Zum Inhalt der Seite

Ein Austausch mit Folgen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Hilflos

Joey hatte Wort gehalten – wir hatten ein Bild von Sakura und Mokuba in Händen. Es war ausgesprochen schön gezeichnet. Der kleine Schwarzhaarige strahlte, den Arm um seine vermeintliche Freundin gelegt, welche genauso glücklich schien. Ich musste die Zeichenkünste meines Freundes wirklich loben – sie waren außerordentlich. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich an eine reale Momentaufnahme gedacht. Kaibas Designerin hatte ebenfalls ganze Arbeit geleistet. Das Präsent war elegant verpackt worden. Unter Cellophan, mit blauen Sternen bedruckt, hatte man das Geschenk gut versteckt. Die Folie ließ erahnen, worum es sich handelte, nur um dann die ärgste Neugierde noch mehr anzustacheln. Die Zeichnung hatten Mokuba und ich angeklebt, und mit einem kleinen Namenskärtchen versehen.
 

„Na, bist du bereit?“ Mein kleiner Freund wippte nervös auf dem Sitz der Limousine auf und ab, welche uns zu der Geburtstagsfeier brachte. Ich konnte seine Euphorie leider nicht teilen – mir kreisten immer noch die Worte von Mei im Kopf herum. „Mit Joey Wheeler hingehen“. War das nur Zufall, oder hatte sie diese Formulierung bewusst gewählt?
 

„Hey David? Alles okay?“ Mokuba stubste mich an, was mich aus meinen Gedanken riss. „Hm? Oh ja, klar.“ Ich zwang mich zu einem schiefen Grinsen und zerstrubbelte dem Kleinen die Haare. „Du solltest eigentlich nervös sein, hm?“ Mein Grinsen wurde breit erwidert: „Ach was, wird schon schiefgehen, außerdem bist du ja auch da, oder?“ In der Tat, dennoch hatte ich ein sehr mieses Gefühl bei der Sache.
 

„Hat Sakura wirklich nichts gesagt, wegen einer Kleiderordnung oder so?“ Ich dachte dabei an eine Themenparty mit Kostümen oder so. Mokuba schüttelte den Kopf: „Nein, hat sie nicht. Wir sollen aufkreuzen wie immer.“ Ich nickte leicht und seufzte innerlich. Mir war einfach nicht wohl bei der ganzen Sache. Selbst bei einer Themenparty hätte ich mich wahrscheinlich nicht anders angezogen. Ich trug einen anthrazitfarbenen Hoodie mit weißen Bändern, zum Verstellen der Kapuze, über ein weißes T-Shirt, eine schwarze Jeans und meine schwarzen Sneakers mit dem weißen Streifen auf der jeweiligen Seite. Mokuba hatte sich auch nicht in Schale geworfen: Ein schwarzer Kapuzenpulli, eine Jeans und ebenfalls Sneakers.
 

Als die Limo anhielt, öffnete ich die Türe mit klopfendem Herzen. Ich bereute es bereits jetzt, nicht doch im letzten Moment abgesagt zu haben. Mokuba hüpfte aus dem Wagen, während ich ihm mit meinem Rucksack (samt Schlafsachen für mich und den kleinen Wirbelwind) und dem Präsent ausstieg. Ich hatte ihn auch nicht überzeugen können, nach der Feier zu ihm nach Hause zu fahren. Zum Laufen war die Strecke bei Nacht doch fast zu weit. So musste ich also auch in der Höhle des Löwen nächtigen.
 

Wir überquerten eine gekieste Einfahrt, welche vor einem riesigen Haus endete. Die Fassade bestand aus weißem Holz. Das Treppengeländer, welches zur Haustüre führte, war ebenfalls aus diesem Material gefertigt worden. Insgesamt machte das Haus eher den Eindruck einer kleinen Villa. Das würde zumindest erklären, woher Meis selbstischere Art kam. Mokuba klingelte, und ich schulterte meinen Rucksack. Im Hintergrund konnte ich die Limousine wegfahren hören – damit war ich mehr oder weniger auf mich alleine gestellt.
 

