doch dann nickte sie. Sie hatte für einen Tag schon genug angerichtet. „Gut, und ihr verschwindet auch. Schließt die Tür und kommt ja nicht raus bevor Jo, Sam oder ich es euch erlauben! Nick sichere die Türen und Fenster noch einmal mit dem Salz!“ "Chris, warte", sagte Sam und trat zu ihm. Er holte sein Handy aus der Tasche und tippte darauf herum. "Das hier ist ein Exorzismus. Du hast Dean schon mal geholfen. Sobald es brenzlig wird schalte den an, stell ganz laut und lege ihn neben die Tür. Der sollte sie vertreiben." "Mir wäre es lieber, wenn wir sie töten könnten!", ließ Dean verlauten. "Mir auch, aber das ist so eh keine Option", sagte Sam leise. Dean holte tief Luft. "Darüber denken wir nach, wenn es soweit ist", erklärte Sam und erntete einen fragenden Blick seines Bruders. Normalerweise war der immer derjenige, der später über Konsequenzen nachdenken wollte. "Okay", begann Sam. "Ich gehe und ihr verschwindet." Er drängte ihre Freunde in den Raum, in dem die Sportgeräte standen, schloss die Tür hinter ihnen und lief über die Treppe in den Keller, um von dort aus nach draußen zu gehen. Kapitel 144: Dämonen -------------------- 144) Dämonen Sam trat aus der Hintertür und lief so schnell er konnte über die Wiese zum Waldstreifen. Gut, dass es schon dunkel war. Blieb nur die Frage, wie er so mitbekommen sollte, wann die Dämonen auf ihrem Grundstück waren. Sein Handy hatte er bei Chris gelassen. Hoffentlich ging das irgendwie gut?!? Dean zog die kleine eingepackte Couch in die Mitte des Foyers und setzte sich. Die Schrotflinte offen neben sich liegend. Er atmete noch einmal durch und versuchte sich so gut es ging auf das vorzubereiten, was gleich kommen würde. Im Zimmer lehnte Anny grübelnd an der Fensterbank. Maddie versuchte sich klar zu werden, was gerade passierte. War das sowas wie mit diesem Vampir in Maine? Nick sicherte Fenster und Türen mit einer dicken Linie aus Steinsalz. Chris lehnte sich an die Wand neben Anny. Er legte den Arm um sie und starrte schweigend auf den Boden. Cooper trat zu Maddie, sagte aber auch kein Wort. Er fühlte die Anspannung, und er hatte auch jede Menge Fragen, sobald sich das hier entspannt haben würde. Nur Mity und Tylor tuschelten leise und versuchten so zu verstehen, was hier lief. Mity hatte von Dämonen gehört. Sie kannte auch die Legende über den Apachenhäuptling, aber konnte das wahr sein? Sam duckte sich noch tiefer hinter die Sträucher, hinter denen er Deckung gesucht hatte, als er die Dämonen im Licht, das aus den Fenstern fiel, vor ihrer Haustür erscheinen sah. Die waren aber schnell, wunderte und freute er sich. So würden sie wenigstens nicht ewig warten müssen. Er hängte den Hexenbeutel wieder in den Baum und murmelte den Spruch.  Aus dem Augenwinkel sah er wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. So schnell er konnte rannte er zurück. Dean würde Hilfe brauchen!  Einer der Dämonen riss die Tür auf. „Hallo Jungs. Kommt doch rein“, grinste Dean die beiden Scheußlichkeiten an, äußerlich, wie innerlich. Sie trugen fleckige Jean, alte, verschlissene karierte Hemden und ehemals weiße T-Shirts. Ihre Haare waren so strähnig wie die Bärte. Sie sahen sich verdammt ähnlich und schienen in den 60ern stecken geblieben zu sein. „Winchester!“, grinste der eine. "Lange nichts mehr von dir gehört!" „Zwei für einen“, lachte der Andere. „Vielleicht drei für einen. Wo ist denn Sammy?“, fragte der, der irgendwie älter aussah, obwohl sie beide alt aussagen. Dean musste grinsen. „Ach ihr wisst doch wie das mit diesen College-Fuzzies ist. Immer die Nase in Büchern“, er klang gelangweilt. Die Dämonen starrten sich verwirrt an. „Also echt, Jungs, eure Klamotten. Schon mal was von Waschsalons gehört?“, höhnte Dean. „Ein Friseurbesuch wäre auch fällig. So kann euch ja nicht mal eure Mutter lieben!" Dean zuckte mit den Schultern, Er bemühte sich nicht zu genau hinzusehen. Dieses schwarze wabernde, bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Etwas in den Körpern, jagte ihm noch immer einen eisigen Schauer nach dem anderen über den Rücken. „Was macht Dean?“, flüsterte Tylor. „Woher kennen die ihn?“ „Er kennt sie nicht. Er provoziert“, stellte Nick fest, der das ja schon kannte. "Er versucht Zeit zu schinden, damit Sam wieder herkommen kann." „Aber ich dachte die wären gefährlich?“, fragend schaute Tylor in die Runde. Irgendwie klang das, was er aus der Eingangshalle hörte sich nicht danach an. „Ich bin so blöd!“, platzte es plötzlich aus Anny heraus, bevor Nick antworten konnte. „Dean Winchester! Du hast ihn mir heute vorgestellt. Dean und sein Bruder Sam!“, sie schaute zu Chris, der gerade aussah, als hätte sie eine Horde weiße Kaninchen aus dem Ärmel geschüttelt. Anny blickte auf und sah in fragende Gesichter. „Sam und Dean Winchester! DIE Winchester-Brüder! Verdammt gute Jäger. Sie jagen Übernatürliches. Geister, Vampire, Werwölfen und was es sonst noch auf Gottes schöner Erde gibt, aber nicht geben sollte. Die Söhne des berühmten John Winchester! Sie sind inzwischen sogar noch berühmter als ihr Vater. Aber ich habe schon so lange nichts mehr von ihnen gehört und dachte sie wären diesem Job auch zum Opfer gefallen. Kein Jäger wird alt." "Jäger? Berühmt?", hakte Cooper irritiert nach. "Es gibt Monster auf dieser Erde und es gibt Menschen, die diese Monster jagen. Die Jäger.  Die wenigsten Menschen wissen um diese Monster und ich bin froh darüber", versuchte Nick eine Erklärung. "Meistens haben die Jäger durch diese Monster einen geliebten Menschen verloren. Die meisten Menschen versuchen das zu verdrängen und weiterzumachen oder sie werden für verrückt erklärt, wenn sie davon sprechen. Nur wenige können dieses Ereignis, diesen sinnlosen Tod nicht verwinden und begeben sich auf die Jagd nach diesen Monstern, so wie John Winchester. Dean war von klein auf involviert. Sam begriff erst später, was sein Vater machte. Aber auch er wurde als Jäger erzogen." Nick schaute zu Maddie. Wusste sie davon? In ihren Augen sah er die Antwort. Aber auch Chris schien einiges zu wissen. "Sam und Dean Winchester. Wenn es jemanden gibt, in dessen Nähe ich mir sicher bin, unbeschadet aus einer Begegnung mit einem Monster herauszukommen, dann in der Nähe dieser Zwei“, nahm Anny den Faden wieder auf. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Sie hätte nie gedacht jemals auf diese zwei zu treffen. Wie auch? „Woher kennst du sie?“, wollte Chris wissen, immerhin sah es am Escape-Room nicht so aus, als ob die Brüder sie erkannt hätten. „Kennen ist zu viel gesagt. Ich weiß von ihnen. Mein Onkel jagte auch Monster. Seine Schwester wurde von einem Wendigo entführt. Sie fanden sie Monate später in einer Höhle, oder das was von ihr übrig war." Sie schüttelte den Kopf. "Mein Onkel kannte John Winchester und er wusste, dass der seine Jungs sehr früh in dieses Leben gebracht hat. Mein Dad hat meinem Onkel gelegentlich bei der Recherche geholfen. Er war einer der wenigen, die den Absprung geschafft haben. Mein Onkel wurde vor Jahren von einem Ghoul getötet, doch das tut nichts zur Sache. Als ich alt genug war, bin ich von Zuhause weg und habe eigentlich gedacht nie wieder mit einem Jäger zu tun zu haben und jetzt lerne ich die zwei kennen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie sind berühmt?“, hakte Tylor nach. „Naja, ja. In diesen Kreisen schon. Sie legen sich auch mit Dämonen an. Jeder Jäger versucht denen aus dem Weg zu gehen und die, die das Pech hatten auf einen Dämon zu treffen haben diese Begegnung selten überlebt. Aber Sam und Dean? Sie haben sogar einen Gelbäugigen getötet und sollen für Liliths Tod verantwortlich sein.“ „Lilith? Gelbäugigen?“, hakte Cooper nach. Anny wollte gerade antworten, als einer der Dämonen im Foyer laut losbrüllte. „Rück die Kleine raus und wir lassen euch laufen“, forderte der jüngere Dämon. „Uns laufen lassen? Was heißt das denn? Stehen wir auf eure Todesliste nicht mehr ganz oben? Ich bin enttäuscht!“ Dean zog eine Schmollschnute. „Ihr steht auf der Liste der Weißaugen. Denen sollte jemand wie wir nicht unbedingt in die Quere kommen. Auch wir Dämonen hängen an unserem Leben. Wir haben nur mit der Kleinen ein Hühnchen zu rupfen, was nicht heißt, dass wir nicht von euch erzählen werden! Gibt sicher eine Belohnung, wenn wir denen sagen, wo ihr seid!“ „Menschen sind so dumm“, lachte der Ältere der beiden Dämonen. „Die Schlausten seid ihr aber auch nicht, sonst wäre euch die Kleine nicht entwischt, oder?“ Dean grinste. „Was wird das hier? Eine fröhliche Plauderstunde? Gib uns die Kleine, sonst...“ „Was sonst? Verschwindet ihr wieder?“ Dean grinste. „Gib uns die Kleine oder es wird dir noch leidtun, Winchester.“ „Das tut es jetzt schon, aber das hat eher mit euch als mit ihr zu tun“, knurrte Dean. „Dean ... Ach verdammt! Der Exorzismus", entfuhr es Chris. Er starrte auf das Handy, das inzwischen aber nur einen dunklen Bildschirm zeigte. "Wie kann ich ...?" ratlos blickte er in die Runde. Das hatte er jetzt wohl vergeigt! Sam hatte ihm in der Hektik das Passwort nicht gegeben und er hatte nicht gefragt. „Deinem Daddy tut es auch leid!“, zischte der Ältere. „Er hat es bitter bereut sein Leben gegen deines getauscht zu haben. Du warst das Opfer nicht wert. Du wirst es nie sein! Dein Leben ist wertlos. DU bist wertlos. Und das weißt du. Tief in dir drin weißt du es. Du klammerst dich so sehr an Sam. Doch der braucht dich nicht. Er hat dich nie gebraucht. Niemand braucht dich, Dean! Du bist ein FREAK!“ Der Schlag kam unerwartet und traf tief in Deans Magen. Doch es war nicht die Aussage an sich. Er fragte sich eher, ob er sich noch immer so sah? Tat es ihm wirklich noch immer leid, dass John für ihn gestorben war? Er verdrängte den Gedanken. Darüber konnte er später nachdenken. „Früher oder später werden dich alle verlassen. Wer will schon mit einem Freak zu tun haben. Du gehörst nicht in dieses Leben, Dean. Beende es! Verschwinde hier, solange du noch kannst!“, höhnte jetzt auch der Jüngere. Dean atmete tief durch. Seine Augen blickten kalt, als er dem Dämon direkt in die Augen schaute und aufstand. „John war ein Arsch!“, fauchte er schulterzuckend. „Außerdem hast du eins vergessen: Es ist immer der FREAK der tötet.“ Mit diesen Worten nahm er die Schrotflinte und schoss ohne zu zielen. Der Schuss krachte durch den Raum und traf den älteren Dämon direkt ins Gesicht. Der Dämon ging jaulend zu Boden. Er wand sich vor Schmerzen. Deans Ohren klingelten. Er hatte fast vergessen wie laut das war. Allerdings blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. Eine Handbewegung von dem jüngeren Dämon und eine unsichtbare Faust bohrte sich in Deans Magen. Er klappte zusammen. Mühsam versuchte er Luft zu bekommen. Er verdrängte den Schmerz und die Atemprobleme, richtete sich langsam auf und musste den nächsten Schlag einstecken. Der Dämon schleuderte ihn mit einer einfachen Handbewegung gegen die Wand. Er schaffte es gerade noch die Arme ein Stück hochzureißen. Es half nicht viel. Aus seiner Nase lief Blut als er auf den Boden plumpste. Er rappelte sich auf. Seine Schrotflinte lag unerreichbar weit weg. So schnell er konnte, versuchte er auf die Füße und zu seiner Waffe zu kommen. Eine weitere Handbewegung des Dämons und Deans Versuch endete mit einem weiteren Flug. Er brach durch die Tür des Raumes, in dem seine Freunde gewesen waren. Hoffentlich hatte Nick sie weggeschafft. Dean überschlug sich. Der Aufprall an der Ruderbank trieb ihm erneut die Luft aus den Lungen. Nick stand sofort bei ihm und wollte ihm wieder auf die Füße helfen. Seine Hand wurde rüde zur Seite geschoben. Dean kämpfte sich auf die Knie, schüttelte sich und kam auf die Füße. Kurz schaute er sich um. Maddie erschrak als sie Deans Augen sah. Sie waren kalt und voller Hass. In diesem Moment kam Sam zur Tür herein. Er hatte eine breite Salzlinie davor verstreut. Jetzt griff er nach dem Eimer mit dem Weihwasser, holte aus und kippte den Inhalt auf einen der Dämonen.  Nichts passierte. Lachend drehte sich der Dämon zu ihm um. Mit einem wütenden Knurren sprintete Dean los. Er rammte ihm seine Schulter in den Magen. Der Dämon landete auf dem Rücken und rutschte von Deans Schwung getrieben in die Mitte des Raumes. Sofort hockte Dean auf ihm. Wieder und wieder krachte seine Faust in das Gesicht des Dämons. Seine Knöchel platzten auf. Sein Blut verteilte sich auf dessen Gesicht. Der Dämon blutete nicht. Endlich blieb der Dämon reglos liegen. Dean kam keuchend auf die Füße.  