Force of Nature von Cocos ================================================================================ Kapitel 50: Die Komplexität von Berührungen ------------------------------------------- Jeremy hievte zusammen mit Jean die Essenstüte in seinen Wagen und schnaufte glücklich. Der andere Junge war da weniger enthusiastisch und Jeremy konnte seine Gedanken schon förmlich hören. Seine Mom hatte ihnen Essen für eine ganze Exymannschaft eingepackt und Jeremy hatte Jean wiederholt dabei beobachtet, wie dieser sich nachdenklich über seinen Bauch strich. Dass der sich aufgrund der schieren Menge an Essen ein bisschen wölbte, sich aber auch wieder entwölben würde, wusste Jeremy und deswegen sah er mit einem liebevollen Amüsement auf Jeans Sorge und konnte sich geradeso davon abhalten, Jean ebenfalls über den Bauch zu streichen, sein Ohr daran zu legen und sich darüber auszulassen, dass das Kleine schon strampelte. Wenn er todessehnsüchtig war, dann würde er das tun, ja. Oder wenn er schneller als Jean sprinten können würde. Angesichts seiner eigenen Vollgefressenheit bezweifelte Jeremy das aber hochgradig. Er drehte sich um und grinste, als er Barnies enorm-schwarzes Hinterteil dabei beobachtete, wie es sich umständlich auf die Rücksitzbank seines Autos schob. „Guck, er möchte mitkommen“, sagte er zu Jean, dessen Augen mit liebevoller Missbilligung auf dem Hund ruhten. „Er passt nicht in mein Bett“, erwiderte Jean und schnaubte. „Wenn er sich darauflegen sollte, werde ich für den Rest der Zeit auf der Couch schlafen müssen.“ Ungebeten überkamen Jeremy Erinnerungen an Jeans anfängliche Angst, in seinem Bett an der USC zu schlafen und umso wunderschöner war nun Jeans liebevoller Missmut über Barnie in eben diesem. „Dann lock ihn mal heraus“, sagte Jeremy aus dem einzigen, egoistischen Grund heraus, Jean mit Barns umgehen zu sehen und mitzuerleben, wie er große, böse dreinschauende Backliner an schwarzen Hundeaugen, einer viel zu kalten Nase, einer viel zu feuchten Zunge und darüber hinaus an einem leidenden Winseln scheiterte. Wer konnte es ihm da verdenken, dass er sein Handy zückte und ein Video machte und das spätestens in dem Moment zu wahrem Gold wurde, als auch noch Gargamel hinzukam und Jeans Vorhaben, einen widerwilligen und störrischen Neufundländer aus seinem Auto zu bekommen, erheblich erschwerte, indem er ihm begeistert um die Beine strich? ~~**~~ Bevor sie endgültig hatten fahren können, war Jean noch von beinahe jedem Mitglied der Familie Knox umarmt worden. Allesamt waren sie vorsichtig gewesen, sanft, sie hatten ihm trotz der körperlichen Nähe Raum gegeben. Knox‘ Mutter hatte ihn zusätzlich auf die Wange geküsst und ihm zugemurmelt, wie glücklich sie war, dass Knox und er ein Stück des Weges zusammen gingen. Mr. Knox hatte ihm die Hand gegeben und sie firm geschüttelt. Das Nicken war stumm gewesen und doch hatte Jean das Gefühl, dass er nicht mehr gänzlich als schlimmer Mensch betrachtet wurde. Jean hätte es nicht gedacht, doch die Ruhe und Entspannung der letzten Tage und der Anwesenheit inmitten der Familie Knox wirkte auch jetzt noch nach, wo sie wieder zurück fuhren nach Los Angeles und Knox ihm sein Handy gab, damit Jean alle Fotos und Videos sehen konnte, die er über die Tage gemacht hatte. „Ist das auch okay?“, fragte er zweifelnd und starrte auf das entsperrte Gerät in seinen Händen. Niemals würde er freiwillig sein eigenes weggeben und so war es umso gewichtiger, dass er nun das seines Kapitäns in den Händen hielt. Jeremys, verbesserte sich Jean in Gedanken. „Aber klar ist es das! Allerdings nur, wenn du mir sagst, welche ich in den Trojans Gruppenchat posten darf und welche nicht.“ Diese Aufgabe war einfach und so scrollte sich Jean durch alle Bilder, die Knox von ihrem Aufenthalt gemacht hatte. An dem Foto von Barnie, sich und Gargamel blieb er schließlich hängen und starrte nachdenklich auf das Bild voller schlafender Ruhe. „Du hast ein Foto gemacht“, sagte er schließlich, das Offensichtliche in den Raum zwischen ihnen stellend und vorsichtig nickte Knox. „Ja, denn ich wollte diesen absolut friedlichen und schönen Moment festhalten.“ Knox lächelte dabei beinahe schon verträumt und Jean legte den Kopf schief. Ein friedlicher und schöner Moment? Jean war sich da nicht so sicher. Sein Verstand zog unweigerlich Parallelen zu dem Video, das von ihm gemacht worden war, während er…während Riko… Er schluckte. Knox war nicht Riko, er würde keine Videos von ihm drehen, während er Anderen vollkommen schutzlos ausgeliefert war. Das hier war nur ein Bild und sein Kapitän hatte es nicht aus dem gleichen Grund gemacht wie Riko das Video. Es ging nicht darum, sein Leid festzuhalten, sondern… ja, was? „War das der Grund, aus dem du das Foto gemacht hast? Um diesen Moment festzuhalten?