Mephisto von lunalinn (denn sie wissen nicht, was sie tun) ================================================================================ Kapitel 7: Besser du rennst --------------------------- Hunger…er hatte solchen Hunger. Er wollte laufen, rennen, den Boden unter seinen Pranken spüren und die Welt an sich vorbeiziehen sehen. Er wollte zerreißen, zerfetzen, beißen…in das zarte Fleisch. So groß war sein Hass auf diese Gestalten, die sich Menschen nannten. Oh so unbeschreiblich groß…und er übernahm die Kontrolle, wann immer er konnte. Viel zu selten…so selten kam er heraus, doch er wusste, seine Zeit würde kommen. Er spürte die Präsenz des roten Mondes bereits…und er wusste, dass er irgendwann frei sein würde. Frei aus diesem Gefängnis, das ihn seiner Gelüste beraubte. Nicht mehr lange und er würde seine Fänge und Krallen in das Fleisch dieser Unwürdigen schlagen…nicht mehr lange… „Oi, Nii-chan!“ Die krampfhaft geschlossenen Lider öffneten sich schlagartig, als die ihm nur zu vertraute Stimme ertönte und er fuhr hoch, erhob sich aus der liegenden Position, in der er sich soeben noch befunden hatte. Die himmelblauen Augen waren geweitet, er spürte sein Herz in seiner Brust rasen und den Schweiß von seiner Stirn tropfen. Es knirschte, als sein Kiefer malmte, während sich seine gebräunten Finger in das Gras verkrallten, in dem er saß. Die unheimliche Stimme in seinem Kopf war verstummt…stattdessen hörte er hektische Schritte, sah einen Jungen im Alter von zwölf Jahren auf ihn zu rennen. Er musste sich beruhigen, zwang sich zu einem schiefen Grinsen, als der Junge vor ihm zum Stehen kam. „Hey, hast du etwa geschlafen, Naruto-nii-chan?! Das gibt’s doch nicht!“, plusterte sich der Knirps auf und der angesprochene Blondschopf erhob sich langsam. Geschlafen…eigentlich hatte er nur ein wenig gedöst, nachdem er am Wasserfall trainiert hatte. Diese Albträume wurden immer schlimmer, suchten ihn sogar schon tagsüber heim, doch er ließ sich nichts davon anmerken. „Mecker nicht so rum, du Giftzwerg!“, erwiderte er bloß und gähnte einmal, wich dem Blick des Jungen aus. „Was fällt dir ein?! Ich bin der Enkel des ehrenwerten Shogun, du Blödmann!“ Narutos Augenbraue zuckte einmal, ehe er ausholte und dem ehrenwerten Enkel eine Kopfnuss verpasste, die diesen zum Aufjaulen brachte. „Au! Spinnst du?! Was sollte das denn?!“, regte sich dieser auf und der Blonde schnaubte. „Selbst schuld! Du bist viel zu frech, Konohamaru! Und überhaupt…ich dachte, der Opa hätte dir verboten, dich mit mir abzugeben?“ Es war kein Geheimnis, dass der Waisenjunge mit den wild abstehenden Haaren schlechter Umgang war. Ein vom Dämon besessenes Kind nannten sie ihn und er erinnerte sich noch gut daran, wie sie versucht hatten, ihm dieses angebliche Monster auszutreiben. Sie hatten ihn in geweihtem Wasser ertränken wollen, hatten ihn fasten lassen, um ihn innerlich zu reinigen…doch eigentlich war es bloß Folter gewesen und am Ende hörte er die Stimme immer noch. Mittlerweile redete er nicht mehr darüber, schließlich war er durch seine Mutter, die man aufgrund ihrer roten Haare eine Hexe genannt hatte, schon genug in Verruf geraten. Nicht, dass er ihr die Schuld dafür gab, doch er brauchte nicht noch mehr Schwierigkeiten. „Das war gar nicht Jii-san, sondern seine blöden Berater!