Auch ohne nach oben zu schauen wusste er, dass der Dämon genau mittig in der Dämonenfalle lag. „Selber Freak“, schnappte er und schaute sich kurz um. Sam fing sich gerade einen harter Schlag in den Magen. Dean stürmte zu dem Dämon und schlug zu. Seine Faust schmerzte von dem Schlag, den der Dämon kaum zu spüren schien. Immerhin hatte er es geschafft, dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit einer einfachen Handbewegung wurde er von den Füßen gerissen und gegen die nächste Wand geschleudert. Diesmal war es seine Schulter, die unsanft mit der Wand Bekanntschaft schloss. Irgendetwas knirschte unangenehm. Sein Kopf schlug hart an die Wand. Der Schmerz explodierte in seinem Hirn während er zu Boden rutschte. Er brauchte einen Moment, um wieder halbwegs klar denken zu können und er musste mehrfach blinzeln, um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Nick schoss und traf den Dämon. Doch der ließ sich davon kaum beeindrucken, während Nick und den Anderen die Ohren klingelten. Der Dämon wandte sich dem Agenten zu. Sam vertrat ihm den Weg und rammte ihm die Faust in den Magen. Gleich darauf trat er ihm gegen die Außenseite des Knies. Es knickte ein und der Dämon ging zu Boden. "Sam!", rief Chris und zeigte ihm das dunkle Handy. "Geh!", sagte Dean rau. Beeil dich!" Sam warf ihm einen kurzen Blick zu. Dean sah nicht gut aus. Seine Schulter war ausgekugelt und eine Augenbraue aufgeplatzt. Er nickte und rannte zu Chris, um sein Handy wieder zu aktivieren und endlich den Exorzismus abzuspielen. Dean packte den Dämon bei den Schultern und wollte ihn ebenfalls in die Dämonenfalle befördern, doch der kam ihm zuvor. Mit einer kurzen Handbewegung schleuderte er den Winchester von sich und riss ihn in die Höhe. Dean hing mitten im Raum in der Luft. Etwas schnürte ihn die Luft ab und drückte seine Kehle zu. Er strampelte und versuchte sich zu befreien. Seine Hände fuhren automatisch zu seinem Hals, doch da war nichts. Seine Lunge brannte und sein Blickfeld wurde immer kleiner. Lange würde er das nicht mehr durchhalten. Kapitel 145: Lady Evil ---------------------- 145) Lady Evil Maddie vergrub ihr Gesicht an Nicks Brust. Sie wollte und konnte nicht mit ansehen wie Dean misshandelt wurde. Sie hatte ihm nicht glauben wollen. Nur seine Wunde hatte ihr gezeigt, dass da mehr sein musste und doch wollte sie es nicht glauben. Jetzt sah sie ihn in der Luft hängen und sah wie er langsam das Bewusstsein verlor. Nick schob sie zur Seite und in Coopers Arme, der genauso fassungslos auf das Geschehen starrte, wie die anderen. Er hob die Schrotflinte und schoss ein zweites Mal. Es brachte wieder nicht viel. Der Dämon stand lachend vor dem älteren Winchester und schloss seine Hand ein wenig mehr. Sofort zog sich der Griff um Deans Hals noch enger. Er röchelte. Sam drückte Mity sein Handy in die Hand und schob sie hinter die Salzlinie in den angrenzenden Raum. Er nahm kurz Anlauf und sprang dem Dämon von hinten in den Rücken. "Regna terrae, cantate deo, psallite domino …“, erklang endlich Sams Stimme vom Handy. Mity drehte das kleine Gerät etwas weiter in die Eingangshalle. Der Dämon jaulte auf und wollte zu ihr, doch Sam rammte ihm erst die rechte Faust in den Magen, dann die linke gegen den Kopf. Eine weitere rechte Gerade ließ ihn rückwärts taumeln. Und endlich stand auch er in dem Kreis der Dämonenfalle. Sofort schaute sich Sam nach seinem Bruder um. Dean saß, an eine Wand gelehnt, hielt sich die Schulter und versuchte Luft in seine brennenden Lungen zu pumpen. Er hustete und würgte. „Dean, DEAN!“ Er rutschte noch dichter an ihn heran. „Bin Okay!“, formte Dean mit den Lippen. Er bekam kein Wort heraus. Seine Kehle fühlte sich an als hätte sie jemand mit Sandpapier tapeziert. „Das bist du bestimmt nicht!“ Sam legte seine Hand auf Deans Brust. Er wartete bis Dean nickte, dann ging er zu den Dämonen. Nick trat neben ihn, die Schrotflinte auf die beiden Typen gerichtet, während die anderen an der Wand neben der Tür standen und versuchte zu verstehen, was er hier gesehen hatte. Doch so cool Nick auch äußerlich war, auch er brauchte Zeit, um das hier zu verarbeiten. Ja, er hatte gesehen wie sich ein Geisterhund plötzlich auflöste und er hatte einen Gott vernichtet. Aber das hier war doch noch ein ganz anderes Level, egal was Ruby erzählt hatte. Es zu sehen, war noch einmal ganz anders. Die Lichter in der Eingangshalle flackerten Sam und Dean schauten sich verwirrt an. Sam hatte das Grundstück doch wieder gesichert! Hatte er einen Fehler gemacht? Bevor er zu einer Entscheidung gekommen war, stand Ruby neben ihnen. Energisch zerrte sie einen Dämon aus der Falle und rammte ihm das Messer zwischen die Rippen. Dann trat sie in die Falle und tötete den zweiten. Sie beachtete das Flackern in dem Körper genauso wenig wie das in dem davor, wusste sie doch wie Dämonen starben.  Ganz anders die Freunde der Brüder. Bisher hatte niemand einen Dämon sterben sehen, selbst Jo nicht. Cooper blickte Chris fassungslos an. 'Was war das jetzt?' Die Körper der Dämonen verfielen in Sekunden.  Sam holte sich sein Handy und schaltete den Exorzismus aus, wusste er doch nicht, ob der nicht auch Ruby schaden konnte. Sam schaute grinsend zu seinem Bruder. Doch sofort verdrängte die Sorge um ihn die Freude, dass sie wieder einmal davon gekommen waren. Dean hielt sich die ausgekugelte Schulter. Aus der Platzwunde an Deans Augenbraue tropfte noch immer Blut und auch aus der Nase floss noch ein kleines Rinnsal. Dean stakste ein paar Mal auf und ab, dann ging er zu Sam. "Kannst du?", fragte er. "Soll das nicht besser Maddie ...?" "Sollte sie vielleicht, aber du kennst meine Schulter." "Okay, dann ..." Sam deutete auf die Lehne der Couch. Dean stützte sich darauf ab während Sam Handgelenk und Ellenbogen seines Bruders umfasste. "Sam! NEIN!", rief Maddie und stürmte zu den Brüdern. Deans Schultergelenk sprang knackend in die Pfanne zurück. Dean knurrte schmerzerfüllt und begann wieder auf und ab zu laufen, den Arm gegen seinen Körper gepresst. "Das muss in einem Krankenhaus untersucht werden!", forderte Maddie. "Muss es nicht. Einen Tag Ruhe, dann geht das schon wieder." "Dean!" "Ist nicht die erste ausgekugelte Schulter. Vertrau mir." Maddie verdrehte die Augen. Aber sie hatte gesehen, wie Dean diesen Vampirbiss weggesteckt hatte und sie wollte sich nicht wie ein hysterisches Frauchen aufspielen. Zumal Sam das auch eher entspannt zu sehen schien. "Dann lass mich wenigstens die Platzwunde und deine Nase untersuchen!" Ergeben nickend ließ sich Dean auf eine Armlehne sinken während sie einen Lappen holte. "Verbandszeug ist in der Küche überm Kühlschrank", rief Sam ihr zu. Ruby schaute sich um und entdeckte Jo. Ihre schwarzen Augen brannten sich regelrecht in die der Jägerin, als sie zu ihr trat und sie drohend ansah. Jo murmelte einen Exorzismus. „Der wird dir auch nicht helfen!“, fuhr Ruby sie an. „Aus dem Alter bin ich raus!" Sie grinste böse. "Dieses Mal ist alles gut gegangen. Solltest du noch so eine unüberlegte Aktion starten, zeige ich dir, was ein Dämon alles kann und mache dir das Leben zur Hölle! Du wirst unsere Arbeit nicht zunichtemachen!“ "Eure Arbeit?", hakte Jo nach, doch sie erhielt keine Antwort. Ruby hatte sich abgewandt, war zu Nick gegangen und stahl sich einen Kuss von ihm.  "Hallo Schatz!" "Du bist spät", sagte er leise. "Ich hatte einen Kunden, der leider auf sich warten ließ. Dem habe ich schon die Hölle heiß gemacht." Sie verdrehte die Augen. "Immerhin bin ich noch rechtzeitig gekommen." "Fast", sagte Sam leise und stellte sich zu den beiden. "Etwas eher ... bevor unsere Freunde das mit ansehen mussten, wäre schöner gewesen." „Es tut mir so leid, Sam!“, begann Jo, die sich neben Sam stellte. „Ich konnte einfach nicht glauben, dass Dean sesshaft geworden sein soll. Ich ...“ "Hör auf Jo. Lass es einfach!" Sam schaute zu Maddie und Dean und ließ seinen Blick dann über die Menschen wandern, mit denen sie vor kurzem noch gefeiert hatten. „Das war´s dann wohl mit Freundschaften“, stellte er traurig fest. „Ich hoffe nur, sie zeigen uns nicht an oder … Ich meine für mich wird es schwieriger, aber für Dean?“ Er holte tief Luft. „Ich hoffe, wir können wenigstens hier bleiben.“ Er schluckte hart. „Ich wäre da gar nicht so pessimistisch, was sie anbelangt, Sam“, sagte Ruby. Sie hatte ein wenig Gedanken gelesen, um zu wissen ob sie einschreiten mussten. Denn das würden sie, sollte den Brüdern von dieser Seite Gefahr drohen. Zuviel hing inzwischen von deren Wohlergehen ab. Nick musterte sie fragend. Ruby lächelte still und bekam einen Kuss von ihm, als er erkannte, was sie damit sagen wollte. „Mit dem Haufen haben wir uns was eingehandelt“, sagte er mit einem Lächeln. „Ohne sie hätten wir uns nie kennengelernt“, erwiderte Ruby. „Auch wieder wahr.“ Sam sah zu Maddie, die mit Dean fertig zu sein schien, denn sein Bruder erhob sich gerade und lief langsam hin und her. Er ging zu ihm. "Wir sollten mit ihnen reden", begann Sam ruhig. "Sollten wir wohl", erwiderte Dean, machte aber keine Anstalten etwas sagen zu wollen.  Sam wandte sich von ihm ab. "Okay", begann er.  „Ich denke ihr habt Fragen und ich finde, dass sie beantwortet werden sollten. Wer will einen Kaffee?" Ohne Ausnahme alle folgten Sam in die Küche. Jeder bekam einen Kaffee.  Ruby und Nick setzten sich auf die Fensterbank. Dean hob Maddie auf die Arbeitsplatte und stellte sich neben sie. nach und nach verteilten sich alle in der Küche. „Wer oder was war das vorhin und woher kanntet ihr die und die euch?“ fragte Mac, kaum, dass etwas Ruhe eingekehrt war. „Ich meine Anny sagte, dass ihr Jäger seid und sie hat auch irgendwie zu erklären versucht, was ihr jagt, aber ...“ Sam nickte. Sein Blick suchte Anny und er war sich sicher, sie nicht zu kennen. "Mein Onkel war Collin Hamill. Euer Vater kannte ihn“, erklärte sie. „Den Namen habe ich ein paar Mal gehört", sagte Dean leise, „und irgendwo wird er auch im Tagebuch erwähnt.“ Fragend schaute er zu Anny. „Er ist tot. Ein Ghoul-Nest.“ „Das tut mir leid. Jeder tote Jäger ist ein Toter zu viel.“ „Es ist schon eine halbe Ewigkeit her.“ „Es tut mir trotzdem leid.“ Anny nickte. „Danke.“ „Doch zurück zu deiner Frage.“ Sam schaute zu Mac. „Es waren Dämonen und warum sie uns kannten? Wir, Dean und ich, haben in der Hölle einen gewissen Ruf. Wir erkennen Dämonen, wenn wir welche sehen und wir versuchen sie zumindest zurück zu schicken, wenn wir sie nicht töten können.“ „Gibt es die Hölle wirklich?“ wollte Tylor wissen. „Ich denke schon. Vielleicht nicht so wie wir sie uns vorstellen. Aber ja. So wie es Dämonen gibt, gibt es auch eine Hölle. Davon bin ich überzeugt.“ „Du sagst das so einfach. Du sprichst von Dingen von denen ich bis vor ein paar Stunden noch nicht mal geglaubt habe, dass es sie gibt, als wären sie normal? Ich meine ich habe es gesehen aber ich kann es nicht glauben. Ich will es nicht glauben. Und du redest darüber wie übers Anziehen? Und was habt ihr für einen Ruf in der Hölle? Wer ist Lilith und was ist ein Gelbäugiger?“ Mac war außer sich. Sam nickte und holte tief Luft. „Den Rang von Dämonen erkennt man an ihrer Augenfarbe. Kreuzungsdämonen haben rote Augen. Normale schwarze. Die Gelbäugigen stehen ziemlich weit oben in der Rangordnung und die obersten haben weiße Augen.“ Sam schaute zu Ruby, die nur kurz nickte. „Ob es noch andere gibt, weiß ich allerdings nicht. Lilith war der Legende nach der erste Dämon, den Luzifer erschaffen hat. Sie hatte weiße Augen. Wir haben einige Dämonen in die Hölle zurückgeschickt. Und ein paar auch getötet. Das bleibt nicht unbemerkt und sie würden uns zu gerne in ihre Finger kriegen. Zumindest bis vor ein paar Jahren war es so. Aber auch wenn wir uns, naja zur Ruhe gesetzt haben und sie uns in der Zeit bis jetzt in Ruhe ließen, sie werden uns wohl noch immer hassen. Wir versuchen einfach unter deren Radar zu bleiben. Keine Ahnung, ob das jetzt noch geht.“ Er schaute zu Ruby. „Es geht“, antwortete sie, erhob sich und verließ die Küche. Gleich darauf flackerten die Lichter. "Warum ...?", begann Maddie und zeigte auf eine Lampe. "Wenn Dämonen erscheinen oder verschwinden erzeugen sie dieses Phänomen", erklärte Dean. Wieder flackerten die Lichter und Ruby kam in die Küche. "Wohin hast du sie gebracht?", wollte Dean wissen. "Eine alte verfallene Hütte. Wenn sie überhaupt einer da findet, wird es so aussehen, als ob sie da schon ewig liegen. Nichts deutet auf euch hin!" "Ich weiß nicht wie ich dir danken kann", sagte Dean. "Musst du nicht!" "Trotzdem Danke!"  "Für euch? Gerne!" "Na dann?", lachte Dean traurig. „Dämonen, Monster", fuhr Sam fort, "Für uns ist es fast normal. Wir hatten nie ein normales Leben. Wir sind damit aufgewachsen.“ Er schaute zu Dean.  „Mom starb als ich ein halbes Jahr alt war. Dean war vier. Sie hing über meinem Bettchen an die Decke gepresst. Aus ihrem Bauch tropfte Blut und dann schlugen Flammen um sie herum aus der Decke. Dean hat mich aus dem Haus getragen. Ich kann mich nicht daran erinnern und ich weiß, dass Dean Mom so nicht gesehen hat." Alle schauten zu dem älteren Winschester und Dean schaute zu Boden und schüttelte den Kopf.  "22 Jahre später haben wir beide meine Freundin Jess auf die gleich Weise sterben sehen. Und wieder hat Dean mich aus dem Feuer gerettet. Als wir Kinder waren war Dean alles für mich. Mom, Dad und großer Bruder. Er hat mich getröstet, wenn ich Albträume hatte, hat an meinem Bett gesessen, wenn ich krank war, er hat mir vorgelesen, mir Fahrrad fahren beigebracht und schwimmen. Er hat Essen gemacht, mich zur Schule gebracht, mir bei den Hausaufgaben geholfen, sich für mich geprügelt. Es wurde nie gefragt was er will. Er musste sich um mich kümmern, wenn John mal wieder weg war. Und das war er oft." "Es reicht Sammy! Das war keine große Leistung! Das hättest du auch gemacht, wenn du der Ältere gewesen wärst!", fuhr Dean dazwischen. "Ich weiß es nicht, Dean! Ich weiß es nicht", erklärte Sam leise. „Du hast immer hundertprozentig funktioniert. Du hast Johns Befehle buchstabengetreu ausgeführt, egal wie bekloppt die waren. Nur um mich zu schützen, um mir meine Kindheit zu erhalten. Deine war mit vier zu Ende. Das wolltest du nicht für mich. Ich denke, es war deine Art mit Moms Tod und dem daraus resultierenden Leben fertig zu werden. Du hast immer lieber etwas getan, als darüber nachdenken zu müssen. Weißt du noch wie du mich angefahren hast, als ich gesagt habe, dass ich Mom ja nicht mal kenne oder als ich wissen wollte warum wie so leben mussten? Meistens hast du mir gesagt, dass ich meine Hausaufgaben machen sollte und dir die Waffen geholt um sie zu reinigen.“ "Es beschäftigt die Hände und außerdem war es eine von Johns Aufgaben, um die du dich immer gedrückt hast und ich hatte keinen Bock auf irgendeinen Hindernislauf durch den Wald, nur damit auch wirklich du die Dinger auseinandernimmst." „Und du Sam?“ fragte Chris. „Dean war der Soldat. Er hat gemacht was John wollte. Das hat mir Freiräume geschaffen. Ich konnte meine eigene Meinung entwickeln. Sobald ich konnte habe ich DEM Leben den Rücken gedreht und bin zur Uni. Dann ist John verschwunden und Dean kam mich holen. Er wollte nicht alleine suchen. In der Nacht in der er mich zurück brachte, starb Jess. Wir haben noch ein paar Jahre so weitergemacht, bis wir endlich den Absprung schafften. Jetzt sind wir hier und würden auch gerne bleiben.“ Sam war müde. Er rieb sich über das Gesicht, stand auf und blickte auf die Menschen, die er als Freunde bezeichnet hatte. Waren sie es noch? Ruby sagte zwar, dass er nicht so pessimistisch sein sollte und Ruby konnte Gedanken lesen. Er wollte ihr gerne glauben, doch er konnte es nicht. Er schaute zu seinem Bruder, der seinen Arm um Maddie geschlungen hatte und so aussah, als würde er gleich im Stehen einschlafen. Sam schloss die Augen. Auch er war müde. Kapitel 146: Friends will be Friends ------------------------------------ 146) Friends will be Friends Ruby und Nick kamen zu Sam. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wir gehen. Wir schauen morgen nochmal rein. Reste vernichten.“ Sam nickte. „Danke. Danke für Alles, Ruby“, sagte er und zog sie in eine Umarmung. Auch Dean kam zu ihnen. „Danke Ruby. Keine Ahnung, was wir ohne dich machen würden, aber ...“ Er schüttelte den Kopf. „Eine Bitte hätte ich. Kannst du mir auch so einen Dolch machen?“ „Du hattest doch Geburtstag, oder?“ Dean nickte verwundert. „Der dauert aber `ne Weile.“ „Kein Problem. Ich rechne nicht so schnell wieder mit derartigem Besuch, oder?“ „Nein, ihr seid so sicher wie davor, es sei denn ...“, Sie funkelte Jo wütend an. „Schone deine Schulter. Ich bringe dir morgen eine Salbe mit.“ „Danke“, nickte Dean und umarmte jetzt auch Nick. „Auch dir Danke für Alles!“ „Wozu hast du Freunde!“ Auch die anderen erhoben sich und wollten aufbrechen.  „Wir haben einiges worüber wir uns Gedanken machen müssen“, sagte Mac. „Aber die Idee mit den Resten war eine gute, also bis Morgen“, verabschiedeten sich Chris und Anny. „Kann ich euch noch irgendwie helfen?“, fragte Jo leise, als alle anderen zur Tür hinausgegangen waren. „Nein, Jo. Danke!“, erklärte Sam. Dean schüttelte nur den Kopf. Er mochte Jo, ja. Aber heute sollte sie ihm besser aus den Augen gehen. „Okay“, nickte sie und zog ihre Jacke an. „Wir sehen uns?“ Dean nickte. „Ruf vorher an, wenn du kommen willst und grüße Ellen von uns!“ „Mache ich“, erwiderte sie und schaute noch einmal von einem Bruder zum anderen.  Beide sahen sie kurz an, dann starrten sie wieder auf den Boden. Jo holte tief Luft und ging. Die Haustür schlug laut ins Schloss. Sam, Maddie und Dean zuckten zusammen. „Lasst uns aufräumen“, sagte Dean und löste sich von Maddie. „Es bringt nichts, über verschüttete Milch zu jammern!“ Schweigend machten sie sich daran, den Raum, in dem sie vor einer reichlichen Stunde noch ausgelassen gefeiert hatten wieder in die ungemütliche Baustelle zu verwandeln und nicht nur Dean verdrängte den Gedanken daran, dass es hoffentlich nicht auf ewig eine Baustelle bleiben würde und sie hier bald einen Saloon hätten. Chris blieb vor seinem Wagen stehen. Wie die anderen auch hatte er vor der Villa geparkt. Er öffnete die Tür und ließ den Motor an, damit sich der Wagen aufheizte und das Eis auf den Scheiben antauen konnte. „Bevor wir nach Hause fahren, sollten wir vielleicht noch besprechen wie es weiter geht“, begann er und schaute zu den anderen. „Ich meine, für mich ändert sich nichts, auch wenn ich nicht mit diesem Ausmaß gerechnet habe, wusste ich zumindest in groben Zügen, was für ein Leben sie vor Bloomington geführt haben. Dean hat mir in Jackson einiges erzählt.“ „Hat er?“, warf Mac etwas frostig ein. „Freiwillig hätte er es wohl nicht getan, aber er musste. Wir sind in Rodney einem wütenden Geist in die Quere gekommen, den er vernichtet hat. Ich bin ihm heimlich gefolgt und bin von ihr attackiert worden. Deshalb musste er die Karten offenlegen und er hat mich gebeten, niemandem davon zu erzählen. Das ist ja nun wirklich nichts, womit man hausieren geht.“ Mac nickte. Mit seiner Vergangenheit prahlte er auch nicht. „Ich komme morgen Nachmittag wieder her. Die Beiden können Freunde brauchen. Richtige Freunde! Und egal ob das da vorhin wirklich Dämonen waren und ob ich daran glauben. Sie waren nicht freundlich. Sie wollten verletzen. Und jetzt sind sie weg. Und wir ein bisschen sicherer.“ „Holst du mich ab? Ich bin beim Reste vernichten dabei und auch ich werden Sam und Dean nicht hängen lassen“, nickte Tylor. „Mir ist da drin mal wieder klar geworden, was für eine schöne, sichere Kindheit ich doch hatte.“ „Genau wie ich“, stimmte Cooper zu. „Lasst mir was übrig! Ich treffe mich morgen mit meiner Schwester aber zum Abendbrot bin ich spätestens auch hier.“ erklärte Mac. „Bis morgen dann“, rief Mity und stieg zu Tylor in den Wagen. Jo kam aus der Tür und ging schweigend zu ihrem Wagen. Auch sie musste eine dünne Eisschicht von der Frontscheibe kratzen, doch sie redete nicht mit den Anderen. Sie kannte sie nicht und sie wollte sich keine Vorwürfe anhören. Die machte sie sich schon selbst zur Genüge.    Sam, Dean und Maddie räumten den „Saloon“ auf. Sie stellten Unmengen von Essen in den Kühlschrank und das Geschirr in die Spülmaschine. Dean brachte die letzten Teller mit und reichte jedem ein Bier. „Was meint ihr? Wer will morgen noch mit uns befreundet sein?“ „Ruby und Nick, natürlich“, begann Sam. „Und Chris“, nickte Dean. „Solange uns keiner einweisen lässt!“ Sam grinste bitter.  „Warum haben Dämonen immer noch Macht über unser Leben?“, fragte er Dean.  „Wenn ich dir das sagen könnte. Ich hatte echt gehofft, diese verdammte Brut endlich los zu sein.“ Sam trank sein Bier aus. „Ich gehe ins Bett.“ „Gute Nacht, Sammy!“, wünschte Dean ihm und nahm einen Schluck. „Weiß Amita von eurem Leben?“, fragte Maddie. „Nein. Sam hat Angst es ihr zu sagen und ich kann ihn verstehen.“ „Du hast es mir fast sofort erzählt!“ „Ich hatte eine Freundin die ich sehr geliebt habe und von der ich dachte, dass sie die Wahrheit verträgt. Sie dachte, ich wollte sie mit dieser absurden Geschichte abservieren. Es hat verdammt weh getan. Deshalb habe ich mir geschworen, wenn ich noch einmal eine Freundin finden sollte, eine Frau mit der ich mir vorstellen könnte, vielleicht sogar eine Familie zu gründen, dann würde ich ihr die Wahrheit erzählen, bevor es wieder so ernst ist.“ Er schaute sie an. „Ich wollte gehen können solange ich es noch konnte.“ „Hättest du es gekonnt?“ „Ich hätte es gemusst!“ Maddie reckte sich ihm entgegen und gab ihm einen Kuss. „War es immer so schlimm? Die Dämonen meine ich.“ „Zum Glück nicht. Wir hatten selten mit ihnen zu tun aber auch die anderen sind nicht zu unterschätzen. Ich bin froh, dass wir raus sind auch wenn ich es mir vor ein paar Jahren nie vorstellen konnte, ein normales Leben zu führen. Heute will ich nichts anderes mehr.“ Jetzt küsste er sie. „Lass uns hoch gehen. Meine Schulter pocht mit meinem Kopf um die Wette.“ Sie nickte, trank ihr Bier aus und stellte die Flasche ab. „Du nimmst eine Schmerztablette und dann ab ins Bett!“, bestimmte sie, ganz Ärztin.  Dean nickte grinsend und wackelte mit den Brauen. „Ich muss aber nicht sofort schlafen, oder?“, fragte er schüchtern. „Blödmann“, lachte sie. Der nächste Morgen begann ruhig. Irgendwann am späteren Vormittag trieb der Hunger Sam in die Küche. Er kochte sich einen Kaffee, fütterte die Katzen und nahm sich etwas von den Salatresten. Kauend überlegte er, was er jetzt machen wollte. Die Glocke an der Haustür schreckte ihn auf. Das war doch nicht etwa … Verärgert über seine plötzliche Paranoia schüttelte er den Kopf und ging zur Tür. „Amita?“ Sie trug Jeans, eine helle, dicke Jacke, deren Reißverschluss offen stand und hatte ihre lange braunen Haare zu zwei Zöpfen geflochten. „Hallo Sam, wen hast du denn erwartet?“ „Keine Ahnung. Nick und Ruby vielleicht zum Reste vernichten?“, er zog sie an sich, umarmte sie und gab ihr einen Kuss, bevor er sie in die Küche zog. „Habt ihr zu viel geplant oder haben sie zu wenig gegessen?“ „Du warst nicht da!“, antwortete Dean, der mit Maddie in die Küche kam. „Als ob ich so viel essen würde!“ „Wer weiß“, lachte Maddie. „Vielleicht hast du ja seinen Stoffwechsel? Der frisst wie eine siebenköpfige Raupe und sieht man es ihm an?“ Dean zuckte lächelnd und ein wenig verlegen mit den Schultern. Er zog Amita in eine feste Umarmung. „Es tut mir so leid, wegen deiner Großmutter“, sagte er, als er sich wieder von ihr löste. Sofort nahm Maddie sie in den Arm. „Mein aufrichtiges Beileid!“, erklärte sie. „Das ist lieb von euch. Danke!“, erwiderte sie. „Will noch jemand?“, Dean kramte im Kühlschrank. „Was habt ihr?“, wollte Amita wissen. „Kalte Minipizzen, Steaks und Salat.“ „Einem Steak wäre ich nicht abgeneigt“, antwortete Amita und zog sich die Jacke aus. „Kalt?“ „Gerne auch kalt, wenn du Ketchup hast?“ Dean holte den Teller mit den Steaks hervor und stellte eine Flasche Ketchup auf die Arbeitsplatte. Während des Essens erzählten sie von den Escape Room und der Feier, ohne natürlich die Dämonen zu erwähnen. Leider konnte Amita nicht lange bleiben. Heute sollte es noch eine kleine Zeremonie für ihre Großmutter geben. Viel zu schnell musste sie sich wieder verabschieden. Sie war noch nicht lange gegangen, als die Glocke wieder ertönte. Fragend schauten sich die drei an. Wer konnte das denn sein? Sam ging zur Tür und öffnete. „Mit euch hatte ich eigentlich nicht gerechnet“, begrüßte er den Trupp. „Warum? Habt ihr schon alles aufgegessen?“ Tylor schaute Sam fragend an. „Nein.“ „Na dann ... lass uns rein. Wir wollen die Feier von gestern beenden!“ „Aber dieses mal ohne diese Jo!“ „Dafür sorge ich“, erklärte Ruby finster und Dean nickte. Schnell war der Tisch im Esszimmer gedeckt und die Reste aufgewärmt. Sam holte Bier aus dem Keller und jeder begann von seiner Kindheit zu erzählen. Von lustigen und peinlichen Situationen. Irgendwann kam auch Mac dazu. Die Brüder konnten sich nicht genug über ihre Freunde wundern. Sie hätten nie damit gerechnet, dass alle zu ihnen halten würden. Dean ging in den Keller um noch Bier zu holen. Ruby und Nick folgten ihm, denn die Brüder hatten in der letzten Stunde immer wieder vom Pool geschwärmt und den wollten die zwei jetzt endlich sehen. Sofort wandte sich Cooper an Sam. „Was ich mich die ganze Zeit frage“, begann er, „Ruby? Was ist sie? Sie ist gestern so plötzlich erschienen. Ist sie auch ein Dämon?“ „Ist sie“, nickte Sam. „Gibt es verschiedene Dämonen oder wieso ist sie hier?“, so ganz konnte er das nicht verstehen, nicht nachdem er gesehen hatte, was Dämonen anrichten konnten. Sam ließ den Kopf hängen und atmete tief durch, bevor er in die Runde schaute. War klar, dass so eine Frage kommen musste. „Nach Johns Tod war Dean total durch den Wind. John hatte ihm kurz bevor er starb noch etwas gesagt und Dean weigerte sich, es mir zu erzählen. Ich habe mich benommen, wie zu meinen schlimmsten Teenagerzeiten als er es mir irgendwann dann doch erzählte.