Ein Chef zum Verlieben von Mitternachtsblick (Mann mit Kind sucht Mann mit Saldenlisten) ================================================================================ Kapitel 2: Schlaflos in der Buchhaltungsabteilung ------------------------------------------------- „Ohhhhh mein Gott, der neue Buchhalter ist heiß.” „Schau nicht so auffällig hin, er sieht uns sonst noch!” „Entschuldige bitte, aber wie soll ich da nicht hinschauen? Ich war noch nie so glücklich, in dieser Abteilung zu arbeiten.” „Jaaa, den will man auspacken wie ein Weihnachtsgeschenk.” „Also ich würd’ seine Zuckerstange lutschen, wenn du weißt, was ich meine.” „Karen!” Schrilles Gackern, das wenig erfolgreich hinter zwei Tassen versteckt wurde. Dann sagte Nicht-Karen: „Glaubst du, ich sollte ihm Kaffee anbieten? Wenn der nur halb so durstig ist wie ich…” „Amen, Schwester. Der kann mich gern jederzeit addieren und multiplizieren, wenn du weißt, was ich meine.” „Wem sagst du das. Der macht sicher schöne Kinder … und dieser Undercut sieht so weich aus. Steht ja nicht vielen, aber…” „Und du weißt ja, was man über Rothaarige im Bett sagt.” Erneutes Kichern. Yuriy unterdrückte ein Augenrollen und versuchte sich auf die Ordner vor ihm zu konzentrieren, aber die gackernden Gänse neben der Kaffeemaschine, deren Namen er sich nicht merken konnte, weil er sie sich nicht merken wollte, machten es ihm nicht gerade leicht. Seit einer Viertelstunde standen sie dort herum und rührten geräuschvoll in ihren Tassen. Es waren schon für geringere Verbrechen Morde begangen worden, vielleicht würde man ihm mildernde Umstände zugestehen. Er seufzte und zupfte behutsam einen losen Faden aus seinem Sakko. Man hatte ihm versichert, dass Business Casual für den Büroalltag in der Buchhaltungsabteilung absolut in Ordnung war, wofür er durchaus dankbar war. Er stand auf Kriegsfuß mit Krawatten, aber so konnte er die beiden obersten Hemdknöpfe offen lassen, solange er darüber sein schwarzes Sakko trug. Als er sich eine Haarsträhne zurückstrich, die aus dem penibel gedrehten Manbun gefallen war, seufzte eine der Gänse selig. Aus Mangel an Schusswaffen in Griffweite verdrehte Yuriy einfach nur ein zweites Mal die Augen.  „Einfach ignorieren.” Irritiert blickte er auf. Mariam war vor ihm stehen geblieben und musterte ihn mit ihren jadefarbenen Augen. Objektiv gesehen war sie eine schöne Frau, die in schwarzem Bleistiftrock und roter Bluse mit dazu passendem Haarband eine gute Figur machte und sich auf ihren schwindelerregend hohen Absätzen bewegte, als ob sie in diesen Schuhen geboren worden war. Sie brachte ihn dazu, sich unangenehm der etwas verblichenen, bereits einmal reparierten Säume seines Sakkos und der nicht gerade maßgeschneiderten Qualität seines Hemds bewusst zu werden, auch wenn sie selbst keinen Blick darauf verschwendete. Die Steuerberaterin der Hiwatari Enterprise war es gewesen, die ihn in diesem Laden in Empfang genommen hatte und offensichtlich sah sie es als ihre Pflicht, ihm beim Einarbeiten zu helfen - oder zumindest immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass sie ihn im Auge hatte, im Guten wie im Schlechten. Er wusste nicht, ob er mit ihr nach Feierabend noch etwas trinken gehen wollte, aber bisher war die Zusammenarbeit mit ihr in den zwei Tagen, die er schon hier war, angenehm gewesen.  „Sowieso“, sagte er als Antwort auf ihre Empfehlung und gestikulierte dann auf die Ordner. „Wissen Sie, was das für ein unübersichtlicher Wahnsinn ist?