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Desaster

von

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Wütend schmiss Tony das StarkPad zurück auf den Arbeitstisch. Sein Herz schlug so schnell und heftig, dass er Angst hatte es könnte ihm aus der Brust springen und er musste sich aktiv dazu zwingen seine linke Hand aus ihrer geballten Haltung zu entspannen. Seine Fingernägel hatten ihm ins Fleisch geschnitten. Er hörte sein Blut rauschen in seinen Ohren und hatte ein dringendes Bedürfnis seinen Iron Man Anzug anzuziehen und Fury einen Besuch abzustatten. Warum hatte er sich bisher auch nicht gemeldet? Was sollte das? Warum hatte sich bisher noch gar nichts getan außer, dass Rhodey zu ihm geschickt worden war? Er hatte es wirklich langsam dringend nötig jemandem den Kopf für das Geschehen abzureißen.

Schwungvoll erhob Tony sich aus dem Stuhl auf dem er die letzten Stunden fast wie erstarrt mit den Augen auf das LED-Display gerichtet verbracht hatte. Ein paar Mal sprang er an Ort und Stelle auf und ab um die erste überschüssige Energie loszuwerden, bevor er sich umdrehte und sich fast dazu zwingen musste das StarkPad liegenzulassen. Er hatte deutlich zu lange in zu kurzer Zeit mit den Berichten verbracht. Die letzten zwei Wochen hatte er kaum etwas anderes getan als zu studieren was SHIELD mit Loki getan hatte. Es fing an ihn verrückt zu machen. Er konnte den Asgardier kaum ansehen ohne dass ihm Bilder vor dem inneren Auge erschienen, die ihn dazu brachten sich sofort betrinken zu wollen bis er nicht mehr fähig war überhaupt noch zu denken.

Erneut verfluchte er Steve, dass er seinen alkoholischen Vorrat hier unten im Workshop ausgeräumt hatte. Entschlossen überbrückte der Milliardär die kurze Distanz zu einem seiner Arbeitstische auf dem ein Prototyp für die neuen Widow´s Bite lag an denen er gearbeitet hatte als Jarvis ihn über Lokis Aufenthaltsort informiert hatte. Eigentlich hatte er schon längst damit fertig sein wollen. Caps Rüstung war sein geplantes nächstes Projekt und er wusste nur zu genau, dass diese Verbesserungen dringend nötig waren mit dem steigenden Schwierigkeitsgrad ihrer Missionen. Denn irgendwie schienen plötzlich aus allen Ecken irgendwelche Verrückten mit Superwaffen oder Superkräften zu kriechen. An besonders schlechten Tagen waren es Verrückte mit Superwaffen und Superkräften. Außerdem hatte er noch zwei seiner eigenen Anzüge die er reparieren musste, nicht zu vergessen Clints Bogen und Köcher und War Machines Schubdüsen und und und…

Entschlossen schritt er zur Kaffeemaschine und schaltete sie an. Er beschloss hiermit zuerst mindestens Nataschas Waffen fertig zu modifizieren bevor er sich wieder an die Berichte setzte und dann auch nicht länger als zwei Stunden bevor er mit Caps Rüstung weitermachte. Er musste es portionieren, immerhin hatte er Berichte von 16 Monaten intensiver Untersuchungen auf dem Pad. Er konnte unmöglich seine ganzen anderen Verpflichtungen weiterhin derart ignorieren. Nicht auszudenken, wenn seinen Freunden etwas passieren würde, nur weil er sich lieber mit der Snuff-Videosammlung befasst hatte, anstatt endlich den Schwachpunkt an Caps Rüstung zu beseitigen.

Tief durchatmend griff er nach seiner fertig befüllten Tasse und ging zu seinem Arbeitstisch hinüber.

„Jarvis, NR-WB 4.3 aufrufen.“, richtete er sich an seine KI, die sofort auf den Bildschirmen am Arbeitstisch die entsprechenden Skizzen und Berechnungen aufrief. Mit einem kurzen Blick darauf rief Tony sich den Stand der Dinge wieder ins Gedächtnis, tippte dann auf die Skizze gefolgt von einer wischenden Bewegung die den Gegenstand im holographischen Feld erscheinen ließ, sodass er ihn in die Hand nehmen und von allen Seiten begutachten konnte. Für einige Zeit konnte er sich gut auf seine Arbeit konzentrieren, doch als er die fertigen überholten Widow´s Bite zurück auf die Arbeitsfläche legte waren seine Gedanken sofort wieder bei seinem unfreiwilligen Gast.

