Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 52: Reise ins Königreich der Duellanten ----------------------------------------------- Ich schlief die letzte Nacht vor der Abreise äußerst schlecht. Immer wieder geisterten mir verschiedene Bilder durch den Kopf. Einmal, wie ich bereits in der Vorrunde sowohl Kaiba, als auch mich ins Abseits beförderte, dann wie Mokuba sich beschämt von mir abwandte, alle über mich lachten. Mehr als einmal ertappte ich mich dabei, wie ich nach dem Milleniumsring griff und leise seufzte. Mahads Präsenz erzielte auch nicht die tröstende Wirkung, die ich mir herbeisehnte. Als um sieben Uhr der Wecker klingelte, stand ich kraftlos auf. Ich frühstückte kurz, machte mich frisch, und kontrollierte noch einmal meine Koffer. Ich hatte alles Nötige dabei. Für die Reise lagen Kopfhörer und ein MP3-Player bereit, nebst Block und Stift. Vielleicht half es, meine Gedanken zu Papier zu bringen. Ich schreckte hoch, als es klingelte. In der Tür stand ein hochgeschossener, drahtiger Kerl, rasiert, in schwarzem Smoking und Sonnenbrille: „Herr Kaiba wartet bereits im Auto auf Sie. Ich wurde angewiesen, Ihnen mitzuteilen, dass Sie Ihr Kostüm vom Schulball mitnehmen sollen.“ Ich schrägte den Kopf und starrte den Hünen fragend an. „Eine Anweisung von Herrn Kaiba. Sind das Ihre Koffer?“, fragte er und deutete mit dem Kopf in Richtung meiner Sachen. Ich nickte zögerlich. Kurzerhand schnappte er sich das Gepäck und trug es nach draußen. Vor meiner Wohnung parkte eine schwarze Limousine. Leise seufzend hastete ich noch einmal ins Schlafzimmer, kramte das Kostüm hervor, schnappte mir Handy und MP3-Player und huschte ins Auto. Kaum eingestiegen, fiel mir Mokuba schon um den Hals. Ich klopfte ihm auf den Rücken und sah mich um. Vom großen Kaiba war weit und breit keine Spur. „Hey David! Na, alles klar?“ Ich nickte leicht und schnallte mich an: „Ja, geht schon. Ein wenig nervös. Wo ist denn dein Bruder?“ Mokuba setzte sich mir gegenüber hin und grinste breit: „Er wartet am Flughafen. Warum bist du denn nervös?“ Ich musste mich beherrschen, nicht mit den Augen zu rollen: „Wenn ich das hier vergeige, dann wird mich dein Bruder schlimmer piesacken als er es mit Joey tut.“ Der kleine Wirbelwind grinste noch breiter und lehnte sich entspannt zurück: „Ach was. Du spielst gut, außerdem braucht Seto sowieso niemanden, um zu gewinnen.“ Mit einem leisen „Mh“ griff ich nach einer der Wasserflaschen, die sich in den Getränkehaltern befanden. Langsam rollte der Wagen weg und ich beobachtete das Gebäude meiner Wohnung, wie es immer kleiner wurde. „Ich feuere dich aber trotzdem an, ja?“ Ich verschluckte mich beim Trinken. Was hatte er gesagt? „B-Bitte?“, keuchte ich und klopfte mir auf die Brust. Mokuba lächelte breit und hielt mir ein Taschentuch hin. Kaiba hatte wohl echt alles in seinen Wagen. „Ich habe gesagt, ich werde dich anfeuern.“ Geräuschvoll säuberte ich mir die Nase. „Heißt das, du kommst mit?“ Ein eifriges Nicken bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen. Wie kam Kaiba auf die Idee, dass Mokuba bei so einer Veranstaltung dabei sein musste? „Klar, ich muss schließlich meine zwei großen Brüder anfeuern!“ Der Satz schaffte es seltsamerweise, mich ein wenig zu beruhigen. „Wann startet denn unsere Maschine genau, Mokuba?“ Der kleine Frechdachs bedachte mich mit einem Blick, der mich an meine Mutter erinnerte, wenn ich etwas äußerst Dummes gefragt hatte. „Wenn wir da sind“, beantwortete Mokuba meine Frage und griff nach einer zweiten Wasserflasche. „Aha, gehört die Fluggesellschaft auch deinem Bruder, oder warum?