“ „Der alte Buchhalter ist wortwörtlich aus seinem Amt gestorben“, sagte Mariam ohne mit der Wimper zu zucken, „war sehr eigen mit seiner Ordnung. Hat sein System, glaube ich, seit den Achtzigern nicht mehr verändert. Es hat funktioniert, solange er es fest in der Hand hatte und wir weniger Töchterfirmen hatten, die an der Buchhaltung dranhängen.“  „Das merke ich“, murmelte Yuriy und rieb sich die Braue. „Ehrlich gesagt, es wird dauern, mich da durchzugraben und das neu zu sortieren.“  Mariam schenkte ihm ein Lächeln, das an den Mundwinkeln seltsam gespannt wirkte. „Konzentrieren Sie sich mal, die aktuellen To-Dos abzuarbeiten und in den Griff zu bekommen. In zwei Wochen werden die Zahlungslisten von allen Firmenteilen fällig und das wird auch gleich Ihr Prüfstein.“ Yuriy unterdrückte die Anmerkung, dass es dafür hilfreich gewesen wäre, zumindest beim System für das letzte Jahr durchzublicken und nickte nur. Er stand hier am untersten Ende der Leiter und hatte dementsprechend nicht viel zu sagen. Noch. In zwei Wochen würde die Sache schon ganz anders aussehen, und wenn er dafür Überstunden bis in die Nacht schieben musste. Wenn er schon gemäß des Brecht-Zitats „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ gegen seine Prinzipien verstieß und für ein riesiges Unternehmen arbeitete, dann wollte er es wenigstens verdammt nochmal richtig machen. Wobei Hiwatari Enterprise immerhin nicht das schlimmste war, was ihm jemals hatte passieren können, denn wenigstens entwickelte und investierte das Unternehmen in Umwelt- und Energietechnologie und verkaufte auf der ganzen Welt. Das war laut seiner Recherchen nicht immer so gewesen, aber der neue CEO schien zumindest einen besseren Kurs zu verfolgen als sein Vorgänger. Fast hoffte er darauf, beim Durchsehen der Finanzen keine Leichen im Keller zu entdecken, aber das seitenlange Non-Disclosure-Agreement, das er hatte unterzeichnen müssen, gab ihm nicht gerade viel Hoffnung, auch wenn man ihm versichert hatte, dass es Standard für alle neu beginnenden Angestellten war.  „Ich gebe mein Bestes“, sagte er schließlich. Mariam schenkte ihm ein weiteres Lächeln, das schmal war, aber immerhin ihre Augen erreichte. „Ich weiß. Sie sind mir sympathisch, verbocken Sie es nicht.“ „Danke für die aufbauenden Worte“, sagte Yuriy. Er wandte sich bereits wieder den Ordnern zu, aber er konnte noch ein amüsiertes Schnauben von ihr hören, ehe sie sich mit entschlossen klackenden Schritten entfernte und die beiden Gänse zurück an ihre Plätze scheuchte. Danach herrschte angenehme Ruhe, sodass er tatsächlich mehrere Stunden in Papierkram abtauchen und verzweifeln konnte, bis ein Schnipsen vor seinem Gesicht ihn wieder aufblicken und verwirrt blinzeln ließ. Sein Kreuz tat weh. Ein Blick auf die Handyuhr verriet ihm, dass er vier Stunden ohne Pause durchgearbeitet hatte und es schon drei Uhr nachmittags war.  Vor ihm stand Julia mit gehobener Braue und setzte einen Becher und eine Schüssel vor ihm ab. „Poke Bowl mit Erdnuss-Tofu“, sagte sie, „und Kaffee. War mir erst nicht sicher, ob dir Earl Grey nicht lieber wäre-“ „Eher erschieße ich mich, als dass ich dieses gestreckte Brackwasser trinke“, sagte Yuriy prompt.  „-aber dann habe ich mich daran erinnert, dass du sehr starke Meinungen zu Schwarztee hast und der britische in deinen Augen generell nicht an den russischen rankommt“, beendete Julia ihren Satz und setzte sich auf das Eck seines Tischs. Yuriy unterdrückte einen Aufschrei und rettete einen Ordner vorm Fallen. „Organe bringen echt viel Geld auf dem Schwarzmarkt“, zischte er, aber Julia lachte nur. „Entspann dich“, sagte sie, dann sah sie auf den Ordnerwahnsinn auf und um Yuriys Schreibtisch und ergänzte: „Okay, entspann dich vielleicht nicht zu sehr. Kommst du wenigstens weiter?