Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 32: XXXII - Zwischen zwei Meinungen ------------------------------------------- Samstag, 11.Juli 2015 - Dungeon Angespannt schaute die Gruppe auf den Eingang von Yasuos Dungeon. An diesem Abend wollten sie die zweite Etappe bis zum Eingang des letzten Raumes wagen, doch ein wenig Unbehagen überkam sie. Der erste Teil des Labyrinths war zwar sehr einfach gewesen, doch der Zwischenboss hatte es in sich gehabt. Was wenn sie wieder so etwas erwartete? Es war zwar einerseits gut, dass die Shadows, welche sie wohl erwarten würden, recht einfach waren, doch leider konnten sich dadurch ihre Fähigkeiten nur schwer entwickeln. Wieder eine Parallele die Akane von den RPGs gezogen hatte, die sich allerdings auch nicht verleugnen ließ. Ihre Personas entwickelten sich nur weiter, wenn sie gegen starke Gegner kämpften. Schwache Gegner brachten nicht viel. Und sie mussten stärker werden, denn auch die Endgegner wurden immer stärker. Am liebsten wäre es Mirâ gewesen, wenn sie die Personen hätten retten können, ohne dass sich deren Shadow manifestierte. Doch mittlerweile war ihr klargeworden, dass diese Hoffnung immer geringer wurde. Zumal aus den Shadows die Personas des jeweiligen Opfers wurden. Ihr ging es gegen den Strich, dass es so laufen musste und die gefangenen Personen so gequält wurden und sie wollte so schnell wie möglich herausfinden, wer oder was hinter alledem steckte. Doch sie wusste, dass sie noch am Anfang waren und einiges vor sich hatten. Sie und ihre Freunde hatten bereits einige Ermittlungen angestellt, bei welchen sie zusammentrugen, was alle Opfer gemeinsam hatten. Der eindeutigste Punkt war bisher, dass alle auf dieselbe Schule gingen und sie alle ungefähr im gleichen Alter waren. Doch das war bisher schon alles. Offiziell jedenfalls, denn Mirâ hatte noch einen Gedanken, welchen sie nicht mit ihren Freunden geteilt hatte: Alle hatten bisher mehr oder weniger mit ihr zu tun, wenn auch nicht extrem aktiv. Ob das nun Zufall war oder nicht, es machte ihr Sorgen. Sie hatte zwar bereits mit ihren Freunden darüber gesprochen, immerhin kam Akane auf diese Idee, aber trotzdem machte ihr dieser Gedanke Angst. Darüber wollte sie eigentlich in diesem Moment nicht nachdenken, doch... "Wollen wir los?", holte sie plötzlich Hiroshis Stimme aus ihren Gedanken. Leicht erschrocken sah sie zu ihrem Kumpel hinauf, welcher sich neben sie gestellt hatte. Erleichterung machte sich in ihr breit und sie schüttelte ihre Gedanken erst einmal von sich. Nun war nicht die Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Mit einem tatkräftigen Lächeln nickte sie ihrem Kumpel zu und drehte sich noch einmal zu ihren anderen Freunden um, welche ebenfalls nickten. Daraufhin trat die Gruppe durch das Tor und landete auf der Lichtung, wo sie beim letzten Mal gegen den Zwischenboss gekämpft hatten. Erstaunt blickte sich Kuraiko um: "Wow. Ich dachte wir landen wieder am Anfang und müssten uns wieder durchkämpfen." "Das dachten wir am Anfang auch, aber schon beim ersten Dungeon mussten wir feststellen, dass wir bei der Rückkehr beim Zwischenboss landen.", erklärte Mika ruhig. "Das ist der Grund, weshalb wir versuchen wollen zumindest immer bis zum Zwischenboss zu gelangen.", meinte Akane dazu und grinste Kuraiko an. Diese nickte verständnisvoll. Sie konnte es verstehen, vor allem nachdem sie diesen Boss mitbekommen hatte. Außerdem hatten ihr ihre neuen Freunde erklärt, dass sie immer nur bis zur nächsten Neumondnacht Zeit hatten zum Opfer zu gelangen um denjenigen zu retten. Was geschah, wenn sie dies nicht schafften, wusste die Gruppe nicht, allerdings konnte es nichts