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Obdach beim König der Spiele

Yugi verfrachtete mich auf seine Couch und versorgte mich dabei mit einem Eisbeutel, den ich auf die Stelle presste, wo Joey mir eine verpasst hatte. Die Kälte tat mir gut und ließ den pochenden Schmerz, der sich bereits während der Fahrt wieder gemeldet hatte, ein wenig abklingen. Ich würde sicher einen blauen Fleck bekommen.
 

„Ich verstehe das nicht“, murmelte Yugi und schüttelte den Kopf, nachdem ich ihm die ganze Geschichte erzählt hatte. Er war dabei ruhig geblieben, hatte mir zugehört, und uns nebenbei einen Tee gekocht. Dass ich bei ihm übernachten durfte, war selbstverständlich.
 

„Yugi, ich verstehe es auch nicht“, antwortete ich. „Nun, das stimmt so nicht ganz“, setzte ich nach und rieb mir den Nacken. Mein bester Freund schrägte den Kopf ein wenig und bedachte mich mit einem fragenden Blick.
 

„Was ich gesagt habe war ziemlich gemein.“
 

Yugi nickte: „Natürlich. Aber das meinst du nicht. Du verstehst nicht, warum Joey sich nicht wehrt, oder?“
 

Ich tat es meinem Freund gleich, griff dann nach einem Tee und blies über den Tassenrand. Irgendwie tat mir dieses Gespräch ziemlich gut. Er würde mir sicherlich den Kopf waschen, aber zeitgleich auch aufzeigen, was ich richtig gemacht hatte. Auch wenn Mahad den Pharao schätzte, verehren mochte, ich war mit dem kleinen Yugi Muto befreundet.
 

„Weißt du, Joey hatte es früher schon schwer. Das mit Serenity und der Trennung, dann ist er irgendwie auf die schiefe Bahn geraten. Joey und Tristan waren mal ziemliche Raufbolde, Bullys, um genau zu sein.“
 

Ich blinzelte perplex. Joey sollte ein Mobber gewesen sein? Mein Freund? Genauso wie Tristan? Gut, beide hatten eine durchaus hitzköpfige, schroffe Art, aber trotzdem. Zumal, die hatte ich ja auch, wenn ich ganz ehrlich war.
 

„Sie waren einfach verloren, führungslos, beide. Irgendwann sind sie dann aber doch ein gutes Team geworden, genauso wie wir.“ Yugi lächelte aufmunternd: „Mit dir sind wir erst komplett geworden.“
 

Obwohl mir gar nicht danach zumute war, musste ich ebenfalls lächeln. Das waren sehr warme, freundliche Worte von Yugi. Außerdem wusste ich, dass sie ehrlich gemeint waren. Er konnte nicht gut lügen und hatte auch keinen Grund dazu.
 

„Aber Joey war früher wirklich schlimm. Er hat sich dauernd geprügelt, den Unterricht geschwänzt, war ein totaler Außenseiter. Das hat sich dann alles ein wenig relativiert, als wir alle so enge Freunde geworden sind. Mit Duel Monsters hat er dann wirklich ein Ziel vor Augen bekommen, dass er verfolgen wollte. Auch wenn Kaiba es nicht zugibt, Joey ist ein sehr guter Duellant, der ihn mehr als nur einmal in Bedrängnis gebracht hat.“
 

Ich hörte still zu und nippte an meinem Tee. Mir fiel dabei auf, wie wenig ich eigentlich über Joeys Vergangenheit wusste. Er selbst hatte sich dabei als recht wortkarg erwiesen.
 

„Darum haben wir auch so lange nicht kapiert, dass etwas im Argen sein musste. Dass Joey mit einem blauen Auge in die Schule kam, war nichts Ungewöhnliches. Wir wussten auch, dass seine finanziellen Verhältnisse nicht so rosig waren und auch noch sind. Irgendwann hatten wir dann aber doch die Vermutung, dass es mit seinem Vater zutun haben könnte.“
 

Ich nickte verstehend. Das war ja bei mir auch so gewesen. Gut, ich hatte einen Vater und liebevolle Großeltern, genauso wie einen überschaubaren, aber doch starken Freundeskreis. Auch finanziell ging es uns nicht unbedingt schlecht, und meine Noten waren gut. Aber ich hatte auch viel Kraft aufgewendet, um zu verbergen, was bei uns Zuhause teilweise abging.
 

