Mephisto von lunalinn (denn sie wissen nicht, was sie tun) ================================================================================ Kapitel 3: Abgesang ------------------- „Lasst sie nicht entkommen!“ Laut hallte der Schrei über die von Gras bewachsene Fläche, welche den beiden Personen keinen Schutz durch Bäume oder dergleichen gab. Die Gegend war unvorteilhaft, doch das hatten sie vorher gewusst, sich ausreichend informiert und besprochen, wie sie vorgehen würden. Sie hatten darauf gesetzt, dass sie schnell genug und vor allem unbemerkt aus dem Schloss kommen würden. Allerdings hatte nicht alles so funktioniert, wie sie es sich erhofft hatten und als Resultat hatten sie einen Kameraden verloren und wurden gejagt wie Freiwild. Zumindest hatten sie ihr Ziel erreicht, dem Feudalherrn mit einem sauberen Hieb den Kopf von den Schultern getrennt und damit war ihnen der Lohn sicher. Doch was brachte ihnen das Geld, wenn sie hier sterben würden? „Stehen bleiben, ihr dreckigen Bastarde!“ Hoshigaki Kisame hätte beinahe aufgelacht, doch das hätte ihm höchstens Seitenstiche eingebracht und ihn somit am Laufen gehindert. Glaubte ihr Verfolger allen Ernstes, dass sie sich von ihm und seinen Männern freiwillig festnehmen lassen würden? Für den Mord an einem solch wichtigen Mann würden sie ihnen keinen schnellen Tod gönnen. Er hatte in den letzten sieben Jahren viele gefährliche Missionen hinter sich gebracht, sich gar einer Gruppe von Söldnern angeschlossen, doch nie war er dem Tode so nahe gewesen, wie an jenem Tag, als er diesem Jungen begegnet war. Mittlerweile war die Erinnerung nicht mehr allzu präsent, doch sie stieg gelegentlich noch in ihm auf. Vor allem die beeindruckenden, tiefschwarzen Seen waren ihm im Gedächtnis geblieben und er war sicher, dass er diese Augen niemals vergessen würde. „Verdammt, Sempai! Die kommen immer näher!“ Der Ausruf seines Begleiters ließ ihn herumfahren und tatsächlich hatten die Krieger des ermordeten Feudalherrn sie beinahe eingeholt. Das war alles die Schuld von diesem Schwachkopf Yura! Er hatte Nagato gleich gesagt, dass er diesen zwielichtigen Typen nicht dabei haben wollte, doch ihr Anführer hatte nur auf dessen nützliches Wissen hingewiesen. Immerhin war der Kerl ja ein wichtiger Informant und diente Sasori schon seit Jahren, doch im Endeffekt hatte auch Yuras Kenntnis über den Aufbau des Anwesens nicht verhindern können, dass sie zu früh entdeckt worden waren. Mehr noch, es war seine Dummheit gewesen, die sie in diese Bedrängnis gebracht hatte – wobei er nicht sicher war, ob der andere nicht absichtlich so unvorsichtig gehandelt hatte. Den Lärm, den der Mistkerl gemacht hatte, hatte dafür gesorgt, dass sie von einer Sekunde auf die andere umstellt worden waren. War Yuras angeblicher Fauxpas also nur eine Finte gewesen? Vielleicht hatte man ihm etwas geboten, dafür dass er sie ans Messer lieferte? Der Mann war ziemlich unruhig gewesen, fast schon nervös und nach dem Mord an dem Fürsten war ihm unweigerlich der Angstschweiß ausgebrochen. Wenigstens hatte der Idiot seinen vermeintlichen Verrat mit dem Leben bezahlt, sonst hätte Kisame ihn spätestens jetzt beseitigt. Ihre Verfolger hätten sie sicher bald eingeholt und dann wäre es vorbei mit ihnen beiden, waren sie doch allein von dieser Hetzjagd erschöpft. Blut klebte an ihrer Kleidung, lieferte den Beweis für ihre Tat und selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, es hätte keine Rolle gespielt. Diese Kerle waren wie Bluthunde und nun, da der Fürst tot war, gehorchten sie dessen Sohn. Es wäre ein Wunder, wenn sie sie nicht während der Flucht töten, geschweige denn ihnen eine Anhörung ermöglichen würden. Kisame hob den Kopf, als eine Brücke in sein Sichtfeld kam, und augenblicklich veränderte sich die aussichtslose Lage. Ein Pfeil surrte an seinem Kopf vorbei, streifte seine Wange und er spürte die warme Flüssigkeit aus der Wunde treten. Bitter grinsend fuhr er sich mit der Zunge über die Haut, schmeckte den eisenhaltigen Geschmack, während er Suigetsu einen Wink gab. „Renn – bleib ja nicht stehen und dreh dich nicht um!