Blood and Whine von Daelis (Ist doch alles Käse!) ================================================================================ Kapitel 14: Die Nacht der langen Zähne -------------------------------------- Wie erwartet, waren Regis und Geralt beide nicht besonders erfreut über meine Verspätung. So wie der Hexer guckte, hatte er Regis auch schon zurechtgewiesen, weil der mich überhaupt erst unbeaufsichtigt gelassen hatte. Man könnte meinen, ich wäre ein kleines Mädchen, dass immer einen Aufpasser brauchte. Missmutig ließ ich Geralts Standpauke über mich ergehen, ehe ich kurz zusammenfasste, wo ich gewesen war und was ich so getrieben hatte. Während die Geschichte über Reginalds verschwundene Kronjuwelen den Hexer noch eindeutig amüsierte, wirkte er ob der Geschichte der zwei Geister direkt wieder miesepetrig, woran sich auch nichts änderte, als ich ihm verriet, wo er eine sehr seltene Gwent-Karte bergen konnte. “Das war ziemlich unvorsichtig. Nachts auf einem Friedhof herumzulungern…”, bemerkte er grollend. Giftig starrte ich Geralt an. “Du hast mich selbst auf einem zurückgelassen und auf dem gibt es obendrein Monster”, zischte ich. Geralt sog scharf die Luft ein, mich wütend anfunkelnd. “Dass du so über Regis spri-” “Nicht Regis!”, unterbrach ich den Weißen Wolf ungehalten. “Ich meine die Viecher in den Gängen. Regis ist ebensowenig ein Monster wie du oder ich.” Einen Moment lang starrte Geralt mich nur an und ich konnte auch Regis’ Blick auf mir spüren, ehe der Hexer seufzte und einlenkte. “Na meinetwegen, aber dennoch solltest du solche offensichtlichen Gefahren meiden. Du bist kein Hexer und nur, weil dir zwei Greifen im Moment noch aus der Hand fressen, heißt das nicht, dass das so bleiben muss.” Ja Mama. Ich verbiss mir jede Erwiderung. “Was machen wir jetzt wegen Syanna?”, wechselte ich also das Thema. “Dettlaff will sie übermorgen schon sehen, sonst werden die Vampire über die Stadt herfallen.” Nicht, dass sie das nicht sowieso würden. Das konnte niemand mehr verhindern, doch wenn Syanna nicht kam, würde Dettlaff versuchen, Geralt zu töten und seine Drohung wahr machen, die Stadt auszulöschen. Und wenn Geralt nicht starb, tat es Dettlaff. Beide Varianten wollte ich lieber vermeiden und damit war ich bestimmt nicht alleine. Mein Blick suchte von ganz allein den von Regis, der ernst nickte. “Zwar bezweifle ich, dass die Herzogin es gutheißen wird, wenn wir ihr vorschlagen, Syanna auszuhändigen, doch ich bin ebenfalls der Ansicht, dass sie sich Dettlaff erklären sollte, wenn wir hoffen wollen, eine friedliche Lösung zu finden.” Er ahnte ja nicht, dass Anna Henrietta nicht nur dagegen war, sondern ihre Schwester gut versteckt hatte. Zum Glück wusste ich aber, wo. So sparten wir Zeit und vielleicht könnten wir verhindern, dass die Vampire die Stadt zu übel zerlegten, ehe wir mit Syanna im Schlepptau nach Tesham Mutna kamen. Geralt nickte grimmig. “Hoffen wir, dass das funktioniert, sonst…” Er ließ den Satz unbeendet, doch wir wussten wohl alle sehr genau, was der Hexer sagen wollte und ich wusste, zu welcher Situation uns ein Kampf Geralt gegen Dettlaff führen würde. Einer von ihnen müsste sterben und gleich welcher, Regis würde leiden ob der Schuldgefühle, einen Freund dem Tod überantwortet zu haben. Ein Schicksal, dass ich weder Regis wünschte, noch Dettlaff oder Geralt. Dass ich den nächsten Tag jedoch unter Hausarrest in der Gruft verbringen musste, weil Geralt wegen meines kleinen Alleingangs stinksauer auf mich war, gehörte nicht zu meinem Plan. Regis war zum Aufpassen verdonnert worden und warf mir immer wieder