Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 66: Von Brüdern und Schwestern -------------------------------------- Ich verschlang, unter leisem Kichern von Serenity, sämtlich verfügbares Essen und spülte das Ganze mit Kakao hinunter. „Du bist genau wie Joey, wenn er Hunger hat.“ Hastig verbarg ich mein Grinsen hinter der Tasse. In meinen Augen war mein Freund deutlich schlimmer als ich, wenn es darum ging, Nahrung zu verwerten. „Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“ Das war eine gute Frage. „Nun, wenn ich ehrlich bin, hat Joey es gleich am ersten Tag geschafft, dass ich mich mit Kaiba duellieren durfte.“ Nachdenklich biss ich, unter Serenitys neugierig-aufforderndem Blick, ein weiteres Stück Toast ab. „Die große Klappe deines Bruders, kombiniert mit seiner impulsiven Ader und dem unterschwelligen Hass, den er auf Kaiba hat, reichen in der Regel einfach aus, damit Probleme entstehen“, fuhr ich schmunzelnd fort. „Er weiß eben genau, wann man wo, was, wie nicht sagen sollte.“ Serenity schrägte den Kopf ein wenig und stützte ihn auf ihrer flachen Hand ab. „Er hat mir viel von dir erzählt“, lächelte sie. „So, hat er das?“, fragte ich nach, was mit einem Nicken bestätigt wurde. „Ja, Joey hat mir schon sehr früh von dir erzählt. Der Neue sei ziemlich cool. Dass er für deine Konfrontation mit Kaiba verantwortlich war, hat er natürlich weggelassen.“ Typisch Joey, die „unwichtigen“ Details, die einen selbst belasteten, konnte man ruhig unter den Teppich kehren. „Manchmal, da hat er wieder dieses Glitzern in den Augen, wie damals, bevor sich unsere Eltern getrennt haben, wenn er von dir spricht.“ Die Trennung; da war etwas gewesen. Joey hatte davon eigentlich fast gar nichts erzählt. „Sag mal Serenity, ich will nicht zu aufdringlich sein, aber, könntest du mir einmal ein wenig von damals erzählen?“ Die Schwester meines Freundes wirkte ein wenig überrascht, nickte dann aber: „Was möchtest du denn gerne wissen?“ Was wollte ich denn wissen? Es gab so viele dunkle Stellen in Joeys Vergangenheit. „Erzähle mir einfach, was du mir erzählen möchtest, ja?“ Serenity nickte und griff sich eine Schale Kakao. „Unsere Eltern haben sich getrennt, als wir noch klein waren. Mum kam irgendwann nicht mehr mit Dad klar, sie hatten sich auseinandergelebt. Für Joey war die Trennung sehr schlimm. Ich war einmal sein Ein und Alles.“ Sie legte eine kurze Pause ein, bevor sie fortfuhr: „Ich bin mit meiner Mutter dann in die USA gezogen. Sie hat dort ihren heutigen Lebenspartner, Marc Brown kennengelernt.“ Ich blinzelte irritiert: „Meinst du den Baseballspieler?“ Lächelnd nickte Serenity: „Genau den.“ Man hätte es auch schlechter treffen können, in meinen Augen. „Jedenfalls, der Kontakt zwischen Joey und mir ist nie abgerissen, wir konnten uns eben nur nicht mehr so oft sehen. Eigentlich überhaupt nicht, weil meine Mutter nicht wollte, dass ich - “ Sie stockte, und ich hatte auch eine Vermutung warum. „Dass du Kontakt mit einem Alki hast“, führte ich den Satz zu Ende. Stumm nickte Serenity und senkte den Blick ein wenig. „Ich verstehe aber nicht, warum Joey bei eurem Vater geblieben ist, wenn der damals schon ein Alkoholiker gewesen ist.“ Mir tat die Frage bereits in dem Moment leid, als sie meine Lippen verlassen hatte. „Das war einfach kompliziert und irgendwie waren alle mit der Situation überfordert“, flüsterte sie und senkte den Blick noch weiter, sodass ihr einige Haarsträhnen ins Gesicht fielen und es verdeckten. Ich nickte leicht und wartete auf eine weitere Reaktion, die aber ausblieb. „Es ist nicht eure Schuld, egal wer das auch behaupten mag.“ Schlagartig sah Serenity auf. „Sowas ist schwierig, ich weiß, und du bist auch noch recht jung, aber konzentriere dich auf andere Dinge und genieße dein Leben. Joey schaukelt das Ding schon.“ Mein Gewissen nagte zwar ob des letzten Satzes an mir, dennoch wagte ich zu bezweifeln, dass mein Freund es gutgeheißen hätte, wenn ich seiner Schwester die Situation komplett unbeschönigt geschildert hätte. „Aber, eigentlich wollte ich mit dir über etwas Anderes sprechen“, versuchte ich das Thema zu wechseln. Ein wenig Neugierde war in Serenitys fragendem Blick zu erkennen, als ich fortfuhr: „Wie dir sicher aufgefallen ist, hat sich Mokuba in dich verguckt.