Desaster von Adrija ================================================================================ Kapitel 31: ------------ Angestrengt konzentrierte Pepper sich auf die Zahlen vor ihr. Es fiel ihr schwer die Bedeutung dieser richtig zu erfassen und einzuordnen. Normalerweise wäre sie mit ihrer Analyse längst fertig. Doch nun saß sie seit zwei Stunden über den Quartalszahlen und es wirkte zunehmend auf sie wie irgendeine verschlüsselte Nachricht, von der sie nicht wusste, welcher Code verwendet wurde. Der gegen die riesigen Fenster donnernde Regen draußen, machte es auch nicht gerade leichter sich zu konzentrieren. Das Wetter würde sich bis morgen nicht ändern, wenn man dem Wetterdienst glauben wollte. Frustriert klappte sie letztendlich den Laptop zu, stützte ihre Ellenbogen auf dem Schreibtisch ab und legte ihren Kopf in die Hände, während sie ein Seufzen von sich gab. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass es beinahe wieder an der Zeit war ihr Analgetikum aufzufrischen. Gleichzeitig wusste sie, dass es dieses miese Zeug war, das ihre Gedanken so trübe machte, ihren Verstand betäubte und sie sich nutzlos fühlen ließ. Auf der anderen Seite war ihr allerdings auch klar, dass die Schmerzen ohne die Medikamente nur schwer zu ertragen wären. Vielleicht sollte sie allerdings mal wieder eine Reduzierung ansprechen. Sie konnte das alles nicht so lange auf Tony abwälzen. Es waren bislang nur zwei Wochen, aber das würde sich ja noch eine ganze Weile hinziehen, bis sie in die Öffentlichkeit treten konnte. Und Tony hasste diesen ganzen Stark Industries Kram, den er nun an ihrer Stelle übernehmen musste. Es machte ihr Sorgen, dass er das ohne jegliches Murren und Beschweren tat. Selbst als sie noch nicht CEO gewesen war, hatte sie ihn beinahe dauernd dazu überreden müssen seine Arbeit zu tun. Und dann war er dabei auch noch offensichtlich genervt von alledem gewesen. Nun wirkte er wie ein kompetenter Geschäftsmann. Engagiert, informiert, gewissenhaft, höflich, pünktlich. Sie hasste es. Es zeigte ihr lediglich, wie sehr er sich verdrehte, damit sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Und so sehr ihm das auch gelang in Bezug auf die Firma, umso größer wurde ihre Sorge im privaten Bereich. Also versuchte sie ihm zumindest die vorbereitende Arbeit abzunehmen. Und scheiterte kläglich. „Miss Potts, darf ich sie an ihre Medikamente erinnern?“, meldete Jarvis sich auf die Sekunde zur vollen Stunde. „Danke, Jarvis.“, antwortete sie ihm und stand auf. Vorsichtig sich am Schreibtisch festhaltend, erhob sie sich. Manchmal spielte ihr Kreislauf verrückt, wenn sie länger gesessen hatte. Zumal diese blöde Halskrause ihre Bewegungen auch noch einschränkte. Sie konnte es kaum abwarten, bis ihr Arzt sie endlich für unnötig hielt und die Physiotherapie alleine reichen würde. Doch immerhin sollte sie inzwischen das Ding für einige Stunden am Tag abnehmen, solange sie in einer kontrollierten Umgebung war, in der sie die Bewegungen in ihrem Halsbereich im Griff hatte. Diesmal lief es gut. Sie kam nicht ins Straucheln, vor ihren Augen verschwamm es nicht, alles war gut. Also ließ sie den Tisch los und ging zum Badezimmer. Mit wachsendem Widerstand nahm sie die drei Tabletten und stellte die mit ihrem Namen fein säuberlich etikettierten Plastikröhrchen wieder zurück in den Schrank, bevor sie sich im Spiegel über dem Waschbecken betrachtete. Ihre malträtierte Gesichtshälfte hatte nun die Farbe von einem grünlichen Gelb angenommen und zog sich unter ihrem Auge bis zum Kinn herunter. Die Schwellung war inzwischen gut zurückgegangen und kaum noch sichtbar. Doch die OP-Narbe direkt auf ihrer Wange würde später noch ein Problem werden. Die Fäden waren