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Erstes Training

Ich traf mich am nächsten Tag mit Shin im Schulkeller. Der Kapitän der Fußballmannschaft wartete schon ungeduldig auf mich.
 

„Hey“, grinste er nervös und wippte mit den Fußballen vor und zurück, die Arme vor der Brust verschränkt.
 

„Hey Shin, schön dich zu sehen.“
 

„Dann wollen wir mal, hm?“
 

Im Schulkeller befanden sich allerlei Sportgeräte. Manche wirkten nicht sonderlich vertrauenserweckend, oder waren eingestaubt. Andere sahen aus, als würde man sie auf den Sperrmüll werfen können. Der Großteil schien aber in Ordnung zu sein, so auch die Ausrüstung, die mir Shin präsentierte.
 

Die Skier stellten sich als älteres Modell, wahrscheinlich aus den späten 90ern heraus, der Farbgebung zumindest. Sie waren komplett weiß, mit rosaner Schrift für die Marke, die mir gänzlich unbekannt war.

Das Alter sagte nichts aus, im Gegenteil: Gut eingelaufene Bretter waren Gold wert, das wusste ich von meinem Vater. Ich habe selbst auf seinen alten Skiern begonnen zu laufen, und muss bis heute sagen, dass sie einen unverkennbaren, einzigartigen Charme besaßen, genauso wie ein Profil, mit dem ich gut zurechtkam.
 

„Wundert mich, dass du nicht ob der Farbe jammerst“, schmunzelte Shin. „Welche Schuhgröße hast du denn?“
 

Ich machte eine wegwerfende Handbewegung: „Ganz ehrlich, wer einen Ski anhand seiner Farbe beurteilt, der hat eh was versäumt. Einundvierzig, beziehungsweise zweiundvierzig.“
 

Es wurde schlussendlich die Größe 41. Schuhe und Skier machten einen guten Eindruck auf mich. Blieb nur noch das, was ich am Wenigsten mochte. Shin ging mit mir zu einer Reihe Spinde, von denen er leise murmelnd nach einer bestimmten Nummer suchte, die auf die Türen geklebt worden war, bevor er einen öffnete.
 

„Dafür ziehst du jetzt ein Gesicht“, kommentierte er mit einer Spur von Verständnislosigkeit mein Verhalten.
 

Das Gewehr war leicht, lag gut in der Hand, und, was ich auf den ersten Blick erkennen konnte, war es gut gewartet worden. Prüfend schaute ich durch das Visier. Auch das erschien mir nicht sonderlich problematisch. Das musste man dem Zeugwart, oder wer auch zuständig war, lassen: Jene Dinge, die Pflege bedurften, wurden dementsprechend behandelt. Das Visier war nicht eingesaut oder schmutzig.
 

„Bist du nicht zufrieden?“, wollte Shin nach einer Weile wissen.
 

„Nein, das ist es nicht. Das Teil ist schon ganz in Ordnung“, murmelte ich nachdenklich.
 

„Aber?“, bohrte der Schwarzhaarige nach.
 

„Das siehst du dann, Shin. Ich bin einfach ein miserabler Schütze“, seufzte ich laut.
 

„Zieh nicht so ein Gesicht. Probieren wir zuerst mal am Schießstand, was du so drauf hast.“
 

Der „Schießstand“ entpuppte sich als abgetrennter Bereich am Sportplatz. Mir waren die Zielscheiben noch nie aufgefallen, was auch gleich erklärt wurde.
 

„Habe ich extra aufgebaut“, erwähnte mein Begleiter beiläufig, während er noch ein wenig an den Zielen herumjustierte.

„Ist gut, du kannst loslegen.“
 

Nachdem Shin neben mir stand, nahm ich das Gewehr vom Rücken, legte den Gewehrkolben an meine linke Schulter und kniff das rechte Auge zusammen. Die Scheiben waren klar und deutlich zu erkennen. Innerlich zählte ich bis drei und atmete tief ein. Es war eigentlich wirklich nicht so schwer, zumal ich nicht ausgepowert war. Das markante Zittern nach der Anstrengung des Laufens fehlte.
 

Ich hielt die Luft an und führte den Zeigefinger an den Abzug. Langsam bewegte ich das Visier über das Ziel und drückte dann ab.

Das markante Klackern verriet mir, dass ich getroffen hatte. Dies gelang mir auch zwei weitere Male. Nummer vier verfehlte ich haarscharf, während bei Nummer fünf der Abstand schon deutlich größer war.
 

„Na, das war doch gar nicht so schlecht“, meinte Shin neben mir.
 

