Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 78: Post von der Justiz ------------------------------- Es waren inzwischen mehrere Tage vergangen, seitdem Joey sich bei den Mutos einquartiert hatte. Zu unserer aller Erstaunen besserte sich seine Laune alsbald, wie auch seine schulischen Leistungen. Er war zwar noch immer nicht im vorderen Drittel, doch gerade in den Fächern, in denen er vorher schwächelte, konnte er teilweise sehr solide Leistungen vorweisen. Yugi meinte, er würde seine Hausaufgaben zwar mit Joey erledigen, doch dieser erweise sich dabei als äußerst hilfreich. Kaiba hatte mir inzwischen versichert, dass sämtliche Formalitäten erledigt seien und das Verfahren bereits eingeleitet worden ist. Herr Wheeler hatte zwar um Verfahrenshilfe angesucht, diese wurde ihm aber verwehrt. Im Stillen dankte ich dem CEO wieder einmal, da ich mir bildlich vorstellen konnte, was er angestellt hatte, um Joeys Vater um sein ihm eigentlich zustehendes Recht zu bringen. Ich war gerade dabei einige Situps zu machen, als es an meiner Zimmertür klopfte. Ein Blick auf meinen digitalen Wecker verriet, dass es bereits 19:00 Uhr war. Das Personal wusste eigentlich, dass ich um diese Uhrzeit nicht gestört werden wollte. Es konnte also nur dementsprechend wichtig sein. „Herein!“, rief ich und stand von meiner Isomatte auf. Die Tür öffnete sich nur langsam, bis ein äußerst verschreckter Joey zu erkennen war. Er lächelte schief als er eintrat: „Du achtest noch immer auf deine Form, hm?“ Ich hob die Mundwinkel an: „Als ob du das nicht würdest. Du kommst heute aber spät. Steht etwas Bestimmtes an?“ Joey hatte in den letzten Tagen vermieden längere Zeit bei mir in der Kaibavilla zu bleiben, stattdessen hatten sich unsere Treffen auf den Spielladen und die Spielhalle beschränkt. „Kann man so sagen“, druckste der Blondschopf herum und setzte sich zu mir, als ich auf die freie Fläche neben mir im Bett klopfte. Er hielt einen Umschlag in den Händen und mir dämmerte bereits, um was es sich handeln könnte. „Der ist von der Justiz, oder?“ Joey nickte auf meine Frage hin bejahend. Seine Finger zitterten. Wer konnte es ihm auch verdenken? Seine neuerworbene Freiheit hing von diesem einen Brief ab. Ich wäre da auch nervös gewesen. „Na dann mach ihn auf, hm?“, sagte ich und legte die Arme um meinen Freund. Dieser schmiegte sich an mich und riss den Brief äußerst unsauber auf. „Ganz ruhig“, murmelte ich ihm zu und beobachtete Joey, wie er den Schriftverkehr auseinanderfaltete. Ich kannte so eine Korrespondenz nur aus den Gerichtsshows, die meine Mutter immer schaute: Aktenvermerk, Nummer, Betreff, Anrede, dann ein elendslanger Text. Die essentiellen Sachen waren fett hervorgehoben worden. „Sehr geehrter Herr Wheeler“, begann Joey langsam zu lesen. Soweit ich erkennen konnte, handelte es sich sowohl bei Formulierung als auch Wortwahl um äußerst gehobenes, abstrakt wirkendes Japanisch. Ich hatte auch Mühe es zu entziffern. „Ihrem Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Herrn Solomon Muto wurde vom Gericht Domino City stattgegeben. Herr Muto wird insoweit Ihr Vormund, als dass er Sie in allen rechtlichen, wie auch familientechnischen Angelegenheiten vertreten darf, bis Sie das 18te Lebensjahr vollendet haben. Des Weiteren möchten wir Sie auch darüber informieren, dass gegenüber Ihrem Vater, Herrn Joseph Wheeler senior, ein Annäherungsverbot erwirkt worden ist. Ihrem Vater ist es nicht gestattet, sich Ihnen auf 50 Meter zu nähern. Etwaige Verstöße gegen diese Verfügung sind umgehend dem örtlichen Wachkörper zu melden. Ihr Vater hat mehrfach bei mir vorgesprochen und darum gebeten, mit Ihnen in Kontakt treten zu dürfen. Ich bin von unserem Mandanten angewiesen worden, dies zu unterbinden. Auch Kontaktaufnahme jeglicher Art, sei es durch Telefon, Briefverkehr, elektronische Medien etc. ist Ihrem Vater untersagt worden. Ich bin außerdem von ihm darauf hingewiesen worden, dass etwaige Schadenersatzansprüche gegenüber Ihrem Vater bestehen könnten. Sollten Sie eine rechtliche Beratung dahingehend wünschen, würde es mich freuen, Sie in meiner Kanzlei begrüßen zu dürfen. Mit freundlichen Grüßen Musashi Kawasaki Rechtsanwaltskanzlei Kawasaki Zweigstelle Domino City“ Joey fiel ein Stein vom Herzen, wie ich an seiner erleichterten Körperhaltung merken konnte. Seine Anspannung löste sich und er begann erneut den Brief leise durchzugehen. Mir erging es ehrlich gesagt ähnlich: Ich hatte befürchtet, dass nicht einmal Kaiba einflussreich genug war, jemanden um sein ihm zustehendes Recht, nämlich die Obsorge seines Kindes, zu bringen. Dass der alte Wheeler dabei kläglich versagt hatte, schob ich einmal beiseite. Sowas war normalerweise mit aufreibenden Prozessen unter Involvierung des Jugendamts verbunden. „Was heißt das, Schadensansprüche?