“, hakte er nach und Knox nickte mit einem kurzen Blick zu ihm. „Es sah so wunderschön aus und auch irgendwie niedlich aus“, rechtfertigte sein Kapitän sich und Jean hob die Augenbraue. „Niedlich…?“, hakte er langsam nach und Knox lachte ein peinlich berührtes Lachen. „Ja, niedlich. Der große, böse Backliner, der einen gigantischen, schwarzen Teddybären im Arm hält und der von Gargamel – dem roten Fluff – umarmt wird. Das hat schon sehr viel Niedlichkeitspotenzial.“ Jean starrte Knox schweigend in das seitliche Profil, bis dieser nervöser und nervöser wurde. Er starrte weiter, als er mehr als nur einen kurzen Seitenblick bekam und sich die Hände um das Lenkrad krampften und entkrampften. „Niedlichkeitspotenzial?“, echote er langsam und stierte seinem Kapitän weiterhin ins Profil. Es dauerte noch etwas, bis Knox wimmerte. „Jeee~eeean, hör auf, mich anzustarren“, jaulte er auf. „Ich meine, das wäre wirklich gute Publicity, Fotos mit Tieren sind immer gut und dein Instagramaccount würde explodieren, da bin ich mir sicher. Deine Fans würden ausrasten, sie würden sich Poster drucken, sie würden…“ Jean hielt seinem Kapitän mit zwei Fingern den Mund zu. „Ich bin nicht niedlich“, sagte er schlicht, aber mit Andrews Betonung, wenn er Josten mit einem mehr als hundertprozentigen Tod drohte. Knox schauderte und seine Lippen hoben sich, was Jean nur zu deutlich spürte. Was er noch viel deutlicher spürte, war aber Knox‘ Zunge auf seinen Fingern, wie sie feucht und rau über seine Haut leckte. Erschrocken zog Jean seine Finger zurück und starrte ihn nun seinerseits schockiert an. Ihn, seine Hand, wieder ihn. Das Kribbeln hatte sich bis in seine Wirbelsäule ausgebreitet. Wie war das möglich? „Knox!“, sagte er dann empört und sein Kapitän grinste breit. „Darf ich dir meine Geheimwaffe vorstellen?“ „Deine Zunge?!“ „Oh ja.“ „Vielleicht solltest du sie dann dazu einsetzen, Bälle zu spielen“, sagte Jean und Knox‘ Augen weiteten sich beinahe schon komisch, bevor er in freies, amüsiertes Gelächter ausbrach. Warum, das wusste Jean nicht und ein verwirrter Laut verließ seine Lippen. „Ich bin schwul, Jean, ich setze meine Zunge sehr oft dazu ein, mit Bällen zu spielen“, sagte er verschmitzt und wackelte mit den Augenbrauen. Mehr als die Worte war es der Ton, der Jean sagte, dass es etwas sehr Zweideutiges sein musste und überrascht blinzelte er. „Was genau meinst du damit?“, fragte er neugierig und Knox zuckte zusammen. Sein Lachen bekam eine nervöse Ecke. ~~**~~ Oh Gott. Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Dieses Gespräch lief in eine vollkommen falsche Richtung. Nein, falsch war gar kein Ausdruck dafür, was hier gerade passierte. Diese doppeldeutigen Witze konnte er mit Al machen oder mit Val, aber nicht mit Jean. Nicht mit Jean, wiederholte Jeremy in seinen Gedanken immer und immer wieder. Höchste Zeit, die Kuh vom Eis zu bekommen. „Ach, das sagt man nur so“, wiegelte er mit einer nachlässigen Bewegung seiner freien Hand ab. „Wozu?“ Jeremy stöhnte innerlich auf. Nein, das durfte nicht sein. Mit Mühe riss er sich zusammen. „Jean, willst du das wirklich wissen?“, fragte er dann sanft und sein Beifahrer runzelte die Stirn. „Sonst würde ich nicht fragen.“ Er seufzte und schwieg für einen Moment. Er wägte seine Worte ab, wieder und wieder, bevor er die Lippen öffnete und sie langsam wieder schloss. „Es geht um Sex und Intimität zwischen zwei Männern“, begann er und warf einen kurzen Seitenblick auf seinen Beifahrer. In Jeans Gesicht war keine Abneigung zu lesen, ganz im Gegenteil. Abwartend verharrte er. Als Jeremy immer noch zögerte, machte er mit seiner Hand eine auffordernde Geste. Jeremy schloss die Augen. Ob das Sinn machte, wenn man am Steuer saß, bezweifelte er ein paar Sekunden später und riss sie wieder auf. Sie umzubringen war keine Lösung für sein momentanes Problem. „Mir macht es Spaß, meinen Partner oral zu befriedigen. Mit meiner Zunge“, sagte er schließlich mit Verspätung und spürte verräterische Wärme seine Wangen emporkriechen. Es blieb still im Wagen und nach einem weiteren, mutigen Blick sah Jeremy, dass Jean interessiert und nicht abgestoßen war. „Wie macht man das?“, fragte er schließlich mit einer gnadenlosen Ehrlichkeit, die Jeremy innerlich wimmern ließ, während seine Augenbrauen in die Höhe schossen. „Eeeh…willst du eine genaue Beschreibung?