Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 74: Ärger im Paradies ----------------------------- Die nächsten Tage und Wochen waren relativ ereignislos gewesen. Ich hatte mich mittlerweile an mein Leben im Luxus einigermaßen gewöhnt, wobei ich durchaus das Gefühl hatte, man deutete meine Dankbarkeit falsch. Die Angestellten in der Villa wirkten fast alle eingeschüchtert und still, sorgsam darauf bedacht, nicht zu sehr aufzufallen. Kontakt war, mal abgesehen mit Ito, dem Chauffeur, unerwünscht. Mir blieben also nur Mokuba, der große Kaiba und ich selbst. Meine Freunde konnte ich seltsamerweise einladen, wann ich wollte. Die Angestellten hielten sogar eines der Gästezimmer bereit, falls einer von ihnen bei mir übernachten wollte. Ich hatte auch ein wenig Bedenken ob der Tatsache, dass Joey eben kein Zimmer brauchte, sondern bei mir schlief, und das recht oft. Plappermäuler gab es überall. Dass mir das zuvor noch nie in den Sinn gekommen war, ärgerte mich ein wenig. Mich hätte es nach wie vor nicht gestört, unsere Beziehung öffentlich zu machen, aber Joey hielt eisern an seinem Wunsch fest. Jegliche Gespräche über Zuhause blockte er rasch ab und überspielte sie mit einer äußerst künstlich wirkenden Maske der Freude und Aufgedrehtheit. Mahad und Yugi hatten mir beide geraten, ihn fürs Erste nicht zu bedrängen und daran hielt ich mich auch. Mein früheres Ich und mein bester Freund würden mir wohl kaum schlechte Ratschläge erteilen. Jedenfalls schien Kaiba sein Personal getrimmt zu haben, nur ja nicht in private Angelegenheiten von ihm, Mokuba oder seinen Gästen, unter anderem auch mir, herumzustochern oder sich gar das Maul darüber zu zerreißen. Ehrlich gesagt war ich erleichtert, dass sich der CEO so vehement verhielt, bezüglich seines Personals. Eine Sorge weniger, die, neben Joey, gerade in meinem Kopf herumgeisterte. Ich hatte mich bereits oft genug mit der Frage befasst, wie ich das Battle City Turnier bestreiten wollte. Kaiba, wie auch meine Freunde, waren felsenfest davon überzeugt, ich würde ins Finale kommen. Natürlich hatte ich mich mittlerweile durch die Nähe zum König der Spiele und dessen Rivalen gemausert und in den Duellen, die wir zum Spaß bestritten, war es mir gelungen, mich gegen Yugi eine Weile zu halten, sowie Joey aus dem Spiel zu fegen (sehr zu dessen Verdruss). Kaiba ließ sich selten dazu herab, sich mit mir zu duellieren, wenn, dann bemühte ich mich tatkräftig, konnte ihn aber nie schlagen. Wie denn auch? Wir sprachen hier von dem Mann, der für Duel Monsters lebte, mehr als es Yugi tat. Die Vorbereitungen für die Spielemesse, auf der ich gemeinsam mit Kaiba, Mokuba und den Investoren auftreten sollte, waren in vollem Gange. Auch wenn Kaiba es sicher nicht aus reiner Gefälligkeit tat, so bemühte er sich doch darum, mir das Meiste vom Hals zu halten. Ich dürfe laut ihm, und schließlich hatte er das letzte Wort, natürlich auftreten, ohne einstudierte Rede und dergleichen. Wichtig sei nur, dass ich betonen würde, wie mir das Spiel gefalle, wie sich die Entwicklung für mich angefühlt hat, aber auch, woran ich Kritik geübt hatte, welche auch Berücksichtigung gefunden hatte. Ich lag auf meinem Bett und überflog meine Hausaufgaben in Japanisch, als es an der Zimmertür klopfte. Mit einem lauten „Herein“ bat ich den vermeintlichen Gast, wahrscheinlich jemanden, der mich zum Essen rufen wollte, in den Raum. Zu meiner großen Freude war es kein Dienstmädchen, sondern Joey. „Hallo Schatz!