“ Er atmete wieder durch. „Egal. Dean fand heraus, dass John sein Leben gegeben hatte, um ihn von den Toten zurückzuholen. Dass John einen Deal mit einem Dämon eingegangen war. Kurze Zeit später hatte mich der Gelbäugige entführt. Er arbeitete mit Lilith zusammen und sie wollten die Apokalypse herbeiführen. Dafür brauchten sie jemanden, der die Tore zur Hölle öffnete. Sie entführten nicht nur mich, sondern mehrere junge Leute. Wir sollten gegeneinander kämpfen. Ich hielt mich raus, doch irgendwann waren nur noch Jake und ich. Wir kämpften und ich gewann, doch ich wollte Jake nicht töten und warf das Messer weg. Jake hatte nicht so viele Skrupel. Er erstach mich vor Deans Augen, der uns gerade gefunden hatte und uns befreien wollte. Dean ging daraufhin einen Deal mit einem Kreuzungsdämon ein. Seine Seele für mein Leben. Er war das Kämpfen so müde und außerdem sollte er ja eh schon tot sein. Er bekam ein Jahr, nicht zehn wie es üblich wäre.“ „Aber ...“, begann Chris. „Wir töteten Lilith in letzter Sekunde. Ruby hat Dean gerettet. Sie hat sich geteilt und ihn so am Leben erhalten, bis wir in einem Krankenhaus waren, bis er außer Lebensgefahr war.“ „Dämonen können sich teilen?“ „Das war auch für uns neu, aber sie hat es getan. Sie brachte uns den Colt und half ihn wieder instand zu setzen. Die einzige Waffe, die einen Dämon töten kann, neben ihrem Messer.“ Sam schaute in die Runde und sah alle gebannt an seinen Lippen hängen. „Sie hätte nicht kommen müssen. Sie hätte den Colt nicht holen müssen. Sie hätte Dean nicht retten müssen. Egal wie oft Dean seitdem in Lebensgefahr war, sie war da und hat ihn gerettet.“ Jetzt schaute er zu Cooper. „Ja, ich vertraue ihr.“ „Und wenn sie sich euer Vertrauen erschleichen wollte?“, fragte Mity. „Wie gesagt: Sie hätte nicht kommen müssen, hätte Dean nicht retten müssen. Seine Seele wäre dann wohl in der Hölle gelandet. Sie meinte, dass das niemand verdient hätte. Wenn du allerdings Recht hättest und wir würden es herausfinden, Dean würde sie töten. Es würde ihm das Herz brechen aber er würde es tun, genau wie ich.“ „Ihr kennt sie besser.“ Madeleine nickte. Über den Rest dieser Geschichte musste nicht nur sie nachdenken. Dean hatte seine Seele für Sam verkauft. Er hatte ... „Seid ihr sicher, dass Dean nicht in die Hölle muss?“ Chris musste die Frage einfach stellen. „Seitdem sind fünf Jahre vergangen. Lilith hielt seinen Vertrag und sie ist tot, genau wie der Gelbäugige tot ist. Dean ist frei“, sagte Sam mit so viel Überzeugung, wie er nur konnte und kreuzte sie Finger hinter seinem Rücken. Hoffentlich war er das. Doch bis jetzt war nichts passiert, warum dann jetzt noch. Wenn, dann hätten die Dämonen die Chance wohl so schnell wie möglich ergriffen und nicht erst Jahre später, Menschenjahre die unzählig viel mehr Jahre in der Hölle waren. Ehe sie zu einem Ergebnis gekommen waren, kamen Dean, Nick und Ruby wieder. „Was herrscht denn hier für eine Trauerstimmung?“, wollte Dean wissen und stellte das Bier auf den Tisch. „Ohne dich ist hier einfach nix los!“, antwortete Cooper und musterte den älteren Winchester. Doch dem schien es gut zu gehen. Sein Blick wanderte von Sam zu Dean und er fragte sich wie man mit so einer Vergangenheit leben konnte, doch es schien zu gehen! Auch die anderen schienen ähnliche Überlegungen angestellt zu haben und zu dem gleichen Ergebnis gekommen zu sein. Die ausgelassene Stimmung kehrte langsam wieder zurück. Kapitel 147: With A Little Help Of My Friend -------------------------------------------- 147) With A Little Help Of My Friend „Denkst du daran, dass Bobby morgen kommt?“, fragte Dean seinen Bruder während sie nach oben gingen. „Ja“, nickte Sam, „ich habe schon mit ihm gesprochen. Er meldet sich, wenn er kommt. Das Bett mache ich ihm auch noch fertig.“ „Danke, Sammy!“ Dean lächelte. So würde er auch noch etwas von Bobby haben. Mal sehen, wann der wieder fahren wollte. „Jetzt wird es also ernst?“, fragte Maddie. „Endlich“, nickte Dean. „Bobby war immer mehr Vater als John. Und Jody? Sie ist so ein toller Mensch. Sie tut ihm so gut und er ihr. Es war schlimm zu sehen, wie es sie traf, nicht mehr als Sheriff gewählt worden zu sein. Umso schöner ist es, dass sie sich entschieden haben her zu kommen. Bloomington ist wohl für uns alle ein Neuanfang.“ Er küsste sie stürmisch. „Und was für einer!“ Deans Handy riss beide aus dem Schlaf. Er gab Maddie, die in seinen Armen lag, einen Kuss auf die Wange. „Morgen!“ „Morgen“, nuschelte sie, drehte sich auf den Rücken und steckte sich. Gemeinsam standen sie auf. „So könnte ich immer wach werden!“, stellte Dean fest, bevor er zur Tür ging. „Ich hätte auch nichts dagegen“, antwortete sie und musste gleich darauf gähnen. „Nur der Schlaf würde über kurz oder lang wohl zu kurz kommen.“  „Wir haben hier noch genügend Platz für deine Pflanzen“, sagte Dean zusammenhangslos und ging ins Bad.  Maddie schaute ihm nach. Wenn das mal keine gut versteckte Bitte war hier einzuziehen. Doch so schnell wollte sie ihr Reich nicht aufgeben. Trotzdem freute sie sich darüber. Zeigte es ihr doch wie sehr er sie liebte.    Schnell war Dean fertig und ging nach unten, während sie duschte. Er buk Pfannkuchen, deckte den Tisch und kochte Kaffee. Als Maddie nach unten kam, brauchte sie sich nur noch setzen und essen. „So könnte ich jeden Tag beginnen“, sagte sie leise. „Was hält dich davon ab?“, fragte er. Maddie starrte in ihren Kaffee. Sie wollte noch nicht umziehen, aber sie wollte ihn auch nicht verprellen. „Du musst ja nicht gleich ganz umziehen“, sagte Dean. „Das will ich gar nicht. Ich habe so lange mit Sam zusammengelebt. Ich weiß nicht mal, ob ich mit einem anderen Menschen auf Dauer klar komme, aber ich würde es gerne probieren. Und du könntest sehen, ob es hier mit mir und mit Sam für dich funktioniert. Hin und wieder ein paar Tage oder ein paar Tage mehr und wenn es klappt, dann überlegen wir, wie es weitergeht und wenn nicht ... dann müssen wir auch eine Lösung finden.“ Sie lächelte ihn an. „Diese Woche wird es nicht, aber danach könnte ich mir etwas mehr als eine Zahnbürste einpacken.“ „Klingt gut“, grinste Dean. „Reicht der Impala oder brauchen wir einen größeren Wagen?“ Fragend musterte sie ihn kurz bevor sie ihn grinsend „Blödmann“, titulierte. Sie beendeten ihr Frühstück und machten sich auf den Weg zur Arbeit. Sam wurde vom Geräusch des davonfahrenden Impalas geweckt. Er drehte sich auf den Rücken, streckte sich ausgiebig und stand dann auf. Sie wohnten jetzt seit fast einem Monat hier und es fühlte sich immer noch unglaublich gut an hier aufzuwachen und zu wissen, dass es auch morgen wieder so wäre. Er ging duschen und dann in die Küche. Am Kühlschrank klebte ein gelber Post-it mit einem Smilie. Morgen Sammy stand drauf. Neben dem Kühlschrank stand eine Schale und die Packung mit seinem Lieblingsmüsli. Er konnte nicht anders als lächeln. Wenn es Dean nicht gäbe, müsste man ihn erfinden. Gerade als er sich seinen Kaffee zog, klingelte sein Telefon. „Hey Bobby“, grüßte er. „Wo bist du?“ „Eine gute Stunde vor Bloomington“, entgegnete der Freund. „Willst du erst zum Frühstücken oder auf einen Kaffee herkommen oder gleich zum Schrottplatz fahren?“ „Ich habe im Motel gefrühstückt. Also wenn wir gleich abladen können?“ „Gut“, nickte Sam. „Ich komme hin. Bis dann.“ Er legte auf und frühstückte in aller Ruhe. Schön, wenn man sich so viel Zeit lassen konnte. Eine Stunde später lenkte er den Impala auf den Hof der Werkstatt. Bobby war noch nicht da. Er ging ins Büro, setzte Kaffee an und drehte die Heizung ein bisschen höher. Hier drin war es ja eisig! Als er einen LKW kommen hört, nahm er den Schlüssel für den Container und ging nach draußen. „Bobby“, freute er sich, als der Jäger aus dem Fahrerhaus kletterte. „Sam!“ Bobby zog den Jungen in eine feste Umarmung. "Siehst gut aus, Junge. Wie gehts euch? Was war denn jetzt wirklich vorgestern los? Ihr habt euch da ja verdammt vage ausgedrückt!" „Willst du einen Kaffee?“, fragte Sam. "Muss ich wohl", entgegnete Bobby und folgte Sam ins Büro. Sie setzten sich, jeder eine Tasse Kaffee vor sich und dann begann Sam zu erzählen. "Ohne Ruby sähen wir jetzt wohl alt aus. Sie hat uns mal wieder den Arsch gerettet", endete er. "Hat sich Jo noch mal gemeldet?", fragte Bobby. Schon komisch. Das war sonst eigentlich nicht ihre Art so kopflos zu reagieren. Hoffentlich hatte sie jetzt wenigstens ein schlechtes Gewissen! "Nein. Naja, sie hat sich gemeldet, um sich zu verabschieden. Das war‘s aber auch." Bobby brummelte etwas Unverständliches in seinen Bart. Irgendwann würde er mal mit ihr reden müssen. Er stellte die Tasse weg. „Lass uns auspacken.“ Sam nickte, trank seinen Kaffee aus und folgte dem Freund zum LKW. „Habt ihr das ganze Haus ausgeräumt?“, wollte er wissen, als er den vollen Laderaum sah. „Das ist nicht mal ein Zehntel“, lachte Bobby und schob die erste Gitterbox nach draußen. Am frühen Nachmittag hatten sie den LKW leergeräumt und alles auf den Container und die Werkstatt verteilt. „Die Bücher sollten wir in den geheimen Keller packen“, sagte Sam. „Dann können wir auch gleich duschen und was essen. Du bleibst doch bis morgen?“ Bobby nickte.  "Dean würde mich erschießen, wenn ich fahre ohne ihn wenigstens zu begrüßen." "Erschießen vielleicht nicht, aber er wäre echt enttäuscht." "Zu Recht" Sie schlossen alles ab und fuhren zur Villa. Es war noch still im Haus, als Dean am nächsten Morgen von seiner Schicht kam. Er stellte den Impala in die Garage und ging nach oben in die Küche. Er holte sich einen Kaffee und begann dann sich Frühstück zu machen. So ein richtiges amerikanisches Frühstück. Die Nacht war lang gewesen und sie hatten keine Zeit zum Essen gehabt und vielleicht kamen ja auch Sam um Bobby gleich runter? Und richtig gedacht! Speck und Würstchen brutzelten in einer Pfanne, gebackene Bohnen in der anderen und Eier lagen schon bereit. Gerade aus die ersten Toastscheiben aus dem Toaster sprangen, kam Bobby durch die Küchentür. "Was machst du denn hier?", fragte er verwundert. "Frühstück" "Na das sehe ich und ich freue mich darüber. Allerdings dachte ich, du gehst erstmal schlafen. War es so ruhig?" "Eher das Gegenteil. Deswegen habe ich auch Hunger." "Schön, dass wir zusammen frühstücken und so noch reden, dann kann ich nachher wieder los", freute sich Bobby und Dean nickte. Das Wetter sollte nicht wirklich besser werden und auch wenn er seinen Ziehvater gerne noch länger dabehalten wollte, wünschte er ihm doch eine sichere Fahrt und der Juni kam ja immer näher. Bobby begann den Tisch zu decken. "Was hast du alles mitgebracht?  Irgendwas worum ich mich kümmern muss?", wollte Dean wissen. "Nein, alles gut. Die ersten Ersatzteile sind im Container, genau wie die Möbel und Jodys Dekozeugs. Sie hat viel mitgegeben, von dem sie nicht will, dass ihr Nachfolger drin rumschnüffelt." "Belästigt der euch immer noch?" "Damit wird er wohl nicht aufhören solange wir da sind. Deshalb habe ich auch alle Bücher aus der geheimen Bibliothek mitgebracht. Die liegen jetzt unten im Versteck." "Na da hat Sammy ja was zu tun", lachte Dean. "Was habe ich zu tun?", wollte Sam wissen, der gerade zur Tür hereinkam. "Die Bücher über Monster und Dämonen lesen." "Reinschauen werde ich bestimmt mal", antwortete er, ging zur Kaffeemaschine und machte drei Kaffee. „Ich fahre nachher zum Supermarkt“, sagte er während er eine Tasse vor Dean stellte. "Und ich gehe ins Bett. Danach will ich im Saloon weitermachen." "Du gönnst dir auch keine Ruhe", stellte Bobby leise fest. "Sammy ist arbeiten. Warum sollte ich faul rumsitzen, wenn hier noch so viel zu tun ist. Wenn Maddie hier wäre", er wackelte mit den Augenbrauen, "aber so." Sam schüttelte nur den Kopf. Während des Frühstücks erzählte Dean von seiner Schicht und Bobby von dem, was sich in Sioux Falls zutrug. Sie besprachen wann Bobby das nächste Mal kommen wollte und dass er danach nach Texas fahren würde, um ein weiteres von Johns Lagern zu leeren. Danach holte er sein wenigen Sachen, die er ausgepackt hatte und ging zu seinem Wagen. Die Brüder begleiteten ihn.  Nach einer herzlichen Umarmung und der Bitte Jody zu grüßen, machte er sich wieder auf den Weg zurück. Schon als er auf den Schrottplatz einbog, sah er den Streifenwagen. Na toll. Der hatte ihm nun wirklich nicht gefehlt. Der Sheriff stieg aus und kam zu Bobby. "Wo kommen Sie denn jetzt her?", fragte er auch sofort. "Wir werden demnächst nach Bloomington ziehen, wie Sie wissen. Ich habe schon ein paar Sachen hingebracht", erklärte der Jäger ruhig. Nur nicht aufregen lassen. Das war der Typ nicht wert. "Und was?" "Möbel und einige Ersatzteile, die Dean gehören." Der Sheriff verdrehte die Augen. Diese Diskussion hatten sie schon und er hatte leider nichts in den Papieren finden können, um Singer und seiner ehemaligen Chefin was nachweisen zu können, aber das würde schon noch kommen, da war er sich sicher. "Ja dann: Willkommen zurück!", grüßte er und stieg wieder in seinen Wagen. "Endlich", sagte Jody, als der endlich von Hof gefahren war. "So schlimm?" "Nein. Eigentlich nicht. Er war das erste Mal hier, seit du weggefahren bist. Trotzdem geht der mir auf die Nerven." "Das kann er wirklich gut", lachte Bobby. Er umarmte sie, knuddelte Marley und folgte Jody dann ins Haus, wo er schon wieder einige Kartons stehen sah. "Du bist echt fleißig gewesen. Willst mich wohl schon wieder loswerden?" "Je eher wir hier ganz wegkommen umso besser", sagte sie. "Oder ich packe mich selbst in so eine Kiste und ziehe bei den Jungs ein." "Das würdest du mir antun?" "Nein! Ich würde dich mitnehmen!" Sie kuschelte sich an ihn und gab ihm einen langen Kuss. Durchgefroren kam Bobby zwei Tage später in die Küche. Er hatte in der Werkstatt gearbeitet. Jodys Hände steckten in einer Schüssel. „Was gibt es Schönes?“ „Ich mariniere Fleisch und wollte gebratene Nudeln machen. Wie lange brauchst du noch?“ „Ich bin fertig für heute. Es ist verdammt ungemütlich draußen. Einen Wagen habe ich fertig und einen neuen will ich mir heute nicht mehr holen.“ Er ging zur Kaffeemaschine und machte sich einen Kaffee. Gerade als er sich an den Küchentisch gesetzt hatte, klingelte das Telefon. Leise grummelnd stand er wieder auf. „Singer“, meldete er sich, kaum, dass er abgenommen hatte. „Kannst du mir helfen?“, tönte es aus dem Hörer. „Rufus?“ „Wer sonst?“, fragte der Anrufer. „Ich habe schon noch ein paar mehr Freunde und Bekannte, die meine Hilfe benötigen könnten.“ „Ach ja?“, begann Rufus, bevor er sich unterbrach: „Ist ja auch egal. Ich könnte deine Hilfe wirklich brauchen. Ich jage eine Arachne in Somerset, Kentucky. Kannst du kommen oder beschäftigen dich die Winchester-Bengel mal wieder?“ „Die am Wenigsten. Sam studiert und Dean arbeitet als Feuerwehrmann. Sie sind ausgestiegen! Das wüsstest du, wenn du dich öfter mal melden würdest. Außerdem betreibt Sam das Netzwerk, aber davon willst du ja auch nichts wissen. Sturer Bock!“ Jody starrte ihren Partner mit großen Augen an. „Erzähle ich dir nachher“, sagte Bobby leise, während er den Lautsprecher zuhielt. „Ich bin stur?“, knurrte Rufus. „Kommst du jetzt?“ „Darf ich das bitte erst abklären?“, fragte Bobby wirsch. „Mit wem? Deiner Schnapsflasche?“ „Meiner Partnerin?“ „Welches verwirrte Weib lässt sich denn auf so einen Zausel wie dich ein?“ „Benimm dich, Turner, oder ich lege auf und du kannst sehen, wie du klarkommst!“ „Okay, okay. Es ist nur so ungewohnt, dass du eine Partnerin haben willst. Habe ich dich nicht mal sagen hören, dass dir nach Karen nie wieder eine Frau ins Haus kommt?“ „Ich habe auch lange genug gezögert. Aber die Zeiten ändern sich.“ „Du hast eine Partnerin, die Winchester-Bengel machen nichts mehr ... John wäre nicht begeistert das zu hören.“ „Weißt du wie egal uns das ist? Sam und Dean haben ihn aus ihrem Leben gestrichen!“ „Die Zeiten ändern sich wohl wirklich“, brummelte Rufus irritiert. „Also was ist jetzt? Kannst du kommen?“ „Ich melde mich in einer halben Stunde, okay.“ „Jaja.“ „Du wartest und ich melde mich!“ „Ist ja gut. Ich warte!“ Rufus legte auf. Kopfschüttelnd nahm Bobby den Hörer runter. „Sturer, alter Bock“ Kapitel 148: That's What Friends Are For ---------------------------------------- 148) That's What Friends Are For „Was war das denn?“, fragte Jody. „Rufus Turner, ein alter Freund. Er hat Karen exorziert und mir geholfen damit klar zu kommen. Ohne ihn wäre ich wohl schon lange tot. Er ...“ Jody trat hinter Bobby und legte ihre Arme um seinen Hals. Sanft schmiegte sie ihren Kopf an seine Wange. „Wir haben eine Weile zusammengearbeitet, bis bei einem Fall alles schieflief und wir uns trennten. Ich wundere mich schon, dass er hier anruft. Scheint wohl keiner sonst da zu sein, um ihm zu helfen.“ „Dann solltest du fahren.“ Bobby löste sich von ihr und schaute sie fragend an. „Bist du dir sicher?“ „Nein, bin ich nicht. Ich will dich hierbehalten, bei mir und in Sicherheit. Aber du sagst selbst, dass er dir geholfen hat und diese Hilfe verdient er jetzt auch. Egal was ich will. Hauptsache, du kommst gesund zu mir zurück.“ Fragend schaute Bobby ihr in die Augen. Er sah Zweifel aber auch die Entschlossenheit und jede Menge Liebe. „Wir wären nicht mehr wir, wenn wir Freunden nicht helfen würden“, sagte sie leise und er nickte. „Dann rufe ich ihn mal an. Wenn ich morgen früh losfahre, bin ich morgen Abend da. Ich hoffe, er hält die Füße so lange still.“ Er nahm seine Mütze ab, rieb sich über die Stirn und setzte sie wieder auf. Sicher war er sich da nicht. „Außerdem könnte ich in dem Zuge gleich auch noch Johns Lager in Texas leerräumen. Dann muss ich das später nicht mehr machen und wenn Rufus mir hilft, sollte das schnell erledigt sein.“ „Wie viele von diesen Lagern gibt es denn noch?“ „Danach noch zwei. Eins in Utah und eins in Wyoming.“ „Geh packen. Ich mache das Essen fertig“, entschied Jody.                                                        *** Viele, viele Meilen südlich fuhren zwei Brüder über eine Landstraße. Der jüngere saß am Steuer. „Was soll das, Daryl? Wieso bist du dazwischen gegangen? Ich hätte den locker fertigmachen können!“ Merle schlug mit der Faust gegen die Seitenscheibe. „Dann würdest du jetzt auch in einem Auto sitzen. Auf der Rückbank und in Handschellen. Du weißt genau, dass du dieses Mal die volle Strafe absitzen müsstest. Du bist Wiederholungstäter. Verdammt Merle, ist das so schwer zu verstehen, dass ich meinen Bruder an meiner Seite haben will und nicht im Knast?“ „Der Scheißkerl hat mit einer Waffe auf mich gezielt. Das wäre Notwehr gewesen!“ „Klar! Rede dir das nur weiter ein!“ Daryl schüttelte den Kopf. „Ich bringe dich nach Hause. Du schläfst deinen Rausch aus und morgen fahren wir in die Berge zum Jagen. In ein paar Wochen, wenn wir wiederkommen ist Gras über die Sache gewachsen.“ Er setzte den Blinker und bog in eine schmale Straße sein. „Ich besorge ein paar Vorräte“, sagte er, nachdem er Merle vor der alten, heruntergekommenen Hütte abgesetzt hatte, die sie ihr Zuhause nannten „Jah. Und geh zum Friseur. Du rennst wie ein Hippie rum! Wenn der alte Mann dich so sehen würde ...“ „Jaja“, wischte Daryl jeden Einwand beiseite. Seine Haare waren ein bisschen länger. Na und? Er war deshalb noch lange kein Hippie! Mal abgesehen davon, dass er kein Geld dafür hatte. Das musste bis nach ihrem Ausflug warten. Wenn sie Glück hatten, erwischten sie ein paar Rehe und konnten Fleisch und Leder verkaufen und wenn sein Bruder nicht sofort alles in Drogen und Alkohol umsetzte, könnte er sich sogar einen Friseurbesuch leisten.                                                        *** Der nächste Morgen kam viel zu schnell, fand Jody. Sie hatte Frühstück gemacht und saß jetzt mit Bobby am Tisch. Vorsichtig pustete sie in ihren Kaffee. „Ich würde lieber bleiben. Wir haben hier wirklich noch genug zu tun“, sagte er. „Er ist dein Freund und er braucht Hilfe.“ Sie legte ihre Hand auf seine. „Du bist schneller wieder da, als du denkst.“ Bobby nahm ihre Hand und zog sie an die Lippen. „Ich konnte mir lange nicht vorstellen, je wieder eine Frau in meinem Leben zu haben. Jetzt will ich mir nicht vorstellen jemals wieder ohne dich zu sein. Nicht mal für eine Woche!“ „Du wirst noch schnell genug flüchten wollen“, lachte sie und legte ihre Hand auf den wachsenden Bauch. „Die schieben wir einfach zu Dean ab. Der hat das mit Sam super hinbekommen, warum dann nicht auch mit unseren Beiden?“ „Ein Bisschen wollte ich auch zur Erziehung beitragen. Es reicht, wenn Dean der Onkel ist, den jedes Kind sich wünscht. Der, der ihnen Blödsinn beibringt, der mit ihnen tobt.“ „Sag ihm das nur nicht, denn ich denke, dass er das schon machen wird. Aber er wird auch ein Onkel sein, auf den sie sich verlassen können, egal was kommt. Genau wie auf Sam!“ Bobby trank aus, stellte die Tasse ab und stand auf. „Je länger ich hier sitze, umso länger bleibe ich weg.“ Er holte die Waffen aus dem geheimen Schrank, nahm seine Jacke vom Hake und gab Jody einen Abschiedskuss. „Pass auf dich auf“, bat er sie. „Das sollte ich dich wohl eher bitten“, erwiderte sie und gab ihm einen Abschiedskuss.                                                                     *** In Georgia hielt Daryl an einer roten Ampel. Sie waren wirklich auf dem Weg in die Berge. Merle saß griesgrämig neben ihm und suchte wohl nach dem nächsten Grund für einen weiteren Wutausbruch. Heute schien ihm alles gegen den Strich zu gehen. Es war zu früh, zu hell und er hatte keine Drogen mehr. Besser konnte ein Tag kaum beginnen. Daryl verdrehte die Augen und zuckte gleich darauf zusammen, als Merle mit der Faust gegen die Seitenscheibe schlug.  Daryls Blick lag auf dem Schulbus, der ihnen gegenüber an der Ampel anhielt. „Du siehst immer noch wie ein Hippie aus“, knurrte Merle „Hab´s nicht geschafft und außerdem hast du unser letztes Geld in deine Drogen investiert!“ „Der Bartschneider liegt rum und kostet nichts!“ „Hm“, brummelte Daryl. Die Ampel schaltete von gelb auf grün. Merle bückte sich und holte eine Flasche Fusel aus seiner Tasche und Daryl gab Gas. „Woher ...“ begann er und blickte zu seinem großen Bruder. Seine Augen weiteten sich, als er den Truck kommen sah, doch bevor er etwas sagen konnte, fraß sich die Schnauze des 40 Tonnen Kolosses regelrecht durch den Pickup. Er wurde gegen die Seitenscheibe geschleudert. Der Aufprall riss Merle die Flasche aus der Hand. Sie schlug gegen das Armaturenbrett und zerplatzte. Scherben regneten auf Merle und Daryl und bohrten sich durch den Stoff ihrer Kleidung in Haut und Muskeln. Merle wurde aus seinem Sitz gestoßen und landete unsanft halb auf dem Lenkrad und halb auf seinem Bruder. Der Truck schob den Pickup in den Gegenverkehr. Noch während Daryl sich in Schmerz und Dunkelheit verlor, fühlte er den Aufprall auf den Schulbus, der nicht mehr ausweichen konnte.                                                           *** Am späten Abend erreichte Bobby das Motel in Sumerset. Er mietete sich ein Zimmer und als er die Rezeption verließ, stand Rufus neben seinem Truck. „Hey“, grüßte er den alten Freund. Waren sie das noch? Freunde? Sie hatten sich ewig nicht mehr gesehen und nur sehr selten telefoniert. Immerhin hatte Rufus ihn angerufen. Darauf konnten sie aufbauen. „Schön dich hier zu sehen.“ „Wo sollte ich sonst sein?“, brummte Rufus. „Ich bringe meine Sachen rein, dann können wir reden.“ Bobby deutete auf die Tür zu seinem Zimmer. „Ich hole das Bier“, nickte Rufus. Ein paar Minuten später saßen sie an einem altersschwachen Tisch in Bobbys Zimmer. Rufus berichtete von seinem Fall. Sie diskutierten ihr Vorgehen und als sie sich einig waren, musterte Rufus Bobby. „Du siehst zufriedener aus“, stellte er fest. „Liegt das an der Frau? Wie bist du denn an die gekommen? Ich dachte, du wolltest nie wieder eine Frau in deinem Leben.“ „Wollte ich auch nicht. Aber dann mogelten sich die Winchester-Jungs immer mehr in mein Leben und irgendwann brachte Dean Jody zu mir. Er kam zufällig dazu, als ein äußerst wütender Geist sie töten wollte, begann Bobby von seinem Leben zu erzählen. Nach und nach berichtete er von dem, was in den letzten Jahren passiert war und das er bald mit Sack und Pack und natürlich Jody nach Bloomington in die Nähe der Jungs umziehen würde.                                                                      *** Dean arbeitete am nächsten Tag im Saloon. Er räumte gerade die improvisierten Tische und Bänke weg, als die Glocke läutete. Cooper und Tylor hatten ihre Hilfe angeboten und Mity begleitete sie. Dean bat sie herein und bot ihnen einen Kaffee an. So ließ es sich am besten reden. Aber auch nachdem er ihnen ein bisschen mehr über ihr Leben und ihren Job erzählt hatte, den sie ausführten, bevor sie nach Blommington gekommen waren, stellten sie ihm immer wieder Fragen. Dean versuchte die so allgemein wie nur möglich zu beantworten. Nicht weil er fürchtete, dass sie ihn anzeigen würden oder nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben wollten. Er wollte sie schonen. Er hoffte noch immer, dass sie nie mit diesem, ihrem alten Leben, in Kontakt kommen würden. Mity musterte ihn immer mal wieder mit einem wissenden Blick und auch Cooper sah ihn überlegend an. „Du erzählst uns nicht alles, oder?“, fragte er während sie Mittagspause machten. „Nein“, gab Dean unumwunden zu. „Weiß Chris mehr?“ „Wie man es nimmt. Er war dabei, als ich einen bösen Geist vernichtete. Sonst habe ich ihm ungefähr das gleiche erzählt wie euch jetzt.“ „Was ist mit Nick?“ „Er weiß definitiv mehr. Er ist uns bei einem unserer Fälle begegnet. Danach trafen wir ihn bei einem weiteren. Bei unserem dritten, gemeinsamen Fall hat er uns um Hilfe gebeten und dann hat er Sam noch bei einem Fall geholfen.“ „Weiß er was Ruby ist?“ „Ja.“ „Warum ist sie so anders, als diese beiden Dämonen oder waren die nur anders?“, wollte Cooper jetzt wissen. „Diese zwei Idioten waren echte Dämonen. Ruby?“, Dean überlegte, was er erzählen konnte. „Sie meinte mal, dass die bei ihr was falsch gemacht hätten. Sie hätte ihre Menschlichkeit noch und das stimmt. Sie hat uns immer wieder geholfen. Dabei hätte sie das nie gemusst. Ohne sie würde ich nicht mehr leben und das nicht nur einmal.