„Nur Joey ist, auch wenn er es nicht zugibt, ein äußerst sensibler Mensch. Wie du bereits gemerkt hast, hängt er sehr an Serenity, an Tristan, mir und auch dir. Wir sind alle seine Bezugspersonen, und er möchte uns helfen, für uns stark sein, keine Schwäche zeigen. Im Königreich der Duellanten hat er sich mit purer Willenskraft teilweise aus wahnwitzigen Situationen, die auch mir Kopfzerbrechen bereitet hatten, geschlängelt, für Serenity.“
 

Davon wusste ich. Joey hatte für Serenitys Operation gekämpft, da diese sehr kostspielig gewesen ist. Dabei hatte er nie aufgehört an sich selbst und seine Fähigkeiten zu glauben, ein Zug, den ich auch heute noch an ihm bewunderte und liebte.
 

„Vor dir zuzugeben, schwach zu sein, das muss für Joey eine einzige Qual sein. Er kann es vor mir schon nicht besonders gut, und auch nicht vor Tristan, aber vor dir – das ist noch einmal eine ganz andere Nummer. Außerdem möchte er seine Probleme selbst lösen, zumindest in privaten Dingen.“
 

Ich stellte die Teetasse ab und drückte wieder den Eisbeutel auf den Bluterguss, der mittlerweile deutlich zu erkennen war. „Yugi, das mag ja alles sein, aber dann erzählst du mir, oder er, dass euer Zusammenhalt das ist, was euch stark macht. Ich erinnere mich noch, wie er mir von eurem Duell gegen die Paradox-Brüder erzählt hat, oder, wie er mit deiner Hilfe Mai Valentine geschlagen hat. Du hast ihn gegen Bandit Keith und seinen kleinen Kumpel unterstützt, genauso wie im Battle City Turnier. Warum weigert er sich, zumindest von dir, Hilfe anzunehmen?“
 

Yugi bewegte seinen Kopf ein wenig hin und her, so, als ob er seine Antwortmöglichkeiten genau abwägen würde. „Weil er dafür zu stolz ist. Das sind private Dinge, die eigentlich keinen von uns etwas angehen. Außerdem funktionieren unsere Familien ja, sogar deine. Joey hat mir einmal erzählt, er bewundere es, wie sehr du für deine Großeltern kämpfst und dass du schon viel weiter bist, als er.“
 

Ich konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Auch wenn das alles sehr süß und romantisch klang, so war das keine befriedigende Antwort. „Yugi, ich brauche keinen Ritter in strahlender Rüstung, der mir meine Probleme aus dem Weg räumt. Das mache ich selbst, und wenn ich es nicht schaffe, dann habe ich noch immer Mahad und dich. Es ist nicht Joeys Aufgabe, vor mir stark zu sein.“
 

Der König der Spiele lächelte schmal: „Deine aber auch nicht vor ihm.“
 

Ich blinzelte und starrte dann auf meine Teetasse. Mein bester Freund hatte natürlich Recht. Vor Joey versuchte ich immer stark zu sein, ihn aufzubauen, und mir auch meine Nervosität oder Angst nicht anmerken zu lassen; zeitgleich kritisierte ich aber genau dieses Verhalten bei dem Blondschopf.
 

„Joey hat viel durchgemacht, nicht nur mit seinem Vater, auch mit Mei und mit uns. Dass er gerade vor dir seine Ängste und Sorgen verbergen möchte, verstehe ich total. Er liebt dich abgöttisch. Tristan hat ihn schon aufgezogen, ob er nicht auch bald ein Bild von dir herumtragen würde, wie Kaiba es mit Mokuba tut.“
 

Ich musste erneut lächeln. Das konnte ich mir bildhaft vorstellen.
 