letzte Woche gezogen worden. Vielleicht sah es momentan einfach noch schlimmer aus, als es am Ende sein würde, doch bis sich das restlos mit Make-up abdecken lassen würde, brauchte es noch einige Zeit. Und das auch nur, wenn der Schnitt fein säuberlich zusammenwuchs. Was ja noch immer nicht klar war. Wenigstens konnte sie tatsächlich sehen, dass es von Tag zu Tag besser wurde. Und Phil hatte ihr in Aussicht gestellt, dass sie bei Bedarf möglicherweise einen Weg hatten das mit einer Technik zu beheben, die von einer Firma namens U-GIN in Südkorea entwickelt wurde und sehr vielversprechend aussah. Er hatte ihr irgendetwas von regenerierendem Gewebe erklärt, das sie sicher besser verstanden, wenn sie nicht unter Schmerzmitteln gestanden hätte. So richtig war ihr nur der Name der Wissenschaftlerin im Gedächtnis geblieben. Helen Cho. Mit diesen Informationen würde sie zumindest, wenn sie geistig wieder fitter war, sich selbst darüber informieren können. Was sie so gar nicht einschätzen konnte, war die OP-Narbe in ihrem Nacken. Zwar hatte sie sie sich mit Hilfe von Spiegeln bereits angesehen, aber es war schwer das auf diese Art und Weise einzuschätzen. Es war momentan schwer überhaupt irgendetwas einzuschätzen. Genervt von der Situation wandte sie sich wieder ab. Sie war ohnehin bald mit Nat und Clint für einen Film im Gemeinschaftsraum verabredet. Ihre Freunde sorgten immer dafür, dass sie nicht alleine im Tower war. Irgendeiner war immer da, der innerhalb von wenigen Sekunden bei ihr sein könnte. Zugegeben, zu Beginn war das noch sinnhaft gewesen, als sie die ersten Tage eher ein Pflegefall gewesen war, doch inzwischen fühlte sich das eher an, als wären die anderen Babysitter für ein inzwischen viel zu altes Kind. Gekonnt zog sie die Klettverschlüsse ihrer Halskrause auf. Vorsichtig drehte sie den Kopf und dehnte die Bänder und Muskeln, wie es ihr gezeigt worden war. Prüfend tastete sie ihren Nacken ab. Das Pflaster dort war noch ordentlich befestigt. Nachdem die Fäden dort gezogen worden waren, musste die Wunde im Gegensatz zu der auf ihrer Wange weiterhin abgedeckt bleiben, damit die Reibung durch die Halskrause die Heilung nicht behinderte. Was inzwischen Bruce alleine überwachte. Es fühlte sich gut an, dieses Ding nicht um den Hals zu haben. Tief durchatmend streckte sie sich. Es tat nichts weh. Aber sie wusste, dass das trügerisch war. Immerhin hatte sie gerade erst die nächste Dosis Analgetika geschluckt. Wahrscheinlich wollte sie gar nicht wissen, wie sehr alles schmerzen würde, täte sie das nicht. Konzentriert machte sie ihre Übungen aus der Physiotherapie zu Ende, bevor sie sich wenig begeistert die Halskrause wieder um den Hals legte. Doch sie sah ein, dass es sein musste. Das einsetzende Taubheitsgefühl in ihrem Kleinen und Ringfinger zeigte ihr deutlich, dass sie sie noch brauchte. Seufzend machte sie sich auf den Weg nach oben in die Gemeinschaftsetage. Mit einem strahlenden Lächeln betrat sie den rieseigen Raum und wurde sofort von leckeren Düften begrüßt. Hocherfreut trat sie um die Ecke in den Küchenbereich, wo Clint dabei war mit einer Pfanne herumzuhantieren. Seit sie wieder hier war, hatte er es noch nicht ein einziges Mal versäumt ihr das Frühstück, Mittag- und Abendessen zuzubereiten. Wenn er nicht da war, hatte immer etwas mit ihrem Namen versehen in der Küche gestanden. Sie befürchtete, wenn das so weiterging, würde sie noch fett werden. Natascha saß am Küchentresen und lächelte sie an, als sie sich neben sie setzte. „Hey, Pep.“, begrüßte Clint sie, und drehte sich um. „Ich bin hier gleich fertig. Warum sucht ihr nicht schon einen Film aus?