“ „Besser, wenn du nicht auf meinem Schreibtisch sitzt“, sagte Yuriy, aber sie hatte ihm Essen gebracht und er war keine zwanzig mehr, wo er durch manche acht-Stunden-Schichten mit nichts anderem als einem Müsliriegel und zwei Energydrinks gegangen war und es trotzdem mit minimalen Folgen weggesteckt hatte, also hatten seine Worte keine wirkliche Hitze und er begann zu essen. Beinahe hätte er aufgestöhnt, als tatsächlich Geschmack in breitem Arrangement auf seiner Zunge explodierte. „Ist Stacy dir schon beim Kaffee aufgelauert?“, fragte Julia und nippte dabei an einer eigenen Tasse, „du bist genau ihr Typ.“ „Ist das eine von den Gänsen? Ich geh‘ einfach nicht zur Kaffeemaschine.“ „Feigling“, sagte Julia und grinste ihn an.  Yuriy zeigte ihr den Mittelfinger und schluckte herunter. „Es passt, dass sie Stacy heißt, sie wirkt, als hätte sie ihre singuläre Hirnzelle bei Tesco im Sonderangebot gekauft.“ Julia verbiss sich sichtlich nur schwer ein Losprusten. „Ich wusste schon, warum ich dich hier haben wollte. Obwohl ich wetten würde, dass du das nicht sagen würdest, wenn es statt Stacy John aus der Finanzabteilung wäre.“ Yuriy kratzte sich gedankenvoll am Kinn und schaufelte ein paar weitere Bissen in sich hinein, ehe er zugab: „Dem würde ich die Dummheit eher nachsehen, wenn er einen guten Arsch hat.“ „Hat er. Auch außerhalb der Hose.“ „Ms. Fernandez, Sie Luder“, sagte Yuriy prompt amüsiert, „welche Geheimnisse verstecken Sie noch?“ Julia zwinkerte ihm zu. „Die scharfe Olivia aus der Administration hat ein Muttermal auf ihrer rechten Titte. Und diese Titten sind auch außerhalb ihres Spitzen-BHs so stabil, wie es ihr Dekolleté verspricht.“ „Mit wievielen Leuten hier hast du schon geschlafen?“ Sie winkte ab. „Lässt sich echt an einer Hand abzählen, und die Firma ist groß. Ich versuche in jeder Abteilung nur einmal zu wildern, hat bisher gut funktioniert.“ „Ich bin milde beeindruckt.“ Er aß auf und warf den Kartonbehälter in den Mülleimer, dann zog er wieder den Ordner heran, an dem er gesessen hatte. „Ich hingegen habe nicht vor, hier irgendwelche Affären zu beginnen, sondern werde lediglich Ordnung ins Chaos bringen.“ „Hm. Tja. Mal sehen.“ Sie ließ den Blick über besagtes Chaos schweifen. „Mit den Affären hättest du auf jeden Fall weniger Aufwand. Fahren wir dann gemeinsam heim?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich werde länger bleiben. Das ist sonst nicht zu bewältigen. Und mir fehlen noch Verträge, die ich zum Abgleichen mit den gestellten Rechnungen brauche. Glaubst du, John aus der Finanzabteilung kann mir da zur Hand gehen?“ „Darling, der Mann wird dir sicher bei so allerlei zur Hand gehen, wenn du ihn nett anlächelst“, sagte Julia grinsend und glitt nun doch endlich vom Schreibtisch. „Wenn du Hilfe brauchst, dann meld’ dich.” „Nichts für ungut, Juletschka”, sagte Yuriy, „aber ich habe sowohl deine Definition von Ordnung als auch dein Gespür für Zahlen bereits erlebt und beides ist quasi nonexistent. Danke trotzdem für Speis’ und Trank.” Julia warf ihm eine Kusshand zu, ehe sie mit motiviert wippendem Pferdeschwanz in Richtung Aufzüge schritt. Yuriy blickte ihr einen Moment lang schmunzelnd nach, dann konzentrierte er sich wieder darauf, einen Schlachtplan zu entwerfen. Es war neun Uhr und er hatte eine zwölf-Stunden-Schicht hinter sich, als er das mittlerweile dunkle Firmengebäude wieder verließ. Sein Genick war steif wie ein Brett, aber sein Herz war voller Befriedigung über die Tatsache, dass es ihm gelungen war, eine neue Struktur zu konzipieren und das bisherige Buchhaltungssystem endlich zu durchschauen. Wenn er es schaffte, die neue Struktur bis Ende dieser Woche zu implementieren, hatte er eine reelle Chance, anständige Zahlungslisten am Ende des Monats zu produzieren, die die alten wesentlich übertreffen würden.  