“, lächelte ich und legte die Hausaufgaben beiseite. Der Blondschopf schloss die Tür hinter sich und hob die Mundwinkel ein wenig an. Mein Lächeln erstarb schlagartig, als er ins Licht meiner Leselampe trat. „Was ist mit dir passiert?“ Ich sprang vom Bett auf und stützte meinen Freund, um mit ihm gemeinsam die letzten Schritte zu machen. Joey wirkte übel zugerichtet. Seine Lippen waren aufgeplatzt, die sowieso schon heruntergekommene Kleidung zerrissen und hing nur mehr in Fetzen herunter. Durch das Shirt konnte ich blaue Flecken erkennen. Er zitterte am ganzen Körper und das, obwohl ihm der Schweiß von der Stirn perlte. Sich in mein Zimmer zu schleppen musste ihn die letzten Reserven gekostet haben. „H-Halb so wild“, wehrte mein Freund ab und ließ sich stöhnend aufs Bett sinken. Mir lag etwas Böses auf der Zunge, doch verkniff ich mir, ihn anzufahren. „Schatz, bitte, was ist los?“ Wieso hatte man ihn überhaupt in dem Zustand hereingelassen? Irgendeinem Bediensteten ist er sicher untergekommen und ganz ehrlich: In dem Zustand holte man doch einen Arzt, oder? „I-Ich sagte doch, nichts. Kann ich heute bei dir pennen?“ Joey fiel das Sprechen sichtlich schwer, und auch wenn er sich mit aller Kraft bemühte, die Situation zu verharmlosen, so erkannte ich, dass es höchste Eisenbahn war, etwas zu unternehmen. Nicht ob der Verletzungen, das stand natürlich außer Frage, doch ich konnte mir dieses Trauerspiel nicht mehr mitansehen. Ich war sein Freund und als solcher verpflichtet, ihm zu helfen. „Natürlich kannst du“, antwortete ich leise und stand auf, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass er nicht vornüberkippte. Ich ging ins Bad und holte ihm ein Glas kaltes Wasser, das er dankend entgegennahm. Ich griff nach meinem Handy und schrieb Mokuba, er möge doch bitte alsbald in mein Zimmer kommen, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder Joey schenkte. „Schatz so geht es nicht weiter“, begann ich vorsichtig und beobachtete meinen Freund, wie er an dem Wasserglas nippte. „Wir alle wissen woher deine Verletzungen stammen.“ Joeys rechtes Augenlid zuckte, doch entgegen meiner Erwartungen sagte er nichts. Er starrte einfach nur stumm in sein Glas. „Joey, ich werde dich nicht noch einmal in dieses Haus zurückgehen lassen, ist dir das klar? Keiner von uns. Auch nicht Tristan, Tea, Yugi, Duke, Bakura – das ist keine Lösung. Es wundert mich, dass die Lehrer nicht bereits aufmerksam geworden sind und deine Lügen mit den Prügeleien noch immer nicht durchschaut haben.“ Joey hob den Kopf an und seufzte leise: „Und was willst du tun? Ich bin noch nicht volljährig und er ist mein Erziehungsberechtigter. Ich muss bei ihm wohnen.