Nachdem er vor einigen Stunden das Krankenzimmer mit Steve wieder verlassen hatte, Steve hatte sich das bereitgestellte Essen für Loki geschnappt und war damit wieder verschwunden, hatte er dafür gesorgt, dass Thors Zimmer fertig wurde. Natascha hatte sich dazugesellt und ihm geholfen die persönlichen Gegenstände ihres hauseigenen Donnergottes zusammenzutragen und in Kisten zu verstauen, die sie beide aus dem Zimmer entfernten. Ebenso hatten sie die Dekoration so verändert, dass es nicht sofort an Thor erinnerte. Das rot dekorierte Zimmer war schnell zu einem grün dekorierten Zimmer geworden. Zumindest hofften sie beide so Loki etwas mehr Sicherheit geben zu können. Wenigstens würde es ihn sich deutlich besser fühlen lassen als das Krankenzimmer, welches ihn wahrscheinlich ziemlich an seine Folterkammer erinnern musste. Deutlich schwieriger wurde es Kleidung für ihn aufzutreiben. Niemand auf dieser Welt war tatsächlich ein lebendes Skelett. Jedenfalls nicht so Wort wörtlich wie Loki momentan. Also ließ Tony eine Auswahl an Kleidung kaufen, wozu hatte man tausende von Angestellten, und verstaute sie im Schrank. Loki würde sich schon etwas raussuchen auch wenn es an ihm derzeit deutlich zu locker sitzen würde. Letzten Endes war es ja nicht ihr Ziel seinen körperlichen Zustand so zu belassen. Er würde schon wieder in normale Kleidung hineinwachsen.

Eigentlich hatten sie Loki direkt im Anschluss umsiedeln wollen, aber Jarvis hatte sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Asgardier eingeschlafen war. Keiner von ihnen hielt es für eine gute Idee ihn aufzuwecken oder schlafend zu transportieren. Also hatte Tony seine KI nur angewiesen ihn zu informieren, sobald er wiedererwachte.

Anschließend hatte er sich noch ein paar der belegten Brote geschnappt die Clint zum Abendessen bereitgestellt hatte und war in seinen Workshop verschwunden um zu arbeiten. Es hatte damit geendet, dass er wieder stundenlang an seinem StarkPad gesessen und die SHIELD Berichte gelesen hatte.

Als er sein Pad soeben wieder in die Hand genommen hatte, meldete sich Jarvis.

„Es tut mir leid Sie zu unterbrechen Sir, aber ich würde Sie gerne auf einen Umstand betreffend Ihres neuen Gastes hinweisen.“

Alarmiert ließ der Milliardär das Pad wieder fallen, bereit loszustürmen in welche Richtung auch immer ab besten passen würde.

„Was ist passiert, Jarvis?“

„Mr. Odinson scheint seit einiger Zeit heftige Albträume zu haben. Es ist mir bislang leider nicht gelungen ihn daraus zu erwecken.“

Albträume? Er spürte wie seine Muskulatur sich wieder entspannte. Nur Albträume. Okay, er war nicht gerade dabei seine Freunde in willenlose Sklaven zu verwandeln oder Feuerbälle auf die Passanten unter ihnen zu schmeißen. Albträume konnte er händeln. Es kam nicht wirklich unerwartet, dass Loki damit Probleme haben könnte.

Also verließ Tony den Workshop und steuerte auf den Fahrstuhl zu.

„Sir, vielleicht wäre es klug Captain Rogers zu informieren.“, schlug die KI vor.

Prüfend warf Tony einen Blick auf die Uhr. Es war zwei Uhr morgens. „Lass ihn schlafen.“, wies er Jarvis an und stieg in den Lift.

„Ich würde Sie gerne an das Gespräch gestern früh mit den anderen erinnern. Sie schienen sich alle einig darüber gewesen zu sein, sich nicht alleine bei ihm aufzuhalten.“, warf die elektronische Stimme ein.

Etwas genervt seufzte Tony. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. „Jarvis, deine Sorge ist wirklich rührend, aber ich denke das bekomme ich alleine hin.“, lehnte er erneut ab. Die Fahrstuhltüren öffneten sich wieder und Tony eilte über den Flur. Zunächst sah er den Asgardier nicht als er das Zimmer betrat, doch er konnte ihn hören. Als er das Bett umrundet hatte, sah er ihn auf dem Boden liegen und sich hin und her wälzen. Er hörte ihn leise vor sich hinmurmeln, doch er konnte die einzelnen Worte nicht verstehen, er war sich nicht einmal sicher ob es tatsächlich Englisch war. Dennoch erkannte er problemlos die Panik in der Stimme.