Gutes sein, da waren sie sich sicher. Gemeinsam gingen sie auf das Tor ihnen gegenüber zu und drückten es gemeinsam auf. Dahinter erwartete sie ein ähnliches Bild wie bereits am Anfang des Dungeons, als sie auf einen Waldweg traten. Dieses Mal jedoch teilte sich vor ihnen der Weg bereits in drei in drei weitere, das war anfangs nicht so gewesen. Angestrengt blickte Mirâ in alle drei Richtungen, doch viel erkennen konnte sie nicht, da der einem Wald ähnelnde Dungeon dafür sorgte, dass man nicht einschätzen konnte, ob der Weg, welchen sie sahen echt war oder nur eine Täuschung. "In welche Richtung wollen wir gehen?", fragte Masaru vorsichtig. "Gute Frage.", meinte Mirâ, doch setzte sich langsam in Bewegung und betrat den Gang rechts von ihnen, "Aber wir haben eh keine andere Wahl als alle Wege abzusuchen, bis wir den richtigen finden. Arbeiten wir uns also systematisch von rechts nach links voran." Daraufhin betraten sie den ersten Gang, welcher sie relativ weit in das Labyrinth brachte. Auch dieser gabelte sich irgendwann, doch diese Gabelungen führten sie wie bereits am Anfang nur in irgendwelche Gassen. Dafür ließen sich mehr Shadows blicken, welche auch nicht sofort wegrannten. Sie waren sogar etwas stärker, als die Shadows im ersten Teil des Dungeons, allerdings nicht wirklich der Rede wert. Trotzdem konnte die Gruppe ihre Personas etwas aufleveln. Nach einer Weile gelangten sie an eine weitere Sackgasse, doch zum Erstaunen der Sechs befand sich dort eine Truhe. Der erste Teil des Dungeons hatte keine Schätze beherbergt, weshalb die Gruppe nicht einmal mehr damit gerechnet hatte hier etwas zu finden. Umso erstaunten blickten sie auf die vor ihnen stehende Truhe, welche ein wenig an eine Schatztruhe aus alten Piratengeschichten erinnerte "Lasst sie uns öffnen und sehen was drin ist.", sagte Akane plötzlich erwartungsvoll. Ihre Augen glänzten richtig vor Aufregung. Anscheinend hoffte sie etwas Wertvolles zu entdecken. Irgendwie verständlich, hatten sie doch im ersten Teil nichts dergleichen gefunden. Eine stärkere Waffe, neue Pfeile oder Heilmittel konnte die Gruppe immer gebrauchen. Doch hatten sie auch schon schlechte Erfahrungen gemacht, als plötzlich Shadows aus solchen Truhen gekrochen waren. An sich wäre es kein Problem gewesen, doch meistens waren sie stärker als die Shadows, welche sich sonst in den Dungeons aufhielten. Es war also eine 50/50-Chance etwas Gutes zu finden oder in eine Falle zu tappen. Sollten Sie dieses Risiko eingehen? Sie hatten immerhin noch einen langen Weg vor sich. Doch noch bevor Mirâ diesen Gedanken auch nur abschließen konnte hatte Akane bereits die Truhe geöffnet und starrte nun etwas irritiert hinein. Sich fragend, was ihre beste Freundin so irritierte, trat die Violetthaarige ebenfalls an die Truhe heran und blickte hinein. Dort fand sie einen kleinen Zettel wieder, welcher so aussah als sei er achtlos von einem größeren Blatt Papier abgerissen worden. Mirâ nahm es hinaus und sah sich die beschriftete Seite an. Dort standen in fein säuberlich geschriebenen Schriftzeichen drei abgehackte Sätze: "...Zu uns nehmen..." "...Ihr müsst zusehen..." "...Formular zugesandt..." Fragend blickte die Gruppe auf diese drei "Sätze". Was hatte das zu bedeuten? Und wieso fanden sie in dieser Welt so einen Zettel? Es wurde immer merkwürdiger in dieser unwirklichen Welt. Jedes Mal erlebten sie etwas Neues, doch das brachte sie auch nicht näher an die Wahrheit. Was würde sie wohl noch erwarten? Seufzend steckte Mirâ den Schnipsel in ihre Tasche. Es war wohl sinnvoll ihn erst einmal aufzuheben. Umsonst war er mit Sicherheit nicht dort. Doch aktuell konnten sie nichts damit anfangen und Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen hatten sie auch nicht. Ein Blick zu ihren Freunden sagte ihr, dass diese wohl ähnlich dachten und so machte sich die Gruppe wieder auf den Rückweg, bis sie wieder am Anfang des zweiten Teils des Dungeons waren. Daraufhin nahmen sie den mittleren Gang. Doch es war nicht viel anders als auf ihrem Weg zuvor. Wieder kamen ihnen nur einige Shadows entgegen, welche allerdings nicht wirklich stark waren. Die meisten machten sich sogar wieder aus dem Staub. "Seht mal, eine weitere Truhe!", rief Akane, als die sie das Ende des Ganges erreicht hatten. Auch dieser Weg erwies sich also als Sackgasse. Neugierig besah sich Akane die Truhe von allen Seiten und schien zu überlegen, ob sie diese öffnen sollte. Ein ungutes Gefühl kam in Mirâ auf und sie war kurz davor ihre Freundin vom Öffnen abzuhalten, doch diese war schneller. Mit einem knarksenden Geräusch öffnete sich die hölzerne Kiste und einen Augenblick später fiel Akane mit einem Aufschrei auf ihren Hintern. Kurz darauf stand zwischen der Gruppe der Shadow, welcher wie eine Hand aussah. Doch dieser war aus Gold. Freudig vergnügt tänzelte er hin und her und schien die Situation zu erfassen. Augenblicklich begaben sich die fünf in Angriffsposition, doch anstatt sie anzugreifen sprang der Shadow kurz auf und suchte so schnell wie möglich das Weite. "Eh?", erstaunt sah die Gruppe auf den Fleck, an welchem der Shadow einen Moment zuvor noch gestanden hatte. Was sollte das denn? Sie hatten bereits einige Shadows gesehen, welche so schnell wie möglich das Weite gesucht hatten, aber noch nie einen, der aus einer Truhe sprang und sich dann verdrückte. Und einen Goldenen hatten sie auch noch nie gesehen. Fragend blickte Mirâ zu Mika, welche kurz zu überlegen schien. "Es könnte ein seltener Shadow sein. Ich meine wir haben so einen noch nie gesehen, also existiert er schon mal nicht so häufig. Vielleicht verliert er sogar seltene Dinge, wenn man ihn besiegt.", schlussfolgerte sie. Das klang logisch, doch wie sollte man ihn besiegen, wenn er gleich das wieder verschwand. Aber vielleicht war er deshalb auch so selten, weil er es einem schwer machte ihn zu finden und dann gegen ihn zu kämpfen. Akane grinste plötzlich. Anscheinend war ihre Neugier geweckt, doch genau das sollte sich später noch als Problem entpuppen. Etwas später... Kuraikos Sense sauste zu Boden und schickte den letzten Shadow ins Jenseits. "Noch einmal, Akane! Öffne nicht ständig alle Truhen!", mahnte sie genervt. "Ehehehe. Entschuldige.", lachte Akane verlegen. Die Schwarzhaarige seufzte, da sie bezweifelte, dass Akane sich daran halten würde. Sie wusste was die Braunhaarige antrieb: Diese wollte sicher den Rest des Briefes finden oder noch einmal diesen seltenen Shadow. Alle waren sich sicher, dass es noch mehr Schnipsel geben musste. Umsonst war der eine nicht dort gewesen. Ebenso war allen klar, dass sich der goldene Shadow wohl irgendwo verstecken musste. Doch leider ging die Braunhaarige etwas zu sorglos damit um, denn wie bereits bemerkt waren die meisten Kisten voller Shadows, allerdings nicht mit dem Goldenen. Und sie wurden immer stärker. Doch trotzdem stürmte Akane jedes Mal vor, was Kuraiko so langsam auf die Nerven ging. "Andererseits werden wir nicht wissen wo der Rest drin ist, wenn wir die Truhen nicht öffnen.", meinte Hiroshi, "Was heißt, dass wir so oder so alle Kisten öffnen müssen." Die Schwarzhaarige schnaufte leicht verächtlich, doch sagte nichts weiter dazu, was Hiroshi ein leichtes Grinsen auf das Gesicht zeichnete. Dieses Verhalten von Kuraiko war typisch für sie, wenn sie wusste, dass ihr Gegenüber Recht hatte und es