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Alptraum

Ein lauter Schrei riss mich aus meinem Schlummer. Schlaftrunken lugte ich zur Seite und sah Joey, welcher panisch um sich schlug. Er riss und kratzte dabei, warf sich im Bett herum und brüllte immer wieder, jemand solle doch aufhören ihn so zu quälen.
 

Ich schüttelte den Kopf um einigermaßen wach zu werden, machte die Nachttischlampe an und griff nach seinen Handgelenken, welche ich fest umschlossen hielt. „Joey? Hey, Joey! Wach auf! Alles gut, nur ein Alptraum!“ Tatsächlich öffnete mein Freund die Augen und starrte mich an. Furcht und Trauer spiegelten sich in seiner braunen Iris wider.
 

„Hey, Schatz. Du hattest einen Alptraum“ konstatierte ich und ließ ihn sogleich los. Vorsichtig strich ich meinem Freund über die Stirn, was seinen panischen Gesichtsausdruck ein wenig weichen ließ. „Dämliche Horrorfilme“ murmelte Joey halbherzig. Ich seufzte leise. Das war kein gewöhnlicher Alptraum gewesen.
 

„Joey? Sicher, dass es nur ein Horrorfilm gewesen ist?“ Meine Finger streichelten zärtlich über seine Wange, die feucht und verklebt von Schweiß war. „Was sollte es denn sonst sein?“ fragte der Blonde mit einem halbherzigen Lachen. Mir kamen da so einige Dinge in den Sinn. „Schatz? Du hast dich heute Vormittag schon so komisch verhalten. Was ist los?“ Bewusst behutsam versuchte ich, mittels Stimme und Gestik, den Finger langsam auf seinen wunden Punkt zu bewegen.
 

„Das ist nichts, es war einfach nur…“ Joey zögerte den Satz zu vollenden. Was war denn los? Ich setzte mich auf und zog meinen Freund in eine Umarmung. Meine rechte Hand strich dabei beruhigend über seine Schulter. „Ist es wegen deinem Vater?“ fragte ich und wurde prompt mit Stille belohnt. Für die nächsten Minuten entschloss ich mich, Joey einfach zu signalisieren, dass ich da bin, ihm zuhören würde, wenn er mit mir sprechen wollte.
 

Nach einer Weile schluchzte der Blondhaarige leise und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. „Es, ist, ich…“ Meine Wenigkeit hielt die Luft an nur um ihm die Worte aus dem Mund zu nehmen: „Er misshandelt dich, oder?“ Joey nickte heftig und drehte den Kopf weg, als er sprach: „Er trinkt, dann schlägt er mich, bedroht mich, gibt mir die Schuld daran, dass er und meine Mutter sich getrennt haben…“ Endlich war es raus. Yugi und Co hatten Recht gehabt.
 

Ich strich Joey weiterhin über die Schulter und bettete seinen Kopf an meine Brust. Warme Tränen rannen über meine Haut hinunter zum Bettlaken, welches die manifestierten Gefühle meines Freundes auffing. „Stammen daher deine blauen Flecken?“ fragte ich leise. Daraufhin herrschte wieder Stille, die kurz darauf von einem erneuten Schluchzen durchbrochen wurde.
 

„Schh, alles gut. Wir müssen darüber nicht sprechen, wenn du nicht möchtest.“ Meine Hand, die seine Schulter liebkoste, wanderte nach oben zu seinem blonden Haarschopf, welchen ich sanft kraulte. „Ich weiß es ist schwierig. Du liebst deinen Vater, und doch ist er so grausam zu dir. Diese Vorwürfe, sie nagen an dir. Du hörst sie wahrscheinlich Tag für Tag, Woche für Woche. Du seist an allem Schuld, was in seinem Leben schiefgegangen ist.“
 

Joeys Finger krallten sich in meine Brust, versuchten dort Halt zu finden, aber rutschten nur ab und hinterließen mit den Nägeln eine kleine Wunde die brannte. Er wirkte dabei wie ein Ertrinkender, der verzweifelt nach Halt suchte. Der Tränenstrom wurde stärker und die salzige Flüssigkeit vermischte sich mit meinem Blut, was das Brennen nur noch zusätzlich intensivierte.
 

