Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 51: Joeys Weihnachtsgeschenk ------------------------------------ Stöhnend drehte ich mich in meinem Bett herum und griff nach dem Handy. Das Display verriet mir, dass es sieben Uhr morgens war. Ein Blick über die Schulter offenbarte Joey, der seelenruhig schlief. Lächelnd musste ich dem Drang widerstehen, ihm eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Unglaublich, dass ich vor einem Jahr noch nicht einmal ansatzweise an ihn gedacht hatte. Wie wäre wohl mein Leben verlaufen, wenn ich nicht nach Japan gereist, oder an eine andere Schule gegangen wäre? Leise stand ich auf und streckte mich. Ich schlich aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, um Joey ein Geschenk zu besorgen, oder besser gesagt, eines zu basteln. Ich wollte meinem Freund wirklich nicht nur etwas „Gekauftes“ schenken. Mir geisterte schon seit einigen Tagen eine Idee im Kopf herum, die ich nun zu Papier bringen wollte. So wie ich Joey kannte, würde er vor neun sowieso nicht wach werden, also blieb mir genügend Zeit. Im Halbschlaf ging ich zum Küchentisch und schnappte mir Block und Stift. Was sollte ich nun also schreiben? Einen klassischen Text? Nein, das war viel zu anspruchslos. Einen Liebesbrief? Zu kitschig. Ein Gedicht? Vor meinem geistigen Auge sah ich mein jüngeres Ich vor dem Laptop sitzen, eine durchzechte Nacht hinter mir. Mein Herz schlug mir bis zum Halse, während ich immer wieder einzelne Wörter eintippte, nur um sie frustriert zu löschen. Entschieden schüttelte ich den Kopf und kehrte in die Gegenwart zurück. „Für den Jungen, den ich über alles liebe“ – schrieb ich als Titel. Geistesgegenwärtig nickte ich und machte mich an die Arbeit. Nach gefühlten Stunden war ich fertig und einigermaßen zufrieden. Ich lehnte mich im Stuhl zurück und begutachtete mein Werk eingehend. Dieses Mal war ich nicht so verkrampft gewesen, so fixiert darauf, jemanden zu gewinnen; ich hatte schließlich schon die Liebe meines Lebens an meiner Seite. Ohne Joey wäre mein Leben sicher nicht so glücklich, wie es gerade gewesen ist. „Jeder Moment, den wir beisammen sind fühlt sich an wie der wärmend´ Wind, der mein Haar zärtlich zerzaust, aber auch so stürmisch sein kann, wie deine Faust Joseph Wheeler, meine große Liebe, mein Herz von dir getrennt zu sein, ist ein unerträglicher Schmerz. Ohne dich ist mein Leben sinnlos und leer jede Hürde gleich zehnmal so schwer. Ich trage dich immer nah bei mir, Gedanken, Worte, Gefühle, sie gelten nur dir. Ich liebe dich ohne Unterlass, denn du hast befreit mein Herz von großem Hass. Dieser Hass hat mich fast zerfressen, und ich hätte bald die Liebe komplett vergessen. Dieser kleine Funke der beinahe erloschen ist, ist wieder aufgekeimt, als du in mein Leben getreten bist. Du wirst immer ein Teil von mir sein, genauso wie ich sein werde immer dein. In meinem Herzen besitzt du einen Platz, den ich hüte, mehr als meinen größten Schatz. Am Ende hoffe ich, dass du glücklich bist, und mich, deinen Freund, niemals vergisst. Schmerz und Kummer möchte ich von dir nehmen denn würde ich es nicht tun, müsste ich mich schämen. Du bist immer für mich da, egal ob Tag oder Nacht, hältst über mich deine gütige Wacht. Eines Tages möchte ich dir deine Liebe zurückgeben denn sie ist mehr als nur ein wundervoller Segen.