“ Jean nickte. Er nickte. Um Himmels Willen, das durfte nicht sein. Jeremy umkrampfte nervös das Lenkrad und entkrampfte seine Finger wieder. Er sah aus dem Fenster und erkannte die gleiche, manchmal eintönige Landschaft Kaliforniens wie auch die letzte Stunde. Nichts, mit dem er ablenken konnte. Rein. Gar nichts. Und Jean wollte es hören. Wenn Jeremy stärker und weniger verschossen gewesen wäre, dann hätte er sich geweigert. Aber. „Okaay…also…uff…ja dann.“ Na das war ja sehr eloquent und er ahnte, dass es auch nicht besser werden würde. „Also. Äääh. Zuerst nehme ich ihn… in den Mund…“ Ihn? Wunderbar. Er konnte noch nicht einmal das Wort Schwanz aussprechen. Das konnte ja heiter werden. Jean gab einen irritierten Laut von sich. „Ihn?“ Jeremy rutschte immer weiter in seinem Sitz zusammen. War das Aufklärungsgespräch mit seinen Eltern jemals so peinlich gewesen wie das hier? Er glaubte nicht. Oder? Arghs! „Das Ding halt!“ Ding? Oho… Ding, lachte eine gehässige Stimme in ihm. Das war noch viel besser. Aber wie bei Gott sollte er Jean denn davon erzählen, wie er ihm am Liebsten einen blasen würde? Hier und jetzt, wenn es möglich sein würde? Jean legte den Kopf schief und Jeremy hörte die Bewegung mehr als dass er sie sah. „Welches Ding meinst du? Braucht man dazu noch eine andere Sache?“ Nein! Nein nein nein! Vollkommen falsche Richtung! „Na die Banane.“ Jeremy war sich sicher, dass er aus dieser Unterhaltung nicht lebend herauskommen würde. Banane? Ernsthaft? Alvarez würde ihn über Wochen auslachen. Schwanz, sag es!, feuerte ihn seine innere Stimme an, doch das war hoffnungslos. „Warum benötigt man eine Banane?“, fragte Jean latent ungnädig und Jeremy entwich ein Laut, der gut und gerne auch kommendes Ersticken hätte sein können. Er ließ ihn in ein langgezogenes Seufzen münden. „Penis! Ich nehme den Penis in den Mund und die Hoden in meine Hand. Ich massiere sie sanft und wandere dann mit meinen Lippen weiter. Ich nehme erst den einen, dann den anderen ganz in den Mund und liebkose sie mit meiner Zunge“, presste er so schnell hervor, dass Jean Mühe haben würde, seinen Worten zu folgen. Aber es war egal. Er hatte es gesagt und er hatte sich auch nicht versprochen und dein statt dem gesagt. „Das fühlt sich gut an?“, fragte Jean schließlich deutlich interessiert und mit der Unschuld eines Ungeküssten. Jeremy hätte schreien können vor Wut auf Evermore und vor Frust, dass er weitere Detailfragen beantworten müsste. Ohne sich zu offenbaren, dass er Jean am Liebsten gezeigt hätte, dass Sex etwas Schönes sein konnte. „Sehr gut. Also mir gefällt es und bisher habe ich keine Beschwerden gehört“, grinste er etwas verlegen. Jean verstummte und wog seine Worte anscheinend ab. Seine Worte und deren Wahrheitsgehalt. Ein kritischer Laut verließ seine Lippen. „Fühlt es sich genauso an wie deine Zunge auf meinen Fingern?“, fragte Jean schließlich und zuckte regelrecht zusammen, als Jeremy den Wagen erschrocken in den Gegenverkehr lenkte, der Gott sei Dank nicht vorhanden war in diesem Moment. Hastig lenkte er den Wagen wieder zurück auf ihre Spur. „Sorry, ich…“, begann er, nicht wirklich wissend, was er sagen sollte. In vielerlei Hinsicht nicht. Verwirrt verschränkte Jean seine Arme. „Ich suche nur nach einem Vergleich, nicht nach einem Autounfall“, erklärte der andere Junge sich muffig und beinahe hätte Jeremy verzweifelt gelacht. Es brauchte etwas, bis er sich wieder hinter dem Lenkrad entspannen konnte und tief einatmete. „Wenn du so willst, fühlt es sich vermutlich ähnlich an, nur viel viel intensiver und erregender.“ Ich würde es dir tausendmal zeigen, wenn ich könnte!, gellte es in ihm und er presste seine Lippen aufeinander. Jean musterte ihn für unendlich lange Sekunden schweigend und durchdringend. „Darf ich dich noch etwas fragen?“ Als wenn die vorherigen Fragen nicht genug gewesen wären! Jeremy schwante Übles und er schluckte schwer. Unsicher nickte er. „Das, was der Reporter und du gemacht haben…“ Das ließ seine Lippen nun doch zucken. Jean und seine Abneigung, Allan beim Vornamen zu nennen. Aber wer war Jeremy, dass er aufgab? „Allan, ja.“ „Er war ja in dir.“ Mehr als einmal und jedes Mal hatte Jeremy es genossen. „Ja, das war er“, bestätigte er zögernd und Jean verharrte für einen Augenblick, gab ihm so Raum, über das letzte Mal nachzudenken, bei dem sie sich nahe gewesen waren. Jeans Eingreifen, seine Gewalt…seitdem hatte Allan ihn nicht angerührt und sich auch nie von sich aus gemeldet. Jeremy versuchte sein Bestes, ihn bei der Verarbeitung der Geschehnisse zu unterstützen, doch er spürte den Riss, der sich durch ihre vorherige Vertrautheit zog, beinahe schon körperlich. „Wie fühlt sich das an, in jemanden zu sein?