Ohne zu zögern hockte er sich zu dem Asgardier und griff ihn an den Oberarmen. Er war schweißnass. Jetzt erkannte er auch die Wassertropfen auf der Stirn und die an seiner Haut klebenden Haaren. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und sein Kopf rollte von einer Seite auf die andere.

„Loki!“, versuchte er ihn aufzuwecken, bekam aber keinerlei Reaktion darauf. Er fing an ihn leicht zu schütteln, wenn er ehrlich war, hatte er Angst ihm damit weh zu tun, so zerbrechlich wie er momentan aussah. „Loki!!“, versuchte er es diesmal lauter. Vergeblich. Okay, er verstand warum Jarvis ihn nicht wachbekommen hatte. „Hey, wach auf!!“, schrie er ihn an und schüttelte etwas stärker. Was, wenn er nicht aufwachte? Was, wenn er gar nicht schlief, sondern in einer Art Koma lag? Etwas Panik breite sich jetzt auch in dem Milliardär aus. Loki konnte doch unmöglich innerhalb dieses Albtraums im Koma liegen!

„Wach auf, verdammt noch mal!!!“, schrie Tony noch einmal und schüttelte den Asgardier unter sich diesmal so stark wie er sich traute.

Mit einem Mal ging ein Ruck durch den ganzen Körper und Loki öffnete die Augen. Einen Moment starrten sie sich gegenseitig an und Tony sah die an Wahnsinn grenzende Panik in diesen weit aufgerissenen grünen Augen. Er erstarrte. Ein Knoten bildete sich in seinem Hals als er diesen Ausdruck blanken Horrors sah.

Nur einen Moment später fing der Asgardier an nach ihm zu schlagen und zu treten, versuchte sich verzweifelt von ihm zu lösen. Tony spürte die Schläge, die ihn erwischten kaum. Lokis Koordination war nicht besonders gut er hatte kaum Kraft wie es schien. Sein erster Impuls war es den Mann festzuhalten und ihn schützend an sich zu ziehen, ihn festzuhalten bis er sich wieder beruhigt hatte, doch sein Gehirn setzte schnell genug wieder ein um zu erkennen, dass dies bei seinem Gegenüber wahrscheinlich genau das Falsche wäre und ihn nur in noch größere Panik katapultieren würde. Er erinnerte sich an seine eigene Erfahrung mit Panikattacken. Wenn ihn da jemand festgehalten hätte, wäre er völlig ausgeflippt. Einzig Pepper war bislang in der Lage gewesen ihn mit Nähe zu beruhigen. Aber Pepper war nicht hier und er glaubte nicht wirklich, dass sie den gleichen Effekt auf Loki haben würde, wie auf ihn.

Also ließ er ihn los und sah zu wie Loki sich ungeschickt mit Hilfe von Händen und Füßen nach hinten wegschob bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Zunächst starrte er Tony ohne zu blinzeln an, doch dann wurde sein Blick nach einer Weile glasig und er senkte den Kopf etwas. Seine deutlich zitternden Hände wanderten seitlich an seinen Kopf und krallten sich in seinen von Schweiß durchnässten Haaren fest. Ein undefinierbares leises Lachen entrang sich seiner Kehle während er noch immer mit panischem Gesichtsausdruck vor sich auf den Boden starrte. Das viel zu große T-Shirt klebte an seinem nassen Oberkörper.

Wie versteinert beobachtete Tony was sich vor ihm abspielte. Er war nicht fähig sich zu bewegen, hockte noch immer an Ort und Stelle, nun zwei Meter von dem anderen Mann entfernt, der momentan nicht einmal mehr in der Lage zu sein schien ihn wahrzunehmen. Das Lachen verstummte nach einigen Minuten und mündete in Gemurmel welches Tony weiterhin nicht fähig war zu verstehen. Loki zog seine Beine an den Oberkörper und fing an den Kopf hin und wieder leicht zu schütteln während sein Stimme immer wieder leiser und lauter wurde, aber nie laut und deutlich genug, dass wirklich Wörter auszumachen waren. Fast schien es so als würde er mit irgendjemandem diskutieren.