“, schlug er vor und so setzten die beiden Frauen sich ins Wohnzimmer um. Nur wenige Minuten später gesellte Clint sich zu ihnen, wobei er drei volle Teller auf seinen Armen zu ihnen herüberbalancierte und anschließend noch einmal in die Küche lief, um Getränke zu holen. Als sie es sich schließlich auf der Couch gemütlich gemacht hatte, starteten sie einen Disney Film, den Clint ausgesucht hatte. Da dieser jeden einzelnen Song lauthals und schief mitsang, vermutete Pepper, dass er ihn bereits kannte. Nat versuchte ihn irgendwann zum Schweigen zu bringen, was in einer Kabbelei endete, die sich erst auflöste, als der Song vorbei war. Noch lange nach dem Film saßen sie zusammen und unterhielten sich. Irgendwann teilte Jarvis ihnen mit, dass jemand eine private Nachricht für Clint hinterlegt hatte und dieser entschuldigte sich um sie anzuhören, während Natascha ebenfalls aufstand, um ihnen das Dessert zu bringen. Mit einem Blick auf die Uhr stellte Pepper fest, dass sie bald wieder ihre nächsten Medikamente nehmen musste. Doch das war schnell nebensächlich als Natascha ohne den Kuchen zurückkam, dafür aber mit einer finsteren Miene und von ihrem Partner begleitet, der ihre Mimik imitierte. „Was ist passiert?“, fragte Pepper alarmiert und stand auf. Sie stützte sich an er Rückenlehne ab, als ihr Gleichgewichtssinn einen Moment brauchte, um sich an diese Änderung zu gewöhnen. Es juckte ihr in den Fingern den Fernseher anzuschalten um die Nachrichten sehen zu können. Die beiden Agenten wechselte noch einmal einen Blick miteinander. Pepper wusste, dass Tony das hasste, wenn sie nonverbal kommunizierten und alle um sie herum nicht den Hauch einer Chance hatten zu verstehen, was zwischen den beiden vor sich ging. Denn bisher hatte niemand auch nur die geringste Ahnung je gehabt. Tony hatte eine Weile heftige Analysen betrieben, sich Videos angesehen und versucht den Code zwischen ihnen zu knacken. Frustriert hatte er das irgendwann aufgegeben. Ohne jegliche Ergebnisse. Pepper selbst fand diese tiefe Verbundenheit zwischen ihren beiden Agenten äußerst liebenswert. Es erinnerte sie immer an diese überzogen dargestellte Verbundenheit zwischen eineiigen Zwillingen. Nur dass Natascha und Clint nicht miteinander verwandt waren. Dennoch konnten sie es. Und es machte Pepper glücklich das zu sehen. „Die Nachricht war von Loki.“, informierte Natascha sie dann. Ihr Herz sprang ihr fast aus der Brust, als Pepper diesen Namen hörte. „Was ist mit ihm? Geht es ihm gut? Wo ist er?“, wollte sie wissen. „In Thors Zimmer.“, antwortete Clint auf zumindest eine der Fragen. „Miss Potts, sollte ich vielleicht Mr. Stark, Dr. Banner oder Captain Rogers informieren?“, erklang Jarvis Stimme. „Nein.“, entschied sie sofort und umrundete die Couch. Das wäre im Moment keine gute Idee. Tony war noch mit der Firma beschäftigt, bei einem Geschäftsessen, wenn sie sich recht erinnerte. Und es wurmte sie, dass sie sich nicht sicher war. Sie sollte das wissen! Wobei sie sich allerdings definitiv sicher war, war dass er bei einer solchen Nachricht alles sofort stehen und liegen lassen würde. Egal was genau er gerade tat. Und Steve, nun ja, sie hatte keine Ahnung wo Steve war. Er hatte sich in letzter Zeit sehr auf sein Training konzentriert, in wohltätiger Arbeit vergraben und war generell viel außerhalb des Towers unterwegs gewesen. Wahrscheinlich in der Hoffnung irgendwo auf Loki zu treffen, aber er hatte zumindest nicht mit ihr darüber gesprochen, auch auf Nachfrage hin nicht. Überhaupt hatte er, außer dass er sich ständig bei ihr entschuldigt hatte, wenig über diese ganze Angelegenheit gesprochen. Das einzige Mal, als er Loki von sich aus erwähnt hatte, war nach einem Besuch bei Peggy Carter. Anscheinend hatte sie ihn darum gebeten Emma mal mitzubringen, da sie sie