“, moserte der Jüngere und verschränkte die Arme. Naruto schnaubte leise, musste ihm aber wohl Recht geben; der Shogun hatte seinen Vater sehr geschätzt, auch nachdem dieser eine Hexe geschwängert hatte. Bei seiner Geburt waren seine Eltern ums Leben gekommen, auch wenn ihm niemand etwas über die genauen Umstände sagen wollte. Sarutobi Hiruzen, der Shogun, hatte ihn in den ersten Jahren unter seine Fittiche genommen, aber irgendwann hatte die Hetze gegen ihn überhandgenommen, so dass er nicht mehr sicher gewesen war. Aus diesem Grund hatte ihn der Alte aus der Stadt verband und ihn angewiesen, in den Wäldern Schutz zu suchen. Tatsächlich kam es nun viel seltener vor, dass man ihm hinterherrannte und ihn mit Steinen bewarf. Dennoch war sein Schicksal bitter, denn es verdammte ihn zur Einsamkeit…auch wenn Konohamaru ihn immer noch heimlich besuchte. „Ja, ja…erzähl mir lieber, was es Neues gibt!“ Der Kleine legte den Kopf auf die Seite und musterte ihn nachdenklich, ehe er wieder den Mund aufmachte. „In den umliegenden Dörfern sind schon wieder Frauen überfallen worden! Man redet von einem Monster!“ Dieser Begriff ließ Naruto merklich schaudern, denn er dachte sofort wieder an das Ding, dessen Stimme ihn verfolgte und quälte. Manchmal sah er es sogar in seinen Träumen…es hatte Ähnlichkeit mit einer Katze oder einem Hund…und es besaß rötliches Fell. Rot…wie die Haare seiner Mutter es gewesen waren und er schluckte hart. „Die meinen, dass du das gewesen wärst“, nuschelte der Junge und blickte nervös zu ihm auf. „Aber ich glaube das natürlich nicht! Die sind doch doof!“ Manchmal war Naruto nicht sicher, ob nicht etwas an den Anschuldigungen dran war – immerhin dämmerte er öfter mal weg und fand sich dann an fremden Orten wieder. Nicht selten klebte dann Blut an seinen Händen und seiner Kleidung…einmal hatte er den eisenhaltigen Geschmack sogar in seinem Mund wahrgenommen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, doch er erinnerte sich nie. „Schwachsinn!“, murrte er nur, wollte Konohamaru nicht verschrecken. „Genau! Die haben ja nicht mal Beweise! Aber…ich würde mich trotzdem von den Menschen hier in der Umgebung fernhalten…manche sind ziemlich…wütend.“ Naruto konnte nicht bestreiten, dass er nicht schon mal in die Frauenbäder gespäht hatte. Er war jung und neugierig auf das weibliche Geschlecht, doch niemals hätte er einer Frau Gewalt angetan. Er nicht…doch was war mit dem anderen? War er in der Lage, eine Frau auf solche Weise zu schänden? Allein der Gedanke löste Übelkeit in ihm aus, denn er verabscheute das, was der Unbekannte diesen Mädchen tat. Nein, selbst wenn er nicht bei sich war, er würde niemals eine Frau gegen ihren Willen anfassen! Geschweige denn sie blutig kratzen und beißen…nein! „Ist gut…danke für den Tipp, Kleiner!“ Er grinste gespielt fröhlich und wuschelte ihm durchs Haar, woraufhin der Jüngere zurückgrinste. „Schon gut“, meinte er und winkte ab. „Bring mir lieber ein paar neue Kampftechniken bei! Los!“ „Sei nicht so unverschämt, du Rotznase!“ „Ich bin keine Rotznase, du Blödmann!“ Nun…vielleicht war er ja wirklich schlechter Umgang, schoss es Naruto in den Sinn, als er Konohamaru lachend die Zunge rausstreckte. Doch besser ein liebenswerter Unruhestifter als ein herzloses Monster. Es entging Kisame nicht, dass ihm das Teufelskind in den nächsten Tagen noch viel konsequenter aus dem Weg ging. Ob er etwas Falsches gesagt hatte, wusste er nicht, er konnte auch nicht nachfragen, da er jedes Mal direkt abgeblockt wurde. Itachi kam, sah nach seinen Wunden und kümmerte sich darum, dass er Nahrung und Wasser hatte. Dann verschwand er wieder in den Wäldern und allmählich begann dieses Verhalten an Kisames