„Aber da sind auch andere Dinge. Zweifel, die an ihm nagen. Du und ich, wir beide kommen mit Kaiba gut aus. Mokuba liebt dich genauso wie Joey es tut. Der sonst so kühle, kalte Seto Kaiba hat nicht nur einen Rivalen in spieltechnischer Hinsicht, mich, sondern jetzt auch noch einen in beziehungstechnischen Dingen, dich. Mokuba spricht entweder über dich oder seinen Bruder, und er setzt euch beide beinahe gleich. Natürlich betont er nach wie vor, dass Kaiba sein leiblicher, großer Bruder ist, aber du stehst diesem beinahe in Nichts nach. Anstatt dass dich der große böse Kaiba loswird, wohnst du bei ihm. Für Joey hat er nur Hohn und Spott übrig.“
 

Mir wurde erst jetzt so wirklich bewusst, in welcher Zwickmühle Joey eigentlich stecken musste. Nicht nur Mokuba, den er mochte, zwang ihn dazu, sich mit seinem Erzfeind abzugeben, da war auch noch, sein Freund, der ihn quasi nötigte, mit dem CEO zu verkehren. Innerlich schalt ich mich einen Dummkopf, nicht früher draufgekommen zu sein.
 

„Dann hast du Kaiba schon mehrmals die Stirn geboten und nicht nur das: Ihr zwei seid ein gutes Team. Du bist ein Spitzenduellant, planst deine Züge, glaubst an das Herz der Karten, vertraust deinen Fähigkeiten, dir selbst, und uns. Du hast Pegasus in einem Duell geschlagen, was bisher nur mir wirklich gelungen ist. Du kamst aus dem Nichts und hast seine gesamte Welt auf den Kopf gestellt. Dass er ein wenig verwirrt, fast schon eingeschüchtert ist, das ist normal. Dann kommt noch deine Vergangenheit dazu.“
 

Unweigerlich starrte ich auf meinen Milleniumsring. Ich wusste, dass Joey ihn nicht mochte, aber er hatte ihn akzeptiert. Ich legte das Schmuckstück nicht mal zum Duschen ab, wie mir gerade auffiel, auch nicht, wenn wir miteinander kuschelten oder schliefen. Er vermied es zwar, ihn zu berühren, aber mokierte sich dennoch nicht mehr darüber.
 

„Du, Kaiba und ich, wir sind alle Nachfahren einer uralten Dynastie, oder zumindest gehen unsere Vorfahren bis nach Ägypten zurück.“
 

„Natürlich Yugi, aber Joey und ich waren ja schon einmal ein Paar.“ Ich wurde mit einem sanften Lächeln belohnt und entschloss mich, wieder an meinem Tee, der köstlich schmeckte, und eine beruhigende Wirkung hatte, zu nippen.
 

„Ja, aber das ist etwas Anderes. Unsere Geschichte hat uns vorher schon einmal zusammengeführt. Gerade uns beide. Der Pharao und Mahad sind genauso gute Freunde, wie wir es sind. Joey hat nicht diesen Einblick, diese Vertrautheit. Er besitzt kein früheres Ich, auf dass er zurückgreifen kann. Er lebt von Erinnerungsfetzen und einem Gefühl, das langsam wächst. Außerdem war dieser Ring einmal böse. Er hat Angst, dass auch du böse werden könntest.“
 

Ich kannte ein paar der Schauermärchen, die mir Yugi erzählt hatte. Bakura weigerte sich über seinen früheren Besitz zu sprechen und wich auch den Fragen danach gekonnt aus. Ich schob den Milleniumsring meist unter mein Shirt oder meinen Pulli, wenn er in der Nähe war, einfach um die unangenehme Stimmung nicht noch mehr aufzuheizen.
 

„Dann wissen wir noch nicht, welche Fähigkeiten der Ring bei dir hat. Was, wenn noch immer ein wenig von Bakuras bösem Geist in ihm wohnt? Nicht, dass ich dir das unterstellen möchte, aber es ist ein gewisses Risiko. Er muss dich auch teilen, mit Mahad und auch irgendwo mit mir, weil wir miteinander verbunden sind. Genauso wie wir mit Kaiba verbunden sind. Er fühlt sich einfach ein wenig außen vor.“
 

Ich musste nicht fragen, ob Joey denn mit Yugi über all diese Dinge gesprochen hatte; der König der Spiele besaß eine sehr gute Auffassungsgabe und konnte wahrscheinlich in uns allen wie in einem offenen Buch lesen. Vielleicht biss er sich an Kaiba die Zähne aus, aber bei dem Rest ganz sicher nicht.
 

