Mephisto von lunalinn (denn sie wissen nicht, was sie tun) ================================================================================ Kapitel 4: Traum vom Tod ------------------------ „Sie sind immer noch nicht wieder zurück, Nagato.“ Der Rothaarige, dessen Blick bis eben noch auf einer Karte verweilt hatte, sah aus seinen grauen Iriden auf, als er die sanfte Stimme vernahm. Er hatte sie nicht kommen hören, aber das wunderte ihn nicht, immerhin war diese Frau eine ausgebildete Attentäterin, die ihre Zielpersonen aus dem Hinterhalt heraus erledigte. Doch es beunruhigte ihn nicht, im Gegenteil, denn sie war die Einzige, der er vollkommen vertraute, kannte er sie doch bereits seit Jahren. Er seufzte leise, richtete sich dann aus seiner gebeugten Position auf und ließ die Schultern ein wenig zurückrollen. Die Beine blieben unbewegt und merkwürdig abgeknickt seitlich liegen. „Ich hätte sie vielleicht doch nicht zu dritt losschicken sollen“, murmelte er und legte die Hand ans Kinn, woraufhin sich die junge Frau neben ihn auf den mit Tatami ausgelegten Boden kniete. „Du hattest keine Wahl.“ Das mochte stimmen, immerhin waren die anderen noch auf Missionen gewesen und er hatte keinen früher abziehen können. Davon abgesehen war es üblich, dass sie zu zweit agierten – Yura zählte nicht wirklich zu ihrer Truppe, war bloß eine Marionette Sasoris gewesen. Die Auftraggeber hatten auch nicht länger warten können und so hatte er Kisame und Suigetsu allein losgeschickt. „Es ist keine leichte Aufgabe“, überlegte er laut und Konan zu einer Seite nickte. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln, wie sie mit ruhigen Händen nach der Teekanne griff und ihm nachschenkte. Unaufgefordert reichte sie ihm den Becher und ihre Miene blieb dabei so ausdruckslos wie immer; Emotionen zeigte diese Frau selbst in seiner Gegenwart nur selten. „Danke.“ Sie erwiderte nichts darauf, sondern beugte sich über die Karte, mit der er sich zuvor noch beschäftigt hatte. Ein paar Stellen hatte er mit einem Kohlestück markiert und sie wusste, dass das ihre nächsten Ziele sein würden. „Kakuzu und Hidan werden morgen zurückkommen, Sasori und Deidara brauchen sicher noch eine Woche“, wisperte er halb in Gedanken versunken und Konan legte den Kopf schief. „Die anderen beiden?“ „…sind schon zu lange unterwegs und sollten daher jeden Moment hier sein.“ Sorgen tat er sich dennoch nicht, immerhin wusste er, dass er sich auf die zwei verlassen konnte. Zumal einer von ihnen aus dem Gebirge stammte, sich mit den kalten Temperaturen auskannte und ebenso mit all den anderen Gefahren, die sie dort zu erwarten hatten. „Ich verstehe.“ Nagato nickte, nachdem er an dem Becher aus Ton genippt und diesen wieder neben sich platziert hatte. Er fühlte sich erschöpft, obwohl er die meiste Zeit nur hier drin saß, Pläne schmiedete und die Aufträge verteilte, doch einer musste es tun und er war nun mal der Nutzloseste, seit diesem Unfall... Gerade wollte er wieder das Wort ergreifen, als die Tür mit einem lauten Geräusch aufgerissen wurde und sie beide sahen auf. „Sie haben Kisame-sempai erwischt!“ Sowohl Konan als auch Nagato weiteten ihre Augen, als sie das Ausmaß der Worte begriffen; Kisame war einer ihrer erfahrensten Männer und zudem auch noch einer der loyalsten. Dennoch gehörte der Einsatz ihres Lebens zu ihrer Arbeit als Söldner und sowohl Nagato selbst, als auch seine Freundin wussten dies. Sie wussten es viel zu gut, so dass sich ihre Mienen recht schnell wieder glätteten, die Emotionen daraus verbannten. „Wir müssen dahin und ihn holen!“, ereiferte sich Suigetsu, der auf den ersten Blick unverletzt schien. „Die bringen ihn um!“ Wenn sie es denn nicht schon längst getan hatten, doch das hing wohl davon ab, ob sie ihre Mission zufriedenstellend erfüllt hatten. Nagato räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des Jungen auf sich zu ziehen und dieser blickte verstört zu ihm. „Wo ist Yura?“ „Dieser Verräter ist tot, aber das-“ „Habt ihr den Auftrag erledigt?“ „Was?!“ „Antworte.“ „Ja…haben wir.“ „Dann werden sie nicht zimperlich mit ihm umgehen. Vermutlich ist er bereits ebenfalls tot.