“, grollte er keuchend und der Junge nickte, wenn auch mit skeptischem Blick. Es war ihm anzusehen, dass er alsbald keine Kraft mehr haben würde, und so drängte die Zeit noch mehr. Er hörte das Hufgetrappel der Pferde, welche von ihren Reitern getrieben wurden, bis ihnen der Schaum aus dem Maul tropfte. Hierbei wurde keiner geschont, man musste sie erwischen, sonst blühte den Kriegern ebenfalls Strafe. „Sempai, du-“ „Klappe halten und rennen!“, unterbrach er ihn harsch und blieb dicht hinter ihm, schützte ihn somit mit seinem breiten Kreuz. Die Brücke kam näher und auch wenn es knapp werden würde, so war es dennoch zu schaffen. Er trieb seinen Mitstreiter weiter an, warf immer wieder einen Blick über die Schulter, um ihre Chancen abzuschätzen. Ein plötzlicher Schmerz in seiner Wade ließ seinen Körper nach vorn rucken, doch er blieb nicht stehen, obgleich er innerlich bebte. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass einer der Pfeile seine Wade durchbohrt hatte. Er würde nicht schnell genug sein, immerhin stolperte er bereits jetzt mehr davon, als dass er noch richtig rannte. Dennoch versuchte er es wenigstens, ignorierte das grausige Ziehen in seinem Fleisch und das Blut, welches seine Hose durchnässte. Jeder Schritt jagte ihm Schweißperlen über die Stirn, doch er blieb ruhig, ließ den Jungen nicht merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Weitere Pfeile wurden auf sie geschossen, zischten an ihnen vorbei und Kisame keuchte auf, als einer seine Schulter traf. Der Laut ließ Suigetsu herumfahren und die violetten Iriden weiteten sich vor Schock, der Mund öffnete sich automatisch, doch der Ältere schüttelte nur den Kopf. „Nicht umdrehen, renn!“, bellte er ihn an und langte nach hinten. Noch während sie in Bewegung waren, haderte er mit sich, ob er den Pfeil herausziehen sollte, um den Schmerz zu mildern. Allerdings wusste er ebenso gut, dass er daran verbluten konnte, wenn er nicht rechtzeitig versorgt wurde und inzwischen waren die Krieger des Feudalherren so nahe, dass er das Schnauben ihrer Pferde vernehmen konnte. Wie bitter…so kurz vor dem Ziel. Er schubste den Jungen mit einem kräftigen Schlag auf den Rücken nach vorn und dieser taumelte, hielt sich am Pfosten der Brücke fest, ehe er entgegen seines Verbots zu ihm nach hinten schaute. Kisame grinste breit, während er sein Schwert zog und sich vor seinen Begleiter stellte, welcher ihn ungläubig ansah. „Kisame-sempai…hör auf damit!“, fuhr er ihn an, wollte zu ihm stoßen. „Wir können zusammen fliehen!“ Doch der Hüne schüttelte nur den Kopf, denn die Reiter waren bereits von ihren Pferden gestiegen, näherten sich ihnen, während die Schützen ihre Bögen spannten. Sie würden sie erwischen, da gab es keinen Zweifel mehr, doch Kisame hatte nicht vor, sich ihnen zu ergeben. „Verschwinde!“, grollte er und der andere zuckte zusammen. „Ich werde sie so lange in Schach halten, bis du am anderen Ende angekommen bist.“ Es war ein Versprechen und gleichzeitig ein Abschied, das musste auch der Junge erkennen, denn dieser sog scharf die Luft ein. Kisame wusste sehr wohl um den Sturkopf seines Kameraden, doch wenn dieser es wagte, sich gerade jetzt quer zu stellen… „Ich werde dich nicht-“ „Hau endlich ab!