“ Lächelnd lehnte ich mich im Stuhl zurück und wischte mir eine Träne aus dem Gesicht. Was war nur los mit mir? „Das frage ich mich auch“, hörte ich vom Schlafzimmer her, was mich aufschrecken ließ. Hatte ich mit mir selbst gesprochen? „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Joey, der langsam auf mich zukam. Er trug das gleiche, geborgte, schwarze Shirt und die passende Jogginghose dazu, als er mich von hinten in den Arm nahm. Ich schmiegte mich an Joeys Brust und sah nach oben: „Nichts Wichtiges. Wie hast du geschlafen?“ Meine Hände wanderten automatisch zu den Seinen, auf denen ich sie drapierte. „Gut, wie immer, wenn du bei mir bist“, antwortete mein Freund und belohnte mich mit einem Kuss auf die Stirn. „Joey?“, fragte ich leise und schloss die Augen, ob des Gefühls seiner weichen Lippen auf meiner Haut. „Hm?“, säuselte er und strich dabei langsam an meiner Wange entlang. „Versprichst du mir etwas?“ Ein leises Brummen signalisierte Zustimmung. „Stell keine Dummheiten an, während ich weg bin, ja?“ Ein sanftes Boxen gegen meine Schulter stimmte mich zufrieden. Während Joey duschen war, riss ich den Zettel mit dem Gedicht aus dem Block. Sauber gefaltet klemmte ich ihn zwischen die Schlaufe, die Herr Muto um die eingepackte Karte gewickelt hatte. Ich räumte noch den Tisch ab. Als der letzte Teller sauber abgespült und getrocknet im Schrank verschwand, ging die Badezimmertür auf, und mein Freund kam fix fertig, mitsamt Kostüm, ins Wohnzimmer. Sein Blick hatte etwas Wehmütiges. Das hieß wohl Abschied für einige Tage. Ich seufzte innerlich, trocknete meine Hände ab und ging dann zu Joey, im Vorbeigehen sein Geschenk mitnehmend. Ich drückte die Karte gegen seine Brust und stellte mich auf die Zehenspitzen um ihn sanft zu küssen. Unsere Lippen vermischten sich für einen flüchtigen Augenblick, ehe ich mich zwang, mich von ihm zu lösen. „Frohe Weihnachten, Schatz“, murmelte ich leise. Joey sah herab und griff nach seinem Geschenk. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, was ich aber durch meinen Zeigefinger auf seinen Lippen zu verhindern wusste. „Joey, ich möchte, dass du mir jetzt einmal zuhörst und nichts sagst, ja?“ Ich holte tief Luft und senkte den Blick ein wenig. Mir war es irgendwie peinlich, und ich wusste, dass eine sanfte Röte auf meinen Wangen brannte, aber ich musste es sagen. „Joey, du bist für mich einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden.“ Langsam griff ich nach seinen Händen und führte sie, mitsamt seinem Geschenk, zu meiner Brust, dort, wo mein Herz lag. „Du hast mich aus einem Tief geholt, welches mich beinahe verschlungen hätte. Mein Leben war schwarz und grau. Es sind so viele Dinge in den letzten Jahren passiert, und manche, die haben mir beinahe meinen Lebenswillen geraubt. Es gab Tage, da wollte ich nicht mehr aufstehen, nichts mehr fühlen, nicht einmal existieren.“ Ich holte erneut tief Luft und fuhr fort, meinen Blick noch immer gesenkt haltend: „Dann seid ihr in mein Leben getreten. Mokuba, Yugi, Tea, Tristan und Co, aber keiner von ihnen hat mein Herz so berührt wie du. Aus dem hässlichen Entlein ist ein wunderschöner Schwan geworden, der sich im Spiegel ansehen und lächeln kann.“ Joeys Finger zuckten an meiner Brust. Er ließ sie aber dort ruhen. Es war endlich Zeit, Joey die Wahrheit zu sagen, meine Gefühle, meine Gedanken offen zu legen. „Joey? Ich habe furchtbar Angst dich zu verlieren, oder, dass du dich wegen mir schämst. Bitte, wenn ich wieder zurückkomme, rede mit mir. Rede über das, was bei dir zuhause abgeht, und lass mich dir helfen, denn ich liebe dich von ganzem Herzen, und ertrage es nicht, dich leiden zu sehen.