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Ein interessanter Abendempfang

Als wir ausstiegen, bot sich ein Anblick, der mir den Atem raubte. Ein Schloss war inmitten eines verschneiten Waldes gebaut worden. Die einzelnen, runden Türme waren mit Schnee bedeckt, während im Hintergrund die weißen Berggipfel das Gemäuer überragten. Die sandfarbenen Mauern wirkten gepflegt, wobei sich einige Ranken zu den großen Glasfenstern hinaufschlängelten. Wahrscheinlich bezahlte Pegasus horrende Summen, alleine für die Instandhaltung des Anwesens. Kaibas Villa war zwar imposant, doch ihr fehlte dieses erhabene, altertümliche Etwas, das einen mit Ehrfurcht auf dieses Bauwerk starren ließ.
 

Eine ganze Reihe von Anzugträgern stand Spalier, bis hin zu den Stufen, die hinauf zum Schloss führten. Sie alle trugen getönte, schwarze Brillen, eine schwarze Krawatte und weiße Hemden, deren gestärkte Kragen perfekt auf ihren Sakkos ruhten. Den beiden Kaibas war so ein Empfang wohl schon bekannt, mir jedoch verschlug er die Sprache. Der Boden unter unseren Füßen war angenehm warm, und ich begriff auch warum: Man beheizte den Gehweg.
 

„Mister Pegasus freut sich, Sie hier begrüßen zu dürfen“, begrüßte uns ein älterer Herr, mit leicht ergrautem Haar, Schnauzer und Seitenscheitel. Auch er trug eine getönte Brille. Höflich verbeugte sich der Mann vor uns, wobei sein Blick vor allem an mir hängen blieb. „Ersparen Sie uns das übliche Gerede, Croquet – bringen Sie uns lieber auf unsere Zimmer“, entgegnete Kaiba in einem monoton-genervten Tonfall. Croquet nickte leicht und bedeutete uns zu folgen.
 

Das Schloss selbst gestaltete sich als genauso imposant, wie es von außen wirkte. Nachdem wir das Metalltor durchschritten hatten, wurden wir durch einen großen Innenhof geführt. Einem Wirrwarr aus Gängen folgend, in dem ich die Vermutung hegte, dass Pegasus ein großer Freund der Kunst war (dutzende, teils altertümliche Bilder hingen an den Wänden, Vasen standen auf Marmorsockeln, und die Tapeten waren reichhaltig verziert worden), hielten wir vor zwei Türen aus Mahagoniholz. Goldene Namensschilder wiesen uns die jeweiligen Zimmer zu. Meines war das Linke, während Mokuba und Seto das Rechte bekamen.
 

„Der Empfang erfolgt pünktlich um neunzehn Uhr. Es gilt Abendkleidung. Einen angenehmen Abend wünsche ich.“ Croquet neigte sein Haupt und ließ uns dann alleine. „Ähm, unser Gepäck?“, fragte ich zögerlich, was Kaiba aber mit einer Geste abtat. Schweigend verschwand er in seinem Zimmer, und ließ mich und Mokuba alleine. „Was hat er denn?“, fragte ich den kleineren Kaiba, der sich ebenfalls komisch verhielt. Stumm öffnete er meine Zimmertür. Ich schrägte den Kopf. Ich hatte ja damit gerechnet, dass es kein Urlaub werden würde, aber das fing ja schon einmal gut an.
 

Ich folgte Mokuba und begutachtete meine Unterkunft für die nächsten Tage. Auch hier hatte eindeutig Pegasus zugeschlagen. Überall hingen Bilder in Goldrahmen, die lila Vorhänge waren aus schwerem Samt, genauso wie der Überzug und die Decke des Doppelbettes. Man hatte auch einen Schreibtisch samt Laptop, Fernseher und Sofa in dem geräumigen Zimmer platziert. Ein großer Schrank stand neben einer weiteren Tür, die ich als Zugang zum Badezimmer vermutete.
 