“, fiel er ihm ins Wort und erhob so aggressiv seine Stimme, dass der Jüngere unweigerlich zurückwich. „Geh!“ Es gab keine andere Möglichkeit und sie mussten nicht beide sterben. Davon abgesehen stand der Junge irgendwie unter seinem Schutz, er war jünger als er und nicht verletzt. Wenn schon einer von ihnen sterben sollte, dann entschied Kisame, dass er es sein würde. Selbst wenn sie über die Brücke kämen…mit dieser Verletzung würde er Spuren hinterlassen, er würde Suigetsu zur Last fallen, weil er bald nicht mehr richtig würde laufen können. Da starb er lieber einen ehrenhaften Tod im Kampf. „Geh endlich.“ Der erschöpfte Tonfall schien der richtige zu sein, denn auch wenn es dem anderen schwer fiel, so gehorchte er ihm nun. Kaum dass Suigetsu sich abgewandt hatte, wurden erneut Pfeile auf ihn geschossen und er wehrte sie hastig mit dem Schwert ab, ignorierte, dass er gestreift wurde. Was nicht weniger gefährlicher war, war die Klinge eines Schwertes, welcher Kisame im nächsten Moment ausweichen musste. Knurrend wie ein wilder Hund preschte er ungeachtet seiner Verletzungen vor, hieb mit seinem eigenen Schwert nach seinem Gegner und trennte ihm den Schwertarm ab. Der Schrei des Kriegers hallte über den Platz, während er auf die Knie sacke und sich den blutigen Stumpf hielt. Weitere Männer kamen hinzu, er hörte die zornigen Rufe des Hauptmannes und warf einen letzten Blick über die Schulter. Gut, der Junge war fast drüben, so gut wie in Sicherheit also. Ein grimmiges Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus und als er sich umdrehte, musste er sogleich einen Schlag parieren. Eine Faust traf auf seinen Kiefer, allerdings zu schwach, um ihm diesen zu brechen, sodass er das Blut in seinem Mund schluckte und selbst zulangte. Die Nase gab unter seiner Kraft nach, er hörte das verräterische Knacken und ein Tritt beförderte den jaulenden Mann nach hinten. Kisame holte aus, spürte das schmerzhafte Ziehen des Pfeils in seiner Schulter und durchtrennte dann die Seile der Brücke…doch das Gebilde aus Holz und geflochtenen Stricken gab nicht sofort nach, kippte lediglich ein wenig. Der Hüne grollte, wich dem nächsten Krieger aus, packte ihn noch in der Bewegung im Genick und stieß ihn die Klippen runter, vernahm den gellenden Schrei. Noch in derselben Drehung kappte er die andere Seite der Hängebrücke und diese fiel endgültig in die Tiefe. Er sah, wie Suigetsu kurz zögerte, dann aber die Beine in die Hand nahm und in dem dichten Wald verschwand. Ein zufriedenes Grinsen legte sich auf seine Züge und es verblasste nicht, als er sich umdrehte, feststellte, dass er umzingelt worden war. Nun, alles musste einmal enden…aber er entschied, auf welche Weise und so erhob er sein Katana wieder, warf sich in den Kampf. Als Kisame später aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war, wie ihm jemand den Griff des Katanas in den Nacken gerammt hatte. Es hatte mindestens fünf weitere kräftige Schläge auf seinen Kopf gebraucht, um ihn in die Ohnmacht zu treiben. Unruhig leckte er sich das Blut von den Lippen, realisierte seine Lage, auch wenn er in der Dunkelheit kaum etwas erkennen konnte. Man hatte seine Handgelenke mit massivem Eisen rechts und links neben seinem Kopf festgekettet, ebenso wie ein eiserner Ring um seinen Hals lag, ihm das Atmen erschwerte. Zudem trug er nur noch sein Untergewand am Körper, der obere Bereich lag frei und er ahnte, dass man ihn vor seinem Tod noch ordentlich in die Mangel nehmen würde. Was auch kommen würde, er würde seine Mitstreiter