Nerven zu kratzen. Er war ein recht gesprächiger Typ und gerade in seinem angeschlagenen Zustand, in dem er weitgehend zur Untätigkeit verdammt war, langweilte er sich schnell. Sicher, er hätte ihn schlimmer treffen können und er wollte sich nicht beklagen, aber ein wenig Gesellschaft wäre ihm ganz recht gewesen. Vor allem da er nicht mal einen Bruchteil seiner offenen Fragen hatte stellen können. Fragen, die ihn schon seit jenem Tag beschäftigten, und nun hatte er endlich die Gelegenheit auf Antworten. Ein tiefes Seufzen entwich ihm, während er den Blick durch die Hütte schweifen ließ…und einen Entschluss fasste. Zwar sollte er es, auch laut dem Rat des Teufelskindes, ruhig angehen lassen und in der Nähe der Hütte bleiben, doch sein Kreislauf musste langsam wieder in Schwung kommen. Wenn er sich die ganze Zeit nur ausruhte, würde es umso schwieriger werden, wieder in Form zu kommen. Seinem Bein ging es sehr viel besser und sein Rücken würde durch einen Spaziergang nicht beeinträchtigt werden. Er stemmte sich hoch, streckte sich vorsichtig, ehe er seinen Unterschlupf verließ und hinaustrat. Durch die grünen Baumkronen bahnte sich goldenes Sonnenlicht, das warm auf seine Haut traf. Ein paar Vögel zwitscherten über ihm, doch einen Raben konnte er diesmal nicht entdecken. Vielleicht war er diesbezüglich ein bisschen paranoid geworden, doch wenn man bedachte, was bisher alles geschehen war, konnte man ihm das wohl nicht verübeln. Mit dem Schuhwerk, das Itachi ihm auf seine Bitte hin mitgebracht hatte, war es gleich viel angenehmer, seine Umgebung zu erkunden. Eigentlich besaß Kisame eine ausgeprägte Orientierung, doch in diesem Wald wollte er sich nicht darauf verlassen. Es war ihm vor einigen Tagen, als er sich zum See aufgemacht hatte, nicht sofort aufgefallen. Vermutlich, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz aufnahmefähig gewesen war, aber die Pflanzen in diesem Gebiet erschienen ihm größer, als es normal gewesen wäre. Vor allem die Bäum besaßen eine imposante Höhe und Breite, wie Kisame sie noch nie zuvor gesehen hatte. An manchen Stellen waren ihre Blätterkronen so gewaltig, dass kein Licht hindurchfiel…genau genommen, je weiter er sich vorwagte. Es kam ihm so vor, als würde es um ihn herum immer stiller werden, selbst die Laute der Vögel verstummten allmählich. Da waren keine Pfade, die ihm einen Weg hätten weisen können oder ihm ein wenig Orientierung vermittelt hätten. Wie hatte er beim letzten Mal so einfach den See finden können? Vermutlich Glück…und wo er gerade darüber nachdachte, fiel ihm noch etwas ein; wie hatte Itachi es nur geschafft, ihn an diesen Ort zu bringen? Bei seinem Gewicht konnte das alles nicht mit rechten Dingen zugehen – andererseits sollte ihn das wohl nicht wundern. Kisame schnaubte leise, spürte, wie die Erschöpfung an ihm zu nagen begann; vielleicht sollte er umkehren und dabei hoffen, dass er sich nicht verlaufen würde. Wenn das Teufelskind ihn nicht in der Hütte vorfand, würde es ihn möglicherweise suchen…und sei es nur, um ihm erneut mitzuteilen, dass er hier nichts verloren hatte. „Wenn du da lang gehst, verirrst du dich noch tiefer.“ Kisame fuhr herum, als er die fremde Stimme vernahm. Schnarrender als die des Teufelskindes mit einem seltsamen Unterton darin. Im spärlichen Licht des Waldes fiel es ihm schwer, jemanden zu entdecken. Erst jetzt fiel Kisame ein, dass er keine Waffen bei sich trug – und er schalt sich innerlich für seine Fahrlässigkeit. „Zeig dich!