Kurz bevor die Tür aufging, drückte ich Mokuba das Geschenk in die Hand und bettete meine Eigene auf seinem Rücken. Er wirkte mittlerweile doch sichtlich angespannt. „Keine Angst, wird schon, sonst hast du noch immer ein Ass im Ärmel.“ Das zauberte dem Kleinen glatt ein freches Grinsen auf die Lippen, welches auch anhielt, als ein Mädchen in der Tür erschien. Das musste die kleine Sakura sein – sie glich jedenfalls dem Mädchen auf dem Bild, und von Mokubas Foto, bis aufs kleinste Detail.
 

„Moki!“ Damit stürmte sie auf ihn zu, und schlang die Arme um ihn. Dieser erwiderte die Umarmung stürmisch und beide wirkten wie eine verknäulte Masse an Personen, deren Anfang und Ende nicht mehr auszumachen war. „Hey Sakura! Alles Gute zum Geburtstag!“ Bei diesen Worten löste sich das Mädchen von ihm und begutachtete das Geschenk eingehend. „Du spinnst ja, Moki!“ Ich prustete leise, was mir die Aufmerksamkeit des Pärchens bescherte.
 

„Moki? Das ist niedlich!“ Mein Grinsen wurde mit einem Tritt gegen mein Schienbein seitens Mokuba belohnt. „Halt die Klappe!“ Damit wandte er sich auch schon wieder seiner Flamme zu. „Ignorier ihn einfach.“ Sakura lächelte nur und verbeugte sich: „Du musst David sein. Mokuba hat mir schon viel von dir erzählt, genauso wie meine große Schwester. Kommt doch rein – Mei wartet bereits auf dich.“ Hätte sie mir gegen das andere Schienbein getreten, ich wäre froh darüber gewesen. Mei wartete bereits – na toll.
 

Damit betraten wir das Haus, welches genauso eingerichtet war, wie ich es mir gedacht hatte: Überteuert, edel und mit sinnlosem Ramsch vollgestapelt, nur um zu zeigen, dass man Geld wie Heu hatte. Aus dem Nachbarzimmer waren Musik und eine grölende Kinderhorde zu hören. Bravo – das mit dem Babysitten fing jetzt schon an.
 

„Komm, Moki, gehen wir zu den anderen. David? Mei ist oben.“ Damit zog sie ihren Gefährten am Arm (welcher mir noch ein breites Grinsen schenkte) in das vermeintliche Wohnzimmer hinein, während ich im Flur stand und am liebsten mit meinem Schädel die Tür eingeschlagen hätte. Wenn ich Glück hatte, war das damals wirklich nur ein Bluff von Mei geweesen, und ich konnte mich relativ bald in eines der Gästezimmer verkrümeln.
 

Langsam stieg ich die Treppe ins obere Stockwerk hinauf. Ich trödelte bewusst. Wo war Meis Zimmer überhaupt? Diese Frage klärte sich sofort – am Ende des Flurs war ein riesiges Schild angebracht: Mei – mit einem kitschigen Herz als Punkt über dem I. Leise trat ich vor die Tür und klopfte dann lautstark an. Kaum dass ich die Hand zurückgezogen hatte, riss Mei die Tür auf und fiel mir um den Hals.
 

„Hey! Du bist also echt gekommen, Wahnsinn!“ Sie wirkte total überdreht und ihre Stimme überschlug sich fast. Ich ließ die anzügliche Knuddelei über mich ergehen und nickte nur leicht. „Mh, hier bin ich.“ Damit griff ich nach hinten, zu einer Seitentasche meines Rucksacks und zog die Plüschgiraffe hervor, welche ich damals gemeinsam mit Mokuba im Einkaufszentrum besorgt hatte. Wortlos hielt ich sie Mei hin, welche zuerst das Plüschtier, dann mich mit großen Augen anstarrte. „Woher hast du das gewusst?“ Sie zog mich an der Hand in ihr Zimmer (interessanterweise gleich wie Sakura ihren Freund Mokuba) und eröffnete mir damit einen Einblick in ihre Welt.
 

Meis Zimmer war genau das, was ich von einem Mädchen erwartete: Sauber, ordentlich und kitschig. Es war riesig, im Vergleich zu meinem. Ein Doppelbett mit rosa Bettdecke, rosa Tapeten und ein weißer Teppichboden wurden mit einer Couch in einem grässlichen lila, einem riesigen Flatscreen und einigen Postern von irgendwelchen Popstars und Mädchenschwärmen komplettiert. Gratulation – kindisch war gar kein Ausdruck. Das einzig Normale waren wohl die Schränke und der Schreibtisch.
 