Mokuba saß mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck auf dem Bett und starrte gegen die Wand. Was war mit den beiden Kaibas los? „Mokuba?“, fragte ich leise. Keine Reaktion. Irgendetwas hatte beide aus der Bahn geworfen. Sollte ich mich einmischen? Beim großen Kaiba sicher nicht, der war alt genug, und würde mich maximal mit einem verächtlichen Blick strafen, aber Mokuba war nicht so. „Ich muss schließlich meine großen Brüder anfeuern“, geisterten mir seine Worte durch den Kopf. War es nicht die Pflicht eines großen Bruders, sich um sein kleineres Geschwisterchen zu kümmern? Hatte ich das nicht auch getan, als ihn Meis Schwester abserviert hatte?
 

Vorsichtig setzte ich mich neben Mokuba und beobachtete ihn, wie er mit seinen Fingern nervös spielte. Ich zögerte einen Moment, dann nahm ich ihn in die Arme und zog ihn auf meinen Schoß. Sanft streichelte ich ihm durch die Haarmähne und hielt ihn fest. Schweigend saßen wir so da, und wippten langsam vor und zurück. Nach einer Weile entschloss ich mich doch dazu, einen weiteren Versuch zu unternehmen, zu dem Kleinen durchzudringen: „Mokuba?“ Tatsächlich konnte ich ein leises Schluchzen hören.
 

„Möchtest du mir erzählen, was dich bedrückt?“, fuhr ich fort, und wiegte ihn sanft hin und her. „D-Das ist eine l-lange Geschichte, die ich nicht unbedingt er-erzählen möchte“, antwortete er mir. Ich nickte und setzte das Wiegen fort. „Das musst du auch nicht, aber vergiss nie, dass ich immer für dich da bin, ja?“ Wir saßen noch eine Weile so da, bis sich Mokuba einigermaßen beruhigt hatte. Lächelnd hielt ich ihm meinen Ärmel hin, um sich die Tränen abzuwischen. „Mischen wir nachher den Empfang auf?“, fragte ich aufmunternd. Der kleine Kaiba schniefte lautstark. „Hälst du mir den Mund zu, wenn ich im Begriff bin, Mist zu reden?“ Tatsächlich konnte ich ihm ein seichtes Grinsen abringen. „Das ist mein Ernst“, fuhr ich fort, und wurde sogleich ins Bett gedrückt. „Unfair“, lachte ich, während ich versuchte, den kleinen Wirbelwind von mir herunterzubekommen. Sein Lachen war wieder zurückgekehrt, was mich ungemein beruhigte.
 

Man brachte uns das Gepäck nach. Um achtzehn Uhr begab ich mich ins Badezimmer, um mich frisch zu machen, etwas Deo aufzutragen und schlussendlich in meinen Smoking zu schlüpfen. Als ich nach draußen kam, war Mokuba bereits umgezogen: Er trug einen gänzlich weißen Anzug, mit rosa Hemd, lila Gilet und blauer Krawatte. „Du hast dich ja fein rausgeputzt“, schmunzelte ich. Das Teil hatte sicher ein Vermögen gekostet. Mokuba winkte nur mit der Hand ab: „Was denkst du, was ich bei den Sitzungen der Kaiba Corp trage?“ Diese Frage hatte ich mir tatsächlich noch nie gestellt. Ich konnte mir Mokuba noch immer nicht als stellvertretenden Chef der Kaiba Corporation vorstellen, wobei dies auch bei seinem Bruder teilweise sehr schwierig war.
 

Die Tür ging auf, und der große Kaiba betrat mein Zimmer. Er trug einen blauen Nadelstreifenanzug, samt weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Seine eisblauen Augen wirkten noch kälter als sonst, und sein Blick zeugte von einem gewissen Maß an Anspannung. „Seid ihr fertig?“, fragte er. Sowohl Mokuba, als auch ich, nickten. Schweigend folgten wir dem CEO, der sich hier außerordentlich gut auszukennen schien. Wir nahmen mindestens ein Dutzend Abzweigungen, und ich war mir sicher, später nicht mehr auf mein Zimmer zu finden.
 

Kaiba stieß energisch zwei schwere Flügel einer Eichentüre auf und wir betraten einen großen Ballsaal. Kronleuchter aus Kristall und Gold hingen an der Decke. Ein Streichquartett beglückte die Gäste mit irgendeinem klassischen Musikstück. Das Parkett unter unseren Füßen knarzte ein wenig, bis wir zu dem langen, roten Teppich gelangten, der unsere Schritte dämpfte. Schlagartig hatte unser Trio die Aufmerksamkeit des gesamten Raumes auf sich gezogen.
 