ihr gegen den Strich ging. Der Blonde genoss diese Momente besonders dann, wenn er derjenige war, welcher sie zu dieser Angewohnheit brachte. "Könnt ihr eure Unstimmigkeiten bitte auf die reale Welt beschränken?", fragte Masaru, welchem das Verhalten von Kuraiko und Hiroshi aufgefallen war, "Wir haben gerade wirklich andere Probleme." "Senpai hat recht. Bitte streitet euch nicht. Kuraiko, ich weiß auch, dass es nervig ist, jedes Mal gegen die Shadows in den Truhen zu kämpfen, andererseits hat Hiroshi-Kun auch recht, dass wir alle Truhen öffnen müssen. Ob wir wollen oder nicht.", meinte Mirâ nun auch ernst, bemerkte jedoch den siegessicheren Blick Hiroshis, "Und Hiroshi-Kun, dir gibt das jedoch nicht das Recht die Situation auszunutzen, um Kuraiko auf die Palme zu bringen." Der Angesprochene zuckte kurz zusammen und kratze sich dann verlegen am Hinterkopf, während er sich entschuldigte, was wiederum Kuraiko ein Grinsen aufs Gesicht zeichnete. Mirâ unterband dies mit einem kurzen Blick zu der Schwarzhaarigen, dann atmete sie kurz durch. Das war das erste Mal, dass sie so durchgegriffen hatte. Es tat ihr leid, doch Unstimmigkeiten würden sie nur in ihrer Aufgabe behindern. Außerdem nervte sie das ständige Gezanke ihrer Freunde auch. Andererseits musste sie, als "Anführerin", wohl wirklich öfters mal ernst durchgreifen. Das wusste Mirâ, aber sie fühlte sich in der Rolle, als wichtigste Person überhaupt nicht wohl. Wenn die Violetthaarige gekonnt hätte, hätte sie diese Position sofort abgegeben. Mirâ überlegte kurz, eigentlich hätte sie auf das alles verzichten können, wenn sie sich hätte entscheiden können. Also auf diese ganzen Kämpfe. Auf ihre Freunde wollte sie unter keinen Umständen verzichten, doch vielleicht hätte sie diese ja nie kennengelernt, wenn sie nicht in dieser Situation wären. Mirâ fiel auf, dass ihre Gedanken wieder einmal begannen abzuschweifen, woraufhin sie den Kopf schüttelte. Leider tat die Violetthaarige dieses nicht nur in Gedanken. "Alles ok Mirâ?", fragte Mika besorgt. Erschrocken drehte sich die Violetthaarige zu dem kleinen Mädchen und bemerkte dann ihren Fehler, woraufhin sie abwinkte: "Nein, alles ok. Ich war nur mir den Gedanken kurz abgeschweift." "Und das sollte ich mir endlich mal abgewöhnen.", fügte sie in Gedanken noch hinzu. Dann blickte sie zu ihren Freunden: "Können wir nun weiter, OHNE dass wir uns gegenseitig das Leben schwer machen?" Ein gemeinsames Nicken von allen war zu sehen, woraufhin Mirâ die Sackgasse in welcher sie aktuell feststeckten wieder verließ. Ihre Freunde folgten ihr, doch Akane holte schnell zu ihr auf. "Alles in Ordnung? Tut mir leid. Wegen mir gab es diese Diskussion.", man merkte sofort, das Akane sich an der Situation die Schuld gab. Mirâ jedoch schüttelte nur den Kopf und lächelte: "Nein schon gut. Es ist nicht deine Schuld und mit mir ist auch alles in Ordnung. Ich musste mir nur gerade etwas Luft machen und in dem Moment kam diese Situation wohl einfach nur gelegen. Wenn auch irgendwie ungelegen. Man kann es sehen wie man es will." "Ich kann verstehen, dass dir alles gerade wieder über den Kopf wächst. Wie gesagt, wenn du Hilfe brauchst...", begann die Braunhaarige, doch Mirâ unterbrach sie. "Das ist wirklich lieb Akane und ich weiß das wirklich sehr zu schätzen, aber es ist in Ordnung. Ich komme aber gerne auf das Angebot zurück." Besorgt sah Akane sie an, doch sagte nichts weiter dazu, sondern lief schweigend neben der ihrer besten Freundin her. Sie wusste, dass es für Mirâ am Schwersten war und tief in ihrem Inneren war ihr bewusst, dass diese die wohl schwerste Aufgabe von Ihnen hatte. Wahrscheinlich war es auch genau das, was Mirâ beschäftigte. Sie wünschte sich nur, dass sie ihrer besten Freundin bei diesem Problem mehr helfen konnte, doch sie wusste nicht wie. "Mach dir darüber keine Gedanken Mirâ.", kam es plötzlich von Mika, welche zu den beiden Mädchen aufgeholt hatte, "Es ist dein gutes Recht diese Streitereien zu unterbrechen. Sie sind hier nur hinderlich. Und ich glaube nicht, dass die Beiden es dir übel nehmen." Die Kleine ließ ihren Blick kurz über ihre Schulter zu den beiden Streithähnen schweifen, welche mit Masaru über irgendetwas zu diskutieren schienen. Auch Mirâ sah noch einmal kurz zurück. Es schien wirklich alles in Ordnung zu sein. Spätestens als Hiroshi kurz zu ihr sah und lächelte waren ihre Sorgen diesbezüglich wieder etwas verschwunden. So setzte die Gruppe ihren Weg fort. Es dauerte auch nicht allzu lange als sie über die nächste Truhe stießen. Dieses Mal war es Mirâ, welche diese vorsichtig öffnete. Bereits darauf gefasst, dass erneut ein Shadow heraus springen könnte, machten sich ihre Freunde alle kampfbereit. Doch als sich der Deckel hob geschah nichts. Vorsichtig schaute Mirâ hinein und holte daraufhin zwei weitere Schnipsel heraus. Sofort versammelten sich alle um sie herum und starrten auf die kleinen Zettel. Der eine Zettel schien der Anfang des Briefes zu sein, denn dort stand geschrieben "Liebe Mutter, wie bereits besprochen können wir..." stand. Auch ein Name schien dort zu stehen, doch er stand genau an der Stelle, an welcher das Papier zerrissen war. Jedoch schien jeder in der Gruppe den gleichen Gedanken zu haben. Es konnte sich dabei nur um Yasuos Namen handeln. Anders konnten sie es sich nicht erklären. "... wo ihr den Jungen unterbringen könnt. Seine Art...", stand auf dem zweiten Zettel. Mirâ wurde blass, als sie dies las. Mit zittrigen Händen holte sie den ersten Zettel hervor und hockte sich auf den Boden um die Teile zusammenzufügen. Und die ersten Sätze ergaben wirklich einen Sinn. "Liebe Mutter, Wie bereits besprochen können wir (...) nicht zu uns nehmen. Ihr müsst zusehen wo ihr den Jungen unterbringen könnt. Seine Art... ... Formular zugesandt..." Die Gruppe sah sich an. Ihnen allen war anzusehen, was sie dachten, doch glauben konnten sie es nicht wirklich. Der Anfang dieses Briefes las sich so, als wurde Yasuo von seinen Eltern abgeschoben. Es war nicht klar, ob es wirklich ein Brief seiner Eltern war, doch es war das Naheliegendste. Wenn dem so war, konnten sich alle denken, wieso er sauer geworden war, als er den Brief gelesen hatte. Doch welche Eltern waren so grausam ihr Kind bei seinen Großeltern zu lassen und es nicht mehr zu sich nehmen zu wollen? Das war grausam. Mirâ ballte ihre, sie am Boden abstützenden Hände zu Fäusten und hatte Mühe ihre Tränen zu unterdrücken. Dieser Brief machte sie traurig und wütend gleichermaßen und am liebsten hätte sie ihn in noch kleinere Stücke zerrissen und in alle Winde zerstreut. Doch er war noch nicht komplett und vielleicht würden die noch fehlenden Teile dem Brief einen ganz anderen Sinn verpassen. Wollte sie das jedoch wirklich herausfinden? Am Ende würde es nur noch schlimmer werden. Sie brauchte nicht einmal aufsehen, um zu bemerken, dass es ihren Freunden genauso ging. Betroffenes Schweigen breitete sich aus. Was sollten sie jetzt machen? Es stand außer Frage, dass sie weiter gehen mussten, immerhin mussten sie Yasuo hier rausholen. Das war das oberste Ziel. Doch sollten sie weiterhin den Rest von dem Brief suchen oder sollten Sie es lieber sein lassen? "Was machen wir nun?", fragte Mirâ. "Du meinst ob wir weiter nach dem restlichen Brief suchen sollen?", kam die Gegenfrage von Masaru, worauf Mirâ nur nickte, "Gute Frage." Erneut