„Wirf deine Sachen einfach wohin, ja?“ Sie drapierte mein Geschenk sorgsam neben einigen anderen Stofftieren (einer beachtlichen Sammlung an Teddybären, Giraffen und Kätzchen), und sprang dann wieder auf. Irgendwie hätte ich es gut verstanden, wenn sie keiner zur Freundin haben hätte wollen, nicht umgekehrt.
 

„Na komm, setz dich. Willst du was trinken?“ Ich stellte meinen Rucksack neben die Couch und tat, wie mir geheißen: „Mh, Wasser, wenn du hast.“ Mei schob ihre Unterlippen nach vorne und zog eine Plastikflasche aus einem der unzähligen Schränke hervor. „Ich habe dir extra was aus deiner Heimat besorgt.“ Aus meiner Heimat?
 

Die Flasche zierte die Aufschrift – „Almdudler“. Das war die Kräuterlimonade, welche ich bei meinen Großeltern immer als kleiner Junge hatte trinken dürfen. Wieder ein Zufall?
 

„Ähm, woah, cool. Danke, Mei.“ Ich rieb mir den Nacken und lächelte angespannt. Wie grotesk war diese Situation bitteschön? Vor allem: Was hatte sie vor? Ich beobachtete die Braunhaarige, wie sie die Limo in zwei Gläser füllte und dann auf dem Glastisch vor der Couch abstellte. Dann gesellte sie sich zu mir auf der Couch und sah mich erwartungsvoll an.
 

„Ist etwas? Habe ich etwas im Gesicht?“ Ich griff nach meinem Glas und nippte daran. „Nein, aber ich hatte noch nie so einen exotischen Freund. Auf dem Weihnachtsball werden wir das Traumpaar sein.“ Ich verschluckte mich an meinem Getränk und hatte Mühe, nicht alles durch die Nase auszusondern. Was hatte sie gerade gesagt? Ihr albernes Kichern, welches auf meinen Hustenanfall folgte, ging mir tierisch auf den Geist.
 

„Exotischer Freund? Paar? Mei, wie kommst du darauf, dass wir ein Paar wären?“ Ich wischte mit dem Ärmel meines Pullis über meinen Mund und die Nase. In mir keimte allmählich die Vermutung, dass Mei einerseits eine sehr gute Schauspielerin war, was das naive, schüchterne Mädchen anging, und ich andererseits wahrscheinlich nicht der erste Junge war, den sie so behandelte.
 

„Sind wir nicht? Natürlich sind wir das.“ Damit war sie schon auf meinen Schoß geklettert, und hatte meine Hände um ihren Bauch gelegt. Ich löste die erzwungene Umklammerung sofort und schob sie von mir. „Nein, Mei? Ich kenne dich kaum?“ Gut, die Vermutung hatte sich bestätigt – sie hatte nicht mehr alle Latten am Zaun.
 

Die Braunhaarige ließ sich aber gar nicht beirren, im Gegenteil. Sie grinste nur zuckersüß und schüttelte den Kopf: „Das wirst du schon noch. Ich kenne dich gut genug, und ich weiß von dir mehr als du glaubst.“ Ihre Stimme war nun eiskalt geworden. Ich konnte spüren, wie mir das Herz bis zum Hals schlug. Was meinte sie damit wieder? Angriff oder Verteidigung?
 

„Du kennst mich überhaupt nicht, Mei. Wir leben jeweils am anderen Ende der Welt, und ich bin erst gut zwei, drei Monate hier. Außerdem gilt mein Interesse Mokuba, nicht dir.“ Ich wischte mir noch einmal mit der Faust die letzten Reste Limo von den Mundwinkeln und starrte finster zu meiner Gesprächspartnerin hinab.
 

„ Da irrst du dich, ich kenne dich sehr gut. Zu mir und meinem Ruf passt nur der Junge, der Seto Kaiba die Stirn bietet.“ War sie wirklich so begriffsstutzig, oder tat sie nur so? Sie kaschierte ihre bestimmende, selbstherrliche und herrische Art durch ihr naives, süßes Auftreten. Das war mir klar geworden.
 