“, fragte Jean leise, vorsichtig gar. Wieder herrschte Stille und Jeremy wiegte seinen Kopf hin und her. Jean fragte aus Unwissenheit. Jean fragte, weil er nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Er fragte, weil er wissen wollte, wie es wirklich war und Jeremy oblag die Aufgabe, es ihm so zu beschreiben, dass er nicht davon abgeschreckt werden würde. So peinlich berührt und verzweifelt er vorher auch war… Jeremy erkannte es, wenn eine Aufgabe absolut wichtig war. „Es ist eine Art warmer, unheimlich starker Druck, der deinen Penis umschließt, so als würde jemand ganz fest zudrücken. Aber durch die ganzen Nervenenden fühlt sich das großartig an. Das Gefühl der Erregung zieht sich dann von unten aus in Richtung Unterleib und Rückenmark und wenn es zu einem Orgasmus kommt, fühlt sich das an wie ein Feuerwerk in den Nervenenden. Wie ein kribbelndes Ziehen, das immer und immer mehr wird, bevor es sich in einer erlösenden Welle entlädt, die deinen ganzen Körper durchzieht.“ Jean verharrte schweigend neben ihm und im ersten Moment hatte Jeremy Angst, dass er ungute Erinnerungen in ihm aufgeworfen hatte. Vielleicht hatte er den Bogen überspannt. Er hoffte nicht. „Und wie fühlte es sich für dich an? Ihn in dir zu haben?“, fragte der andere Junge und da war sie wieder, die zuverlässige Röte auf Jeremys Wangen. Was genau meinte Jean denn, fragte eine gehässige Stimme. Die Banane, ihn oder den Penis? Verlegen räusperte er sich. „Am Anfang ist da sehr viel Druck und das Eindringen brennt ein wenig, auch mit Gleitgel. Aber mit Entspannung und Vorsicht entspannt sich der Muskelring beim Dehnen und dann ist es eine Art von Druck, die mit jeder Sekunde Reibung besser wird. Wenn man zusätzlich auch noch vorsichtig die Prostata stimuliert, dann führt das zu einem weiteren Lustempfinden und kann durchaus auch alleinig für einen Orgasmus verantwortlich sein.“ „Hat jeder eine Prostata?“ „Ja, jeder Mann hat sie.“ Jean ließ das auf sich wirken und versuchte Jeremys Worte für sich zu ordnen. Lange Zeit brauchte er dafür und schauderte schließlich. „Alles gut, Jean?“, fragte Jeremy schließlich besorgt und Jean nickte langsam. „Ich habe mir gerade nur vorgestellt, wie es wäre, das Eindringen bei einer Frau zu tun. Theodora zu Beispiel.“ Jeremy riss die Augen auf und starrte seinen Beifahrer für einen gefährlich langen Zeitraum an, bevor er sich wieder auf ihre Spur besann. „Theodora wie in Muldani?“ Jean bejahte und Jeremy schauderte. „Die Frau würde mir im Bett noch mehr Angst machen als auf dem Spielfeld. Viel mehr Angst.“ „Du bist halt nicht so dumm wie Day.“ „Oder ich bin nicht so mutig wie er“, erwiderte Jeremy mit einem leicht tadelnden Unterton. Einer Frau wie Theodora zu trotzen und sich in ihre Nähe zu begeben, war mutig, da würde er keinen anderen Schluss zulassen. Nein…da war er stur. Jean schimpfte leise, lange und ausgiebig auf Französisch. Jeremy hörte mehrfach Kevins Nachnamen heraus und schmunzelte. Vielleicht war es nur Einbildung oder Wunschdenken, aber Jean klang nicht mehr so hasserfüllt wie noch zu Beginn. Irgendwann einmal…irgendwann würden die beiden vielleicht wirklich wieder zueinander finden. ~~**~~ Die Tage nach ihrer Ankunft verliefen für Jean erstaunlicherweise ohne weitere Komplikationen. Er entschuldigte sich bei ihrem Coach für seinen desolaten Trainingszustand, was dieser mit einer erhobenen Augenbraue, einem unwirschen Schnauben und einem nachlässigen Winken abtat und lakonisch auf das Spielfeld deutete. „Glaubst du wirklich, deine Kondition beunruhigt mich, Moreau?“, fragte er amüsiert und richtete seinen Blick bedeutungsschwanger auf die schnaufenden und herumalbernden Trojans. Er sprach mit Brian und erzählte ihm das, was in Susanville passiert war. Alles, was seine aufkeimende Neugierde in punkto Sexualität betraf, verschwieg er jedoch, unsicher, wie er es formulieren sollte. Da bearbeitete er lieber den Boxsack bei Shirley, schweigend und in sich gekehrt. Natürlich saßen sie am Donnerstag Abend wieder alle zusammen in ihrem Gemeinschaftsraum und erzählten sich die besten Thanksgivinggeschichten, während sie die Essensreste aßen, die ihnen mitgegeben worden waren. Jean enthielt sich, wie er sich auch schon die letzten Tage teilweise