entschuldigende Blicke zu, wenn ich eindeutig missgelaunt von einem Buch aufsah. Mangels besserer Beschäftigung hatte ich mich nämlich schnell wieder der kleinen Bibliothek zugewandt, welche Regis sein Eigen nannte. Morgen Abend, sagte ich mir, wäre es schon soweit. Drei Tage wären um und dann würde die Nacht der langen Zähne beginnen. Diese Nacht musste ich unbedingt ausruhen und schlafen, ebenso den Tag, damit ich dann am morgigen Abend und vor allem nachts während des Angriffs, fit wäre. Zwar würde mir das in keinem Kampf helfen, doch ich müsste immerhin irgendwie versuchen, mit Regis und Geralt mitzuhalten, deren physische Fähigkeiten meine locker in den Schatten stellten. Wenn ich Regis auch nicht sagen konnte, was genau uns erwartete, so war ich doch sicher, dass er ebenso angespannt war, wie ich selbst. Er kannte Dettlaff wohl besser als jeder andere und wusste, wozu sein Blutsbruder fähig war. Ebenso, wie wir beide wussten, dass die einzig sichere Möglichkeit, ihn jetzt zu stoppen, wäre, den Unsichtbaren aufzusuchen. Eine Option, die ihm vielleicht in den Sinn gekommen war, ich jedoch nicht einmal in Erwägung zog. Kam nicht in Frage. Vermutlich war es ziemlich arrogant von mir, das zu hoffen, aber ich wollte dennoch glauben, dass niemand sterben müsste, abgesehen vielleicht von Syanna, die den Tod nach hiesigem Recht sowieso verdient hätte, wäre sie nicht zufällig die Schwester der Herzogin. Dass Annarietta trotz allem und dem Wissen, dass sie das finale Ziele in Syannas Racheplan gewesen wäre, dennoch unbedingt ihre Schwester von aller Schuld frei sprach und obendrein Dettlaff allein verurteilte, hatte mich schon im Spiel wütend gemacht. Wie konnte man nur so blind sein? In meine Gedanken und die Bücher von Regis abwechselnd versunken, krochen die Stunden nur so vor sich hin. Als es jedoch endlich dämmerte und ich mich in das Bett kuschelte, von dem mir langsam dämmerte, dass es wohl mal Dettlaffs gewesen war, fand ich keine Ruhe. Das Wissen darüber, was die nächste Nacht bereit hielt, sorgte dafür, dass ich einfach nicht einschlafen konnte. So gerne hätte ich verhindert, dass es überhaupt dazu kam, doch meine eigenen Lügen hatten mir dabei schließlich im Weg gestanden und von Theodor hatte ich auch nichts wirklich Neues erfahren können. Es war frustrierend! Erst, als der Morgen dämmerte, siegte die Müdigkeit schließlich und ich versank in unruhigen Träumen. Ich saß buchstäblich auf heißen Kohlen, bis es dämmerte und Geralt entschied, nun wie befohlen, die Herzogin aufzusuchen, um ihr mitzuteilen, dass er wie vorhergesagt keine Spur des Biests von Beauclair hatte finden können. Regis würde ihn begleiten, zumal die Herzogin ja vom Treffen bei Orianna eh schon wusste, dass Dettlaff das Biest und ein Bekannter von Regis war. Fast hatte ich gehofft, die Zwei würden mich einfach in der Gruft zurücklassen, um die beiden Greifenküken zu bespaßen, die den vorigen Tag damit verbracht hatten, wie wild über den Friedhof zu tollen, sicherlich nicht, ohne den einen oder anderen Grabstein umzuschmeißen. Wenn sie so weiterwuchsen, würde ich sie wohl leider nicht mehr lange bei mir behalten können und müsste sie irgendwo auswildern, wo keine Menschen lebten. Der Gedanke schmerzte, doch für meine Kleinen wäre es das Beste. Zum Besuch bei der Herzogin durften die Zwei jedoch mit. Sie folgten mir auf Schritt und Tritt, sehr zum Ärger Geralts, der voran ging, während ich mit Regis folgte. Der Vampir sah besorgt aus, was ich gut verstehen konnte. Auch er wollte Dettlaff helfen und wusste nicht, wie. Am liebsten hätte ich seine Hand