“ Er stand auf und stellte sein Tasse weg. „Du willst nicht mehr reden?“, fragte Cooper. „Nein. Das …“ Dean schüttelte den Kopf. „Die letzten Jahre hier in Bloomington haben mir gezeigt, wie schlimm unsere Kindheit, unser Leben bisher wirklich waren. Schlimm ist das falsche Wort, ich weiß. Trotzdem! Ich würde das Ganze gerne vergessen, aber das geht nicht, also versuche ich es so gut es geht zu verdrängen und meistens klappt das auch ganz gut.“ Mity nickte. Ihr ging es ganz ähnlich. Sie würde die Zeit bei ihrem Vater auch lieber ungeschehen machen. „Lasst uns weitermachen“, sagte sie, stand auf und holte sich den Schrauber. Bis zum Abend kamen sie gut voran. Noch einen Tag, dann wäre auch der Saloon soweit, dass Karan die Fenster einbauen konnte. Verspachteln, Holzverkleidung streichen und den Boden legen. Danach konnten sie einrichten. Okay, da war noch jede Menge zu tun, aber sie hatten Zeit und bis Ende Februar sollten sie hier fertig sein. Mal sehen, was danach kam. Wenn es nach ihm ginge, würde er lieber die Wohnbereiche oben machen, als hier unten weiter. Diese Zimmer brauchten sie nicht so dringend. Mal sehen, was Sammy dazu sagte. Kapitel 149: Legends are made ----------------------------- 149) Legends are made Sie legten gerade das letzte Werkzeug weg, als Mity Dean fragend ansah. „Ich weiß, dass du nicht mehr darüber reden willst. Darf ich dir trotzdem noch eine Frage zu Dämonen stellen, auch wenn sie eher allgemein ist?“, wollte sie leise wissen. „Frag“, antwortete der Winchester „Es gibt eine Legende über einen Apachenhäuptling und die Dämonen der Weißen.“ Dean ließ den Kopf hängen, atmete durch und nickte kurz. „Du kennst sie?“ „Zum Teil, ja. Aber ich weiß nicht, wie sie heute geht“, er überlegte kurz. „Wie das Ende ist.“ „Wie sie heute geht?“ Mity musterte ihn verwirrt. Die Legende hatte sich doch nicht geändert, oder? Sie lehnte sich an die Wand und spielte gedankenverloren mit dem Schrauber. „Das Ende ist ...“ Sie schüttelte den Kopf. „verrückt!“ „Wie verrückt?“ „Der Häuptling hatte Frieden für seinen Stamm ausgehandelt. Er wollte, dass sich seine Apachen von den Weißen fernhielten, dass sie nur Waren tauschten, die der ganze Stamm brauchte, doch seine Krieger tauschten weiterhin Felle und Fleisch gegen Alkohol. Daraufhin verfluchte er sie“, begann sie zu erzählen. „Solange nicht auch der letzte Knochen des Häuptlings zu Staub zerfallen war, solange sollten die Dämonen der Weißen die Körper der Apachen nutzen können“, ergänzte Dean. „Soweit kenne ich sie.“ Mity musterte den Winchester. Wieso kannte er sie nur bis dahin? Die Legende wird seit Generationen weitererzählt.  “Die Geister seiner gefallenen Krieger schützten das Grab des Häuptlings, damit niemand den Fluch umgehen könnte. Doch es kam ein Mann, ein Weißer, der den Fluch brach, indem er die Knochen des Häuptlings verbrannte. Die Geister konnten ihm nichts anhaben.“ Unbewusst rieb sich Dean den Oberarm, wo ihn ein Pfeil getroffen hatte. „Sie haben ihn schon verletzt“, sagte er leise, „und er war auch nicht alleine!“ „Woher?“, wollte sie jetzt wissen. Ließ ihn jedoch nicht zu Wort kommen, als sie die Erkenntnis traf. „Er war ein Jäger, wie du?“ Fragend schaute sie ihn an. „Wird die Legende unter Jägern so erzählt?“ Dean reagierte nicht. Sein Blick ging in die Ferne. Seine Gedanken kreisten um die Harrisons, um Amos und Thomas, zu Bethanny und natürlich auch zu Carren. „Dean?“, fragte sie etwas lauter und holte ihn in die Gegenwart zurück. „Was?“, fragte er irritiert. „Nein, ich ... Ich weiß nicht, ob sie unter Jägern überhaupt erzählt wird.“ Er schüttelte den Kopf. „Haben die Dämonen ...?“ „Soweit ich weiß, wurde nie wieder ein Apache von einem Dämon benutzt.“ „Das ist gut“, freute sich Dean. „Wenn doch kein Jäger diese Legende kennt, woher kennst du die dann?“, wollte Mity wissen. „Amos hat sie mir erzählt“, erklärte Dean. „Amos?“ „Ein Jäger der ... den ich mal kennengelernt habe.“ „Amos?“, ertönte plötzlich Sams Stimme. „Das war doch der Jäger, den du geholt hast, als ich die Pferde holen wollte und wir unbedingt noch diese Sache mit dem Häuptling erledigen mussten, bevor wir ...“ Sam betrat den Saloon und brach ab als er Tylor, Mity und Cooper sah. „Hey“, grüßte er etwas verlegen. „Die Sache mit dem Häuptling?“, bohrte Mity nach. „Das ist über 150 Jahre her!“ Dean schnaufte und schaute zu Sam. Das sollte er mal erklären. „Ja“, grummelte Sam und ließ den Kopf hängen. „Da hab ich uns was eingebrockt“, sagte er und schaute zu Dean. „Dann löffle es auch wieder aus“, nickte der. Sam holte sich ein Bier und verteilte auch gleich noch an jeden anderen eine Flasche. „Neben Dämonen, Werwölfen und Geistern mussten wir uns auch mit einem Trickster rumschlagen, von den wir vermuten, dass er ein Gott ist. Loki um genauer zu sein. Wir haben ihm vor ein paar Jahren wohl mal mächtig den Spaß verdorben. So sehr, dass er uns loswerden wollte und uns durch die Zeit geschickt hat. Wir landeten unabhängig voneinander 1855 in der Nähe von El Paso.“ Er machte eine Pause, damit die anderen das Ganze erstmal sacken lassen konnten. „1855. Klar“, sagte Cooper ungläubig und schüttelte den Kopf. „Ein Gott! Und wie seid ihr zurückgekommen?“ Nein! Dämonen, Geister? Okay, das konnte er ja vielleicht noch glauben, aber Zeitreisen? NEIN! „1855?“, begann Mity, „Das könnte ungefähr hinkommen.“ Den Alten zufolge geschah das vor dem großen Krieg der Weißen. Aber trotzdem! Sie fand es schon komisch, dass ein Weißer diesen Fluch gebrochen haben sollte. Zeitreisende Weiße? Dean und Sam Winchester? „Ward ihr wirklich ...? Seid ihr wirklich durch die Zeit gereist? Wie war das? Wir war es da?“, sprudelte es aus Tylor heraus. „Es gab tolle Menschen, die ich nie wiedersehen werde und weniger tolle Menschen, die ich auch nie wieder sehen werde“, erklärte Dean heiser. „Wir haben einen Fluch gebrochen und sind irgendwie wieder hier gelandet.“ Er schüttelte den Kopf. „Letztendlich war es ein Fall wie jeder andere auch.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wir haben überlebt!“ Schnell trank er sein Bier aus, verließ den Saloon und stapfte nach oben in seine Wohnung. Er wollte nicht darüber nachdenken. Nicht über den Fall und nicht über die Menschen und doch nahm er sich wieder einmal vor nach El Paso zu fahren. Er wollte sich selbst überzeugen, dass sie gelebt hatten und nicht von seinen Dämonen getötet worden waren. „Nicht“, sagte Sam leise, als er sah, dass Cooper ansetzte etwas zu sagen. „Lass ihn. Er hatte wirklich eine schöne Zeit da.“ Er schaute in die Runde. „Können wir das einfach auf sich beruhen lassen, wie alles andere auch, was mit unserer Vergangenheit zu tun hat? Bitte!“, bat Sam. Mity, Tylor und Cooper musterten ihn eine Weile schweigend, dann nickten sie. Auch wenn sie das Ganze erstmal für sich verarbeiten mussten und bestimmt noch Fragen haben würden, sie würden mit niemandem darüber reden. Warum auch? Es würde ihnen ja doch keiner glauben.    “Was für ein beschissenes Leben!“, stellte Cooper fest, als er die beiden Anderen nach Hause fuhr. „Egal was sie erlebt haben, sie können es mit niemandem teilen, weil ihnen keiner glaubt.“ Mity nickte nur, genau wie Tylor. „Sie brauchen wirklich Freunde, die sie einfach so nehmen, wie sie eben sind.“                                                           *** Bobby und Rufus trafen sich am nächsten Morgen im Diner, frühstückten und besprachen ihren Jagdausflug. Die Waffen lagen gut verschlossen in der Kiste auf Rufus´ Truck.  Nach ihrem Frühstück fuhren sie los. Auf der Suche nach Wild durchstreiften sie den Wald und kamen bald darauf bei der Hütte an, in der Rufus das Versteck der Arachne wusste. Sie betraten den Raum. Überall hingen, in riesige Netze eingespannte, Körper. „Lass uns wieder verschwinden“, sagte Bobby. „In der Hütte können wir nicht übernachten!“ Er erntete einen fragenden Blick von Rufus, doch der sagte nicht dazu. Ihm war klar, dass es eventuell Zuhörer gab. Sie verließen den Ort nicht gerade geräuschlos. „Und jetzt? Die Hütte müssen wir verbrennen“, überlegte Bobby, als sie weit genug weg waren. Weißt du, wer die Arachne ist? Gibt es nur die eine oder ist es Nest?“ „Die Fressgewohnheiten lassen nur auf eine schließen“, erklärte Rufus. „Weißt du auch wer oder hast du eine Vermutung?“ „Der Junge, der die Spätschicht an der Tankstelle macht. Ich habe ihn schon zwei- oder dreimal gesehen, wie er morgens mit Kapuze durch den Wald nach Hause läuft. „Kapuzen haben heute viele.“ „Ja, aber er hat auch eine sehr schlechte Haut, angeblich massive Akne und er trägt immer eine Sonnenbrille.“ „Das vervollständigt das Bild“, nickte Bobby. „Was machen wir?“ „Wir treiben uns noch eine Weile im Wald herum, gehen am Abend ins Motel. Vielleicht sollten wir vorher noch was essen und dabei ein bisschen lammentieren, dass wir nichts erlegt haben. Morgen früh folgen wir dem Kerl und schauen mal hinter die Brille. Danach wissen wir, ob er es ist.“ „Kling nach einem Plan“, nickte Bobby. Genauso machten sie es auch. Am Abend kamen sie zurück zum Motel und fuhren gleich ins Diner. Sie suchten sich einen Tisch und während sie bestellten, beschwerten sich bei der Bedienung, dass es hier kaum Wild gab. Der Kellner war gerade wieder weg, als Bobbys Handy klingelte. ‚Jody?‘, wunderte er sich nach einem Blick auf das Display und nahm ab. „Ja?“ „Schön, dass du drangehst. Wie läuft es?“ „Bis jetzt haben wir noch nichts erwischt. Wenn das so weitergeht, müssen wir uns für unseren diesjährigen Jagdausflug ein anderes Revier suchen.“ „Ich schlage Georgia vor“, lachte sie. „Georgia?“, fragte Bobby. „Ein bisschen weit weg. Wie kommst du denn da drauf?“ „Ich dachte, Georgia würde dir etwas sagen“, überlegte sie. „Ich hatte vorhin einen Anruf. Es geht um einen Daryl Dixon.“ „Daryl? Oh mein Gott! Was ist mit ihm?“, fragte Bobby besorgt. „Er hatte einen Unfall und ist ziemlich schwer verletzt. Sie haben ihn ins Krankenhaus nach Atlanta geflogen. Er hat deine Adresse und Telefonnummer als Notfallkontakt in seinen Papieren. Warum? Woher kennst du ihn?“ „Ist ´ne lange Geschichte und nicht unbedingt zur Erörterung in einem Diner. Ich erzähle es dir heute Abend. Haben sie versucht seinen Bruder zu erreichen?“ „Der saß wohl mit im Wagen und hat den Unfall nicht überlebt.“ „Das haben sie dir so einfach erzählt?“ „Ich habe nach anderen Angehörigen gefragt, da sagten sie es.“ „Okay“, nickte Bobby und rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Ich rufe im Krankenhaus an und gegebenenfalls fahre ich, wenn wir hier fertig sind, hin. Aber lass uns das heute Abend klären, wenn ich im Motel bin, ja?“ „Mach nur“, entgegnete Jody und legte auf. „Dixon?“, überlegte Rufus. „Irgendwo habe ich den Namen mal gehört.“ „Einer von Johns Fällen, wenn du so willst. Irgendwann hörte er davon, dass in Georgia eine Frau in ihrem Schlafzimmer verbrannte. Er bat mich mitzufahren. Die Jungs brachte er bei Pastor Jim unter. Da hat Dean Sam das Radfahren beigebracht. Aber ich schweife ab. Das ganze Unterfangen stellte sich als selbstverschuldet heraus. Sie hatte gesoffen und im Bett geraucht.“ „Rauche nie im Bett, denn die Asche, die herunterfällt, könnte deine sein“, sagte Rufus leise und fing sich einen missbilligenden Blick von Bobby ein. „Fahr fort.“ Bobby nickte. „Die Hütte in die der alte Dixon seine Jungen brachte, war noch runtergekommener als die vorhin im Wald.“ Er schüttelte den Kopf. „Für John war das Ganze erledigt. Ich habe versucht den Kontakt zu dem kleinen Daryl nie ganz abreißen zu lassen und habe mich mit ihm getroffen, wann immer ich in Georgia war, was viel zu selten vorkam. Habe ihm immer mal wieder angeboten mit nach Sioux Falls zu kommen, aber er wollte seinen großen Bruder nicht alleine lassen. Als ob der sich je so um Daryl gesorgt hätte.“ Bobby schüttelte den Kopf. „Aber es passt mir ganz gut in den Kram. Ich wollte eh weiter nach Süden. Nach Texas. John hat da ein Lagerhaus und ich wollte dich bitte, mir beim Leerräumen und Vernichten zu helfen. Ich habe keine Ahnung was da alles drin ist“, sagte er und schaute fragend zu Rufus. „Klar, warum nicht. Noch habe ich nach dem hier nichts vor.“ „Danke“ Nach dem Essen fuhren sie ins Motel. Heute konnten sie eh nicht mehr viel tun. Bobby telefonierte erst mit dem Krankenhaus, erfuhr aber nur, dass Daryl schwer verletzt war und noch einige Zeit bleiben musste. Er versprach, in ein paar Tagen da zu sein. Danach rief er Jody an und erzählte ihr die gleiche Geschichte, die er Rufus erzählt hatte, nur etwas detaillierter, dann ging er ins Bett. Morgen früh wollte sie sich den jungen Tankstellenkassierer genauer ansehen und vielleicht auch gleich das Versteck der Arachne vernichten, sollte der das gesuchte Monster sein. Dann konnten sie in Richtung Süden aufbrechen. Bobby würde einen Umweg über Atlanta machen und danach mit Rufus die Lagerhalle in Texas leerräumen. Kapitel 150: Chosen family -------------------------- 150) Chosen family Kurz nach fünf saßen Bobby und Rufus im Diner und ließen sich ihr Frühstück schmecken. Sie beratschlagten laut vernehmlich und über eine Karte gebeugt, wohin ihr Jagdausflug sie heute führen sollte.  