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Eine Überraschung

Ich war gerade dabei, mir den Kopf über Mokubas Geschenk zu zerbrechen, als es an meiner Wohnungstür klingelte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es sechzehn Uhr war. In zwei Stunden würde der Ball losgehen. Ich hatte eigentlich keine große Lust, zumal ich kein Kostüm auftreiben konnte. Die, die man zu Kaufen bekam, waren einfach nur…mies. Seufzend erhob ich mich vom Schreibtisch und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, blickte ich in die breit grinsenden Gesichter von Yugi, Tea, Tristan und Joey. Sie alle waren kostümiert.
 

Yugi ging als Schwarzer Magier (was auch sonst?), Tea hatte sich als Magierin des Glaubens verkleidet, Tristan als Karbonala-Krieger, und Joey als Flammenschwertkämpfer. „Überraschung!“, riefen alle einstimmig, und drückten mich in die Wohnung zurück. Tristan und Joey hatten ein großes Bündel in den Händen. „Ähm, Leute?“, fragte ich vorsichtig, während man mich auf die Couch drückte. „Keine Widerrede, du kommst mit“, sagte Tea in einem Tonfall, der auch keine Widerworte duldete. „Ich habe ja nicht einmal ein Kostüm“, murrte ich. Joey und Tristan falteten das Bündel auf, und mir verschlug es die Sprache.
 

„Seid Ihr komplett wahnsinnig geworden?“, fragte ich und begutachtete das Kostüm mit großen Augen. „Wie?“, stotterte ich und fuhr über die Kleidung. Das war unmöglich. Es war alles dabei, sogar ein Umhang, samt Schwert und Schild. „Leute, das muss ein Vermögen gekostet haben.“ Die Vier lachten lautstark. „Gefällt es dir?“, wollte Joey mit einem breiten Lächeln wissen. Ich nickte eifrig. Wie hatten sie das überhaupt hinbekommen?
 

Vor mir lag ausgebreitet die exakte Kopie der Rüstung, die mein Vorfahre Elias du Lac einst getragen hatte. Sie sah täuschend echt aus, wie eine Plattenrüstung, und doch, sie war aus einem feinen Stoff gewebt worden. „Ihr seid ja komplett durch den Wind“, lachte ich. Ein Wappenrock war auch dabei. Drauf waren wir alle, einschließlich Mokuba, die im Kreis zueinander standen, jeder die Hand aufeinandergelegt. Groß hatten sie, in schwarzen Buchstaben, die Worte: „Freunde für immer“, eingestickt. Ich musste mich bemühen, nicht zu weinen. Das war das schönste Geschenk, welches ich jemals von Freunden erhalten hatte.
 

„Nicht weinen“, grinste Tristan und klopfte mir auf die Schulter. „Beeil dich, und zieh dich an, wir müssen rasch los.“ Ich nickte und wischte mir mit dem Ärmel über meine Augen. Hastig verschwand ich ins Badezimmer, machte mich frisch, und zog mich um. Das Teil passte perfekt. Sogar an eine Gürtelschlaufe für das Schwert hatten sie gedacht. Nachdem der Wappenrock saß, und ich Schwert und Schild am Körper trug, trat ich nach draußen, den Helm unterm Arm. Alle starrten mich mit großen Augen an, nur um dann zu applaudieren. „Steht dir wirklich“, kommentierte Tristan. „Wie habt ihr die Sachen überhaupt hinbekommen, wo gekauft?“, wollte ich wissen. „Mit viel Zeit selbst erstellt“, lächelte Tea und hakte sich bei mir ein. „Na los! Machen wir den Ball unsicher!“, rief sie theatralisch. Ich grinste und stimmte mit ein.
 

Ein riesiges Gebäude war angemietet worden. Die Tatsache, dass ein Weißer Drache und ein Rotauge die Klauen ineinandergeschoben hatten, so als ob sie ringen würden, ließ mich schmunzeln. Das war eindeutig Kaibas Handschrift, der unser Gespräch im Krankenhaus wohl tatsächlich ernst gemeint hatte. Wir gingen nach drinnen und fanden eine riesige Halle vor. Sie war gedimmt, mit bunten Lichtern versehen, während ein DJ die neuesten Hits auflegte und mixte. Jeder war verkleidet. Es gab Punsch, frisches Weihnachtsgebäck, genauso wie traditionelle, japanische Gerichte an unzähligen Tresen zu bestellen. Ein ganzes Heer an Köchen kümmerte sich um das leibliche Wohl der Schüler der Domino High. Ich nestelte ein wenig an meiner Mantelspange herum, und prüfte den Sitz des schwarzen Umhangs kurz, ehe mich Tea auch schon auf die Tanzfläche zog.
 