kennenlernen wollte. Es hatte ihn ziemlich ratlos zurückgelassen. Und weil ihn das irgendwie überfahren hatte, hatte er auch noch zugesagt und dann nicht mehr weitergewusst. Außerdem hatten er und Tony wieder angefangen mit Phil zu sprechen. Sie wusste nicht, ob das Fury inzwischen auch miteinschloss, aber nach dem ganzen Desaster schienen sie sich einander wieder anzunähern. Zumal SHIELD offenbar eine Gruppierung in Europa ausfindig gemacht hatte, die anscheinend Leute rekrutierte mit der Absicht eine Gegenmacht zu den Avengers aufzubauen. Sie wussten noch nicht viel darüber. Noch nicht einmal, ob diese Gruppierung ihnen feindlich gesinnt sein würde. Oder wer dort Mitglied war. Wenn sie ganz ehrlich war, wusste sie noch nicht einmal, ob sie wirklich in Zusammenhang mit den Avengers entstanden. Oder ob sie sich das bloß selbst irgendwie eingeredet hatte. War es doch eher eine Gegenmacht zu SHIELD gewesen? Einzig ein Name wurde damit in Verbindung gebracht. Sin. Oder so ähnlich? Pepper hatte mit im Raum gesessen, als ihre Freunde sich vorgestern darüber unterhalten hatten. Doch es war nur wenig hängen geblieben. Sie konnte sich noch nicht einmal erinnern, ob Sin der Name der Gruppierung oder eines Mitglieds oder des Gründers war. Es war frustrierend. Sie wollte weder Tony noch Steve wissen lassen, dass Loki hier war, weil sie befürchtete, dass er einfach wieder verschwinden würde. Noch bevor einer der beiden hier war. „Lass es sie wissen, wenn sie den Tower betreten. Nicht vorher.“, fügte sie also hinzu und lief mit den beiden Agenten auf den Fahrstuhl zu, mit dem sie zu Thors Etage fuhren. Entschlossen marschierte sie den Gang entlang und die Tür glitt für sie ohne weiteren Kommentar einfach auf. Mit deutlicher Überraschung starrte Loki ihr entgegen. Er stand mitten im Wohnzimmer, der Eingangstür zugewandt, mit den riesigen Panoramafenstern im Rücken, offensichtlich auf ihre Ankunft wartend. Oder zumindest auf die von Clint, denn mit Peppers Erscheinen hatte er augenscheinlich nicht gerechnet. Alles in Allem sah er akzeptabel aus. Er trug einen langen schwarzen Ledermantel. Von außen war er an einigen Stellen mit Gold verziert und das Innenfutter war grün. Farblich dazu passend trug er darunter eine Tunika. Schwarze Hosen mündeten in schwarzen Stiefeln, die ihm bis unters Knie reichten. Etwas seltsam wirkte die goldene Armierung an seinen Schultern, an der ein bodenlanger grüner Umhang befestigt war. Auch die Ober- sowie Unterarmschienen aus Gold wirkten unpassend um so in einer Wohnung herumzustehen. Seine Haare waren ordentlich nach hinten gekämmt und deutlich kürzer als zuletzt, während seine von tief dunklen Ringen untermalten Augen sich bei ihrem Anblick weiteten. Blasse Lippen öffneten sich, doch es kam kein Ton heraus und er machte einen unsicheren Schritt zurück. „Wage es bloß nicht!“, schrie Pepper ihm entgegen und betrat das Appartement. „Wage es bloß nicht, erneut abzuhauen!“ Festen Schrittes lief sie auf ihn zu. Doch bevor sie ihn erreicht hatte, ging er auf ein Knie herunter und neigte seinen Kopf so tief nach vorne, sodass sie seinen Nacken sehen konnte. Das Ende einer seiner Narben konnte sie am unteren Ende halb von seiner Kleidung verdeckt erkennen, als seine Haare seitlich herunterglitten und den Blick darauf freigaben. Kurz stoppte sie überrumpelt bei diesem deutlichen Zeichen von Unterwürfigkeit. Es ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Das war alles einfach nicht richtig. Es war einfach aus den Fugen geraten. Und Loki sollte nicht vor ihr knien und ihr seine Kehle darbieten! „Wo warst du nur so lange?