„E-Er hat einmal gesagt, es wäre besser gewesen, wenn meine Mutter mich abgetrieben hätte. Ich sei ein Taugenichts, ein Versager, eine Niete. Wenn ich wenigstens anschaffen gehen würde, wäre ich ansatzweise nützlich“ presste Joey abgehakt hervor. Ich seufzte leise. So etwas tat weh, vor allem von den eigenen Eltern, oder zumindest einem Elternteil.
 

„Schatz?“ fragte ich vorsichtig und schob meine Hand unter sein Kinn. Mit sanftem Druck zwang ich ihn, mich anzusehen. Seine vom Weinen geschwollenen, geröteten Augen trafen auf meine grau-grünen Iriden und es brach mir das Herz, ihn so zu sehen. „Meine Mum hat etwas Ähnliches zu mir gesagt. Es ist schwer, damit umzugehen, ich weiß, aber es stimmt nicht. Du bist ein wundervoller, hübscher Junge, der humorvoll ist, intelligent, freundlich, ehrlich, zuverlässig, aufgeschlossen und hilfsbereit. Dein Vater sucht ein Ventil. Er braucht jemandem, dem er den Schwarzen Peter zuschieben kann, damit er ja keine Verantwortung übernehmen muss. Deine Mutter und Serenity sind weggezogen, da bleibst nur du übrig.“
 

Joey schüttelte heftig den Kopf und versuchte sich aus meiner Umarmung zu entwinden: „Er ist mein Vater. Ich muss ihn stolz machen.“ Ich biss mir auf die Unterlippe um jetzt nichts Falsches zu sagen. Ihm an den Kopf zu werfen, sein Vater sein versoffener Taugenichts, der an den Beinen aufgehängt gehörte, damit ihm der Alk aus dem Mund tropfte, damit er wenigstens einmal nüchtern war, wäre nicht förderlich gewesen. „Joey, Schatz. Dein Vater ist, wenn er betrunken ist, nicht mehr er selbst. Glaube mir, meine Mutter ist ähnlich. Bitte beruhige dich, ja?“ Damit brach sein Wiederstand auch schon zusammen, und ich konnte ihn wieder in meine Arme ziehen.

Nach einer Weile hörte er auf zu weinen und der Tränenstrom versiegte. Seine Atmung wurde ruhiger. „Geht es dir jetzt ein wenig besser, Schatz?“ fragte ich und wurde mit einem leisen „Ja“ abgespeist. „Es muss dir nicht peinlich sein, schon gar nicht vor mir. Reden hilft, zumindest am Anfang.“
 

Langsam beugte ich mich zu ihm hinab und küsste ihn sanft auf die Lippen. Joey versteifte sich und drückte mich mit den Händen weg. „Lass mich, ich will das…ich…wenn mein Vater das mit uns herausfindet, dann…“ Ich musste mich nun beherrschen, um nicht eine Schimpftirade auf den alten Wheeler loszulassen. Darum wollte Joey nicht, dass es öffentlich wird, dass ich und er ein Paar waren.
 

„Er wird es auch nicht erfahren, versprochen.“ Ich bemühte mich, meine Enttäuschung zu verbergen. Joey stand nicht zu mir, zu uns, und vor allem hatte er mich gerade wegen seines Vaters beiseitegeschoben. Vorsichtig griff ich mit meiner Hand nach seiner und verwob unsere Finger miteinander. Diesmal blockte er nicht ab, im Gegenteil. Seine Finger umschlagen meine Hand und drückten sie fest. „Tut mir Leid, dass ich vorhin so forsch reagiert habe.“ Ich schüttelte heftig den Kopf und zog ihn mit mir ins Bett zurück. „Nichts passiert.“
 

Mein Daumen streichelte über seinen Handrücken und ich machte das Licht erst aus, als Joey wieder eingeschlafen war. Er hatte es vermieden, noch weiter mit mir zu sprechen oder sonst irgendwie zu reagieren. Ich konnte mir nur schwerlich ausmalen, welchen inneren Kampf zwischen Anerkennung von seinem Vater und Liebe zu mir er ausfechten musste. Eines war mir jedoch bewusst: Ich wollte Joey nicht verlieren, zumindest nicht wegen einem Alki.



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