Das änderte nichts daran, dass er auf der einstündigen Heimfahrt zu der Wohnung in Barking, die er sich mit Boris teilte, beinahe einschlief. Er hatte Glück gehabt, dass die District Line, die durch Westminster lief, auch die war, deren Barking Station in Gehweite von seiner Wohnung war und er somit eine direkte Verbindung hatte. Von Barking Station war es nur noch ein Fußmarsch von etwa zehn bis fünfzehn Minuten, je nachdem, wie motiviert er war. Und für jemanden, der Moskaus durchschnittliche Reisezeit von zwei Stunden zwischen zwei Punkten in der Stadt gewohnt war, war eine Stunde Fahrt eigentlich nicht besonders viel. Das Ruckeln des Waggons war dennoch einschläfernd genug, dass er beinahe seine Station verpasste und gerade noch so durch die Türen nach draußen sprang.  Kühle Nachtluft empfing ihn, zusammen mit den üblichen kaputten Gestalten, die um die Station herum abzuhängen pflegten und ihm zuprosteten, als er die Hand flüchtig zum Gruß hebend an ihnen vorbei marschierte. Sie lebten in einem der heruntergekommensten Viertel von London, was bedeutete, dass es fast wie daheim war. Jetzt, knapp vor zehn, begann sich das Nachtleben zu regen, junge Leute hingen mit Bierflaschen auf Treppenabsätzen ab und füllten die Nacht mit Stimmen, während die altersschwachen Straßenlaternen über ihnen flackerten. Er fühlte sich bittersüß an die turbulenten Jahre seiner Teenagerzeit und seiner Zwanziger erinnert, die noch gar nicht so lange her waren. Dann hatte er einen kurzen, mentalen Zusammenbruch, als er sich fragte, ob er alt geworden war - oder noch schlimmer, spießig. Mit plötzlicher Sorge um sein Image beschleunigte er seine Schritte, sperrte die klemmende Haustür des schäbigen Apartmentkomplexes auf und hechtete die Treppen hinauf zu ihrer Wohnung, ohne sich dabei von Mrs. Alvarez beirren zu lassen, die im zweiten Stock aus der Tür schaute und etwas auf Spanisch hinter ihm her brüllte. Dann war er zur Wohnungstür hinein, ließ seinen Rucksack auf den Boden poltern und die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er wurde begrüßt von einem offenen Küchenfenster, einer verlockend aussehenden Auflaufhälfte auf dem Herd und schief, dafür inbrünstig gesungenem „Подмосковные вечера“, das vom Ruckeln der Waschmaschine begleitet wurde und aus dem Badezimmer zu kommen schien. Yuriy hängte sorgfältig das Sakko auf, dann öffnete er den Kühlschrank. „Если б знали вы, как мне дороги подмосковные вечера“, schallte es zu ihm herüber.  Yuriy verkniff sich ein Lächeln und holte sich einen Cider aus dem Kühlschrank, öffnete ihn mit dem immer bereitliegenden Flaschenöffner und ließ gewohnheitsmäßig seinen Blick über die winzige Küche schweifen, aber Boris war brav gewesen und hatte nach dem Kochen aufgeräumt. Yuriy trank einen Schluck, rollte die Hemdsärmel auf und wanderte ins Badezimmer, wo er wenig überraschend Boris im Schneidersitz auf der ratternden Waschmaschine sitzend fand, den uralten CD-Player neben sich, der seinen Gesang dramatisch untermalte. „Ich weiß, dass du diese Töne treffen kannst, wenn du willst”, sagte Yuriy und lehnte sich gegen den Türrahmen, „ich glaube an dich.” Boris senkte sein Handy und grinste ihn an. Sie sprachen immer ausschließlich Russisch miteinander und nach der