“ Ich griff nach Joeys Handgelenken und küsste seine Fingerspitzen vorsichtig, während meine Augen brannten. „Wir stehen alle hinter dir, und ich möchte für dich kämpfen, für dich da sein. Wenn du es nicht kannst, so möchte ich es tun, und wenn es sein muss, dann bin ich dein Schild, der so lange standhält, bis er zerbricht. Wir haben uns einmal aus den Augen verloren – nochmal lasse ich das nicht zu.“ Beschämt drehte ich den Kopf zur Seite, nur um mich an seine Brust zu werfen und ihn zu umarmen. „Versprich mir, mich nicht zu verlassen, nicht noch einmal. Ein zweites Mal würde ich es nicht ertragen.“ Vor meinem geistigen Auge erschien Joey, wie er geschunden vor mir lag. Das Gefühl, ihn zu verlieren, hatte mich damals fast entzweigerissen. Ich wollte dieses Gefühl nie wieder spüren, nie wieder so von ihm getrennt sein. Joey strich mir durchs Haar während ich bitterlich weinte. Alles, was ich verdrängt hatte, kam nun zum Vorschein. Ich hatte Schiss davor, mich bei diesem Turnier zu blamieren, Schiss davor, kein guter Freund zu sein, Schiss davor, dass zuhause etwas passierte, was ich nicht verhindern konnte, Schiss davor, Joey zu verlieren. Meine Finger krallten sich in den Stoff von Joeys Kostüm. Jeglicher Schmerz der letzten Jahre, alle Ängste und Probleme, sie kamen genau jetzt an die Oberfläche. „Ich bin stolz auf dich“, murmelte Joey leise, und fuhr mir mit den Fingern über die verweinte Wange. „Nur wer zugibt, dass er Angst hat, kann sie bekämpfen. Ich kann es nicht, aber ich glaube es eines Tages zu können, mit dir, an deiner Seite.“ Ich schluchzte laut und drückte meine Nase an Joeys Brust. „Hätten wir uns früher kennengelernt, mein Leben wäre sicher anders verlaufen, doch ich bin dankbar, dass es jetzt passiert ist. Niemand hat mich so verstanden wie du, nicht einmal Tristan oder Yugi.“ Joey schob seine Hand unter mein Kinn und drückte es sanft nach oben. Seine Augen glitzerten ein wenig, als er zu mir herabsah: „Wenn du das Duell bestritten hast, schaust du in deinen Koffer, ins Seitenfach, ja? Aber nicht vorher. Versprichst du mir das?“ Ich nickte leicht und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. „Ich glaube an dich, David. Du wirst Pegasus aus dem Ring fegen, und selbst Kaiba in den Schatten stellen. Sieh nur zu, dass du in einem Stück wiederkommst, und das möglichst bald.“ Seine Lippen küssten meine Stirn und er wischte mir die restlichen Tränen weg. „Lache wieder, hm? Ich liebe dein Lächeln mehr, als deine Tränen. Außerdem passt das nicht zu mir, eine Heulsuse als Freund.“ Ich zitterte mit den Mundwinkeln, und boxte ihn schwach gegen die Schulter: „Blödmann“. Wir hielten uns noch eine ganze Weile in den Armen, bis sich Joey löste und tief durchatmete. Sein Blick war von Sorge geprägt, während er mir eine Strähne aus dem Gesicht strich. „Pass auf dich auf, ja? Du kannst mir Tag und Nacht schreiben, wir glauben an dich.“ Ich nickte schwach und küsste ihn zum Abschied noch einmal: „Du genauso.“ Mein Freund nickte, ehe er die Tür hinter sich schloss und eine bedrückende Stille meine Wohnung erfüllte. Der letzte Kuss brannte noch auf meinen Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)