“, forderte er seinen unerwarteten Beobachter auf. Ein paar Sekunden blieb es still, niemand antwortete ihm und Kisame verengte die Augen, ließ den Blick schweifen. „Schau doch einfach mal nach oben.“ Kisame folgte der Aufforderung, kaum dass er sie vernommen hatte – und kurz war er wie erstarrt. Er wusste nicht, mit was er gerechnet hatte, doch sicher nicht mit einem zweiten Teufelskind. Zumindest vermutete er das, denn der Junge, der dort oben auf einem Ast saß, wies eine unverkennbare Ähnlichkeit zu Itachi auf. Es waren dieselben schwarzen Augen, wenngleich in ihnen ein ganz anderer Ausdruck lag – nämlich pure Verachtung. Ein Blick in das durchaus hübsche Gesicht des Jungen, den er um die 16 Jahre schätzte, machte deutlich, was dieser von ihm hielt. Seine schwarzen Haare waren kurz geschnitten und wirkten ein wenig struppig, die schmalen Lippen hoben sich im Vergleich dazu kaum von seiner blassen Haut ab. Er trug sein Gewand recht offen, so dass man die fein definierte Brust sehen konnte, und eine Art blauen Rock, der von einem groben Strohseil gehalten wurde, über der schwarzen Hose. Kisames Blick blieb kurz an dem Katana hängen, welches an der Hüfte des Jungen festgemacht war, ehe er ihm wieder in die Augen schaute. „Menschliche Sinne sind wahrlich erbärmlich.“ Wenn er bis eben noch an der Verwandtschaft zu Itachi gezweifelt hatte, so hatte sich dies wohl erledigt. Kisame verengte die grünen Augen, während er dem Blick des vorlauten Bengels standhielt. „Anscheinend hat man dir keine Manieren beigebracht, Junge“, erwiderte er und traf damit einen Nerv. Zumindest verfinsterte sich die Miene des Fremden bei seinen Worten und Kisame wunderte es nicht einmal, als sie für Sekunden rot aufglommen. „Pass besser auf, was du sagst…“, wurde er gewarnt. „Aus diesem Wald sind bisher nicht viele lebend zurückgekehrt.“ Kisame vermutete mal, dass dies unter anderem an dem Monster, das Itachi aufgezogen hatte, lag. Vielleicht sollte er froh sein, dass er nicht auf diesen Mann getroffen war, sondern es nur mit einem halben Kind zu tun hatte. „Ich suche jemanden“, teilte er ihm mit, ohne auf die Drohung einzugehen. „Vielleicht kannst du-“ „Ich weiß genau, wen du suchst“, fiel ihm der Junge scharf ins Wort. „Kehr um und verschwinde von hier!“ Nun, das war eine deutliche Antwort. Da der Junge mit großer Wahrscheinlichkeit mit Itachi verwandt war, gab es sicher Gründe für sein unverschämtes Verhalten. Trotzdem ärgerte es den Hünen, denn schließlich bemühte er sich, die abfälligen Bemerkungen zu ignorieren. Er hatte kaum zum Sprechen angesetzt, da sprang der Junge von seinem Ast, landete aber direkt vor ihm auf den Füßen. Seine Hand legte sich direkt an den Griff des Katanas, wobei sich seine Iriden blutrot färbten. „Merk dir eines“, begann sein Gegenüber mit schneidendem Ton. „Ich bin nicht so nachsichtig wie mein Bruder. Bleib und ich werde dich töten.“ Kisame starrte ihn an, nahm die Information zwar auf, doch seine Augen hefteten sich auf die Finger des Jungen, die sich um den Griff schlossen. Geschwister waren sie also – und er wusste direkt, welchen Bruder er sympathischer fand. Nach dieser Ansage war es wohl besser, wenn er tatsächlich verschwand – andererseits wäre das auch ziemlich feige. Kisame atmete durch, versuchte die aufkeimende Wut zu unterdrücken und es ruhig angehen zu lassen. Sicher, das war nur ein Halbwüchsiger, doch Itachi hatte mit 13 Jahren bereits beängstigende Fähigkeiten gehabt und er hatte keine Ahnung, wie stark diese bei dessen