enthalten hatte. Auch wenn er in Evermore so oft hatte hungern müssen, dass er jede Mahlzeit begrüßte, die er einnehmen konnte. Bis zu dieser Woche. Seit ihrer Rückkehr hatte er sich freiwillig dafür entschieden, weniger zu essen, als ihm angeboten wurde, und er fühlte sich nicht schlecht damit, weil er begriff, dass auch das eine Entscheidung war, die ein normaler Menschen treffen konnte. Der Lärm um ihn herum schwoll an und Jean verstand nicht, warum sein Team so erpicht darauf war, dass auch er Dinge erzählte, die Knox vor ihm schon berichtet hatte und schwieg deswegen beharrlich. Es war Urlaub gewesen, schöne Tage, die ihn entspannt hatten. Aber er musste sie doch nicht noch einmal ausbreiten, oder? So schwieg er stur und widmete sich während des lautstarken Zusammentreffens seiner Mannschaft den Gedanken, die ihn nicht loslassen wollten. Sexuelle Intimität. Das, was er als fürchterlich und demütigend erlebt hatte, war also im Grunde seines Daseins etwas Schönes. Jean konnte sich darunter nichts vorstellen, auch wenn ihm die Beschreibung seines Kapitäns schon einige Anhaltspunkte gegeben hatte. Er war versucht, Knox ein weiteres Mal danach zu fragen, nahm aber wieder Abstand von dieser Idee. Schließlich hatte der blonde Junge sie beide aus lauter Schreck in den Gegenverkehr gelenkt und Jean hatte kein Bedürfnis, sein Leben ein weiteres Mal so unerwartet waghalsig zu riskieren. Der Schreck darüber steckte ihm jetzt noch in den Knochen. Also blieb ihm nur das Internet und genau da begann sein Problem. Das, was den Großteil des Tages eine Beruhigung für ihn war, nämlich, dass er immer jemanden seines Teams um sich hatte, stellte sich nun als Fluch heraus. In der Bibliothek konnte er nicht recherchieren, da er in einem Pulk von Trojans saß, von dem ihm mindestens einer immer auf den Bildschirm sehen konnte. Alleine dort sitzen zu bleiben, traute er sich nicht. An seinem Schreibtisch in ihrem Apartment zu recherchieren traute er sich auch nicht, da dieser so stand, dass Knox auch Wind davon bekommen konnte, was er tat. So blieb ihm nur der einzige Ort, an dem er ungestört war. Die Toilette. Jean hatte gehofft, dass damit das logistische Problem gelöst wäre, doch weit gefehlt. Als er ganz banal das Wort Sex in seine Suche eingegeben hatte, war nichts der Suchergebnisse dazu geeignet, ihm seine Fragen zu beantworten. Fragen, die er, wenn er ehrlich zu sich war, noch nicht einmal selbst in Worte fassen konnte. Vielleicht war das, was ihn antrieb, Neugierde auf das Thema, aber Neugierde ohne eine bestimmte Richtung. Sie wurde dadurch befeuert, dass Knox ihm gesagt hatte, dass auch er die Möglichkeit hatte, Lust beim Eindringen zu spüren und nicht nur Schmerz. Das Brennen, was Knox beschrieben hatte, war wohl der reißende Schmerz, der ihm zugefügt worden war. Jean glaubte nicht, dass er jemals Lust darauf haben würde, aber er wollte sehen, wie es wäre, wenn es richtig geschah. Er wollte sehen, dass das, was ihm passiert war, nicht die Normalität, sondern die pervertierte Ausnahme war. Das konnte man doch im Internet sehen, oder? Konnte man und so saß er morgens um halb fünf auf dem Boden ihres Badezimmers und googelte nach verschiedenen Spielarten körperlicher Intimität, der Einfachheit halber und weil er von Knox bereits etwas davon wusste, zwischen zwei Männern. Nach und nach klickte er auf verschiedene Begriffe und wusste eine halbe Stunde später, was Analsex, Oralsex, Frottage, Deepthroat und Rimming per definitionem waren. Er las, dass es so etwas wie erogene Zonen gab, was sie waren und dass man sich Schokolade und Sahne auf die Haut schmieren konnte, um es dann abzulecken. Jean schauderte. Warum sollte man das tun? Das klebte doch und war unsauber. Ebenso zweifelte er an dem Trick, dass man vor dem Oralsex ein Pfefferminzbonbon lutschen sollte, um mit den ätherischen Ölen den Partner zu stimulieren. Das hatte sich bei Knox alles irgendwie anders angehört. Kritisch runzelte Jean die Stirn und rief die Bildersuche seines Handys auf. Für die Videosuche war er noch nicht mutig genug, bei weitem nicht, und er hatte Angst, dass die bewegten Bilder ihn zurückbringen würden zu dem, was in Evermore geschehen war. Bis auf Analsex gab er alle Begriffe ein, die er gefunden hatte und musterte die Bilder, die ihm in den Suchergebnissen angezeigt wurden. Und das nächste. Und das nächste. Er sah Mann mit Mann, Frau mit Mann, Frau mit Frau, alles…und fragte sich, ob seine eigene Lust nicht vielleicht doch tot war. Beschämt starrte er auf den