“, fragte mich Joey nach einer Weile. „Nun, dein Vater hat dich ja misshandelt. Nebst einem Strafverfahren könnte es sein, dass du Ansprüche gegen ihn stellen möchtest. Schließlich hat er dich lange genug psychisch wie auch physisch missbraucht.“ Die Augen meines Freundes wurden bei meinen Worten immer größer: „Du meinst, ich kann ihn verklagen?“ Ich nickte zögernd: „Wenn ich das richtig verstanden habe, ja.“ Joeys Miene verfinsterte sich: „Das, das kann ich nicht machen. Er ist immer noch mein Vater.“ „Das verlangt auch niemand von dir. Er wird wahrscheinlich nicht einmal in den Knast kommen, wenn du nicht möchtest. Ich habe Kaiba darum gebeten, dass alleine dir die Entscheidung über ein etwaiges Strafverfahren obliegt.“ Der Blondschopf senkte seinen Blick wieder. „Ich will eigentlich nur meine Ruhe haben“, flüsterte er leise und faltete den Brief zusammen. „Dann lass es darauf beruhen“, sagte ich leise und streichelte Joey über die Wange. „Es ist alleine deine Entscheidung und egal wie du dich entscheidest, wir stehen hinter dir. Das ist alles ein wenig viel gerade, ich weiß, aber in ein paar Tagen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Bis dahin kannst du es dir ja überlegen.“ „Würdest…würdest du mich denn begleiten?“, fragte mein Freund zögerlich und vergrub dabei sein Gesicht in meiner Halsbeuge. „Natürlich“, antwortete ich sanft und streichelte ihn weiter. „Yugi wird dich auch begleiten, genauso wie Tristan und Tea. Wir halten zu dir.“ „Du wirst mir fehlen“, nuschelte der blonde Japaner. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er meinte. „Du mir auch, aber es ist ja nur ein Wochenende. Ich bin in Windeseile wieder zuhause. Inzwischen kannst du dich ja ein wenig am Duellieren üben, hm?“ Meine Neckerei erzielte die gewünschte Wirkung. Sofort löste sich Joey von mir und blies die Wangen auf. „Was soll denn das heißen?“ „Dass ich dich letztes Mal haushoch geschlagen habe“, grinste ich frech. „Du musst schon ein wenig trainieren, um ins Finale zu kommen.“ Joey boxte mich gegen die Schulter, was ich mit einem noch breiteren Grinsen konterte. „Letztes Mal hattest du nur Glück. Außerdem ist deine Taktik unfair!“ Ich musste mich beherrschen, nicht laut aufzulachen. Da war er wieder, mein Joey, so, wie ich ihn kennengelernt hatte und auch liebte. „Meine Taktik ist relativ leicht zu durchschauen?“, schmunzelte ich. „Fallen blockieren, starke Monster rufen und diese dann noch verstärken, um am Ende die Exodia zu spielen, das ist unfair!“ Ich zog Joey lachend ins Bett. „Wenn du meine Taktik eh schon durchschaut hast, warum versuchst du dann nicht sie einfach auszuhebeln?“ Bestätigend zu meiner Frage stupste ich meinem Freund gegen die Nase. „Weil das arschig wäre. Ich muss dich schließlich gewinnen lassen, du bist ja auch…“ Was ich war, erfuhr ich nicht, denn Joey bekam hochrote Ohren und nuschelte irgendetwas Unverständliches. „Was bin ich? Dein Freund?“ Ich grinste noch breiter, als mein Freund noch weiter errötete. „Ah ja, deine Freundin, hm?“ „So, so war das nicht gem…“ Ich unterbrach ihn einfach mit einem langgezogenen Kuss. Joeys Ego war noch immer riesig und ich hatte auch die Befürchtung, ihm das nicht austreiben zu können, aber andererseits war es der Ursprung seiner Entschlossenheit. Jedes Übel hatte sein Gutes, von daher… Joey schlief diesen Abend bei mir. Wie mir auch auffiel, war er deutlich entspannter und hatte zur Abwechslung mal keinen Alptraum oder wachte klitschnass neben mir auf. Alles in allem war ich sehr zufrieden mit dem erwirkten Ergebnis hinsichtlich des Sorgerechts. Herr Muto und Yugi würden gut auf ihn achten, genauso wie Tristan und Tea, während ich nicht da war. Außerdem war ich gespannt, wie sich Joey weiterentwickeln würde. Jetzt, ohne das Joch seines Vaters, blühte mein Freund förmlich auf. Wenn das so weiterging, mussten Yugi und Kaiba sich wirklich in Acht nehmen. Joey war so schon ein formidabler Duellant, aber jetzt, wo er sich ganz auf das Turnier konzentrieren konnte, würde er beide vielleicht aus dem Ring fegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)