Ein schlanker Mann mit langem, grauem Haar, das einen Teil seines Gesichts bedeckte, kam auf uns zu. Er trug einen roten Anzug mit weißen Lackschuhen. Sein Lächeln hatte etwas Eigenartiges an sich. Es wirkte nicht falsch, aber auch nicht sonderlich ehrlich. Mir wurde schlagartig unwohl, als sich der Fremde zu uns gesellte. „Ah ja, Kaiba Boy, wie schön, dass du es einrichten konntest. Wenn das nicht der kleine Mokuba ist?“ Seine Stimme war zuckersüß, und innerlich klingelten sämtliche Alarmglocken bei mir. Der Blick meiner Begleiter verhärtete sich. Mokuba ging automatisch einen Schritt zurück, und stellte sich hinter uns, fast so, als ob er Schutz suchen würde. Als die erwarteten Reaktionen wohl ausblieben, wandte sich der Fremde mir zu und musterte mich eingehend. „Ah ja, du musst Kaibas Teampartner sein. Ich bin äußerst neugierig. Mit wem habe ich das Vergnügen?“
 

„Ich ähm, mein Name ist David“, begann ich, wurde aber harsch von Kaiba unterbrochen. „Du hast ihm die Einladung doch persönlich ausgestellt, Pegasus. Spar dir deine Spielchen.“ Mir stockte der Atem: Das da vor mir war also wirklich Maximillien Pegasus, der Erfinder von Duel Monsters. Ein verächtlicher Laut kam über Pegasus´ Lippen: „Nanana, Kaiba, lass mich ein guter Gastgeber sein.“ Der Chef von Industrial Illusions wandte sich nun voll und ganz mir zu. Einem der vorbeigehenden Angestellten nahm er zwei Rotweingläser ab, wobei er mir eines reichte. „Gehen wir ein Stück?“, fragte er mich. Ich nickte zögernd; etwas an ihm beunruhigte mich. Die Blicke, die auf uns ruhten, verunsicherten mich zusätzlich.
 

Pegasus führte uns zu einer nahegelegenen Ledercouch und setzte sich. Einladend klopfte er neben sich und schwenkte sein Rotweinglas ein wenig. Ich setzte mich neben unseren Gastgeber und nippte hastig am Glas, um ihm nicht direkt in die Augen schauen zu müssen. Dieser lächelte nur und überschlug die Beine. „Ich bin besonders auf deine Performance gespannt, David. Wer mit Kaiba spielen darf, der muss entweder sehr gut sein, oder sehr starke Nerven besitzen.“ Ich schluckte schwer und nickte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieser Mann in mein tiefstes Inneres blicken konnte. Ich fühlte mich wie ein offenes Buch. „Nun, wissen Sie, Herr Pegasus, ich bin ein eher durchschnittlicher Duellant. Wenn wir gewinnen, dann haben wir das alleine meinem Partner zu verdanken.“ Pegasus warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Bescheiden auch noch? Tugendhaft, wirklich. Solche Eigenschaften sind heutzutage rar geworden.“ Ich versuchte meine Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen.
 

„Ich glaube, in dir steckt weit mehr, als du zugeben möchtest“, kicherte der Grauhaarige und starrte dabei äußerst auffällig auf meine Brust, dort, wo der Milleniumsring ruhte. „Für dich und Kaiba habe ich mir ein besonderes Pairing ausgesucht“, schmunzelte Pegasus amüsiert und nippte dann an seinem Glas. „Haben Sie?“, fragte ich unsicher. Meine Frage wurde mit einem Nicken beantwortet. „Ich bin gespannt, ob Kaiba gelernt hat, im Team zu spielen, oder ob er noch immer glaubt, alles alleine regeln zu müssen. Der Preis ist natürlich dementsprechend, sodass Kaiba nicht wiederstehen kann.“ Preis? Erneut schluckte ich lautstark. Welcher Preis? „Darf ich fragen, was Sie vorbereitet haben?“ Pegasus schüttelte schmunzelnd den Kopf: „Das ist eine Überraschung.“ Gerade, als ich etwas erwidern wollte, trat Kaiba an uns heran. Mit einem leichten Nicken bedeutete er mir, mich zu verdrücken. Nichts lieber als das! Ich verabschiedete mich flüchtig von Pegasus, bevor ich mich auf die Suche nach Mokuba machte.
 