“ Ich blies die Wangen auf um einen genervten Laut zu unterdrücken. Auch wenn ich mich nicht mit der japanischen Rechtslage auskannte, so glaubte ich zumindest, dass man auch hier an solche Fälle gedacht hatte. Für ein Heim war Joey in meinen Augen zu alt, und selbst wenn, es gab Anwälte, die, auch wenn ich es hasste, wahrscheinlich von Kaiba gesponsert werden mussten. „Du musst gar nichts. Hör mir mal zu. Wir können uns das nicht länger mitansehen. Dieses Schwein missbraucht dich, körperlich wie geistig, auf eine Weise, die schon fast an Folter grenzt. Irgendwie hat er es geschafft, dich glauben zu machen, ohne ihn nicht überlebensfähig zu sein. Wir sind hier in Domino City, der Stadt, die Seto Kaiba mehr oder weniger gehört, und der wiederum zählt, warum auch immer, zu meinen Gönnern, Freunden, oder keine Ahnung, wie du das nennen magst.“ Wütend sprang Joey auf und ließ dabei das Glas fallen. Zorn loderte in seinen Augen auf. „Ich nehme nichts von Kaiba an, niemals. Bevor ich bei dem in der Schuld stehe, lebe ich lieber unter einer Brücke, mit drei solchen Typen.“ Meine Augenbrauen schoben sich nach unten. Meine ganze angestaute Wut und mein Hass auf den alten Wheeler entlud sich in diesem Moment. Ich hatte zu lange zugesehen, und meine Gefühle unterdrückt, wie mir schlagartig klar wurde. Auch wenn ich es nicht wollte, so verlor ich die Beherrschung. „Warum verdammt nochmal Joey, kannst du nicht einmal über deinen Schatten springen? Nur einmal? Denkst du es macht mir Spaß dich so zu sehen? Jedes Mal wenn ich dich gehen lasse, zu wissen, dass du in diesen Hort des Wahnsinns zurückkehren musst? Nein, nicht musst, willst. Was ist so schlimm daran Hilfe anzunehmen?“ Joey ballte die Hände zu Fäusten. Es wunderte mich, dass er so lange stehen konnte. „Ich werde niemals, niemals nie, in der Schuld von Kaiba stehen. Er ist ein reicher, widerlicher Pinkel, der allen reindrückt, wie gut er doch ist. Für ihn gibt es niemanden. Er kennt nur sich selbst. Bei so einem willst du in der Kreide stehen?“ Der letzte Satz war mit einem Unterton des Abscheus verbunden, der mich zutiefst verletzte. „Ich stehe bei Kaiba nicht in der Kreide. Wenn man ihn nicht dauernd reizt, kann er sogar ganz erträglich sein. Aber du musst ja dauernd auf ihm herumhacken. Ihr beide führt euch auf wie kleine Kinder, die sich um die Schaufel im Sandkasten streiten! Komm endlich zu dir! Wir alle wollen dir nichts Böses, im Gegenteil. Kaiba ist der einzige Weg, der mir einfällt, dich aus diesem Irrenhaus herauszubekommen, und wenn es sein muss, dann bettle ich auf Knien, dass er dir das ermöglicht.“ Meine Stimme wurde zusehends schärfer, und auch wenn es kontraproduktiv war, so tat es mir in der Seele gut, den angestauten Frust abzulassen. „Hast du so wenig Stolz?“, fragte Joey verächtlich. „Hast du so wenig Hirn und Selbstvertrauen, als dass du bei deinem Vater bleiben willst?“ Ich hielt inne, als ich seinen verletzten Blick sah, fuhr dann aber fort. Vielleicht verstand er jetzt, was ich meinte, und wie spät es schon war, fast zu spät, sich von seinem Vater zu lösen. „Wenn Kaiba von mir verlangt, dass ich von der Brücke springe, damit er dich da rausholt, dann würde ich es ohne zu zögern tun. Verstehst du nicht Joey, dass ich dich liebe? Dass ich will, dass es dir gut geh, und dass es für mich eine Qual ist, dich so zu sehen?“ Ich deutete mit meiner flachen Hand an ihm entlang. „Was passt dir denn an meinem Aufzug nicht? Ist es für den feinen Herrn zu minder, wenn sich sein Freund keine teuren Markenklamotten leisten kann?