sicher nicht verraten, sich eher die Zunge abbeißen, als dies zu tun. Kisame versuchte herauszufinden, ob er allein in dem Kerker war, doch er konnte nicht genug erkennen. Still horchte er auf Laute, doch außer dem Fiepen der Ratten und dem Tropfen von Wassers vernahm er nichts. Es war kalt und feucht, doch der Hüne war niemals wirklich empfindlich gewesen. Schlimmer war das Brennen der Wunden, vor allem Schulter und Wade; Kisame vermutete, dass man ihm Salz in die Verletzungen gestreut hatte, um sein Leiden zu vergrößern. Die Pfeile steckten jedenfalls nicht mehr in seinem Fleisch. Feiner Schweiß klebte an seiner Stirn, doch noch konnte er ausharren, wusste, dass es schlimmer kommen würde. Unweigerlich versuchte er, seine Position zu verändern, doch das führte nur dazu, dass seine steifen Glieder noch mehr schmerzten. Etwas Warmes sickerte ihm den Nacken hinab Richtung Rücken und er vermutete, dass es das Blut einer Platzwunde an seinem Hinterkopf war – das hätte zumindest das unangenehme Pochen erklärt. Er ließ den Kopf hängen, atmete entnervt aus, während er den Blick schweifen ließ. So sah also sein Ende aus? Wenigstens hatte er sich im Kampf überwältigen lassen, das war vertretbarer als beispielsweise im Schlaf erschlagen zu werden. Er hing noch eine ganze Weile einfach nur da und rief sich verschiedene Ereignisse seines Lebens in Erinnerung. Unweigerlich stellte sich ihm die Frage, was wohl aus dem Jungen von damals geworden war. Ob er seinen Wunden erlegen war? Nein. Nach allem, was das Kind erduldet hatte, würde es sicher kein solch erbärmliches Ende gefunden haben. Dieses andere Monster hatte ihn mitgenommen, vermutlich versteckten sie sich irgendwo vor den Leuten. Kisame schnaubte leise, hielt dann inne, denn in diesem Moment wurde knatschend die schwere Tür geöffnet und das grelle Licht einer Fackel blendete ihn. Es waren vier Männer, die sich nun vor seiner Zelle aufbauten und ihn wie ein gefangenes Tier musterten. Zwei von ihnen waren einfache Krieger und sie entzündeten noch mehr Fackeln an der Wand, sodass der Raum in rötliches Licht getaucht wurde. Der kleinste von ihnen war zweifelsohne der Fürstensohn, das verrieten die teuren Gewänder, die den schmächtigen Körper vermutlich größer wirken lassen sollten. Die halbe Portion vor ihm konnte nicht viel älter als Suigetsu sein, ein Grünschnabel, der kaum in der Lage war, den Posten seines Vaters ausreichend zu füllen. Wahrscheinlich stand aus dem Grund dieser Kerl an seiner Seite, ebenfalls in edle Gewänder gekleidet. Sein Berater? „Du wirst für den Tod meines Vaters bezahlen!“, zischte der Knirps ihn an, doch es amüsierte Kisame lediglich. Allein einem Feind so viele Emotionen zu offenbaren, zeugte von schierer Unerfahrenheit; der Junge würde noch einiges lernen müssen. „Nur zu!“, provozierte er ihn grinsend. „Ich kann es kaum erwarten.“ Das Gesicht des Fürstensohnes lief puterrot an und er schien ihn schon anschreien zu wollen, doch bevor es dazu kam, legte ihm der Ältere die Hand auf die Schulter. Beschwichtigende Worte wurden gemurmelt, doch sie beruhigten den Jungen nicht. „Junger Herr…lasst Euch von diesem Abschaum nicht provozieren. Er ist es nicht wert.“ „Lass mich! Er soll bluten! Ich will, dass er hingerichtet wird!“ „Zuerst sollten wir ihm noch Informationen über seinen Auftraggeber entlocken, junger Herr.“ „Das…das weiß ich selbst! So sei es! Foltert ihn! Die ganze Nacht soll sein Blut fließen für seine Tat! Und wenn er bis morgen nicht geredet hat, dann wird er in der Öffentlichkeit hingerichtet! Sein Kopf soll rollen!