gedrückt, um ihm zu signalisieren, dass ich verstand und dass alles gut werden würde, doch so ganz sicher war ich mir dabei leider selbst nicht. Dass ich Ritter Hasenfuß gerettet hatte, hatte nicht so viel verändert wie gehofft. Hätte ich Dettlaff nicht so viele Lügen aufgetischt, hätte ich vielleicht in Burg Tynne mehr tun können, doch sich jetzt darüber zu ärgern, war müßig, zumal ich Dettlaff die Wahrheit über meine Kenntnisse ja nicht hätte verraten können. Das hatte bisher nie funktioniert, sonst hätte ich ja längst versucht, Geralt alles zu erklären, als wir uns das erste Mal trafen. Seufzend ignorierte ich die Wachen am Tor, die uns mit großen Augen musterten, dann aber kommentarlos passieren ließen. Leises Getuschel jedoch folgte uns, wenn ich auch kein Wort verstand. Regis hingegen sehr wohl. Ein kurzes Schmunzeln huschte über seine Züge, als uns eine junge Frau entgegen kam, die verkündete, der Hexer würde nun von Ihrer Hoheit empfangen, doch wir anderen möchten bitte hier warten. Dass ihr Blick dabei abfällig über mich und die Winchesters glitt, ignorierte ich gekonnt. Mir war klar, dass Annarietta nicht gut auf mich zu sprechen war. Ihr Problem. Sollte sie ihren Hofdamen gegenüber nur lästern, so viel sie wollte, auf diese Kontakte legte ich eh keinen Wert. Kaum, dass Geralt mit der jungen Frau verschwunden war, neigte sich Regis in meine Richtung, um mir etwas zuzuflüstern. “Bisher kam mir dieser Gedanke nicht, doch anscheinend hast du dir einen Ruf als Monsterbändigerin in mehr als einer Hinsicht gemacht.” Ich runzelte die Stirn und blickte fragend zu ihm hoch, ehe ich ihn nur kurz korrigierte. “Was meinst du?”, wollte ich wissen und erntete einen etwas verlegenen Blick. Der Vampir räusperte sich, ehe er zögerlich meinte: “Nun, manch einer vertritt wohl die Erwägung, du könntest dem Biest näher gekommen sein und wärst deshalb verschont worden.” Läge in seinem Blick nicht solches Wohlwollen, ich hätte abfällig geschnaubt, so aber blickte ich ihn nur tadelnd an. Wirklich, Regis? Dass er auf die Gerüchteküche hörte, hätte ich nicht von ihm gedacht. “Offenbar will bloß keiner hier die Wahrheit hören”, gab ich etwas patzig zurück. “Da lief nichts. Wirklich”, betonte ich mit fester Stimme und fügte, als Regis fast enttäuscht blinzelte, hinzu: “Nichts gegen Dettlaff, wirklich nicht. Aber wir hatten nicht so viel Zeit, uns kennenzulernen und obendrein geht es hier um seine Geliebte Syanna.” Regis nickte bedächtig und schwieg, sichtlich in Grübeleien versinkend, während mir zugleich auffiel, dass Regis doch eigentlich bei der Unterredung hätte dabei sein müssen, wenn ich mich richtig erinnerte. Insgeheim war ich aber dankbar dafür, dass er hier bei mir geblieben war, denn ich wusste, der Angriff begänne jeden Moment. Lange dauerte es nicht, bis genau das passierte, worauf ich gewartet hatte. Regis sah sich unruhig um und ich könnte schwören, er witterte, was kam. Die Vampire waren da, um über Beauclair herzufallen. Ich presste die Lippen zu einem schmalen Strich und widersprach nicht, als Regis mich am Arm griff und mit knappen Worten mit sich zog. “Folg mir und bleib nahe.” Oh, das würde ich auf jeden Fall. Die Winchesters hingen mir an den Hacken. Sie wussten vermutlich ebenso gut wie ich, welche Gefahr sich uns näherte und tatsächlich dauerte es keine Minute, bis ein Wachmann an uns vorbei taumelte, der aus schweren Wunden blutete. Weit kam er nicht, denn ein Schemen sprang ihn aus der Unsichtbarkeit heraus an und riss ihn zu Boden. Eine Bruxa. Ihr wilder Blick wanderte zuerst zu dem Wachmann, nach dessen Ableben zu Regis, dessen Hand schwer auf meiner Schulter ruhte, und mir. Sie funkelte uns kurz an, huschte dann aber so schnell weiter, dass ich nicht einmal hätte sagen können, in welche Richtung. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Wäre Regis nicht hier, sie hätte mich zweifelsfrei einfach getötet. “Sehen wir besser nach Geralt”, brachte ich gepresst heraus und winkte Dean zu, mitzukommen. Der Greif hatte sich vorgewagt, um der Bruxa nachzukrächzen, die das vermutlich schon nicht einmal mehr gehört hatte. Regis drückte meine Schulter fest. “Lauf, so schnell du kannst. Ich bleibe immer an deiner Seite, doch wir müssen vorsichtig sein. Sie wird nicht allein hergekommen sein”, mahnte er mit ernster Stimme. Ich nickte ihm nur still zu und schickte ein Stoßgebet an einen Gott, an den ich nicht glaubte, dass ich das hier irgendwie überlebte und mit Dettlaff reinen Tisch machen konnte. Am besten mit allen. Wenn ich ihnen doch nur erklären könnte, woher ich über mein Wissen verfügte und dass ich wirklich als Freundin an sie herangetreten war. Doch darüber könnte ich mir wohl den Kopf zerbrechen, wenn ich die Nacht der langen Zähne überstanden hatte. Wie blind taumelte ich Regis’ Führung hinterher. Mehrmals kamen wir an Leichen vorbei, die in einem so schrecklichen Zustand waren, dass es an ein Wunder grenzte, dass ich mich nicht übergab. In Filmen machte mir das alles überhaupt nichts aus, doch in der Realität war es etwas völlig anderes. Diese Leute waren einfach niedergemetzelt worden und hatten keine Chance gehabt, auch wenn einige von ihnen ein Schwert in der Hand hielten. Als könnte ihnen das gegen einen Vampir wirklich helfen. Selbst mit einer Silberklinge bewaffnet, wäre eine Bruxa oder ein Katakan oder ein Ekimma noch immer ein mehr als gefährlicher Gegner für eine Gruppe Krieger. Wäre nicht der sanfte Druck von Regis’ Hand an meiner gewesen, ich hätte wohl noch einen Moment länger auf den Toten gestarrt, dessen leerer Blick auf mir zu ruhen schien, als wolle er mir einen stummen Vorwurf machen, weil ich all das hier nicht verhindert hatte. Ich schluckte schwer und ließ mich von Regis mitziehen, der mir einen ernsten Blick zuwarf. “Beeilen wir uns besser. Sicherlich wäre es auch nicht in Dettlaffs Interesse, dass du hier dein Ende findest.” Irgendwie war ich mir da nicht so sicher. Spätestens, wenn Dettlaff meine Lügen aufdeckte, konnte das schon ganz anders aussehen. Die anderen Bewohner der Stadt interessierten ihn ja scheinbar auch nicht besonders, wenn man diesen drastischen Angriff bedachte. Im Zorn war eben keiner mehr Herr seiner selbst und für Dettlaff galt das ganz eindeutig besonders. Ich hoffte wirklich, mein Wissen könnte wenigstens beschleunigen, was nun anstand, damit weniger Menschen sterben mussten. Dafür brauchte ich allerdings den Hexer und der wiederum mich. Dass Regis Geralts Spur folgte, hoffte ich einfach. Im Spiel hatten die beiden sich ja auch innerhalb der Schlossmauern gefunden, um dann nach Syanna zu suchen. “Regis, Daelis.” Erleichterung durchflutete mich, als der Hexer mit schnellen Schritten auf uns zueilte. Sein Blick wanderte nur kurz über uns beide. “Sieht verdammt übel aus”, zischte Geralt hörbar gereizt. An seiner Silberklinge klebte bereits Blut. “Wir sollten Syanna suchen, damit sie sich mit Dettlaff trifft”, mischte ich mich ein. Geralt starrte mich skeptisch an, doch Regis kam mir zum Glück zur Hilfe. “Sie hat es selbst angeboten und ich denke, das ist der einzige Weg, wie wir das hier beenden können”, stimmte er mir zu. Mit einem leisen Schnauben nickte der Hexer. “De La Tour