“ Joey schnaubte wutentbrannt. „Ist das dein Ernst? Sag mal Joey, was ist dein Problem? Was habe ich dir getan? Nichts, im Gegenteil, ich bemühe mich all diese schlechten Sachen um dich herum auszublenden, und ergreife Partei für dich, wenn du dich mit Kaiba streitest, genauso wie Yugi.“ „Ich brauche niemanden, der für mich Partei ergreift“, fauchte der Blondschopf und wandte seinen Blick ab. „Natürlich, du brauchst niemanden. Du bist haargenau wie Kaiba. Wenn ihr zornig werdet, dann…“ Was die beiden denn waren, konnte ich nicht mehr vollenden, da mich Joey unsanft am Shirt gepackt und in die Höhe gezogen hatte. „Wage es dir noch einmal, mich mit Kaiba zu vergleichen“, knurrte er. Seine freie Hand hatte er zur Faust geballt. „Was dann? Willst du mich verprügeln?“ Ich hätte schwören können Joeys Zähne aufeinander mahlen zu hören. „Ist es das was du willst? Alleine sein? Mich von dir stoßen? Warum? Hat dein Vater endlich gerafft, dass wir zusammen sind? Dass du auf Kerle stehst? Ist er enttäuscht von dir?“ Ich spürte einen dumpfen Schmerz in der Bauchgegend. Keuchend fiel ich zu Boden und krümmte mich. Ein Blick nach oben ließ mich in Joeys entsetztes Gesicht blicken, der seine Faust anstarrte. Ihm wurde wohl klar, was er da gerade getan hatte. „Das, das wollte ich nicht“, stammelte er. Der wütende Wheeler Junior wich dem besorgten, sanften Jungen, in den ich mich verliebt hatte. Der, der sich um seine Freunde sorgte, genauso wie um seine kleine Schwester. Ich konnte ihm ansehen, wie sehr er sein Handeln bereute und dennoch, irgendetwas in mir konnte ihm gerade nicht verzeihen. „Er bedeutet dir mehr als ich, oder?“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und richtete mich langsam auf, dabei den Nachttisch als Stütze verwendend. „Ich verstehe schon, dein Vater hat dich an der kurzen Leine. Du musst schließlich zu ihm halten, er ist ja dein Papa.“ Als ich einigermaßen gerade stand, konnte ich nur mit Mühe die Tränen verbergen, die in meinen Augen brannten. Ich griff nach dem Schlüssel auf meinem Nachtkästchen und warf ihn Joey vor die Füße. „Hier, du kannst in meinem Zimmer pennen so lange wie du willst, aber ohne mich.“ Die aufkeimende Wut verdrängte den pochenden Schmerz in meiner Magengrube. Joey hatte genügend Kraft, wie mir schmerzlichst bewusst wurde. Umso weniger verstand ich, warum er sich nicht gegen seinen Vater wehrte. Schnaubend ging ich zur Tür. „Wohin gehst du?“, fragte Joey kleinlaut. „Den Kopf frei bekommen. Tu mir einen Gefallen, ja?“ Im Türrahmen stehend hielt ich inne. „Schlafe wirklich hier, ich will mir nicht unnötig Sorgen machen müssen.“ Damit ging ich nach unten und schaute auf den Dienstplan der Fahrer. Kaiba hatte mittlerweile einen Nachtdienst eingeführt, sodass Mokuba und ich auch außer Haus konnten, egal wie spät es war. Ich ließ den Chauffeur mithilfe der Sprechanlange kommen und gab ihm auch gleich die gewünschte Destination durch. Als ich ausstieg wünschte ich, der Höflichkeit halber, dem mir unbekannten Mann einen guten Heimweg und entschuldigte mich, dass er extra so weit hatte fahren müssen. Mit letzter Kraft schleppte ich mich zur Tür und klingelte. Als sie aufging, fiel ich weinend einem Yugi in die Arme. Meine Kraft für heute war erschöpft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)