Bruder ausgeprägt waren. Daher hob er beschwichtigend die Hände, in der Hoffnung, der andere würde ihm zuhören. „Hör mal, Junge, ich habe nicht vor-“ Kisame konnte nicht mal den Satz zu Ende bringen, da der andere in dieser Sekunde das Katana aus der Scheide zog und auf ihn zu preschte. Nein, der hielt nichts von leeren Drohungen, doch Kisame fasste sich schnell genug, wich dem Angriff seitlich aus und packte den Jungen am Handgelenk. Vielleicht war der Kleine schnell und besaß unheimliche Fähigkeiten, aber der Hüne verfügte über genügend Kampferfahrung und zudem über die Kraft, Knochen zu brechen. Das Katana fiel dem Jungen zwar durch den schmerzhaften Druck aus der Hand, jedoch musste Kisame die linke Faust abfangen, die auf sein Gesicht zuraste. Hass pulsierte in den roten Augen, ließ keinen Zweifel, dass der Junge darauf brannte, ihn umzubringen. „Du machst mich langsam wirklich wütend, Junge!“, grollte er erzürnt und ohne ihn loszulassen. Ein viel zu berechnendes, kühles Lächeln legte sich auf die schmalen Lippen und es machte Kisame stutzig, dass er sich nicht sonderlich wehrte. „Zeigst du also endlich dein wahres Gesicht, ja?“ Wie Gift wurden ihm die Wörter entgegen gespuckt und der Hüne musste sich zusammennehmen, um ihm keine zu verpassen. Wer wurde hier denn die ganze Zeit beleidigt und sogar angegriffen? Dieses Balg wagte es allen Ernstes, ihn als den Bösen hinzustellen? „Letzte Chance“, wurde er angezischt. „Lass mich los und verschwinde!“ Sollte das ein schlechter Scherz sein? Er quetschte die Handgelenke so fest zusammen, dass der Junge das Gesicht verzog. „Jetzt pass mal auf, du-“ Im Nachhinein konnte Kisame kaum beschreiben, was passiert war. Er spürte nur, wie sich der Schmerz mit einem Schlag in seinem gesamten Körper entlud und ihn der Schock darüber lähmte. Ein unkontrolliertes Zucken befiel ihn und er klappte zusammen, blieb hektisch atmend auf dem Boden liegen. Nicht mal seine Zunge wollte ihm gehorchen, während er sich zusammenkrümmte und nach Luft schnappte. Was zur Hölle…? „Ich hatte dich gewarnt.“ Er bekam aus den Augenwinkeln verschwommen mit, wie sich der Junge in aller Seelenruhe nach seiner Waffe bückte und diese aufhob. Keuchend grub er die Finger ins Gras, versuchte sich zu beruhigen, doch sein Herz raste. Teufelskräfte. Zweifellos. „Aber du wolltest nicht auf mich hören“, fuhr das Balg fort und trat ihm nicht gerade zimperlich in die Seite. „Mein Bruder mag ja dem Irrtum erliegen, dass man dir trauen kann…“ Kisame kniff kurz die Augen zusammen, bemüht, sich zusammenzunehmen; andernfalls würde er gleich Bekanntschaft mit der scharfen Klinge machen. Der Junge meinte das hier bitterernst. „…aber das Risiko gehe ich nicht ein. Das war’s dann.“ Kisame reagierte so schnell, wie es in seiner Situation ging, als er dem anderen mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, gegen die Beine trat. Es reichte, um ihn zu Fall zu bringen, da er wohl nicht damit gerechnet hatte. Das Gefühl kehrte glücklicherweise in seinen Körper zurück, wenn er auch immer noch benommen war. „Du verdammter…!