“ Kisame hob spöttisch eine Braue, als der Knirps sich so aufplusterte und seinem Berater schien es wirklich schwer zu fallen, ihn nicht zu schelten. Den Bengel zu erziehen, würde sicher eine spaßige Angelegenheit werden, um die er ihn nicht beneidete. Köpfen also? Na dann… „So soll es geschehen.“ Anfangs hatte ihn der Knirps noch ausgefragt, ihn angeschrien und einmal hatte er sogar wie ein bockiges Kind mit dem Fuß aufgestampft. Es war ihm anzumerken, dass er es nicht gewohnt war, dass man ihn nicht ernstnahm, beziehungsweise ihn auch noch verhöhnte. Irgendwann schien er müde geworden zu sein und war gegangen – doch die Folter würde nicht vor dem Morgengrauen enden. Kisames Haut war mittlerweile von roten Striemen übersät und immer wieder rieb man ihn mit Salz ein, sodass er das Gefühl hatte, er würde verbrennen. Mindestens zwei Rippen mussten gebrochen sein, wenn er das Stechen richtig beurteilte und er wollte gar nicht wissen, wie sein Gesicht aussah, so taub wie sich dieses anfühlte. Sein linkes Auge war durch die Schläge angeschwollen, sodass er nur noch verschwommen sah, doch was ihn alarmierte, war das Gerede darüber, ihn mit glühendem Eisen zu bearbeiten. Bisher war es ihm gelungen, sich ruhig zu verhalten, die Schmerzen stumm zu erdulden. Ab und zu hatte er ein Ächzen von sich gegeben, zischend ausgeatmet oder gequält gestöhnt, doch er war weder ohnmächtig geworden noch hatte er geschrien. Natürlich nicht, immerhin war er kein Schwächling. Unweigerlich tauchte wieder der Junge von damals vor ihm auf, wie er auf dem Altar gelegen und jede Qual erduldet hatte. Ein bitteres Grinsen legte sich auf die Lippen des Hünen, während sich der kalte Schweiß auf seiner Stirn mit dem warmen Blut vermischte und ihm wie Suppe über die Haut lief. Ihm war schwindelig und die Muskelkrämpfe setzten immer wieder ein, materten ihn zusätzlich. „Sieh dir den an!“ „Wenn er noch grinsen kann, sind wir wohl noch zu sanft mit ihm.“ „Tse…hol die Kohlen. Das Grinsen treiben wir ihm noch aus, bevor er hingerichtet wird!“ Kisame ließ den Kopf sinken, spürte, wie sich sein Nacken spannte und sich der Schmerz die Wirbelsäule herunterzog. Dennoch grinste er weiter, als gäbe es seine Qualen gar nicht; anscheinend würde sein Ende doch noch richtig interessant werden… Als die Sonne aufging und man ihn holte, war der Rücken des Hünen nur noch eine einzige pochende Wunde. Durch die glühenden Eisen war seine Haut wund und empfindlich, sodass schon eine leichte Berührung unheimliche Schmerzen verursachte. Natürlich kümmerte das niemanden, als man seine Handgelenke hinter seinem Rücken zusammenband und ihn aus dem Kerker nach draußen zu dem Ort seiner Hinrichtung führte. Ironischerweise schien die Sonne an diesem Morgen, beinahe so, als wollte sie ihn verhöhnen, wie er den Fürstensohn verspottet hatte. Das grelle Licht brannte in seinen Augen, die sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und er blinzelte ein paar Mal angestrengt, konnte nicht sofort etwas erkennen. Jeder Schritt brachte ihn beinahe zu Fall, da sich die Wunde an seinem Bein entzündet hatte. Seine Hose war mittlerweile gänzlich rot gefärbt und hing in Fetzen an seinem Lendenbereich hinab. Ein kräftiger Ruck nahm ihm seinen Halt und ließ ihn einknicken, sodass er nun vor dem hohen Abschaum kniete, den Blick angestrengt auf den Boden gerichtet. Verzierte Steinplatten mit dem Wappen des Feudalherren, den sie beseitigt hatten. „Steh auf, du Scheusal!