Ich war es nicht, der führte, im Gegenteil. Tea platzierte meine Arme auf ihren Schultern und leitete mich an. Ich war und bin noch immer ein grottiger Tänzer, was sie aber nicht zu stören schien. Kurz warf ich einen Blick zu Joey, der mir nur zugrinste, und seinen Daumen zeigte, ehe ich mich Tea zuwandte. „Sag mal David, wie hast du Kaiba dazu gebracht, dass er das mit Joeys Schwester arrangiert?“, fragte mich Tea, als die Musik ein wenig leiser und einfühlsamer wurde. „Nennen wir es Charisma“, schmunzelte ich. Sie nickte lachend und wir glitten über das Tanzparkett.
 

Nach einer Weile gesellte ich mich zu Joey und Tristan an die Bar, und übergab Yugi die Dame. Dieser errötete leicht, bevor ihn Tea an den Handgelenken auf die Tanzfläche zog. Lachend beobachten wir Yugi, der sichtlich seine Schwierigkeiten hatte, Tea so anzufassen. „Manchmal frage ich mich echt, ob er wirklich so alt ist wie wir“, grinste Joey breit und reichte mir ein Glas Punsch. „Gleiches fragen wir uns bei dir auch“, neckte Tristan seinen besten Freund, und wurde sogleich mit einem Faustschlag gegen die Schulter beglückt. „Jungs, nicht streiten, es ist bald Weihnachten“, tadelte ich meine Freunde amüsiert und nippte am Punsch.
 

Plötzlich ging sämtliches Licht aus, genauso wie die Musik langsam abklang. „Was ist jetzt los? Stromausfall?“, fragte Joey. Ich hob meine Schultern: „Eher ein Werbegag von Kaiba, denke ich.“ Meine Vermutungen waren auch richtig. Sekunden später richteten sich mehrere Scheinwerfer auf die Bühne. Kaiba wusste, wie man sich in Szene setzte. Er trug ex aequo die gleiche Rüstung wie sein Vorfahre, mit weißem Umhang, der innen eisblau ausgeschlagen war.
 

Ein Raunen ging durch die Menge, als sich neben Kaiba zwei Weiße Drachen aus dem Nichts schälten. Seine Hologramme waren so realistisch, dass die vorderen Reihen zurückzuckten. Die Monster legten ihre Häupter vor Kaiba nieder, der sich ein amüsiertes Grinsen ob der Reaktionen nicht verkneifen konnte. „Ich danke euch allen, dass ihr so zahlreich zu unserem Schulball erschienen seid, zumal in einer passenden Kleidung. Eure Kostüme sind teilweise wirklich sehr extravagant und zeugen von großem Bemühen und Handwerkskunst.“ Mir schoss mein Punsch durch die Nase, als ich Joey beobachtete, wie er sich gespielt den Finger in den Mund steckte, und so tat, als müsse er kotzen.
 

„Ich habe diesen Ball bewusst so ausgerichtet, um euch, exklusiv, meine neuste holografische Technik vorzuführen. Sie erlaubt es, zwischen den einzelnen Bildern einen fast realen Kontakt zu erzeugen, und die Kämpfe so noch dynamischer, echter, atemberaubender zu gestalten.“ Wie auf Kommando drehte sich der gesamte Saal, aufgeschreckt durch ein mir wohlbekanntes Kreischen, um. Über uns schwebte ein Schwarzer Rotaugendrache. Mit einem einzigen Flügelschlag war er bei Kaiba, und stürzte sich auf einen dritten Weißen Drachen. Die Monster schoben ihre Klauen ineinander und rangen um die Oberhand. Darum also das Motiv des Plakats.
 

„Dies ist die Zukunft. Duel Monsters wird eine lebendige Welt werden, eine, die so real wirkt, dass man glauben kann, diese Monster seien aus Fleisch und Blut.“ Die Drachen verbissen sich bei Kaibas Worten ineinander. Das Rotauge versank seine Zähne im schuppigen Hals seines Kontrahenten, während dieser mit den Klauen nach den Flügeln des Anderen griff. In einer Explosion aus grellem Licht vergingen beide Wesen, und ein stürmischer Applaus folgte. Kaiba bedankte sich, machte noch darauf aufmerksam, dass die Einnahmen des Balles zur Sanierung der Schule verwendet wurden, und verabschiedete sich. Damit folgte auch wieder normale Musik, und wir wandten uns unseren Getränken zu.
 

„Eins muss man Kaiba lassen, er hat schon ein Gespür dafür, wie man fulminante Auftritte hinlegt“, kommentierte Tristan die Szene und grinste breit. „Werden sicher genügend reiche Eltern von ihren Kindern belagert werden“, fügte er an. Im Stillen gab ich meinem Freund Recht. Kaibas Reichtum kam nicht von ungefähr. Er war zwar eiskalt und berechnend, hatte aber einen Sinn für Ästhetik, Perfektion und Ausdauer, der seinesgleichen suchte.
 