Bildschirm, als die Menschen auf den Bildern affektiert und überzogen Dinge taten, die in ihm nicht das von Knox erklärte Gefühl auslösten. Ganz im Gegenteil, er fand es peinlich. Jean stellte sich vor, wie es wäre, wenn er das mit einer Frau täte. Er dachte an Renee und ließ den Gedanken so schnell es ging wieder gehen. Nein, er wollte sich ihr nicht auf diese Art und Weise nähern. Auch bei Fahima oder Val war das ausgeschlossen. Selbst bei der Barista des Grill Bill. Oder Theodora. Jean schauderte. Gerade bei ihr. Vorsichtig rief er auch noch das letzte Stichwort seiner Suche auf und verharrte mit dem Finger über dem Pfeilbutton. So hatten seine Vergewaltiger ausgesehen. Laut Knox war es nicht demütigend, auch wenn es so aussah, aber konnte er das auch glauben? Jean schluckte schwer und rief das zweite Bild auf. Das Bild entpuppte sich allerdings als Video und wie betäubt starrte Jean auf das, was sich vor seinen Augen entfaltete. Eine Vereinigung zwischen Frau und Mann, die nackten Körper, wie sie sich rhythmisch bewegten. Fast wie Kaninchen, kam es Jean in den Sinn, aber weniger unbeholfen und manisch. Das Gesicht der Frau sah ohne Ton so aus, als würde sie Schmerzen haben und Jean zweifelte daran, ob das wirklich der Realität entsprach, was er hier sah. Andererseits hatte Knox ähnlich ausgesehen. Die Kamera hielt auf die Verbundenheit beider Körper und Jean sah, wie der Mann von der Vagina in den anscheinend schon geweiteten Anus wechselte. Kritisch runzelte er die Stirn. Das war das, was Knox erzählt hatte… die Vorbereitung war wichtig. Zu der auch noch einiges anderes gehörte, wie er nun gelernt hatte. Anscheinend schien die Frau das mehr zu mögen, denn ihre Lippen teilten sich zu einem Schrei, zumindest interpretierte Jean die weitgeöffneten, knallrot geschminkten Lippen so. Schnaubend beendete er das Video und legte sein Handy zur Seite. Erschöpft fuhr er sich über das Gesicht und zog die Beine an. Das war nicht das, wonach er suchte. All diese Bilder und das Video, sie waren künstlich, gestellt, nicht das, was er bei Knox und dem Reporter gesehen hatte, und in all ihrer Künstlichkeit machten sie den Akt zu etwas noch Fernerem. Andererseits war da das Gefühl von Knox’ Zunge auf der Haut seiner Finger. Ebenso das Gefühl von seinen Fingern auf Jeans Rücken. Laila hatte ihm gezeigt, wie schön sich seine eigenen Finger anfühlen konnten auf seiner Haut. Das war ihm näher und klarer vor Augen, davor hatte er weniger Abneigung als vor dem, was er gerade gesehen hatte. Jean sah auf seinen Körper hinunter, den er in den letzten Jahren gemieden hatte. Er wusste, dass er für einen Menschen überdurchschnittlich trainiert war. Er hatte den Körper eines Sportlers, jahrelang geformt und gebrandmarkt. Er hatte früher nicht berühren wollen, was nicht sein war, doch das hatte sich nun geändert. Sein Körper gehörte ihm und er hatte vorsichtig gelernt, dass es nicht nur brutale Berührungen für ihn gab. Im Gegenteil. Er hatte erfahren, was sanfte Berührungen in ihm auslösen konnten. Jean runzelte die Stirn und streckte seinen Arm aus. Vorsichtig fuhr er mit seinen Fingern über die Innenseite seines Armes und schauderte. Gänsehaut zog sich über das vernarbte Fleisch und Jean wiederholte, was er gerade getan hatte. Das Gefühl war exakt das Gleiche und Jean lehnte seinen Kopf an die gekachelten Fliesen. Er probierte es bei seinem anderen Arm und nun krabbelte das Kribbeln bis unter seine Schädeldecke. Jean lächelte. Er seufzte und sah hinunter auf seinen Schoß. Er hatte sich noch nie rein zum Vergnügen dort unten berührt, außer um sich selbst zu reinigen. Jean grub seine Zähne in seine Unterlippe und zögerte. Konnte er das einfach so tun? Nach all diesen Jahren? Nach all den unfreiwilligen Berührungen? Hatte er den Mut dazu? Er runzelte die Stirn und stellte fest, dass er keine Angst vor dem Gedanken hatte. Niemand würde ihn hier aufhalten oder es gegen ihn verwenden. Niemand würde ihn zu Dingen zwingen, die er nicht wollte. Knox schlief noch für zwei Stunden und würde somit ebenfalls nicht ins Badezimmer platzen. Sein Herz schlug schneller, als er sein T-Shirt nach oben schob und seine Hand auf den Bauch legte. Zögerlich strichen seine Finger über die Muskeln seines Bauches und die Narben und er war überrascht, wie anders sich das Kribbeln dort anfühlte. Schärfer, dachte Jean aus Ermangelung eines anderen Wortes und sog abrupt Luft ein. Insbesondere das vernarbte Areal um seinen Hosenbund herum war empfindlicher als der Rest seiner Haut. Jean brauchte