„Dann solltest du Yugi fragen, der hat ihn schließlich bereits einmal in einem Duell besiegt.“ Missmutig griff ich wieder nach meinem Glas und nippte daran. Mei in die Augen sehen konnte ich nicht. Mit Mühe brachte ich meine Sätze ohne zitternde Stimme über die Lippen. Mir schwante Böses.
 

„Mh, ich stehe nicht auf kleine Punks. Außerdem läuft der Tea hinterher. Du hingegen, bist anders. Das wissen alle an der Schule, sogar Setos kleiner Bruder. Am Meisten scheint das aber Joey verstanden zu haben, hm?“ Sie grinste süffisant, während ich kreidebleich wurde. Wieder eine Andeutung – das konnte kein Zufall sein.
 

Bemüht ruhig stellte ich das Glas ab und räusperte mich: „Ja, Joey ist mein bester Freund, kann man so sagen.“ Ich entschied mich dafür, fürs Erste auf Dumm zu machen, um zu ergründen, wieviel sie wirklich wusste.
 

„Ach komm schon, David. Das Jungsklo ist nicht der beste Ort, um rumzumachen, hm?“ Sie wickelte dabei eines der Bänder meines Hoodies um ihren Finger. „Du hast zwei Möglichkeiten in meinen Augen, um das Ganze abzukürzen.“
 

Ich schluckte schwer und beobachtete sie bei ihrem kleinen Spiel. Hatte sie vor dem Klo gelauscht? Wirklich? Wusste sie, dass ich und Joey ein Paar waren? Wie sollte ich reagieren? Was würde sie von mir verlangen, dass sie den Mund hielt? Ich konnte fühlen, wie mir der kalte Schweiß auf der Stirn stand.
 

„Entweder, du mimst in der Schule meinen Freund, und auch in deiner Freizeit, oder du machst es nicht.“ Beim letzten Wort zog sie ein wenig an dem Band und zwang mich, sie anzusehen. „Was natürlich bedeuten würde, dass ich dich und deinen Freund auffliegen lasse. Ausflüchte sind sinnlos – Joey Wheeler möchte nicht, dass es an die Öffentlichkeit gerät, dass er mit dem neuen Austauschschüler geht.“
 

Das Miststück war erstaunlich gut informiert. Sie erpresste mich, und sie war in meinen Augen komplett krank. Wozu das alles? Was hatte sie davon? Die Situation war nicht mehr grotesk: Sie war der blanke Wahnsinn.
 

„Warum?“ kam es leise über meine Lippen. Mehr konnte ich nicht sagen. Wie sollte ich es Joey erklären? Wie würde es aussehen, Meis Freund zu mimen? Was hatte sie sich in ihrer kranken Fantasie ausgemalt?
 

„Ich brauche jemanden für den Weihnachtsball, und du bist exotisch und hübsch genug, dass mich die ganze Schule beneiden wird. Über mehr musst du dir nicht Gedanken machen.“ Damit stand sie auf, nahm mich an der Hand und zog mich aus dem Zimmer. „Wir sollten nach unten gehen und die fröhliche Nachricht Mokuba übermitteln, hm? Meine Schwester freut sich sicher auch!“ Im Gehen verwob sie ihre Finger mit den Meinen.
 

Innerlich sträubte ich mich, aber was sollte ich tun? Sie kannte unser Geheimnis, und sie würde es ausplaudern, wenn ich nicht nach ihrer Pfeife tanzte. Selbst ohne Beweise, ich ging nach der Aktion davon aus, dass Mei wahrscheinlich welche hatte, würden die Gerüchte reichen, um Joey in eine missliche Lage zu bringen. Außerdem würde ich ihn dann wahrscheinlich komplett verlieren. So, wenn ich ihm alles erklärte, bestand noch der Hauch einer Chance, dass wir eine Lösung finden konnte. Irgendeine.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Satra0107
2018-12-05T11:27:09+00:00 05.12.2018 12:27
😱😱😱 was geht denn hier ab?
Das Biest passt besser zu Kaiba... eiskalt und nur auf den eigenen Vorteil bedacht.
Antwort von:  SuperCraig
05.12.2018 14:23
Kaiba würde sie schon zähmen - der ist noch kälter und egozentrischer.


Zurück