Ich konnte ihn, am Rand der Feierlichkeiten, ausmachen. Er hielt einen Teller mit Häppchen in den Händen, wovon ich mir sogleich eines schnappte. „Na? Hat dich Pegasus endlich aus seinen Fängen entlassen?“, fragte mich der Kleine. „Nun, die Formulierung trifft es so ziemlich. Ich habe keine Ahnung warum, aber etwas an ihm macht mich nervös.“ Mokuba genehmigte sich auch einen Happen, bevor wir unser Gespräch weiterführten. „Natürlich macht er das. Glaube mir, er ist ein ziemlich mieser Zeitgenosse.“ Ich zog die Augenbrauen in die Höhe: „Was machen wir dann hier?“ Mokuba hielt mir den Teller hin, während er sprach: „Industrial Illusions ist noch immer ein Name im Segment, das die Kaiba Corporation bedient. Pegasus veranstaltet jährlich solche Feierlichkeiten, und wir gehen jährlich hin.“ Was der Kleine sagte, ergab durchaus Sinn. Auch wenn die Holotechnologie von Industrial Illusions schon längst veraltet war, so waren sie noch immer Marktführer bei der Erzeugung von Duel Monsters Karten. „Ich bin froh, wenn dieser ganze Trubel vorbei ist.“ Mokuba schien es ähnlich zu ergehen.
 

Ungefähr um zehn Uhr holte uns Kaiba wieder ab. Ich war bis dahin gezwungen gewesen, mich mit einigen, teils äußerst schmierig wirkenden Personen, zu unterhalten, die mich über mein Privatleben ausquetschten. Meist half mir Mokuba aus der Klemme, und lenkte das Gesprächsthema auf irgendwelche Geschäfte der Kaiba Corporation. Ich war froh, als die Tür hinter uns zufiel, und wir alle drei in meinem Zimmer waren. „Was hat Pegasus zu dir gesagt?“, fragte Kaiba, sobald wir uns im Raum befanden. „Nichts, er hat nur ein wenig von mir geschwärmt, und gemeint, er wäre auf meine Performance gespannt. Weißt du etwas von einem Preis?“ Der CEO verschränkte die Arme vor der Brust. Man konnte ihm ansehen, wie es in seinem Kopf ratterte. „Nein, und so wie ich Pegasus kenne, wird die Enthüllung ein besonderes Spektakel werden.“ Ich seufzte leise und rieb mir mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen. „Gute Nacht, ihr zwei“, sagte Kaiba noch, bevor er verschwand. Ihr zwei?
 

„Es stört dich nicht, wenn ich heute bei dir schlafe, oder?“, fragte Mokuba. Ich schüttelte leicht den Kopf. Eigentlich war ich sogar froh, den Kleinen um mich zu haben. Wir machten uns bettfertig, quatschten noch eine Weile über den Abend, bis sich der kleine Quälgeist an mich schmiegte und die Augen schloss. Nach kurzer Zeit war er auch schon eingeschlafen. Nachdenklich beobachtete ich meinen „kleinen Bruder“, wie er an mir klebte, eine Hand um mein Schlafshirt geschlungen. Sollte ich noch einmal nach dem Handy greifen, um nachzusehen, ob Joey und Serenity bereits glücklich vereint waren? Dann hätte ich den Zwerg aber sicher geweckt. Stattdessen zog ich die Decke ein wenig weiter nach oben und drehte den Kopf zur Seite. Auch wenn der Tag insgesamt anstrengend und auch ein wenig gruselig war, so hatte ich doch das Gefühl, zumindest hier, in diesem Zimmer, Ruhe und Frieden gefunden zu haben. Mit diesem Gedanken, und einem Lächeln auf den Lippen, schlief ich ein.



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