Letztendlich nahmen sie den Ratschlag der Bedienung an und wollten in Richtung Norden fahren. Da sollte es eine kleine, offene Jagdhütte geben und genügend Wild. "Dann müssen wir nur noch tanken", stellte Rufus fest und erhob sich. Während Bobby das Frühstück bezahlte, ging er schon zum Wagen.    Pünktlich zum Ende der Schicht des Tankstellenkassierers warteten sie hinter ein paar Sträuchern darauf, dass er sich auf den Weg machte. Sie hatten den Pickup abseits, gut versteckt im Wald, geparkt und waren zur Tankstelle zurückgelaufen. Jetzt hockten sie hinter einem dichten Strauch und warteten darauf, dass der Kassierer die Tankstelle verließ und den Weg durch den Wald nahm. Sie lagen richtig. Kaum war der junge Mann tiefer unter den Bäumen eingetaucht, verließ er den Weg und lief in Richtung der Hütte. Die Jäger folgten ihm mit einigem Abstand. Während Bobby noch einmal sichernd um die Hütte schlich, wartete Rufus einen Moment, atmete durch und brach durch die Tür. Er brauchte einen Augenblick um sich zu orientieren dann zog er die Machete aus dem Gürtel und ließ dem jungen Mann genau so viel Zeit, wie der brauchte um sich von seinem Opfer zu trennen und ihn anzustarren. Im Licht der Taschenlampe erkannte er die zweite Pupille in seinen Augen. Er holte aus und trennte ihm den Kopf vom Rumpf, bevor er nach ihm greifen konnte. Polternd landete der Kopf auf dem Boden. Rufus atmete durch. „So langsam werde ich zu alt für diesen Scheiß“, schimpfte er und begann die Gespinste aufzureißen. Kurz fragte er sich, wieso das so einfach war. Hatten die Bücher gelogen? Oder war dieser Kerl einfach nur jung und dumm? Er würde es nie erfahren. Bobby betrat den Raum. „Gute Arbeit“, lobte er und half die Kokons zu vernichten. „Wieso hast du nicht gewartet? Er hätte dich töten können!“, grummelte er trotzdem. „Es ist nichts passiert. Reg dich ab!“ „Es ist nichts passiert? Ich hätte dir deine Jagd schon nicht versaut! Wie konntest du ihn überhaupt so schnell vernichten?“ „Er hat gefressen“, sagte Rufus und zuckte mit den Schultern. Das musste es wohl gewesen sein, überlegte er. Bobby schüttelte den Kopf. Er fand es trotzdem nicht richtig, aber ja, es war nichts passiert. Sie überprüften die eingesponnenen Opfer, doch keinem war mehr zu helfen. Sie schlugen jedem den Kopf ab. "Und jetzt? Verbrennen?", wollte Rufus wissen.  "Lass es uns wie einen gemeinschaftlichen Selbstmord arrangieren", sagte Bobby und begann die Körper auf dem Boden zu platzieren.   "Selbstmord?", überlegte Rufus, legte die Köpfe aber zu den passenden Körpern. "Das Gift!", erklärte Bobby. Er nahm eine Petroleumlampe vom Tisch, entfernte das Glas und legte eine Decke so hin, dass sie Feuer fangen musste, wenn die Lampe nur etwas länger brannte.  "Jetzt raus hier!", forderte er, zündete die Lampe an und verließ nach Rufus die Hütte. In sicherer Entfernung warteten sie, bis sie sahen, dass die Flammen im Inneren hell loderten.     Gerade als das Dach in einem Funkenregen einstürzte, fielen die ersten dicken Regentropfen vom Himmel.  Sie wandten sie sich ab. „Suchen wir uns noch was zum Jagen oder machen wir einen auf Weichei-Städter und verpieseln uns hier?“, wollte Bobby wissen. Er erntete einen fragenden Blick von Rufus. „Wir sehen nicht gerade wie Weichei-Städter aus.“ „Auch wieder wahr. Dann lass uns zum Wagen gehen und nach Norden fahren.“ Bis zum nächsten Morgen hatten Rufus und Bobby ein paar Hasen und zwei Rehe erlegt, die Rufus bei einem Händler, den er gut kannte, verkaufen wollte. Das Geld würden sie dann in Texas teilen. Sie fuhren zum Motel zurück, duschten nur noch schnell in ihren Zimmern und packten sie ihre wenigen Sachen zusammen. „Haben Sie von dem Feuer gehört?“, fragte die Motelbesitzerin Bobby, als er sein Zimmer bezahlte. „Nein? Wo hat es denn gebrannt?“ „Südlich von hier. Da stand eine alte Hütte. Sie überprüfen das Ganze noch. Immerhin hat das Feuer keinen Waldbrand ausgelöst, sagt der Wildhüter, der das Feuer entdeckt hat.“ „Wir waren nordwestlich unterwegs“, sagte Bobby. „Gab es denn viel Schaden?“ „Der Regen hatte das Feuer schon fast komplett gelöscht, aber sie haben wohl Knochen gefunden. Jetzt ist die Spurensicherung vor Ort. ich vermute ja eher, dass da einer Wild ausgenommen hat. Naja, wir werden es erfahren.“ „Das werden sie wohl“, nickte Bobby eher abwesend, nahm seine Kreditkarte wieder in Empfang und verließ die Rezeption, die Rufus gerade betreten wollte. „Nächstes Jahr in Georgia?“, fragte er ihn. „Vielleicht auch Texas.“ „Okay, melde dich“, sagte Bobby und nickte dem Freund zu, bevor er mit einem Lächeln zu seinem Wagen ging. Er startete den Motor und lenkte den Pickup aus der Stadt. An einer Tankstelle hielt er an. Tankte, kaufte sich ein Sandwich und einen Kaffee und dann rief er Jody an, während er sich in seinem Wagen über das Essen hermachte. „Alles erledigt“, meldete er sich, nachdem sie abgenommen hatte. „Wie geht’s bei dir?“ „Der Sheriff war mal wieder schnüffeln. Er hat nichts gefunden und wollte wissen, wo du bist. Ich habe ihm gesagt, dass du nach Georgia fährst, weil dein Neffe im Krankenhaus liegt.“ „Ich muss eine ziemlich große Familie gehabt haben“, lachte er. „Hatte Karen keine Geschwister?“ „Doch. Einen Bruder und zwei Schwestern.“ „Na also.“ Sie lachte leise. „Lass dich nicht ärgern, wir sind den Kerl bald los“, bat er. „Ich weiß und so langsam finde ich es fast amüsant, wie er ja schon fast verzweifelt nach einem Grund sucht, mich und uns noch weiter in Verruf zu bringen. Aber wenn man bedenkt … Gestern traf ich Mrs. Markle beim Einkaufen. Sie erklärte mir, dass es ein Fehler war, ihn zu wählen und bettelte mich schon fast an, bei der nächsten Wahl wieder zu kandidieren. Ich musste sie leider enttäuschen.“ Sie lachte auf. „Das war doch eine der Furien, die Feuer und Schwefel auf uns herab beschworen haben“, wunderte sich Bobby. „Genau“, Jody lachte noch immer und Bobby freute sich, dass es ihr so gut ging. So konnte er sie ohne ein zu großes schlechtes Gewissen noch eine oder zwei Wochen alleine lassen, auch wenn er das nicht wollte. Immerhin hätte er dann wieder eines vor Johns Lagern leer und auch gleich noch nach Daryl geschaut. Den Jungen hatte er auch viel zu sehr vernachlässigt. „Dann wünsche ich dir einen schönen Tag. Ich melde mich, wenn ich mehr von Daryl weiß.“ „Fahr vorsichtig“, bat sie. „Ich werde hier inzwischen den Wintereinbruch genießen, ein bisschen weiter packen und auf deinen Anruf warten.“ „Tu das und bis bald“, sagte er und fügte ein leises: „Ich liebe dich“, hinzu. „Ich dich auch!“, entgegnete sie und legte auf. Das warme Gefühl, dass sich bei diesem kleinen Satz in seinem Bauch ausbreitete, zauberte auch ein Lächeln auf sein Gesicht. Er brachte die Verpackung seines Sandwiches weg und machte sich wieder auf den Weg nach Atlanta. Am folgenden Vormittag lenkte Bobby seinen Wagen auf den Parkplatz des Krankenhauses. Er stieg aus und war schon wieder über die hier herrschenden Temperaturen überrascht. Dabei meinte der Wettermoderator noch, dass es heute nicht so warm werden würde wie gestern. In Sioux Falls herrschte noch tiefster Winter und für die nächsten Tage war heftiger Schneefall vorausgesagt worden. Selbst Bloomington musste mit einem Wintersturm rechnen. Am liebsten wäre er zurückgefahren, doch Jody hatte ihm erklärt, dass sie ja wohl alleine damit klarkommen würde. Außerdem könnte sie der Sheriff dann nicht nerven. Er schloss die Tür des Pickup, atmete durch und betrat das Krankenhaus. „Guten Tag“, begrüßte er die Schwester an der Anmeldung. „Mein Name ist Robert Singer. Ich wurde informiert, dass mein Neffe, Daryl Dixon bei ihnen ist. Ich möchte ihn besuchen und mit dem behandelnden Arzt sprechen.“ Ihre Finger huschten über die Tastatur. „Ich informiere Dr. Stone. Bitte warten Sie in unserem Wartebereich“, bat sie nachdem sie die relevanten Informationen gefunden hatte. Bobby nickte. Er schaute sich nach einem freien Stuhl um, doch alle Sitzgelegenheiten waren besetzt. ‚Auch gut‘, dachte er sich, hatte er doch die ganze Zeit gesessen. Er holte sich einen Kaffee aus dem Automaten und lehnt sich an die Wand neben dem Eingang. Menschen kamen und gingen. Inzwischen hatte er seinen dritten Kaffee getrunken und einen Sitzplatz ergattert. Gerade warf er den dritten Becher in den Mülleimer, als ein Arzt in den Wartebereich trat. „Mr. Singer?“ Bobby erhob sich. „Der bin ich.“ „Bitte folgen Sie mir.“ Ohne darauf zu achten, ob Bobby das wirklich tat, eilte der Arzt den Gang entlang, bog um eine Ecke und betrat den Fahrstuhl. Zwei Etagen später verließ er ihn wieder, eilte auch diesen Gang entlang, bog zweimal ab und betrat sein Büro. Bobby folgte ihm wie ein Schatten und fragte sich, ob er aus dem Labyrinth auch wieder rausfand. Allerdings war der Weg zu Dean, vor inzwischen so vielen Jahren, noch verzwickter gewesen und er war Jäger mit einem hervorragenden Orientierungssinn. Also ja, er würde hier auch wieder rauskommen. Müde ließ sich Dr. Stone auf seinen Stuhl fallen und deutete Bobby mit einer kurzen Handbewegung an, sich ebenfalls zu setzen. „Sie sind Mr. Dixons Onkel?“ „Ja. Das Krankenhaus hat meine Partnerin informiert und ich bin so schnell wie möglich hergekommen. Wie geht es Daryl? Was ist passiert?“ „Mr. Dixons Wagen wurde von einem LKW gerammt. Er hat multiple Verletzungen erlitten.“  „Die da wären?“ Bobby musterte den Mann stumm und wartete auf weitere Erklärungen. Was würde jetzt kommen? Dean hatte nach dem Höllenhundangriff auch multiple Verletzungen. Diese Aussage konnte also alles und nichts bedeuten. „Er hat diverse gebrochene Rippen, eine Fraktur des Schlüsselbeins und des Beckens sowie eine Unterschenkelfraktur. Außerdem hat er einige kleinere Verletzungen der Halswirbelsäule. Jedoch nichts, was ihn auf Dauer einschränken würde. Es braucht nur Zeit, bis alles heilt und er wieder voll belastbar sein wird. Bedächtig nickte Bobby. „Was ist mit Merle? Weiß er Bescheid? Haben Sie versucht ihn zu erreichen?“ Die Müdigkeit auf dem Gesicht des Arztes wurde noch eine Spur ausgeprägter. „Merle Dixon saß auf dem Beifahrersitz. Er war nicht angeschnallt und wurde bei dem Unfall aus seinem Sitz auf seinen Bruder geschleudert, was dem wahrscheinlich das Leben rettete. Merle Dixon hatte da weniger Glück. Er verstarb noch an der Unfallstelle.“ Bobby schluckte. Merle war ein Säufer, ein Junkie und alles andere als gut für Daryl, aber er war alles, was der noch an Familie hatte. Daryl hing an seinem Bruder. Das würde hart werden. „Weiß Daryl ...?“ „Ja. Wir haben es ihm vor zwei Tagen erklärt.“ „Gut“, nickte der Jäger. Zumindest das musste er nicht mehr tun. „Hat Daryl gesagt, was mit Merles Leiche passieren soll? Hat er ihn noch einmal gesehen?“ „Nein. Er hat ihn nicht mehr gesehen und sich bezüglich einer Beerdigung auch noch nicht geäußert. Allerdings sollten sie das schnellstmöglich entscheiden. Lange können wir den Körper hier nicht mehr liegen lassen. Wir brauchen den Platz. Sonst müssen wir ihn der Stadt übergeben, damit die ihn ...“ Dr. Stone sah Bobby in die Augen. „Darum kümmere ich mich. Kann Daryl ihn noch einmal sehen?“  „Davon rate ich ab. Er sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie er war. Der Körper wurde durch den Unfall …“  Wieder nickte Bobby. Er hoffte, Daryl war so vernünftig. Dean würde sich damit nicht zufriedengeben. Der ... der hatte einen Pakt geschlossen, um Sam wieder ins Leben zu holen. Er schob den Gedanken beiseite. „Wie lange muss Daryl noch bleiben? Wann ist er transportfähig?“  „Ein familiäres Umfeld wäre sicher das Beste in dieser Situation. Zurzeit überwachen wir ihn noch durchgängig. In ein paar Tagen sollte einem Transport jedoch nichts mehr im Weg stehen, auch wenn ich Sie aus medizinischer Sicht bitten möchte, ihn lieber ein paar Tage länger hier zu lassen.“  „Ich habe noch etwas zu tun, sollte aber in zehn, vierzehn Tagen soweit sein, dass ich nach Hause zurückfahre. Dann würde ich ihn gerne mitnehmen, sollte er das wollen.“  „Ich entlasse ihn nur, unter Aufsicht. Er braucht die Unterstützung der Familie. Alleine würde er so nicht zurechtkommen. Der Beckenbruch braucht locker noch vier bis sechs Wochen, bevor er soweit stabil ist, dass er das Bein wieder vollständig belasten kann.“  „Gut“, nickte Bobby. „Einigen wir uns darauf, dass ich jetzt zu ihm gehe, mit ihm rede und ihn dann hoffentlich in zwei Wochen mitnehmen kann.“  Dr. Stone nickte ebenfalls und erhob sich. „Ich bringe Sie zu seinem Zimmer.