Wie Tony dahockte und den Asgardier beobachtete breitete sich Gänsehaut über seinen gesamten Körper aus. So wie Loki sich gerade verhielt, brauchte er nicht ein Zimmer, sondern eine Gummizelle. Vor ein paar Stunden schien es ihm einigermaßen gut zu gehen und er hatte sich schon etwas gewundert und gleichzeitig gefreut wie gut der Gott das alles offenbar verkraftete, doch der jetzige Anblick ließ ihn seine Ansicht stark revidieren.

Der Milliardär wusste nicht wie lange er sein Gegenüber beobachtete. Er wagte es nicht sich zu bewegen. Irgendwann verstummte Loki komplett und starrte nur noch auf den Boden vor sich, Augen weiterhin schreckensgeweitet auf einen undefinierbaren Punkt vor seinen Füßen gerichtet.

„Loki?“, sprach er ihn schließlich an. Der Kopf des Angesprochenen schnellte nach oben und sein Blick richtete sich auf Tony. Fast wäre der Milliardär bei dem Anblick zurückgezuckt, beherrschte sich aber. Irgendwie wusste er nicht so recht, ob er sich freuen sollte, dass eine Reaktion erfolgt war, oder nicht. „Hey. Verstehst du mich?“, fragte er langsam und mit zweifelndem Tonfall.

Es passierte nichts, also setzte sich Tony langsam, sodass seine Bewegungen deutlich zu sehen waren aus seiner Hocke heraus auf den Boden. Seine Gelenke schmerzten nach der ganzen Zeit, die er in dieser komischen Position verbracht hatte und er sog schmerzhaft Luft zwischen den Zähnen ein als er merkte wie sehr seine Gelenke sich nun beschwerten.

Bei dem Ton zuckte Loki zusammen und drückte sich wieder gegen die Wand hinter sich.

„Sorry… sorry. Das war keine Absicht. Weißt du, bei Menschen beschwert sich der Körper irgendwann, wenn man zu lange steif herumhockt.“, erklärte er kurz und hob seine Hände an, so gedreht, dass Loki sehen konnte, dass er nichts darin hielt. „Ich bin nicht mehr der Jüngste.“ Er lachte leise.

Loki starrte ihn an, presste sich aber nicht mehr mit dem Rücken gegen die Wand. Das war doch schon mal was, oder?

„Hey, ich und Natascha haben dein Zimmer fertig gemacht. Wir hatten vorgehabt dich so schnell wie möglich hier rauszuholen, aber du warst eingeschlafen.“, sprach er weiter und beschrieb ihm wie gruselig es irgendwie war festzustellen, mal wieder, dass Nat deutlich stärker zu sein schien als man ihr bei der zierlichen Statur zutrauen würde.

Er wusste nicht genau, was er tat, aber er fing an aus dem Nähkästchen zu plaudern. Wie SHIELD es geschafft hatte die ganze Welt davon zu überzeugen, dass seine Invasion nichts weiter war als ein Terrorakt mit Halluzinogenen. Tony fand das persönlich noch immer äußert faszinierend, wie selbst Leute die mittendrin gewesen waren plötzlich von menschlichen Angreifern sprachen. Sicher, es gab diejenigen, die sich nicht von der Wahrheit abbringen ließen, aber die Allgemeinheit hatte die Lüge angenommen. Wahrscheinlich war es einfach nur deutlich leichter zu akzeptieren, dass es Menschen gewesen waren, als dass ein Nordischer Gott ein Loch in das Raum-Zeit-Kontinuum gerissen und eine Alienarmee auf Manhattan losgelassen hatte. Den Hintergrund verstand Tony allerdings noch nicht ganz. War es einfach nur um eine mögliche Panik zu verhindern? Sie hatten kein wirkliches Geheimnis um Thors Existenz gemacht. Die Menschheit wusste, dass sie nicht alleine in diesem Universum war. Auch wenn es hierbei noch immer Zweifler gab, die behaupteten, dass das alles nur Blödsinn war, obwohl da keiner versuchte es zu verschleiern. Vielleicht wunderte es Tony doch nicht, dass so viele Leute die Lüge über die Halluzinogenen glaubten…

Darüber laut philosophierend bemerkte er, wie Loki sich nach und nach beruhigte. Sein Blick war noch immer hauptsächlich auf Tony gerichtet, aber inzwischen schien er seine Umgebung wieder einigermaßen wahrzunehmen. Er schien sich etwas umzusehen und seine Hände waren nicht mehr in seinen Haaren verkrampft, sondern auf seinen Knien abgelegt. Das Zittern hatte aufgehört. Und der Ausdruck blanken Horrors war der von Unsicherheit gewichen.