“ Ich wischte mir ein letztes Mal über die Nase und griff wieder nach meinem Wasser. Dieses Mal würde ich auf den nächsten Bock, den die Kaibabrüder schossen, gefasst sein. „Nein, aber der Jet“, entgegnete Mokuba lapidar und griff in eines der Fächer, die sich in der Lehne versteckten. Er zog einen Handheld heraus und widmete diesem seine Aufmerksamkeit. Wir flogen also in einem Privatjet. Interessant. „Wer einmal einen von den Beiden an Land zieht, der hat wahrlich ausgesorgt“, ging es mir durch den Kopf. Kaiba hatte wirklich alles, was man sich wünschen konnte, und noch mehr. Warum er keine Freundin hatte, war mir ein Rätsel. Gerade in der heutigen Zeit waren Geld und Erfolg wichtiger, als Charakter und innere Werte. Wahrscheinlich lag es einfach an seiner unausstehlichen Art, und der Tatsache, dass ihm außer Mokuba niemand etwas zu bedeuten schien. „So war er schon immer“, meldete sich Mahad in meinem Kopf. „Seine vorigen Leben waren ähnlich. Erfolg und die Scheu, auf andere angewiesen zu sein, haben deinen Freund auch in den vorigen Leben geprägt. Er besitzt aber einen sehr weichen Kern, den er nur manchmal an die Oberfläche lässt, und dies auch nur gegenüber eingeweihten Personen.“ Ich tippte mir ans Kinn und beobachtete Mokuba, wie er energisch irgendetwas über den Haufen schoss. „Stehst du mir eigentlich beim Duellieren dann bei?“, fragte ich Mahad in Gedanken. Dieser antwortete warm: „Natürlich. Wir sind eins. Mach dir keine Sorgen, du warst beim Spiel der Schatten immer ein Favorit. Es gab nur wenige, die sich mit dir messen konnten.“ Ich, du, wir; mich verwirrte dieses Hin und her zugegebenermaßen. Jedenfalls war ich nicht komplett alleine. Nach einer guten halben Stunde erreichten wir den Flughafen. Wir wurden vom Fahrer und dem Hünen begleitet, die meine und wohl auch Mokubas Sachen schleppten. In der Eingangshalle war ein reger Andrang. Es war schönes Wetter, und nur wenige Flüge hatten Verspätung. Dementsprechend war das Gewusel um uns herum. Die einzelnen Gates waren rappelvoll, und es gab nur mehr wenige Sitzmöglichkeiten. Lange Schlangen hatten sich vor den Informationsschaltern und dem Check-in gebildet. Mokuba ging zielstrebig an der Menschenmenge vorbei. Als wir auch die First-Class Lounge hinter uns ließen, war ich sichtlich verwirrt. Wir hielten erst vor einem menschenleeren Schalter an, hinter dem eine junge, blonde Frau saß. Mokuba hielt ihr zwei Karten hin, die sie kurz begutachtete und uns lächelnd weiterwinkte. Keine Pass- oder Gepäckkontrolle, nichts. Wir marschierten durch einen leeren Gang, und erreichten einen Hangar, in dem ein Jet stand, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Die Außenhülle war silbrig-weiß. An den Turbinen waren Krallen montiert worden, und die Flügel in Schuppenform lackiert worden. Die Spitze des Jets war ins Maul eines Weißen Drachens eingelassen worden. Groß prangte „KC“ in schwarzer Schrift auf der Seite des Flugzeugs. Mit offenem Mund begutachtete ich das Teil. „Worauf wartest du? Komm, Seto wird sonst ungeduldig“, winkte mich Mokuba mit sich. Konnte dieses Ding überhaupt fliegen? Was hatte es gekostet, den Jet so zu modifizieren? Ich schüttelte den Kopf und folgte unserem kleinen Führer in den Jet hinein. Natürlich hatte man hier keine Kosten und Mühen gescheut. Eierschalenförmige Sessel, die wohl ein Vermögen gekostet haben mussten, gliederten sich perfekt in das Innenleben des Flugzeugs ein. Eine kleine Couch war vor einem Flachbildfernseher aufgestellt worden. Ich konnte auch eine Mini-Bar erkennen. Dunkles Holz schmiegte sich an die Innenverkleidung des Jets und verlieh dem Ganzen noch einen zusätzlichen, edlen Schliff. Man hätte hier zweifelsohne auch wohnen können. An einem Tisch saß Kaiba mit einer älteren Frau und einem älteren Herrn, die sich angeregt zu unterhalten schienen. Beide machten sich Notizen, während Kaiba gestikulierte und ruhig irgendetwas näher ausführte. „Seto? Wir sind da, ich sage dem Piloten, dass er starten kann“, sagte Mokuba und flitzte ins Cockpit. Kaiba nickte mir kurz zu und bedeutete dann, neben ihm Platz zu nehmen. Alle drei hatten jeweils ein Kristallglas neben sich stehen, in dem eine bernsteinfarbene Flüssigkeit schwappte. „Das ist mein Partner für das diesjährige Duell im Königreich der Duellanten“, führte Kaiba aus und schnippte kurz. Aus dem Nichts erschien ein Kellner. „Was darf ich dem jungen Herren bringen?