“, fragte sie mit bebender Stimme und trat die letzten zwei Schritte auf ihn zu. Direkt bei ihm ließ sie sich auf die Knie fallen, schlang ihre Arme um seinen Nacken und drückte sich an ihn. „Hast du überhaupt eine Ahnung, was für Sorgen wir uns gemacht haben?“, murmelte sie und spürte wie die erste Träne ihren Weg über ihre Wange fand, als sie plötzlich Erleichterung darüber spürte, dass ihr Freund wieder zu Hause war, dass weder das Militär, noch SHIELD es geschafft hatten an ihn heranzukommen! Es ging ihm nicht übermäßig gut, aber das würden sie schon wieder hinbekommen. Sie hatten ihn schon wesentlich schlimmer gesehen. Wahrscheinlich war der Schlafmangel das Schlimmste an seiner momentanen Situation. „Mylady, ich…“, fing er zögerlich und mit rauer Stimme an. „Bitte, es ziemt sich nicht für eine Lady Eures Standes…“, fuhr er unsicher fort, offensichtlich nicht ganz in der Lage die Situation so eloquent zu überstehen, wie er es normalerweise tat. „Halt den Mund, du Idiot!“, fiel Pepper ihm jedoch ins Wort und krallte ihre Hände in dem Stoff fest, wo sie ihn zu fassen bekam, aus Angst er könnte versuchen sie von sich zu schieben, bevor sie ihr Gesicht an seiner Schulter vergrub und den brennenden Tränen an ihren Augenlidern freien Lauf ließ. Es schien als würde die gesamte Anspannung der letzten zweieinhalb Wochen sich genau jetzt auf einmal entladen. Als würde die gesamte Sorge um den Asgardier, die ein konstanter Begleiter war, sich jetzt auflösen. Ihre Familie war endlich wieder vollständig. Letztendlich wusste sie nicht, wie lange sie an Loki gekrallt so dagekniet hatte. Es war ihr auch egal. Ihre Tränen waren inzwischen versiegt und sie spürte einen dumpfen Schmerz in ihrer rechten Wange pochen. Loki hatte ihre Umarmung nicht erwidert. Er hatte kein Wort gesagt. Jetzt löste Pepper sich langsam wieder von ihm, fuhr mit ihren Händen zurück nach oben und platzierte sie auf seinen Schultern. Sein Kopf war nach unten zur Seite gerichtet, als würde er es nicht wagen sie anzusehen. Seine zu Fäusten geballten Hände zitterten. Um sein Gesicht sehen zu können, müsste sie sich weiter herunterbeugen, was mit ihrer Halskrause ein verlorenes Unterfangen wäre. Sie würde ihr Gleichgewicht verlieren und hinfallen. Also legte sie ihre Hände an seine Wangen und zog sein Gesicht hoch. Ob es Schmerz oder Verzweiflung war, konnte sie in den Augen des Asgardiers nicht erkennen, als ihre Blicke sich letztendlich trafen, doch sie erkannte Scham und Hass als seine Augen zu ihrer Wange flackerten. Dann senkte er den Blick wieder und mied den ihren. Etwas unbeholfen lächelnd beugte sie sich vor und lehnte ihre Stirn gegen seine. „Es ist alles in Ordnung, Loki.“, versicherte sie ihm. „Ich bin deshalb nicht sauer auf dich.“ Sie beobachtete wie der Asgardier irritiert die Augenbrauen zusammenzog und kurz nach oben sah, seinen Blick dann jedoch sofort wieder auf den Boden richtete, als wäre ihm plötzlich eingefallen, dass es ihm nicht erlaubt war sie anzusehen. „Oh nein, sauer sind wir, weil du einfach so abgehauen bist.“, meldete sich Clint zu Wort. „Anstatt dir am Hals zu kleben, würde ich dir lieber eine reinhauen dafür.“ Die Hände senkend, eine aber an seiner Schulter belassend, sah Pepper auf zu ihren Freunden, die sich hinter ihr positioniert hatten. Sie musste dazu ihren ganzen Körper bewegen, weil die Halskrause sie daran hinderte ihren Kopf alleine drehen zu können. Clint stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und sah auf den Asgardier herab, während Nat an ihm lehnend die Situation beobachtete. Es schien nicht als hätte einer von beiden Bedenken, dass sie bei Loki unten kniete. Wenn sie Sorge um ihre Sicherheit hätten, hätten sie ihr wahrscheinlich in erster Linie nicht gesagt, dass Loki zurück war. Doch das hatten sie. „Ehrlich gesagt war das auch eher meine Erwartung.