Wir verbrachten den Abend noch mit feiern, tanzen, und amüsierten uns. Als gegen eins der Saal allmählich geräumt wurde, entschlossen wir uns, auch zu gehen. „Macht es gut!“, meinten Tea, Tristan und Yugi, die alle in die entgegengesetzte Richtung mussten. Joey eigentlich auch, dieser schien aber zu zögern. „Lust, noch auf einen Sprung zu mir zu kommen?“, schmunzelte ich. Mein Freund reagierte nicht. „Hallo? Erde an Joey? Ob du noch zu mir mitkommen möchtest?“ Ruckartig blinzelte er, und nickte dann lächelnd. „Klar, wenn es dir nichts ausmacht?“ Ich schüttelte den Kopf und setzte mich in Bewegung: „Hast du was?“ Joey verneinte nur abwesend.
 

Bei mir zuhause entledigte ich mich meines Kostüms und hing es sorgfältig in den Schrank. „Rüstung“ und Schwert wurden gegen Jogginghose und Shirt getauscht. Ein Blick aus meinem Zimmer zu Joey, der sich auf die Couch fallen ließ, bestätigte mich in meiner Vermutung: Er wollte heute hierbleiben. Lächelnd kramte ich nach einigen meiner alten Sachen, und trug sie nach draußen. „Du wirst wohl nicht als Flammenschwertkämpfer hier schlafen wollen, oder? Mag zwar ziemlich männlich wirken, aber im Bett ist mir das Ding zu unbequem“, sagte ich, und warf Joey im Vorbeigehen die Sachen in den Schoß.
 

Ich trieb inzwischen Chips und Tee auf, während sich der Blonde umzog. Joey wirkte noch immer abgelenkt – Zeit ihm auf den Zahn zu fühlen. Die Fressalien fanden auf dem kleinen Couchtisch Platz, nebst zwei Tassen mit dampfendem Tee. Ich faltete Joeys Sachen ordentlich (etwas, das er wahrscheinlich nie erlernen würde), und legte sie auf einen der Stühle, bevor ich nach einer Kuscheldecke griff, und mich zu ihm legte. Mit dem Rücken schmiegte ich mich an Joeys Brust, und drückte ihn so sanft aufs Sofa. Seine Hände wanderten auf meinen Bauch, und ich zog uns die Decke über. Kurz verließ ich noch einmal mein wohliges Nest, um mit der Fernbedienung irgendeine Doku über England einschaltete, nur um mich dann ganz an meinen Liebsten zu schmiegen.
 

„Wie hat dir der Abend gefallen?“, fragte ich, und lugte zu Joey hoch. „Ganz gut, für Kaibas Verhältnisse. Der Abend war schön, aber…“ Ich schrägte den Kopf: „Aber?“ Der Blonde biss sich auf die Lippen. „Ich, also, ich will dich nicht belasten“, begann er, was ich nur mit einem Augenrollen kommentierte. „Ähm, also, ich habe gestern mit meiner Schwester telefoniert“, fuhr er fort, während ich die Hand ausstreckte und nach einer Hand voll Chips griff. „Aha, und?“, fragte ich, und kaute dabei die frittierten Kartoffelscheiben. „Sie hat so komisch getan, so als ob etwas nicht in Ordnung wäre. Sie verbirgt was vor mir“, setzte Joey an, und ich musste mich beherrschen, nicht laut loszulachen. Da lag also der Hund begraben.
 

„Ich kann dich beruhigen“, unterbrach ich ihn, und rutschte dabei ein wenig nach oben, sodass meine Wange an der seinen lag. Unter der Decke grabbelte ich nach seinen Händen und verwob unsere Finger miteinander. „Es ist nichts Schlimmes, mehr eine Überraschung.“ Joey richtete sich ein wenig auf, und sah mir in die Augen: „Wie, Überraschung? Du kennst Serenity doch gar nicht. Woher willst du das wissen?“ Nun, das stimmte so nicht ganz. „Doch, ein wenig. Bitte lass dich einfach überraschen, ja?“ Meine Worte unterstrich ich mit einem Kuss auf Joeys Wange. „Ich liebe dich, weißt du das?“ Sein Gesicht zierte ein sanftes Lächeln, und er löste eine Hand aus der Umarmung, um mir durch die Haare zu streichen. „Ich dich auch, mehr als du dir vorstellen kannst.“
 

Langsam näherten sich unsere Lippen erneut. Zärtlich umfing ich Joeys Mund, und lehnte mich in den Kuss hinein, während meine Augen langsam zufielen. Die Vergangenheit musste sich nicht wiederholen, das wurde mir in diesem Moment bewusst. Außerdem wusste ich nun, was ich Joey, neben der Karte und dem Besuch von Serenity noch schenken wollte. Wenn es jemand verdient hatte, dann er. Gleich morgen würde ich mich daranmachen. Im Kuss, mit Joeys Geschmack auf den Lippen, dämmerte ich langsam weg.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2019-02-05T11:30:24+00:00 05.02.2019 12:30
Na ein gelungener Abend würde ich sagen. 👍


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