Zum Inhalt der Seite

Ein Austausch mit Folgen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein (fast) normaler Nachmittag

Nach dem Training mit der Mannschaft und Shin, die sich allesamt als netter Haufen entpuppt hatten, traf ich mich mit Yugi im Einkaufszentrum. Wir hatten beschlossen, unseren Nachmittag dort zu verbringen; Joey war mit Tristan unterwegs, während sich Tea mit einer Freundin traf.
 

„Hey“, lächelte der Kleinere von uns und schloss mich warm in die Arme.
 

„Hey, Yugi“, grinste ich und setzte mich zu ihm an einen der unzähligen Plastiktische, wo schon zwei Milchshakes bereitstanden: Zitrone für mich und Erdbeere für ihn.
 

„Wie geht es dir?“, wollte mein Gegenüber wissen und zog an seinem Strohhalm. Irgendwie wirkte er dabei niedlich, fast schon süß. So unschuldig, als könne er kein Wässerchen trüben. Ganz anders, als in seinen Duellen.
 

„Ganz gut, und selbst?“
 

„Auch“, wurde meine Frage mit einem Lächeln beantwortet. „Was macht das Training?“
 

„Hm, kann nicht klagen. Die Jungs sind nett, und wir scheinen recht gut zu harmonieren. Shin ist von meinen läuferischen Fähigkeiten sehr angetan. Kompensiert wohl die miesen Trefferwerte beim Schießen.“ Um meine Aussage zu unterstreichen zuckte ich mit den Schultern.
 

„Dir ist hoffentlich klar, dass wir alle da sein werden, um dich anzufeuern, oder?“ Das verschmitzte Grinsen auf Yugis Zügen ließ nichts Gutes erahnen.
 

„Es würde euch nicht kümmern, wenn ich dagegen wäre, oder?“, sagte ich trocken, was mit einem entschiedenen Kopfschütteln abgelehnt wurde.

„Na, dann kann ich eh nichts machen.“
 

„Exakt“, nickte der König der Spiele.
 

„Wie macht sich Joey bei euch?“
 

„Ganz gut. Er und Großvater üben jetzt wieder mehr, was seinen Fähigkeiten als Duellant zugutekommt. Außerdem ist er in der Schule ja besser, wie du sicherlich bemerkt hast.“
 

Es war nicht nur das. Joey war generell fröhlicher, aufgeweckter, lebenslustiger. Den Brief an seine Mutter schob er noch ein wenig vor sich her, was ich verstand. Dafür schien der Rest gut zu passen. Er kam pünktlich mit Yugi in die Schule, hatte seine Hausaufgaben parat, war weniger Nervenbündel als sonst und machte insgesamt einen positiven Eindruck.
 

„Schon, ja“, antwortete ich halbherzig und stocherte mit meinem Strohhalm im Milchshake herum.
 

„Was hast du denn?“, erkundigte sich mein Freund mit einer Spur von Sorge in der Stimme. „Es geht ihm wirklich gut bei uns.“
 

„Das weiß ich doch, Yugi“, wich ich aus.
 

„Aber?“, bohrte er nach. Das konnte Yugi hervorragend. Damit bekam er mich auch immer rum, egal was er wollte.
 

„Hach, ich weiß nicht“, seufzte ich hilflos und schlug mit den Händen so fest auf den Tisch, dass dieser ein bedrohliches Knacken von sich gab.

„Ich habe einfach Schiss vor dem Turnier. Das wird einfach drauf hinauslaufen, dass ich mich mit meinen Freunden duellieren muss. Gewinne ich, zerstöre ich vielleicht sein Selbstvertrauen, verliere ich, ist Mahad enttäuscht, genauso wie der Pharao.“
 

„Habt ihr darüber noch immer nicht gesprochen?“
 

„Schon, aber…ich weiß nicht.“
 

Yugi griff nach meiner Hand und drückte sie ganz fest, was mich dazu bewog, in sein Gesicht zu schauen. Das war Yugi, mein Freund, mein bester Freund, nicht der Pharao, und doch wohnte seinem Blick jene Stärke inne, die ich bei Joey schon so oft beobachtet hatte.
 