eine weitere Minute, bevor er seine Hand unter den Bund schob. Vorsichtig folgte er dem Weg seiner Schambehaarung hinunter und fuhr mit seinen Fingerkuppen über die Haut dort. Er schloss die Augen und schauderte. Das Gefühl wurde beinahe unerträglich und alleine die Berührung ließ ihn seine Hüften anheben, als würde sein Körper selbst sich nach der Berührung sehnen. Doch all das war nichts im Vergleich zu dem, was ihn erwartete, als er seine Fingerkuppen über das empfindliche Fleisch seines Penis gleiten ließ. Seines Dings…der Banane, wie Knox so untypisch unsicher herausgestottert hatte. Jean wusste nun, dass es auch andere Begriffe gab. Schaft und Schwanz waren die weniger irritierenden, Gurke, Kolben, Knüppel, Rüssel oder Pimmel die weitaus verstörenderen. Er würde Knox mal fragen müssen, wie er das sah. Seine Finger ließen sich von seinen Gedanken leiten und Jean schauderte vor dem Gefühl des Neuen, was ihn ausfüllte. Er tat etwas, das so noch nie dagewesen war und es fühlte sich gut an. Sein ganzer Unterleib war in Aufruhr und das scharfe Ziehen in Richtung seiner Wirbelsäule und seines Hirns bereitete ihm mehr als Freude. Seine Hoden waren genauso empfindlich wie es sein Schaft gewesen war und Jean presste seine Lippen eisern aufeinander, um nichts von den Lauten, die sich aus seinem Inneren emporkrallen wollten, herauszulassen. Das hier war in der Tat nicht vergleichbar mit dem, was ihm angetan worden war. Ganz und gar nicht. Seine sachten Berührungen erweckten in ihm die unruhige Lust auf mehr, als wäre das, was er tat, nicht das Ende, sondern der Weg, als gäbe es noch mehr. Jean erinnerte sich an Knox‘ Worte und schloss seine Finger um das weiche Fleisch zwischen seinen Beinen. Der Druck ließ ihn erschauern und er schob intuitiv seine Schenkel auseinander um besser Zugang zu sich selbst haben. Zittrig atmete er ein, insbesondere jetzt, da er seine Hand auf und ab bewegte. Er stöhnte auf und schlug seine freie Hand vor den Mund. Das war anders als alles, was er jemals gefühlt hatte, das war gut, das war… Die Haut unter seinen Fingern versteifte sich und Jean löste sich abrupt aus seiner Starre. Überrascht zog er seine Hand aus seiner Hose und starrte auf die eindeutige Ausbeulung in seiner dünnen Schlafanzughose. Das…oh… Das hatte er bei Knox gesehen und auch bei… Jean würgte den Gedanken ab und starrte auf die Erregung, die er sich selbst verschafft hatte. Er war erregt. Erregung führte zu einem Orgasmus, wie er wusste. Jean verharrte und schluckte schwer. Konnte er das? Sich selbst so sehr erregen, dass er zum Orgasmus kam? Hier und jetzt? Er setzte sich wieder aufrecht hin und starrte auf das Zeichen seiner eigenen Fähigkeit zu fühlen. Wäre das nicht zu schnell? Er brauchte doch noch Vorbereitung, er hatte doch noch gar nicht alles gelesen dazu. Was, wenn etwas passierte, das er nicht kannte? Das Klopfen an der Tür durchzuckte wie ein Donner die Stille der Nacht und Jean fuhr so heftig zusammen, dass er sich den Hinterkopf an dem kalten Fliesenspiegel stieß. Schmerzhaftes Pochen zog sich durch seinen Schädel, während er sich panisch in die Höhe schraubte und es ein zweites Mal klopfte. „Jean?“, erklang die müde Stimme seines Kapitäns, der sich den denkbar und absolut schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht hatte, aufzuwachen. Es war viel zu früh! Er wachte nie so früh auf! „Jean, ist alles in Ordnung?“, fragte er schläfrig und Jean schluckte. Wenn er nicht reagierte, dann würde Knox sich Sorgen machen und im schlimmsten Fall die Tür aufbrechen. „Alles in Ordnung“, erwiderte Jean gepresst. „Brauchst du etwas?“ „Ich… ich habe mir Sorgen gemacht. Du bist früh aufgestanden und nicht zurückgekehrt, da dachte ich, ich frage dich, ob…“ Unerwartet starker Schmerz durchzog Jean. Knox hatte immer noch Angst, dass er sich etwas antat. Wie konnte er ihm diese Angst da nicht nehmen oder es zumindest versuchen? Jean schob sich hinter die Tür und öffnete sie dem Jungen, der mit zerzausten Haaren, kleinen Augen und sorgenvollem Blick vor ihm stand und unsicher in das Bad linste. „Alles okay?“, wiederholte er und Jean schnaufte. Seine immer noch vorhandene Erregung drückte sich empfindlich gegen das dünne Holz der Tür und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er schauderte. „Daran hat sich die letzten paar Sekunden nichts geändert, Knox. Geh ins Bett, ich komme auch gleich.