“ Ertappt errötete die Braunhaarige ein wenig. „Mich geht das eigentlich alles gar nichts an, weil er dafür einen großen Bruder hat. Ich kenne Kaiba aber gut genug, und auch seine soziale Inadäquanz, um zu wissen, dass er keine große Hilfe sein wird“ Joeys Schwester biss sich auf die Unterlippe. Also wahrscheinlich ins Schwarze getroffen. „Mokuba hat mir auch von eurer Bindung erzählt“, nuschelte sie. Wahrscheinlich hatte der Kleine sogar gehofft, dass ich dieses Gespräch für ihn führen würde. „Sei einfach ehrlich zu ihm, ja?“ Ich nippte erneut an meinem Kakao, und ließ ihr Zeit, diesen einfachen Satz sacken zu lassen. „Ich lüge niemals“, stellte sie ein wenig gekränkt in den Raum. „Das habe ich nicht behauptet, Serenity. Wenn du ihn auch gerne hast, dann ist das okay, aber wenn du ihn nur als guten Freund siehst, dann sag ihm das offen.“ Anhand ihrer Reaktion konnte ich erkennen, dass sie sich wohl auch ein wenig in ihn verknallt hatte. Irgendwie war das Verhalten der Beiden schon goldig. Alles wirkte so unschuldig und frei von Problemen, die über das natürliche Maß hinausgegangen wären. „Lass dir mit deiner Entscheidung ruhig Zeit, nur sei dabei ehrlich.“ Gerade, als sie etwas erwidern wollte, ging die Tür auf und einer der Bediensteten kam herein, mit der Frage, ob er denn schon abräumen dürfe. Nickend bejahten wir seine Frage, und gingen nach draußen. „Wie wäre es, wenn du mal deinen Bruder kontaktierst?“, schmunzelte ich. „Du bist schließlich wegen ihm nach Japan gekommen.“ Lachend fiel mir Serenity um den Hals. „Mh, aber ohne dich wäre das nie möglich gewesen.“ Ich hatte zwar ein Stück weit meine Seele dafür verkauft, aber, in meinen Augen war es das wert gewesen. Sanft erwiderte ich die Umarmung und scheuchte sie dann ins Gästezimmer. Lächelnd sah ich ihr nach. Wahrscheinlich würde sie nicht Joey schreiben, sondern jemand anderem. „Dann hat es mich also nicht getäuscht“, sagte jemand hinter mir und das Lächeln auf meinen Lippen erstarb augenblicklich. Ich drehte mich um und konnte einen Kaiba, in weißem Hemd, das Sakko locker über die Schulter geworfen, erkennen. „Mokuba gefällt die kleine Wheeler also.“ Weder anhand seiner Stimme, noch anhand seiner Mimik konnte ich ausmachen, ob das gut oder schlecht war. „Und?“, fragte ich und achtete dabei sorgsam darauf, mir nicht in die Karten schauen zu lassen. „Ich werde dem sowieso keinen Riegel vorschieben können, ohne ihn zu verletzen“, entgegnete er und bedeutete mir, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen. In dem Ding hätte man gut und gerne wohnen können. Es war riesig, mit antiken Möbeln versehen, was dem ganzen einen altertümlichen Touch verlieh. Mit einem Nicken bedeutete mir der CEO, mich in einen der Stühle sinken zu lassen, während er das Sakko über seinen Eigenen warf. Ich beobachtete ihn, wie er aus einem Regal eine Flasche mit Bourbon, sowie zwei Gläser hervorzog, und uns einschenkte. „Wir haben zwei Dinge zu klären“, fing er ohne Umschweife an und setzte sich. „Ersteres betrifft die Präsentation unseres Spiels auf der nächsten Gamemesse.“ Ich schrägte den Kopf und sah Kaiba fragend an. „Die Investoren möchten, dass auch du dort aufkreuzt. Ich werde natürlich alles mit der Schule klären, dass du freigestellt wirst. Hin- und Rückreise übernehme natürlich ich, genauso wie alle anderen Unkosten.“ Etwas an Kaibas Art verblüffte mich. Er war zwar noch immer ekelhaft bestimmend, aber doch irgendwie, netter? „Das sollte ich noch hinbekommen“, nickte ich und nippte am Bourbon, der hervorragend schmeckte. Wie Kaiba als Jugendlicher in Japan an solchen Alkohol kam, war mir ein Rätsel, aber andererseits, wer konnte schon Seto Kaiba vorschreiben, sich an die Gesetze zu halten? Zur Not wurden sie eben umgeschrieben. „Die zweite Sache betrifft das bevorstehende Battle City Turnier.“ Genau, deswegen hatte ich sowieso noch mit ihm ein Hühnchen zu rupfen. „Ich habe in der PR-Abteilung bereits erste Entlassungen in Aussicht gestellt.