“, fragte er mich freundlich. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete ich, wie mich die anderen Beiden musterten. „Ähm, haben Sie vielleicht für mich auch so einen…“ ich sah dabei auf Kaibas Glas. „Natürlich, ein Bourbon. Ich kann Ihnen aber auch eine Spezialität aus Ihrer Heimat anbieten.“ Was? „Also, gut, dann, nehme ich das?“ Der Mann nickte und verschwand. „David?“ Kaibas Stimme ließ mich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Trio lenken. „Das hier sind Frau Mizukawa und Herr Oikawa, meine PR-Leiterin und mein Marketing-Leiter. Ich möchte diese Veranstaltung nutzen, um einige Leute für ein Projekt als Investoren zu begeistern.“ Ich nickte schluckend. Das konnte ja heiter werden. „Hast du das Kostüm mitgebracht?“ Wo hatte ich das Ding gelassen? Nicht etwa im Auto, oder? Mokuba kam aus dem Cockpit und kramte in meinem Rucksack. „Ich habe es dir in deine Sachen gepackt, als du gedöst hast.“ Ich hatte gedöst? Wann? Jedenfalls zog der kleine Kaiba mein Kostüm aus dem Rucksack und hielt es den Beiden hin. Der CEO nippte inzwischen an seinem Glas. „Wie Sie sehen, möchte ich auf die Synergie zwischen Schwarzem Rotaugendrachen und Weißem Drachen mit Eiskaltem Blick hinweisen.“ Er wollte was? Was ging mich das alles überhaupt an? Ich war froh, wenn ich dieses Duell irgendwie über die Bühne bringen konnte, ohne uns knietief hineinzureiten. Der Kellner erschien wieder neben uns, und stellte mir auch ein Glas hin; meine Flüssigkeit war aber durchsichtig. Ich schnupperte daran, ehe ich vorsichtig am Glas nippte. Der Geschmack war unverkennbar. Exzellent gebrannt, leicht süßlich, mit fruchtiger Note. Das übliche Nachbrennen blieb aus. „Woher haben Sie bitte…“, begann ich, wurde aber von Kaiba unterbrochen. „Entspricht er deinen Erwartungen, oder muss ich den Verkäufer wirtschaftlich ruinieren?“ Ich schüttelte den Kopf. Das war der beste Heidelbeerschnaps, den ich jemals probiert hatte. Der Kellner verbeugte sich lächelnd, und ließ uns wieder alleine. Mokuba hatte inzwischen auf der Couch Platz genommen, und spielte mit Kopfhörern an seinem Handheld weiter. „Die Signaturkarte von Herrn Pirchner wird der Schwarze Rotaugendrache sein. Ich möchte auch, dass unser Team so angemeldet wird“, sagte Kaiba und schob die Finger ineinander, während er sich im Stuhl zurücklehnte. Herr Oikawa und Frau Mizukawa schrieben mit und verunstalteten ihre Tablets mit wüsten Kritzeleien. „Sie werden der Presse mitteilen, dass dieser Sieg durch eine ausgezeichnete Kooperation und Training mit mir, als auch mit Yugi Muto, zustande gekommen ist. Herr Pirchner wird als mein Protegé auftreten.“ Würde ich das? Was faselte Kaiba da eigentlich? „Haben Sie vielleicht auch die Möglichkeit, Ihre Monster zu kombinieren, Herr Kaiba? Also eine Fusion aus Schwarzem Rotaugendrachen und Weißem Drachen mit Eiskaltem Blick?“, fragte Frau Mizukawa, wurde sogleich aber unter Kaibas strengem Blick ganz klein. „Meines Wissens nach besitzt Herr Pirchner den Soldaten des Schwarzen Lichts. Den hast du doch noch in deinem Deck, oder, David?“ Mir gegenüber war Kaiba sogleich wieder normal kühl, fast schon ein wenig freundlich. Ich nickte auf die Frage hin. „Drucken Sie auf die Plakate den Meister der Drachenritter. Das sollte genügen.“ Beide nickten eifrig. „Herr Kaiba, wir wollten Sie noch darüber informieren, dass Ihr neues Videogame ein voller Erfolg zu werden verspricht. Das Cover kommt sehr gut an, und die Anfragen, wann das Spiel denn releast wird, überschlagen sich.