„Joey versteht es, glaube mir. Im Königreich der Duellanten, im Finale, ist es uns beiden auch schwer gefallen. Wir waren beste Freunde, und sind es heute auch noch. Es ging für uns beide um alles. Trotzdem hat keiner nachgegeben, oder eine Sekunde lang daran gedacht, halbherzig zu kämpfen.“
 

„Das weiß ich Yugi.“ Ich erwiderte den Druck, umschloss Yugis Hand und lächelte schief: „Aber es ist eben etwas Anderes, wenn man seinem besten Freund gegenübersteht, oder seiner großen Liebe.“
 

Ich zögerte kurz, bevor ich nachsetzte: „Manchmal, da wünsche ich mir, den Ring nie bekommen zu haben. Alles ist so kompliziert geworden. Ich bin nicht du, der das mit dem Puzzle einfach so schaukelt. Dann bin ich wieder froh, dass Mahad in mein Leben getreten ist. Er ist da, passt auf mich auf, hilft mir, übernimmt, wenn es zu brenzlig wird.“
 

„Ich verstehe dich. Es war am Anfang für mich auch ein wenig komisch. Außerdem hatten und haben der Pharao und ich noch immer unsere Differenzen. Das ändert aber nichts an unserem Zusammenhalt. So wird es auch bei dir und Mahad sein, da bin ich mir ganz sicher.“
 

Yugi klang so überzeugt und einfühlsam. Ich bewunderte den kleinen, unscheinbar wirkenden Yugi Muto so sehr. Er verlor nie ein schlechtes Wort über Andere, hatte Mitleid und Verständnis sogar für Menschen wie Kaiba, versuchte sie zum Positiven zu verändern, ohne dabei selbst zu zerbrechen. Er brauchte den Pharao gar nicht. Er war bereits einzigartig.
 

„Mach dir einfach nicht immer so einen Kopf, ja? Du hast Joey, du hast mich, Tristan, Tea, Duke, Mokuba, sogar Kaiba, deine Freunde zuhause. Wir werden immer für dich da sein, egal was kommt, und zu dir stehen.“
 

Dieses Bekenntnis zauberte mir tatsächlich ein ehrliches Lächeln auf die Lippen. Wenn ich nur ein einziges Mal so entschlossen in die Zukunft schauen könnte wie Yugi. Herausragend, wenn man bedachte, dass er selbst einmal schüchtern und verschlossen gewesen war, zumindest seinen Erzählungen nach.
 

„Weißt du eigentlich, dass ich dich sehr bewundere? Nicht wegen deiner Erfolge in Duel Monsters oder anderen Spielen. Der Yugi, der gerade vor mir sitzt, ist ein so wundervoller Mensch, dass ich mich manchmal schäme, mit dir befreundet zu sein. So jemanden wie dich habe ich noch nie getroffen.“
 

Bei meinen Worten errötete er im Gesicht und räusperte sich mehrmals.
 

„Ich bin jedenfalls sehr glücklich, euch alle zu haben, besonders dich. Wenn du mich wirklich beim Wettbewerb anfeuerst, gebe ich mein Bestes, okay? Gleiches gilt für ein Duell. Ich hoffe natürlich, dass wir gemeinsam im Finale gegen jemanden antreten müssen, aber wenn nicht, und sollte ich so weit kommen, werde ich mich nicht zurückhalten.“
 

Yugi nickte, noch immer mit einer zarten rötlichen Note im Gesicht.
 

„Joey hat zu seiner Mutter etwas gesagt, das mich ein wenig zum Nachdenken gebracht hat“, wechselte ich das Thema.
 