wurde es still in der Gruppe, bis sich Akane energisch einmischte: "Ich denke, keiner von uns möchte den weiteren Inhalt des Briefes lesen. Trotzdem sollten wir die Teile vielleicht suchen." "Du hast selber gesagt, dass keiner von uns den Rest wissen will. Also warum sollten wir weiter danach suchen?", meinte Kuraiko kalt. "Naja. Was wenn er der Schlüssel zum Zugang zu Esuno-Senpais Raum ist?", meinte die Braunhaarige etwas kleinlaut. Kuraiko fasste sich an den Kopf: "Ich weiß worauf du hinaus willst, aber hör endlich auf das hier mit einem dummen Spiel zu vergleichen. Das hier ist ernst und kein Spiel!" "Glaubst du das wüsste ich nicht? Du weißt gar nicht wie oft wir schon verletzt wurden, bis wir hier angelangt waren. Also stell mich nicht so hin, als würde ich den Ernst der Lage nicht erkennen.", nun wurde Akane laut. Besorgt beobachtete Mirâ die beiden jungen Frauen und bereute es bereits die Frage überhaupt gestellt zu haben. Dabei war sie froh gewesen den letzten Streit gerade so verhindert zu haben. Sie drückte ihre Fäuste weiter zusammen, sodass sich ihre Nägel bereits in die Haut bohrten. Am liebsten wäre sie dazwischen gegangen, doch sie wusste nicht was sie sagen sollte, geschweige denn, wie sie beide beruhigen konnte, ohne dass sich eine angegriffen gefühlt hätte. Sie war verzweifelt. Dabei wollte sie doch keinen Streit in der Gruppe. In diesem Moment jedoch fühlte sie sich einfach machtlos, sodass sie bereits merkte, wie ihr langsam die Tränen in die Augen stiegen. "Schluss jetzt!", brachte Masarus ernste Stimme die beiden Frauen zum Schweigen. Auch Mirâ blickte erschrocken auf und erkannte, wie die Beiden Masaru ebenfalls irritiert ansahen. "Ihr verhaltet euch wie kleine Mädchen und das können wir hier nicht gebrauchen.", meckere er, "Ich kann euch beide verstehen. Genau wie Kuraiko habe auch ich keine Lust mehr, nach dem Brief zu suchen, aber ich verstehe auch, was Akane sagen will. Klar ist es schwachsinnig das hier mit einem Spiel zu vergleichen, aber im Grunde hat Akane ja recht. Und dieser Dungeon hat uns ja schon einmal überrascht. Wer weiß was uns am Ende noch erwarten wird. Aber auch ich denke nicht, dass der Brief wichtig zum Öffnen der Tür ist. Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir vorrangig den Zugang suchen. Sollten wir unterwegs jedoch den Rest des Briefes finden, wäre das ja noch eine Option. Ok?" Es wurde still in der Runde und die beiden Mädchen schienen kurz zu überlegen, dann nickten sie. Zwar sah Akane nicht allzu begeistert aus, doch gab sie sich erst einmal damit zufrieden, auch wenn sie eine dumme Vorahnung hatte. Sie hoffte, dass ihr Gefühl sie trog. Erleichtert atmete Mirâ auf und ihr wurde klar, dass Masaru wahrscheinlich mehr zum Anführer taugen würde, als sie. Doch sie war mehr oder weniger die Anführerin und eigentlich wäre es ihre Aufgabe gewesen diesen Streit zu beenden, so wie sie es bereits kurz zuvor getan hatte. Sie senkte den Blick, doch spürte plötzlich eine warme Hand an ihrer, was sie wieder aufblicken und auf Mika schauen sah. "Mach dir nichts draus Mirâ. Heute war es stressig und wir sind alle fertig. Das beruhigt sich wieder.", meinte das kleine Mädchen, welches teilweise viel erwachsener wirkte als sie selbst. Die Violetthaarige lächelte leicht und nickte: "Danke Mika. Du hast Recht." Dann sah sie ernst zu ihren Freunden: "Da sich das nun geklärt hat sollten wir weiter gehen." Ihre Freunde nickten und so machten sie sich wieder auf den Weg, um endlich die Tür zu Yasuos Raum zu finden. Und tatsächlich dauerte es auch nicht lange ehe sie an eine Gabelung kamen. Als Mirâ ihren Blick nach links wandte erkannte sie ein