“ Er bemerkte die bernsteinfarbenen Iriden, die ihn beobachteten, doch die Lippen der jungen Frau blieben verschlossen. Sie schien ihn zu verstehen, doch nichts anderes hatte er auch von ihr erwartet. Kisame war für sie ein wichtiger Kamerad und auch wenn sie es nicht zeigten, so war diese Nachricht ein herber Schlag. Allerdings waren sie beide durch die Erlebnisse ihrer Vergangenheit abgeklärter geworden. Sie wussten, dass man toben, schreien und um sich schlagen konnte…und dennoch änderte es rein gar nichts. Suigetsu war jünger als sie beide und auch wenn ihm der Verlust geliebter Menschen nicht unbekannt war, so konnten sie von ihm nicht dieselbe Einstellung erwarten, die sie beide sich angewöhnt hatten. Davon abgesehen, dass Kisame so etwas wie einen älteren Bruder für Suigetsu darstellte – immerhin hatte er den leiblichen sehr früh verloren. Natürlich reagierte er impulsiver auf einen Verlust als sie beide. „Das kannst du nicht wissen!“, fuhr er ihn an. „Wir müssen zurück und ihm helfen!“ „Nein“, erwiderte er gewohnt ruhig. „Wenn wir das tun, bringen wir uns nur selbst in Gefahr. Kisame ist loyal, er wird also kein Wort verraten…finde dich schnell damit ab. Wir werden einen Ersatz für ihn auftreiben.“ Es mochte kalt und gefühllos klingen, doch Nagato trug Verantwortung und er würde nicht zulassen, dass noch mehr seiner Mitstreiter starben. Jemand musste diese Leute zusammenhalten und diese Person war er. Deshalb musste er rational handeln und durfte sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen. „Einen Ersatz?! Spinnst du komplett?!“, zischte Suigetsu und seine Fassungslosigkeit überraschte Nagato nicht. „Kisame hätte es ebenso gewollt.“ Konan senkte neben ihm den Blick, die schlanken Finger rieben leicht über die Matte, aber ansonsten ließ sie keinen Unmut erkennen. Sie hielt sich raus, doch er wusste, dass sie seine Meinung teilte, obwohl sie ebenfalls Kisames Verlust bedauerte. „Ich bitte dich, dich zu beruhigen und dich auszuruhen“, sprach Nagato weiter. „Akatsuki kann nur als Gruppe bestehen…ich fühle mit dir, aber ich bitte dich, nicht überzureagieren. Andernfalls wird das Konsequenzen haben.“ Und dieser letzte Satz war kein gut gemeinter Rat mehr, sondern eine erste Warnung. Wenn er nicht mehr als autoritäre Führungsperson anerkannt wurde, würde die Truppe auseinander brechen und das würde er verhindern. Konan neben ihm spannte sich merklich an und er wusste, dass sie dazwischen gehen würde, sollte Suigetsu auch nur eine einzige falsche Bewegung in seine Richtung machen. Er wusste, dass sie stets ein paar Senbon in ihrem Haar und ihrem Gewand versteckte. Zögern würde sie nicht, egal, um wen es sich handelte. „Konsequenzen“, wiederholte der Jüngere verächtlich und wandte sich ab. „Du kannst mich mal!“ Und mit diesen Worten verließ er die Hütte, knallte die Tür hinter sich zu. Nagato atmete durch, schüttelte leicht den Kopf über diese Sturheit, auch wenn er sie nachvollziehen konnte. „Behalte ihn bitte im Auge. Ich will nicht, dass er Dummheiten begeht.“ Dieses Mal war es kein Befehl, sondern eine Bitte, denn Konan hatte ebenso einen besonderen Stellenwert für ihn, wie er für sie. Und als sie mit einem Nicken aufstand, wusste er, dass er sich auf sie verlassen konnte. Vertrauen war so selten in dieser Welt und deshalb umso kostbarer. Er seufzte abermals, hoffte nur, dass man Kisame nicht zu sehr gefoltert hatte und dass er wenigstens im Kampf gestorben war, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Vielleicht hätte er für ihn gebetet, wenn er gläubig gewesen wäre – doch das war er nicht. Schon lange nicht mehr. Das Erste, das Kisame wahrnahm, nachdem er aus seiner Ohnmacht erwachte, war der reißende Schmerz in seinem Rücken. Es fühlte sich so an, als würde man ihm erneut glühende Eisen in die Haut schlagen; hatte man ihn zurück in den Kerker gebracht, um seine Qualen zu verlängern? Dazu kam diese Hitze, die in seinem Körper tobte und ihn innerlich zu verbrennen schien. Seine geschwollenen Lider zuckten unruhig, während sie sich blinzelnd hoben und er etwas zu erkennen versuchte. Rötliche Schemen flackerten an den Holzwänden…er lag bäuchlings auf einer Bambusmatte. Jemand hatte ihn bis auf eine Decke, die über seinem Hinten lag, ausgezogen. Unruhe kam in ihm auf, als er seine steifen Arme zu bewegen versuchte, sich aber nicht viel rührte und er begriff, dass man ihn abermals gefesselt hatte. Leise murrend sah er auf seine Hände, die mit einem dünnen Seil zusammengebunden worden waren. Ein