„Was war da eigentlich los? Er lässt nur wenig durchblicken. Tristan weiß wohl mehr, erzählt uns aber nichts davon.“
 

Ich beschrieb Yugi die Szene im Restaurant, bis ins kleinste Detail. Angefangen vom ersten Treffen mit ihr und mir, über das Gespräch zwischen Joey und seiner Mutter, bis hin zu Mrs. Wheelers Nervenzusammenbruch.
 

„Joey hat ihr vorgeworfen, wir, du und ich, wären mehr um ihn bemüht, als seine eigene Mutter. Ich finde das schon hart“, schloss ich die Erzählung ab.
 

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was da zwischen ihnen vorgefallen ist. Joey erzählt wenig über seine Vergangenheit oder seine familiäre Situation. Tristan ist mit einem eisernen Schweigen belegt worden, das er auch nicht bricht. Mir ein Urteil über dieses Gespräch anzumaßen steht mir nicht zu. Wie siehst denn du die Sache?“
 

Ich überlegte eine Weile, wobei ich mir die Schläfen mit Daumen und Zeigefinger massierte. Wenn ich ehrlich sein sollte, so konnte ich noch immer nicht glauben, dass Mrs. Wheeler eine so gute Schauspielerin war. Sie machte einen durchaus distanzierten, kühlen Eindruck, aber ihre Sorge um Joey schien echt zu sein.
 

„Yugi, mir stellt sich sowieso die Frage, woher Joey das alles wissen will. Er war auch danach recht komisch.“
 

„Komisch? Inwiefern? Du kennst Joeys Anwandlungen mittlerweile fast schon besser als wir.“
 

Ich machte mit der Hand eine abwägende Bewegung. „Ich weiß nicht, wie ich es dir beschreiben soll. Er hat mich gebeten, bestimmte Worte oder Satzfolgen zu wiederholen, die ihn beruhigten. Aber nicht so Dinge wie „Ich brauche dich“, oder „Ich liebe dich“, sondern „Für immer“…“
 

Der König der Spiele wirkte ertappt. In diesem Punkt war er so konträr zu Kaiba: Yugi sah man das schlechte Gewissen sofort an.
 

„Hast du was damit zu tun?“, fragte ich ruhig.
 

„Nicht direkt“, druckste mein Gegenüber herum.
 

„Aber?“ Meiner Stimme schwang zweifelsohne die Aufforderung bei, er möge endlich mit der Wahrheit herausrücken.
 

„Ich darf es dir nicht sagen. Es ist nichts Schlimmes, eher eine Art Glücksbringer für Joey. Etwas, woran er sich festhalten kann. Noch mehr auszuplaudern wäre unklug.“
 

„Yugi…“
 

„Vertrau mir einfach, okay?“
 

„Hör mal, du und Joey heckt etwas aus, und ich soll dir dabei noch vertrauen? Wenn es nicht du wärst, würde ich ganz anderes reagieren. Also nochmal: Was ist los?“
 

Die weichen Züge meines besten Freundes wichen einer härteren, strengen Miene. Ich erkannte sofort, dass er und der Pharao die Plätze getauscht hatten. Mahad meinte einmal, dass dies, wenn überhaupt, nur den Trägern von Milleniumsgegenständen auffiel.
 

„Also das ist jetzt unfair“, beschwerte ich mich ungehalten.
 

„Das ist mir durchaus bewusst. Ich bin nur Yugis Wunsch gefolgt. Vertraue ihm einfach. Es ist eine gute Tat gewesen.“
 

Zum ersten Mal stand ich dem Geist gegenüber, der mit Yugi den Körper teilte. Gut, das war gelogen, ich hatte ihn schon ein paar Mal neben mir, aber nur, wenn es brenzlig war, wie in der VR, oder gegen diese komischen Managertypen. Er war so anders, und dabei doch seinem Gefährten ähnlich. Ob das bei Mahad und mir auch so war?
 

„Wenn du hier bist, kannst du mir aber eine Frage beantworten, und zwar ehrlich.“
 

Der Pharao bedachte mich mit einem abschätzenden, fast schon strengen Blick. Hatte ich ihn beleidigt? Hätte ich ihn siezen sollen? Zu meiner großen Erleichterung wandelte sich der Gesichtsausdruck bald zu einem freundlichen Schmunzeln, verbunden mit einem Nicken.
 