„Wenn ich nach dem Laufen zittere, treffe ich höchstens eine“, klagte ich und schulterte das Gewehr wieder.
 

„Ah, das wird schon. Mal sehen, wie gut du im Laufen bist.“
 

Ich sprang in meine Trainingssachen, bestehend aus einer schwarzen Sportjacke mit roten Ärmeln, einer Sporthose, dünnen Handschuhen, und einem schwarzen Stirnband. Shin zog sich den Dress der Schulmannschaft an. Ich schlüpfte in die Schuhe und Skier, band mir die passenden Stöcke um und wartete auf Shin, der sich sein Stirnband überzog.
 

„Zuerst einmal warm machen.“
 

Ich rollte ein wenig mit den Augen, grinste dabei aber. Natürlich war das wichtig, aber nicht unbedingt etwas, das ich gerne tat. Nach ein paar Übungen, die auch Dehnen beinhalteten, stellten wir uns auf der beschneiten Bahn nebeneinander.
 

„Ich würde sagen drei Runden, oder?“
 

„Von mir aus auch fünf“, grinste ich breit. Das Laufen bereitete mir viel mehr Spaß. Was ich beim Schießen vergeigte, konnte ich oftmals mit Ausdauer und Geschwindigkeit wettmachen. Oft hieß aber nicht immer.
 

„Na, mal sehen ob du echt so gut bist, wenn du schon so großspurig redest“, kicherte Shin und bedeutete mir, dass er herunterzählte. Drei, zwei, eins – los gings.
 

Skating war insgesamt etwas, das mittlerweile einfach routiniert ablief. Zu Beginn war es eine Katastrophe gewesen. Ich hatte unfreiwillig mit dem Gesicht, dem Bauch oder dem Rücken den Schnee geküsst. Der Ski schliff über den Schnee, ich verhakte mich irgendwo mit den Stöcken oder sonst etwas. Nun war es automatisiert, schwer zu beschreiben, fast so wie atmen.
 

Ski wegdrücken, die Stöcke benutzen, heranziehen. Das war es simpel gesagt. Natürlich gab es verschiedene Schrittarten, dann hing der Grip noch von der Pflege und der Vorbereitung des Skis ab, und eigentlich war es eine hochkomplizierte Angelegenheit, zu Beginn zumindest. Mittlerweile lief es wie von selbst.
 

Shin hatte in der ersten Runde einen deutlichen Vorsprung mir gegenüber, was auch daran lag, dass ich den Ski erst gewöhnt werden musste. Mein Kontrahent lief sauber und routiniert. Wenn alle in der restlichen Staffel so waren, verstand ich nicht, warum sie sich mit mir belasten wollten.
 

In der zweiten Runde holte ich schon auf. Das Equipment war gut. Ich lebte mich allmählich in die Sachen ein. Das Laufen war auch nicht das Problem, das wusste ich auch. Shin war in greifbarer Nähe, ich konnte sein Schnauben hören, genauso wie das markante Geräusch der Bretter, die auf den Schnee trafen, wo es notwendig war.
 

Runde drei sah nach Gleichstand aus. Mein Brustkorb hob und senkte sich mittlerweile angestrengt, während mein Atem über meinem Kopf jeweils eine kleine Wolke bildete. Ich konnte Shin begeistert lächeln sehen, als ich mit ihm gleichzog. Die letzten Meter bis zum Ziel waren wir gleichauf. Kurz davor schoben wir jeweils einen Ski nach vorne – Shin gewann um Haaresbreite.
 

„Das wiederum war sehr gut“, keuchte er und stützte sich mit den Händen auf den Knien ab.
 

„Das Laufen wird auch nicht das Problem sein, Shin.“
 

„Na, das sehen wir, wenn es so weit ist. Hast du Lust, bis zum Turnier, zum Training zu kommen? Ich weiß, du hast bei Kaiba wahrscheinlich im Park mehr Platz, oder er hebt dir eine eigene Bahn aus, aber für das Mannschaftsgefühl wäre es gut. Außerdem wollen dich die Jungs kennenlernen.“
 

„Klar“, nickte ich begeistert. Mir hatte dieses kleine Training wieder vor Augen geführt, wie sehr mir ein Stück Heimat, das ich zweifelsohne mit diesem Sport verband, fehlte.
 

„Cool!“ Shin hielt mir die Hand hin und ich schlug ein.
 

Wir räumten gemeinsam noch die Sachen weg, er gab mir die Termine für die nächsten Einheiten, sprich morgen, Freitag und Samstag, bevor sich der Schwarzhaarige verabschiedete und wir uns auf den Weg nach Hause machten.



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