Ein Chef zum Verlieben von Mitternachtsblick (Mann mit Kind sucht Mann mit Saldenlisten) ================================================================================ Epilog: -------- „-und anhand der Bilanzen des Vorjahrs lässt sich eine deutliche Gewinnsteigerung ausmachen. Wie aus den Zahlen ersichtlich ist, verzeichnet dabei besonders das Tochterunternehmen White Wolf einigen Zuwachs bei den …” Kai Hiwatari, seines Zeichens CEO einer der erfolgreichsten nachhaltigen Firmen des Landes und gerade Vorsitzender einer wichtigen Online-Konferenz, verlor den Faden. Grund dafür war sein Sohn, der gerade in einem perfekt sitzenden Versace-Anzug, seinem blauen Paw-Patrol-Köfferchen und einer Sonnenbrille, die definitiv nicht Kai ihm gekauft hatte, zur Tür hereinmarschierte, vollkommen ungerührt einen Stuhl neben Kai schob und darauf kletterte, um dann seinen Koffer auf dem Schoß zu öffnen. Darin lagen lediglich eine Etikettiermaschine, die Kai sehr bekannt vorkam, ein einziger Zettel und eine Armee an Filzstiften, die Gou sorgfältig mit hochkonzentrierter Miene vor sich am Tisch sortierte. „Wir können jetzt anfangen”, sagte er dann gewichtig und zog seine Braue auf eine Art hoch, die er auch nicht von Kai hatte. Kai war sich der teils amüsierten, teils resignierten Blicke der anderen Konferenzteilnehmenden deutlich bewusst. Er zwang sich zu einem Lächeln in Richtung des Bildschirms und räusperte sich. „Entschuldigen Sie mich bitte, ich komme gleich wieder.“ „Papa, du kannst jetzt keine Pinkelpause machen, wir haben eine Konferenz“, erklärte Gou ernst und rückte sich die angeklipste Krawatte zurecht. „Hallo, guten Morgen.“ Kai konnte sehen, dass mindestens vier der sechs Anwesenden amüsiert und vielleicht sogar ein wenig gerührt waren, als sie seinen Sohn grüßten, aber dennoch konnte er fühlen, wie seine Ohren heiß vor Scham wurden. Ein unterdrücktes Gelächter vom Türrahmen aus ließ ihn aufsehen. Da war sein Lebensgefährte von mittlerweile fast zwei Jahren mit dem Rücken gegen den Türrahmen drapiert, gekleidet in einen von Prinzessin Elsa inspirierten blauen Morgenmantel mit weißen Federn an den Säumen, auf den Gou für ihn bestanden hatte, nachdem die Fortsetzung des Frozen-Films seine Leidenschaft dafür neu entfacht hatte. Yuriy hielt ein Martiniglas in der Hand, das einen Zahnstocher mit unmöglich vielen Oliven aufwies. Über die Jahre hatten sie begonnen, Kompromisse miteinander zu schließen und in Yuriys Fall hieß das, dass er angefangen hatte, gelegentlich den Status eines Luxusweibchens genussvoll zu imitieren (oder, wie er es zur Beruhigung seines Gewissens nannte, zu parodieren). Als er Kais Blick auf sich spürte, zwinkerte er ihm zu, hob das Glas an und schloss die Lippen um die oberste Olive, um sie schwungvoll vom Zahnstocher zu ziehen. Kai wurde wieder heiß, diesmal allerdings aus einem anderen Grund. „Brauchst du noch lang?“, fragte Yuriy, kaute genüsslich an der Olive herum und schluckte sie, ehe er sich über die Lippen leckte. „Boris ist schon da und Takao und Hiromi kommen auch bald.“ „Ich brauch‘ nur zehn Minuten“, sagte Kai, der den Videocall in weiser Voraussicht auf stumm gestellt hatte. Yuriy grinste. „Wir beide wissen, dass du es bei entsprechender Motivation auch unter fünf schaffst.“ Er lachte Kai lautlos aus, als der ihm einen bösen Blick zuwarf und ihm außerhalb der Sichtweite der Videokamera den Mittelfinger zeigte. „Komm schon, es ist dein Geburtstag.“ „Zehn Minuten!“, wiederholte Kai und nahm Gou, um ihn unter lautem Protest zu Yuriy zu bringen und vor ihm abzustellen. Dann reckte er sich hoch, glitt mit den Fingern sanft durch Yuriys weiche, rote Strähnen und fing seine Lippen zu einem Kuss ein. „Ich mach‘ das hier noch fertig, dann komm‘ ich.“ „Wenn du Hilfe mit den Zahlen brauchst …“, fing Yuriy an. Kai drückte ihm noch einen Kuss auf. „Bitte genieß deinen Urlaub. Ich verdiene uns noch rasch die Flitterwochen und dann komme ich.“ „Noch hast du keinen Ring“, erinnerte Yuriy ihn, aber er nahm Gou sachte an die Hand, die kein Glas hielt. „Na komm‘, lapatschka, lassen wir Papa arbeiten, okay?“ „Okay, Papenka“, sagte Gou friedfertig. „Darf ich dir meinen Vortrag halten? Ich hab‘ geübt!“ „Natürlich, solnyschko“, sagte Yuriy mit buttrig-zarter Stimme wie immer, wenn Gou gerade dabei war, ihn um den kleinen Finger zu wickeln, dann gingen sie. Kai erlaubte sich noch einen Moment, ihnen mit einem versonnenen kleinen Lächeln hinterherzublicken. Ja, das Leben war nicht perfekt, aber es war schön. Es war schön, und sie würden daran arbeiten, dass es auch immer schöner wurde. Mit einem Lächeln wandte er sich ab und ging zurück an die Arbeit. „Na schön, meine verehrten Anwesenden“, sagte er, „ich habe zehn Minuten, nicht mehr. Das Leben ruft.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)