“ Kaiba nickte nur kurz und bedeutete dann den Beiden, zu verschwinden. Ich nippte wieder an meinem Glas und bemühte mich, nicht laut aufzuschreien. Als ob der Druck nicht schon groß genug wäre, auch ohne Kaibas wahnsinnige PR-Vorstellungen. „Ich würde gerne mit dir kurz das Programm durchgehen“, sagte der CEO und griff unter den Tisch. Aus einer kleinen Schublade zog er ein mehrseitiges Dokument, dessen Titelseite ein Cartoonhase zierte, der wahnwitzig lachte und dabei seine Zunge herausstreckte. „Wir haben Zimmer nebeneinander. Heute Abend wird es einen Empfang geben, bei dem du mich begleiten wirst. Wenn man dir Fragen stellt, kannst du ruhig ehrlich sein, aber stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Pegasus wird dich sicher nicht aus den Augen lassen. Verrate ihm nicht zu viel von dir, und lasse dich nicht von seiner Art vereinnahmen.“ Kaiba blätterte durch das Programm und erklärte mir den Tagesablauf. Das Duell würde erst übermorgen stattfinden, vorher gab es einige Schauduelle. „Pegasus´ Eliminatoren werden paarweise gegen die anderen Bewerber antreten. Keine Angst, du spielst immer mit mir, dir kann nichts passieren.“ Was war mit Kaiba los? Er war zwar noch immer kühl und distanziert, abgehoben und narzisstisch, aber irgendwie schien er sich auch ein wenig Gedanken um mich gemacht zu haben. Er ging mit mir die einzelnen Gegner durch. Jeder hatte ein Profil bekommen, nebst Kartenaufstellung, Spielstil und so weiter. „Du spielst wie gewohnt, ja?“ Ich nickte leicht. „Wenn die Schauduelle vorbei sind, gibt es noch ein kleines Interview und dann das Abendessen. Die Leute von der Presse werden uns belagern; ich werde das Reden hauptsächlich übernehmen. Sollte man dir zu unangenehme Fragen stellen, gibst du mir ein Zeichen.“ Erneut bedachte ich Kaiba mit einem Nicken. „Das wäre dann soweit alles. Hast du noch Fragen?“ Ich schüttelte den Kopf und schluckte lautstark. „Du machst dir zu viele Sorgen, Kleiner. Yugi meinte, du wärst ein guter Duellant, natürlich nicht mit mir zu vergleichen, aber immerhin kein komplett nutzloser Klotz am Bein.“ Kaiba verstaute die Einladung wieder in der Schublade und stand auf. „Wheelers Schwester müsste in zwei Stunden am Flughafen ankommen. Soweit ich informiert bin, ahnt er noch nichts. Stelle aber bitte dein Handy für die nächsten Tage auf lautlos. Es gibt nichts Peinlicheres, als ein klingelndes Handy während eines Interviews.“ Damit verschwand auch Kaiba. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Zumindest Joey würde sich über sein Geschenk freuen können, das war es wert gewesen. Mokuba zog mich an den Armen auf die Couch, während er mir einen Controller in die Hand drückte. Dieser Jet war sogar mit einer Spielkonsole ausgestattet. Wir prügelten uns gegenseitig das Hirn aus dem Leib, wobei ich mir unter wüsten Beschimpfungen Mokubas, ein Grinsen abringen konnte. Für einige Zeit war das Duell vergessen. Ein köstliches Mittagessen später (Steak mit Kartoffeln, dazu Kakao, der ein wenig seltsam schmeckte), zog mich Mokuba wieder auf die Couch. „Du solltest noch ein wenig schlafen, du siehst furchtbar aus“, grinste er und hielt mir eine Decke hin. „Na danke auch“, murrte ich gespielt und zerstrubbelte dem Frechdachs das Haar. Der kicherte nur und bequemte sich an mein Fußende, wo er weiterzockte. Ich dämmerte tatsächlich ein wenig weg, und verschlief so den Rest des Fluges. Unsanft wurde ich geweckt, als mich Mokuba daran erinnerte es sei Zeit, sich anzuschnallen, wir würden gleich landen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch nahm ich Platz. Kaiba gesellte sich ebenfalls zu uns und sah dezent genervt auf seine Armbanduhr. Laut quietschend setzten wir auf der Landebahn auf. Es war draußen mittlerweile dunkel geworden. Die Maschine wurde langsamer und endlich öffnete sich die Tür zum Aussteigen. Nun gab es also kein Zurück mehr: Ab in den Wahnsinn, und zur größten Blamage meines Lebens. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)