kleines blaues Licht, welches freudig seine Kreise zog. Es war der kleine Schmetterling, der sie wieder zurück an den Anfang brachte. Dort war also das Ende des Dungeons und die Tür zu Yasuo, welche sie aber erst zum Neumond beziehungsweise Vollmond in dieser Welt öffnen konnten. Sie wandte ihren Blick nach rechts und erkannte ein Stück weiter eine weitere Truhe. Auch ihre Freunde schienen die Truhe gesehen zu haben, denn neben sich merkte sie, wie sich Akanes Körper anspannte. Mirâ wusste, dass ihre Freundin am liebsten sofort hingerannt wäre und die Truhe geöffnet hatte, sich jedoch stark zurücknahm, um keinen weiteren Streit zu provozieren. "So Mirâ. Als unsere Anführerin solltest du jetzt entscheiden, was wir machen.", kam es von Kuraiko, "Gehen wir zur Tür oder öffnen wir die Truhe. Wenn ich mich recht erinnere kommen wir mithilfe des Schmetterlings wieder zurück, was von Vorteil wäre, da wir alle müde sind. Die Truhe ist aber auch nah und in ihr könnte der Rest des Briefes stecken. Der könnte der Zugang durch die Tür sein oder auch nicht. Allerdings könnte die Truhe auch einen starken Shadow enthalten." Die Violetthaarige blickte Kuraiko ernst an, wandte dann den Blick an die Jungs und Mika und blieb letzten Endes an Akane hängen, welche den Blick gesenkt hielt. Anscheinend wollte sie Mirâ nicht auch noch unter Druck setzen, indem sie ihr zeigte wie sehr sie doch die Truhe öffnen wollte. Sie beobachtete Akane noch eine Weile und wandte sich dann wieder an die anderen. "Lasst uns diese eine Truhe noch öffnen. Ich übernehme die Verantwortung.", entschloss sie dann und bog rechts in den Gang ein, ohne auf eine weitere Antwort zu warten. Schweigend und mit verschränkten Armen folgte Kuraiko der Violetthaarigen. Auch die Jungs und Mika kamen ihr nach, nur Akane schien etwas irritiert. Kurz blieb sie einfach nur stehen und sah ihren Freunden nach. Erst als Hiroshi anhielt und mit fragendem Blick zu ihr sah, setzte sie sich langsam in Bewegung. Sie konnte nicht glauben, dass Mirâ sich in dieser Situation, die eh schon extrem angespannt war, für sie entschieden hatte. Es machte sie glücklich, doch machte sich auch ein schlechtes Gewissen breit. Sie wollte unbedingt wissen, was es mit dem Brief auf sich hatte und ob er wirklich so schlimm war, wie sie sich das vorstellten oder nur ein Missverständnis. Sie wusste selber nicht genau, wieso sie sich solche Gedanken darüber machte und weshalb sie so darauf beharrte, aber das war ihr in diesem Moment einfach egal. Sie kam gerade rechtzeitig bei der Gruppe an, als Mirâ die Truhe öffnete und kurz darauf ein Stück zurückwich, als schwarzer Nebel aus der Truhe trat und sich daraus ein Shadow entwickelte. Er sah aus wie ein Samurai, dessen Rüstung dunkelrot mit goldenen Elementen war. Sein Gesicht jedoch war wieder die typische Maske, welche die Shadows alle trugen. Für den Kampf bereit stehend, hielt er eines der Schwerter an seiner Hüfte am Griff, dazu bereit das Katana im richtigen Moment zu ziehen. In seiner anderen Hand, zwischen Handfläche und Schwertscheide eingeklemmt hielt er etwas weißes. Es war nicht sonderlich groß, doch es fiel durch die dunkle Farbe seiner Rüstung auf und die Gruppe wusste in diesem Moment genau was es war: Der Rest des Briefes. Doch ehe einer der Gruppe sich auch nur rühren konnte um einen Angriff zu starten, hatte er Shadow seinen Vorteil genutzt und griff zuerst an. Er schnellte nach vorn, genau zwischen die Gruppe, was sie auseinander trieb und zog sein Schwert. Dann hörte man wie mehrere Schnitte durch die Luft wirbelte, welche kurz darauf alle in der Gruppe trafen und sie teilweise zu Boden rissen. Nur Akane hatte es irgendwie