hat erzählt, sie sei im Palast. Hoffen wir, dass wir nicht zu spät kommen.” Ich verstand sofort, was er meinte. Bei all den angreifenden Vampiren hier, fürchtete er, dass Syanna auch angegriffen worden sein könnte. Na, da konnte ich ihn beruhigend. “Sie ist in Ordnung. Trödeln wir hier nicht länger herum”, hetzte ich den Hexer und bedeutete ihm zugleich mit einer Geste, voran zu gehen. Wo genau die Tür war, durch die er im Spiel zu den Gemächern gelangt war, in denen das Märchenbuch lag, wusste ich nämlich nicht mehr. Zum Glück jedoch fand der Hexer den Weg auch ganz ohne Hilfe. Als wir die richtige Tür erreichten, erkannte ich die Umgebung sofort und tippte Regis an. “Kannst du dich da hereinnebeln, um uns die Tür aufzumachen?”, bat ich ihn. Wir hatten schlicht keine Zeit mehr zu verschwenden. Im Spiel dauerte es gefühlte Ewigkeiten, bis den beiden diese Idee kam und Geralt nicht versuchte, die Tür mit Gewalt zu öffnen. “Ich bin sicher, wir finden hier Syanna”, betonte ich Regis gegenüber mit belegter Stimme. Der ergraute Vampir runzelte nur kurz die Stirn, nickte dann aber. “Natürlich. Bitte habt einen Moment Geduld.” Dean und Sam hielten sich nun nahe bei meinen Beinen. Sie hatten bestimmt auch Angst, meine armen Kleinen. “Alles wird gut”, flüsterte ich ihnen zu, ungeduldig auf die Tür starrend, während Geralt neben mir etwas von “Mistviechern” brummte. Viel länger als einen Moment brauchte Regis zum Glück wirklich nicht, um uns einzulassen. Als ich an ihm vorbeistürmte, rief ich ihm noch ein “Danke” zu, hastete dann aber auch schon die Treppe hinauf. Ich glaubte mich zu erinnern, dass der Raum im Obergeschoss lag. Hinter mir hörte ich Geralt fluchen und meinen Namen rufen, doch ich ignorierte das ebenso wie das Krächzen der Winchesters. Das erste Zimmer, an dessen Tür ich rüttelte, war verschlossen, doch an der zweiten Tür hatte ich Glück. Bingo! Das war es! Hier musste das Märchenbuch liegen, in dessen Zauber die Herzogin Syanna versteckte und gefangen hielt. Mein Blick suchte das Buch bereits, als mich etwas am Arm griff und damit fast aus dem Gleichgewicht brachte. “Verdammt, bleib gefälligst an meiner Seite!”, blaffte Geralt mich an. “Es könnte gefährlich sein!” Ich murrte: “Ist es aber nicht und jetzt lass mich los. Wir müssen Syanna finden!” Einen Moment lang noch starrte mich der Weiße Wolf finster an, dann lockerte sich sein Griff und müsste ich raten, lag das wohl vor allem an Regis Hand auf Geralts Unterarm. Lange suchen musste ich das Buch nicht. Es lag in einem ansonsten fast leeren Schrank. Geralt hatte derweil das Tagebuch der Amme gefunden, die sich um Syanna und Annarietta gekümmert hatte, als die Schwestern noch klein gewesen waren. Im Spiel las er daraus nun eigentlich ein paar Zeilen vor, doch das hielt ich für Zeitverschwendung. Also wedelte ich demonstrativ mit dem Märchenbuch. “Sie ist hier drin! Das hier ist ein magisches Buch. Es wurde so verzaubert, dass eine Art magische Realitätsebene entsteht, in der die beiden Schwestern als Kinder gespielt haben. Das Innere ist allerlei Märchen nachempfunden”, erklärte ich kurz angebunden und erntete erstaunte Blicke seitens Geralts und Regis’, wobei ich wetten könnte, dass gerade der Vampir sich gerade zusammenreimte, dass ich doch sehr viel mehr Details kannte, als ich ihm und Geralt gegenüber zugegeben hatte. “Ist das dein Ernst?” Der Hexer klang noch nicht so richtig überzeugt. Ich nickte. “Absolut. Sie ist hier drin. Wer würde schon in einem Buch nach ihr suchen? Ein besseres Versteck gibt es doch gar nicht”, versuchte ich ihm das Ganze schmackhaft zu