“, wurde er angeherrscht und hätte über die Bezeichnung beinahe gelacht. Er hatte schon schlimmere Beleidigungen als diese erduldet, von daher prallte das Gesagte an ihm ab. Unter den Augen der Menge raffte er sich auf, tat dies bedeutend langsamer als nötig, ehe er noch während er auf halber Höhe war ohne Vorwarnung herumfuhr und seinem Hintermann, der den Strick seiner Fesseln hielt, den Kopf geradewegs in den Kehlkopf rammte. Für diese schnelle Bewegung musste er seine letzte Kraft zusammennehmen, doch das war es wert, als er sich mit erhobenem Haupt aufrichtete und dem edlen Knirps dreist in sein dummes Gesicht grinste, während der Mann zu seinen Füßen lag und schnappartig atmete. „Steht nicht nur so da! Lasst nicht zu, dass er mich verspottet, ihr Pack! Fangt ihn und bringt ihn endlich um!“, fuhr der Junge auch sofort auf und vergeblich versuchte sein Berater, ihn wieder zum Sitzen zu bringen. Die Menge um ihn herum tuschelte aufgeregt, während zwei weitere Krieger zu ihm eilten, um ihn erneut in Gewahrsam zu nehmen. Kisame wehrte sich nicht mehr, schließlich war das kein Fluchtversuch gewesen. Ihm war klar, dass er keine Chance hatte, hier lebendig rauszukommen. Grob wurde er nach vorn gezogen, zum Pranger, wo man vorhatte, ihm den Kopf von den Schultern zu trennen. Während er allerdings an der Menschenmenge vorbei stolperte, ließ es sich einer der Lakaien nicht nehmen, noch mal mit einer Peitsche auf seinen wunden Rücken einzuschlagen. Kisame keuchte auf, als ihn der dritte Schlag traf und seine Sicht verschwamm wieder, schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und sein Magen drehte sich um. Schon in der Nacht war ihm die Magensäure hochgekommen, doch er hatte sie mit Überwindung wieder runtergeschluckt – soweit kam es noch, dass er sich diese Blöße gab. Er ächzte leise, als man ihn gewaltsam herunterdrückte, wieder in die Knie zwang und seinen Kopf, schon mal in den Pranger steckte. Die Fesseln der Handgelenke wurden gelöst und dann ebenfalls in dem Gestell aus Holz festgemacht. Kisame fragte sich unweigerlich, ob er im Besitz seiner vollen Kräfte nicht in der Lage sein würde, sich zu befreien und der Gedanke ließ ihn heiser auflachen. Erneut wurde er dafür mit der Peitsche geschlagen und er spürte, wie die ersten Wunden wieder aufbrachen, das warme Blut seine Wirbelsäule hinablief. Kisame ließ seinen Blick über die Menge schweifen, versuchte die verschiedenen Ausdrücke der Menschen zu deuten. Einige sahen gespannt aus, andere wirkten verstört und wieder andere waren wohl ebenso erzürnt wie der Sohn des ermordeten Feudalherrn. Kisame konnte nicht sagen, ob er ein guter Herr gewesen war, denn er hatte nicht gefragt, als er den Auftrag angenommen hatte. Es interessiere ihn auch gar nicht, das war seine Arbeit und fertig, mehr gab es nicht zu sagen. Der Knirps begann derweil mit seiner langweiligen Rede und Kisame hörte aus Prinzip weg, während er sich an sein Bewusstsein klammerte. Schwer atmend versuchte er, sein Kreuz zu entlasten, indem er seine Haltung veränderte, doch das war unmöglich, so dass er es aufgab. Erschöpft wollte er den Kopf wieder sinken lassen, als ihm etwas aus den Augenwinkeln heraus auffiel und innehalten ließ. Halluzinierte er jetzt schon oder war das tatsächlich eine Krähe, die da auf dem Vorsprung saß und ihn angaffte? Wahrscheinlich freute sich das Vieh schon darauf, sich an seinem toten Fleisch zu laben, wenn man mit ihm fertig war. Er lächelte zynisch, als er daran zurückdachte, wie an jenem Tag der gesamte Himmel von diesen schwarzen Aasgeiern bedeckt worden war. Es erschien ihm auch noch all diesen Jahren noch zu unwirklich, als dass es real hätte sein können. „…und aus diesem Grund wird dieser Bastard nun seiner gerechten Strafe zugeführt!