heutigen Schicht waren Boris’ raue Töne in ihrer Erstsprache geradezu Balsam in seinen Ohren, was vom Inhalt seiner Botschaft allerdings schnell zunichte gemacht wurde. „Willkommen daheim, Klassenverräter! Wie war es in der bourgeoisen Vorhölle?” „Mein Vorgänger hat teilweise noch nicht die Zugänge zum Online-Banking von manchen Firmenkonten autorisiert, das musst du dir mal auf der Zunge zergehen lassen”, sagte Yuriy und trank noch einen Schluck. „Findest du, ich bin spießig geworden?” „Du meinst wegen deiner steilen Karriere vom politischen Flüchtling zum Lakai des Kapitalismus? Böse Zungen würden Ja behaupten, aber ich weiß es besser, denn ich bin mir bewusst, dass du und deine Zahlen immer schon ein bisschen spießig wart.” „Sei lieb zu mir”, sagte Yuriy, der bei dem ganzen Gedudel des Red Army Chors ein bisschen sentimental und müde wurde, „ich tue das nur für deine neue Waschmaschine.” „So, braucht mein armer Yura Liebe”, sagte Boris und der weiche Ausdruck in seinen Augen stand im Kontrast zu dem Grinsen auf seinem Gesicht. „Dann komm doch mal her und erzähl deinem Borya, was für Liebe du willst. Hast du schon gegessen?” Yuriy stieß sich vom Türrahmen ab und kam zu ihm, bis er den Kopf auf seine Schulter legen konnte. Er konnte fühlen, wie Boris das Haargummi aus dem Manbun löste und dann mit den Fingern sachte durch seine Haare glitt, bis ihm die Strähnen sanft über Hals und Schultern fielen. „Ich hab’ den Auflauf gesehen.” „Ansehen ist nicht essen”, sagte Boris und drückte einen Kuss auf seinen Scheitel. Sein Lippenpiercing drückte dabei leicht in Yuriys Kopfhaut, aber er störte sich nicht daran. Yuriy machte einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. „Sagst du das deinen Clubbekanntschaften auch immer?” „Manchmal.” Einen Moment lang war es bis auf die ratternde Waschmaschine, die tatsächlich schon aus dem letzten Loch pfiff und herumsprang, wenn man nicht auf ihr draufsaß, sowie dem dudelnden Radio still. Yuriy spürte, wie seine Schultern sich entspannten, je länger er in Boris’ Umarmung war und fragte: „Was muss ich tun, um eine Massage von dir zu bekommen?” „Blowjob”, sagte Boris ohne mit der Wimper zu zucken, „und du lässt mich eine neue Pfanne kaufen. Teflon-beschichtet.” Er machte eine Pause. „Scheiße, du hast mich mit deiner Spießigkeit angesteckt.” „Ich glaube, deine dreizehn Piercings retten dich”, sagte Yuriy nach kurzem Überlegen. „Ich hätte mir damals die Tunnel machen sollen. Jetzt bin ich zu alt.” „Zu spießig”, wisperte Boris und kraulte ihn im Nacken, „aber es ist okay, ich toleriere dich trotzdem.” „Ich toleriere dich auch”, sagte Yuriy und löste sich genug von ihm, damit sie sich anlächeln konnten. „Wie lange dauert dieses Programm noch?” „Zehn Minuten”, sagte Boris nach einem abschätzenden Blick auf die Uhr, „genug Zeit für den Blowjob.” Yuriy zeigte ihm den Finger und stellte die Flasche neben ihm ab, um sich das Hemd aufzuknöpfen. „Du kannst mir beim Duschen zusehen und dir dabei von mir aus einen runterholen. Für mehr Belustigung bin ich heute nicht mehr zu haben. Such’ dir gefälligst wieder eine Freundin.” „Ich nehme, was ich kriegen kann”, befand Boris und setzte sich zurecht. Yuriy schüttelte den Kopf, verkniff sich aber ein Schmunzeln dabei. Als er schließlich in die Dusche stieg, war Boris dabei, lauthals Kalinka zu singen und dabei Yuriys Cider zu trinken, und für einen Moment hatte Yuriy das Gefühl, dass sie wieder Anfang Zwanzig in Moskau waren und die Nacht noch jung genug war, um ein bisschen die Welt zu retten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)