geschafft dem Angriff auszuweichen, doch sah dadurch etwas, was sie ins Stocken brachte. Durch den Angriff hatte sich der Teil des Briefes aus der Hand des Shadows gelöst und war mitten in den Angriff geraten. In kleinen Schnipsel rieselt er langsam zu Boden und verteilte sich beim ersten Windstoß in alle Richtungen. Plötzlich stieg Wut in ihr auf. Sie wusste nicht genau weshalb, doch sie war der Meinung, dass es daran lag, dass Mirâ sich extra für sich eingesetzt hatte diese Truhe wegen dieses Stückchens zu öffnen. Und nun war es umsonst gewesen. Sie spürte eine starke Kraft in sich aufsteigen und griff nach ihrem Handy. Auf dem Display leuchtete eine Angriffsoption auf, deren Name ihr nichts sagte, doch das war ihr in diesem Moment egal und sie wählte die Option "Arm Chopper" aus. Wadjet erschien und griff den Shadow an, welcher genau getroffen wurde und zurück taumelte. Dann wurde es kurz still und Akane wartete auf den Angriff ihres Gegners, doch dieser rührte sich eine ganze Weile nicht, ehe er sich auf der Achse umdrehte und in dunklem Nebel verschwand. Erstaunt sah Akane auf das leere Feld. Was war das gerade? Sie blickte auf die Anzeige ihres Handys, wo die Attacke noch immer stand und dazu eine kleine Erklärung: "Mittelstarker Angriff auf einen Gegner mit der Chance auf Angst." Dass diese Funktion mit den Erklärungen neu war interessierte sie in diesem Moment herzlich wenig. Die junge Frau stand einfach nur da und fing plötzlich an zu lachen, was allerdings kurz darauf in ein schluchzen über ging und sie auf die Knie fallen ließ. Kurz darauf tropften Tränen auf den Boden. Vorsichtig kamen ihre Freunde auf sie zu und Mirâ hockte sich, eine Hand auf ihren Rücken legend, zu ihr herunter. "Mirâ, es tut mir so leid. Wegen mir sind wir noch einmal zu dieser Truhe gegangen und ihr wurdet noch einmal verletzt. Und das war alles umsonst. Der Rest des Briefes... Der Shadow hat ihn zerstört.", schluchzte die Braunhaarige unter Tränen, "Dabei gab es wegen mir schon Streit. Es tut mir so leid." Die Violetthaarige strich ihr beruhigen über den Rücken: "Schon gut Akane. Du brauchst dich für nichts entschuldigen. Es war meine Entscheidung und ich übernehme die Verantwortung." "Aber...", begann Akane, doch wurde von Hiroshi unterbrochen. "Es ist in Ordnung Akane. Lass es gut sein.", sagte er ruhig, "Wir hätten gegen Mirâs Entscheidung protestieren sollen, wenn wir gewollt hätten. Keiner hat was gesagt, auch Kuraiko nicht, also waren wir alle damit einverstanden die Truhe zu öffnen. Deshalb brauchst du dir darüber keine Gedanken machen. Hab ich recht, Kuraiko?" Er drehte sich zu der Schwarzhaarigen um, welche wieder die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Kurz schwieg sie, doch seufzte dann: "Hiroshi hat Recht. Es ist in Ordnung. Also mach dir darüber keinen Kopf. Auch wegen vorhin nicht." Akane sah irritiert zu der Schwarzhaarigen hinüber, dann wanderte ihr Blick zu Masaru, welcher nur verständnisvoll lächelte. Auch Mika lächelte nur, als Akane zu ihr sah. Ihr Blick ging zu Hiroshi, welcher ihr zur anderen Seite hockte und eine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte, und glitt dann auf die andere Seite zu Mirâ, welche sie immer noch freundlich anlächelte. Ihre Tränen begannen zu versiegen und sie zwang sich ein vorsichtiges Lächeln auf, ehe ihr von Mirâ und Hiroshi wieder auf die Beine geholfen wurde. Noch einmal blickte sie kurz zu der Truhe, welche offen in dem Gang stand, bevor sie, von ihren Freunden begleitet, zur Tür von Yasuos Raum ging und sich dort von dem Schmetterling wieder zurück zum Anfang bringen ließen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)