machen. Dass der Zauber inzwischen korrumpiert war und nicht mehr wie ursprünglich angedacht funktionierte, weshalb die Märchenfiguren nun durchdrehten, erzählte ich ihm besser noch nicht. Das würde Geralt dann schon sehen. Er seufzte, als ich das Buch auf dem Tisch ablegte, auf dem er das Tagebuch der Amme gefunden hatte. “So wie du guckst, willst du wohl mit, mh?”, brummte der Weiße Wolf in meine Richtung. “Natürlich.” Er würde mich brauchen, sonst dauerte der ganze Kram nur unnötig lange. Obendrein wollte ich unbedingt verhindern, dass er sich auf eine Runde Gwent gegen das Mädchen mit den Zündhölzern einließ und Syanna ihr magisches Haarband gewann. Dass sie entkam und damit vielleicht das offiziell gute Ende einleitete, in dem sie einen auf glückliche Familie mit der Herzogin machte, während Dettlaff sterben müsste, würde ich nicht zulassen. Obendrein bestünde dadurch auch noch die Möglichkeit, dass alle drei starben: Dettlaff, Syanna und Annarietta. “Dann sollten wir alsbald aufbrechen”, sinnierte Regis, das Märchenbuch skeptisch musternd. “Weißt du auch, wie wir in das Buch gelangen?” Fragend sah er mich an und wieder nickte ich. “Man muss es nur aufschlagen und lesen. Aber zur Sicherheit sollte jemand hier bleiben oder besser am Notausgang des Buches, draußen am Brunnen”, verplapperte ich mich und konnte direkt Misstrauen in Geralts gelben Katzenaugen aufblitzen sehen. Regis hingegen war die Ruhe selbst. “Dann werde ich dort warten. Für den Fall, dass Vampire den Weg dorthin finden, bin ich als einziger außer Gefahr”, erklärte der Vampir sachlich. Bildete ich mir das ein oder versuchte er gerade, mir zu helfen, meinen Willen zu kriegen? Beschweren würde ich mich darüber nicht, denn so wie Geralt guckte, hätte der mich nur zu gerne hier gelassen. “Ich kenne die Märchen ziemlich gut und weiß, wie wir schnell zum Ausgang kommen. Aber ich kann nicht kämpfen und das Buch wird uns vermutlich als Eindringlinge betrachten…” Mein Blick wanderte zu Geralt, der nur leise ächzte. “Gut, einverstanden.” Diesen Kampf hatte ich zwar gewonnen, doch die Winchesters wollte der Hexer partout nicht mitnehmen. Sie wären uns nur im Weg und ohnehin könnten sie nicht lesen, wie sollten sie überhaupt in das Buch kommen? Zwar zog ich eine Schnute und brummte beleidigt, weil er meine süßen Winchesters als “Hässlich und Hässlicher” betitelte, aber gegen das letzte Argument konnte ich nichts sagen. Als Regis versprach, auf sie aufzupassen, während Geralt und ich Syanna holten, beruhigte mich jedoch, auch wenn Geralts Miene ahnen ließ, dass er nicht der Meinung war, dass irgendjemand die Greifen beschützen müsste. Wenn ich die beiden in die Freiheit auswilderte, sollte ich wirklich besser aufpassen, das weit weg von jeglichen Hexern zu tun. Ein bisschen traurig stimmte mich der Gedanke, doch die beiden waren inzwischen so groß geworden, dass sie nicht mehr lange mit mir herumlaufen könnten. Schon jetzt wurden sie überall argwöhnisch beäugt. Noch größer und jeder würde auf den ersten Blick Monster in ihnen sehen. In den Zauber des Buches gezogen zu werden, war alles andere als angenehm und mein Magen fühlte sich mächtig flau an, als sich mein Blick endlich wieder klärte und den Blick auf einen dicht bewachsenen Wald preisgab. “Ich hasse Portale”, konnte ich Geralt neben mir leise brummen hören. Verhalten kicherte ich und deutete dann auch schon auf die golden schimmernden Steine, die auf dem Boden erkennbar waren, wenn auch an vielen Stellen bereits überwuchert. “Denen sollten wir folgen, egal ob sie zum Zauberer von Oz oder Alice im Wunderland