“, hörte er den Jungen zischen, der sich sofort wieder aufrappelte und nach seinem Katana greifen wollte. Kisame warf sich regelrecht auf ihn, presste ihm mit seinem Gewicht die Luft aus den Lungen. Ihm war so übel, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen – nur würde ihn das nicht retten. Was auch immer das Balg vorhin getan hatte, tat er es noch einmal, wäre es das für ihn, so dass er ausholte, um auf ihn einzuschlagen. Ein lautes Krächzen ließ ihn zuckend innehalten und auch der Junge unter ihm erstarrte. Flügelschlagen drang an seine Ohren und er stockte, als ihn etwas an der Wange traf. Ein feines Rinnsal Blut sickerte langsam über diese, lenkte ihn ausreichend ab, so dass ihn der Junge von sich schubsen und Abstand zu ihm gewinnen konnte. Der schwarze Vogel zog seine Kreise über ihnen beiden, ehe er an Kisame vorbei schoss und sich auf der Schulter seines Besitzers niederließ. Eigentlich hatte sich der Hüne die ganze Zeit erhofft, das Teufelskind zu finden – in diesem Moment war er nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte. Itachis rote Augen funkelten ihn auf eine Weise an, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Es schien beinahe so, als würde die Luft um ihn herum flimmern. Seine Schritte waren kurz und zügig, die Fäuste an der Seite geballt und seine gesamte Haltung gespannt wie die Sehne eines Bogens. Dermaßen zornig hatte Kisame ihn noch nie gesehen – und er hätte auch gut darauf verzichten können. „Steh auf, Sasuke.“ Seine Stimme hatte jegliche Sanftheit verloren, als er sich an seinen Bruder wandte, und der Hüne war schlichtweg erleichtert, dass er selbst nicht Flammen aufging. Sasuke hieß das Balg also…und eben dieser erhob sich nun, erwiderte den glühenden Blick seines Bruders nicht minder wütend. „Was denkst du, was du hier tust?“ Es klang nicht mal wie eine Frage, sondern mehr wie ein Vorwurf, woraufhin Sasuke abfällig schnaubte. „Wonach sieht es denn aus?“ Itachi verengte seine roten Augen, so dass sie deutlich schmaler wirkten, was seinen Bruder aber nicht sonderlich zu beeindrucken schien. Gut, sie waren Familie, aber dennoch fand Kisame diese Seite an dem Teufelskind unheimlich. So offen gezeigter Zorn wollte nicht zu ihm passen. „Ich hatte dich angewiesen, ihm fernzubleiben.“ „Ja, solange, wie du dich mit ihm in dieser Hütte verschanzt“, knurrte Sasuke uneinsichtig. „Ihm scheint es gar nicht so schlecht zu gehen…das eben ist dir nicht entgangen, oder?“ „Es reicht.“ „Ach ja?! Meinst du wirklich?!“ Kisame sah von einem zum anderen, hielt es jedoch für besser, sich nicht in dieses Gespräch einzumischen. Dass keine Funken sprühten beziehungsweise Flammen hoch loderten, erschien ihm wie ein Wunder. Noch wusste der Hüne nicht, ob es positiv war, dass Itachi ihn inzwischen keines Blickes mehr würdigte. „Du bringst diesen Kerl hierher, kümmerst dich um ihn…verdammt noch mal, Nii-san! Es ist sieben Jahre her! Du kennst diesen Typen kaum! Hast du alles vergessen?!“ Das Feuer in Itachis Augen flackerte bei diesen Worten und man merkte ihm an, dass es ihn traf, auch wenn er sich sofort wieder fasste. Einige Sekunden erwiderte er den Blick seines Bruders stumm, dann färbten sich seine Iriden wieder schwarz. Kisame fand, dass er plötzlich einen sehr erschöpften Eindruck machte und es schien auch Sasukes Wut zu dämmen. Vermutlich waren ihm die Worte rausgerutscht, so dass ihm erst jetzt auffiel, was sie bewirkten. „Ich werde nie vergessen, Sasuke“, gab der ältere Uchiha matt zurück. Kisame bemerkte, dass sein Bruder etwas sagen wollte, sich schließlich aber nur auf die Unterlippe biss. „Ich habe dir bereits erklärt, dass ich eine Schuld begleiche...er wird diesen Wald bald verlassen. Ich möchte, dass du das akzeptierst.“ So trotzig, wie Sasuke seinen Bruder anblickte, wirkte er viel kindlicher als zuvor. „Du bist zu weich“, murrte er, doch auch seine Augen verloren den roten Farbton langsam. „Zu gutmütig. Das warst du immer – und der da hat das nicht verdient!