„Loki?“, fragte er schließlich zwischendurch und bekam ein zögerliches Nicken als Antwort. „Okay, dann kann ich ja aufhören mich über SHIELD aufzuregen.“, kommentierte er. „Hey, das schien echt ein mieser Albtraum gewesen zu sein. Bist du in Ordnung?“, fragte er noch.

Ein weiteres Nicken und jetzt löste der Asgardier seinen Blick von Tony für länger. Tony sah erneut kurz Panik über Lokis Gesicht wandern, doch die war gleich wieder verschwunden.

„Ich schätze Dank wäre an dieser Stelle angebracht.“, ergriff nun der Asgardier das Wort. Seine Stimme war noch immer rau und brüchig, aber es war deutlich, dass er sich im Griff hatte. Er umfasste das Bettgestell und zog sich nach oben, bis er aufrecht stand. Vorsichtig und langsam tat Tony es ihm nach. „Wofür?“, fragte er und achtete auf die Reaktion seines Gegenübers. Doch der würdigte ihn kaum eines Blickes und trat wieder ans Fenster heran. Sah hinaus. Das T-Shirt klebte an seinem Rücken. Doch das war nicht das Problem. Tony musste sofort an die riesige Wunde denken, die noch immer fast zwei Drittel seines Rückens bedeckte. Er konnte Verfärbungen am T-Shirt erkennen, die eindeutig zeigten, dass der Rücken ein Problem war. Jemand würde sich das dringend ansehen müssen. Tony musste nicht darüber nachdenken um zu wissen, dass Loki Bruce definitiv nicht an sich ranlassen würde. Zumindest nicht ohne heftigste Gegenwehr. Vielleicht Natascha? Die hatte Bruce mit den Verbänden geholfen. Oder machte er sich zu viele Gedanken und Clint hatte recht? Vielleicht brauchte Loki niemanden und die Wunde würde hervorragend auch ohne Hilfe abheilen.

„Es wäre nicht nötig gewesen mich aufzuwecken.“, antwortete der Asgardier. Tony konnte ein leichtes Zittern in Lokis Händen erkennen. Doch der ballte sie nur kurz zu Fäusten, bevor er sie wieder entspannte und das Zittern weg war.

„Hättest du dich gesehen, dann wüsstest du, dass es definitiv nötig gewesen ist.“, entgegnete der Milliardär und bewegte sich langsam auf den Asgardier zu. Es klappte besser als gedacht. Tony sah, wie er in der Spiegelung im Fenster beobachtet wurde, aber Loki ließ es zu, dass er sich so dicht neben ihn stellte, dass er ihn berühren könnte, wenn er den Arm anhob. Schließlich drehte er den Kopf zur Seite und sah Tony direkt an. Tony wandte sich ihm ebenfalls zu und Loki musterte ihn. Irgendetwas schien er in seinem Gesicht zu suchen, wandte seine Aufmerksamkeit dann aber wieder nach draußen ohne etwas zu sagen.

Schließlich drehte Tony sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Fenster, verschränkte die Arme vor der Brust und rückte dabei wie zufällig noch ein kleines Stückchen näher an Loki heran. Der misstrauische Blick des Asgardiers entging ihm nicht, aber er ließ ihn gewähren und sah wieder nach draußen. Unterdessen betrachtete der Milliardär seinen Gast erneut. Die Kleidung verdeckte das Meiste ohnehin und war schon nur noch feucht, sodass sie nicht mehr an dem skelttartigen Körper klebte. Zumindest vorne nicht. Seine Haare hatten sich ebenfalls größtenteils von seiner Haut gelöst. Interessanterweise ringelten sich die schwarzen Haare an den noch feuchten Haarspitzen. Irgendwie war es seltsam diesen Mann so zu sehen. Noch dazu in diesem Zustand. Es war schwer den Zusammenhang zu Loki vor 16 Monaten nicht aus den Augen zu verlieren.

„Hör mal. Ich weiß nicht, was du mitbekommen hast, aber dein Zimmer ist fertig.“, durchbrach er letztendlich die Stille. „Schon am Abend, aber du warst eingeschlafen.“, fügte er noch hinzu. „Und so sehr du auch aussiehst, als solltest du dich in direkter Nähe zu medizinischem Equipment aufhalten, wissen wir doch irgendwie beide, dass das nicht wirklich einen positiven Effekt auf dich hat.“ Tony hatte irgendwie nicht vor ihn länger in diesem Zimmer hier zu belassen als nötig. Es war okay gewesen solange er bewusstlos gewesen war, aber jetzt hatte es einfach zu viel Ähnlichkeit mit unangenehmen Erinnerungen. Tony wollte ihn nirgendwo in der Nähe solcher Geräte haben. Dabei musste er sich eingestehen, dass es nicht nur um Lokis Empfindungen ging, sondern dass er selbst es als beunruhigend empfand. Dass es ihn selber zu sehr an einige der Videos erinnerte, die er sich angesehen hatte.