strenger Duft stieg ihm in die Nase, doch er konnte ihn nicht zuordnen. Kisame drehte den Kopf schwach auf die Seite, ächzte leise, als sich etwas in seine Haut bohrte, und er hielt sofort inne. Er konzentrierte seine benebelten Sinne, vernahm das Knistern des Feuers und…jemanden an seiner Seite, der ihn quälte. Plötzlich war alles wieder da, was er in den letzten Stunden erlebt hatte…die Folter…der Gang zur Hinrichtung und letztendlich der rote Mond. Er war ohnmächtig geworden, als sich diese verhüllte Person neben ihn gehockt und ihn mit diesen roten Teufelsaugen angestarrt hatte. Teufelsaugen…er erstarrte, kaum dass er den Gedanken realisiert hatte. Da bohrte sich kein Eisen in seine Haut, nein, irgendjemand kniete neben ihm und verteilte etwas auf seinen Wunden. Die Paste brannte wie Salz auf seiner geschundenen Haut, doch außer einem gequälten Stöhnen verbiss er sich jeden Laut. Diese seltsame Krähe, die ihn angestarrt hatte, und diese glutroten Teufelsaugen…hatte er das alles nur geträumt? Ihm war schwindelig und übel, in seinen Ohren dröhnte es…waren die Schmerzen dafür verantwortlich? Sah er Dinge, die es nicht gab? Schweiß rann ihm von der Schläfe über die Wange und er ließ das Kinn erschöpft auf die Matte sinken. „Wer…bist du?“, krächzte er mit rauer Stimme und die Berührungen stoppten für ein paar Sekunden. Es erfolgte keine Antwort, die Person fuhr lediglich fort, seine Wunden mit diesem Zeug einzureiben. Leise knurrte er, doch die Aufregung führte nur dazu, dass schon wieder schwarze Punkte vor ihm tanzten. „Du bist…der Junge von damals oder?“, raunte er schwach, doch dieses Mal unterbrach der Fremde seine Arbeit nicht. Mit absoluter Ruhe drückte er seine Fingerkuppen in die Wunden, strich die überstehenden Reste der Paste mit der Handfläche glatt. Schweißperlen rannen seine Stirn hinab und er biss sich so fest auf die Lippen, um seine Laute zu dämpfen, dass er bald den eisenhaltigen Geschmack in seinem Mund schmeckte. Reden, erinnerte er sich, versuchte die richtigen Worte zu finden, bevor er erneut das Bewusstsein verlor. Der Name des Jungen…wie war er noch gleich gewesen? „Willst anscheinend…wieder nicht reden“, murmelte er abgehackt und blickte auf die Fesseln um seine Handgelenke. In diesem Moment fiel ihm der Name des Jungen ein und reflexartig bäumte er sich auf, wollte den Kopf nach hinten drehen, auch wenn es wehtat. Grob wurde er zurückgedrückt, unten gehalten und ihm entging das scharfe Einatmen nicht. „Itachi!“, entkam es dem Hünen schwer atmend, da die Erschöpfung an ihm nagte. „Du bist doch Itachi…oder?“ Eine Weile kam nichts, dann knarrte der Boden plötzlich und die Finger lösten sich von seinem Rücken. Leise Schritte ertönten neben ihm und ein Paar Füße trat in sein Sichtfeld, als sich die Person vor ihn kniete. Es bereite Kisame Mühe, den Kopf zu heben, doch er wollte ihn sehen. Es war schwierig, denn eines seiner Augen war dermaßen geschwollen, dass er mehr einseitig sehen konnte. „Du fieberst.“ Kisame erinnerte sich an diese samtene Stimme, doch nun klang sie tiefer. Eine simple Feststellung und doch jagte ihm diese Stimme einen Schauer über den Rücken. Eine warme Hand legte sich unter sein Kinn, hob dieses an, so dass es ihm leichter fiel, hochzuschauen. Die Kapuze seines Umhangs rutschte langsam herunter, gab den Blick auf ein jugendliches Gesicht frei. Es wurde von feinen, schwarzen Strähnen umrahmt, welche im Nacken zu einem losen Zopf zusammengefasst waren. Die femininen Züge waren ihm geblieben, verliehen ihm eine Anmut, die sich in seiner ganzen Haltung wiederspiegelte. Seine Augen waren immer noch das Eindrucksvollste an ihm, doch hatten die dunklen Tiefen damals so viele verschiedene Emotionen gezeigt, wirkten sie nun erstaunlich abgeklärt. Die Lider mit den langen Wimpern hielt er halb gesenkt, während er auf ihn herabschaute. Er hielt inne, als sich die zuvor noch dunklen Iriden plötzlich färbten, diesen alles verzehrenden, blutroten Farbton annahmen und sich in seinen Blick bohrten. Teufelsaugen. „Schlaf.“ Erneut ertönte die sanfte Stimme, auch wenn ein eindeutiger Befehl in ihr mitschwang, und Kisames Augen schlossen sich gegen seinen Willen. Die Ungewissheit, ob er wirklich in Sicherheit war, wurde von der Dunkelheit verschluckt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)