“, antwortete Loki. Er klang kratzig. Sprechen strengte ihn offensichtlich an. „Nun, wir heben uns das auf für nachdem du geschlafen hast.“, sagte Natascha. „Solltest du dringend tun.“, fügte sie hinzu. Unsicher sah der Asgardier die beiden Agenten an. „Das ist nicht der Grund für meine Rückkehr.“, bemerkte er dann. „Sondern?“, wollte Clint wissen. Doch Loki erwiderte nur für einige Sekunden seinen Blick, bevor er wieder zu Boden sah und schwieg. „Jarvis? Eine Idee, wann Steve wieder hier ist?“, wandte Natascha sich an die KI. Beim Erklingen dieses Namens spürte Pepper wie Loki sich anspannte. „Captain Rogers ist nicht weit entfernt. Allerdings scheint er nicht auf dem Weg zurück zu sein. Sollte ich ihn benachrichtigen?“, fragte Jarvis. „Nein!“, stieß Loki im gleichen Moment aus wie Clint mit „Ja.“, antwortete. Irritiert sahen sie Loki an, der nun fast panisch zu den beiden Agenten hochsah. Misstrauisch zog Natascha die Augenbrauen zusammen. „Hast du erwartet ihm aus dem Weg gehen zu können, wenn du wieder hier bist? Du brauchst ihn zum Schlafen. Wie sollte das ablaufen?“, wollte sie wissen und musterte den Asgardier. Dessen Blick richtete sich kurz auf ihren Partner, bevor er wieder zu Boden sah. „Es war ein Fehler hierher zu kommen.“, murmelte er erschöpft eher zu sich selbst, so leise, dass Pepper ziemlich sicher war die einzige zu sein, die das verstanden hatte. „Loki?“, sprach sie ihn besorgt an. Doch er reagierte nicht. Sein Atem ging heftiger. „Pepper, steh auf.“, wies Natascha sie plötzlich an. „Loki?“, wiederholte sie jedoch lediglich ihre Anfrage an den Asgardier ohne auf ihre Freundin überhaupt zu reagieren, wurde aber im nächsten Moment von Clint am Arm gepackt und hochgezogen. Wortlos zog er sie zwei Schritte weg und ignorierte ihre Gegenwehr, die allerdings fast augenblicklich erstarb als ihr schwindelig wurde und sie sich an ihm festhalten musste. „Keine Wiederrede, Pepper. Wenn er sich aufregt, bist du nicht in seiner Reichweite!“, verlangte Clint, schob sie hinter sich, wo Natascha sie in Empfang nahm und festhielt. „Er verschwindet ohnehin nicht wieder, oder?“, sagte Natascha mit fast spöttischem Unterton. „Du bist am Ende und allein Steves Name versetzt dich in Panik. Du kannst die Unzulänglichkeiten nicht mehr ausgleichen und Clint hat völlig anders reagiert, als du es dir erhofft hast.“ Ein Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus. „Willkommen zu Hause, Loki.“ Es klang eher wie eine Drohung. „Nat, hör auf!“, verlangte Pepper auch wenn sie nicht ganz verstand wovon sie da sprach. Sie verstand genug um zu wissen, dass es nicht nett gemeint war. Und es verfehlte auch seine Wirkung nicht, denn Loki starrte sie an, als wäre sie sein wahrgewordener Albtraum. Es ließ sie bloß noch etwas breiter grinsen. „Wie lange braucht Steve noch?“, fragte Clint mit einem Blick zur Decke. „Ungefähr zehn Minuten, Agent Barton.“, antwortete die KI. „Sollte er sich entscheiden die Verkehrsregeln zu beachten.“ Mit der Information sprang der Asgardier vom Boden auf, stützte sich am Sofa ab, als er etwas schwankte. „Sage ich doch: Völlig am Ende.“, kommentierte Natascha und Pepper spürte den Wunsch sie erneut zurechtzuweisen. Probeweise zog sie erneut an ihrem Arm, doch der Griff mit dem sie festgehalten wurde, war schraubstockartig. „Loki, es ist alles in Ordnung.“, versuchte sie ihn zu beruhigen. Der panische Blick, der sie traf ließ sie erneut gegen Nat ankämpfen, auch wenn ihr eigentlich klar war, dass sie keinerlei Chancen hatte sich zu befreien, solange diese das nicht wollte. Als sie erneut hochsah, waren Lokis Augen noch immer auf sie gerichtet, die Angst darin sprang ihr geradezu ins Gesicht. Doch dann schloss er die Augen und verblieb einige Zeit so. Sein nächster Blick war wieder geerdeter. Definitiv nirgendwo in der Nähe von ruhig, aber immerhin in einem Zustand, in dem er fähig sein würde zu denken. „Loki?