“ Seine Aufmerksamkeit löste sich von dem Vogel, welcher ihn aus rötlich schimmernden Iriden heraus fixiert hatte, und richtete sich wieder auf das Balg, das immer noch auf der Tribüne stand und sich wichtigmachen wollte. Zumindest schien die Rede zu Ende zu sein, denn die beiden Lakaien des neuen Fürsten traten nun neben ihn – einer zog sein Schwert und Kisame erkannte mit nur einem Seitenblick, dass die Klinge nicht scharf genug war, um das Ganze schnell und sauber zu beenden. Man würde ihm seinen Kopf von den Schultern hacken…und er war sicher, dass dies Absicht war. Bitter blickte er wieder in die Menge, erkannte, dass die Krähe dort nicht mehr saß; wahrscheinlich kreiste sie bereits über ihm, doch es war ihm aufgrund der Fixierung nicht möglich, hochzuschauen. „Lasst ihn für den Tod meines Vaters büßen!“ Er nahm wahr, wie das Katana angehoben wurde, stellte sich vor, wie die Klinge im Licht blitzte und…wie sie mit seinem Blut getränkt werden würde. Es hätte ihm besser gefallen, aufrecht zu stehen, ebenfalls eine Waffe in der Hand. Er hörte, wie das Schwert durch die Luft sauste, jeden Moment auf seine Haut treffen und sich durch sein Fleisch schneiden würde. Jedoch blieb der erwartete Schmerz aus und stattdessen landete das Katana mit einem leisen Klirren neben ihm auf dem Boden. Ein Schrei ertönte, doch er konnte nicht sehen, was geschah. Die Menge begann aufgeregt zu tuscheln, Kinder zeigten mit dem Finger in seine Richtung und einigen stand der Schreck ins Gesicht geschrieben. Er vernahm ein Krächzen, Flügelschlagen und spannte sich an, tauchten die Bilder von damals vor seinem geistigen Auge auf. Plötzlich schien die Sonne verschwunden zu sein, dunkle Schatten legten sich über den Platz, als würde ein Unwetter über sie hereinbrechen. „Seht doch nur!“ „Aber…es ist doch Tag…“ „Der Mond!“ „Was zur Hölle ist das?!“ Kisame riss mit letzter Kraft den Kopf hoch, sodass sich das Holz in seinen Nacken rammte, doch das war es ihm wert. Der Himmel war nicht mit dunklen Wolken bedeckt…er war vollkommen schwarz. Rote Schlieren zogen sich ähnlich einem Strudel aus warmem Blut durch diese Finsternis und dann…war da tatsächlich ein Mond. Ein roter Mond, der so grell strahlte, dass er durch den Anblick regelrecht hypnotisiert wurde. Doch er schien nicht der einzige zu sein, denn alle hatten sie die Köpfe gehoben und starrten wie gebannt hinauf zu diesem Schauspiel. Selbst der Sohn des Feudalherren oder sein Berater hatten keinen Blick mehr für ihn…sie alle starrten hinauf und rührten keinen Muskel mehr. Kisame spürte, wie ihm schwindelig wurde, sein Kopf dröhnte, als hätte man ihm erneut eins übergezogen und dann war da diese Müdigkeit, die ihn schwerfällig blinzeln ließ. Schritte ertönten neben ihm, leise Schritte, die er nur hörte, weil niemand sonst einen Laut von sich gab. Er stöhnte leise, kämpfte so gut es ging gegen diese seltsame Lähmung an, die ihn wie eine Krankheit befallen hatte. Nicht jetzt…er wollte auf keinen Fall in diesem Moment das Bewusstsein verlieren, wollte sehen, wer für dieses unheimliche Spektakel verantwortlich war. Keuchend hob er den Kopf, die Lider bereits halb gesenkt und es bereitete ihm Mühe, sich diesem Drang nach Schlaf nicht zu ergeben. Die Schritte verstummten neben ihm und schwach drehte Kisame den Kopf zur Seite, sah jemanden neben sich knien. Seine Sicht war bereits so stark eingeschränkt, dass er nur einen Schemen erkannte. Eine Gestalt, deren Körper und Gesicht durch einen langen Mantel verhüllt war, sodass er nichts erkennen konnte. Nichts außer zwei glutroten Iriden, die ihn gezielt anfunkelten…und dann versank alles um ihn herum in Finsternis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)