„Denkst du auch, dass ich in der Lage bin, ein Göttermonster zu beschwören und davon abzuhalten, alles kurz und klein zu schlagen?“
 

„Ja“, war die überraschend schnelle und feste Antwort, die mir der Pharao entgegenbrachte.
 

„Trotz meiner Schwächen und Unzulänglichkeiten? Was, wenn der Ring mich übernimmt? Was, wenn ich am Ende dastehe und begreife, dass ich die Macht habe, einen Gott zu befehligen?“
 

„Du bist ein guter Mensch mit einer guten Seele. Tief in deinem Inneren wohnt eine Stärke, die du vielleicht erst noch vollständig ergründen musst, aber die Milleniumsgegenstände können nichts hervorrufen, was nicht schon da ist.“
 

„Das muss dann aber auch für das Böse gelten“, nuschelte ich bedrückt.
 

„Wichtig ist, was wir am Ende tun, und was unsere Motive dabei sind. Niemand ist ein absolut fehlerfreier Mensch. Wir haben aber die Wahl, uns dem Guten oder dem Bösen zuzuneigen.“
 

Der Pharao klang dabei so überzeugt von seinen Worten, dass ich selbst an meinen Befürchtungen zu zweifeln begann, nicht bereit zu sein. Er hatte nicht einmal bei seinen Worten geblinzelt oder gezuckt. Die Person vor mir log nicht.
 

„Ich…weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll.“
 

„Yugi hat einen sehr guten Freund in dir gefunden, und damit auch ich. Glaube mir, ich weiß selbst, was es bedeutet, mit sich zu ringen. Du bist auf einem guten Weg, und ich freue mich bereits darauf, mit dir an meiner Seite kämpfen zu dürfen. Es wird eine genauso große Ehre sein, wie mit Joey.“
 

Verlegen schnappte ich mir meinen Milchshake und saugte ihn in einem Zug leer, was mit einer gehörigen Portion Hirnfrost belohnt wurde.
 

„Wie ich sehe, hat er mal wieder die richtigen Worte gefunden“, grinste Yugi breit und tätschelte mir die Schulter.
 

„Scheint so, hm?“
 

„Wollen wir noch eine Runde an den Arcade-Automaten?“
 

Die Runde, genauso wie die zehn darauffolgenden Kämpfe, verlor ich haushoch. Ich weiß bis heute nicht, wie Yugi es anstellt, in jedem Spiel der Beste zu sein. Für Betrug war er zu ehrlich, aber dass jemand so viel Glück hatte, oder Können, in jedem Bereich, das erscheint mir absolut unmöglich. Vielleicht komme ich eines Tages dahinter?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Satra0107
2020-04-29T19:29:53+00:00 29.04.2020 21:29
Was für ein tolles Kapitel! 🥰

"Hätte ich ihn siezen sollen? " 🤣🤣 wie geil, den Pharao siezen stell ich mir lustig vor 🤭 aber der Pharao hat recht. Man hat immer beide Seiten in sich, entscheidend sind die eigenen Taten am Ende.

Ich hoffe David hat nun mehr Vertrauen in Joey und die folgenden Duelle gefasst.
Antwort von:  SuperCraig
30.04.2020 01:43
Freut mich, dass es dir gefällt.

Mir fällt sowas Alltägliches eher schwerer als ein Duell, weil ich da immer ein wenig die Befürchtung habe, das Ganze zu steif zu konzipieren.

Ein Pharao ist schließlich von adeligem Geblüt, ein Nachfahre eines Gottes selbst. Den könnte man durchaus siezen, denke ich. ;P

Hat er sicher. Es wird zwar nicht leicht werden, aber mit Yugi als Freund an seiner Seite, wird er wohl auch ein Duell mit Joey nicht scheuen.


Zurück