„Ich verstehe.“, antwortete der Asgardier ohne seinen Blick von draußen abzuwenden. Als er es schließlich tat, schien er sich davon losreißen zu müssen. Seine grünen Augen wandten sich Tony zu und er hob erwartungsvoll eine Augenbraue.

„Wir nehmen am besten den Fahrstuhl.“, erklärte der Milliardär und stieß sich von dem Fenster ab. Voller Elan eilte er zur Zimmertür, die sich bei seiner Annäherung automatisch öffnete. Der Asgarider folgte ihm nur langsam und Tony fragte sich, ob das so eine gute Idee war das jetzt zu machen. Vielleicht hätte er ihn noch Ausruhen lassen sollen. Lokis Schritte waren sicher, aber es schien ihn Mühe zu kosten. Oder bildete er sich das nur ein, weil die Gesamterscheinung so zerbrechlich aussah? Am liebsten hätte er ihm geholfen, ihn gestützt oder Ähnliches, aber das würde er wohl nicht dulden. Schulterzuckend verwarf er diesen Gedanken und wartete vor der Tür bis der andere Mann am Ausgang angekommen war, bevor er sich wieder umdrehte und weiterlief. Wortlos legten sie den Weg zurück. Loki vermied es ihn anzusehen, während Tony sich kaum davon abhalten konnte den Asgardier anzustarren. Es war seltsam. Fast wie ein Autounfall, man wollte es nicht, aber man konnte einfach nicht wegsehen. Schließlich trat der Milliardär durch die Tür zu Lokis neuer Unterkunft.

„Das Badezimmer ist durch die Tür und das Schlafzimmer da durch. Der Kühlschrank ist aufgefüllt, auch wenn ich dir dringend empfehle abzuwarten, ob Clint etwas zusammenstellt. Und ich habe dir einen Laptop auf den Couchtisch gelegt. Funktioniert ähnlich wie das Tablet. Jarvis kann dir helfen, wenn …“ Tony verstummte als er sich umdrehte und den Asgardier in der Tür stehend erblickte. Er lehnte sich an den Türrahmen, hielt sich mit einer Hand daran fest und starrte in das Zimmer hinein. In seinem Gesicht stand das pure Misstrauen, was den Milliardär dazu veranlasste sich noch einmal umzusehen. Doch er konnte nichts entdecken. Das war definitiv ein Upgrade im Vergleich zum Krankenzimmer. „… okay, aber das interessiert dich nicht.“, schlussfolgerte er. „Loki?“

Der misstrauische Blick des Asgardiers traf nun Tony direkt und er musste sich zurückhalten um nicht einen Schritt zurückzuweichen. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Er hatte ihm doch gesagt, dass er ein anderes Zimmer bekommen würde. Was hatte er erwartet? Ein weiteres Krankenzimmer? Gemächer, die seiner prinzlichen Herkunft entsprachen? Innerlich rollte Tony bei dem Gedanken die Augen. Er wusste nicht einmal, wie es auf Asgard aussah. Er hatte keine Ahnung, was sein Gast gewöhnt war. Seine bisherigen Gäste von Asgard schienen immer sehr zufrieden zu sein mit seiner Gastfreundschaft. Es hatte noch nie Beschweren gegeben.

„Was soll das?“ Lokis Stimme, obwohl sie weiterhin gebrochen und kraftlos erschien, war so schneidend und giftig, dass Tony unwillkürlich zurückzuckte. Was das sollte? Wovon redete er da?

„Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen.“, gab Tony schließlich zu, nachdem er noch einmal seinen Blick durch das Zimmer hatte schweifen lassen. Vielleicht hatten sie ja etwas übersehen, das auf Thor hinwies? Vielleicht war es etwas, dass sie nicht mit ihm in Verbindung brachten, Loki aber schon. „Du musst schon sagen, was das Problem ist.“, fügte er dann noch hinzu als er sah, wie Loki langsam nach hinten in den Gang hinaus wieder zurückwich. Schnell folgte er ihm, er wollte nicht riskieren ihn aus den Augen zu lassen. Wer wusste schon was Jack Skellington vorhatte?