“ Kapitel 151: It‘s alright to be a redneck ----------------------------------------- 151) It‘s alright to be a redneck „Hier ist es“, erklärte der Arzt und reichte Bobby die Hand, bevor er weiter ins Schwesternzimmer eilte. Bobby klopfte an die Tür und trat nach einem kurzen „Herein“ ein. Es war ein Dreibettzimmer. Die Männer in den vorderen Betten musterten ihn neugierig. Es passierte ja sonst kaum etwas Interessantes, als das nicht jeder Besucher eine Abwechslung bedeutete. Der junge Mann im hintersten Bett, dem an Fenster, reagierte gar nicht. Er erwartete keinen Besuch. Wer sollte auch kommen. Er hatte niemanden mehr. Den Blick weiterhin auf die dahingleitenden Wolken gerichtet, wartete er darauf, dass der Besucher begann, lautstark mit einem seiner Bettnachbarn zu reden, so wie es immer passierte. Stattdessen kamen die Schritte nach hinten und blieben vor den Fußende seines Bettes stehen. Verwundert drehte er den Kopf. Hatte er eine Untersuchung vergessen? Wollten sie ihn deshalb holen? Allerdings war es kein Arzt, kein Pfleger und keine Schwester, die neben seinem Bett stehen blieb und ihn anschaute. „Daryl?“, fragte Bobby leise und musterte den Jungen besorgt. Das eingegipste Bein war hochgelagert, das Gesicht schmaler, als er es in Erinnerung hatte. Außerdem zierten etliche Hämatome die Stellen seines Körpers, die nicht mit Verbänden oder Pflastern abgedeckt waren. „Onkel ... Bobby?“, brachte der Junge rau über die Lippen. „Woher?“ „Du hast meine Nummer als deinen Notfallkontakt bei deinen Papieren.“ „Oh“, überlegte Daryl. „Okay.“ Er kaute auf seiner Unterlippe. „Wie fühlst du dich?“, versuchte Bobby das betretene Schweigen nicht noch weiter auszudehnen und ein Gespräch anzufangen. Er hätte sich wirklich mehr um den Jungen kümmern müssen, egal wie sehr die Winchester-Brüder seine Aufmerksamkeit beschlagnahmten und Daryl jede Annäherung abblockte. Aber in den letzten Monaten war eins zum anderen gekommen und er nahm sich vor, mehr für Daryl da zu sein. Vor Allem jetzt. „Wie soll ich mich fühlen? Ich liege mir hier den Rücken wund!“ „Das wird wohl noch eine Weile so bleiben.“ Bobby deutete auf das Gipsbein. „Pfff“, machte Daryl. „Das kann ich auch woanders hochlegen.“ ‚Wie Dean‘, überlegte Bobby und schob den Gedanken beiseite. „Darüber wollte ich mit dir reden“, sagte er. Aufmerksam musterte Daryl den Jäger. „Und was wolltest du mir sagen?“ „Ich muss noch etwas erledigen. Dein Arzt sagte mir, dass du auf jeden Fall noch eine oder zwei Wochen bleiben sollst. Das passt ganz gut. Danach kannst du mit zu mir kommen.“ „Ich muss Merle beerdigen. Ich kann mir keine zwei Wochen faules Rumliegen leisten!“ „Das wird sich wohl nicht verhindern lassen“, Bobby deutete erneut auf das eingegipste Bein, „und um Merle kann ich mich kümmern. Du musst mir nur sagen, was mit seinem ... was mit ihm passieren soll.“ „Kipp ihn auf ´ne Müllhalde oder in ´ne Jauchegrube. Da gehört er hin!“ „Gut, dass du das endlich einsiehst“, erklärte Bobby trocken. „Willst du ihn vorher noch einmal sehen?“ „Willst du ihn herschleppen?“ Bobby verdrehte die Augen. „Dr. Stone meinte zwar, dass es besser wäre, wenn du ihn so in Erinnerung behältst, wie er war aber wenn du ihn noch einmal sehen willst? Ich kann mit dem Arzt reden und versuchen einen Rollstuhl zu organisieren.“ „Ich ...“, begann Daryl und schaute auf sine Bettdecke. Er wusste nicht, was er wollte. Woher auch? Schwankte er doch ständig zwischen Freude endlich nicht mehr Merles Anhängsel zu sein, nicht mehr von ihm herum kommandiert zu werden, nur um im nächsten Moment daran denken zu müssen, dass er wieder allein dastand, weil Merle wieder verschwunden war, dieses Mal endgültig und der Trauer nun auch noch das letzte Familienmitglied verloren zu haben. Wieder und wieder schalt er sich für diese Gedanken, für die Freude und die Trauer und doch konnte er nichts davon verdrängen. „Egal, wie du dich entscheidest. Ich rede mit dem Arzt“, erklärte Bobby. „Danach suche ich mir ein Zimmer und werde mich um die Beerdigung kümmern.“ Er wartete, bis Daryl ihn ansah. „Brauchst du etwas? Kann ich dir morgen etwas mitbringen?“ „Du kommst morgen wieder?“ „Ich komme morgen wieder! Keine Ahnung, wie lange das mit der Beerdigung dauert, deshalb will ich nichts versprechen, was ich so vielleicht nicht halten kann.“ Auch da war Daryl wie Dean, früher. Auch er musste lernen, dass es Menschen gab, die Versprechen einhielten, die es ehrlich mit ihm meinten. „Nein, ich ... Ich habe hier alles.“ „Gut, dann sehen wir uns morgen“, verabschiedete sich Bobby. Legte seine Hand kurz auf Daryls Bein und wandte sich dann dem Ausgang zu. Daryl blickte ihm kurz nach, dann drehte er den Kopf wieder zum Fenster und starrte auf die Wolken. Bobby würde nicht wiederkommen! Warum auch. Was sollte er mit so einem Redneck, mit so einem Krüppel wie ihm anfangen? In der Tür zur Treppe traf Bobby auf Dr. Stone. „Ist es möglich, dass Daryl seinen Bruder noch einmal sehen kann?“, wollte er wissen. „Ich werde mich gleich um eine Beerdigung kümmern, aber ich denke, er sollte die Möglichkeit haben, sich zu verabschieden.“ Der Arzt nickte kurz. „Ich reden mit der Oberschwester. Sie werden Unterstützung brauchen.“ „Danke Doktor“, entgegnete Bobby. „Bis morgen.“ Der Tag verging schnell, doch Bobby schaffte alles, was er sich vorgenommen hatte. Er fand ein Bestattungsunternehmen, das sich um die Beerdigung kümmern würde und er suchte sich ein Zimmer.  Abends telefonierte er mit Jody.  Noch im Einschlafen musste er lächeln, als er an ihre Frage: „Bringst du ihn mit?“, dachte. Er liebte diese Frau so sehr, dass er dachte, dass es nicht noch mehr werden könnte, und doch passierte genau das immer wieder. Sie war in sein Leben gestolpert und hatte es auf den Kopf gestellt. Seit Karens Tod war er nicht mehr so glücklich gewesen. Nicht auszudenken, dass sein Glück noch immer wuchs. Ja! Sie hatten das Glück endlich gefunden und er gedachte einen Teil davon an Daryl weiterzugeben. Der Junge musste nur zugreifen. Würde er das? Er hoffte es und er würde ihm mehr als nur eine Hand reichen. Bobby ließ sich an diesem Morgen richtig Zeit. Er frühstückte in Ruhe und fuhr dann zum Krankenhaus. „Guten Morgen“, grüßte er die Männer im Zimmer und ging zu Daryl. Der Junge starrte ihn mit großen Augen an. „Lust auf einen Ausflug?“, fragte er und musste innerlich über die großen, fragenden Augen lachen, mit denen er gemustert wurde. „An deiner Stelle würde ich „ja“ sagen. Keine Ahnung, wann du hier wieder rauskommst, wenn ich erstmal weg bin.“ „Du willst weg?“ „Das muss ich. Ich habe noch was zu tun, aber ich komme wieder her, bevor ich nach Sioux Falls zurückkehre.“ Daryl nickte nur und schaute wieder aus dem Fenster. Klar fuhr er wieder! Wer wollte schon ... Doch dann riss er sich los. Er schob diesen Gedanken beiseite. Bobby hatte etwas von einem Ausflug gesagt. „Wie stellst du dir diesen Ausflug vor?“, fragte er und deutete auf sein Gipsbein. „Das siehst du gleich“, erwiderte Bobby und ging zur Tür. Kaum hatte er sie geöffnet, kamen auch schon zwei Pfleger mit einem Rollstuhl herein, die Daryl von den Überwachungsgeräten befreiten und ihn in den Rollstuhl setzten. Sein Bein wurde vorsichtig auf die Schiene gelegt. Der dabei entstehende Schmerz ließ Daryl kurz die Luft anhalten. Doch was war der schon gegen die Aussicht, endlich mal hier raus zu kommen. Die Pfleger schoben ihn vor die Tür, dann übernahm Bobby. „Willst du zu Merle?“ „Jah“, krächzte Daryl. Er hatte lange mit sich gerungen, doch er wollte seinen Bruder noch einmal sehen, egal wie schlimm der Anblick wäre, also brachte Bobby ihn ins Leichenschauhaus. Daryl war noch immer kreidebleich, als Bobby ihn durch die Türen nach draußen in die Sonne schob. Bei der Autopsie hatten sie sich nicht wirklich Mühe gegeben Merles Verletzungen zu kaschieren. Der Arzt hatte Daryl und Bobby gewarnt, doch er musste seinen Bruder noch einmal sehen. Er musste wissen, dass er es wirklich war, der da lag, kalt und tot. Langsam schob Bobby den Rollstuhl den Weg entlang zu einer Bank, die unter einem Baum stand. Er stellte ihn neben dieser Bank ab, so, dass Daryl sein Gesicht in die Sonne halten konnte. „Danke“, sagte er leise. „Du hattest Recht. Ich hätte ihn besser nicht mehr gesehen, aber ich musste mich vergewissern, dass ...“ „Ich weiß“, sagte Bobby leise und war froh, dass Daryl nicht wusste, was andere wussten. Vielleicht wäre er ja auch so dumm. Doch nein. Merle war nicht Sam und Daryl nicht Dean und das Verhältnis der Dixon-Brüder nicht das seiner Jungs. Nichts, absolut nichts war hier mit den Söhnen von John Winchester zu vergleichen! Aber warum drängten sich ihm dann gerade jetzt diese Erinnerungen und Gedanken immer wieder auf? Bobby schaute zu Daryl. „Es gibt ein paar Sachen, die ich noch mit dir klären will, bevor ich fahre“, begann er. Der Junge musterte ihn aus schmalen Augen. „Willst du bei der Beerdigung dabei sein? Sie könnten ihn einäschern und dann warten, bis ich wieder hier bin.“ „Es ist dir wirklich ernst damit, wieder her zu kommen“, stellte Daryl leise fest. Bobby nickte nur. Natürlich war es das. „Nein. Nein, ich muss nicht dabei sein. Aber ich würde sein Grab gerne besuchen, wenn ... später.“ Wieder nickte Bobby nur, bevor er sich dem anderen Thema zuwandte. „Daryl! Du wirst mit dem Bein noch eine Weile ziemlich ... eingeschränkt sein. Gibt es einen Ort, an den du gehen kannst? Hast du hier jemanden, der dir in dieser Zeit helfen kann?“ Daryl ließ den Kopf hängen. Er hatte hier niemanden! Niemanden, der ihm in so einer Situation helfen würde. Warum musste Bobby in dieser Wunde herumstochern? „Daryl?“ Bobby ahnte, was in dessen Kopf vorging, doch er musste fragen. Er musste ihm einen Grund liefern ja sagen zu können, ohne sich bevormundet zu fühlen. Daryl schüttelte den Kopf. „Niemand der ... nicht so.“ „Ich würde dich gern mitnehmen, wenn ich wiederkomme. Überleg es dir. Du musst nicht bleiben und es wird auch kein fünf Sterne Hotel werden, aber du wirst Hilfe haben, wenn du sie brauchst. Du wirst Zeit haben, um darüber nachdenken zu können, wie es weitergehen soll, was du machen willst und wenn du gesund bist, wenn du unbedingt gehen willst, werden wir dich nicht aufhalten.“ „Du hast immer wieder von mitnehmen gesprochen, aber nie von wir ... früher“, sagte Daryl leise. „Weil es bist jetzt kein wir gab“, erklärte Bobby ruhig. „Und wer ist wir? Weiß wir, dass du jemanden anschleppst? Einen Redneck, der zu nichts taugt? Will dieses wir so einen wie mich im Haus haben?“ „Du wirst es nicht glauben, aber dieses wir hat schon gefragt, ob ich dich mitbringe. Dieses wir wird dich überraschen. Dieses wir heißt übrigens Jody und ist schon mit ganz anderen Herausforderungen klargekommen.“ „Wer ist sie? Mutter Theresa?“ „Mutter Theresa ist tot!“, erklärte Bobby leise, bevor er Daryl ansah. „Jody ist jemand, der Hilfe bekam, als er sie dringen brauchte. Ich habe sie als warmherzigen, zupackenden Menschen kennengelernt. Sie weiß mit Schwierigkeiten umzugehen. So schnell haut sie nichts um. Du wirst sie mögen!“ „Ich habe noch nicht ja gesagt!“ „Naja. Eine Reise im Pickup und ein paar Wochen verwöhnen lassen gegen weiterhin Krankenhausalltag und Krankenhausfraß. Was gibt es da abzuwägen?“ Daryl musterte Bobby wortlos, bevor er wieder geradeaus blickte. „Und wo wir gerade von Essen sprechen. Ich habe Hunger und du?“ „Hier gibt es nur Krankenhausfraß, wie du so schön sagst“, erklärte Daryl. Um nichts wollte er jetzt zugeben, dass er es genoss jeden Tag drei Mahlzeiten zu bekommen, egal wie die schmeckten. „Nicht weit ist eine Burger-Bude“, Bobby deutete nach rechts, „oder so ein neumodischer Street-Food-Stand.“ Jetzt deutete er nach links. „Gebratene Nudeln, Falaffel, Reisbällchen, Sushi.“ „Burger und `ne Cola würden mir schon reichen“, gestand Daryl. Bobby nickte. Er stand auf und schob den Rollstuhl nach rechts. Pappsatt ließ sich Daryl gegen die Lehne fallen. Zufrieden strich er sich über seinen Bauch. Bobby musterte ihn lächelnd. ‚Wie Dean‘, schoss es ihm durch den Kopf. „Ich glaube, ich könnte jetzt einen Mittagsschlaf vertragen“, ließ sich Daryl hören. „Dann bringe ich dich zurück.“ Bobby brachte ihren Müll weg und brachte Daryl zurück. „Wann willst du los?“, fragte der, als er wieder im Bett lag und die Pfleger mit dem Rollstuhl verschwunden waren. „Morgen früh.“ „Fahr vorsichtig und Bobby? Danke!“ „Gern gesehen, Daryl. Bis in zwei Wochen. Spätestens!“ Bobby verließ das Krankenhaus und fuhr in sein Motel. Wie gerne hätte er Daryl schon jetzt mitgenommen. Der Blick des Jungen sprach Bände. Doch das brachte nichts. Er würde nur im Motel rumliegen. Obwohl selbst das für ihn schon mehr wäre als das Krankenhaus. Egal. Er fuhr morgen nach Texas, traf sich mit Rufus und würde zusehen, dass er dieses Lager so schnell wie möglich räumte. Bis dahin hatte Daryls Bein Zeit weiter zu heilen und er konnte sich in aller Ruhe entscheiden, wie es weitergehen sollte. Hosted by Animexx e.V. 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