“ Ein verächtlicher Blick wurde ihm zuteil und Kisame spürte erneut die Wut in sich hochkochen. Nein, er konnte dieses Balg kein bisschen leiden, auch wenn er wohl erkannte, dass er sich um Itachi zu sorgen schien. Zwar auf eine sehr extreme Art und Weise, aber angesichts dessen, was in der Vergangenheit passiert war… „Das hat damit nichts zu tun“, erwiderte Itachi ruhig aber bestimmt. „Geh jetzt. Wir reden später darüber.“ Sasuke sah nicht so aus, als wollte er sie beide allein lassen, doch er erkannte, dass sein Bruder ihm keine Wahl lassen würde. Zumindest blickte er ziemlich zerknirscht drein, atmete dann genervt aus. „Von mir aus…“ Er schob sein Katana wieder in die Scheide zurück, ehe er ihnen den Rücken kehrte. Bevor er allerdings verschwand, warf er ihnen noch mal einen Blick über die Schulter zu. „Vergeude nicht zu viel Zeit mit ihm. Ich warte auf dich.“ Itachi nickte bloß, sah ihm nach, bis er aus ihrer Sicht verschwunden war. Tief ausatmend streichelte er dem Raben, der noch immer auf seiner Schulter thronte, zärtlich durch das schwarze Gefieder. Das Tier krächzte und pickte einmal nach den losen Haarsträhnen, bevor es sich abstieß und davon flog. Kisame räusperte sich, kam, immer noch etwas wacklig auf die Beine, was dem Teufelskind nicht entging, so abschätzend, wie er gemustert wurde. Es war schwer zu sagen, ob er ihm noch zürnte, aber das würde er wohl gleich herausfinden. „Um das richtigzustellen“, fing er an, als Itachi nichts sagte. „Der kleine Mi…dein Bruder hat mich zuerst angegriffen. Er hat irgendwas gemacht…so wie du damals, aber trotzdem anders! Ist schwer zu beschreiben…aber ich konnte mich nicht mehr bewegen, war wie gelähmt! Ich musste mich verteidigen, bevor er mich noch mal umzubringen versucht!“ Itachi hob eine Braue, maß ihn mit einem schwer zu deutenden Blick. Glaubte er ihm? Schließlich hatte er seinen Bruder vorhin in die Schranken gewiesen, anstatt ihn in Flammen aufgehen zu lassen…das war positiv, nicht wahr? „Mag sein“, gab Itachi schließlich ernst zurück. „Trotzdem werde ich so etwas kein zweites Mal dulden. Du hättest die Hütte gar nicht verlassen sollen.“ „Konnte ja schlecht vorher wissen, dass dein Bruder so darauf brennt, mich umzubringen…“, gab der Hüne sarkastisch zurück. Itachis Blick verfinsterte sich daraufhin, doch seine Äußerung schien nicht der Grund dafür zu sein. Jedenfalls nicht ausschließlich. „Auch er hat viel durchgemacht…und er war wesentlich jünger als ich“, verteidigte er Sasuke. „Ich heiße nicht gut, was er getan hat, aber solltest du jemals wieder versuchen, Hand an ihn zu legen, wirst du das bereuen.“ Kisame verbiss sich einen entsprechenden Kommentar, auch wenn er seinen Zorn herunterschlucken musste. Ausnahmsweise war er sich wirklich keiner Schuld bewusst, doch Itachi machte nicht den Anschein, als würde er darüber diskutieren wollen. „Ist angekommen“, brummte er deswegen. „Auch wenn ich nicht verstehe, warum du so viel Verständnis für ihn hast. Ist nicht so, als hättest du nicht viel Scheiße erlebt, oder?“ Itachi presste kurz die Lippen aufeinander und Kisame bereute fast, es angesprochen zu haben. Es musste unnagenehm sein, daran erinnert zu werden. Kisame war dabei gewesen, er hatte es mitangesehen, doch er selbst war nicht auf einen Altar geschnürt worden. „Folge mir“, lenkte der Uchiha ein, ohne darauf einzugehen. „Ich bringe dich zurück zur Hütte…du kannst doch laufen?