Als er das Zimmer verließ, konnte er den Asgardier ein paar Meter den Gang zum Fahrstuhl hin mit dem Rücken gegen die Wand lehnen sehen. Am liebsten hätte er den Mann sofort von der Wand gepflückt, seinen Rücken sollte er wirklich nicht belasten, auch nicht mit dem wenigen Gewicht, dass er noch hatte.

„Okay, was ist dein Problem? Ist es, dass ich vergessen habe den roten Teppich auszurollen?“

Lokis Blick war mörderisch als Tony näherkam. Das ließ den Milliardär innehalten und erneut überlegen. Er setzte sich wieder in Bewegung, diesmal langsam auf den anderen Mann zugehend. Er musste rausfinden, was den anderen Mann so zuwider war. Sicher hätte er ihn auch einfach in das Zimmer schieben und dort einsperren können, vor einigen Stunden, als er nach dem Albtraum so ausgeflippt war, hatte sich ja bereits gezeigt, dass er, zumindest momentan, körperlich nicht wirklich in der Lage war ihm gefährlich zu werden. Doch irgendwie war das nicht so richtig der Weg den Tony hier gehen wollte.

Als er näherkam, erkannte er, dass der Asgardier leicht zitterte, sein Blick hatte sich abgewandt und er blinzelte mehrmals, schien fast unfokussiert vor sich hinzustarren. Schweiß hatte sich wieder auf der blassen Stirn gebildet und sein Atem ging flach und schnell, erinnerte Tony fast an ein Kaninchen, dass immer kurz vorm Herzinfarkt zu stehen schien. Um Gottes Willen, er würde hier doch gerade keinen Herzinfarkt bekommen, oder? Bekamen Asgardier Herzinfarkte? War das eine Option?

Am liebsten hätte er Jarvis darum gebeten Bruce herzuschicken, aber dann würde er den Herzinfarkt nur erst recht heraufbeschwören.

„Loki?“, fragte er also, als er nahe genug dran war, dass er nur eine Hand ausstrecken müsste, um ihn zu berühren und der Asgardier weiterhin keine Andeutung machte, dass er das überhaupt registrierte. Es folgte keine Reaktion. Doch Tony hatte nun den Eindruck, wo er so nahe dran war, dass das, was er zuvor im Zuge des ganzen Zitterns wahrgenommen hatte, nicht auf die Lippen des Mannes zutraf. Die schienen nämlich eher stumme Worte zu bilden. „Loki!“, sprach der Milliardär nun deutlich lauter und wedelte mit seiner rechten Hand vor dessen Augen herum. Er traute sich nicht wirklich ihn anzufassen. Noch nicht. Aber er war kurz davor.

Doch es genügte und Angesprochener schreckte aus seinen Gedanken hoch. Zusammenzuckend hob Loki seinen Kopf an. Grüne erschrockene Augen trafen auf besorgte braune Augen. Einen kurzen Moment behielten sie den Augenkontakt bei, bevor der Asgardier sich unsicher umsah. Er blinzelte mehrmals, dann schob er sich mit dem Rücken weiterhin an der Wand lehnend etwas weiter von Tony weg. Die Bewegung ließ den Milliardär die Zähne zusammenbeißen. Er sollte verdammt noch mal aufhören seinen Rücken weiter zu malträtieren! Tony unterdrückte den Impuls nach dem anderen Mann zu greifen und ihn von der Wand wegzuziehen. Es war ziemlich klar, dass das nicht gut ausgehen würde. Also zwang er sich dazu einfach an Ort und Stelle stehen zu bleiben und dem anderen Mann seinen Freiraum zu geben.

„Also… geistig wieder im hier und jetzt?“, fragte er und bekam ein Nicken als Antwort. „Dann kannst du mir ja vielleicht erklären, was das gerade für eine Reaktion war? Ich muss zugeben es ist nicht das Hilton, aber so schlimm ist es auch wieder nicht.“, erklärte der Milliardär und nickte in Richtung der nun wieder geschlossenen Zimmertür. Er betrachtete seinen Gesprächspartner. Irgendwie hätte er jetzt ziemlich gerne einen Rollstuhl zur Hand. Nicht dass er erwartete, dass Loki den akzeptieren würde.