gehören”, meinte ich und ging voran, den Hexer direkt auf den Fersen. “Keine Ahnung, wovon du sprichst, aber meinetwegen. So schwer kann es ja nicht werden, Syanna hier zu finden.” Ich nickte. Syanna zu finden, war wirklich nicht das Problem. Hier herauszukommen schon eher. Aber das würde Geralt schon noch selbst merken, wenn wir erst bei der Hexe ankamen, die Syanna gerade gehörig auf den Keks ging. Entspannt trabte ich den Pfad entlang, umrundete eine eingestürzte Brücke, die über einen Bach führte, der eh kein Wasser mehr führte. “Ziemlich ruhig hier”, merkte Geralt an, der nun neben mir ging, sein Schwert bereits in der Hand. Welches von beiden es war, wusste ich zwar nicht, aber im Fragefall würden hier wohl sowohl die Silberklinge als auch das Stahlschwert ihren Zweck erfüllen. Wir überquerten gerade die zweite Brücke, als auch schon das Haus der Bösen Hexe in Sichtweite kam. Geralts Schritte beschleunigten sich wie von selbst, sodass ich Mühe hatte, ihm überhaupt so schnell zu folgen. Offenbar hatte nicht nur ich es irgendwie eilig. Syannas Stimme konnte ich hören, doch was sie sagte, nicht genau ausmachen. Allerdings zerrte sie am Ofen herum, um, wie ich wusste, Hans zu befreien, weil sie von ihm die magischen Bohnen wollte. Nur damit käme sie auf die Wolken hinauf und dort zum Brunnen, der den Hinterausgang des magischen Landes markierte. Es war jedoch nicht Syanna, der meine Aufmerksamkeit zuerst galt, sondern vielmehr die Böse Hexe, die munter in ihrem Kessel rührte. Als wir näher kamen, hob sie den Blick und fixierte Geralt skeptisch. “Und wer ist das? Ein verirrter Reisender? Du solltest nicht hier sein, mein Bester.” Ah, ich wurde also ignoriert? Na meinetwegen. Viel Wert legte ich eh nicht darauf, an diesem Kampf teilzunehmen. Helfen konnte ich Geralt da sowieso nicht. Als der jedoch einen Schritt auf die Hexe zu tat, wohl bereits in der Erwartung, dass ein nettes Gespräch hier nicht helfen würde, hielt ich ihn am Arm fest. “Wenn du kannst, zerschlag ihren Besen”, zischte ich ihm zu und erntete einen verwirrten Blick. Da Geralt jedoch nicht nachfragte und die Hexe ihm dafür auch nicht allzu viel Zeit ließ, ersparte ich mir jede weitere Ausführung und lief zu Syanna herüber, um ihr dabei zu helfen, vielleicht doch das Schloss zu zerstören, das den Ofen verschloss. “Und du bist dann wohl diese Daelis?”, sprach Syanna mich an, als ich das Schloss in Augenschein nahm und mich anschließend umsah. Vielleicht fand ich ja einen losen Ziegel, mit dem ich darauf einschlagen könnte. “Ja, genau. Hallo”, hielt ich die Vorstellung knapp und ignorierte gekonnt ihr halbherziges Lachen. “Wusste nicht, dass ich so eine gute Freundin habe, die nach mir sucht.” Grimmig funkelte ich sie an. “Hast du auch nicht”, brummte ich zurück und griff nach einer metallenen Suppenkelle, die auf einem kleinen Tischchen neben dem Ofen lag. Nicht optimal, aber vielleicht klappte es ja. Energisch schob ich Syanna beiseite und schob die metallene Griffstange unter den Metallbalken des Schlosses, in der Hoffnung, die Hebelwirkung würde genügen. “Und doch bist du hier”, sinnierte die schwarzhaarige Frau neben mir und klang doch ein wenig nervös. Allerdings lag das wohl eher am Kampf der Hexe gegen Geralt und weniger an mir. “Nicht für dich. Oder hast du vergessen, dass hunderte von Leben in Beauclair auf dem Spiel stehen?”, fauchte ich sie an, da knackte das Metall in meinen Händen und die Kelle brach entzwei. Frustriert pfefferte ich die beiden Teile auf den Boden. “Scheiße.” Hosted by Animexx e.V. 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