“, versuchte Pepper es also erneut. „Bleib hier.“, bat sie ihn. Seine Augen fixierten sie nun. Und sie wollte nichts anderes als ihn wieder in ihre Arme schließen und ihm versichern, dass alles gut war. Dass er bei ihnen sicher war. Dass sie seine Familie waren und sich das nicht geändert hatte wegen eines dummen Unfalls. „Warum?“, fragte der Asgardier. „Ich sollte nirgendwo in Eure Nähe gelassen werden, oder die des Captains. Und stattdessen wird genau das forciert. Was erhofft ihr euch davon?“ Jetzt sah er auch zu Nat und Clint herüber. „Nun, was könnte das sein?“, antwortete der Scharfschütze in einem genervten Tonfall. „Möglicherweise habe ich einfach keine Lust in einen Mord hineinmanipuliert zu werden.“ Er trat einen Schritt auf Loki zu, die Hände zu Fäusten geballt. „Wenn du das willst, dann erledige das gefälligst selbst, Arschloch!“, schmetterte er ihm entgegen und es wirkte einen Moment als wollte er ihm ins Gesicht schlagen. Doch es passierte nichts. „Peppers Anwesenheit hat dir direkt den Wind aus den Segeln genommen. Egal, was genau du vorgehabt hast.“, mischte sich Natascha wieder mit ein. „Und Steve wird den Rest erledigen.“, erklärte sie. Verzweifelt lachend griff Loki sich an die Stirn. Clint wich wieder zurück, streckte einen Arm nach hinten aus und schob Pepper direkt hinter sich. Die beiden Agenten wechselten einen Blick miteinander. „Ich gebe zu, ich habe Euch unterschätzt, Lady Natascha.“ Er richtete seine Augen auf die Agentin. „Erneut.“, fügte er hinzu. „Mach dir nichts draus. Fast jeder tut das.“, antwortete sie mit einem angedeuteten Grinsen auf den Lippen. Für einen kurzen Moment schien der Asgardier darauf antworten zu wollen, doch dann fixierte er etwas hinter ihnen. Seine Augen weiteten sich. Pepper musste nicht nach hinten sehen, um zu verstehen, dass sie ihre zehn Minuten hinter sich gebracht hatten. Natascha ließ sie kommentarlos wieder frei, sodass sie sich umdrehen konnte. Sichtlich schockiert stand Steve in der Tür und starrte Loki an. Hatte Jarvis ihm nicht gesagt, warum er ihn zurückbeorderte? „Loki?“, fragte er unsicher als er das Appartement betrat. Der Angesprochene schien zu Stein geworden zu sein, denn er reagierte nicht einmal ansatzweise und starrte den Soldaten einfach nur an. Die ersten paar Schritte waren zögerlich, doch dann stürmte Steve auf seinen Freund zu und zog ihn in eine Umarmung von der Pepper wusste, dass er sie für eine ganze Weile nicht mehr lösen würde. Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen auf. „Lass uns gehen. Ich denke, sie brauchen etwas Privatsphäre.“, ertönte dann Nataschas Stimme. Zusammen verließen sie das Appartement. „Miss Potts, darf ich Sie an Ihre Medikation erinnern. Sie hätten sie bereits vor 42 Minuten einnehmen sollen.“, ertönte Jarvis Stimme sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. „Danke, Jarvis. Ich erledige das sofort.“, sicherte sie der KI zu und stellte sich mit den Agenten in den Fahrstuhl. Ihre Gedanken rasten. Alles was gerade passiert war beunruhigte sie zutiefst, auch wenn sie mit ihren trüben Gedanken nicht fähig war zu sagen, warum. Wieso war Loki der Meinung gewesen Nat unterschätzt zu haben? Von welchem Mord hatte Clint gesprochen? Es machte alles nur wenig Sinn für sie. Umso verwirrender war es, dass es sie dermaßen alarmierte. Als wollte der Analgetika betäubte Teil ihres Verstandes ihr etwas mitteilen, dass sie übersah, aber von unabdingbarer Wichtigkeit war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)