„Ich denke, meine Erschöpfung ist offensichtlich.“, ergriff Loki nach kurzer Zeit das Wort. Seine Stimme klang sachlich. „Ich würde es also sehr begrüßen das hier abzukürzen und zu erfahren, was von mir erwartet wird.“ Sein Blick war nun fest auf den Milliardär gerichtet. Es war nichts daraus zu lesen. Als würde er übers Wetter reden.

Verwirrt zog Tony die Augenbrauen zusammen. „Ähm… eigentlich nichts.“, gestand er dann. Das führte nur dazu, dass Loki zweifelnd eine Augenbraue anhob und Tony war wirklich erstaunt darüber, wie der Asgardier es schaffte so arrogant zu wirken, obwohl er sich gerade an der Wand hinter sich abstützte und auch sonst eher tot als lebendig aussah. Nein, eigentlich nicht eher tot als lebendig, einfach nur tot. Was wollte er an der Stelle überhaupt hören? Worauf wollte er hierbei hinaus?

„Sieh mal, du bist in einem ziemlich schlechten Zustand und ehrlich gesagt wundert es uns, dass du überhaupt noch lebensfähig bist. Gerade ist es eigentlich nur unser Ziel dich in einen Zustand zu bringen, bei dem wir nicht jederzeit erwarten, dass Jarvis uns darüber informiert, dass du aufgehört hast zu atmen. Damit würdest du schon einiges an Erwartungen erfüllen.“

Der nichtssagende Blick blieb unverändert, als Loki antwortete „Egal womit ihr mich nach der ganzen Zeit zu erweichen versucht, ich werde auch weiterhin nichts verraten. Spart euch die Zeit. Ihr könnt mich genauso gut wieder auf die Trage schnallen und weitermachen wo ihr aufgehört habt.“

Perplex starrte Tony den Asgardier an. Was? Er musste genauso dämlich aussehen wie er sich fühlte, denn Loki zog die Augenbrauen zusammen und musterte ihn erneut. Es dauerte einen Moment, bis der Milliardär die Aussage verstanden hatte. War nicht sein brillantester Moment gewesen, wie er zugeben musste. Doch da war was dran. Das Misstrauen war nicht ganz unberechtigt, wenn man bedachte wer sie waren und was passiert war. Dennoch empfand Tony es schon als Beleidigung.

„Hey! Schmeiß uns nicht in einen Topf mit denen.“, erwiderte er dann doch etwas beleidigt. „Wir hatten eigentlich ausgemacht, dass Thor dich mitnehmen kann, aber SHIELD hat verschwiegen, dass sie dich gefunden haben.“, erklärte er und warf unwirsch die Hände in die Luft. Hatte Steve so etwas Ähnliches nicht gestern bereits erwähnt? „Die Idioten haben sich tatsächlich mit dem Gott des Donners angelegt, nachdem sie gesehen haben, was er draufhat. Als wäre ich Teil eines solch bescheuerten Plans. Ich möchte nicht in deren Haut stecken, wenn Thor wiederkommt und sieht in welchem Zustand du bist. Beleidige nicht meine Intelligenz!“ Anders konnte Tony das kaum ausdrücken. Wie lange hatte SHIELD gedacht das geheim halten zu können? Und was genau hatten sie sich davon erhofft ihre Allianz mit Asgard zu gefährden? Er konnte nur hoffen, dass Thors Wohlwollen der Menschheit gegenüber nicht zusammensacken würde, wie ein Kartenhaus bei einem Erdbeben.

„Asgard.“, sagte Loki mit deutlicher Abfälligkeit in seiner Stimme. „Natürlich.“ Und der Milliardär konnte fast sehen, wie es in dem Kopf des Asgardiers klickte und irgendetwas auf einmal Sinn zu ergeben schien.

„Sieh mal, so gerne ich diese Debatte auch weiterführen würde, du siehst aus, als müsstest du dich ganz dringend hinsetzen, also…“, brachte Tony die Unterhaltung auf anderes Thema. Er hatte wirklich den Eindruck, als könne der Asgardier sich nicht mehr lange auf den Beinen halten und im Flur sitzen lassen wollte er ihn auch wieder nicht. Er machte eine Auffordernde Geste in Richtung des Zimmers und hob fragend die Augenbrauen an.

Mit einem abfälligen Geräusch stieß Loki sich von der Wand hinter sich ab und folgte dem Flur wieder in Richtung des Zimmers. Er stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Dennoch schaffte er es Tony das Gefühl zu vermitteln, als würde ihm gerade ein Gefallen getan werden.

Diese verdammten Götter.



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