“ Der Hüne stutzte, wollte schon leichtsinnig bejahen, doch dann verstand er, warum Itachi fragte. Natürlich kannte er Sasukes seltsame Kräfte und ihm war sicherlich nicht entgangen, dass Kisame immer noch etwas zittrig war. Es würde schon gehen… „Ja, keine Sorge“, wiegelte er daher ab. Itachi schien das zu reichen, auch wenn sein Blick skeptisch blieb, doch er fragte kein weiteres Mal. Wortlos folgte Kisame dem Teufelskind, auch wenn er nun noch mehr Fragen als zuvor hatte, aber er würde geduldig sein…und abwarten. „…denkst du nicht, du solltest langsam akzeptieren, dass er tot ist?“ Der junge Mann schnaubte, während er einen Stein über die Wasseroberfläche springen ließ, dem leisen Plätschern lauschte. Ein Seufzen erklang neben ihm und er hörte ein Rascheln, das bedeutete, dass sich die junge Frau neben ihm nieder ließ. Der Steg war zwar schmal, doch zwei Personen passten auf diesen, so dass sie nebeneinander sitzen konnten. Eigentlich wollte er keine Gesellschaft, von ihr schon gar nicht, immerhin war sie einverstanden damit, dass man Kisame so einfach abschrieb. Sie hatte nicht widersprochen, als Nagato seine Entscheidung getroffen hatte. „Er ist nicht tot.“ Davon war er überzeugt. Jemand wie Kisame würde sich nicht einfach so töten lassen, auch wenn es hoffnungslos aussah. Doch keiner hörte ihm zu, niemand teilte seine Meinung oder es war ihnen egal. Nagato war es nicht wichtig, immerhin hatte er noch mehr Leute, die ihn ersetzen würden…als ob irgendjemand Kisame würde ersetzen können. Sasori und Deidara scherte es auch nicht, die stritten lieber über ihre albernen Ansichten von Kunst, als einen Kameraden zu suchen. Kakuzu dachte wie immer nur an die Einnahmen, Hidan verspottete ihn als Weichei, von wegen er sollte es wie ein Mann nehmen...wenn wenigstens Zabuza und Haku aus dem Gebirge zurückkommen würden… Zabuza war ein alter Freund von Kisame, die beiden schätzten einander und sicher hätte dieser ihn unterstützt. Oder er hätte Kisame zumindest Respekt gezollt, Suigetsu auf die Schulter geklopft und ihm damit seine Art des Trosts gespendet. Das hätte wenigstens ein bisschen geholfen, sein Schuldbewusstsein zu schwächen, aber so…fühlte er sich wie das Letzte. „Suigetsu…es ist nicht möglich, dass er den Kriegern entkommen ist. Du hast selbst gesagt, die Brücke wurde gekappt.“ Er blickte auf, sah in Konans Bernsteine, welche ihn ruhig und mit einer Spur Bedauern fixierten. Sie teilte Nagatos Meinung, das hatte sie immer getan und auch, wenn es vielleicht unfair war, weil er die Beziehung der beiden nicht genau kannte, verurteilte er sie dafür. Dafür dass sie ihm folgte wie ein Schatten und ihm nicht mal die Einsamkeit gönnte. „Was weißt du schon“, brummte er stur und sah wieder aufs Wasser, flippte einen zweiten Stein auf die Oberfläche und sah ihm beim Tanzen zu, bis er schließlich versank. „Ich weiß, wie schwer es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren.“ Ihre samtene Stimme klang schwer und er vernahm die Traurigkeit darin, wollte erst nachfragen, doch dann sagte er sich, dass das nicht seine Sache war. Wen auch immer Konan betrauerte…wen sie verloren hatte, es sollte ihm gleich sein. Er hatte mit sich selbst zu kämpfen und so blieb er stumm. Nach einiger Zeit hörte er, wie sie sich erhob und mit fast lautlosen Schritten von dannen schritt…ihn endlich wieder der Einsamkeit überließ. Der nächste Stein hüpfte nicht übers Wasser; er versank jämmerlich in den dunklen Tiefen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)