“ Bitte? „Möglichkeiten als Fakten zu präsentieren gehört nicht zum Stil der Kaiba Corporation.“ Nicht? Dabei war doch genau das eigentlich bisher Kaibas Motto gewesen. Seine Meinung war ein Faktum, und dazu noch ein Unumstößliches. „Es steht dir natürlich frei, teilzunehmen. Außerdem würde es die Spannung ein wenig erhöhen, wenn neben mir und Yugi noch jemand einigermaßen begabter in die Finalrunde käme.“ Er hatte tatsächlich sich selbst vor Yugi genannt, aber das störte mich weit weniger als die Tatsache, dass ich anscheinend ablehnen konnte. „Mokuba meinte aber, ihr hättet das so beschlossen“, stellte ich nüchtern fest. Kaiba schob seine Finger ineinander und schüttelte den Kopf: „Wir haben den Wunsch geäußert, dass du daran teilnehmen sollst, nicht, dass du wirst.“ Ich war zugegebenermaßen verwirrt. Was ritt Kaiba, dass er mir nicht reindrückte, was er alles für mich getan hatte, und was ich dafür machen musste? „Das Finale soll ein Partnerduell sein, oder?“ Der CEO zuckte mit dem rechten Augenlid, was ich als Geste des Missfallens wertete. „Ich bin noch ein wenig unschlüssig, auch wenn Mokuba Feuer und Flamme dafür ist, seine Brüder gemeinsam im Finale anfeuern zu können.“ Das Wort „Brüder“ betonte er für meinen Geschmack ein wenig zu lange. „Mal angenommen, ich würde teilnehmen, wie liefe das dann ab?“ Kaiba nahm sein Glas und nippte daran, bevor er meine Frage beantwortete. „Wir werden es ähnlich halten wie beim letzten Turnier. Es werden mehrere Lokalisierungskarten gebraucht, und der Einsatz für jedes Duell ist deine seltenste Karte.“ Was? Erschrocken ging ich mein Deck gedanklich durch. „Keine Sorge, du wirst nicht verlieren. Wir werden für dieses Jahr die Sicherheitsmaßnahmen verstärken. Außerdem besteht der Großteil der Kandidaten aus blutigen Anfängern. Mit dir werden sich, genauso wie mit mir, nur wenige Wahnsinnige duellieren wollen.“ Ich zögerte ein wenig, bevor ich den Mund öffnete: „Diese Regel, sie gilt auch für das Finale?“ Kaiba nickte bejahend: „Für jeden Kampf.“ Das würde bedeuten, spätestens an Kaiba oder Yugi eine meiner Karten abtreten zu müssen. „Es werden einige äußerst seltene Monster dabei sein, die du zur Not eintauschen kannst.“ Er ging wohl echt davon aus, dass ich mich gut schlagen würde. „Ist gut, ich bin dabei“, seufzte ich, was den CEO zum angedeuteten Heben seiner Mundwinkel bewegte. „Im Fernsehen wird demnächst der Ankündigungsspot laufen – du musst dich weder öffentlich registrieren lassen, noch eine Duel Disk besorgen.“ Kaiba war viel zu nett. Aus meinem Deck konnte er aber keine Karte wollen, denn, da waren zwar manch seltene dabei, aber nichts, was er nicht auch haben könnte. Kurz hegte ich einen schrecklichen Verdacht, den ich aber sogleich wieder verwarf: Von der Toon World konnte er nichts wissen. „Frag ihn nach seinem Einsatz“, meldete sich Mahad in meinen Gedanken. „Welche Karte wirst du denn setzen?“ Ich konnte fast so etwas wie Erregung in Kaibas Gesicht erkennen, Vorfreude, Euphorie, Emotionen, die ich bei ihm gänzlich ausgeschlossen hatte. „Das wirst du dann sehen.“ Er bedeutete mir mit der Hand, dass unser Gespräch beendet sei. Ich trank das Glas Bourbon aus und ging dann nach draußen. „Was glaubst du, hat er vor“, fragte ich Mahad leise, als wir uns draußen am Gang befanden. Der Geist erschien neben mir. „Er sucht etwas. Ich möchte mich mit Vermutungen noch zurückhalten, aber, wenn ich richtigliege, stecken wir in großen Schwierigkeiten.“ Das hörte sich nicht sonderlich aufbauend an. „Glaubst du er weiß von der Toon World?“ Der Ägypter schüttelte den Kopf: „Selbst wenn, darauf ist er nicht aus.“ Ich ging in mein Zimmer und dachte nach. Kaiba besaß schon einige der seltensten Karten überhaupt. Welches Ziel wollte er denn dann mit dem Turnier verfolgen? Zeitvertreib? Wohl kaum. „Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.“ Der Geist war wieder verschwunden. Seufzend ließ ich mich ins Bett sinken – in was war ich da nur wieder hineingeraten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)