“ Der blonde Junge war sich so unsicher, dass er zögerte. „Wirklich, Jeremy, geh zurück. Ich komme gleich“, wiederholte Jean strenger und Knox sah überrascht auf. Langsam nickte er und schlurfte zurück zum Bett. Jean beobachtete ihn dabei, wie er sich zurück auf die Matratze legte und schloss die Badezimmertür. Was machte er denn nun mit seiner Erregung? Jean seufzte und holte sein Handy. Er löschte das Licht im Bad und trat ins Schlafzimmer zurück, immer sorgsam mit dem Rücken zu Knox, auch wenn das seine Nackenhaare stehen ließ. Erst, als er unter der Decke lag, gestattete Jean es sich, sich zu Knox umzudrehen, der ihn über das schwache Morgenlicht hinweg musterte. „Wenn etwas sein sollte, dann kannst du mit mir darüber sprechen, das weißt du, oder?“, sagte er schließlich leise und Jean hielt sich mit Mühe von einem Grollen ab. Er zog die Decke höher und nickte. „Das weiß ich, Knox“, versuchte er sich an einer beruhigenden Antwort, die viel zu lange brauchte, um in den Ohren seines Kapitäns Gehör zu finden. Jean fragte sich für einen Augenblick, ob die Wahrheit Knox mehr beruhigen würde. Vielleicht konnte er den anderen Jungen so von seinen Sorgen ablenken. So verlockend der Gedanke auch war, so wenig Mut konnte er dafür aufbringen. Immerhin war Knox noch sein Kapitän. Zuzugeben, dass er erregt war, das konnte er nicht über seine Lippen bringen, aus irrationaler Angst davor, dass Knox andere Spieler in sein Bett schicken würde. Jean blieb wach, während Knox schließlich vertrauensvoll seine Augen schloss und wieder hinüberglitt in die Welt der Schlafenden. Er selbst konnte nicht schlafen, dieses Mal jedoch nicht aus schlechten Erinnerungen heraus, sondern aus dem ungewohnten Gefühl der Erregung, das sich ganz und gar nicht einfach verbannen lassen wollte aus seinem Körper und es ihm unmöglich machte, die letzte Stunde zu schlafen. ~~**~~ „Knox, wenn du fertig bist, brauche ich dich in meinem Büro!“ Die raue Stimme ihres Trainers bellte über das Spielfeld und Jeremy löste sich von seiner post-Training-Taktikdiskussion mit Logan über den neuen Trojans-Raven-Spielzug, den sie versucht hatten zu perfektionieren. Gut, nicht, wenn man Jean fragte, aber Jeremy war schon der Ansicht, dass sie nahe genug daran waren. Sollten sie auch, denn in drei Wochen war Weihnachten, dann hatten sie Ferien und Mitte Januar war das Spiel gegen die Ravens in ihrem Stadion, das sie gewinnen würden. Zumindest hatte Jeremy sich das fest vorgenommen und wenn er in die grimmigen Gesichter seiner Mannschaft schaute, wann immer das Thema aufkam, so wusste er, dass die Trojans alles daran setzen würden, Jean zu schützen und die Ravens auf ihren Platz zu verdammen. Jean selbst ließ sich nichts anmerken, auch wenn seine Art zu trainieren, immer und immer härter und verbissener wurde. „Ich komm‘ gleich!“, rief Jeremy zurück und ihr Coach nickte grummelig. „Sie spielen diese Saison außerordentlich brutal, aber latent unkoordiniert. Wenn wir dem Spielzug mehr Raffinesse geben und die Beinarbeit und die Passformation umstellen, dann könnten wir uns die mangelnde Finesse der Ravens zunutze machen.“ Jeremy stimmte dem zu, doch er sah in den Striker und Defensive-Dealer-Positionen Schwierigkeiten mit der Taktik, zumal sie davon ausgehen konnten, dass die Striker der Ravens Jean ins Fadenkreuz nehmen würden. Vermutlich nicht nur die. „Lass uns morgen mal vor dem Frühtraining mit Jean darüber sprechen“, erwiderte er und Logan brummte zustimmend. „Jau, machen wir“, sagte er und nahm seinen Helm und den Schläger auf. Er ging zum Spind und Jeremy tat es ihm gleich. Gemeinsam desinfizierten sie ihre Ausrüstung und schlossen sie ein. „Bis morgen, Cap!“, verabschiedete Logan sich und Jeremy joggte über das Spielfeld zur Tribüne und von dort aus in den Vorraum, wo sich das Büro ihres Trainers befand. Er klopfte an den Türrahmen und Rhemann sah hoch. „Coach?“ „Komm rein, mach die Tür zu und setz dich, Knox.“ Jeremy ließ sich auf einen der unbequemen Holzstühle fallen und lehnte sich nach vorne. Geduldig wartete er, dass der andere Mann seine Gedanken ordnete, die ihn anscheinend plagten. Schwer atmete Rhemann aus und lehnte sich dann zurück. „Die Collegeverwaltung hat mich kontaktiert. Es wird Bauunterhaltungsarbeiten in unserem Stadion geben. Anscheinend müssen Leitungen für die Brandmeldeanlage neu verlegt werden und die Firma kommt in der Woche vor dem Spiel gegen die Ravens. Das bedeutet, dass wir zum Trainieren in das Stadion der L.A. Lions ausweichen werden und außerplanmäßig nach Evermore fahren werden um gegen die Ravens zu spielen.“ ~~~~~~~~~~ Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)