„Auch wenn es gut gemeint sein mag, aber dass du dich vor Kaiba erniedrigst, so edel das auch sein mag, das war dann wohl der Overkill. Er hasst Kaiba einfach und umgekehrt auch. Beide raufen sich nur zusammen, wenn sie es müssen, und der Grund dafür war früher ich, heute bist es auch du. Das zehrt auch an seinen Kräften. Ich will diesen Faustschlag nicht gutheißen, oder ihn in Schutz nehmen, aber, tief in seinem Inneren, leidet Joey mehr als du. Bitte sei nachsichtig mit ihm.“
 

Ich nickte, nur um Yugi dann von seinem Couchstuhl in meine Arme zu ziehen und fest zu drücken. Mir war bewusst geworden wie sehr ich den König der Spiele liebte. Nicht wie Joey, auch nicht wie Mokuba oder meine Großeltern, aber doch auf eine Art, die mich mit ihm verband. Er war wirklich mein bester Freund geworden, und ich wusste, dass ich mich auf ihn verlassen konnte.
 

„Danke“, hauchte ich leise und umarmte ihn fest, wobei mir ein paar Tränen über die Wange liefen. Ich hatte zuhause auch gute Freunde, sehr gute sogar, aber nicht so einen wie Yugi. Pharao hin oder her, ich war mit dem kleinen Yugi verbunden und war mir sicher, dass diese Freundschaft ein Leben lang halten würde.
 

„Schon okay“, lächelte er und erwiderte die Umarmung. Nach einer kleinen Ewigkeit ließen wir voneinander ab und lächelten verlegen. Ich konnte eine wohlige Wärme in mir spüren und war mir sicher, dass es Yugi gleich ging – unsere beiden Geister schienen die Szenerie mit großem Interesse verfolgt zu haben und wohl ähnlich zu denken wie wir.
 

„Yugi? Würdest du vielleicht morgen mit mir…“, begann ich, wurde aber sogleich mit einem lächelnden Nicken bestätigt.
 

„Natürlich. Hau dich aber erst einmal aufs Ohr, ja?“
 

Ich nickte und wurde dann sogleich auf der Ausziehcouch mit Decke und Kopfkissen versorgt. Auch Schlafsachen bekam ich, die mir zwar ein wenig zu klein waren, aber sich doch bequem anfühlten. Sogar an Zahnbürste und Co war gedacht worden. Auch wenn ich noch total aufgewühlt war, so schlief ich doch nach einer Weile ruhig ein. Ich hatte in Japan nicht nur meine große Liebe, sondern auch eine Freundschaft gefunden, die mehr wert war, als alle Reichtümer dieser Welt. Was konnte mir da noch passieren?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2019-10-28T18:32:59+00:00 28.10.2019 19:32
Ein sehr einfühlsames Gespräch zwischen den beiden. Ich hoffe am nächsten Tag sieht die Welt schon besser aus.
David hat viel in Japan gefunden, leider ist seine Zeit dort nur begrenzt...
Antwort von:  SuperCraig
28.10.2019 21:35
Nun, Yugi Muto ist, denke ich, ein sehr einfühlsamer Mensch; genau das fehlt Atem. Erst mit ihm ist der Pharao komplett.

Die Bindung ist natürlich sehr stark, stärker noch als bei Davids Freunden zuhause. Dass sie sich fast blind verstehen, oder es zumindest lernen, halte ich für gegeben.

Ich hoffe, dass beide einmal die Gelegenheit bekommen, schon vor dem Finale, ein Doppel zu spielen.

Andererseits halte ich das ein wenig für ein Privileg von Joey - Yugi und Joey waren immer das Dreamteam. Die Gebrüder Paradox, dann im Noah-Arc. Sie harmonierten besser als Kaiba und Yugi. Ich empfinde es daher auch als korrekt, Kaiba einen Verbündeten, auch wenn er diesen natürlich nie braucht ;), zur Seite zu stellen.

Wäre Kaiba nicht so stur, er und Yugi könnten mühelos tausendmal die Welt retten. Auch wenn er manchmal aufbricht, so ganz wird er nie die egoistische Mentalität ablegen, die ihn ausmacht.

Darüber wollen wir mal noch nicht denken. Bis zum Ende des Austausches vergeht noch ein wenig Zeit. ;)

LG
SuperCraig


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